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Dritter Akt.

Das Zimmer des vorhergehenden Aktes. Es ist Morgengrauen des folgenden Tages. Am Fenster in der Veranda steht kein Blumentopf. Auf dem Boden liegt noch das Tischtuch mit dem zerbrochenen Geschirr.

Erste Szene.

Grazia, dann der Matrose.

Beim Aufgehen des Vorhangs erscheint Grazia, in Unterrock und Nachtjacke mit Schaufel und Besen, um aufzuräumen. Sie kehrt die Scherben zusammen und stellt, was noch heil geblieben, wieder auf den Tisch. Ab und zu richtet sie sich wieder auf, reckt sich, verzieht das Gesicht und deutet an, daß sie im Kreuz Schmerzen hat. Dann ballt sie eine Faust gegen die Tür des Kapitäns und murmelt ein paar unverständliche Flüche.

Grazia: Allmächtiger! … Wie sieht denn das hier aus? Dieser Schutthaufen von Tellern und Gläsern! Und das arme Tischtuch! … So eine Bestie gehört nicht ins Haus, die gehört in den Schweinestall! … Ein einziger Teller ist ganz geblieben. Sie richtet sich auf. Au … au … au … ich bin wie zerschlagen! Au … au … au … Drohende Gebärde gegen die Tür des Kapitäns mit gemurmelten Flüchen, dann verschwindet sie durch den allgemeinen Auftritt. Kurz darauf tritt sie im Gespräch mit dem Matrosen wieder auf.

Grazia: Sie hören es ja, die Gnädige hat mir nichts für Sie übergeben.

Matrose: Dann fährt also der Kapitän heute nicht?

Grazia: Was weiß ich, ob er fährt oder nicht.

Matrose: Aber er muß doch heute fahren! Und die Gnädige wird auch gestern abend schon alles eingepackt haben … wollen Sie nicht …?

Grazia: Gestern abend, jawohl! Die hat gestern abend an nichts anderes zu denken gehabt, als nur daran, die Sachen einzupacken!

Matrose: Wieder großer Skandal?

Grazia: Jawohl, Höll' und Teufel!

Matrose: Hm, und natürlich mal wieder alles kurz und klein geschlagen!

Grazia: Sonst nichts! … Sie haben eine Ahnung! Es sind unbeschreibliche Dinge geschehen, die man noch nie gesehen und gehört hat …

Matrose: Sagen Sie schon …

Grazia sieht ihn mit weit aufgerissenen Augen starr an: Ich werde mich hüten! …

Matrose: Ich kann mir denken … mit der Gnädigen hat er sich wieder herumgezankt und den Jungen hat er verhauen. Hat er etwa auch mit Ihnen angebändelt?

Grazia sieht ihn groß an, ist im Begriff, sich zu äußern, schneidet aber kurz ab: Ach, lassen Sie mich in Ruhe.

Matrose: Auch mit Ihnen? … Ja, ja, nach der einen Seite teilt er Honig aus, nach der andern Schläge! Von der einen Seite steckt er die Hiebe ein, nach der andern teilt er sie aus!

Grazia: Was teilt er aus? Was steckt er ein?

Matrose: Jawohl, je nachdem. Hier nicht. Bei der Anderen in Neapel. Macht mit der Hand das Zeichen des Schlagens. Hier spielt er den Wolf, bei der anderen aber, da ist er frommer als ein Lamm.

Grazia: Schönes Lamm! Leise, während sie die Augen aufreißt und ihn anstarrt: Ein Schwein ist er, weiter nichts!

Matrose: Stimmt, aber die andere weiß, wie sie ihn anpacken muß! Das können Sie mir glauben. Als ich noch mit ihm fuhr, da mußte ich manchmal hingehen zu der anderen Gnädigen! Jeden Tag, solange wir in Neapel waren. Da habe ich was zu sehen bekommen! Die hatte die Hosen an! Ein Frauenzimmer, müssen Sie wissen, zwei Zentner. Und häßlich, pfui Teufel! Glotzaugen, mag der Teufel wissen, was er Schönes an ihr gefunden hat. Trotzdem jedes Jahr ein Kind. Ich glaube, inzwischen sind noch fünf oder sechs hinzugekommen.

