Johann Nestroy
Der Unbedeutende
Johann Nestroy

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Erster Akt

Die Bühne stellt eine Waldpartie am Ufer eines Flusses vor, nur zwei Kulissen tief, links am Ufer ist eine Rasenbank, weiter vorne links ein Gebüsch; es ist Abend mit Vollmondbeleuchtung.

Erste Szene

Fräulein Ottilie, dann Puffmann.

Ottilie (rechts auftretend). Nun wird es Zeit sein – alle Vorkehrungen sind getroffen. – (Sich nochmals vorsichtig umsehend.) Ich gebe ihm das Zeichen. (Klatscht dreimal in die Hände.)

Puffmann (kommt aus dem Gebüsche links). Da bin ich, darf mein Schützling –

Ottilie (mit Beklommenheit). Sogleich –

Puffmann (hervoreilend). Ist Ihnen etwas, meine Gnädige?

Ottilie. Ich fühle eine Bangigkeit –

Puffmann. Warum? Ihnen betrifft es ja nicht.

Ottilie. Und doch klopft mir das Herz, als ob ich selbst entführt würde.

Puffmann. Das sind übertriebene Phantasiebilder, die man mit Brausepulver und Krebsaugen –

Ottilie. Bringen Sie ihn! (Geht Seite rechts ab.)

Zweite Szene

Puffmann, dann von Gröning.

Puffmann (der abgegangenen Ottilie nachrufend). Wird augenblicklich da sein. (Ein Schnupftuch hervorziehend.) Ein Schnupftüchelwinker, und alle Ersten-Mai-Läufer sind beschämt! (Er winkt mit dem Tuche links in die Kulisse.) Die Flagge der Liebe mag wehen.

Von Gröning (kommt eiligst aus links). Hermine, Geliebte! –

Puffmann. Aushalten! Nur einige Sekunden noch!

Von Gröning (ihm ein Papier gebend). Hier, Freund, nehmen Sie eine Anweisung auf die doppelte Summe.

Puffmann (entzückt). Also tausend Dukaten?? – Glänzender Belohner, jetzt freut's mich erst, daß ich das Dokumentwagstück unternommen hab'. (Gibt ihm eine Schrift.) Nehmen Sie!

Von Gröning. Was ist das?

Puffmann. Ein freier Paß ins Hymenäische, eine Geburtsscheinkopie mit improvisierter Majorennität der Fräulein Braut. – (Rechts horchend.) Still – ich glaub' –

Von Gröning. Es rauscht im Gebüsch –

Puffmann. Es schwebt über die Abendtauperlen –

Von Gröning. Sie ist's! – Hermine –

Dritte Szene

Hermine; Vorige.

Hermine (von Seite rechts auftretend). Adolf! – Ach, ich zittre –

Puffmann (beiseite.) Das Zittern lass' ich mir gefallen, aber wenn die Alte zittert –

Von Gröning (zu Hermine). Fasse Mut!

Hermine. Mir bangt vor dem Schritte –

Puffmann (zu Hermine). Wär' nicht übel! Der Mond scheint, das Heimchen zirpt, die Rosse stampfen, der Kutscher schnauft – wenn Ihnen das Ensemble nicht reizt –

Von Gröning (drängend zu Hermine). Noch in dieser Stunde werden wir über der Grenze getraut – oh, zögere nicht – komm, Geliebte! (Führt sie Seite links ab.)

Puffmann (den Abgehenden nachblickend). Fahrt wohl, ihr glücklichen Konvenienzüberhupfer! – Ob denen der Moment jetzt feil wär' um ein paar Dutzend Paradies'? Glaub' nicht. – Wenn das mein Herr und Gebieter morgen erfährt, was heut' in Eschenau hier vorgegangen –

Vierte Szene

Ottilie, Puffmann.

Ottilie (von rechts). Sind sie fort?

Puffmann (nach links Vordergrund zeigend). Dort fahren sie hin.

Ottilie. So hätte ich sie los, die Nebenbuhlerin!

Puffmann (mit Staunen). Nebenbuhlerin? Die Gnädige entschuldigen einen leisen Starrkrampf der Verwund'rung.

Ottilie. Glauben Sie denn, daß mich, indem ich die Schwachheit des Mädchens protegierte, alberne Herzensgüte leitete oder gar schnöder Eigennutz wie Sie –

Puffmann. Die Gnädige belieben in mir immer nur den habsüchtigen Schmutzian zu sehen. Mein Eigennutz hat etwas Respektables, seitdem er sich in den Salonfrack des Dominierens geknöpfelt.

Ottilie. Sie durchkreuzten also die Heiratsidee des Barons –?

Puffmann. Weil ich ihn ledig haben will. Den verheirateten Baron würde die junge Frau beherrschen, den ledigen beherrsche ich.

Ottilie. Recht so, er verdient es, der Sklave seines Sklaven zu sein, weil er die Rosenfesseln drückend fand, mit welchen damals ein liebend Mädchen ihn umschlingen wollte.

Puffmann. Ha! Aufklärung! Das is die Nebenbuhlerei! Sie selbst sind das damalige Mädchen mit den damaligen Rosenfesseln.

Ottilie. Die Liebe, die er damals herzlos mir versagte, wendet er nun vernunftlos seiner Mündel zu. Es ist eine Genugtuung, die ich mir selbst schuldig war, daß ich vereint mit Ihnen wirkte im Zerstörungsplan seiner Wünsche.

Puffmann. Wir feiern einen stillen, aber schönen Triumph. Es versteht sich von selbst: zweckmäßiges Benehmen beim Bekanntwerden der Flucht! Die gnädige Fräul'n schreien Zeter, ich schrei' Mordio!

Ottilie. Wenn man nur ihrer Trauung keine Schwierigkeit macht!

Puffmann. Dafür hab' ich gesorgt. Ich habe im Geburtsschein der Fräulein Hermine, den der Baron in Verwahrung hat, eine kleine Korrektur in der Jahreszahl unternommen, die Fräulein um drei Jahr' älter gemacht, folglich majorennisiert und hab' eine vidimierte Abschrift fabriziert, die sich fürs Ausland gültig genug präsentiert.

Ottilie (erschrocken). Himmel, was sagen Sie –!? Und mich wollen Sie zur Mitwisserin machen, zur Mitschuldigen einer Tat, wo die Gerichte –

Puffmann (sie unterbrechend). Aber, Gnädige –

Ottilie. Still, kein Wort mehr! Ich habe nichts gehört ich weiß nichts – ich will nichts wissen – Gott, wenn die Gerichte – ich bin des Todes! (Eilt nach rechts ab.)

