Ovid
Liebeskunst
Ovid

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Nec timide promitte: trahunt promissa puellas;
    Pollicito testes quoslibet adde deos.
Iupiter ex alto periuria ridet amantum
    Et iubet Aeolios irrita ferre notos.
Per Styga Iunoni falsum iurare solebat
    Iupiter: exemplo nunc favet ipse suo.
Expedit esse deos: et, ut expedit, esse putemus;
    Dentur in antiquos tura merumque focos.
Nec secura quies illos similisque sopori.
    Detinet: innocue vivite, numen adest.
Reddite depositum; pietas sua foedera servet;
    Fraus absit; vacuas caedis habete manus.
Ludite, si sapitis, solas impune puellas:
    Hac minus est una fraude tuenda fides.
Fallite fallentes: ex magna parte profanum
    Sunt genus; in laqueos, quos posuere, cadant.
Dicitur Aegyptos caruisse iuvantibus arva
    Imbribus atque annos sicca fuisse novem:
Cum Thrasius Busirin adit monstratque piari
    Hospitis effuso sanguine posse Iovem.
Illi Busiris: Fies Iovis hostia primus,
    Inquit, et Aegypto tu dabis hospes aquam.
Et Phalaris tauro violenti membra Perilli
    Torruit; infelix imbuit auctor opus.
Iustus uterque fuit: neque enim lex aequior ulla,
    Quam necis artifices arte perire sua.
Ergo ut periuras merito periuria fallant,
    Exemplo doleat femina laesa suo.
Et laerimae prosunt: lacrimis adamanta movebis.
    Fac madidas videat, si potes, illa genas.
Si lacrimae – neque enim veniunt in tempore semper –
    Deficient: uda lumina lange manu.
Quis sapiens blandis non misceat oscula verbis?
    Illa licet non det, non data sume tamen.
Pugnabit primo fortassis et: Improbe, dicet;
   



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    Auch versprich nicht schüchtern; es locken Versprechen die Mädchen;
    Rufe zu Zeugen dafür jegliche Götter auch an.
Jupiter lacht aus der Höh' der falschen Schwüre der Liebe,
    Läßt sie von Äolus' Süd ohne Bedeutung verwehn.V. 634. S. zu Liebeserg. II, 6, 44. – Äolus' Süd, dem Äolus als Beherrscher der Winde unterthan. S. zu Verw. 14, 86. 223 ff. n. Anmerkungen. Es könnte aber auch der Sinn sein die Äolischen Süde, d. h. die von den Äolischen Inseln her oder um dieselben wehenden, da nicht selten eine örtliche Beziehung hinzugefügt wird.
Bei den Fluthen der Styx pflog falsch zu schwören der JunoV. 635 f. Vergl. Liebeserg. II, 8, 19. III, 3, 11. – Bei der Styx, dem Flusse der Unterwelt, schwuren die Götter. S. Verw. 1, 188. 737. 2, 46. 3, 290. – Bei Besprechung der Lsrten falso und falsum zieht Burmann mit den besten Hdschrften die letztere vor, will sie aber als Adjectiv nehmen, ohne daran zu denken, daß styx weibl. Geschlechts ist.
    Jupiter; sein Beispiel selber ist günstig für euch.
Vortheil bringt's, daß Götter es giebt; drum laßt uns sie glauben;
    Weihrauch laßt uns und Wein opfern auf altem Altar.V. 638. Auf altem Altar, wie und weil es von alten Zeiten hergebracht ist.
In schlafähnlicher Ruhe auch hält sorgloses Behagen
    Nicht sie zurück. Schuldlos lebt, und die Gottheit ist nah.V. 640. Andere wenig beglaubigte Lsrt innocui.
Gebt das Anvertraute zurück; treu haltet Verträge;
    Trug sei fern; von Mord haltet die Hände euch rein.
Habt, wenn klug ihr seid, straflos nur Mädchen zum Besten;V. 643 f. In allen andern Dingen haltet Wort und seid redlich, nur in Angelegenheiten der Liebe mögt ihr täuschen, das weibliche Geschlecht zum Besten haben. – Die Lsrten haec, parte und putenda verdienen keine Berücksichtigung.
    Außer dem einen Betrug halte man redlich sein Wort.
Täuschet die Täuschenden denn, die großenteils nur gemeiner
    Schlag sind; fallen ins Netz mögen sie, das sie gestellt.
