Franz von Pocci
Kasperl in der Türkei
Franz von Pocci

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Erster Akt

Gemach des Sultans.
Sultan Schurimuri sitzt auf dem Thron und raucht aus einer langen Pfeile.

Schurimuri. Potztausend Mond und Sternhagelelement, geht die Pfeife schlecht! Wieder nicht ordentlich geputzt! Ich muß ja ziehn, daß mir der Atem ausgeht! Beim großen Propheten Mahomet, ich bin schlecht bedient. Jetzt hab ich dem Sklaven Pfeifistopfiri erst 50 auf die Fußsohlen geben lassen und doch sorgt er nicht besser für meine Tabakspfeifen! Ich bin noch als zu gut und zu nachsichtig mit dem Sklavengesindel. Muß wieder ein paar spießen lassen, dann wird's schon besser gehn. Mumurikarbatschi! Hofprofos! herein! bring mir den Pfeifistopfiri! Augenblicklich! – Ihr Hunde, ich will euch mores lehren!

(Mumurikarbatschi und Pfeifistopfiri.)

Pfeifistopfiri. Großer Sultan! Stern des Orients! Sonne des Okzidents! Verzeih! Ich vernahm in deinem Rufe, daß du ungehalten bist!

Schurimuri. Elender! warum hat die Pfeife keinen Zug? fehlt's am Röhrl?

Pfeifistopfiri. Allmächtigster! An meiner Sorgfalt hat es nicht gefehlt! Ich habe die Pfeife heute beim Sonnenaufgange geputzt.

Schurimuri. Einerlei! Vielleicht war der Tabak zu naß. Kurz und gut: Es muß wieder einmal ein Exempel statuiert werden. Mumurikarbatschi! führe den Burschen in das Wichszimmerl Nro. 121, dort hat er 100 Streiche in Empfang zu nehmen und auf Stempelbogen abzuquittieren.

Mumurikarbatschi. Wie du befiehlst, Erhabenster, so soll es geschehn. Fort mit dir, Sklave!

Pfeifistopfiri (fällt auf die Knie). Erbarmen, großer Sultan! Verschone deinen treuesten Sklaven mit der Strafe, die er nicht verdient zu haben zu glauben sich untersteht.

Schurimuri. Was? Remonstrieren auch noch? – Noch ein Wort, und ich lasse dich hängen!

Pfeifistopfiri. Weh mir! – – (Ab mit Mumurikarbatschi.)

Schurimuri. Es ist nicht zum Aushalten! wie hab ich mich jetzt echauffiert! Nichts als Arger und Verdruß! Ich will meine Leibsklavin, die Mohrin Mimikatzi, rufen, damit sie mich etwas besänftige. Sie soll mir ein Lied mit Gitarrebegleitung vorsingen. Mimikatzi! Mimikatzi!

Mimikatzi (mit einer Gitarre). Was befiehlt mein hoher Gebieter?

Schurimuri. Zuerst streichle mir ein wenig den Bart; dann singe mir das Lied von der Lottosblume.

Mimikatzi (streichelt ihn, dann singt sie).

Einsam blüht die Lottosblume
Und drei Nummern träumt sie still,
Rate, wer gewinnen will!
Ach du dunkle Lottosblume,
Du, der schönsten Blätter voll,
Sag mir, was ich setzen soll!
Und es haucht die Lottosblume
In der milden Abendluft
Die drei Nummern aus in Duft!

Schurimuri (heftig). Wie heißen die drei Nummern? Ich will sie in die Lotterie setzen. Ein Terno wär' nicht übel.

Mimikatzi (singt).

Frage nicht die ›Lottosblume‹,
Wenn die Ziehung ist vorbei,
Weißt die Nummern alle drei!

Schurimuri. Ich will aber die Nummern vorher wissen, oder ich laß dich und die Lotterieblume köpfen. Wozu ist die Lottosblume gewachsen, als daß sie mir die Nummern vorhersagt?

Mimikatzi. Großer Sultan! Das Lied ist zu Ende; es ist ein sinniger Rätselspruch aus den Weisheitsbüchern des Mirza Schaffy.

Schurimuri. Dummes Zeug! Ich will keine Rätsel! Fort mit dir, falsche Katze! In dem tiefsten Kerker sollst du schmachten, bis dir die Nummern eingefallen sind. Fort! oder ich vergesse mich und werf dir meinen Pantoffel an den Kopf. (Mimikatzi ab.) So hat sich denn heute alles verschworen, mich zu ärgern! Heda! Heda! türkische Musik will ich haben. Spielt mir den Marsch von dem großen Propheten auf! Wo ist mein Kapellmeister Kislarfagotschi?

Fagotschi (stürzt herein). Großer Sultan! Verzeih! Die große Trommel hat ein Loch im Fell! Der Halbmond hat einen geschwollenen Backen! Die Trompeten leiden an Verstopfung! Es ist mir heute unmöglich, ein Stück aufführen zu lassen!

Schurimuri. Auch das noch! Beim Allah, ich möchte wütend werden, wäre es für den Großsultan nicht unschicklich! Augenblicklich soll die Trommel geflickt werden! dem Halbmond gebe man Überschläge oder Schläge allein, damit er kuriert werde! Die Trompeten sollen zum Abführen einnehmen, Verstopfungen leid ich nicht!