Fünfte Szene

Puffmann.

Puffmann (allein). Schwache Geistin! – Und wer kann mir beweisen – wer kann mich nur anklagen? – Wenn ich aber jetzt den gewöhnlichen Weg nach der Stadt geh', wie leicht könnte da – am andern Ufer wär' es sicherer – da is ja sonst immer ein Fischerboot angehängt. (Eilt zurück und sieht nach dem Ufer.) Richtig – alles, wie ich's brauch' – ich spring' hinein. (Will, als ob er einen Anlauf nähme, rechts in den Kahn, welcher jedoch nicht sichtbar ist, hinabspringen.)

Sechste Szene

Thomas; Voriger.

Thomas Halt! (Packt, indem er hinter dem Gebüsch am Ufer, wo er gelegen, sich erhebt, Puffmann am Rockschoß.)

Puffmann (erschrocken). Ha – wer da –!? (Sich schnell sammelnd.) Wer untersteht sich, da zu sein?

Thomas (freundlich, submiß und mit dummpfiffigem Lächeln). Ein Zimmermann, ein ordinärer Zimmermann is da im Gebüsch g'legen.

Puffmann. Geh' Er Seiner Weg'!

Thomas. Wo geht denn da der Weg in die Stadt?

Puffmann (nach links Hintergrund zeigend). Dort steht die Wegsäul'n an der Straßen.

Thomas. Was nutzt mich so a steinerner Wegweiser, der da steht als wie ein Maulaff'; ich hätt' gern ein', der mit mir ging' – kommen S', bester Herr!

Puffmann. Kann Er nicht allein gehn, alberner Mensch?

Thomas. Es ist immer besser, wenn zwei miteinander gehn.

Puffmann (der Thomas jetzt erst mehr ins Auge faßt). Und was is denn das? Er kommt ja von der Arbeit? (Indem er auf Thomas' Schurzfell und Axt deutet.)

Thomas. Freilich – hab'n S' mich etwa für ein' Kapitalisten ang'schaut?

Puffmann (entrüstet). Er is also kein reisender Handwerksbursch?

Thomas. Zu was reisen? Überall gut, zu Haus am besten!

Puffmann (wie oben). Wie kann denn Er hernach um den Weg fragen?

Thomas. Lassen wir das! (Puffmann freundlich, aber zudringlich am Arm nehmend.) Sie gehn halt mit mir!

Puffmann (erschrocken, für sich). Teufel! Der hat am End' gehört –! (Zu Thomas.) Liegt Er schon lang da?

Thomas (wichtig und mit Beziehung). Auf jeden Fall lang genug, um (abbrechend) – na, jetzt kommen S' nur mit, ich lass' Ihnen nit aus.

Puffmann (mit steigendem Befremden, für sich). Er fangt mich solo!– (Laut zu Thomas mit innerer Angst.) Hat Er gehört, was dahier –

Thomas. Ich bin grad zurecht aufg'wacht.

Puffmann (für sich). Himmel, er weiß die Geburtsscheinverfälschung, er weiß alles!

Thomas (mit gutmütigem Ernst). Schaun S', bester Herr, so eine Tat, wie Sie –

Puffmann (ihm mit ängstlicher Hast ins Wort fallend). Still, Freund, still! Da hat Er zehn Gulden (gibt ihm aus einer Brieftasche eine Banknote) und geh' Er!

Thomas (das Geld nehmend). Dank' vielmals, 's Geld nehm' ich, aber auslassen tu' ich Ihnen nicht.

Puffmann. Was wär' das?! Er Buschklepper, Räuber –

Thomas (immer freundlich und gelassen). Wenn S' glauben, so geben S' mich halt an bei der Torwacht, da werd' ich dann sagen –

Puffmann (gute Saiten aufziehend). Herzensfreund, Zimmermann meiner Seele – bis in die Stadt gehn wir miteinander – aber dann –

Thomas. Geht einer rechts, der andere links, denn ich hoff', bis dahin –

Puffmann. Aufrichtig, Freund, – kennt Er mich?

Thomas. Nein.

Puffmann (aufatmend). Na, da nehm' Er diese Erkenntlichkeit (gibt ihm eine Banknote), und wenn wir auseinandergehn, kriegt Er nochmals zehn Gulden.

Thomas. Ah! – (Herzlich.) Jetzt g'freut's mich erst recht, daß ich so ein' guten Herrn –

Puffmann. Aber halt' Er Sein Mundwerk im Zaum, braver Handwerker!

Thomas (treuherzig). Na, das versteht sich – denn es machet Ihnen auf kein' Fall a Ehr' –

Puffmann. Gewiß nicht.

Thomas. Also kommen S', Sie werden mir's noch danken.

Puffmann. Wenn Er gehn wird, aufs herzlichste.

Thomas. Sie werden noch oft denken an mich!

Puffmann. Wird mir stets eine wertvolle Erinnerung bleiben. (Indem er Arm in Arm mit Thomas sich zum Abgehen wendet.) Deutschland, du hast durchaus nichts voraus vor Ägypten, auch hier lauern Krokodile am Uferstrand.

Thomas. Von Ägypten woll'n S' reden? Das is das Land, welches nix als Nilpferde, Pyramiden und Traumbücheln erzeugt; gut, wir werden uns schön unterhalten unterwegs.

(Beide Seite links ab.)

Verwandlung

Zimmer im Schlosse mit angezündetem Lüster, rückwärts führt ein Bogen rechts nach dem Speisesaal, rechts eine Seitentüre nach dem Appartement des Barons, links eine Seitentüre nach Puffmanns Zimmer.

Siebente Szene

Franz, Friedrich, dann Heinrich.

Friedrich. Das hab' ich in meinem Leben nicht g'sehn; es hat ihm gar kein Essen g'schmeckt.

Franz. Weil er am Sekretär so ein' Narr'n g'fressen hat.

Friedrich. Während der ganzen Tafel –

Franz. Kein anders Wort als. »Wo er denn bleibt?« – und: »Wo kann er denn sein?« – – Mich ennuyiert der Diskurs – soll s' bedienen wer will, ich geh' gar nicht mehr hinein.

Heinrich (aus dem Speisesaal kommend). Der gnädige Herr laßt fragen –

Franz (im nachspottenden Ton). Ob der Herr Sekretär Puffmann noch nicht da is?

Heinrich. Na freilich.

Franz. Eine Empfehlung, nein, aber wie er kommt, werden wir 'n auf ein' Teller stellen und hineintragen. (Heinrich geht lachend durch den Bogen rechts nach dem Speisesaal zurück.)

Friedrich. Was zu arg is, is z' arg!