Grazia: Ist sie jung?

Matrose: Jung … noch nicht dreißig.

Grazia: Das ist doch die Hauptsache.

Matrose: Für sie?

Grazia: Ach Unsinn, für ihn …

Matrose: Er hat doch hier auch noch eine Frau!

Grazia: Ach was, Frau! Die guckt er gar nicht an!

Matrose: Ei, ei, sind Sie vielleicht auch mit im Spiel?

Grazia: Stören Sie mich nicht beim Aufräumen, verstanden?

Matrose lacht: Das wäre der Gipfel.

Grazia: Machen Sie, daß Sie fortkommen, ja!

Matrose Ja, ich gehe schon. Ich gehe schon. Ich komme später wieder. Sagen Sie der Gnädigen, daß ich dagewesen wäre, um die Sachen abzuholen. Sie soll sie zurechtmachen … Auf Wiedersehen.

Grazia: Auf Wiedersehen. Der Matrose ab durch den allgemeinen Auftritt. Grazia fährt mit dem Aufräumen fort, äußert wieder ihren Schmerz im Kreuz und droht mit der Faust zur Tür des Kapitäns. Pause. Kurze Zeit darauf hört man, wieder mit starker Übertreibung, wie der Riegel innen an der Tür des Kapitäns zurückgezogen wird.

Grazia: Aha, jetzt bricht die Bestie aus!

Zweite Szene.

Der Kapitän kommt ganz verschlafen heraus mit mürrischen Augen und einer Laune, wilder als je.

Perella sieht Grazia am Boden: Du bist da? … Mit wem sprachst du?

Grazia: Mit dem Matrosen.

Perella: Ist er fortgegangen?

Grazia: Ja.

Perella: Was wollte er schon so früh?

Grazia: Er wollte die Sachen an Bord tragen. Pause.

Perella: Kannst du deinem Herrn nicht guten Morgen sagen?

Grazia: Weiter fehlte nichts. Da, das ist mein guter Morgen! Sie zeigt auf die Scherben.

Perella: Das machst du jetzt? Was hast du denn gestern abend gemacht?

Grazia wirft ihm einen langen wütenden Blick zu und arbeitet weiter, ohne zu antworten.

Perella: Antworte! Geht drohend auf sie zu.

Grazia erhebt sich, dann sieht sie ihn wieder an und sagt: Das fragen Sie mich? Kurze Pause. Das ganze Haus stellen Sie auf den Kopf, schlagen alles kurz und klein doppelsinnig unterstreichend und wollen obendrein in einer Weise bedient sein, wozu man nicht verpflichtet ist.

Perella: Ich will auf der Stelle den Kaffee.

Grazia: Der ist noch nicht fertig.

Perella geht mit erhobener Hand auf sie zu: Das antwortest du mir?

Grazia fliehend: Kommen Sie mir nicht zu nahe. Rühren Sie mich nicht an! Oder ich schreie, haben Sie verstanden?

Perella: Auf der Stelle den Kaffee! Weißt du nicht, daß ich ihn fertig wünsche, so wie ich aufstehe?

Grazia: Konnte ich denn ahnen, daß Sie gerade heute so früh aufstehen würden, nachdem …

Perella: Schluß! Dieses Geschwätz! Augenblicklich den Kaffee!

Grazia: Ich gehe schon! Ab durch die Tür links.

Dritte Szene.

Der Kapitän Perella allein, dann Paolino und Grazia.

Perella mit Schaudern den Kopf schüttelnd: Alter Drache! Mit einem Gesicht, auf dem sich mehr denn je Zorn und Überdruß spiegeln und mit ärgerlichen Augen steht er einen Augenblick in Gedanken, dann schnauft er, und plötzlich fängt er an, seine Kleider auf dem Leibe zurechtzuziehen. Er begleitet das mit einer Art tierischem Grunzen, schüttelt den Kopf und geht durch das Zimmer. Es ist ihm offenbar sehr heiß, er fürchtet zu ersticken. Er geht auf die Veranda, öffnet dort das Fenster, sieht auf das Meer und zieht tief die Luft ein. Dann schaut er wie nebenher auf die Straße und bemerkt Paolino, überrascht beugt er sich vor und spricht hinunter.

