Franz von Pocci
Der artesische Brunnen oder Kasperl bei den Leuwutschen
Franz von Pocci

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Zweiter Aufzug

Dorf. Das Wirtshaus zum »Roten Rößl« von außen. In der Mitte der Szene die Zurichtung eines artesischen Brunnens. Aufgeworfene Erdhaufen und Schutt, Leitern, Stangen etc., ein großer Erdbohrer steht in der Mitte gerade in die Höhe etc.

Hans. Professor Zwiebelmaier.

Zwiebelmaier. Nun, mein lieber Hansl, denk' ich, soll's nach meiner mathematischen Berechnung nicht mehr lange dauern, daß wir den Erdball in solcher Tiefe durchbohrt haben, daß das Wasser nicht mehr ausbleiben kann. Noch überall hat man mit dem sogenannten artesischen Brunnen seinen Zweck erreicht.

Hansl. Ja, ich bin Ihnen recht dankbar, daß Sie mich zum Gehülfen und Famulus genommen und dem Wirt die Bedingnis gesetzt haben, daß er mir die Nanni geben muß, wenn's Wasser da ist –

Zwiebelmaier. Allerdings, so ist es, und es muß dabei bleiben.

Hansl. Aber, aber – jetzt bohren und graben wir schon 14 Tag den artesischen Brunnen und es laßt sich halt kein Wasser sehen. Das dauert endlich dem Wirt zu lang, denn Kosten hat er auch dabei, und zuletzt muß das ganze Dorf verdursten, denn es wird halt zu arg, daß man alles Wasser für Mensch und Vieh anderthalb Stunden weit herfahren muß! Es ist was Schrecklich's um so eine Wassernot!

Zwiebelmaier. Geduld, Geduld! die Wissenschaft täuscht nicht und trügt niemals. – Ah, da kommt der Herr Wirt selbst.

Wirt (tritt aus dem Wirtshaus). Meinen Respekt, Gnaden Herr Professor.

Zwiebelmaier. Guten Morgen, Herr Gastgeber.

Wirt. Da haben wir halt noch die alte Bescherung! Alleweil graben, alleweil bohren – –

Zwiebelmaier. Nur kein Bedenken! Wir kommen baldigst auf ein Resultat, wir müssen! es kann nicht anders sein. Hören Sie: wenn wir noch eine Röhre ansetzen, die ich diesen Morgen vom Klempner erwarte – wird der Brunnen springen.

Wirt. Verzeihn S', Herr Professor; aber ich hab mir schon g'nug springen lassen, und wenn's Wasser nicht bald springt, – – –

Zwiebelmaier. Hören Sie nur: ich bin bereits an der Erdschichte angelangt, wo das chaotische Fluidum vulkanischer Konfusion sich mit dem Amalgam der Wasserregion verbunden zu haben scheint; der Mischungsbrei hat sich gezeigt, die Kapillarröhren haben sich geöffnet.

Wirt. Da versteh ich den blauen Teufel davon; ich möcht' einmal, daß ein End' herschaut.

Zwiebelmaier. Dieses Ende ist nahe. Der gute Hans leistet Unglaubliches bei der Sache, und seiner rastlosen Tätigkeit haben wir, was die medianische Wirkung anbelangt, das meiste zu danken, und an meinen Berechnungen kann es nicht fehlen.

Wirt. Ich weiß schon, wo das wieder hinaus will. Es bleibt dabei. Ist das Wasser da – so kriegt der Hansl meine Nanni; denn, wenn's so ist, wie Sie g'sagt haben, so ist mir der Brunnen mehr als viele tausend Gulden wert. Punktum!

Zwiebelmaier. Wie gesagt: ein solcher artesischer Brunnen versiegt nie und liefert in einer Sekunde mindestens 50 Eimer Wasser. Sie können damit nicht nur Ihre Bedürfnisse, sondern das ganze Dorf versehen und sich noch eine Mühle oder eine durch Wasser getriebene Dreschmaschine – kurz: Was Sie immer wollen, anlegen.