Einst entbehrte der Fluth, zu erquicken die Fluren, Ägypten,V. 647. Der Fluth, der Nilüberschwemmung.
    War neun Jahre hindurch trocken, berichtet die Mähr.
Da kommt Thrasius hin zu Busiris und zeigt ihm, es könneV. 649. Die Entstehung der Menschenopfer in Ägypten. Die Abschaffung derselben durch Hercules s. Verw. 9, 182. Von diesem Thrasius ist weiter Nichts bekannt als das hier Erzählte.
    Eines Fremdlings Blut sühnen nur Jupiters Zorn.
Ihm erwiedert Busiris: Du sollst als Jupiters Opfer
    Fallen zuerst und dem Land Wasser als Fremder verleihn.
Phalaris hat im Stier auch geröstet des grausen PerillusV. 653. Perillus, nach andern Periláus, ein Metallarbeiter, bot dem Phalaris, einem grausamen Tyrannen von Agrigent in Sicilien, einen hohlen Ochsen aus Erz an, um darin mittelst darunter angemachten Feuers die Opfer seiner Grausamkeit zu rösten, mit der Versicherung, sie würden brüllen, wie wirkliche Ochsen. Der Tyrann machte den ersten Versuch mit dem Künstler selbst.
    Glieder, und eingeweiht hat der Erfinder sein Werk.
Beide waren gerecht. Das Gesetz ist billig, wie keines,
    Daß Anstifter des Mords sterben durch eigene Kunst.
Also damit nach Verdienst Meineid Meineidige täusche,V. 657 f. Die verschiedenen Lsrten et fallant, ut fallant (auch fallent), ut fallunt geben alle guten Sinn und Zusammenhang; am meisten beglaubigt ist die gegebene. – Für laesa hat Heinsius auf das einzige Zeugniß seines Codex lusa aufgebracht.
    Fühle das Weib sich gekränkt, wie es erst selber gekränkt.
Thränen auch haben ihr Gutes; man rührt mit Thränen ein Stahlherz.
    Laß, wo möglich, sie sehn Wangen von Thränen benetzt.
Wenn es an Thränen gebricht – rechtzeitig ja kommen nicht immer
    Thränen – mit feuchter Hand fahre dir übers Gesicht.V. 662. Mehrere vorzügliche Quellen geben uncta, das in einzelnen anderen mit cuncta, unda, tincta Bestätigung zu finden scheint und von Heinsius vorgezogen wird. Der Liebhaber soll die Augen, um sie zu Thränen zu reizen, mit etwas bestreichen; ziemlich umständlich!
Wer, der klug ist, mischte nicht Kuß mit zärtlichem Worten
    Ob sie versage den Kuß, nimm den versagten dir doch.
Kämpfen wird sie vielleicht anfangs und sagen: Du Böser!
    Pugnando vinci sed tamen illa volet.
Tantum ne noceant teneris male rapta labellis,
    Neve queri possit dura fuisse cave.
Oscula qui sumsit, si non et cetera sumet,
    Haec quoque, quae data sunt, perdere dignus erit.
Quantum defuerat pleno post oscula voto?
    Hei mihi, rusticitas, non pudor ille fuit!
Vim licet apellent; grata est vis ista puellis:
    Quod iuvat, invitae saepe dedisse volunt.
Quaecumque est subita veneris violata rapina,
    Gaudet, et improbitas muneris instar habet.
At quae, cum cogi posset, non tacta recessit,
    Ut simulet vultu gaudia, tristis erit.
Vim passa est Phoebe, vis est allata sorori:
    Et gratus raptae raptor uterque fuit.
Fabula nota quidem, sed non indigna referri,
    Scyrias Haemonio iuncta puella viro.
Iam dea laudatae dederat sua praemia formae,
    Colle sub Idaeo vincere digna duas;
Iam nurus ad Priamum diverso venerat orbe,
    Graiaque in Iliacis moenibus uxor erat.
Iurabant omnes in laesi verba mariti:
    Nam dolor unius publica causa fuit.
Turpe, nisi hoc matris precibus tribuisset, Achilles
    Veste virum longa dissimulatus erat.
Quid facis, Aeacida? non sunt tua munera lanae.
    Tu titulos alia Palladis arte petas.
Quid tibi cum calathis? clipeo manus apta tenendo est.
    Pensa quid in dextra, qua cadet Hector, habes?