Achte Szene

Tupper; Vorige.

Tupper (aus dem Speisesaal kommend, zu beiden). Wenn der Herr Intendant und Sekretär Puffmann kommt, so sagt mir's zuerst – womöglich, noch eh' er zum Herrn hineingeht.

Franz. Können Ihnen verlassen.

Friedrich (leise zu Franz, mit einem Seitenblick auf Tupper). Das is auch einer.

Franz (leise zu Friedrich). Na, der und der Sekretär – aber nur Geduld!

Tupper (welcher nach dem Speisesaal gesehen). Die Herrschaften kommen.

Franz. Aus 'n Speis'saal.

Tupper. Sie werden ins Spielzimmer gehn.

Franz. Bewegung is a Hauptsach', is g'sund.

Neunte Szene

Baron Massengold, Herr von Packendorf, Herr von Lockerfeld, Herr von Seewald, Herr von Althof; Vorige.

(Die benannten Herren treten durch den Bogen rechts aus dem Speisesaal auf. Die Bedienten entfernen sich, Tupper bleibt im Hintergrunde.)

Althof. Packendorf ist immer der lebendige Widerspruch.

Lockerfeld. Wer hört sein Brummen, wenn unser »Hoch lebe der Bräutigam!« den Palast durchdonnert, wenn die holde Braut vom Schlößchen Eschenau als Herrin einzieht in diese Hallen?

Massengold. Warum soll ich keine junge Mündel heiraten?

Packendorf. Weil du ein alter Vormund bist.

Lockerfeld. Millionärs sind immer liebenswürdig.

Massengold. Das sagt mein Sekretär auch.

Packendorf. Ich aber sage: Sei vorsichtig, berücksichtige manches –

Lockerfeld. Was Vorsicht, was Rücksicht! Wer mitten in Millionen drinnen steht, der sieht vor sich und hinter sich nur Millionen und braucht weiter keine Vorsicht und keine Rücksicht.

Massengold. Das sagt mein Sekretär auch.

Packendorf. Laß mich mit deinem Sekretär –

Massengold. Mein Sekretär sagt immer die Wahrheit.

Packendorf. Du bist ein Hans-Narr.

Massengold. Das sagt mein Sekretär auch, das heißt (sich korrigierend), er sagt, ich wäre ein Narr, wenn ich nicht tun würde, was mich freut.

Seewald. Da hat er recht.

Massengold. Puffmann hat immer recht – nur daß er heute nirgends zu finden ist, das ist unrecht von ihm.

Althof. Nirgends zu finden? Man hat ihn ja noch nirgends gesucht.

Massengold. Es ist schwer, in einer Stadt wie Kobelstadt –

Althof. Die achthundert Einwohner –

Packendorf. Und doch außer diesem Palais respektive nur drei Häuser zählt. –

Massengold. Macht mir mein Kobelstadt nicht gar so klein!

Seewald. Wo könnte er da sein?

Althof. Beim Kaufmann –

Massengold. Der eine Cousine hat, die –

Seewald. Oder beim Stadtrichter –

Massengold. Der zwei Töchter hat –

Lockerfeld. Oder beim Revisor" –

Massengold. Der drei Frauen hat.

Packendorf. Drei Frauen?

Massengold. Das heißt, zwei tote und eine lebendige.

Lockerfeld. Da kömmt er gerade wegen der lebendigen – ich gehe hin.

Seewald. Und ich geh' zum Stadtrichter.

Althof. Und ich zum Kaufmann.

Lockerfeld. Einer von uns muß ihn finden.

Massengold. Das wäre scharmant. Kann man aber so spät noch zu den Leuten –? Tupper, wieviel Uhr ist's? (Zu den drei Herren, welche auf ihre Uhren sehen wollen.) Plagt euch nicht!

Tupper. Halb neun.

Massengold. Da ist's wohl schon etwas unschicksam.

Lockerfeld. Wir kommen als Abgesandte eines Millionärs, da wird nicht viel Federlesens gemacht.

Massengold. 's ist wahr.

Lockerfeld. Wir müssen dem Herrn Puffmann auf die Schliche kommen.

Massengold. Dann wollen wir ihn tüchtig durchhecheln. (Zu Packendorf.) Und du, Brummbär, machst einstweilen mit mir eine Partie Pikett.

Packendorf (etwas mürrisch). Meinethalben.

Lockerfeld. Also frisch ans Werk! Einer von uns muß den Fuchs im Taubenschlag erwischen.

(Lockerfeld, Althof und Seewald gehen durch den Bogen zur Mitte ab. Massengold und Packendorf Seitentüre rechts ab.)

Zehnte Szene

Tupper, dann Puffmann.

Tupper (allein). Fatal, er ist doch schon öfters von der Tafel weggeblieben, und nie war gar so ein Aufhebens und gerade heut' –! Wenn er nur –

Puffmann (aus der Seitentüre links kommend). Ist g'fragt worden um mich?

Tupper. Wenigstens zwanzigmal.

Puffmann. Na, ich sag', ich war beim Kaufmann.

Tupper. Da sucht Ihnen der Herr von Althof.

Puffmann. So sag' ich, ich war beim Stadtrichter.

Tupper. Dort sucht Ihnen der Herr von Seewald.

Puffmann. So sag' ich, ich war beim Revisor.

Tupper. Dort sucht Ihnen der Herr von Lockerfeld.

Puffmann (ärgerlich). Ja, zum Teufel, wo war ich denn hernach?

Tupper. Ich rate Ihnen, Herr von Puffmann, präparieren Sie sich auf ein scharfes Examen!

Puffmann. Freilich. Morgen wird die Flucht der Fräulein Hermine bekannt.

Tupper. Der alte Packendorf ist Ihnen nicht wohlgesinnt.

Puffmann. Der schlechte Mensch könnt' den Verdacht auf mich –

Tupper. Sie müßten dann Beweise liefern, wo Sie heut' abend waren.

Puffmann. Beweise – das Beweisfordern is eine wahre Malträtierung der Menschheit. Wie schön könnte man sich ausreden, wenn das nicht wäre!

Tupper. Hat Sie von der Dienerschaft wer gesehn?

Puffmann. Keine Seel', ich bin über meine Stiegen herauf und durch mein Bureau herüber.

Tupper. Dann gehn Sie geschwind wieder fort, irgendwohin, wo Sie von Leuten gesehen werden, die Sie dann als Zeugen ausrufen können.

Puffmann (ängstlich). Das is leicht g'sagt, aber wohin denn?

(Man hört im Zimmer rechts lauten.)

Tupper. Der Herr Baron – ohne Zweifel fragt er wieder nach Ihnen. (Seitentüre rechts ab.)

