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Das Bayon

Schurken pflegen einander am besten zu kennen und zu verstehen, und so hatte denn auch Antonio Yerrez im allgemeinen das Rechte erraten.

Als Richard Everett, in der letzten Zeit Conningham genannt, die Badeanstalt betrat, fand er sie ganz leer. Er hatte das auch erwartet, denn um diese Zeit saßen die meisten Kolonisten bei ihrem »Diner«, der Hauptmahlzeit des Tages. Er entkleidete sich langsam und ließ die frische Luft, die hier am Wasser und gemildert durch die Nähe der Bäume, kühler war als irgendwo, durch sein lockiges Haar und das geöffnete Hemd streichen. Dann, als er sich abgekühlt hatte, sprang er, Kopf und Hände voran, in die klare Flut und schwamm mit Behagen in dem Bassin umher. Darauf wandte er sich, wie gewöhnlich, dem Flusse zu, wo er aus dem Bassin trat, und schwamm eine Strecke weit den Fluß hinab, dessen Wasser hier doppelt kühl war, da die dichtbelaubten Bäume es fast vor jedem Sonnenstrahl schützten. Er bemerkte dabei drei Männer, die über eine Brücke gingen, nach Toledo zu, die er jedoch wegen der Entfernung nicht zu erkennen vermochte und die er ihrem Anzuge nach für Kolonisten hielt.

Richard schwamm bis zu jener Brücke und kehrte dann um. Den Fluß, der hier nicht breit, aber tief und reißend war, hinauszuschwimmen, erforderte nicht nur bedeutende Anstrengung, sondern auch Geschicklichkeit. Er hatte den Punkt, an dem der Fluß aus dem Bassin heraustrat, beinahe erreicht, als er dieselben drei Männer, die vorher über die Brücke gegangen waren, in dem kleinen Kahn, der sich für alle Fälle bei der Badeanstalt befand, herankommen sah. Sie waren jetzt so nahe, daß er sie deutlich zu erkennen vermochte. Der eine, ein großer, starker Mann, mit langem, dunklem Haar und Bart, schien ihm sogar bekannt; er mußte ihn irgendwo, vielleicht in New York, gesehen haben. Fremde waren es auf jeden Fall; er kannte sämtliche Kolonisten, und sie gehörten nicht zu ihnen. Es war deshalb sehr natürlich, daß er, der Warnungen Don Lotarios eingedenk, stutzte und unwillkürlich eine Bewegung nach dem Ufer zu machte. Aber der Kahn kam jetzt, von einigen kräftigen Ruderschlägen getrieben, schnell auf ihn zugeflogen und schnitt ihm die Flucht nach dem Ufer zur rechten Hand, auf welchem Toledo lag, ab.

»Wir haben Dich jetzt, mein Jüngelchen!«, sagte der Große. »Nur nicht gemuckst und nicht geschrien, sonst gibt's eins auf den Kopf, daß Dir Hören und Sehen vergeht!«

Richard hatte nur den einen Gedanken, daß die Feinde, von denen soviel gesprochen worden, und die in der Tat oft nur für phantastische Gebilde der freundschaftlichen Besorgnis Don Lotarios gehalten, jetzt plötzlich vor ihm seien, und sie fanden ihn wehr- und waffenlos in einer Lage, in der es für ihn keine Verteidigung gab. Blitzschnell wandte er sich rückwärts, denn nur fünfzig Schritt hinter ihm war eine Stelle, wo die Aeste der Bäume so tief auf den Fluß niederhingen, daß ein Kahn sich nur langsam durcharbeiten konnte. Mit unglaublicher Geschwindigkeit warf er sich vorwärts, um wenigstens das linke Ufer zu erreichen, denn im Lauf hoffte er es seinen Feinden zuvorzutun. Aber der Kahn schoß hinter ihm her und eine Stimme rief:

»Wenn Du fliehen willst, so schießen wir. Sträube Dich nicht, wir wollen Dich nur fangen, es soll Dir weiter nichts geschehen.«

Richard fühlte sich verloren. Untertauchen hätte ihm auch nichts genützt, denn das Wasser war so klar, daß es bis auf den Grund jeden Gegenstand zeigte. Da kam ihm plötzlich die Idee, den Feind herankommen zu lassen und im letzten Augenblick den Kahn plötzlich umzuwerfen. Er tat, als seien seine Kräfte erschöpft. Dann tauchte er plötzlich unter, um auf diese Weise unter den Kahn zu gelangen, ihn mit dem Rücken emporzuheben und umzuwerfen. Aber die Männer schienen seine Absicht zu ahnen. Einer von ihnen stieß mit dem Ruder nach ihm und drückte ihn seitwärts. Nun tauchte Richard auf, willens, das kleine Fahrzeug mit den Händen umzureißen. Aber in demselben Augenblick warf man eine Schlinge um seinen Hals, der Kahn wurde dem anderen Ufer zugetrieben, Richard fühlte sich fortgerissen und verlor die Besinnung, denn die Schlinge schnürte ihm den Hals zu.

Er erwachte jedoch wieder zum Bewußtsein, als ihn sechs Fäuste ergriffen und in den Kahn hoben. Noch jetzt wollte er Widerstand wagen, aber die sechs Fäuste drückten ihn nieder. Man schleppte ihn ans Ufer; dort hielt ihm einer den Mund zu und die anderen banden ihm ein Tuch so fest um den Mund, daß er ihn wie mit einem eisernen Reifen verschlossen fühlte. Dann hüllte man ihn in eine große Decke, deren oberes und unteres Ende zugebunden wurde, sie lag so fest an seinem Körper, daß es ihm unmöglich war, die Hände oder Füße zu rühren. Er empfand es noch, daß man ihn emporhob und schnell forttrug. Dann verging ihm aus Luftmangel die Besinnung.

Als er mit entsetzlichen Kopfschmerzen wieder zum Bewußtsein kam, glaubte er zu fühlen, daß er auf dem Rücken eines Pferdes lag, das sich sehr schnell fortbewegte. Vergebens versuchte er sich zu rühren. Es gelang ihm nicht. Nur den Kopf hob er ein wenig, aber da ihm jede Stütze fehlte, so sank trotz der gewaltigen Anstrengung, die er machte, der Kopf wieder herab, und er fühlte das Blut mit Gewalt in die Adern des Halses und des Kopfes dringen. Er röchelte schwer, sein letzter Augenblick schien ihm gekommen. Da hörte er, wie eine Stimme sagte: »Richtet ihn auf! Sonst stirbt er!« Man riß ihm den Kopf empor und gab seinem Körper eine mehr sitzende Stellung. Eine schwere Betäubung bemächtigte sich des verzweifelten Jünglings. Er vermochte nicht mehr klar zu denken, es brauste ihm in den Ohren wie Donner und Glockengeläute.

Bald war es Abend. Die Pferde nahmen nun eine ruhigere Gangart an. Zuweilen, an schwierigen oder gefährlichen Stellen, stiegen die Reiter ab und führten sie am Zügel. Die Nacht war, wie fast stets in diesen heißen Gegenden, sehr kühl geworden, und Richard fühlte sich vom Frost geschüttelt. Er dachte an seine Heimat, dachte an die edlen Freunde in Toledo, und ein unsagbares Wehegefühl ergriff ihn bei dem Gedanken, daß man ihn nun gewiß überall für tot halten werde. Wer sollte nun an seine Befreiung denken. Man würde glauben, daß er ertrunken sei und jede Nachforschung unterlassen. Aber noch schmerzlicher war ihm die Empfindung, zu wissen, daß alle, die ihn so lieb gehabt, die so viel für seine Sicherheit getan hatten, ihn für tot hielten und jetzt stumm beieinander saßen und ihn beklagten. O, diese Schurken, die ihn fortführten! Würde es ihm jemals vergönnt sein, Vergeltung zu üben?

Aber zu welchem Zweck entführte man ihn auf diese seltsame Weise? Wenn es auf seinen Tod abgesehen war, weshalb hatte man ihn nicht sofort getötet? Es wäre so leicht gewesen, keiner hätte die Verbrecher entdeckt, jene westliche Seite der Kolonie war ja fast unbewacht geblieben, da man die Feinde von Osten her erwartete? Wollte man ihn an einer sicheren Stelle in aller Ruhe und Sicherheit töten? War etwa gar sein früherer bester Freund, sein Mörder Ralph, in der Nähe, um sich noch einmal an seinen Todesqualen zu weiden? Richard vermochte jetzt nicht viel darüber nachzudenken. Wie lange Zeit vergangen war, als Halt gemacht wurde, konnte Richard natürlich nicht wissen. Er fühlte, daß man ihn vom Pferde hob und auf steinigen Boden niederlegte. Dann hörte er, daß jemand Feuer anzündete; darauf wurde die Decke, die ihn umhüllte, aufgebunden und ihm das Tuch vom Munde genommen. Er atmete auf und sah, daß er sich in einer Felsenhöhle befand, die eben gerade nur Raum für drei Pferde und einige Menschen bot und die schon seit längerer Zeit bewohnt zu sein schien.

»Du wirst wohl keinen Versuch zur Flucht machen,« sagte der größte von den dreien. »Sonst jagen wir Dir ein halbes Dutzend Kugeln in den Leib; Goddam! Du kannst Dich darauf verlassen!«

»Es ist auf jeden Fall besser, wir binden ihm die Füße,« sagte ein anderer.

»Meinetwegen,« sagte der Große, und die beiden anderen legten einen Strick um die Füße des jungen Mannes, so daß Richard wohl langsam zu gehen, aber nicht zu rennen vermochte.

»Wir müssen ein Lebenszeichen für Yerrez hinterlassen,« sagte der Große dann. »Weiß der Teufel, wo er steckt. Nicht wahr, Ihr habt den Texaner, den Yerrez, in Nummero Sicher gesetzt?« wandte er sich zu Richard.

»Spart Euch vergebliche Fragen!«, sagte er, »ich werde Euch nichts verraten.«

»Narrheiten!« brummte der Große. »Nun, einerlei, Yerrez mag sehen, wie er uns nachkommt. Stibbey, Du mußt Dich hinabschleichen und ein Papier auf den Stein legen.«

»Aber wenn ich den verdammten Kerlen in die Hände falle, Kapitän,« sagte Stibbey.

»Du siehst am besten bei Nacht,« erwiderte der Kapitän lachend. »Du bist auch am ruhigsten und nüchternsten. Ich muß jetzt meine Portion Whisky trinken und dann ein paar Stunden schlafen.«

Er riß ein Blatt Papier aus einem großen Notizbuch, schrieb einige Zeilen darauf und gab es dann Stibbey, der allerdings murrte, aber sich endlich auf den Weg machte.

Richard erriet, daß diese Felsenhöhle nicht allzu weit von der Kolonie entfernt sein könne, denn sonst würde Stibbey den Weg nicht unternommen haben. War denn dieser Zufluchtsort den Kolonisten unbekannt geblieben? Es mußte so sein. Richard wollte am Tage, falls ihm das möglich war, einen Blick auf die Umgebung dieser Höhle werfen.

»Es ist Zeit, daß wir fortkommen,« sagte der Kapitän dann, sich mit dem Inhalt einer großen Flasche beschäftigend. »Unser Whisky geht zu Ende, und hier gibt es auf hundert Meilen in der Runde kein vernünftiges Getränk. Da, trink einmal, Junge. Es wird Dir nicht sonderlich zumute sein.«

Er reichte Richard die Flasche. Der junge Mann saß auf der Erde, in die Decke gehüllt, und zitterte vor Frost. So ekelhaft es ihm war, mit diesem Menschen aus einer Flasche zu trinken, so sehr ihm das Getränk überhaupt widerstand, so nahm er die Aufforderung dennoch an, denn er sagte sich, daß er alles tun müsse, um gesund und kräftig zu bleiben. Auf seinen Tod schien es nicht abgesehen zu sein. Also konnte sich ihm Gelegenheit zur Flucht bieten. Er mußte die Augen offen haben.