Perella: Hallo, guten Morgen, Professor! … Was? Jetzt schon auf? Wie kommen Sie denn hierher? Hält das Ohr hin, um besser zu hören. Wie? Ach so, ach so! Ja, ich auch! Ein bißchen frische Luft! … Es geht so … ein hübscher Wind … riesig angenehm. Wollen Sie nicht heraufkommen? Kommen Sie doch! Kommen Sie! Ich biete Ihnen eine Tasse Kaffee an. Famos, kommen Sie! Er bleibt noch ein wenig auf der Veranda, dann geht er Paolino entgegen, der durch den allgemeinen Auftritt erscheint. Er sieht leichenblaß aus, mit übernächtigten, nervös zuckenden Augen, in denen sich das Entsetzen malt darüber, daß er das verabredete Zeichen nicht gefunden hat, und er scheint fest entschlossen, ein Verbrechen zu begehen.

Perella: Donnerwetter! Schon da? Sind Sie mit einem Satz heraufgesprungen?

Paolino: Ja, denken Sie mal, ich komme soeben vom Molo zurück.

Perella: Ich sah, wie Sie da unten standen und, die Nase im Wind, zu mir heraufschauten …

Paolino: Ja, ich war gerade zurückgekommen. Als ich das erste Mal hier an dem Hause vorüberging, da stand, denken Sie mal, ein Haufen Menschen da unten im lebhaften Gespräch. Sagen Sie: ist vielleicht zufällig aus dem Fenster da ein Blumentopf auf die Straße gefallen?

Perella verständnislos: Blumentopf? Auf die Straße?

Paolino: Ja – aus dem Fenster.

Perella: Nein … nicht daß ich wüßte.

Paolino: Nicht?

Perella: Ich weiß nichts von einem Blumentopf. Aber warum denn?

Paolino: Ja, mir schien unter dem Fenster, wo die Leute zusammenliefen, ein Haufen Scherben zu liegen. Und das war, so schien mir, der Grund für …

Perella: Ich habe nichts gehört.

Paolino: Stand wirklich kein Blumentopf da, als Sie ans Fenster traten?

Perella: Nein … sehen Sie, da stehen sie noch. Er zeigt auf die Töpfe. Alle fünf.

Paolino: Waren es immer fünf?

Perella: Natürlich. Für mehr ist ja kein Platz da.

Paolino wie vernichtet: So … so … also nichts.

Perella faßt ihn scharf ins Auge: Was? Immer besser! Es scheint Ihnen noch leid zu tun, daß kein Blumentopf aus dem Fenster gefallen ist?

Paolino faßt sich schnell: Mir? I bewahre! … Ich dachte nur, es müßte bestimmt einer heruntergefallen sein.

Perella: Ach, weil die Leute unten Lärm machten?

Paolino: Merkwürdig … was man sich alles einbilden kann! Ich habe fest an diese Tatsache geglaubt, denn als ich bei den Leuten, die da unten Lärm machten, vorbeiging, sagte ich mir: das muß ein Blumentopf sein, der vom Fenster des Kapitäns heruntergefallen ist …

Perella: Unmöglich … ich hätte hier oben alles gehört.

Paolino: Sprechen wir nicht mehr davon. Aber entschuldigen Sie … Sie … Unterbricht sich sofort, als ob ihm das Gesicht des Kapitäns verdächtig erschiene.

Perella nicht verstehend: Ich … was denn?

Paolino: Ich sage … Sie … unterbricht sich wieder, um noch schärfer das angegriffene Gesicht des Kapitäns auszuspähen.

Perella: Was denn? Was denn? Sie haben eine merkwürdige Art, mich anzuschauen.

Paolino: I bewahr! Ich sehe nur …

Perella: Was sehen Sie an mir?

Paolino: Nichts Besonderes … Nur, daß Sie sehr früh aufgestanden sind … Ja, ja …

Perella: Nun erlauben Sie mal, Sie sind doch noch viel früher aufgestanden … Sie sind doch schon außer dem Hause, Sie kommen doch schon vom Molo zurück.

Paolino: Ja, ja … ich … bin allerdings auch sehr früh aufgestanden.