Reiice succinctos operoso stamine fusos:
    Quassanda est ista Pelias hasta manu.
Forte erat in thalamo virgo regalis eodem:
    Haec illum stupro comperit esse virum.
Viribus illa quidem victa est; ita credere oportet:
    Sed voluit vinci viribus illa tamen.
Saepe: Mane, dixit, cum iam properaret Achilles:
   



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        Aber sie wird besiegt werden doch wollen im Kampf.V. 666. A. L. se tamen, wie Liebeserg. I, 5, 14.
Nur daß nicht, zu gröblich geraubt, er schade den Lippen,
    Und nicht klagen sie kann, daß er gewesen zu hart.
Wenn, wer Küsse sich nimmt, nicht auch das Übrige mitnimmt,
    Wird, was schon man ihm gab, werth zu verlieren auch sein.V. 670. Für erit andere Lsrt erat, wo es dann auch für sumet oder sumit wieder sumsit heißen müßte.
Was nach den Küssen er fehlen noch ließ zum vollen Genusse,V. 671. Für voto, das eigentliche Wort für die gemeinte Sache, einige Hdschrften facto; offenbare Erklärung.
    Bäurische Einfalt war's wahrlich, nicht Folge der Schaam.
Nennen sie auch es Gewalt, lieb solche Gewalt ist den Mädchen.V. 673. Aus zwei Hdschrften hat Heinsius appelles aufgenommen und alle folgenden Herausgeber beibehalten. Wir haben appellent, auf die Mädchen bezogen, wieder hergestellt.
    Geben, was ihnen behagt, wollen mit Sträuben sie oft.
Jede, an der der plötzliche Raub des Genusses verübt ist,
    Freut sich; Verwegenheit ist ihr ein werthes Geschenk.
Doch die, während sie konnte genöthiget werden, es nicht ward,
    Wird durch trübes Gesicht heucheln genossene Lust.
Angethan warb Phöben Gewalt, Gewalt auch der Schwester;V. 679 f. Phöbe und Ilaira (die Schwester), Töchter des Leucippus, wurden, obgleich schon mit anderen Männern verlobt, von Castor und Pollux entführt und ergaben sich in ihr Schicksal. Sie hatten als Gemahlinnen der Genannten unter dem Namen Leucippides ihre Kapelle und ihre Priesterinnen zu Sparta. – Allata wird hier wie Her. 17, 21 von mehreren vorzüglichen Hdschrften bezeugt gegen die gem. Lsrt. illata. – Raptae, wozu man utrique aus dem folgenden uterque zu denken hat, geben »die besseren« für raptis der gewöhnlichen Hdschrften.
    Und den Geraubten doch lieb waren die Räuber zumal.
Wohlbekannt ist die Mähr, doch nicht unwerth des Erzählens,V. 681 ff. S. Verw. 13, 162 ff. n. Anmerkungen. Denn der Hämonische Mann ist Achilleus als Fürst von Phthia in Thessalien, sowie die Scyrische Maid Deïdamía, Tochter des Königs Lycomédes auf der Insel Scyros.
    Wie der Hämonische Mann liebte die Scyrische Maid.V. 682. A. L. victa.
Schon für der Schönheit Preis Lohn hatte gegeben die Göttin,V. 683 ff. S. oben zu V. 625. Der Lohn war die Helena, welche als das schönste Weib die Göttin Venus dem Paris verheißen und Letzterer aus Sparta (aus der Fremde) nach Ilium oder Troja entführt hatte. – Für sua andere Lsrt mala, auch male, was eine Glosse zu sein scheint. Auch Venus für duas ist wol nichts Anderes. Vergl. Her. 16, 70. – Graia, wie Naugerius für grata der von ihm eingesehenen Hdschrften vermuthete, wird von Cod. Iur. und einigen andern bestätigt.
    Würdig am Idaberg zwei zu besiegen erklärt;
Schon zu Priamus war die Schnur aus der Fremde gekommen,
    Und in Iliums Burg hauste das Grajische Weib.
Alle schwuren den Eid auf den Ruf des beleidigten Gatten,V. 687. Alle Griechen. – Des bel. Gatten, des Menelaus.
    Denn des Einzigen Schmerz war ein gemeinsames Leid.
Schimpflich, wofern es geschehn nicht wäre auf Bitten der Mutter,
    Hatte Achilles den Mann unter dem Rocke versteckt.V. 690. Unter dem Rocke, unter weiblicher Kleidung.