Nachdem er einen mächtigen Zug Whisky getrunken hatte, fühlte er sich etwas besser. Der Kapitän leerte die Flasche zur Hälfte, dann warf er sich in einem Winkel der Höhle auf ein Lager von Moos und schlief sogleich ein. Richard sah sich also nur dem einen Manne gegenüber, den er Wooly hatte nennen hören. Der Mann hatte sich niedergesetzt. Ein Doppelpistol lag neben ihm und er beobachtete Richard. Er hatte ein echtes Galgengesicht und sein Anzug war wie die seiner Genossen, zerrissen und schmutzig. Richard bemerkte übrigens noch ein viertes Pferd und erinnerte sich nun, daß die Kolonisten am Montag vier Reiter beobachtet hatten. Doch sah er den vierten Mann bis jetzt nicht.

»Hört, Mann,« sagte Richard, »könnt Ihr mir aufrichtig sagen, weshalb Ihr mich fortgeschleppt habt?«

»Dann kann ich schon,« antwortete Wooly mit einem Grinsen. »Der Kapitän hat es so haben wollen.«

»Der Kapitän? Ja, aber aus welchem Grunde?«

»Das müßt Ihr ihn gelegentlich selber fragen,« antwortete der Mann. »Ich kümmere mich nicht darum, weshalb einer etwas tut oder nicht.«

»So wißt Ihr auch nicht, was der Kapitän mit mir vor hat?« fragte Richard.

»Nicht so viel als ein Sperling auf dem Schwanz davontragen kann,« antwortete Wooly.

Richard begriff, daß er von diesem Manne nichts herausbekommen werde, wollte jedoch noch einen anderen Versuch machen.

»Seid Ihr reich?« fragte er.

»Reich?« wiederholte Wooly; er öffnete die Augen etwas weiter und starrte ihn mit einem Blicke an, als wollte er sagen: Seid Ihr toll? »Sehe ich etwa aus wie ein Millionär vom Broadway?« fügte er dann hinzu, »oder wie einer von den Baumwollsäcken in Carolina?«

»Nun wohl, also Ihr seid nicht reich,« sagte Richard. »Aber Ihr könnt Euch eine schöne Summe Geldes verdienen, wenn Ihr mich jetzt nach den Kolonien zurückbrächtet oder mich auch nur gehen ließet.«

»So, meint Ihr? Für Eure Jahre seid Ihr schon ein recht gewitztes Bürschchen!« höhnte Wooly. »Es würde Euch wohl auf ein paar Hunderttausend nicht ankommen, wie?«

»Das wäre mir denn doch eine zu große Summe, so weit reichen meine Mittel nicht,« antwortete Richard, der aus der Miene des Mannes bereits begriff, daß auch dieser Versuch vergeblich sein werde.

»Laßt's auch nur lieber sein,« sagte Wooly. »Wir brauchen Euer Geld nicht, wir werden bald selbst genug Geld haben. In den Geldschränken auf dem Broadway ist mehr als in Eurer Tasche.«

»Aber ich dachte, Ihr wäret hier ziemlich entfernt von New York und vom Broadway,« sagte Richard.

»Schadet nicht, werden bald genug hinkommen!« sagte Wooly mit einem triumphierenden Grinsen. »Das ist die letzte Arbeit, die der Kapitän hier zu tun hatte. Dann geht es nach New York.«

Richard merkte wohl, daß er auf die Reden dieses Mannes, der in fast sklavischer Abhängigkeit von dem Kapitän zu stehen schien, nicht viel geben dürfe.

»Ihr tätet übrigens besser zu schlafen, als zu schwatzen!« sagte Wooly. »Morgen ist auch ein Tag!«

Wollte er selbst schlafen? Dann hätte Richard doch auf jede Gefahr hin einen Versuch zur Flucht gewagt, obgleich er die Oertlichkeit gar nicht kannte. Er stellte sich also, als ginge er auf den Rat des Mannes ein, lehnte sich gegen die Felsenwand und schloß die Augen. Aber so groß auch sonst seine Willenskraft war – die ungewöhnliche Aufregung hatte seinen Geist betäubt und nach wenigen Augenblicken schlief er wirklich ein.

Er erwachte dadurch, daß eine Hand ihn rauh schüttelte. Sich mühsam ermunternd, sah er die Lampe in der Höhle immer noch brennen. War es noch Nacht?

Wooly hatte Richard geweckt und wandte sich dann zum Kapitän und Stibbey, die die Pferde zäumten und sattelten.

»Sucht zusammen, was Ihr von Euren Sachen entbehren könnt, und gebt es dem Burschen,« sagte der Kapitän. »Er kann doch nicht wie ein weißer Nigger neben uns herlaufen.«

Es graute Richard bei dem Gedanken, daß er die Kleider dieser Menschen tragen sollte. Aber es gab für ihn keinen Widerstand. Das Beispiel des von den Apachen gefangenen Edmond hatte ihn gelehrt, daß man nie verzweifeln dürfe und daß der letzte Augenblick noch Hilfe bringen könne. Er glaubte am besten zu tun, wenn er sich ruhig in das unvermeidliche Schicksal ergebe. Wooly reichte ihm eine zerrissene Hose, Stibbey eine Weste, der Kapitän fand in seinem Bündel noch eine kurze baumwollene Jacke. Aber von Schuhen besaß jeder selbst nur ein Paar.

»Schadet nichts,« sagte der Kapitän. »Wir reiten ja doch meistens.« Dann zog Wooly auf einen Wink des Kapitäns ein Messer hervor und säbelte lachend Richards schöne blonde Locken herunter. Darauf wurde ihm ein Tuch um den Kopf gebunden.

»So, nun wären wir fertig!« sagte der Kapitän. »Stibbey, nimm Du Biggs Pferd am Zügel und nun seht Euch um, ob wir auch wirklich nichts vergessen haben. Ich habe diese Mordhöhle satt bis an den Hals.«

Richard folgte Wooly, der sein Pferd am Zügel führte. Er konnte nur langsam und vorsichtig schreiten, da ihn die Stricke, die er an den Füßen trug, hinderten. Er bemerkte, daß die Höhle nichts war als ein etwas erweiterter Endpunkt eines schmalen Ganges, der sich unter einem Flusse hinzog. Als er aus dem Gang heraustrat, erkannte er genau den Höhenzug, in dem sich die Höhle befand. Es war ungefähr sechs englische Meilen von der Kolonie entfernt, die Richard – und mit welchen Gefühlen! – deutlich liegen sah. Es war ihm unbegreiflich, daß die aufgestellten Wachen diese Höhle nicht kannten oder nicht bemerkt hatten, daß Männer in die Felsenschlucht hinein- und wieder herausritten. Und dennoch war die Sache leicht erklärlich. Die Kolonisten, die die Höhle nicht kannten, hatten ihr Augenmerk stets auf die entfernteren Gegenden gerichtet, und die Fremden, die sich stets in den Schluchten hielten, nicht bemerkt. Diese bewohnten die Höhle übrigens erst seit Montag; sie war ihnen von Wooly, der vor langer Zeit einmal im Aripatal gewohnt hatte, gezeigt worden. Hätte Don Lotario die Indianer bei sich behalten, so würden sie ihn wahrscheinlich auf das Vorhandensein der Höhle aufmerksam gemacht haben.

Der vierte Mann, von dem die Rede gewesen, Bigg, hielt am Ausgang der Felsenschlucht Wache. Man winkte ihn herbei und wandte sich dann in eine andere Felsenschlucht, auf deren Grunde ein kleiner Bach floß, der jetzt fast ausgetrocknet war. In diesem Flußbett ritten die Männer. Richard ging so, daß ihn Bigg und Stibbey, die hinter ihm ritten, immer im Auge behielten.

»Laß Dich nicht verführen, mein Jüngelchen, gelegentlich zu schreien,« sagte der Kapitän, sich zu ihm umwendend. »Darauf kannst Du Dich verlassen: in dem Augenblick, in dem wir sehen, daß wir Dich im Stich lassen müssen, jage ich Dir eine Kugel in den Kopf. So steht es in meinem Kontrakt, und den muß ich als ein ehrlicher Reiter von der goldenen Runde erfüllen.«

»Darf man fragen, Kapitän, mit wem Ihr diesen Kontrakt geschlossen habt?« fragte Richard, der es für gut hielt, auf den Ton seiner Begleiter halb und halb einzugehen.

»Fragen? O ja,« antwortete der Kapitän. »Und ich will Dir sogar antworten. Der Kontrakt ist geschlossen worden zwischen mir und meinem Freund Ralph. Den Familiennamen wirst Du wohl kennen.«

Richard fühlte sich von einem Schauer durchrieselt. So verfolgte ihn denn dieser Genosse seiner Jugend bis hierher! Er mußte Richards Aufenthalt erfahren und diese Leute gedungen haben. Aber wozu? Weshalb hatten ihn diese Menschen entführt, statt ihn zu töten?

Ralph konnte doch nach jenem ersten Verbrechen nicht eher ruhig sein, als bis Richard wirklich tot war. Welche Absichten hatte Ralph oder dessen Stellvertreter, der Kapitän, noch mit ihm? War das wirklich begründet, was Wooly über eine Reise nach New York sagte?

Richard kam der furchtbare Gedanke, daß sich vielleicht Ralph selbst im Süden befinde, daß er zu ihm geführt und vor seinen Augen getötet werden sollte, damit Ralph nun sicher sei und kein Aufleben des Totgeglaubten zu fürchten habe.

»Ist Ralph noch in New York?« fragte er schnell.

»Ich denke doch!« antwortete der Kapitän unbefangen.

Das war es also nicht. Oder wollte man ihn bis New York in dieser Weise transportieren? Kaum möglich! Richard gab es endlich auf, zu denken und zu grübeln. Er vermochte ja die Pläne seiner Feinde noch nicht zu durchschauen, und hätte er sie auch durchschaut – es wäre ihm unmöglich gewesen, sie zu verhindern.

Als sie die Barranca verlassen hatten, mußte sich Richard zum Kapitän setzen, dessen Pferd das stärkste war, und nun ging es schnell hinab in ein Tal, das von dem Aripatal durch jenen Höhenzug, in dem sich die Höhle befand, getrennt war. Die Texaner – denn daß drei von ihnen texanische Marodeure waren, entnahm Richard aus ihren Gesprächen – und der vierte, der Kapitän, ließen ihre Pferde schnell ausgreifen; dabei mußte sich Richard bald zu diesem, bald zu jenem setzen, damit die einzelnen Pferde nicht ermüdeten.

Gegen Mittag machten sie in einem Wäldchen Halt. Ihre Lebensmittel bestanden nur aus Brot und Früchten. Die Pferde fraßen das Gras unter den Bäumen. Stibbey beklagte sich über die schmale Kost.

»Laßt nur!« sagte der Kapitän. »Das hat die längste Zeit gedauert. Wir werden bald Geld in Hülle und Fülle haben.«

»Ihr meint in New York? Das ist doch sehr unsicher,« antwortete Stibbey.

»Nein, nein,« antwortete der Kapitän. »Auch wenn wir in Texas bleiben. Ihr werdet sehen, wie die Banknoten uns zufließen werden. Dieses Jüngelchen hier ist ein Huhn, das goldene Eier legt, obzwar er es selbst noch nicht weiß.«

Die Texaner fragten nicht weiter, sondern legten sich zum Schlafen nieder, einer hielt Wache. Richard, dessen Füße gefesselt waren und der sich ohne Waffen befand, konnte natürlich nicht daran denken, diesen einen Wächter zu überrumpeln, der stets das gespannte Pistol neben sich liegen hatte. Dennoch zweifelte Richard nicht an der Möglichkeit einer Flucht. Er wartete nur auf eine günstige Gelegenheit.

Daß ihm bei all diesen Gedanken das Herz oft sehr schwer wurde, konnte er trotz aller Selbstüberwindung nicht vermeiden. Alle seine Versuche, die Texaner zum Reden zu bewegen, wenn die anderen schliefen, scheiterten an der Schroffheit dieser Menschen.

Von nun an wurde die Reise oder die Flucht meist bei Nacht fortgesetzt und der Tag zur Rast benutzt. Da die Texaner mit Ausnahme des Kapitäns die Gegend sehr genau zu kennen schienen, so wählten sie meist Schleichwege. Kamen sie einmal, was selten geschah, an Reisenden oder an einzelnen Häusern vorüber, so erhielt Richard stets die ernste Mahnung, kein Wort zu sprechen, falls ihm sein Leben lieb sei, und er wußte nur zu gut, daß dieses keine leere Drohung sei und daß man ihn sofort niederschießen würde, wenn man fürchtete, ihn zu verlieren. Eines Tages machten sie in der Nähe eines größeren Ortes Halt und Richard hörte, daß dies El Paso del Norte sei, die Grenzstadt zwischen Mexiko und dem westlichen Texas. Der Kapitän und Wooly, die nach dem Flecken gegangen waren, kamen mit einer Menge Lebensmittel zurück, namentlich brachten sie getrocknetes Fleisch und Whisky. Sie sahen etwas ernst aus und flüsterten mit ihren Kameraden. Richard glaubte zu bemerken, daß es sich um ihn handelte. War man ihnen auf den Fersen?