Perella sieht ihn an und platzt mit Lachen heraus: Ha! Ha! Ha! Ha! Ha! Sie sind aber komisch heute früh …

Paolino: Ich bin ein bißchen nervös.

Perella: Ach so, und deshalb haben Sie einen Spaziergang in der frischen Luft gemacht? – Das tut gut, das tut gut! Morgens spazieren gehen ist äußerst gesund.

Paolino: Gesund, ja, ja. Bei sich, so wie der Kapitän sich umdreht: Weiß es Gott, ich bringe ihn um!

Perella: Wenn einer nervös ist, gibt es nichts Besseres, als schleunigst in die Luft, dann verfliegen alle Grillen …

Paolino: Stimmt, stimmt … Ich habe heute nacht wirklich nicht gut geschlafen.

Perella: So? Sie auch nicht? Ach, reden Sie mir nicht davon!

Paolino: Sie haben wohl auch nicht gut geschlafen?

Perella wütend: Ich habe gar nicht geschlafen!

Paolino ängstlich: Ah … und?

Perella: Was?

Paolino: Ich meine, Sie sehen wirklich ein bißchen mitgenommen aus, ein bißchen überanstrengt …

Perella wie oben: Kein Wunder! Ich sage Ihnen ja, kein Auge zugetan! Eine Höllennacht! Vielleicht macht es die Hitze! … Ich weiß nicht!

Paolino: Die Hitze, ja, ja … es war sehr heiß, sehr heiß diese Nacht.

Perella: Zum Umkommen!

Paolino: Und da sind Sie … da sind Sie aufgestanden?

Perella schaut ihn an, dann: Natürlich …

Paolino: Das habe ich mir gedacht. Wenn die Hitze so im Bette sitzt, da müssen Sie sich wie im Backofen vorgekommen sein.

Perella: Wie im Backofen.

Paolino: Und Sie haben ihn natürlich verlassen?

Perella kopfhängerisch, nachdem er ihn ein wenig angesehen hat: Gewiß, ich bin aus ihm herausgegangen, denn einmal war es mir so, als müßte ich ersticken. Er sieht, wie Grazia mit einer Tasse auf dem Tablett eintritt. Ah, da ist ja auch der Kaffee! Gut, Grazia, aber ich sehe nur eine Tasse! Wo ist denn die für den Herrn Professor?

Grazia brummig und abweisend: Das kann ich doch nicht riechen, daß ich auch ihm eine Tasse Kaffee bringen soll, wenn mir's niemand sagt.

Perella: Du sollst nicht widersprechen, verstanden? So etwas versteht sich doch von selbst!!! Was das Frauenzimmer sich herausnimmt!

Grazia macht ein böses Gesicht: Herausnehmen! Immer besser! Jetzt soll auch ich noch diejenige sein, die sich etwas herausnimmt!

Perella: Ein unverschämtes Weibsbild! Nimm dich in acht, sonst fliegst du hinaus, verstanden?

Grazia: Wer will mich hinauswerfen, Sie? Vergessen Sie nicht, daß ich alles weiß, und wenn ich reden wollte …

Paolino gleichsam für sich mit einem blitzschnell auftauchenden Verdacht, sieht bald den Kapitän, bald die Dienstmagd an: Um Gottes willen, er wird doch nicht …

Perella: Professor, was sagen Sie dazu?

Paolino: Ja, was soll ich sagen …?

Perella wütend zu Grazia: Auf der Stelle bringst du eine zweite Tasse Kaffee! Zu Paolino: Nehmen Sie einstweilen diese, Herr Professor. Er bietet sie ihm an.

Paolino: Oh, ich danke sehr, nein! … Machen Sie nur meinetwegen keine Umstände.

Perella: Ach, was heißt Umstände? Nehmen Sie nur.

Paolino: Danke sehr, ich mag jetzt wirklich keinen Kaffee, er würde mir nicht gut bekommen.

Perella: Nicht gut bekommen! Ach, Unsinn! Zu Grazia: Hole nur schnell die zweite Tasse.

Paolino: Glauben Sie mir, Herr Kapitän, ich bin augenblicklich sehr erregt … nervös.

Grazia: Na also – ja oder nein?