Was machst, Äacus' Sproß, du? Dein Dienst ist nicht für die Wolle.V. 691 f. S. z. Verw. 4, 10. – Pallas' andere Kunst, die Kriegskunst, das Waffenhandwerk. S. ebendas. zu 2, 553.
    Pallas' andere Kunst möge gewähren dir Ruhm.
Nicht sind Körbe für dich; der Schild gehört in die Linke.V. 693. Über die Körbe s. unsern Index z. Verw. – Tenendo hat Burmann unter Berufung auf Verw. 13, 352 gegeben nach Oxon., in welchem tenenda steht. Die gem. Lsrten sind terendo (auch terenda) und ferendo.
    Nicht für die Zahl ist die Hand – Hector erliege durch sie.V. 694. Die Zahl, die Aufgabe, das zugewogene Maß der zu spinnenden Wolle. – Für cadet, das prophetische Futur, findet sich in einem Theile der Hdschrften der Conjunctiv cadat.
Wirf die Spindel hinweg, mit dem mühsamen Faden umwunden;
    Diese Rechte, sie muß schwingen den Pelischen Speer.V. 696. Den Pelischen Speer; s. zu Verw. 12, 74.
Grad' in demselben Gemache befand sich die Tochter des Königs.
    Ihr ward, daß er ein Mann war, durch Entehrung bekannt.
Zwar sie ward durch Stärke besiegt, so muß man ja glauben;
    Aber sie wollte doch gern werden durch Stärke besiegt.
Bleibe, begann sie oft, als nun forteilte Achilles:
    Fortia nam posita sumserat arma colo.
Vis ubi nunc illa est? quid blanda voce moraris
    Auctorem stupri, Deidamia, tui?
Scilicet, ut pudor est quondam coepisse priorem,
    Sic alio gratum est incipiente pati.
Ah, nimia est iuveni propriae fiducia formae,
    Expectat si quis, dum prior illa roget!
Vir prior accedat, vir verba precantia dicat.
    Excipiet blandas comiter illa preces.
Ut potiare, roga: tantum cupit illa rogari.
    Da causam voti principiumque tui.
Iupiter ad veteres supplex Heroidas ibat:
    Corripuit magnum nulla puella Iovem.
Si tamen a precibus tumidos accedere fastus
    Senseris, incepto parce referque pedem.
Quod refugit, multae cupiunt; odere, quod instat.
    Lenius instando taedia tolle tui.
Nec semper veneris spes est profitenda roganti:
    Intret amicitiae nomine tectus amor.
Hoc aditu vidi tetricae data verba puellae:
    Qui fuerat cultor, factus amator erat.
Candidus in nauta turpis color: aequoris unda
    Debet et a radiis sideris esse niger.
Turpis et agricolae, qui vomere semper adunco
    Et gravibus rastris sub Iove versat humum.
Et tibi, Palladiae petitur cui fama coronae,
    Candida si fuerint corpora: turpis eris.
Palleat omnis amans: hic est color aptus amanti.
    Hic decet: hoc multi non valuisse putant.
Pallidus in Lyrice silvis errabat Orion;
    Pallidus in lenta Naide Daphnis erat.
Arguat et macies animum; nec turpe putaris,
    Palliolum nitidis imposuisse comis.
Attenuant iuvenum vigilatae corpora noctes,
    Curaque et in magno qui fit amore dolor.
Ut voto potiare tuo, miserabilis esto:
   


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        Denn mit tapferer Wehr hatt' er den Rocken vertauscht.
Wo ist jetzt die Gewalt? Was hältst du mit schmeichelnder StimmeV. 703. Wo ist jetzt die Gewalt, die er früher anwendete, um sie zu besiegen. Er denkt nicht mehr daran, von der Gewalt, wie früher, Gebrauch zu machen.
    Ihn, der erst dich entehrt, Deidamia, zurück?
Freilich man schämt sich zuweilen wol selbst zu machen den Anfang;V. 705. Quondam hat Heinsius nach Ed. pr. mit drei ungenannten Hdschrften gegeben. Die gem. Lsrt ist quiddam, in »den besseren« quadam oder quandam. Letzteres würden wir vorgezogen haben, wenn uns ein Beispiel von pudor est mit dem Accusativ der Person beim Infinitiv bekannt wäre. Andererseits spricht für quondam die möglicherweise beabsichtigte Allgemeinheit der Sätze, nach welcher eine Beziehung auf das Weib nicht bestimmt ausgedrückt ist, sondern dem Leser nur zu denken überlassen wird.