Es schien so, denn die Flucht wurde jetzt noch mit größerer Eile und mit teilweiser Benutzung der Tageszeit fortgesetzt. Die gebirgigen Gegenden von Arizona und Westtexas lagen bald hinter den Reitern, und sie erreichten die herrlichen Grasprärien, die grünen Savannen des mittleren Texas. Die Flüsse mehrten sich und hätten die Reise mehr behindert, wenn sie nicht im Sommer sehr wasserarm und seicht gewesen wären. Nach vierzehn Tagen erreichten sie jene Region, die Richard aus Beschreibungen gut genug kannte, die Region der Bayoux oder Sümpfe.

Unter diesen Bayoux versteht man die großen seeartigen Sümpfe, die den Mississippi und die Nebenströme auf ihrem unteren Lauf begleiten. Im Sommer trocknen sie zuweilen ganz aus und bilden mit Schlamm gefüllte Moräste, in der Winter- oder Regenzeit aber gleichen sie ungeheuren Seen, aus denen die Wälder wie große Inseln hervorragen. Man kann zu dieser Zeit Hunderte von Meilen weit zu Wasser fahren, während man im Sommer dort nur Land und einige schmale Flüsse sieht. Früher wimmelten diese Bayoux von Alligatoren, sie sind auch jetzt noch an einzelnen Stellen zahlreich zu finden. Fast gefährlicher noch als diese Krokodile Amerikas sind die Dünste, die aus diesen allmählich austrocknenden Sümpfen aufsteigen. Es gehört eine Riesennatur oder großes Glück dazu, dem Fieber zu entgehen.

Richard glaubte zu erraten, daß er sich jetzt in jenem Winkel befinde, in dem das nordöstliche Texas, das nordwestliche Louisiana und das südwestliche Arkansas zusammenstoßen. Er glaubte auch zu erraten, daß hier das vorläufige Ziel seiner unfreiwilligen Wanderung sei. Eines Vormittags, als sie einen mächtigen Wald durchritten hatten, sah er ein mächtiges Bayou vor sich liegen, das sich durch großen Wasserreichtum vor den andern auszeichnete. Inmitten dieses Bayous lag eine von Cypressen und anderen Bäumen bewachsene Insel, und vom Lande aus führte ein Damm, aus ungeheuren Holzstämmen zusammengefügt, ungefähr bis in die Mitte des Raumes, der die Insel vom Ufer trennte. Dann aber schien jede Verbindung zwischen dem Lande und dieser Insel aufzuhören.

Auch der roheste Mensch pflegt an dem zu hängen, was er seine Heimat nennt, und so bemerkte Richard, daß die Blicke seiner Begleiter aufleuchteten, als sie am Ufer vor dem Holzdamm anhielten. Da schallte es wie ein Freudenruf von der Insel herüber, und Richard sah einen Mann vor den Bäumen erscheinen und ein Tuch schwenken. Die vier Texaner erwiderten den Ruf und ritten sogleich den Holzdamm entlang. Richard fragte sich, wie sie ihren Weg fortsetzen würden, wenn sie an das Ende des Dammes gekommen wären. Aber sie zögerten keinen Augenblick, Wooly ritt voran, gerade auf einen Pfahl zu, der sich mitten aus dem Wasser erhob. Das Wasser ging dem Pferde nur bis an die Knie. Es zog sich also unter dem Wasser eine Fortsetzung des Holzdammes hin und zwar nicht gerade nach der Insel zu, sondern in einem Winkel. Wer den Pfahl und dessen Bestimmung als Wegweiser nicht kannte, der hätte es freilich nicht wagen dürfen, diesen Weg einzuschlagen, denn zu beiden Seiten des Dammes schien das Wasser ziemlich tief zu sein. An dem Pfahl angekommen, schlugen die Reiter, die hintereinander ritten, eine Richtung nach rechts ein, gerade auf den weißen Pfahl zu, der am Ufer der Insel stand. So erreichten sie sämtlich ohne Unfall die Insel.

Der Mann, der sie dort erwartete, war im Aeußern seinen Genossen sehr ähnlich, ebenso verwildert, ebenso roh. Nachdem er die Ankömmlinge mit derbem Handschlag bewillkommnet hatte, richtete er den Blick musternd und ohne alle Scheu auf Richard.

»Na, das ist er also?« sagte er. »Ihr habt ihn richtig gefaßt. Aber weshalb ist Yerrez nicht mit Euch zurückgekommen?«

»Der dumme Kerl hat sich vermutlich in dem Nest fangen lassen,« antwortete der Kapitän. »Und wir konnten wirklich nichts für ihn tun. Er wird bei Gelegenheit schon nachkommen. Ist irgendetwas Neues inzwischen passiert, Nazzy?«

»Nichts Sonderliches,« erwiderte der Angeredete, der nur mit dem soeben gehörten Namen benannt wurde, obgleich wahrscheinlich sein wahrer Name anders war, wie der seiner Genossen, die Grund genug haben mochten, ihre Vergangenheit zu verleugnen. »Ein Brief ist da für Euch, Kapitän, und ein Päckchen Zeitungen. Und dann, ist die Rede davon, daß wir nächstens einen Zug nach Arkansas machen sollen?«

»Das hängt von den Umständen ab,« erwiderte der Kapitän. »Haben wir Vorräte?«

»An Munition ist kein Mangel,« antwortete Nazzy. »Ein paar Schinken habe ich in die Luft gehängt.«

»Und der Whisky?« fragte der Kapitän. »Es waren noch zwanzig Flaschen da.«

»Die sind inzwischen ausgelaufen,« antwortete Nazzy ruhig. »Aber ich habe ein paar andere gekauft.«

Der Kapitän wetterte und fluchte, gab sich aber endlich zufrieden, da er doch überhaupt etwas zu trinken fand, denn der Reisevorrat hatte sich vollkommen erschöpft. Sie gingen nun nach der Mitte der Insel, die von schönen alten Bäumen, namentlich von hohen, schattigen Cypressen bewachsen war, und Richard erblickte eine geräumige, aus Holzpfählen erbaute und mit einem festen Dach versehene Hütte.

Er war gespannt darauf, welchen Platz man ihm anweisen und wie man ihn überhaupt hier behandeln werde. Es schien, als wolle man ihn im Vertrauen darauf, daß seine Flucht von der Insel nicht leicht auszuführen sei, ganz frei lassen. Doch er irrte sich darin, denn er hörte, daß der Kapitän mit den anderen sprach und ihnen befahl, einige feste Stämme zu fällen und zu spalten, um aus ihnen in der einen Ecke der Hütte einen festen Verschlag zu machen. Ein Schloß war vorhanden.

»Es ist nicht wegen heut,« sagte der Kapitän. »Heut sind wir ja alle hier. Aber wir müßten doch einmal fort von hier, und es könnte dann auch hier nur einer bleiben. Auch wollen wir die Nächte schlafen und nicht immer Wache stehen.«

Dann wurde der Schinken aufgetischt und der Whisky probiert. Richard erhielt, wie immer, seinen reichlichen Anteil. Er wurde überhaupt mit einer gewissen Leutseligkeit behandelt, die den Schurken, wenn sie ihr Opfer sicher zu haben glauben, sehr oft eigen ist.

Die fünf Texaner zechten so reichlich, daß keiner von ihnen die Wache für die Nacht übernehmen wollte. So wurde denn Richard am Abend an Händen und Füßen gebunden. Trotzdem versuchte er, als sämtliche Wächter schliefen, mit den Zähnen die Stricke zu lösen. Aber es war ihm nicht möglich. Er gab das vergebliche Bemühen auf, in der Hoffnung, binnen kurzem dennoch eine Gelegenheit zur Flucht zu finden.

Am anderen Morgen gab ihm der Kapitän – anders hörte ihn Richard nie nennen – das Päckchen Zeitungen, das sich in der Hütte befand. Ein Teil davon war so alt, daß Richard ihren Inhalt noch von Toledo her kannte. Aber es befanden sich unter ihnen noch einige Neuyorker Blätter, die er in Toledo nicht gelesen und darunter einzelne, die sich meist mit Stadtgeschichten beschäftigten. Aus einem dieser Blätter leuchtete ihm ein Namen entgegen, der ihm das Blut in die Wangen trieb. Er las folgendes:

»Der Ball, der am Fastnachtsabend bei Mister N. stattfand, bildete einen würdigen Beschluß des Karnevals. Wenn uns nicht die täglichen Kriegsberichte daran mahnten, so würden wir es nimmer glauben, daß wir uns in einem Kriege befinden, von dem das Schicksal der Union abhängt. Der Glanz und die Pracht, die auf diesem Feste herrschten, vor allem aber die heitere und ungezwungene Stimmung mußten jedermann glauben machen, wir befinden uns im tiefsten Frieden und in einer Epoche des glänzendsten Nationalwohlstandes. Unter den Damen, die das Fest durch ihre Gegenwart verherrlichten, nennen wir in erster Linie Miß Eliza Büchting, die Tochter des bekannten Patrioten Büchting, der der Regierung abermals eine Million Dollars zur Verfügung gestellt hat, um sie beliebig zu Kriegszwecken zu verwenden. Es wäre indiskret, wollten wir die Reize dieser Dame schildern. Wir begnügen uns mit der Mitteilung, daß man der jungen Dame trotz ihrer Einfachheit und Bescheidenheit die Palme des Sieges zuerkannte, die sie umsomehr verdiente, da sie sich dieser Auszeichnung gar nicht bewußt zu sein schien. Unsere jungen Stutzer haben bereits einen Namen für diese junge Dame gefunden, der jedoch nur nach einer Seite hin zutreffend ist; sie nennen sie »Die Millionenbraut«, sicherlich aber gibt es nicht einen unter ihnen, der sich nicht für glücklicher hielte, wenn ihm diese »Braut« ohne Millionen, als wenn die Millionen ohne die Braut ihm zuteil würden. Kapitän Pettow von den Neuyorker Freiwilligen hatte das Glück, mit der Dame den Cotillon zu tanzen.«

Lange hielt Richard das Blatt in der Hand und schien noch zu lesen, als seine Gedanken bereits in weiter Ferne weilten. In welche seltsame Lage war er geraten! Er, den Eliza liebte! – sein Herz sagte es ihm, – lebte hier, weit entfernt von ihr, als Gefangener. Vielleicht hielt sie ihn noch immer für tot – und der Mörder führte sie zum Tanze, ja, gehörte vielleicht zu ihren Bewerbern und war möglicherweise der Bevorzugte, denn in den Worten »tanzte mit ihr den Cotillon« schien eine nur halb versteckte Andeutung eines vertrauten Verhältnisses zu liegen. Hatte man denn Eliza nicht benachrichtigt, daß er noch lebte? Wußte sie es nicht durch ihre Eltern und durch Mr. Everett? Don Lotario hatte, als er Richard bat, ihm diese Angelegenheit ganz und gar zu überlassen, die sichere Erwartung ausgesprochen, daß Dantes das Nötige tun werde, um den Verbrecher zu entlarven und Richards Freunde aufzuklären. Aber wenn es nun nicht geschah?

Ernste und traurige Gedanken stürmten auf den jungen Mann ein. Zwar wollte es ihm nicht in den Sinn, daß Eliza den tückischen Bösewicht lieben könnte. Aber sie wußte ja nicht, was Richard wußte, sie kannte ja Kapitän Pettow als einen Ehrenmann, als den besten Freund Richards, wie natürlich war es also, wenn Ralph in Elizas Gunst Richards Nachfolger würde, wenn sie das Andenken des Verstorbenen dadurch zu ehren suchte, daß sie seinem brüderlichen Freunde die Hand reichte!