Perella: Scher dich zum Teufel! Grazia wütend ab; er flucht hinter ihr her, bis sie verschwindet. Diesen Ton verbitte ich mir ein für allemal! Sonst werde ich ihn dir energisch austreiben.

Paolino: Entschuldigen Sie, ich habe immer gefunden, wenn man mit Dienstboten zu vertraulich umgeht …

Perella: Dienstboten darf man nie zu lange haben, das ist der ganze Witz!

Paolino: Meinen Sie? Ich glaube, es kommt darauf an, daß man sie nicht zu üppig werden lassen darf, sie müssen immer des Abstandes zum Herrn eingedenk bleiben.

Perella von Paolinos Redereien unangenehm berührt: Erlauben Sie mal, meinen Sie damit einen bestimmten Fall?

Paolino: Ja, ich muß sagen, ich bin diesmal höchst unangenehm berührt …

Perella: Von der Frechheit dieses Weibes?

Paolino: Allerdings! Und daß Sie …

Perella: Wer? Ich?

Paolino: Ja, Sie! … Daß Sie das so ruhig ertragen können … unglaublich … völlig unwahrscheinlich erscheint es mir, daß es so weit überhaupt kommen konnte. Wie war das möglich?

Perella schaut ihn an, senkt dann wieder nachdenklich die Augen: Ja, ja, es ist ungeheuerlich!

Paolino: Allerdings, ungeheuerlich!

Perella fast demütig: Aber habe ich Ihnen nicht den Grund gesagt? Sie ist eben schon zu lange im Hause. Wütend. Und daran ist meine Frau schuld!

Paolino: Ach, auch daran ist ihre Frau schuld?

Perella: Ja, ja, ja! Sie ist schon viel zu lange hier. Sie war ja schon da, als Nono geboren wurde. Sie weiß alles, was im Hause vorgeht. Ach, holte sie doch alle zusammen der Teufel!

Paolino unruhig: Entschuldigen Sie, und deshalb …?

Perella: Was, deshalb? Hören Sie mal, Professor, der Ton paßt mir nicht!

Paolino: Entschuldigen Sie … Sie haben mich mißverstanden. Ich wollte nur sagen, das ist doch gar kein Grund, Ihrer Frau Vorwürfe zu machen.

Perella: Hier mache ich allen Vorwürfe, jawohl! Dieses verdammte Haus bringt mich noch zur Verzweiflung! Ich ersticke darin! Jedesmal verfluche ich den Augenblick, wo ich den Fuß wieder hereinsetze. Nicht einmal ruhig schlafen kann ich hier! Die Hitze kommt natürlich noch hinzu … und eine fixe Idee … Und wenn ich nicht schlafe, wissen Sie, wenn es mir nicht gelingt einzuschlafen … dann gerate ich aus Rand und Band.

Paolino: Aber erlauben Sie mal, was können denn die anderen dafür?

Perella: Wofür?

Paolino: Daß Sie sich in Wut hineinreden, daß Sie alles kurz und klein schlagen, daß Sie mit allen Streit anfangen, wenn es heiß ist?

Perella: Zum Donnerwetter, ich ärgere mich über mich! Ich ärgere mich über das Wetter! Ich ärgere mich über alles, was mir über den Weg läuft! Jawohl, mein Herr. Weil ich frische Luft brauche. Frische Luft! Ich bin an die See gewöhnt! Dann ruhiger: Das Haus … die Wände … der Rummel … die Weiber!

Paolino: Oh, auch die Weiber?

Perella: Die zuallererst! Übrigens die Weiber und ich, das ist ein besonderes Kapitel! Nun ja, immer unterwegs … immer lange fort … Gott, alt bin ich ja auch jetzt noch nicht! – – – Aber in meiner Jugend, sage ich Ihnen, oh, da habe ich es ausgekostet … und das eine Gute war immer dabei: wenn ich wollte, wollte ich – und wenn ich nicht wollte, wollte ich nicht! Lacht stolz!. Selbstverständlich, immer, wie ich wollte!

Paolino: Ach, immer? – Bei sich: Ich bringe ihn um! Bringe ihn um!

Perella: Jawohl, ich bin immer der Herr geblieben! Sie wohl nicht, was? Sie lassen sich wohl leicht um den Finger wickeln?