    Fängt ein Anderer an, ist man zu leiden erfreut.
Ha, es vertrauet zu sehr der Jüngling der eigenen Schönheit,
    Wenn er wartet darauf, daß sie ihn bitte zuerst.
Kommen zuerst muß er, vorbringen die Worte der Bitte;
    Sie wird freundlichen Blicks schmeichelnde Bitten empfahn.
Bitte um ihren Besitz; sie will nur bitten sich lassen;
    Anlaß gieb ihr und Grund, was du begehrest, zu thun.
Jupiter kam mit Flehn zu den Heroinen der Vorzeit;
    Und kein Mädchen entzog sich dem erhabenen Gott.V. 714. Entzog sich dem Gott, im Original ließ ihn hart an.
Solltest du merken jedoch, daß Bitten geschwollenem HochmuthV. 715. Aus einer einzigen Quelle, dem Fragm. Oxon., hat Heinsius flatus für fastus aller übrigen gegeben und die spätren Herausgeber beibehalten. Allein wenn auch flatus in diesem Sinne bei Dichtern vorkommt, so findet es sich doch nirgends bei Ovid. Denn unten III, 511, worauf sich Heinsius beruft, kann fatus in einer Hdschrft weit eher für fastus als für flatus verschrieben sein, da eben alle andere fastus haben.
    Nahrung nur giebt, halt' ein mit dem Beginnen und geh.
Was sich entzieht, wünscht Manche und haßt zudringliches Wesen;
    Dringst du gelaßner in sie, machst du sie leichter geneigt.
Auch darf Hoffnung der Lust nicht immer gestehn der Bewerber;
    Unter dem Namen des Freunds schleiche die Liebe sich ein.
Solchergestalt sah oft ich überlistet die Spröde;
    Der der Verehrer erst war, ward der Geliebte zuletzt.V. 722. Für factus haben einige Hdschrften victus, wofür theils dictus, theils fictus vermuthet worden ist.
Schiffern geziemt nicht Weiße der Haut; von den Strahlen der SonneV. 723. Ein neuer Punct.
    Sei die Farbe geschwärzt und von der Woge der See.
Weiße geziemt dem Bauer auch nicht, der immer im FreienV. 725. A. Lsrten in agricola für et agricolae, quia für qui.
    Stürzt mit dem Pfluge das Land und dem gewichtigen Karst.
Du auch, der du erstrebst den Ruhm Palladischen Kranzes,V. 727 f. Dies wird nicht etwa zu dem Liebe-Suchenden gesagt, sondern ist blos dichterische Anrede – Derjenige, welcher &c., d. h. der Kämpfer in den Olympischen Spielen (s. zu Verw. 14, 324), wo der Preis ein Kranz von Olivenblättern (Palladischer Kranz, s. ebendas. zu 2, 553) war. – Für tibi geben einige namhafte Hdschrften tua, dann einige ungenannte für fama palma, das Heinsius aufgenommen und die späteren Herausgeber alle bis auf den heutigenTag beibehalten haben. Wenn aber auch palma für victoria gesagt wird, wie z. B. Liebeserg. II. 5, 12. III, 2, 82, auf welche Stellen Heinsius sich beruft; so bezweifeln wir doch, daß palma Palladiae (oleagineae) coronae eine passende Zusammenstellung sei.
    Sollte dein Leib weiß sein, sähest geziemend nicht aus.
Blaß sei Jeder, der liebt; die Farbe ist passend zur Liebe;V. 729 f. S. zu Liebeserg. II, 7, 9. III, 6, 25. – Die gem. Lsrt ist hoc decet, hoc &c., worin das erste hoc vermuthlich vom zweiten veranlaßt ist, während mehrere das richtige hic erhalten haben. Für das zweite hoc geben einige unpassend hunc, da man doch nicht füglich sagen kann color valet. In einem Codex bei Heinsius findet sich vultu für multi, und das ist von ihm aufgenommen worden und herrscht noch in den Ausgaben. Ebenso putent, das Reg. mit zwei anderen hat. Putant ist aber jedenfalls passender als putent. Dagegen erwartete man multae; aber auch multi ist zulässig, allgemein gefaßt = man. Vergl. unten V. 738.
    Die steht gut, die läßt glauben, daß leidend du warst.