Wirt. Nur nicht gar zu viel versprochen, Herr Professor; vorderhand hab ich nur einen blauen Dunst, aber kein' Tropfen Wasser.

Hans. Aha! da kommt schon die Röhre zum Einsetzen.

(Kasperl und Knecht Hiesl tragen eine Röhre herein.)

Zwiebelmaier. Gut, sehr gut! Nun die Röhre hinabgesenkt; den Bohrer etwas gehoben! (Es geschieht nach Anordnung.)

(Kasperl krabbelt an dem Bohrer hinauf, setzt sich auf dessen Querstange.)

Kasperl. So, jetzt können wir wieder bohren. Mir geht's schon ganz feucht von unten herauf.

(Alle sind behilflich. Ungeheurer unterirdischer Donnerschlag. Kasperl versinkt mit dem Bohrer in die Tiefe, zugleich steigt ein mächtiger Springbrunnen aus der Erde. Allgemeines Geschrei und Jubel.)

Wirt. Juhe, juhe! da haben wir's!

Zwiebelmaier. Triumph der Wissenschaft!

Hans. Nanni, Nanni! komm 'raus! Unser Brunnen lauft.

Nanni (springt aus dem Wirtshaus heraus). Gott sei's gelobt!

Wirt. Ich halt mein Wort. Ich halt mein Wort. Ihr seid ein Paar!

Hans. Vivat! Vivat der Herr Professor!

Wirt. Zapft nur gleich ein Faß an! Das ganze Dorf ist zechfrei!

(Die Bühne füllt sich mit Dorfbewohnern, allgemeine Teilnahme und Freude.)

Nanni. Aber – wo ist denn der Kasperl?

Hansl. Auweh! der Kasperl ist versunken!

Chor.

        Auweh! der Kasperl ist versunken;
Vielleicht im Brunnen schon ertrunken!
(Mehrere schauen in den Brunnen hinab.)
Es ist nichts von ihm zu sehen,
Welch großes Unglück ist geschehen!
Auweh! der Kasperl ist versunken;
Im Brunnen, ach! ist er ertrunken!

 
Verwandlung

Patagonien. (Südamerika. Stamm der Leuwutschen.)
Südliche üppige Gegend am Meere. Im Hintergrunde eine Felsenhöhle. Palmenvegetation etc. etc. Im Meere schwimmen große Fische. Affen, Papageien auf den Bäumen. Tiger, Schlangen beleben die Szene.

Professor Zwiebelmaier (tritt auf).
Hochgeehrtestes Publikum! Ich bin von Seite der Theaterdirektion ersucht worden, Ihnen einige Erläuterungen vorzutragen, damit etwa nicht ein Mißverständnis eintrete, nämlich, wie folgt: Sie befinden sich jetzt im tiefsten Südamerika in der Provinz Patagonien bei den Leuwutschen, welche einen der wildesten Stämme dieser Gegenden bilden. Wenn Sie den Erdglobus betrachten, so werden Sie entdecken, daß in diametralem Durchschnitte vom Dorfe, in welchem sich das Wirtshaus »Zum roten Rößl« befindet, dieser Ort in Patagonien oder vielmehr im Lande der Leuwutschen, der gerade entgegengesetzte Punkt ist, in dessen Richtung ich den artesischen Brunnen graben ließ. Indem nun das Wasser hervorsprang, stürzte eine Erdschichte ein, es kam zum kompletten Durchbruche bis in die Weltgegend der Antipoden, welche im vorliegenden Falle die genannten Leuwutschen sind. Ohne Zweifel wird also der arme Kasperl durch diese Erdvertiefung gefallen sein und sich zu seinem größten Unglücke bald in dieser Gegend und bei deren wilden Bewohnern einfinden, deren Gebräuche und Sitten jedoch mit denen der Urbajoaren sehr viel Ähnlichkeit haben sollen, weil bei der großen Völkerwanderung, obgleich Amerika noch nicht entdeckt war, sich ein kleiner Stamm derselben hier angesiedelt hat, wie man glaubt. So viel zur Aufklärung des hohen Publikums. Meinerseits werde ich mich aber sogleich wieder hinter die Kulissen begeben, denn ich möchte mich als ein gelehrter Professor keineswegs dem etwaigen ungeeigneten Benehmen der ungebildeten Leuwutschen aussetzen. (Unter Komplimenten ab.)