Elfte Szene

Puffmann (allein).

Puffmann (tritt, während Tupper die Türe öffnet, einen Schritt zurück, um nicht gesehen zu werden). Was tu' ich? – Was sag' ich? Eine Ausred' is einen Taler wert, ich zahlet mir hundert Gulden, wenn mir eine einfallet, und trotz diesem enormen Agio gänzliche Stockung, trostlose Vernaglung! – Kaffeehäuser gibt's hier nicht. – Fürs Wirtshaus bin ich eine zu imposante Erscheinung, da weiß man gleich, um die Minuten is er gekommen, um die Sekunden is er gegangen, der auffallende Herr. – Ich renn' grad blindlings in die Welt hinein. (Will in ängstlicher Hast zur Seitentüre links ab.)

Zwölfte Szene

Thomas; Voriger.

Thomas (Seitentüre links eintretend). Stockan!

Puffmann. Höll' und Teufel!

Thomas (dummpfiffig lächelnd). Jetzt weiß ich, wo S' logieren.

Puffmann (böse). Was is denn das, daß Er mir nachgeht?

Thomas. Meine Pflicht is's!

Puffmann. Ich bin da nicht zu Haus, bin nur eingeladen hier in G'sellschaft.

Thomas. Und damit ich auch a G'sellschaft hätt', woll'n S' mir ein' Bär'n aufbinden?

Puffmann. Nein, im Ernst!

Thomas. Ich weiß ja, wer Sie sein, lieber Herr.

Puffmann. Welcher Satan hat Ihm –?

Thomas. Sie selber. Mit dem letzten Zehnguldenzettel haben S' mir z'gleich das Brieferl in d' Hand druckt. (Zieht einen Brief aus der Tasche.)

Puffmann (das Briefchen nehmend). Oh, ich Quintessenz –!

Thomas. Ich hab' nur die Adress' g'lesen; natürlich, was gehn mich Ihre Geheimniss' an!

Puffmann (beiseite). 's größte weiß er so schon.

Thomas (sich im Zimmer umschauend). Aber Sie haben da ein Leben! (Gutmütig drohend, da er in dem Wahn ist, Puffmann wollte sich in der früheren Szene, wie er in den Kahn springen wollte, in das Wasser stürzen.) Ich begreif' nicht, wie Sie so was haben tentieren können.

Puffmann (ängstlich). Schweig' Er, Freund – Verhältnisse –! (Gibt ihm eine Banknote.) Da hat Er was.

Thomas. Ich bitt' – das is zu viel. (Das Geld nehmend.) Wenn ich jemals in die Lag' kommen sollt' –

Puffmann. Nein, nein, g'schenkt is g'schenkt.

Thomas (in seiner Rede fortfahrend). Daß ich anstünd' auf was, an kein' andern wend' ich mich als an Ihnen.

Puffmann. Gott gib's, daß Er nie auf etwas ansteht.

Thomas. Sie sein ein seelenguter Herr.

Puffmann. Aber jetzt, lieber Zimmermann, Er wird am besten wissen, wo der Zimmermann 's Loch g'macht hat.

Thomas. Ja, ja, es könnt' uns wer –

Puffmann (auf den Mittelbogen zeigend). Geh' Er da hinaus, und wenn Ihn wer fragt, so hat Er mich aufgesucht und nicht getroffen! 's ist keine Zeit zu verlieren.

Thomas. Sie haben recht, ich muß da in der Nachbarschaft einen kranken Kameraden heimsuchen.

Puffmann (halb für sich). Wenn die Krankheit nur epidemisch wär'!

Thomas. Etwas damisch is's. – Das is noch vom letzten Sonntag her, da waren wir –

Puffmann. Lieber unerträglicher Freund, ich steh' auf Nadeln!

Thomas. Ich geh' schon, ich hab' Ihnen nur woll'n erzähl'n, wie mein Freund, trotz dem festesten Vorsatz, nur ein halbes Seitel –

Puffmann (immer ungeduldiger). Ich kann jetzt unmöglich –

Thomas. Sie haben keine Zeit, is schad', denn es is sehr lehrreich, wenn man das hört, was aus ein' Vorsatz und was aus ein' halben Seiterl werden kann.

Puffmann. Er mortifiziert mich –

Thomas. Ich weiß ja, was Art is; nur niemanden belästigen!

Puffmann (indem er ihn nach dem Hintergrunde drängt). Na, das is schön.

Thomas (im Abgehen). Bin nur froh, daß ich weiß, wo S' logier'n.

Puffmann (ihn hinausschiebend). Ich bin aber 's ganze Jahr nicht zu Haus. (Zurückkehrend.) Puffmann, was sagst du zu dem Mann? Jetzt heißt's laufen, daß ich das Aufdringlichkeits-Ungeheuer nicht nochmal begegn'. (Stürzt in ängstlicher Verwirrung zur Seitentüre links ab.)

Verwandlung

Gäßchen mit kleinen unansehnlichen Häusern. Im Prospekt links ein Haus mit beleuchteten Fenstern im ersten Stock. In der Mitte des Prospektes ein Haus mit breitem, offenem Tore, durch welches man in den Hof sieht. Weiter rechts ein Haus mit praktikablen Fenstern. An der Kulisse rechts ein Haus mit praktikablem Tor und Fenster im ersten Stock; an der Kulisse links ein Gasthaus mit praktikablem Eingang. Es ist später Abend, die Bühne vom Mond beleuchtet.

Dreizehnte Szene

Peter (tritt während des Ritornells des folgenden Liedes Seite rechts auf).

Peter.