Blaß war Daphnis, der Hirt, für die spröde Najade; OrionV. 731 f. Unter den verschiedenen Darstellungen der Fabel des Daphnis (s. zu Verw. 4, 276) ist der Dichter hier der Darstellung Theokrits gefolgt, nach welcher Daphnis sich wegen unerwiderter Liebe zu einer Nymphe (Najade) selbst verzehrte. – Von der hier angedeuteten Liebe Orions (s. zu Verw. 8, 207) ist sonst Nichts bekannt, weder wer die Schöne gewesen sei, noch wie sie geheißen habe. Die meisten Hdschrften geben Lyricen oder, wie es nach dem andern Satze heißen muß, Lyrice; die seltsamen Verstümmelungen in vielen Hdschrften übergehen wir. Heinsius stellt die Vermuthung Dirces, mit silvis zu verbinden, auf, da Orion ein Thebaner gewesen sei und daher von den Dichtern oft der Böoter genannt werde.
    Irrte für Lyrice blaß tief in den Wäldern umher.
Magerkeit auch beweise die Lieb'; die Kapuz' auch zu legenV. 733 f. »Bedeckungen des Kopfes sind im städtischen Leben für Männer ganz ungebräuchlich« und, wie sich schon aus unserer Stelle ergiebt, selbst schimpflich. »In gewissen Fällen«, beim Opfer, im Anklagestand, wol auch in der Trauer, »zog man die Toga über den Kopf. Indessen hatte man doch für üble Witterung einen Schutz an dem cucullus, auch cucullio, eine Art Capuchon, den man namentlich für die Reise oder wenn man (des Nachts) unerkannt sein wollte, an die lacerna und die paenula (dicke Oberkleider auf Reisen und im Felde) heftete. Einen Hut (von Filz) trug man auf der Reise (daher auch die Fischer und Seeleute überhaupt) und selbst bei Schauspielen zum Schutz gegen die Sonne. Augustus trug gewöhnlich einen petasus (Hut mit breiter Krempe, ebenfalls von Filz).« Beckers Gallus. Ob nun hier eine Kapuze oder ein Hütchen zu verstehen sei, kann beim ersten Blicke zweifelhaft sein, denn die Lsrt schwankt zwischen palliolum und pileolum. Für Letzteres scheint imponere zu sprechen, für Ersteres theils nach Heinsius »die besseren« Hdschrften, theils und besonders eine Stelle Quinctilians XI, 3, 144, wo es heißt: »Das palliolum sowie die Binden, mit welchen die Beine bekleidet werden (s. oben zu 506), Halstücher und Ohrenbänder kann nur die (Berücksichtigung der) Gesundheit entschuldigen.« Da also das palliolum (Mäntelchen, Kapuze) ganz besonders der Gesundheit wegen gebraucht, der Hut aber vorzüglich nur zum Schutze gegen die Sonne getragen wurde; so ist palliolum hier, wo der Liebende den Kranken spielen soll, wol vorzuziehen. Übrigens scheint das palliolum von dem eigentlichen Capuchon oder cucullus noch verschieden gewesen zu sein, wahrscheinlich nicht so dicht und umfänglich, da in der oben ang. Stelle Hals- und Ohrenverwahrungen noch besonders erwähnt werden, und vermuthlich auch nicht an die Toga angeheftet, sondern ein für sich bestehendes Stück. – Das glänzende Haar, von Salben glänzend; s. zu Verw. 3, 555. Vergl. Liebeserg. I, 6, 38. unten II, 734.
    Auf das glänzende Haar halte für schimpflich du nicht.
Hager machen den Leib durchwachte Nächte dem Manne.V. 735. Nach drei ungenannten Hdschrften gab Heinsius attenuent, ohne zu bedenken, daß dem Liebhaber doch unmöglich zugemuthet werden kann, absichtlich die Nächte zu durchwachen, um hager zu werden. Der Lehrmeister stellt einen Erfahrungssatz auf, um dadurch theils das Vorhergehende (arguat) zu rechtfertigen, theils das Folgende (miserabilis esto) zu begründen. Auch e magno giebt derselbe für in magno auf schwache Beglaubigung. Micyll hat mit einigen Quellen immenso.
    Hager der Schmerz, den stets heftige Liebe erzeugt.
Um zu erreichen den Wunsch, sei mitleidswürdig und leidend;
    Ut, qui te videat, dicere possit: Amas.