Der junge Mann saß noch immer in seine Gedanken vertieft. Das Frühstück, das ihm die Texaner auf den Tisch gestellt hatten, stand unberührt. Da rief der Kapitän, der sich auf der anderen Seite des Tisches mit Schreiben abgemüht hatte, ohne indessen weit gekommen zu sein, ihm zu:

»Höre, Freund, Du bist hoffentlich flink mit der Feder?«

Richard verstand nicht sogleich, denn er erwachte wie aus einem Traume. Als aber der Kapitän seine Frage wiederholte und sagte, Richard solle ihm einen Brief schreiben, willigte der junge Mann gern ein, denn er hoffte auf diese Weise vielleicht einige Aufklärungen über die Person und die Verbindungen des Mannes zu erhalten, der ihn gefangen hielt, und über dem ein unheimliches Dunkel zu schweben schien.

»Nun, so werde ich Dir diktieren.« sagte der Kapitän und schob ihm Papier und Feder hin.

Darauf diktierte er dem mehr und mehr erstaunenden Richard folgenden Brief in die Feder:

»Lieber Ralph! Es ist mir, seit wir uns zum letzten Male, Du weißt ja, wo, gesehen haben, nicht sonderlich gegangen, und ich habe dieses verdammte Zigeunerleben von Herzen satt. Virginien bleibt Virginien, und kein nobler Kerl wird sich anderswo recht wohl finden als in jenem gesegneten Lande, das die Yankees zu einer großen Krämerbude machen möchten. Hoffentlich ist jetzt schon die Südarmee auf dem Wege nach Washington und New York, und man kann sich bald wieder in jenen Gegenden sehen lassen. Ist dann alles ruhiger, so wird es mir auch nicht schwer werden, die infamen Verleumdungen zu widerlegen, die mich gezwungen haben, meinen Freischärlerposten aufzugeben und eine Zeitlang anderswo zu warten, bis der Neid und die Mißgunst sich gelegt hätten. Dir kam meine Entfernung aus Virginien freilich sehr gut zustatten, denn ich gewann nun Muße, mich nach diesen Gegenden zu begeben, wo der Mann weilte, der Dich, und wohl nicht mit Unrecht, recht lebhaft beschäftigt und den ich, wie Du wohl aus der Handschrift ersiehst, gebeten habe, diesen Brief selbst zu schreiben. Du erhältst dadurch die Gewißheit, die Dir wahrscheinlich recht angenehm ist, daß der betreffende Richard sich ganz in meiner Macht befindet. So ist es auch. Ehe ich Dir aber mehr darüber schreibe, will ich Dir nur mitteilen, welch ein erbärmliches Leben wir hier führen. Eine Zeitlang haben wir uns mit den Yankeetruppen herumgebalgt. Es kam aber nichts dabei heraus. Wir waren in der Minderheit und mußten zurück. Ich erhielt dann meine Station mitten im Bayou Farouche, einem Aufenthalt, der für Alligatoren und Klapperschlangen ganz angenehm sein mag, aber für einen alten Freischärler und Kostgänger bei Mistreß Brown seine höchst traurigen Seiten hat. Dieses Nest hier dient nämlich, wenn wir etwas gegen die Pankees im Sinne haben, als Sammelplatz, von dem wir in Arkansas einfallen oder sonst eine kleine Streifpartie unternehmen. Ich durfte den Posten nicht ablehnen, denn sie haben hier unten von den Verleumdungen Wind bekommen, die in Virginien gegen mich ausgesprochen wurden, und nun heißt es tüchtig auf dem Posten und bei der Sache zu sein, um die verlorene Ehre wiederzugewinnen. Nun, ich bin der Mann dazu und hoffe, makellos wie ein Schwan und rein wie Schnee aus dieser Affäre hervorzugehen. Nur Dir zuliebe bin ich meinem Posten auf ungefähr fünf Wochen untreu geworden – ich wußte, daß doch nichts vorfallen würde. Ich schickte einen gewissen Perrez, einen sehr brauchbaren Burschen, nach Toledo voraus, um zu rekognoszieren und folgte ihm dann mit drei sehr zuverlässigen Leuten. Perrez hatte in der Kolonie schon seine Studien gemacht; sie leben da wie die Turteltauben. Nun genug, Dein süßer Freund Richard war denn, wie ich erfuhr, auch wirklich da. Und außerdem habe ich dort noch eine sehr glückliche Hand gehabt. Ich begegnete einem alten Manne, der mir früher manches Hindernis in den Weg gelegt hat, schoß auf ihn und hörte von ihm, daß er an der Wunde gestorben sei. Doch zur Sache! Wir mußten verteufelt vorsichtig sein, denn Perrez sagte uns, in der Kolonie seien sie auf dem Posten und würden keinen Spaß verstehen, wenn sie uns unter die Hände bekämen. Aufmerksam waren sie auf uns schon durch den Anfall auf den Alten geworden. Glücklicherweise kannte aber einer meiner Begleiter eine Höhle in der Nähe der Kolonie, und in diesem ekelhaften Loch kampierten wir längere Zeit mit den Pferden zusammen. Denke also, was ich Deinetwegen erduldet habe! Endlich spionierten wir eine herrliche Gelegenheit aus, Deinen Liebling zu fassen. Wir wußten, daß die ganze Ostseite der Kolonie von den Kolonisten scharf bewacht wird, denn dort vermuteten sie uns und nicht mit Unrecht. Wir schlichen uns also täglich um sie herum nach der Westseite und beobachteten sie dort. Da entdeckten wir denn, daß Mister Richard allein oder mit seinen Bekannten täglich einmal oder öfter im Fluß zu baden pflegte. Wir lauerten ihm auf und fanden ihn. Denke Dir das Vergnügen, als wir den Burschen aus dem Wasser herausangelten. Ich hatte Dir versprochen, ihn niederzustoßen. sobald sich die Gelegenheit dazu fände. Offen gesagt, das Versprechen ist mir später leid geworden aus sehr einfachen Gründen. Du hattest mir eine reiche Belohnung zugesagt, ich zweifelte auch keinen Augenblick daran, daß Du Dein Wort gehalten hättest. Aber der Mensch ist sterblich. Auch Du kannst ins Gras beißen, und einen so prächtigen Jungen wie den Richard so für nichts und wieder nichts unter die Erde bringen, das kann ich wirklich nicht auf mein Gewissen nehmen. Denke nur, was der mir gäbe, wenn ich ihn laufen ließe! Er sehnt sich wahrscheinlich nicht wenig danach, drei Worte mit Dir zu sprechen. Also der langen Rede kurzer Sinn: Du wirst ein reichet Mann, bist es schon, heiratest die Millionenbraut, lebst glücklich und in Frieden, während ich mich kümmerlich durch die Welt schlagen muß. Da kannst Du schon so hunderttausend Dollar für mich und meine Genossen, die doch natürlich auch gut bezahlt sein wollen, abstoßen. Nimm nur Banknoten. Das verdammte Yankeegeld hat bei uns immer noch Kurs, und drüben in Matamoras oder in der Havanna kann ich die Banknoten ganz gut in klingende Münze umsetzen. Sende das Päckchen mit der Aufschrift »Privatdokumente« und gut versiegelt an Mister Eleazar Gesher in Providence, Louisiana; die Gelegenheit dazu kennst Du so gut und besser als ich. Aber ich sage Dir, auch nicht ein einziges Tausend darf fehlen. Unter dem tu ich es nicht. Sowie ich jedoch die 100 000 Dollars in den Fingern habe, soll Dich kein menschliches Wesen, das den Namen R. E. trägt, mehr belästigen ...«

Bis hierher hatte Richard, so groß auch seine innere Entrüstung und sein Abscheu gewesen, mit scheinbarer Ruhe geschrieben; jetzt aber blickte er auf und sagte:

»Ist das wirklich Eure Absicht? Was habe ich Euch getan?«

»Still! Still!« sagte der Kapitän, mit der Hand winkend. »Schreib nur ruhig weiter, mein Junge. Es kommt doch anders. Du bist eine hübsche Zwickmühle. Wir wollen Dich schon benutzen und an den Meistbietenden losschlagen. Also ...«

»Belästigen, sagte ich. Denn wir haben den Burschen ganz sicher. Er kommt mir nicht mehr aus den Fingern. Bisher hast Du mich mit Lappalien abgefunden; denke nur an die Kleinigkeit, die Du mir für den famosen Ueberfall auf Liberty Plantation gabst, der Dir Gelegenheit verschaffte, Dich der schönen Miß Eliza als Retter und galanter Kavalier zu zeigen ...«

»Was ist das mit dem Ueberfall?« fragte Richard. »Ich habe allerdings gehört, daß Mister Büchting infolge eines Ueberfalls seine Plantage verlassen hat; aber was habt Ihr, was hat Ralph Pettow damit zu tun?«

Der Kapitän lächelte schlau und nickte dem jungen Manne gemütlich zu. Dann erzählte er ihm ohne jede Beschönigung die Verabredung mit Ralph.

Es währte einige Minuten, ehe Richard, der von innerer Aufregung zitterte, sprechen konnte:

»Dann seid Ihr Kapitän Staunton. Der Name stand in den Blättern.«

»Ganz recht, mein Junge, der bin ich,« antwortete der Kapitän; er goß sich ein Glas Whisky ein und leerte es auf einem Zug. »Du siehst, wie intim ich mit Deinem guten Freund Pettow bin und wie hübsch er seinen Freund zu gebrauchen versteht. Aber nun zum Schluß:

»... ferner an das Lumpengeld, das Du mir für die Reise bestimmtest, bedenke endlich, daß ich Deinetwegen hier in einem pestilenzischen Bayou sitze, mit dem gelben Fieber vor den Augen – ein paar Alligatoren gucken, während ich dies diktiere, hungrig in die elende Hütte herein – der Whisky ist schlecht und furchtbar teuer – genug, Du bist mir eine Entschädigung schuldig, und je eher die 100 000 Dollars bei Mr. Gesher sind, desto eher hast Du Deinen Zweck erreicht. Du hast wirklich keinen Begriff von meinem Jammerleben, und wie ich mich sehne, die knappe Ration, auf die ich gesetzt bin, wieder mit den Fleischtöpfen New Orleans oder auch womöglich von New York zu vertauschen. Sei auch hübsch vorsichtig in Deinem Verkehr mit den Unseren. Denn sonst hängen Dich die schlauen Yankees doch noch einmal, und zwar ehe Du noch Deine Flitterwochen mit Miß Büchting feierst! Nun lebe wohl, grüße die guten Bekannten, Booth vor allem, sowie Miß Ellen Clare, Fanny – Du weißt schon, und erfreue bald durch die Sendung Deinen aufrichtigen, getreuen Freund.«

Die Unterschrift fügte der Kapitän selbst hinzu und schrieb noch, wie Richard sah, ein paar Zeilen unter den Brief. Diese lauteten:

»Welches Zeichen, daß die Sache abgemacht ist, soll ich Dir später bringen? Eine Locke oder dergleichen? Gib es selbst an.«

Es ist schwer, sich in Richards Seelenleben hineinzudenken. Er hätte diesem Staunton ins Gesicht speien mögen. Aber der größte Verbrecher war doch immer Ralph selbst, der mit teuflisch kaltblütiger Berechnung einen nichtswürdigen Plan gegen den Gefährten seiner Jugend verfolgte. Also auch ein Verräter war Ralph – er stand in geheimer Verbindung mit den Rebellen – Leute wie Staunton waren seine Freunde gewesen!

»Ich muß mich für die zweite Epistel stärken,« sagte Staunton. »Auch das Diktieren strengt an, aber doch nicht so wie das Selbstschreiben. Fünf Minuten Pause, mein Junge! Willst Du auch ein Glas?«

Richard hörte die Frage nicht oder wollte nicht hören.

»Wie hübsch ruhig Ihr ohne Trinken bleiben könnt, Ihr kaltblütigen Menschen!« sagte Staunton mit einem neidischen Blick auf den jungen Mann, während er abermals ein Glas Branntwein hinabgoß.

Dann stand er auf und ging eine Zeit lang durch die Hütte.

»Sprecht nur!« antwortete Richard. »Ich werde schreiben.«

»Also oben die Adresse: Mr. Everett, New York, Broadway, die Nummer weiß ich nicht, ist auch egal. Aber füge sie hinzu. Du kennst sie ja.«

»Soll das ein Brief an meinen Vater sein?« fragte Richard erstaunt.