1.
        Wann i als Zimmermann arbeit' hoch ob'n auf 'n Dach,
Da g'schicht's mir oft, daß ich Bemerkungen mach';
An der Aussicht auf d' Leut' herab tu' ich mich lab'n,
Seh' ich, was s' oft alls treib'n, ohne a Aussicht zu hab'n.
Da rennt einer mit so ein' Bünkel voll Kleider
Und hat gar keine Aussicht, a Geld z' kriegen, der Schneider –
Der schmacht't auf ein Mädl drob'n beim Blumentopf
Und hat gar keine Aussicht, kriegt 's Wasser au'm Kopf.
Der sucht Schwiegersöhn', wo sich ließ' Geld herausbradeln,
Und hat gar keine Aussicht, zu schiech sind die Madeln!
Der sucht für sein' Sohn a Stell', führt 'n üb'rall um
Und hat gar keine Aussicht, der Bub is zu dumm!
So Ideen bilden unter mein' Dachstuhl sich aus,
So oft ich ein' Dachstuhl wo setz' auf a Haus. –
2.
Doch wann so vom Dach sich mein Kopf herabbeugt,
Meine Aussicht auch Leute mit Aussicht mir zeigt;
Sein's aber Aussichten, wo der Mensch z'frieden sein kann?
D' meisten Leut' haben nur eine, und da is nix dran.
Der Alte kauft Schmuck, daß 'r a jungs Weiberl kriegt,
Und sein' einzige Aussicht is, daß s' ihn betrügt.
Da reit't einer, g'schwufisch in Quäcker gepreßt,
Und sein' einzige Aussicht is Schuldenarrest.
Der steigt einer Frau nach auf heimlichem Weg,
Und sein' einzige Aussicht is a Buckel voll Schläg'.
Da putzt eine Schachtel sich jugendlich modern,
Und ihr' einzige Aussicht is, ausg'lacht zu wer'n.
So Ideen bilden unter mein' Dachstuhl sich aus,
So oft ich ein' Dachstuhl wo setz' auf a Haus. –

Das Schönste an ein' Zimmermann is, daß er kein Zimmermann is, daß er nicht im Zimmer arbeitet, sondern draußen auf 'm freien Platz, drum hat unsereins auch ganz ein' andern Geist als so viele andre Professionisten, für die die frische Luft nur ein Sonntagsschmaus is, für die es gar keine freie Natur gäbet, wenn einmal den Kalenderdruckern die rote Farb' ausging'. – Standeswahl bei einem Sprößling unterer Stände heißt wohl nichts anderes als: »Jetzt entschließ dich, ob du als Lehrjung' von dieser oder jener Zunft gebeutelt und malträtiert werden willst!« Diese Eröffnung is so reizend, daß: »Es is mir alles eins!« die gewöhnliche Antwort drauf is. Ich hab' aber auch damals schon mehr als andere drüber nachdenkt.

Ich hätt' sollen ein Schneider werden, da hab' ich mir aber denkt: Zugrund'gehn kann wohl jeder Mensch, gerade durch die zugrundegehn, die man kleidet, deren Blöße man bedeckt, dieser Undank muß zu schmerzlich sein, und ist doch das allgemeine Schneiderlos.

Ich hätt' sollen ein Schlosser werden, aber wer Sinn fürs Freie hat, hab' ich mir denkt, der kann kein Talent zu Schloß und Riegel haben.

Ich hätt' sollen ein Bäck werden, aber so ein schlaftrunkenes Mehlgespenst hat immer etwas Mitleiderregendes und Unheimliches für mich gehabt, denn wenn ein Bäck auch keinen Geist hat, so hat er doch viel von einem Geist: er is weiß, geht um bei der Nacht und sehnt sich nach Ruhe, die ihm nimmer wird – das sind offenbar die Haupteigenschaften von einem Geist. Ich war als Bub sehr gern auf der Welt und hab' mich fleißig mit Hund', Tauben, Katzen und Kinigelhasen g'spielt, und da wir dem Altmeister unserer Zunft, dem Archenzimmerer Noah, unser Dasein verdanken sowie auch das Glück, daß wir von Viechern umgeben sind, so hat mich eine Art Dankgefühl zum Zimmermannhandwerk getrieben. – Ich hab's aber auch in späterer Zeit nie bereut. Der Ursprung des Zimmermanns hat schon das vor viele andere Ursprünge voraus, daß er nur halben Teil gemein is, die andere Hälfte is erhaben und folglich das Ganze das, was die noblen Leut' eine Messalliance nennen. Der Holzhacker hat die Geometrie umarmt, und so is der Zimmermann entstanden. Unser Handwerkszeug bestätigt diese Abkunft. Die Hacken is unser simples väterliches Erbteil, wir haben aber auch Zollstab, Zirkel, Winkelmaß als Vermächtnis von unserer tiefsinnigen Mama, und das sind Gegenstände, die man nicht leicht, ohne zu denken, in die Hand nehmen kann. Der Zollstab gibt uns die wahrste Ansicht von Länge und Breite, von Größe überhaupt, und wann man die einmal hat, da fallen einem dann allerhand Mißverhältnisse auf – wie so mancher so groß herauskommt, und wenn man ihn genau abmeßt, so klein is, daß man ihm gern noch was aufmesset. Wie mancher ein Langes und Breites zusammenschreibt und nur eine schmale Kost damit erwirbt, wie oft kleinwinzige Frauen mit langmächtige Männer gar so kurz angebunden sind. Kurzum, der Zollstab hat nur drei Schuh Länge, kann aber die Ideen sehr ins Weite führen. So ist es auch beim Winkelmaß; man denkt dabei unwillkürlich an die vielen menschlichen Winkelzüge, die offenbar unter die Gattung der spitzigen Winkel gehören, an die Aufenthaltsorte des Unglücks und der Armut, die unter die stumpfen Winkel gehören. Die schwierige Genauigkeit, die der rechte Winkel erfordert, mahnt uns daran, daß das Rechte überhaupt nicht leicht in Winkeln zu finden, eine Behauptung, die sich auch bis auf Winkelagenten, Winkelsensalen, Winkelschreiber etc. etc. ausdehnen ließ'. – Ein noch weiteres Gedankenfeld liegt im Zirkel. Zirkel is die vollkommenste Rundung, drum fallt es auch in die Zirkel am meisten auf, wenn sich einer eckig benimmt. – Der gesellschaftliche Zirkel unterscheidet sich vom mathematischen wesentlich dadurch, daß der mathematische einen einzigen Mittelpunkt hat, der akkurat mitten im Zirkel liegt – der gesellschaftliche Zirkel jedoch hat in der Mitte nur den scheinbaren Mittelpunkt, den Kaffeetisch, währenddem der eigentliche Mittelpunkt, um den sich die Peripherie der Unterhaltung dreht, meistens außerhalb des Zirkels liegt, weil gewöhnlich nur die Abwesenden ausgericht't werden. Aber halt! Bis hieher und nicht weiter! Die Zirkelbetrachtungen führen einem zu leicht vom Runden auf das, was zu rund is, und in das mag ich jetzt nicht eingehen, ich geh' lieber in was Viereckiges ein, in meine Haustüre, und kugl' mich in mein längliches Bett.

Vierzehnte Szene

Thomas; Voriger.

Thomas (von links auftretend und Peter erblickend). Peter –!

Peter. Oho! So spät noch?

Thomas. Weißt, ich möcht' deiner Schwester gern eine Überraschung machen, das heißt, morgen kauf' ich ihr eine prächtige Überraschung, und das hätt' ich ihr heut' gern g'sagt.