Fagotschi. Alles soll pünktlich vollzogen werden. Doch vernimm, erhabener Sultan: Soeben haben deine Wachen einen Fremdling arretiert, der in dem sultanischen Hofgarten aufgefunden wurde. Man fürchtet, es sei ein Spion. Vielleicht gewährt es dir einige Unterhaltung, ihn vor deinen allerdurchlauchtigsten Augen strangulieren zu lassen.

Schurimuri. Gut! schleppt ihn herbei, damit ich einen Spaß habe auf meinen vielen Ärger. Schnell, schnell!

(Fagotschi ab.)

Schurimuri. Ich wollte mir heute ein sanftes, stilles Vergnügen veranstalten; allein es scheint, daß Muhammed, der große Prophet, es anders bestimmt hat. Gut! So will ich Blut sehen! Ah, da kommt der Fremdling; zuvor will ich mich mit ihm unterhalten.

Kasperl (wird hereingestoßen). Das bitt ich mir aus! das ist keine Manier, einen Reisenden zu so behandeln!

Schurimuri. Wie kömmst du hieher! Wer hat dir gestattet, meinen Hofgarten zu betreten?

Kasperl. Wie ich herkomm? No, das sehn S' ja. Man hat mich verirritiert. Und in Ihren Hopfengarten bin [ich] hineinkommen, ich weiß nit wie. So auf einem Spaziergang am Phosphorus hintennüber und vornherein ums Eck.

Schurimuri. Wer bist du, Hund? was wolltst du hier?

Kasperl. Erhabener Türkenkopf, nix will ich hier. Naus möcht ich wieder.

Schurimuri. Du scheinst mir ein englischer Spion. Eine rote Jacke und gelbe Hosen sind englische Uniform.

Kasperl. Die hab ich schon mit auf die Welt bracht, wie mir meine Mama g'sagt hat.

Schurimuri. Ha! Verstellung! diplomatische Kniff!

Kasperl. Was? ein zipflomatischer Pfiff?

Schurimuri. Weise deinen Paß vor!

Kasperl. Einen Spaß kann ich gleich vorweisen. (Macht dem Sultan eine Verbeugung von rückwärts.)

Schurimuri. Was soll dies heißen? Ist dies englische Sitte?

Kasperl. Das heißt man bei uns ein Kompliment von der Schokoladiseiten, verstanden?

Schurimuri. Aha! du hast dich verraten. Lady ist ein englisches Wort. Schurke, gestehe, oder ich lasse dich strangulieren! Wer bist du? Ich lasse dich mit glühenden Zangen zwicken.

Kasperl. Zwicken spiel ich nit ungern, aber Tarocken ist mir noch lieber.

Schurimuri (beiseite). Ha! er spricht von Marokko? (Laut.) Edler Prinz! seid Ihr vielleicht der Fürst von Marokko, den ich längst zum Besuche erwarte?

Kasperl. Oho! jetzt wär' ich gar ein Prinz. (Beiseite.) Aber ich muß ihm doch was sagen, sonst könnt's wenigstens Prügl absetzen. (In Positur und affektiertem Tone.) Erhabener Großtürke, ich bin kein Prinz, sondern ein reisender Professor à la botanique, ich mache in Blumen! Ich bin Doktor der Blimiblamisophie!

Schurimuri. Darüber bin ich sehr erfreut. Ich habe längst einen Botanikus gesucht, zur Aufsicht über meine Hofgärten, Treibhäuser und Hollanderkästen.

Kasperl. Ja, ich habe mich auch sehr auf die Mistbetteln gelegt, busonders habe ich mich mit der Kultur der Sommerradi buschäftigöt.

Schurimuri. Diese Pflanze ist mir neu. Erklären Sie mir.

Kasperl. Diese Pflanze oder Radi ist ein Worzelgewächs, welches sehr gut zum Bier schmeckt. Man schneidet dasselbe in Schoiben, wölche man mit Salz zu gunießen pflegt.

Schurimuri (für sich). Dieser Fremdling scheint wirklich große Kenntnis der Botanik zu besitzen. (Zu Kasperl.) Wenn Sie wollen, Herr Professor, so nehme ich Sie als Hofgartenbostandschi?

Kasperl. Bostandschi! Was ist das für ein Tier?

Schurimuri. Sie haben die Leitung der sämtlichen Gärten und stehen im Range eines Paschas von zwei Roßschweifen mit weißem Turban!

Kasperl. Ich wünschte lieber einen Federbuschen!

Schurimuri. Meine Beamten tragen keine Federbüsche, sondern nur Roßschweife.

Kasperl. Auch gut, allein ein Eichkatzlschweif würde mich noch mehr freuen.

Schurimuri. Nun, von heute an bist du mein Diener!

Kasperl. O sehr ja! allein vorderhand empfinde ich ein loises Gefühl von bedoitendem Hunger.

Schurimuri. Beim großen Propheten! Dein gemeiner Trieb soll gestillt werden. Man führe den Hofgartenbostandschi in die Hofküche und füttere ihn. Marsch! dann wieder zu mir herauf! – (Kasperl ab.) Jetzt mein Glockenspiel! Ich will etwas schlummern!

(Der Vorhang fällt.)

Ende des ersten Aufzugs

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