Paolino: Ich bitte Sie, sprechen Sie nicht von mir!

Perella lacht laut: Hahahaha! Ein Lächeln, – ein kleiner Wink!

Paolino unruhig: Aber Herr Kapitän, ich bitte Sie!

Perella lacht wieder: Eh! Eh! Eh! Ich kann es mir schon vorstellen, wie sie es mit Ihnen anfangen. Sie sitzen bescheiden da, reden keinen Ton … werfen nur verschämte Blicke … Nun sagen Sie schon die Wahrheit …

Paolino: Herr Kapitän, hören Sie auf. – Ich bin im höchsten Grade nervös …

Perella lacht weiter: Machen sich allerhand Gedanken und hängen den höchsten Idealen nach, ehe Sie zum Ziele kommen … Gestehen Sie's nur!

Paolino springt auf: Nun gut, Sie wollen also, daß ich Ihnen die Wahrheit sage! Wenn ich eine Frau hätte …

Perella lacht immer stärker: Hahahaha!

Paolino zügellos: Lachen Sie nicht, um Gottes willen, lachen Sie nicht!

Perella: Warum geraten Sie so in Wut? Hahahaha! Ich rede ja gar nicht von der Ehe, ich rede von den Weibern!

Paolino: Und sind denn die Ehefrauen keine Weiber? Was sind sie denn?

Perella: Manchmal auch Weiber … gewiß.

Paolino: So … manchmal! Sie meinen also, daß der Ehemann die Frau manchmal auch als Weib betrachten muß?

Perella: Selbstverständlich! Aber Sie haben offenbar Furcht, daß die Ehefrau als das Weib eines anderen sich betrachten könnte, wenn der Mann sie vergißt.

Paolino: Ein kluger Mann also dürfte sie niemals vergessen.

Perella: Das kann er machen wie er will. Aber Sie, lieber Professor, haben ja keine, und ich wünsche Ihnen auch von ganzem Herzen, daß Sie niemals eine haben möchten.

Paolino höchst aufgeregt, sucht Vorwand zum Streit: Aber das steht ja in vollem Widerspruch zu dem, was Sie soeben zu mir gesagt haben.

Perella: Was habe ich denn gesagt?

Paolino: Ich überlegte zu lange, machte mir zu viel Gedanken … ich weiß allerdings nicht, welche …

Perella bestürzt: So, Sie wollen also heiraten?

Paolino: Nein, das sage ich nicht! Ich sage nur, daß Sie sich über mich täuschen.

Perella: Ich täusche mich?

Paolino: Jawohl! Begehen gleichzeitig die grausamste Ungerechtigkeit.

Perella: Gegen wen? Gegen Sie? Gegen die Ehefrauen?

Paolino: Gegen die Ehefrauen, jawohl.

Perella: Sie verteidigen sie?

Paolino: Jawohl, ich verteidige sie!

Perella: Hahahaha! – Sie verteidigen sie! Wissen Sie, warum Sie sie verteidigen? Weil Sie keine haben! – Sie bedienen sich – ich möchte darauf wetten, – der Frauen anderer! Daher verteidigen Sie sie!

Paolino: Ich? Ich? Das sagen Sie mir? Das wagen Sie mir zu sagen? Ausgerechnet Sie?

Perella versucht, bestürzt, ihn zu beruhigen: Aber lieber Professor. Er versucht während des folgenden Streites mit immer wachsender Verblüffung ihn zu beruhigen.

Paolino: Sie beleidigen mich. Ich bin ein anständiger Mann. Ich bin ein Mann von Gewissen. Ich bin ein Mann, merken Sie es sich, der, ohne es zu, wollen, in eine verzweifelte Lage geraten kann. Jawohl! Aber, daß ich mich der Ehefrauen anderer bedienen könnte, das ist nicht wahr. Denn wenn dem so wäre, dann hätte ich es Ihnen nicht wie ich soeben tat, gesagt, daß ein Ehemann die Frau niemals vernachlässigen dürfte! Und ich füge noch hinzu, daß ein Ehemann, der die Frau vernachlässigt, in meinen Augen ein Verbrechen begeht. Oh, nicht eins allein, – mehrere! Denn nicht nur zwingt er die Frau – und wäre sie eine Heilige – den Pflichten gegen sich selbst und gegen ihre Gattenehre untreu zu werden, nein, er kann vielleicht auch einen anderen Mann zwingen, sein ganzes Leben lang unglücklich zu werden. Ja, ja, das ganze Martyrium dieser armen Frau mitzuleiden. Und wer weiß! Wer weiß, wenn er in seinem Leiden zum äußersten gebracht wird, dann kann dieser Mann gegebenenfalls auch die Herrschaft über sich verlieren und etwas Entsetzliches begehen. Das sage ich Ihnen, das sage ich Ihnen, Herr Kapitän! …