(Kasperl kriecht aus der Felsenhöhle, schüttelt sich ab.)

Kasperl. Schlipperdibix! das war aber eine Rutscherei! Ich kenn mich noch gar nicht aus. Das weiß ich noch, wie ich in den kartesischen Brunnen gestiegen bin, nachher bin ich in das tiefe Loch gerutscht, und bin dabei a bißl naß word'n, aber nachher weiß ich nichts mehr von mir: bin ich in die Ohnmacht oder in ein Prezupiß g'fallen – ich weiß kein Sterbenswörtl. (Schaut umher, höchst verwundert.) Oho, oho? – ja was ist denn das für ein Stadtviertel? Verflixte G'schicht! Da muß ich bedeutend ums Eck gekommen sein. Das sind ja Bäume wie die Kehrbesen mit grüne Büschel! Und das Wasser dahinten, da sieht man gar kein End! Schlipperment und diese Vieher!

(Einige Affen springen über ihn hinüber.)

Halt! halt! Die Gassenbub'n hier sind auch kurios, die hab'n Schweiferln wie die Katzen. Ah, ah, ah! das ist aber schön! – – Herrgottl, jetzt fallt mir was ein! Etwas Erschreckliches! – ein Riesengedanke – – ein Weltereignis! Hat mir denn nicht der Professor Zwiebelmaier öfters g'sagt: »Diese kartesischen Brunnen gehen sogar manchmal so tief durch die Erde, daß die Bohrerschraubenspitze unten auf der Rückseiten der Erdkugel herausschaut im Lande der Antipopoden!« Ha! – Und diese Antipopoden sind die Leut, die auf der andern Seiten von der Erdkugel logieren! – O Himmel! wäre es möglich? wäre es möglich, daß ich, Unglückseliger, vielleicht in dem kartesischen Loch da durch die ganze Erdkugel gerutscht wär' und mich jetzt wirklich bei den Antipo-po-po-poden befände? Furchtbarer Gedanke. Weh mir! ich bin verloren! – – Ich fall in Ohnmacht. (Fällt bewußtlos um.)

(Prinzessin Milipi lauft herein, einen ungeheuer großen Schmetterling zu fangen, der vor ihr herfliegt und sich auf Kasperls Nase setzt.)

Milipi. Wart nur, Bestie, ich krieg dich schon! – Ah, da hockt er. (Eilt hin, erschrickt ungeheuer.) Ihr höheren Wesen! Was ist das? Ein fremdes Tier! Sklaven! Herbei! Helft mir! Ich werde gefressen.

Kasperl (erwachend. Der Schmetterling fliegt fort). Holdes Wösen, erschrecken Sie nicht! Fürchten Sie mich nur nicht. Sie sind ja ein gar ein nettes Wutscherl!

Milipi (für sich). Das Tierchen ist gar nicht so übel. Es kann ja auch sprechen.

Kasperl (sehr zärtlich). Oh, oh! Sagen Sie mir, warum sind Sie denn so braun im G'sichtl. Sie sehn ja aus wie ein Kupferpfannl, in dem man die Schmalznudl backt?

Milipi. Fremdling, ich verstehe dich nicht ganz; aber du gefällst mir; denn du scheinst ein gutes Wesen zu sein und kein böses.