Peter. Um die Zeit? Nein, das is kein G'schick!

Thomas. Hör' auf, sie is ja mein' künftige Schwiegertochter!

Peter. Eben deswegen! A künftige Schwiegertochter is gegenwärtig noch gar keine, und die Nachbarschaft sieht nur, daß in der Dunkelheit ein Mann aus und ein geht. –

Thomas. So dunkel is gar keine Nacht, daß ich gefährlich ausschaun könnt'; und ein Madl, wo in vierzehn Täg'n d' Hochzeit is –

Peter. Und wenn's in vierzehn Minuten wär', so wär's a g'wagte Sach'. Das Licht hat die größte Geschwindigkeit in der ganzen Natur, drum hat auch das üble Licht, was auf ein Wesen fallt, so eine schnelle Verbreitung. – Übrigens hab' ich dir schon g'sagt, wegen Brautgeschenk', du hast kein Geld zu verschwenden, du mußt auch an deine Zukunft denken.

Thomas. Oh, das tu' ich so dann und wann.

Peter. Dann und wann is z' wenig! Ich hab' einmal einen alten Isabellenschimmel an ein' Ziegelwagen g'sehn, seitdem bring' ich die Zukunft gar nicht mehr aus 'n Sinn.

Thomas. So was is wohl traurig; – bei ein' Schimmel is noch das Gute, daß er gar nicht denkt –

Peter. Und beim Menschen is das Üble, daß er erst zum Denken anfängt, wenn er ein Schimmel wird.

Thomas. Du weißt ja noch gar nicht, ich hab' jetzt einen reichen Freund! Wenn mein Sohn ankommt, so führ' ich ihn bei ihm als Bräutigam auf, daß er auch –

Peter. No, sei so gut, fang so was an!

Thomas. Warum? Sich Freunde sammeln und gar reiche Freunde, das is ja –

Peter. Das Dümmste, was ein Bräutigam tun kann. Ich hab' eine Antipathie gegen die Freunde, die so gern Hochzeiten aushalten, Wirtschaftsbeiträge liefern, erste Bub'n aus der Tauf' heben, und ich weiß schon, warum.

Thomas. Jetzt mag der keine Freund'!

Peter. Oh, ich hab' zwei, die ich schon mag, bewährte tüchtige Kerln, die plagen sich für mich, die Freund', daß mir nix abgeht, sind den ganzen Tag bei der Hand, für mich zu arbeiten, nehmen sich auch an um mich, schlagen den nieder, der mir was tun will –

Thomas. Und die zwei Freund', sind das keine Reichen?

Peter. Nein, Arme sind's – (seine Arme weisend) die zwei. Mit denen hab' ich mich und mein' Schwester erhalten, mit denen hab' ich das, was ihr der Vater hinterlassen hat, vermehrt, daß sie ein anständiges Heiratsgut hat.

Thomas (freudig gerührt). Mit dem sie meinen Sohn vom Militär loskauft.

Peter. Es ist eigentlich nur eine Transferierung, von seinem Regiment kommt er unter ihres.

Thomas. Dort nehmen s' einen Ersatzmann an.

Peter. Ihr aber wär' kein Mann Ersatz, da muß es akkurat dein Josef sein.

Thomas. Mein Sohn kann von Glück reden, so einen Schwagern z' krieg'n und so a Braut.

Peter. 's letzte lass' ich gelten.

Thomas. Geh, sollst auch heiraten, vielleicht machst auch so a Glück.

Peter. Hm, das wird's nicht tun; – mir haben die Lehrer in der Schul' schon 's Glück abg'sprochen. »Das is a g'scheiter Bub!« – haben s' gesagt, und da is 's schon vorbei. Schau s' nur an beim Gipsmann, so a Fortuna; die hohle Kugel, über der sie schwebt, is das Sinnbild von ihre Favoritköpf'.

Thomas. Und wenn's auch just nicht ein Engel wie die Klara is; denn die is eigentlich zu gut, zu edel für unsereinen –

Peter. Das is a dalkete Red'! Das wär' sehr traurig, wenn der Unbedeutende nicht auch Anspruch auf ein braves Mädl hätt'; und bei diesem Anspruch bescheiden sein, wär' eher eine Niederträchtigkeit als eine Tugend. In gar vielem kann und soll sich der Mensch behelfen, sich mit dem Minderen begnügen, wenn er 's Bessere nicht haben kann. Wer's auf kein' Paperl bringt, der spendiert sich zwei Laubfrösch' vors Fenster – wer kein'n Kammerdiener hat, kauft sich ein' Stiefelknecht um sechs Groschen – wer nicht als nobler Kridatar auf seine neugekaufte Villa in d' Schweiz kann fahren, der geht dem Schuster mit a paar Juchtene durch – wer eine Neapelreis' z'kostspielig find't, um den feuerspeienden Vesuv zu sehen, der schaut sich um a zornige Kräutlerin um – kurz, für alles hat der Geringere ein Surrogat und kann das Echte dem Höhern überlassen; – aber was den Punkt der Familienehre betrifft, da steht der Unbedeutende dem Größten gleich und hat ebensogut das Recht, das Makelloseste zu begehren. Jetzt komm auf a Glas Wein. (Beide gehen ins Wirtshaus ab.)

Fünfzehnte Szene

Frau Hußbergerin, Hansi.

Frau Hußbergerin (mit einer leeren Flasche in der Hand, aus dem Haustore im Prospekt kommend, zu Hansi, welcher sich an ihrer Schürze festhält). Der Bub kann nimmer schaun vor Schlaf und rennt mir bis auf d' Gassen nach.

Hansi. Weil ich mich vor die G'spenster fürcht'.

Frau Hußbergerin. Du sollst schon lang im Bett liegen.

Hansi. Wie ich im Bett lieg', kommen die G'spenster.

Frau Hußbergerin. Wennst mit 'n Fürchten nicht aufhörst, so schick' ich den Schwarzen über dich mit 'n großen Sack, da steckt er dich hinein und tragt dich in 'n Wald hinaus.

Hansi (halb weinend). Uh mein!

Frau Hußbergerin. Begreif' nicht, wie der Bub so furchtsam worden is. Da bleibst, bis ich herauskomm'! (Geht in das Gasthaus.)

Sechzehnte Szene

Hansi, dann Puffmann.

Hansi. Wenn's nur keine Finsternis gäbet, da müßten s' alle hin werd'n, die G'spenster (sich auf den Eckstein neben dem Gasthaus setzend), denn die G'spenster leben von der Finsternis. (Gähnt.) D' Augen recht zudrucken, das is das beste – da – da verschwinden s' – alle nacheinand' – (Schläft ein.)