Conquerar, an moneam, mixtum fas omne nefasque?
    Nomen amicitia est, nomen inane fides.
Hei mihi, non tutum est, quod ames, laudare sodali!
    Cum tibi laudanti credidit, ipse subit.
At non Actorides lectum temeravit Achillis:
    Quantum ad Pirithoum, Phaedra pudica fuit.
Hermionen Pylades, quo Pallada Phoebus, amabat,
    Quodque tibi geminus, Tyndari, Castor erat.
Si quis idem sperat, iacturas poma myricas
    Speret et e medio flumine mella petat.
Nil nisi turpe iuvat: curae est sua cuique voluptas;
    Haec quoque ab alterius grata dolore venit.
Heu facinus! non est hostis metuendus amanti;
    Quos credis fidos, effuge: tutus eris.
Cognatum fratremque cave carumque sodalem:
    Praebebit veros haec tibi turba metus.
Finiturus eram; sed sunt diversa puellis
    Pectora: mille animos excipe mille modis.
Nec tellus eadem parit omnia: vitibus illa
    Convenit, haec oleis; hac bene farra virent.
Pectoribus mores tot sunt, quot in orbe figurae:
    Qui sapit, innumeris moribus aptus erit;
Utque leves Proteus modo se tenuabit in undas;
    Nunc leo, nunc arbor, nunc erit hirtus aper;
Hi iaculo pisces, illi capiuntur ab hamis;
    Hos cava contento retia fune trahunt.
Nec tibi conveniat cunctos modus unus ad annos:
    Longius insidias cerva videbit anus.
Si doctus videare rudi, petulansve pudenti;
    Diffidet miserae protinus illa sibi.
Inde fit, ut, quae se timuit committere honesto,
    Vilis in amplexus inferioris eat.
Pars superat coepti, pars est exhausta laboris.
    Hic teneat nostras anchora iacta rates.
   

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        Daß, sobald man dich sieht, sagen man könne: Du liebst.
Ob ich beklag', ob warne, daß Recht verwirrt ist und Unrecht?V. 739. Der Zusammenhang ist: wenn du nun dein Ziel bei der Schönen erreicht hast, so sei verschwiegen gegen deine Freunde und lobe deine Geliebte nicht etwa gegen sie. Denn ich weiß nicht, ob ich es als Klage oder vielmehr als Warnung zur Nachachtung aussprechen soll, es ist weder der Redlichkeit der Freunde noch der Treue der Geliebten zu trauen. – So ist der Sinn und Zusammenhang, freilich ohne allen Übergang, was bei dem Dichter nicht anstößig sein kann. – Etwas sonderbar ist nur das conqueror, an moneam; und da eine namhafte Quelle conquerar admoneam, eine andere cum querar admoneam, eine ferner conquerar an taceam, einige endlich conquerar an sileam haben: so hat Heinsius num querar ac moneam &c. und im Pentameter ohne allen Grund nomen amicitias nomen &c. vermuthet, Burmann aber sich für eine der letzteren Lsrten conquerar an sileam od. taceam unter Berufung auf Virg. Än. III, 39 eloquar an sileam erklärt; nach unserer Meinung ohne Noth und Glück. Ferner giebt ein Theil der Hdschrften fas esse für fas omne, welches Letztere jedenfalls sinnvoller ist, wenn wir es auch in der Übersetzung nicht haben ausdrücken können.
    Freundschaft ist ein Schall, Treue ein nichtiges Wort.
Ach, es ist gegen den Freund die Geliebte zu loben bedenklich!
    Schenkt er Glauben dem Lob, schleichet er selber sich ein.
Aber nicht Actors Sproß befleckte das Bett des Achilles;V. 743. Actors Sproß = Enkel, Patroclus, Freund Achills.
    Gegen Pirithous war Phädra ein züchtiges Weib.V. 744. Gegen Pirithous, den Freund ihres Gemahls Theseus (aber freilich nicht gegen Hippolytus, s. Verw. 15, 500. Liebeserg. II, 18, 24. oben V. 511). S. Verw. 8, 303.
Pylades liebte Hermione nur, wie Phöbus Minerven;V. 745. Pylades, der Freund, Hermione die Gattin Orests. S. ebendas. zu 15, 489. Wie Phöbus Minerven, die ewige Jungfrau. – Über quo s. oben zu V. 285.