»Ich denke, ja,« antwortete Staunton. »Der alte Herr wird sich hoffentlich freuen, Deine Handschrift einmal wiederzusehen? Denn wenn Du ihm etwa früher Briefe geschrieben haben solltest, von Toledo aus z. B., so sei ganz sicher darüber: die hat er nicht zu Gesicht bekommen. Da ist Ralph zu schlau.«

Richard dachte mit tiefer Bewegung daran, daß sein Pflegevater vielleicht durch diesen Brief ein erstes Lebenszeichen von ihm erhalten könne.

»Ich bin fertig!« sagte er kaum hörbar.

»Also:

»Mein werter Sir! Was Sie in diesem Briefe lesen werden, muß für jedermann ein Geheimnis bleiben. Verraten Sie es, so ist der verloren, um den es sich handelt. Selbst aus Ihrer nächsten Umgebung dürfen Sie niemand zu Rate ziehen. Vielleicht befindet sich gerade dort der Verräter.

Ihr Sohn Richard ist meuchlerisch überfallen worden, aber nicht getötet. Er befindet sich ganz gesund und frisch in meiner Gewalt. Ich könnte ihn töten, wenn ich wollte. Es würde mir jemand eine halbe Million darum geben, wenn ich es täte. Aber er dauert mich. Es ist gutes junges Blut in ihm. Senden Sie 1 000 000 Dollars in Banknoten an Mister Eleazar Gesher in Providence, Louisiana, mit der Adresse des Unterzeichneten. Dann wird Ihnen sofort mitgeteilt werben, was sie gewiß gern erfahren möchten, und Mr. Richard kann, wenn Sie eine weitere Gratifikation hinzufügen, die in der Höhe des Dienstes steht, den ich Ihnen erweise, zu Ihnen zurückkehren. Sollten Sie nicht wissen, wie Sie in den jetzigen Zeiten das Paket (das ich mit der Aufschrift »Privatdokumente« zu versehen bitte), an Mr. Gesher besorgen können, so fragen Sie, ohne etwas weiteres als den Namen Staunton zu erwähnen, Mr. Black, 5. Avenue, Nr. 76. Liegt Ihnen daran, Ihren Sohn wiederzusehen, so handeln Sie nur genau so, wie ich es Ihnen vorschlage. Jede weitere Nachforschung würde nur gefährlich für den werden, der in meinem Auftrage diese Zeilen schreibt.«

Der Kapitän nahm den Brief und unterzeichnete ihn mit Kapitän Staunton.

»Also es ist Ihre Absicht, sowohl Ralph wie meinen Pflegevater wer weiß wie lange hinzuhalten und aus meiner Gefangenschaft Vorteile zu ziehen?« fragte Richard.

»Ganz recht, mein lieber Junge; ein armer getretener Wurm wie ich muß sich helfen, so gut er kann,« antwortete Staunton ruhig. »Aber Du brauchst Dich nicht zu ängstigen. Wenn mir Ralph Pettow, woran ich noch sehr zweifle, die 100 000 Dollars schickt, so lasse ich ihn doch nicht so los. Er muß mir noch mehr zahlen. Und inzwischen bleibst Du ruhig leben. Im übrigen tätest Du wohl daran, selbst noch einige Worte an Deinen Vater hinzuzufügen und ihn hauptsächlich zu bitten, daß er das Geld bald sendet.«

»Was hilft das?« antwortete Richard. »Ihr gebt mich ja doch nicht frei.«

»Das kann man nicht wissen,« antwortete Staunton gemächlich. »Ich traue Dir z. B. zu, daß Du ehrlich bist und Dein Wort hältst. Wenn Du mir versprächest, mir 100 000 Dollars für Deine Freilassung zu geben, bin ich überzeugt, Du würdest Deine Zusage erfüllen, unter allen Umständen.«

Da Richard bemerkte, daß die Augen des Kapitäns lauernd auf ihn gerichtet waren, so unterdrückte er das entschiedene Nein, das seine Ehrlichkeit ihm auf die Zunge drängen wollte, und sagte:

»Ich glaube wohl. Man müßte es überlegen. Nur wüßte ich nicht, woher ich das Geld nehmen sollte.«

»Unsinn!« rief Staunton, »Ihr schwimmt ja im Golde, und was Du nicht hast, das hat Dein Schwiegervater, der Büchting. Dreimalhunderttausend Dollars wären nicht zu viel für Dich. Miß Eliza gäbe sie gewiß gern für das Vergnügen, Dich wieder an ihr Herz zu drücken.«

»Verzeiht!« sagte Richard, sich zur Ruhe zwingend, obwohl seine Stirn sich vor Unwillen rötete. »Miß Büchting hat mich nie an ihr Herz gedrückt, und ich weiß nicht, woher Ihr diese sicheren Nachrichten habt, daß ich Mr. Büchtings Schwiegersohn werde.«

»Nun, Ralph weiß es, daß sie sterblich in Dich verliebt ist,« sagte Staunton lachend. »Doch über diese Dinge können wir noch immer sprechen! Wooly will aufbrechen, schreibe also noch einige Zeilen unter diesen Brief.«

Richard nahm die Feder, überlegte einige Minuten und schrieb dann:

»Mein teurer, inniggeliebter Vater! Aus der Handschrift ersiehst Du, daß ich in der Tat noch lebe. Ich war glücklich zu Don Lotario gelangt. Von dort hat man mich entführt und hält mich in Gefangenschaft. Schicke das Geld, es wird das Beste sein, und ich glaube, es wird sich später mit meinen Wächtern unterhandeln lassen. Ich hoffe Dich recht bald zu sehen. Gott, wie viel Gräßliches habe ich Dir zu erzählen! Weiß die Familie Büchting, daß ich lebe? Hast Du denn gar keine Nachrichten von mir erhalten? Schicke, wie gesagt, die Summe. Ich schulde Dir ja ohnehin schon so viel. Leb' wohl! Ich gedenke Dein zu jeder Stunde mit treuester Zärtlichkeit und Liebe.«

Staunton las die Zeilen und nickte mit dem Kopfe. Dann faltete er die Briefe zusammen, schloß sie vorsichtig mit einer Oblate und versah sie mit Aufschriften. Wooly, der sich bereits reisefertig gemacht hatte, nahm sie in Empfang und verließ sogleich die Hütte. Einige Minuten darauf sah ihn Richard durch das Bayou nach dem Holzdamm reiten. Mitten auf dem Wege hielt er jedoch inne und nahm seine Büchse von der Schulter.

Die anderen Texaner, die ihm ebenfalls nachgeblickt hatten, griffen sogleich zu ihren Waffen und eilten nach dem Ufer.

»Ein verdammter Alligator!« rief Wooly zurück.

»So hast Du das Bayou nicht rein gehalten!« rief Staunton ärgerlich zu Nazzy.

»Ja, der Teufel, wer kann das?« antwortete dieser. »Gestern habe ich nichts bemerkt. Es muß so ein Bursche vom Red River herübergekommen sein.«

Inzwischen mußte Wooly den Alligator aufs Korn genommen haben, denn er schoß und ritt dann schnell nach dem Damm, den er auch glücklich erreichte. Das Echo des Schusses hallte noch donnernd in den Wäldern ringsumher wieder, und im Bayou zeigten sich jetzt mehrere dunkle Massen, ähnlich Baumstämmen.

»Da haben wir eine ganze Kolonie,« sagte Staunton.

»Hole der Henker diese verdammten Bestien! Wir müssen sie am Nachmittag ausrotten, sonst haben wir keine ruhige Stunde.«

»Darf ich Euch dabei helfen?« fragte Richard, der den Texanern bis ans Ufer gefolgt war, und der längst überlegt hatte, daß die Alligatoren auch ihm gefährlich werden konnten, falls er einmal fliehen wollte und durch das Bayou schwimmen müßte.

»Kannst Du denn schießen, Bürschchen?« fragte der Kapitän.

Richard zuckte die Achseln.

»Nun wollen wir sehen, ob Du zuverlässig genug bist, um eine Büchse zu erhalten. Für jetzt bringt den Verschlag in Ordnung, Kinder. Nachmittags geht es an die Alligatoren.«

Der Verschlag war bald fertig und bildete mit dem Schloß ein sehr festes Gefängnis. In einer Nacht waren jedenfalls die besten Latten nicht durchzubrechen. Er dachte fortwährend an die Flucht und an die verschiedenen Wege, die sich ihm dazu darboten. Staunton mochte ihm das vom Gesicht ablesen, denn er sagte einmal: »Hör mal, Bürschchen, grüble nicht so viel. Es versteht sich von selbst, daß wir Dir ein paar Kugeln nachschicken, sowie wir Dich auf einer falschen Fährte finden. Darin verstehen wir keinen Spaß.«

»Ich würde jedenfalls die Antwort auf die Briefe abwarten,« sagte Richard, sich zu einem Lächeln zwingend.

»Na, früher oder später; auf der Flucht darfst Du Dich nicht blicken lassen, wenn Dir Dein Leben lieb ist,« brummte Staunton.

Am Nachmittag schleppten die vier Männer ein sehr großes Boot, das mitten auf der Insel lag, nach dem Ufer. Richard mußte ihnen dabei helfen und hatte sicherlich nicht die leichteste Arbeit. Die lecken Stellen des Bootes wurden verstopft und Ruder herbeigeschafft. Richard erhielt keine Büchse, sondern sollte rudern. Dann begann die Alligatorenjagd.

Es handelte sich fürs Erste darum, zu entdecken, wieviele von den Bestien in dieses Bayou eingedrungen waren. Waren sie zahlreich, so mußte man vorsichtig damit verfahren, denn wenn die Tiere in Menge angriffen, so konnte die Jagd gefährlich werden.

Die Texaner hatten, um die Alligatoren heranzulocken, alle Fleischabfälle gesammelt, die nur aufzutreiben waren, und sie mit sich genommen. Zuerst ruderten sie ruhig durch den See. Auf einer Stelle dem Ufer nahe, erkannten sie drei Alligatoren. An anderen Stellen befanden sich ebenfalls vereinzelte Tiere. Nazzys Vermutung erwies sich als richtig, es war wirklich eine ganze Kolonie vom Red River herübergekommen. Man zählte hier im ganzen Zwölf, aber es war immerhin möglich, daß sich noch einzelne unter dem Wasser aufhielten. Der von Wooly getötete Alligator lag neben dem Holzdamm und die Texaner hieben mit den Aexten einige Stücke Fleisch von dem toten Tier ab, um sie den anderen Tieren als Lockspeise hinzuwerfen. Sie warfen Stücke Fleisch und Haut an verschiedenen Stellen ins Wasser. Kaum hatten die Alligatoren dies gewittert, so kamen sie auch herangeschossen.

»Jetzt stramm rudern, Junge,« rief Stibbey, »nach dem Ufer!«

Die anderen hielten ihre Büchsen im Anschlag. Richard zog tüchtig und erreichte das Ufer, ehe ihm ein Alligator genaht war. Nun verteilten die Texaner hastig die Fleischstücke auf Baumzweige am Ufer und erkletterten dann die Bäume. Richard gab man zu verstehen, daß er dasselbe tun solle und kaum hatte er einen sicheren Ort erreicht, als der erste Alligator ans Ufer schoß, den gewaltigen Rachen öffnete und im selben Moment eine Kugel ins Auge erhielt. Das Tier schlug Land und Wasser mit seinen Füßen und dem Schwanz und verendete sehr langsam. Inzwischen waren die anderen Tiere ebenfalls herangekommen und begannen, ungewarnt durch das Beispiel des ersten, ans Ufer zu klettern, um die Beutestücke zu erhaschen. Sie fielen nach und nach auf die gleiche Weise. Man zählte zehn getötete Tiere, es fehlten also noch einige.

