Franz von Pocci
Kasperl in der Türkei
Franz von Pocci

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Zweiter Akt

Garten.
Kasperl hat einen ungeheuern Turban auf, an welchem ein Eichkätzlschweif hängt.

Kasperl. Also bin ich wirklich konstantinopolitanischer Hofgartner! Mir wär' alles recht: Schlafen kann ich soviel ich will; z'essen hab ich auch g'nug, aber mit dem Trinken, da sieht's schlecht aus. Nix als Lemonad und Mandelmilch! Der Wein ist in der mahonitanischen Religion verboten. Bisweilen laßt mir der Oberkellermeister ein Flaschl zukommen; denn der Großsultl sauft heimlich, was er nur grad mag; aber die Sklaven und sonstigen Untertanen krieg'n Schläg, wenn sie sich unterstehn, einen Wein zu verkosten. Wenn's aber niemand sieht, g'schieht's doch; grad als wie bei uns z'Haus mit die Fastenspeisen. Jetzt soll ich wieder bei meine Radiplantaschen nachschaun. Wenn ich dem Sultl in vier Wochen nicht einen Mordssommerradi auf die Hoftafel liefere, so werde ich karbatscht. Das ist aber unmöglich. Also entweder »Karbatschi« – oder heimliche Flucht! Aber wie? Überall stehn Schildwachen! Lauter Heiducken und Mamelucken! die lassen niemand hinaus! – Holla! was kommt da? Ein Muhrin? Eine kohlpechrabenschwarze Sklavin! – Ha! – ich will sie belauschen. (Versteckt sich.)

Mimikatzi. Ich unglückliche Mimikatzi! Wann werde ich aus dieser türkischen Sklaverei befreit werden? Zwei Jahre bin ich schon hier im Serail des Sultans eingesperrt! Ein schändlicher Sklavenhändler hat mich schwarz lackiert, obschon ich von Haus aus eine Weiße bin, weil er erfahren hatte, daß der Sultan Schurimuri eine schwarze Leibsklavin gesucht hat. O wär' ich in meiner Heimat! Fänd' sich doch ein Retter, der mich entführen wollte!

Kasperl (stürzt ihr zu Füßen). Der Retter ist da! Auch ich möchte entführt werden! Entführen Sie mich, dann bin ich entführt, und entführe ich Sie, so sind Sie entführt! Zweimal zwei ist vier, also sind wir nachher alle zwei entviert.

Mimikatzi. Unverschämter! wie haben Sie mich erschreckt!

Kasperl. O schrecken Sie nicht er! weder Er noch Sie! Sagen Sie Du zu Ihrem Rötter und Ritter! – Ja, wir wollen Hand in Hand diese Mauern überstoigen; ein Schiff steht bereit, uns aufzunöhmen, und durch das Schwarze Meer hinaus werde ich dich hinausschwärzeln!

Mimikatzi. Edler Unbekannter! Du flößest mir Vertrauen ein.

Kasperl. O nein! es gibt hier keine Flöße, sondern nur Sögelschiffe – allein dennoch! – –

Mimikatzi. Wer bist du, der du dich der Unschuld annimmst?

Kasperl. Ich habe noch keine Unschuld angenommen, allein der Augenblick ist günstig. Wenn der Mond mitternächtlich durch die Wolken bricht, wenn die Mitternachtstunde schauerlich auf den Wolken zittert, dann erwarte mich hier!

Mimikatzi. Es sei! Um Mitternacht finde ich mich hier ein! Ich werde die Wachen zu bestechen suchen.

Kasperl. O ja! und ich werde alles Mögliche aufbieten, um unerkannt zu bleiben. Ich werde mich in den dunklen Schleier der Nacht einhüllen! Ha! – laß uns nun das Nähere besprechen! Fort von hier, denn der Sultl wird jetzt seinen Abendspaziergang machen. (Beide ab.)