Puffmann (von Seite rechts auftretend in großer Aufregung). Ich find' nix, ich weiß nix, und es fallt mir nix ein! – Der ganze Plebs schlaft schon und denkt nicht, daß er mir eine Ausred' liefern soll  –! (Nach dem erleuchteten Fenster links im Prospekt im ersten Stockwerke sehend.) Da is noch ein Licht – wahrscheinlich die Kreuzerkerzen eines alten Flickschneiders. – (Es zeigt sich der Schatten eines Frauenzimmers am Vorhang des Fensters.) Halt – der Schatten – diese Umrisse – bei keiner Beleuchtung kann ein Flickschneider so einen Schatten werfen. Da wohnt ein Geschöpf – (von einer Idee ergriffen) ha ich hab's! – Das Geschöpf mit die Umrisse reißt mich heraus! (Ein paar Schritte auf und nieder gehend und so Hansi bemerkend.) Was is denn das? Da schlaft ein kleiner Bub. – Kolossale Idee! – Der is mein Zeuge! (Auf das Fenster zeigend.) Dort die Ausrede, (auf Hansi zeigend) hier der Beweis! (Rüttelt Hansi am Arm.) He – Bursch! Was machst du da?!

Hansi (aufwachend und erschreckend). Auweh! – Der Schwarze!!

Puffmann. Wirst still sein!

Hansi (weinend). Nur nicht in 'n Sack stecken und in 'n Wald hinaustragen.

Puffmann. Du unterstehst dich, mir aufzupassen?

Hansi (ängstlich). Ich hab' geschlafen.

Puffmann. Nicht wahr is's! Du willst sehn, wer da oben – (ihn scharf anfahrend) wer logiert da oben? (Auf das erleuchtete Fenster zeigend.)

Hansi. D' Mamsell Klara; dem Peter Span seine Schwester.

Puffmann. Aha! (Für sich.) Bravissimo! Ich hab' alles, was ich brauch'! (Zu Hansi.) Und du, neugieriger Spitzbub', paßt auf, wer bei ihr is?!

Hansi. Ich pass' auf mein' Frau Mutter.

Puffmann (in barschem Ton). Du hast es g'sehn, daß ich von der Mamsell Klara komm'!

Hansi. Ich hab' g'schlafen.

Puffmann (heftig). Du warst wach und hast mich von ihr herausgehn g'sehn – gesteh's oder ich dreh' dir's G'nack um.

Hansi. Ja, ich hab's g'sehn.

Puffmann (plötzlich in freundlichem Ton).Ach, jetzt laßt sich reden mit dir. (Sehr freundlich.) Weißt was, Buberl, du mußt das nicht jedem auf die Nasen binden, daß ich bei der Mamsell Klara war! Und wenn du recht schön verschwiegen sein willst und nix sagst, daß du mich g'sehn hast von der Mamsell Klara herausgehn, so schenk' ich dir diese drei glänzenden funkelnagelneuen Silbertaler.

Hansi (voll Freude). O mein! Die gehören mein?!

Puffmann. Alle drei!

Hansi (jubelnd). Jetzt kauf' ich der Frau Mutter a Haus.

Puffmann. Aber nix sagen, woher du das Geld hast! (Für sich.) Seine Mutter kitzelt ihm's schon heraus. Der Alibi-Beweis steht juridisch fest. Triumph der praktisch-kasuistischen Genialität! (Eilt nach links ab.)

Siebzehnte Szene

Hansi, dann Frau Hußbergerin.

Hansi (allein). Juchhe! Ich war ein armer Bub und jetzt bin ich ein reicher Mann! – Und ich hab' ihn richtig da herauskommen g'sehn, ich hab's nur im ersten Schlaf nicht recht g'merkt, daß ich munter bin. (Springend.) Juchhe!

Frau Hußbergerin (aus dem Gasthause mit der gefüllten Flasche). Was treibt denn der Bub? Wirst still sein so spät auf d' Nacht! (Ihn erschrecken wollend.) Er wird gleich kommen!

Hansi. Anpumpt! Er war schon da.

Frau Hußbergerin. Wer?

Hansi. Der Schwarze! Und da schau' d' Frau Mutter her! (Ihr die Taler zeigend.) Eintausend, zweitausend, dreitausend!

Frau Hußbergerin (das Geld nehmend). Was is denn das?!

Hansi. Achtgeb'n, da gilt jedes Stückl viele tausend Dukaten.

Frau Hußbergerin. Wie kommst du denn zu dem Geld?

Hansi. Der Schwarze hat mir's geben.

Frau Hußbergerin. Bub, wennst nicht ordentlich red'st –

Hansi. Wann ich aber schon sag', der Schwarze!

Frau Hußbergerin. Willst du dein' Mutter für ein' Narren halten?!

Hansi. Ich darf nix verraten!

Frau Hußbergerin. Verraten? Von wem?

Hansi. Vom Schwarzen.

Frau Hußbergerin. Na, wart', der Scheckel wird gleich alles herausbringen aus dir!

Hansi. Nein, nein, Frau Mutter, ich sag's schon so. Er is bei der Mamsell Klara g'wesen.

Frau Hußbergerin. Wer?

Hansi. Der Schwarze! Ich hab' ihn herausgehn g'sehn, und da hat er mir die Menge Geld gegeben, daß i nix verrat'.

Frau Hußbergerin (staunend). Was? Beim Span seiner Schwester?

Hansi. Still! –

Frau Hußbergerin. Ah, da trifft mich der Schlag! Das wär' das Allerneueste! Ah, da muß ich gleich –! (Eilt zu einem Fenster des Hauses rechts und klopft an.) Frau Flachsin! Liegt d' Frau Flachsin schon im Bett? – Komm' d' Frau Flachsin a wenig heraus! – (Zu Hansi.) Geh her, Hansi! Wie hat er denn ausg'schaut?

Hansi. Schwarz!

Frau Hußbergerin. Als wie a Schlosser?

Hansi. Nein.

Frau Hußbergerin. Oder wie a Rauchfangkehrer?

Hansi. Nein, als wie a nobler Herr.

Frau Hußbergerin. Nobler Herr –?! – Ah, das is zum Fraiskriegen!

Achtzehnte Szene

Frau Flachsin; Vorige.

Frau Flachsin (eilig aus dem Hause rechts kommend). Na, was is's denn, Frau Hußbergerin?

Frau Hußbergerin. Frau Flachsin – Nachbarin – was glaubt die Frau Flachsin?

Frau Flachsin (neugierig). Na?

Frau Hußbergerin. A vornehmer Herr war bei der Jungfer Klara.