»Das hilft uns nichts, Jungens,« sagte Staunton, »wir müssen sie alle haben, sonst dürfen wir uns nicht mehr mit einem Pferd in das Bayou wagen. Wooly kann von Glück sagen, daß es gerade heißer Mittag und die Tiere faul waren. Abends oder in der Nacht sind wir verloren, sobald sie ein Pferd wittern. Wir müssen nun die Jagd auf die übrigen beginnen. Viel können nicht mehr da sein. Die Gefahr ist also nicht groß.«

Richard, der nicht sonderlich davon erbaut war, ein untätiger Zuschauer bei der Abschlachtung der Alligatoren zu sein, nahm seinen Platz auf der Ruderbank wieder ein. Stibbey erhielt den Auftrag, den Alligatoren die Beutestückchen vorzuwerfen. Nazzy, Bigg und Staunton hielten ihre Büchsen schußfertig. Sobald ein Tier herankam, schössen die drei Männer. Auf diese Weise erlegten sie noch vier ohne die geringste Gefahr. Nachdem das Bayou noch einmal sorgfältig durchsucht war, glaubten die Männer, daß sämtliche Alligatoren getötet seien und Richard erhielt den Befehl, zurückzurudern. Sie hatten bereits das Ufer erreicht und bis auf Richard das Boot verlassen, als sich plötzlich ein riesengroßes Tier von einem Baumstamm, an dem es sich emporgearbeitet hatte, um das noch oben befindliche Fleischstück zu erhaschen, plötzlich abwandte und nach Nazzy, der ihm ganz nahestand, schnappte. Nazzy, vom augenblicklichen Schreck betäubt und durch die Gewalt des Angriffs wehrlos gemacht, stürzte ohne einen Schrei ohnmächtig nieder, und das Tier, das ihn in dem kolossalen Rachen hielt, wandte sich dem Ufer zu und schleppte ihn fort. Es war ein grausiger Anblick. Staunton, Bigg und Stibbey standen wie versteinert. Auch Richard war bleich geworden, aber nicht einen Moment dachte er daran, daß er mit dem Tode Nazzys um einen Feind weniger habe. Er erhob das schwere Ruder, und auf die Gefahr hin, den Mann selbst zu treffen, schlug er mit solcher Gewalt auf den Kopf des Tieres, daß es einen Krach gab, als wenn ein Faß zerbräche. Das Tier ließ Nazzy fahren und wandte den Kopf, der eine ganz andere Form angenommen zu haben schien, nach der anderen Seite, seinem neuen Feinde zu. Und nun folgte der zweite Schlag Richards, noch viel gewaltiger als der erste, bei dem der junge Mann unwillkürlich durch den Gedanken gelähmt worden, er könne Nazzy treffen. Diesmal zerbrach das Ruder, aber auch der Alligator ließ den gewaltigen Kopf sinken und im nächsten Augenblick hatte ihm Bigg ein Pistol aufs Auge gesetzt und schoß hinein. Als Nazzy aufgehoben und zum Bewußtsein gekommen war, war das Tier bereits verendet.

»Himmelelement, Kreuz Bomben!« sagte Staunton, auf Richard zutretend. »Du hast Dich nicht schlecht gemacht, mein Junge! Wir werden es Dir nie vergessen.«

Nazzy, dem das Blut aus den Wunden strömte, die ihm die Zähne des Alligators geschlagen hatten, war viel zu erschöpft, um seinem Retter danken zu können. Man wusch ihm sofort die Wunde und suchte das Blut zu stillen. Da kam noch ein Alligator heran. Eine Kugel traf jedoch, sobald er seinen Kopf aus dem Wasser hob. Nun ließ sich weiter kein Tier blicken und es schien ziemlich sicher zu sein, daß das Bayou jetzt von diesen gefährlichen Bewohnern gereinigt sei.

Nazzys Wunden wurden verbunden und das Boot später in die Mitte der Insel geschafft. Richard bemerkte es sehr wohl, daß ihn seine unheimlichen Genossen jetzt in einer ganz andern Weise behandelten, daß er ihnen menschlich näher gerückt war. Man ließ ihn auch beim Fortschaffen des Bootes nicht wie vorhin die schwerste, sondern die leichteste Arbeit verrichten, und als es Abend wurde, schien es keiner von den Männern über sich bringen zu können, ihm zu sagen, er solle in den Verschlag gehen. Endlich näherte sich ihm Staunton.

»Du hast heute einem der Unseren das Leben gerettet,« sagte er. »Das ändert unsere Stellung zueinander ein wenig, mein Junge. Willst Du uns Dein Ehrenwort geben, daß Du nicht fliehst, so wollen wir Dich frei gehen, stehen und liegen lassen, wo Du willst und Dich behandeln wie einen der Unseren.«

»Das kann ich nicht,« antwortete Richard. »Ich weiß nicht, ob die Briefe jemals an ihre Adresse gelangen werden und ob Ihr eine Antwort erhaltet. Ich wäre also durch mein Wort auf eine ganz unbestimmte Zeit gebunden. Das geht nicht an. Ich muß die Möglichkeit der Flucht haben wie jeder Gefangene, der keine Freilassung vor sich sieht.«

»Ja, mein Junge, dann mußt Du in den Verschlag,« sagte Staunton mürrisch.

»Damit bin ich vollkommen einverstanden,« erwiderte Richard. »Behandelt mich wie Ihr wollt, aber sucht mich nicht zu überreden, etwas zu tun, was Ihr in ähnlicher Lage auch nicht tun würdet.«

Er ging selbst in den Verschlag und legte sich nieder. Staunton schloß zu und steckte den Schlüssel zu sich.

Ob Richard wirklich der Lebensretter Nazzys geworden, erschien am folgenden Tage sehr zweifelhaft, denn der Zustand des Verwundeten wurde sehr bedenklich. Die Sommerhitze, die Tiefe der Wunden, die sich bis an den Hals und den Hinterkopf hinzogen, der Mangel an frischem Wasser und kühlenden Umschlägen und Getränken steigerten das Wundfieber bis zu einem höchst bedenklichen Grade. Auch jetzt mußte Richard helfen. Nazzy dankte seinem Wohltäter oftmals und wie es schien, mit großer Aufrichtigkeit.

Für Richard vergingen auf diese Weise einige Tage, die ihm sonst wahrscheinlich unendlich lang geworden wären. Ueberhaupt ergriff ihn bei diesem Gedanken, daß er unter diesen Menschen, in dieser Oede Wochen, ja Monate zubringen müsse, oft eine an Verzweiflung grenzende Niedergeschlagenheit. Um sich zu betäuben, um die Zeit hinzubringen, griff er zu jeder Beschäftigung und verrichtete die niedrigsten Dienste, als ob sich das von selbst verstände und gar nicht anders sein könne.

Wooly war von dem Ritt, den er unternommen hatte, nach einigen Tagen zurückgekehrt. Er brachte einige Zeitungen mit, aus denen Richard den Texanern vorlesen mußte. Da es Blätter waren, die in den südlichen Staaten erschienen, so waren die darin enthaltenen Nachrichten im Sinne der Rebellen gefälscht, die Siegesberichte übertrieben, die ungünstigen Nachrichten abgeschwächt. Indes erkannte Richard doch aus dem Gemisch der verschiedensten Nachrichten, daß es nicht eben günstig um die Sache der Union stehe. Der vortrefflich angelegte Plan des Nordgenerals Mac Clellan, die Rebellenarmee nicht in der geraden Linie, die von Washington nach Richmond, der Rebellenhauptstadt, führt, sondern von Osten her anzugreifen, war den Südländern, die in den nordischen Hauptstädten eine Menge Verbündeter besaßen, verraten worden und gelangte deshalb nur teilweise zur Ausführung. Mac Clellan schlug sich mit dem Südgeneral Lee sieben Tage unter den Mauern von Richmond, mußte aber endlich, da die Rebellen Verstärkung erhielten, den Rückzug antreten, den er in sehr geschickter Weise ausführte. Auf jeden Fall aber war der Plan, die Rebellenarmee zu sprengen und Richmond zu nehmen, mißlungen. Zwei Riesen rangen miteinander und es kam nur darauf an, wer von den beiden zuerst erschöpft sein würde.

Staunton und seine Genossen tranken auf einen baldigen Einzug in New York, dem sie beizuwohnen hofften. Sie waren rücksichtsvoll genug, Richard nicht zu zwingen, mit ihnen auf den Untergang des Nordens anzustoßen. Nazzy erholte sich täglich mehr. Er schien seinem Retter und Pfleger aufrichtig ergeben zu sein, zeigte es jedoch mehr, seit Staunton wiederholt mit ihm gesprochen hatte. Wahrscheinlich hatte ihm der Kapitän eingeschärft, daß er seinen eigenen Vorteil und den seiner Kameraden nicht aus den Augen verlieren und sich zu nichts hinreißen lassen dürfe, was dem Gefangenen dazu nützlich sein konnte, sich seiner Gefangenschaft zu entziehen.

Dennoch schien Nazzy seit jenen gräßlichen Minuten, in denen der Alligator ihn mit sich fortschleppte, ein anderer Mensch geworden zu sein. Er war ein würdiger Genosse Stauntons, Woolys und der anderen. Was auf seinem Gewissen lastete, wußte er allein am besten. Jedenfalls aber hatte jenes Ereignis auf ihn einen Eindruck gemacht und die heftige Revolution in seinem Innern brachte, was noch Gutes in ihm war, an die Oberfläche. Richards Benehmen mußte ihm auch Veranlassung zum Nachdenken geben. Er, der Gefangene, der Ueberwachte, der vielleicht zum Tode bestimmte, hatte ihn gerettet, war der einzige gewesen, der soviel Besinnung behalten, um tätig für ihn einzuschreiten, war auch später der einzige, der ihm seine Wunden kühlte, der ihn überhaupt vernünftig behandelte und ihm also zum zweiten Male das Leben rettete.

»Ich werde es Dir vergelten, Junge!« hatte Nazzy seinem Pfleger manches Mal leise zugeflüstert, und Richard glaubte, den Worten des Texaners vertrauen zu können, wenn er auch jetzt bei seiner fortschreitenden Genesung wieder das alte rauhe und mürrische Wesen annahm.

Es war an einem Vormittag, als drüben auf dem Holzdamm einige Reiter erschienen und mit Tüchern nach der Insel hinüberschwenkten, Staunton und seine Genossen schienen sie zu kennen und rollten das Boot nach dem Ufer hinab, um nach dem Festlande überzufahren. Offenbar behielten sie das Geheimnis des Weges über das Bayou für sich oder teilten es nur mit wenigen Vertrauten.

Als das Boot ruderfertig war, fuhren Staunton, Stibbey und Wooly hinüber. Bigg blieb als Wache für Richard zurück. Nazzy vermochte bereits zu sitzen und sich ein wenig zu bewegen, aber er war doch immer noch unbrauchbar. Uebrigens hatte Richard bemerkt, daß man ihn nie mit Nazzy allein ließ. Man fürchtete offenbar die günstige Stimmung des Verwundeten für seinen Pfleger.

Nach einer Viertelstunde kehrten Wooly und Stibbey mit strahlenden Gesichtern zurück.

»Unsere Büchsen,« riefen sie. »Eine Jagd, eine Niggerjagd!«

»Was ist denn geschehen?« fragte Nazzy.

»Drüben in Mr. Hunters Plantage sind ungefähr zwanzig Nigger ausgebrochen; sie wollten nach dem Norden fliehen. Am Red River ist ihnen aber der Weg verlegt worden und sie müssen zurück. Sie sind umstellt, daß sie ihren Weg nur an unsern Bayou vorbei nehmen können. Drüben müssen sie durch auf der schmalen Strecke zwischen unserem Bayou und dem Black Bayou. Da können wir sie niederschießen wie ein Rudel Hirsche.«

»Aber liegt denn Mr. Hunter daran, daß die Nigger niedergeschossen werden?« fragte Nazzy. »Den Teufel auch; es ist für ihn ein Schaden von 30 000 Dollars. Aber die da drüben, die uns die Nachricht brachten, das sind echte Niggerjäger, die kümmern sich den Teufel darum, ob Mr. Hunter die Niggerhunde wieder kriegt oder nicht. Sie sind jetzt vogelfrei und unser Wild. Sechs von unseren Bekannten jagen sie vom Red River hinab nach unserem Bayou. In spätestens einer Stunde müssen sie hier sein ...«

Eine kannibalische Freude leuchtete aus den wilden Gesichtern, während sie ihre Büchsen und ihre Jagdtaschen nahmen – Staunton führte seine Büchse mit Munition stets bei sich.

»Goddam,« brummte Bigg, »es geht nichts über eine Niggerjagd, ich gehe mit.«

»Ja, wir können Dir's nicht verdenken,« sagten die anderen. »Aber was wird aus unserem Jungen?«

»Den sperren mit in seinen Verschlag,« rief Bigg. Richard ließ sich nicht erst nötigen. Entschlossen, sich ruhig in sein Schicksal zu ergeben, solange er es nicht ändern konnte, ging er in den Verschlag, den Wooly hinter ihm schloß.