Paolino sagt das alles mit wachsender Erregung und rückt dem Kapitän, der ihn ganz bestürzt ansieht, immer mehr auf den Leib. Gegen den Schluß hin gewinnt es den Anschein, als müsse Paolino jeden Augenblick eine Waffe ziehen, um den Kapitän umzubringen. Da öffnet sich die Tür rechts, und Frau Perella erscheint, bestürzt, unordentlich in Kleidung und Frisur, auf dem bleichen Gesicht noch die ganze verwischte Schminke. Sie hat kaum die Kraft, sich zu bewegen und zu sprechen.

Vierte Szene.

Frau Perella und die Vorigen.

Frau Perella: Um Gottes willen … was gibt es hier?

Perella: Wer soll denn das verstehen? Der Professor hier hat über das Verhältnis von Mann und Frau gesprochen und ist dabei wie ein Wahnsinniger wild geworden.

Paolino: Weil ich eben sagte …

Frau Perella: Beruhigen Sie sich! Ich bitte Sie darum … Sagen Sie nichts mehr, Herr Professor, helfen Sie mir lieber … Sie geht auf den Blumentisch zu und schickt sich an, einen Topf zu nehmen. Wollen Sie so freundlich sein …?

Paolino in höchster Freude: Mit dem größten Vergnügen. Er nimmt den Topf. Diesen Topf? Soll ich ihn auf die Veranda tragen?

Frau Perella: Ach, diesen geben Sie bitte mir … Den will ich tragen … Nehmen Sie doch einen anderen, wenn es Ihnen recht ist …

Paolino: Einen andern? Mir recht? Aber was sagen Sie! Ich bin überglücklich! …

Frau Perella: Nun also – – – bitte. Sie setzt, den Blumentopf auf das Fensterbrett der Veranda.

Paolino: So … so … Führt es aus. Hierher? Er setzt ihn neben den ersten. So …?

Frau Perella: Jawohl, danke. Sie holt darauf den dritten und vierten und setzt sie ebenfalls auf das Fenster, während Paolino in höchstem Entzücken auf den Kapitän zugeht und ihn umarmt, der noch ganz verdutzt dreinschaut.

Paolino: Entschuldigen Sie vielmals, lieber Kapitän, entschuldigen Sie vielmals.

Perella: Was denn?

Paolino: Meine schrecklichen Albernheiten, die mir vorhin entschlüpft sind. Ich war eben so furchtbar nervös … Aber nun bin ich es los, das hat mir geholfen … Jetzt ist alles vorbei. Ich bin ja so glücklich … so glücklich … Entschuldigen Sie, und nochmals tausend Dank, Herr Kapitän, von ganzem Herzen. Schauen Sie mal den herrlichen blauen Himmel an und wie wunderschön der Tag geworden ist – und mit freudigem Erschrecken schauen Sie diese fünf Blumentöpfe!

Frau Perella die den fünften Topf, eine wunderschöne Lilie, bereits in der Hand hat und sie schamhaft, mit gesenktem Blick, zeigt: Die bringen Glück.

Paolino plötzlich: Jawohl, jawohl, einem ganzen Hause. Also tausend Dank, Herr Kapitän. Und entschuldigen Sie vielmals, ich habe mich wirklich wie ein Tier benommen.

Perella schüttelt den Kopf, gewichtig: Ja, lieber Professor, man muß immer Mann sein! … Zeigt mit dem Finger wiederholt auf seine Brust.

Paolino: Das ist für Sie sehr leicht, Herr Kapitän, der Sie eine solche Frau haben:

Die Tugend in Person.

 

Vorhang.

 


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