Kasperl. O noin, ich bin kein böses, sondern ein sehr gutes, gutes, aber hungriges und durstiges Wösen.

Milipi. Ich will dir eine Kokusnuß geben, daraus kannst du die Milch schlürfen.

Kasperl. Was? war nit übel! Ein Hokuspokusmuß? Das hab ich meiner Lebtag nit gessen. Da dank ich.

Milipi. Oder willst du eine verzuckerte Eidechse? Ich habe davon vom Dessert mitgenommen.

Kasperl. Was? – A verzauberte Heidaxen!! Aber, das ist doch a bißl zu stark, was Ihr für eine Kost haben müßt in dem Land? Aber – apropos, mein Fräulein – denn das sind Sie doch?

Milipi. O ja; ich bin die Tochter des Häuptlings dieses Stammes. Und heiße Milipi.

Kasperl. Was? Tochter? Häuptling? – Stamm? Mili-li-li-pi-pi-pi? Das ist ja alles chinesisch! – Nun, apropos! Eigentlich möcht' ich doch wissen, wo ich heruntergefallenes Individuum mich auf der Welt jetzt befinde.

Milipi. Ja, weißt du denn das nicht? – Du bist im Lande der Leuwutschen.

Kasperl. Leu–leu–wu–tschen?

Milipi. Ja, im Patagonierreiche.

Kasperl. Im Spatagonier–reiche? – Na – jetzt weiß ich soviel wie zuvor. Du also, liebes Mauserl, bist eine Leuleuwutscherin? O du Wutscherl du!

Milipi. Willst du, so werde ich dich zu meinem Vater führen, der wird dich gerne beherbergen.

Kasperl. Ja, mir ist's schon recht, aber vielleicht krieg ich eine rechte Tracht Prügel und werde so, was man sagt, ein bißl »verleuwutscht«.

Milipi. O fürchte dich nicht; aber, sieh, da kömmt mein Vater selbst.

Kasperl. Auweh! – jetzt könnt's mein' Kopf kosten.

(Schluwi mit Halamilari und Gefolge tritt ein.)

Schluwi. Himmelpotztausendsapperament! Was seh ich da? Wer untersteht sich? Wer ist das? Wie verhält sich das? Meine Tochter und ein Fremdling? Ha! Mordselement! Gleich fünfundzwanzig mit dem Bambus!! Alloh!

Milipi (wirft sich Schluwi zu Füßen). Ach, lieber Vater! Verzeih! Ich habe diesen armen Fremdling bewußtlos und erschöpft hier gefunden. Er scheint ein verirrter Wanderer zu sein.

Schluwi. Ich will nichts mit solchen verwirrten Vagabunden zu tun haben. Donnerwetter! Was ist das wieder für eine Sicherheitspolizei? Gleich fünfundzwanzig dem Polizei-Kommissär, der die Jour heut hat! Halamilari!

Halamilari. Herr, was befiehlst du?

Schluwi (beiseite zu ihm). Glaubst du nicht, daß dieser Unbekannte etwa ein böser Geist sein könnte, der unter dieser Verhüllung mir schaden will?

Halamilari. Sehr ja! – Vorsicht! Vorsicht!

Schluwi. Also sichte vor. (Laut.) Tochter, du begibst dich augenblicklich nach Hause. Ich folge dir. Halamilari, du bleibst und bringst den Fremdling gefesselt nach. Eh' wir ihn aufnehmen, muß er jedenfalls auf das genaueste geprüft werden. Zu diesem Zwecke führe ihn in den kleinen Tempel, in welchem mein Hausaltar steht.

(Ab mit Milipi.)

Halamilari. Sklaven, ergreift ihn!

(Zwei Wilde packen Kasperl.)

Kasperl. Oho, nur nicht so grob.

Wilde. Strudi, prudi, prudi bibibi!

Kasperl. Was? fangt ihr auch mit einer solchen Sprach' an? Geht's weiter mit den Dummheiten.