»Nun, Nazzy, vergiß nicht, was der Kapitän Dir gesagt hat,« rief Stibbey dem Genossen zu.

Dann eilten sie nach dem Boot.

Richard legte sich nieder. Den Gedanken, die starken Latten des Verschlages allmählich an einzelnen Stellen zu lockern, hatte er längst aufgegeben, da seine Wächter – aus ihrem früheren Leben mit allen Listen und Schlichen vertraut – jeden Morgen die Latten auf das genaueste untersuchten.

Eine halbe Stunde verging, ohne daß Nazzy, der sehr eifrig aus einer kurzen Pfeife rauchte, sich rührte.

»Schläfst Du, Junge?« fragte er dann.

»Nein,« antwortete Richard.

»So kannst Du mit einen Gefallen tun,« sagte Nazzy. »Die Zeit wird mit lang. Erzähle mit, wie Du nach Toledo gekommen und was überhaupt mit Dir vorgegangen ist.«

Richard hoffte, daß die Mitteilung der reinen Wahrheit ihm nur nützlich sein könne, und er begann dem Texaner seine früheren Verhältnisse zu schildern. Er erzählte dann den plötzlichen Angriff Ralphs, seine in der Tat wunderbare Rettung und den Aufenthalt in Toledo. Nazzy hörte ihn an, ohne ihn mit einem Worte zu unterbrechen.

Wohl aber kam die Störung von einer anderen Seite. Denn nachdem Richard ungefähr eine halbe Stunde erzählt hatte, erklangen plötzlich Schüsse von der Westseite des Bayous her.

»Hei, jetzt sind sie heran!« rief Nazzy mit funkelnden Augen. »Ach, wenn ich nur die Büchse hätte heben können!«

Richard wandte nichts ein. Er kannte diese Leute gut genug, um zu wissen, daß in bezug auf alles, was mit Negern zusammenhing, ihr Herz zu Stein verhärtet war. Ein Neger war ihnen ein Tier, und zwar ein verhaßtes. Und daß sie in dieser Ansicht mit den stolzen hochmütigen Pflanzern übereinstimmten, bestärkte sie noch mehr in ihrem Haß.

Geschrei ertönte herüber wie von einer wirklichen Jagd, dazwischen auch zuweilen ein gellender Todesschrei. Unwillkürlich hatte Richard seine Erzählung unterbrochen und lauschte mit Entsetzen diesen Tönen. Für Nazzy waren sie Anklänge an seine Vergangenheit und er bewegte sich unruhig auf seinem Sitz. Erst als die Jagd sich entfernte, wurde er ruhiger.

»Na, mach' weiter Junge!« sagte er dann endlich. »Was hilft mir das Hören, ich kann ja doch nicht dabei sein! Wo warst Du denn stehen geblieben?«

Richard hatte nur noch zu erzählen, wie man in Toledo zuerst durch den Angriff auf den Missionar aufmerksam geworden sei, und was sich dann später mit Yerrez und mit ihm selber zugetragen hatte.

»Deine guten Freunde haben Dir also auch scharf mitgespielt,« sagte Nazzy. »Mir ist's mal ebenso gegangen. Mein eigener Bruder betrog mich um ein Mädchen, das ich gern hatte, und da war's aus mit mir. Ich kannte kein Mitleid mehr. Tust mir leid, Junge, habe Dir vieles zu danken. Aber wen der Kapitän einmal hat, den hält er fest, und Du siehst wohl selber ein, daß ich meine Kameraden nicht betrügen kann.«

»Das verlange ich auch gar nicht,« sagte Richard, der sich sagte, daß er vorsichtig sein müsse. »Obwohl es für Euch ganz gut wäre, wenn Ihr mit mir fortginget, Euch irgendwo einen ruhigen Ort suchtet und mit dem Gelde, das Euch mein Vater gern gewähren würde, eine ruhige Existenz gründetet!«

»Geht nicht, mein Junge,« antwortete Nazzy, schwer den Kopf schüttelnd. »Während ich so im Wundfieber lag – in den Pausen namentlich, ist mir wohl mancher wunderliche Gedanke gekommen über Leben und Sterben. Aber wenn man, wie ich, an dieses Leben gewöhnt ist, so kann man nicht mehr heraus. Und es geht auch nichts darüber. Das schönste, was man auf diesem Bettel von Erde haben kann, bleibt die Ungebundenheit – tun und treiben zu können, was man will, mit der Büchse im Arm unter freiem Himmel schlafen, weder Tod noch Teufel fürchten, den Rücken nie krumm machen müssen, und dem, der uns Schlimmes tut, zu vergelten, wie er's verdient.«

»In der Tat, ich sehe in dem Leben auf dieser Insel nichts besonders Angenehmes,« sagte Richard. »Wenn Ihr ein solider Trapper in Missouri oder sonst irgendwo ein Ansiedler wäret, so hättet Ihr dieselbe Ungebundenheit, deren Reiz ich sehr wohl begreife, ohne die Entbehrungen und die Langeweile in diesem Bayou.«

»Nein, nein, es geht nicht!« sagte Nazzi bestimmt. »Man kann sich von seinen Kameraden nicht trennen. Und man hat auch keine Ruhe so allein anderswo. Der böse Geist läßt einem den Frieden nicht. Nun, um es kurz zu machen – denn die Kameraden können in jedem Augenblick zurück sein – ich wollte Dir nur sagen, daß ich Dir nicht beistehen kann, wenn Du fliehst. Aber das verspreche ich Dir und das verdienst Du um mich: wenn Du einmal fliehst, so will ich Dir keine Kugel nachsenden, auch keinen Schrei ausstoßen, und schicke ich Dir eine Kugel nach, so soll sie wenigstens eine Elle an Deinem Kopfe vorbeigehen. Damit basta! Wir sprechen nie mehr davon.«

Es war immerhin ein Trost, wenn auch nur ein geringer für Richard, zu wissen, daß in dieser traurigen Lage ein menschliches Herz für ihn etwas fühlte. Er hoffte, daß Nazzy mit der Zeit noch mehr in sich gehen und vielleicht selbst an die Flucht denken werde.

Gegen Abend kehrten die anderen Texaner zurück. Sie waren halb betrunken, nicht allein vom Whisky, sondern auch von dem Rausche der Menschenjagd. Bigg, der der nüchternste geblieben, schilderte Nazzy mit wilder Lebendigkeit die entsetzliche Jagd.

»Wir lagen da drüben bei der kahlen Platane. – Du weißt ja, die angebrannte. Die Strecke zwischen unserem Bayou und dem Black Bayou ist dort nur ungefähr 400 Schritt breit. Wir konnten also, wenn sie kamen, jeden einzelnen gründlich langen. Die anderen hatten uns diesen Ehrenposten gelassen, weil sie wissen, daß wir am besten schießen. Die, die uns entwischten, sollten dann weiter nach links von den anderen abgefangen werden. Wir hatten noch kaum eine halbe Stunde hinter den faulen Bäumen, die dort herumlagen, gekniet, als wir es von rechts her krachen und rauschen hörten, gerade wie wenn ein Rudel Hirsche durch das Holz bricht. Ein paar Minuten darauf tauchte ein großer Nigger, ein prächtiger Kerl auf, stand einen Augenblick still, hob den Kopf in die Höhe, gerade wie ein Hirsch, der wittern will, ob die Luft rein sei. »Noch nicht schießen!« sagte Wooly leise. »Laßt sie erst in der Linie vor uns sein; sonst gehen sie zurück und die anderen haben den Spaß.« Das war richtig. Der große Nigger ging langsam, etwa 20 Schritte vor und als er sicher zu sein glaubte, daß die Strecke zwischen den beiden Bayoux frei sei, – denn er ahnte recht gut, daß er auf gefährlichem Boden stehe, winkte er zurück und nun brach eine Schar von ungefähr fünfzehn Negern, alte und junge, aus dem Gebüsch, und alle rannten über die Lichtung. Zugleich hörten wir nun von rechts das Schreien der Treiber. Jetzt hielten wir die Büchsen an die Wangen. Wooly schoß zuerst, wir wollten sehen, welchen Eindruck die erste Kugel machte. Der große stramme Nigger fiel. Das hättest Du sehen sollen. Mitten im Laufen erhielt er einen Schuß, streckte die Hände weit von sich, drehte sich um und fiel nieder wie ein Baum. Die andern stutzten, die vordersten standen still und wurden von denen, die folgten, umgerannt. Es war ein Knäuel, gerade wie wenn das Wild auf einen Haufen zusammengetrieben wird. Da schossen wir denn lustig hinein. Das Geheul hättest Du hören und die Grimassen hättest Du sehen sollen. Einer sprang drei Fuß hoch, als ich ihm eine Kugel zuschickte. Es war der flinkste von allen und wäre uns beinahe entwischt. Ein paar schleppten sich noch bis zu den Magnolien am Black Bayou. Da wurden sie aber von den anderen abgefaßt, die sie mit Revolverschüssen langsam töteten. Als wir keinen mehr sahen, gingen wir hinüber nach der Stelle, wo der große Haufe lag. Jetzt sind sie im Niggerhimmel und können mit Onkel Tom tanzen. Es war ein kapitaler Spaß, wie ich ihn seit vielen Jahren nicht gehabt habe.«

Richard hörte mit Schaudern diesen Bericht, der Nazzy sehr zu ergötzen schien. Als man ihm sein Abendbrot in den Verschlag reichte, war er nicht imstande, zu essen. Die halbe Nacht lag er schlaflos. Sein Entschluß, zu fliehen, stand fest. Und sollte er dabei auch einen der Mörder niederstoßen oder niederstechen müssen, es war ihm gleichgültig. Diese Menschen standen außerhalb aller Gesetze, auf denen die Gemeinschaft gesitteter Menschen beruht.

Als er am andern Morgen aus dem Verschlag entlassen wurde, war es ihm kaum möglich, diese Menschen anzuschauen. Er schämte sich statt ihrer. Welche Vergangenheit mußte hinter ihnen liegen, daß sie einen Genuß an Gräuelszenen fanden, wie sie gestern stattfanden. Freilich – war denn Ralph Pettow besser? Er, der unter der Maske des Weltmannes, des Freundes, des Patrioten den Mörder, den Verräter verbarg? Mit einem tiefen und schneidenden Schmerz lernte Richard begreifen, daß diese schöne Welt, die er sich in seinen Jugendträumen aufgebaut hatte, eine Täuschung sei, daß viel Eigennutz, Verrat, Bosheit nicht nur Ausnahmen, sondern vielleicht sogar die Regel seien, und daß sich der glücklich preisen müsse, der wahrhaft gute Menschen auf seinem Lebenswege gefunden hat.

Die »Niggerjagd« das vergangenen Tages war auch heute noch das Thema der Unterhaltung, die jedoch um die Mittagszeit einen anderen Gegenstand erhielt. Um diese Zeit zeigte sich nämlich ein Reiter drüben am Ufer auf dem Damm. Er ritt, als sei er hier zuhause und wisse vollkommen Bescheid, bis zu der Stelle, wo dieser aufhörte und lenkte dann sein anfangs widerstrebendes Pferd ins Wasser.

Staunton und Genossen waren aufgesprungen und eilten mit ihren Büchsen zum Ufer. Da ihn niemand zurückhielt, eilte Richard mit ihnen und erkannte mit den Texanern zugleich den Fremden.

»Yerrez!« tönte es wie aus einem Munde.

»Alle Teufel, wir müssen ihm gegenüber vorsichtig sein,« fügte der Kapitän dann hinzu. »Er wird es krumm genommen haben, daß wir ihn im Stich ließen. Paßt auf!«

Verrez kam so schnell, als es ihm der gefährliche Weg erlaubte, herangeritten. Er grüßte nicht und zeigte ein finsteres und verschlossenes Gesicht. Ganz nahe dem Ufer aber tat er, als ob er plötzlich etwas sehe, das ihn überraschte, ja fast erschreckte.

»Teufel!« rief er. »Was habt Ihr da? Ist das ein Gespenst oder eine Aehnlichkeit?«

»Aha, er meint den Jungen!« rief Staunton. »Komm nur her, Tonio, er ist es selbst.«

Yerrez bekreuzigte sich und lenkte dann sein Pferd aus dem Wasser an das Ufer. Dabei hielt er den Blick immer noch starr auf Richard gerichtet.

