Edgar Allan Poe
Gedichte
Edgar Allan Poe

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Das ruhlose Tal

Übers.: Hedwig Lachmann

            Einst lächelte ein friedliches Tal,
Aus welchem die Leute allzumal
Gezogen waren in stürmische Fernen,
Nachdem sie zu den gütigen Sternen
Gefleht, von ihren azurnen Türmen
Die Blumen im Tal zu pflegen und schirmen,
In deren Mitte den ganzen Tag
Das rote Sonnenlicht träge lag.

Jetzt raschelt es durch diesen Ort
Ruhlos, rastlos in einem fort.
Alles zittert und schauert –, bloß
Die Lüfte sind ganz bewegungslos.
Ach, von keinem Winde geschaukelt,
Nicht vom leisesten Zephyr umgaukelt,
Zucken die Bäume gleich den Fjorden
Im umnebelten, felsigen Norden.
Ach, von keinem Winde getrieben,
Jagen die Wolken und zerstieben
Über den Veilchen, die dort liegen,
Über den Lilien, die sich dort wiegen,
Die sich wiegen und neigen und schauern,
Über mystischen Gräbern trauern.
Sie schauern: ihre duftenden Seelen
Zittern in immerwährendem Leide.
Sie weinen: auf ihrem weißen Kleide
Schimmern die Tränen wie Juwelen.

 


 


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