Wilde. Pardipixtipixtiwixti.

Kasperl. Ja, ja, 's ist schon recht. Nur Geduld!

Ein Wilder. Pumpsdi! (Haut den Kasperl.)

Kasperl. Au!

Ein anderer Wilder. Pumpsdi, pumpsdi! (Haut ihn ebenfalls.)

Kasperl. Sapperment, das leid ich nit! (Zu Halamilari.) Sie, Herr General oder Herr Hoffourier, was Sie halt sind: Ich bitt mir die gehörige Achtung aus. Verstehen Sie mich? (Rumpelt an den Halamilari, der sehr erschrickt und furchtsam ist.)

Halamilari. Ich muß mich etwas in acht nehmen. Wenn er ein böser Geist, könnte er mir schaden. (Zu den Wilden.) Cacolimacolimilimila.

Die Wilden. Oi-, oi-, oi-mu!

Kasperl . So – laß ich mir's gefallen; nur höflich! aber zuvor wünschte ich genährt zu werden.

Halamilari. Man wird dir Speis und Trank geben. Fort! Marsch. Eins, zwei, eins, zwei!

(Alle ab.)

 
Verwandlung

Das Innere eines Tempels. In der Mitte auf drei bis vier Stufen steht ein steinerner Maßkrug mit zinnernem Deckel. (Notabene wirkliches Exemplar in Naturgröße.) Anfangs der Szene ist der Krug noch von einem Vorhange verdeckt, der sich leicht aufziehen läßt.
Nacht. Der Raum ist von einer Hänglampe oder von ein paar zu beiden Seiten stehenden Kandelabern spärlich erleuchtet.

Halamilari tritt mit Kasperl ein.

Halamilari. So führe ich dich denn in das Heiligtum ein, junger, hoffnungsvoller Fremdling. Du hast hier die Prüfung zu bestehen.

Kasperl. Was – Prüfung? – Jetzt gibt's ja keine Schulpreis' mehr; da will ich auch nix von einer Prüfung wissen.

Halamilari. Es ist die Prüfung, ob du würdig seist, in dem Lande des großen Schluwi zu weilen.

Kasperl. Mich zu langweilen; denn bisher hab ich nur Ängsten, aber keine Unterhaltung g'habt.

Halamilari. Hier ist unser Heiligtum, unsere Gottheit, welche vor undenklicher Zeit als ein heiliges, wunderbares Meteor vom Himmel an diesem Platze niedergefallen ist und über welches dieser Tempel gebaut wurde.

Kasperl. Hinter diesem Vorhangl da?

Halamilari. Ja. Ich habe den Befehl, dich nun allein zu lassen. Bist du ein Auserwählter, so wird es sich zeigen; wo nicht, so werden dich die bösen Dämonen zerreißen.

Kasperl. Oho, was nit gar? Zerreißen? – Aber ich verlang mir ja nicht ein Auserwählter zu sein; am liebsten wär' mir's, wenn Sie mir den Weg nach Hause zeigen ließen.

Halamilari. Es ist zu spät. Du hast zu uns hergefunden, mußt also geprüft werden.

Kasperl. Lassen Sie mich nur mit der Prüfung aus, Sie Allerliebster.

(Donnerschlag. Zugleich löschen die Lichter aus.)

Kasperl. Pumps dich! Da hab'n wir's!

Halamilari. Es ist das Zeichen der Gottheit.

Kasperl. Das ist eine kuriose Gottheit, wenn die immer einen solchen Pumpser macht.

Halamilari. Lebe wohl! Sei weise und gefaßt! (Ab.)

Kasperl (allein). »Sei weise und gefaßt!« – was heißt jetzt das wieder? Leben Sie wohl, angenehmes Mannsbild! – Was fang ich jetzt an? Ich glaub: ich leg mich nieder und schlaf a bißl.