Frau Flachsin (die Hände zusammenschlagend). Was –?!

Frau Hußbergerin. Meinem Buben hat er drei harte Taler geschenkt, daß er nix sagen soll.

Frau Flachsin. Jetzt sixt es, da hast es! – Die Klarl! Aber hab' ich's nicht allweil g'sagt –?! Na, wann das die Küblerischen hören! – (Eilt zu einem Fenster im Prospekte rechts und ruft.) Küblerin! Herr Kübler! – G'schwind, geschwind!! – (Vorkommend zur Hußbergerin.) Sie sitzen noch beim Essen, ich hör' Teller scheppern.

Frau Hußbergerin. Die essen doch von fruh bis in die sinkende Nacht.

Frau Flachsin. Nein, wer hätt' sich das denkt! D' Mamsell Klarl!

Frau Hußbergerin. So muß man den Leuten auf d' Schlich' kommen.

Neunzehnte Szene

Kübler und Frau Küblerin (er im Schlafrock, eilig aus dem Hause kommend); Vorige.

Kübler. Was ist's?

Frau Küblerin (zugleich). Was gibt's denn?

Frau Flachsin. Eine entlarvte Heuchlerin gibt's!

Kübler (äußerst neugierig). Wie, was, wann, wo?

Frau Hußbergerin (auf Klaras Fenster zeigend). Da droben!

Frau Flachsin. Grad is er heruntergekommen und hat den Hußbergerischen Hansi beschenkt.

Kübler und Frau Küblerin. Wer?

Frau Hußbergerin. Ein fremder Baron.

Zwanzigste Szene

Frau Schmalzerin; Vorige.

Frau Schmalzerin (erscheint mit Nachthaube am Fenster im Hause rechts vorne an der Kulisse im ersten Stock). Küblerin, Flachsin, Hußbergerin, was habts denn da drunten?

Frau Hußbergerin. Eine Neuigkeit!

Frau Schmalzerin. Ihr sagts ein' ja gar nix.

Kübler. Bei der Mamsell Klara war ein junger Graf und hat dem Hußbergerischen Bub'n einen ganzen Hut voll Gold und Silber g'schenkt, daß er nichts verrat't.

Frau Schmalzerin. Mir verschlagt's die Red'  –! (Noch am Fenster.) Ich komm' gleich! (Zieht sich zurück und ruft von innen.) He, Schmalzer! Steh auf!

Einundzwanzigste Szene

Die Vorigen ohne Frau Schmalzerin.

Frau Hußbergerin. 's kommt halt doch alles auf mein' Red' heraus.

Frau Küblerin. Die stille Jungfrau Klara!

Frau Hußbergerin. »In der Still und in der G'ham« – über das Sprichwort steht gar nix auf.

Kübler. Diese Augenniederschlagerinnen, diese Nichtauffünfzählenkönnerinnen, das waren von jeher die Ärgsten.

Zweiundzwanzigste Szene

Frau Schmalzerin, Schmalzer; Vorige.

Frau Schmalzerin. Also, wie war der Hergang?

Schmalzer. Große Neuigkeiten muß man haarklein erzählen.

Frau Hußbergerin (nach der Gasthaustüre sehend). Still – ich glaub', er kommt.

Alle. Wer?

Frau Hußbergerin. Der Mussi Bruder, der allweil so achtgibt auf sie!

Kübler. Daß kein Hauch der Verführung auf das Kleinod blast.

Frau Flachsin. Sehr gut gegeben!

Frau Hußbergerin. Der künftige Schwiegervater ist auch dabei.

Schmalzer. Gehn wir da ins Haus hinein, daß wir sehen –

(Alle ziehen sich in das offene Haustor in der Mitte des Prospektes.)

Dreiundzwanzigste Szene

Peter, Thomas; Vorige (im Hintergrunde).

Peter (mit Thomas aus dem Gasthause kommend). 's ist Zeit, meine Schwester wird eh' schon Ängsten haben.

Thomas. Daß du ja nicht vergißt, ich lass' ihr a gute Nacht wünschen.

Peter. Die wird sie auf alle Fäll' haben. Arbeitsam, g'sund und a guts Gewissen, wo kommt da a schlechte Nacht her?

(Alle, im Hintergrund innerhalb des Haustores, kichern und lachen.)

Thomas (sich umsehend). Wegen was lachen denn die da?

Peter. Was kümmert das uns? Unter andern, morgen holen wir dich zum Kirchtag ab.

Thomas. Nimmst deine Schwester mit?

Peter. Freilich.

Thomas. Das is g'scheit; 's arme Madl hat eh' ka Freud'.

(Alle lachen wie früher.)

Thomas (sich ärgerlich umsehend). Was s' denn nur allweil z' lachen haben?

Peter. Ist besser, sie lachen, als sie schneiden den Leuten die Ehr' ab.

Thomas. Da scheint sich aber beides zu vereinen.

Peter (das frühere Gespräch aufnehmend). Viel Unterhaltung wird's wohl für mein' Schwester nicht sein ohne dein' Sohn, ihren einzigen Tänzer, ihr'n Josef.

Thomas. A paarmal umundum riskier' ich mit ihr.

Peter. Ah, beim Schwiegervater, da wird sie a Ausnahm' machen, aber mit ein' Fremden tanzet sie um kein' Preis.

(Alle lachen wie früher, doch lauter.)

Thomas. Aber schon wiederum – jetzt werd' ich bald schiech werd'n. (Fährt auf, als ob er nach dem Hintergrunde wollte.)

Peter (ihn besänftigend). Wir wissen, wir haben nichts Lächerliches an uns, also –

Thomas. Schau nach, vielleicht hat mir wer einen Esel auf 'n Buckel zeichnet.

Peter. Ach, wer sollt' denn so was –?

Thomas. Ich red' aus Erfahrung, es gibt Witzköpfe –

Peter. Nein, nein, 's is nix!

Thomas. Was haben s' denn nachher?

Peter. Vielleicht wird jetzt die Walpurgisnacht im September zelebriert; wer kann in diese Verhältnisse dringen?

Thomas. 's sein aber Männer auch dabei.

Peter. Um so schauerlicher, denn das is a alte Wahrheit: über ein altes Weib geht nix als ein Mann, der ein altes Weib is! Gute Nacht!

Thomas. Gehn wir nach Haus!

(Peter geht in die Haustüre links im Prospekt, Thomas rechts im Vordergrunde. Die übrigen Anwesenden kommen hervor, indem sie spöttisch auf Thomas und Peter zeigen und lachen. – Die Musik fällt ein.)

Der Vorhang fällt.


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