Schurimuri. Ein recht angenehmer Abend heute abend! Wenn nur die verdammten Schnaken nicht wären; die verderben mir immer meine Promenad'. Und da hilft gar nichts, nicht einmal das Tabakrauchen. Ich glaub die Bestien sind den Rauch schon gewohnt und machen sich nichts mehr draus. Ich werde mir eine eigene Leibschnakenwache organisieren, die mir die Schnaken vertreibt. Es ist wirklich unerhört, daß ein solcher Potentat wie ich, der Großsultan, von so einem miserablen Gesindel insultiert werden kann! Vielleicht weiß der Hofgartenbostandschi ein Mittel dagegen. Holla, wo bist du? (Pfeift.)

Kasperl. Was schaffen Euer Hoheit?

Schurimuri. Schaffe du mir die Schnaken da weg.

Kasperl. Dös wird gleich geschehn sein. (Für sich.) Jetzt wär' die G'legenheit da, den Lümmel totzuschlagen. Couraschi! (Laut.) Haben denn Euer Großtürkl noch nichts von der neuerfundenen Schnakenvertilgungsmaschin' gehört?

Schurimuri. In der Tat noch nichts.

Kasperl. Na, so warten S' a bißl. Dös werd'n wir gleich hab'n. (Geht hinaus.)

Schurimuri. Bin doch wirklich begierig, was das für eine Maschinerie ist. Ei, ei, ei! gewiß recht sinnreich!

Kasperl (kommt mit einem großen Prügel herein). Sehn S', da hab'n mir's schon. Jetzt pass'n S' auf. Wie sich ein Schnak auf Ihre Nasen setzt, nachher sag'n S' nur: »Pim«.

Schurimuri. Gut! wollen doch sehen! – Aha! da ist schon so eine unverschämte Bestie. Pim!

Kasperl (schlägt ihn auf die Nase). Pim!

Schurimuri. Oho! das war ich! – gib etwas mehr acht! – Schon wieder einer! Pim!

Kasperl. Pim, Pim! (Schlägt ihn zu Boden.)

Schurimuri. Auweh! Das ist eine kuriose Maschine!

Kasperl (immer zuhauend). Pim, Pim, Pim! – so hast noch nit genug?

Schurimuri. Weh mir! zu Hülfe, zu Hülfe! der Schurke schlagt mich tot!

Kasperl. Pim, Pim, Pim, Pim! (Schlägt ihn tot.) So – die Schnakenjagd ist vorbei! Der muxt nimmer! den brauch ich nimmer zu fürchten! jetzt hol ich die weiße Muhrin! 's kommt ohnehin gleich der Zapfenstreich. (Ab.)

(Ein türkischer Trommler marschiert über die Bühne und trommelt den Zapfenstreich. Es wird Nacht. Der Mond geht auf. Es schlägt Mitternacht.)

Mimikatzi. Die Stunde der Befreiung schlägt! Alles ist vorbereitet. Die Wachen sind bestochen. Wenn nur mein Retter nicht ausbleibt! Ps! Ps! Ps!

Kasperl (in einen Mantel gehüllt, eine große Laterne in der Hand). Hier bin ich! – Es ist zwar sehr pressant, daß wir fortkommen, allein auf dem Theater ist es üblich, daß man vorher noch eine Stund' lang diskutiert und dem Publikum sagt, daß man geschwind fort soll! Also höre und fasse dich (deklamierend.):

Ringsum decket die Nacht mit schwarzen Flügeln die Erde,
Und der schweigende Mond zittert auf bläulicher Flut.
Hier aus den Büschen vernimmst du der Nachtigall heimliches Liedchen,
Und aus taufeuchtem Gras zirpet die Grill' ihren Sang.
Schlummernde Wächter auf zinnenumkränzten Türmen dort schnarchen,
Hundegebell auch erschallt, Kater auf Dächern miaun.
Fern auf den wogenden Wellen vernehm ich der Ruder Geplätscher,
Und es harret der Kahn, der uns zur Rettung bereit.
Funkelnde Sterne erleuchten die Bahn auf schwankender Welle,
Schweigend entfliehn wir dem Ort – Freiheit verheißt uns die Nacht!

(Während der letzten Worte fällt langsam der Vorhang.)

Ende

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