    War, was, Hélena, dir Castor, der doppelte, war.V. 746. Und (Pylades) war (der Hermione) nur, was der Helena Castor und Pollux (Brüder und zwar Zwillingsbrüder, s. zu Verw. 6, 109) waren. Denn so: der doppelte Castor oder der doppelte Pollux werden die Zwillingsbrüder Castor und Pollux von den lateinischen Dichtern bezeichnet.
Wer das Nämliche hofft, der hoffe, daß Obst TamariskenV. 747 f. Die Tamariske (myrica), ein Strauch mit cypressenartigen Blättchen an Flußufern auf feuchtem, steinigem Boden, wird von den alten Dichtern häufig als Symbol der Schwächlichkeit und Niedrigkeit oder Unbedeutendheit gebraucht, oder doch mit einem derartigen Beiworte genannt. Vergl. unten III, 691. Verw. 10, 97. – Iacturas wird von mehreren der vorzüglichsten Quellen bezeugt gegen die gem. Lsrt laturas. Gleichwohl würde werfen im Deutschen unpassend gewesen sein. – Für in medio a. L. e medio.
    Tragen; und Honigseim hol' er immitten des Stroms.
Nur das Entehrende reizt; für seinen Kitzel nur sorgt man:
    Der kommt lieb und genehm auch von des Anderen Schmerz.
Ha, abscheulich! den Feind nicht muß der Liebende fürchten;
    Die du für treu dir hältst, fliehe; so bist du geschützt.
Nimm dich vor Vetter und Bruder in Acht und dem lieben Genossen:V. 753. Für carum a. Lsrt fidum, vom vorhergehenden V. veranlaßt.
    Grund dir wird dies Volk wahrer Befürchtungen sein.
Schließen schon wollt' ich; doch sind die Herzen der Mädchen verschieden:
    Tausendfach sei die Kunst, tausend Gemüter zu fahn.
Einerlei Land auch erzeugt nicht Alles: es ist der Olive
    Jenes, doch dieses dem Wein, dieses gedeihlich dem Spelt.
Arien auch giebts der Gemüther soviel als auf Erden Gestalten.
    Bist du weise, so schmiegst jeglicher Art du dich an;
Wirst wie Proteus bald dich verdünnen zu flüchtiger Welle;V. 761 f. Proteus war wegen seiner Fähigkeit sich zu verwandeln (s. Verw. 8, 733 n. A.) sprichwörtlich das, was bei uns das Chamäleon, nur noch mit dem Nebenbegriffe aalartiger Glätte. Das allein richtige tenuabit haben nur eine Vatic. Hdschrft und der Urdruck gegen tenuabat aller übrigen, erit aber gegen erat mehrere der vorzüglichsten Quellen; ebenso leves gegen die gem. Lsrt levis.
    Wirst bald Löwe, bald Baum, struppiger Eber bald sein.
Fische fängt man, die einen mit Speer, an der Angel die andern;
    Andere ziehet gespannt straffen Geflechtes das Netz.
Einerlei Art auch beliebe dir nicht bei jeglichem Alter.
    Weiter entfernt schon sehn ältere Hirsche das Garn.V. 766. Als Curiosum führen wir an, daß alle Hdschrften für cerva lächerlicher Weise curva geben, cerva nur von Cod. Reg. und als Variante von Fragm. Ox. erhalten ist.
Wenn du gebildet der Rohen erscheinst und keck der Verschämten;
    Wird mißtrauen alsbald sicher die Arme sich selbst.V. 768 f. Sie wird das Vertrauen auf ihre Widerstandsfähigkeit verlieren, ihre Schwäche erkennen und sich ergeben.
Daher kommt's, daß, die sich gescheut zu gehören dem Hohen,V. 769. Dem Würdigen; s. zu Liebeserg. I, 8, 19.
    Nun dem Niedrigern auch feil in die Arme sich wirft.
Übrig noch ist ein Theil, ein Theil vollendet des Werkes.V. 771 f. Für exhausta einige wenige Hdschrften exacta, gleich gut und gewöhnlich in diesem Sinne. – Für nostras im Pentameter giebt Cod. Reg. fessas, wahrscheinlich nur Glosse oder Reminiszenz des Schreibers aus anderen Stellen. Denn da eben dieses Beiwort nicht selten ist, so wäre die Abweichung oder Verderbniß in allen andern Quellen schwer zu erklären.
    Hier zu halten mein Schiff werfe den Anker ich aus.

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