Tiefe Stimme (hinter dem Vorhang). Kasperl! Kasperl!

Kasperl. Wer ruft mich?

Stimme. Ich bin es.

Kasperl. Wer bist du denn, der du dich »Ich« nennst?

Stimme. Ich bin ich und du bist du; aber in meiner Tiefe ruhet auch dein Geist; dies ist das Geheimnis des Lebens.

Kasperl. Schlapperment! dahinten scheint's nicht ganz richtig herzugehen im Kapitolium.

Stimme. Ziehe den Vorhang zurück und du wirst mich erkennen.

Kasperl. Ich werde den Vorhang zurückziehen und –

(Indem er es tut, zeigt sich der Krug von magischem Schimmer erleuchtet.)

Kasperl (ungeheuer erstaunt). Ja-ja-ja – was erblick ich? Du bist also dieses »Ich« und ich bin dieses »Du«. Himmlische Erscheinung! Wonnevolles Zeichen der Heimat! Ha! (Fällt auf den Bauch.)

Kasperl (aufspringend). Oh, sei gegrüßt! sei willkommen! (Springt an dem Krug auf und ab, dann hinauf, öffnet den Deckel und schaut in den Krug.)

Von innen. Prrrrrrr!

(Ein Leuwutschenteufel, der aus dem Krug schaut, nimmt Kasperl beim Schopf.)

Kasperl. Auweh! Auweh! – Ist der auch wieder da?

Teufel. Wart Spitzbub! Was tust du da herunten?

Kasperl (wieder unten). Und was tust du da oben?

Teufel. Prrrrrrrrr!

Kasperl. Ja, »Prrrrrr!« (Springt zu ihm hinauf. Balgerei. Kasperl reißt den Teufel herab, springt auf ihn etc., bis der Teufel tot daliegt. Ungeheurer Donnerschlag. Speifeuer aus dem Krug. Es wird hell. Zugleich treten Schluwi, Halamilari und Milipi ein.)

Schluwi. Du hast gesiegt, Jüngling! Du hast den bösen Dämon bezwungen.

Halamilari. Dich haben die Götter zu uns gesandt.

Milipi. Heil dir, nimm diesen Kranz von Palmblättern.

Kasperl. Ich bedank mich gar schön, aber jetzt bin ich so g'scheit wie zuvor!

Mehrere Eingeborne (treten ein). Heil! Heil! Heil!

Schluwi. Laßt uns unsern Hymnus singen und um den heiligen Stein den Reigen tanzen.

(Alles tanzt um den Krug herum, dessen Deckel fortwährend auf- und zuklappt.)
Allgemeiner Chor nach der Melodie:

        Rallala, rallala, rallala, rallala,
Kellnerin schenk uns ein
Weil wir beisammen sein,
Rallala, rallala, rallala, la.

Rallala, rallala, rallala, rallala,
Huraxdax, schnaderigax,
Tanz' mit der krummen Hax,
Rallala, rallala, rallala, la.

Rallala, rallala, rallala, rallala,
Und heut is' grad so recht,
Denn das Bier ist nit schlecht,
Rallala, rallala, rallala, la! Juh! Juh! Juh!

Schluwi. Und nun, edler junger Mann; weil ich für meine Tochter noch keinen Mann gefunden, so habe ich dich zu ihrem Gatten bestimmt.

Kasperl. Ah! Ah! – aber färbt's nit ab, die Tochter?

Halamilari. Nein, sie ist ganz naturschokoladibraun!

Kasperl. Nacher laß ich mir's g'fallen.

Schluwi. Kommt Kinder! Kommt alle! Nun soll gleich das Hochzeitsfest gefeiert werden. Man spiele einen Marsch auf; schreit alle: Vivat!

(Alle schreien und ziehen feierlich um den Krug herum unter den Klängen eines Marsches ab, während der Vorhang fällt.)

Ende des zweiten Aufzugs


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