»Habe mir ja immer gedacht, daß das eine ganz infame Komödie von Euch sei, Kapitän!« rief er dann. »Schreibt mir da, Ihr hättet in Toledo nichts mehr zu tun, da der Bursche ertrunken sei und habt ihn selbst mitgenommen. Laßt mich da im Gefängnis sitzen, kümmert Euch den Teufel um mich, – nun, Ihr sollt nicht denken, daß ich hierhergekommen bin, um Euch Schmeicheleien zu sagen. Ich habe den weiten Weg nur gemacht, um Euch ganz lumpige Kameraden zu nennen, ganz elende Wichte, die Ihr einen Freund im Stiche laßt.«

Dabei blieb er auf seinem Pferde sitzen und blickte sie verächtlich der Reihe nach an. Die Texaner lachten nur und antworteten fürs erste nicht. Zum Erzürnen hatten sie keinen Grund, denn sie fühlten die Wahrheit der Vorwürfe nur zu gut, um auch nur eine Entschuldigung für nötig zu halten.

»Na, alter Knabe,« sagte Staunton dann, »laß nur das kratzbürstige Wesen. Wir konnten nicht anders. Wir hatten dieses Hühnchen gefaßt und mußten fort, da uns die Lebensmittel ausgingen. Deinetwegen waren wir unbesorgt. Wir wußten, daß Du Dich aus jeder Schlinge ziehst, und Du bist ja nun auch glücklich und wohlbehalten bei uns angelangt.«

»Denkt nicht, mit mir so leicht davonzukommen!« antwortete Yerrez, noch immer finster und drohend. »Ich habe große Lust, Euch, Kapitän, eine Beleidigung an den Kopf zu werfen und einen Gang auf blanke Messer mit Euch zu wagen. Ich bin auch nur hierhergekommen, um das auszusprechen, was ich denke.«

»Da hast Du einen weiten Ritt um einer kurzen Arbeit willen gemacht,« sagte Staunton ruhig. »Uebrigens ziemt es sich nicht, alten Freunden solche Redensarten an den Kopf zu werfen. Steig ab, laß uns ein Glas Whisky trinken und gute Kameraden sein. Ich denke, wir haben es alle nötig. Deine Trübsal in Toledo soll Dir glänzend vergolten werden. Ich verspreche Dir zweitausend Dollars Schmerzensgeld.«

»Möchte wohl wissen, wo Ihr die hernehmen wollt?« sagte Yerrez noch immer in gereiztem Tone. »Indessen ein Nachtlager werdet Ihr mir nicht abschlagen. Ich bin fast in einem Zuge von Toledo hierhergeritten.«

»Abschlagen?« rief Staunton. »Im Gegenteil, ich fordere Dich dazu auf. Und nun laß das steife Wesen. Komm von dem hohen Pferde herab und werde gemütlich.«

»Jawohl, sei gemütlich, Tonto,« riefen nun auch alle anderen.

Der Texaner stieg lässig vom Pferde und warf die Zügel Richard zu, der sie, getreu seinem Grundsatz, sich in jeder Weise willig zu zeigen, auffing.

Richard hatte übrigens das Gesicht des Texaners eifrig studiert. Dieser Mann kam aus Toledo, aus der Gefangenschaft in der Hacienda mayor. Die Möglichkeit, daß er ein Abgesandter Lotarios war, war nicht ausgeschlossen, denn diese Spitzbuben nahmen es mit ihren Kameradschaften nicht so genau, wenn für sie dabei ein Vorteil im Spiel war.

»Aber eins mußt Du Dir gefallen lassen,« sagte der Kapitän jetzt. »Du darfst uns deswegen nicht böse sein. Wir halten treu zueinander, dessen bin ich sicher. Aber die Vorsicht dürfen wir darüber nicht vergessen. Wer aus einem Orte kommt, wo das gelbe Fieber herrscht, der wird durchräuchert. Du kommst aus einem Orte, wo man leicht angesteckt werden kann und mußt uns schon erlauben, Dich zu untersuchen.«

»Weshalb?« rief Yerrez mit einem zornigen Blick.

»Nun, weil Dir irgend jemand in Toledo einen Brief oder sonst irgend etwas für dieses Bürschchen hier in die Tasche gesteckt haben könnte!« sagte Staunton ganz ruhig.

»Tod und Teufel! Ist es dahin gekommen. Ihr wollt mich untersuchen? Ihr mißtraut mir? Ehe ich mir das gefallen lasse, lieber reite ich, so müde ich auch bin, wieder fort und suche mir anderswo ein Nachtlager.«

»Ich sage Dir, Du kommst nicht über das Bayou hinaus,« entgegnete Staunton, seine Büchse fester in die Hand nehmend. »Zwischen uns muß alles klar sein. Wer nicht für uns ist, der ist wider uns. Fühlst Du Dich rein, so sehe ich nicht ein, weshalb Du nicht Deinen guten Freunden gestatten solltest, einen Blick in Deine Taschen zu tun.«

Yerrez machte eine Bewegung, als wollte er sich wieder auf sein Pferd schwingen. Dann aber sagte er mit einem kurzen Lachen:

»Meinetwegen, Du hast recht. Ihr seid die Alten und am Ende würde ich es selbst nicht anders machen. Da!«

Er warf die Jagdtasche, die er umgebunden hatte, von sich und zog seinen Rock aus. Staunton untersuchte alle Taschen ganz genau, auch die in den Hosen des Texaners, der inzwischen mit den anderen plauderte.

»Alles in Ordnung! Na, das freut mich. Du bist ein braver Junge. Nun sei uns herzlich willkommen! Es soll Dir alles zu Gebote stehen, was wir besitzen. Schade, daß Du nicht gestern hier warst – wir hatten eine Niggerjagd – neunzehn Stück Wild – alle haben daran glauben müssen.«

»Teufel – das tut mir leid!« tief Yerrez.

Damit war die Bahn zu der alten Vertraulichkeit wieder eröffnet, und die kleine Schar begab sich nach der Hütte. Richard führte das Pferd und brachte es im Schuppen, der als Pferdestall diente, unter. Als er in die Hütte trat, saßen die Männer bereits beim Whisky, und Yerrez erzählte, wie er gefangen und in der Hacienda Mayor festgehalten worden sei. Er tat dies ganz der Wahrheit gemäß.

»Ich hatte zuerst getan,« so schloß er, »als wisse ich von Euch gar nichts. Doch damit war es bald vorbei, und ich gestand ganz ruhig, daß ich zu Euch gehört habe, und daß es sich hier nicht um eine Privatrache, sondern um einen Befehl der südlichen Regierung, Mr. Conningham zu fangen, gehandelt habe. Wenigstens hätte ich weiter nichts gewußt. Im übrigen stellte ich mich weiter sehr erbittert gegen Euch, und ich hatte gar keinen großen Zwang dabei anzutun, denn ich war in der Tat fuchsteufelswild auf Euch, daß Ihr mich im Stich gelassen habt. Sie wußten nun auch nicht, was sie mit mir anfangen sollten, und Don Lotario entließ mich mit einer Menge väterlicher Ermahnungen. Sie glaubten dort, der Bursche sei wirklich ertrunken und werden ihm jetzt vielleicht schon einen Leichenstein am Ufer des Sees gesetzt haben.«

»Und dennoch bin ich der Ansicht, daß man uns auf der Spur war,« sagte Staunton.

»Weshalb?« fragte Yerrez ruhig.

»Weil wir in El Paso del Norte erfuhren, daß man sich dort nach vier Reitern und einem Gefangenen erkundigt habe,« erwiderte Staunton, »und das paßte merkwürdig auf uns.«

»Das ist mir rätselhaft!« meinte Yerrez kopfschüttelnd. »Ihr könnt unmöglich damit gemeint gewesen sein, denn wie ich Euch sage, in ganz Toledo hält man den Yankee für ertrunken, und ich muß gestehen, daß es mir eiskalt durch die Glieder lief, als ich ihn hier plötzlich vor mir stehen sah.«

Staunton und die anderen lachten laut auf. Dann beschrieb der Kapitän, wie er sich mit Stibbey und Wooly Richards bemächtigte.

»Er scheint sich übrigens schon recht gut in sein Schicksal gefunden zu haben,« sagte Yerrez mit einem Blick auf Richard. »Doch wie lange soll denn das dauern? – Ich dachte –«

»Weiß schon, was Du dachtest und brauchst Dich vor dem Jungen gar nicht zu genieren,« sagte Staunton, als Yerrez innehielt. »Wir wollen von seinem Feinde und seinem Vater so viel Geld herausschlagen als nur möglich ist. Es wird geraume Zeit dauern, ehe uns ein New Yorker hier irgend etwas anhaben kann. Mit einem Wort: Ich schlage den Jungen an den Meistbietenden, das heißt an den Meistzahlenden, los.«

»Und wenn das sein Feind ist?« fragte Yerrez.

»Je nun, dann kann ich nicht dafür,« antwortete Staunton. »Ich glaube aber, daß sein Vater der Meistbietende sein wird.«

»Dann hast Du einen Todfeind an jenem andern Yankee,« warf Yerrez ein.

»Es soll ihm schwer werden, mich dann zu finden,« sagte der Kapitän lachend. »Darüber will ich mir jetzt überhaupt keine grauen Haare wachsen lassen. Der Junge hat uns einen großen Gefallen getan, deshalb müssen wir menschlich mit ihm umgehen.« Und er erzählte die Rettung Nazzys aus dem Rachen des Alligators.

»Du bist doch ein verteufelt schlauer Bursche!« rief Yerrez, der etwas reichlich der Flasche zugesprochen hatte. »Von Dir kann man immer noch lernen!«

»Jawohl,« antwortete Staunton selbstgefällig. »Ich wünschte nur, es wäre erst eine Abschlagszahlung auf meine Ware gekommen. Der Whiskyhändler will keinen Kredit mehr geben.«

»Na, vielleicht hilft das ein Weilchen,« sagte Yerrez, und reichte dem Kapitän drei Zwanzig-Dollarstücke.

»Alle Teufel, Kerl, Du hast Geld?« rief Staunton mit einem freundlichen Grinsen.

»Wie Du siehst, ja. Ich habe es mir heute vormittag noch nicht träumen lassen, daß ich Dir auch nur einen Cent geben würde – aber was tut man nicht alles, wenn man wieder auf der alten Stelle ist und bedenkt, was man so alles miteinander erlebt hat!«

Staunton, gerührt und halb betrunken, stand auf und umarmte den Texaner.

»Ich will es Dir zehnfach vergelten!« rief er, »aber wo hast Du es denn her?«

»Ich nahm es von dem alten Quitona mit, bei dem ich wohnte,« sagte Yerrez. »Der Alte hatte die Dinger, wie das dort so Mode ist, offen in einem Schubfach liegen, und als ich den Befehl erhielt, Toledo innerhalb fünfzehn Minuten zu verlassen, und eine Minute in des Alten Stube allein war, da erinnerte ich mich der Dinger, die ihm in Toledo ganz unnütz sind, und nahm sie für die Reise mit.«

»Das hast Du brav gemacht,« rief Staunton. »Wooly, mein Junge, Du reitest noch heute hinüber und zahlst dem verdammten Knicker vierzig Dollars – ha, was sage ich? Diese Golddollars sind bei uns hier unten das Doppelte wert! Du gibst ihm das eine Stück und sagst ihm, daß der ganze Rest in spätestens vier Wochen bezahlt wird und bringst neue Ration mit. Wir wollen hier in diesem elenden Bayou ein Leben führen wie die Götter!«

Wooly erklärte ruhig, die Reihe sei nicht an ihm, sondern an Stibbey, und der letztere machte sich unmittelbar nach dem Mittagessen auf den Weg, denn nach einem gehörigen Whisky-Vorrat dürsteten sie alle.

So oft von der Umgebung die Rede gewesen war, so hatte Richard bis jetzt noch nie den Namen eines bestimmten Ortes gehört. Es schien eine Verabredung getroffen zu sein, keine Namen zu nennen, damit sich Richard in der Gegend nicht orientieren könne. Der Ort, der in dem Briefe erwähnt worden und wo Eleazar Gesher wohnte, und an den Ralph und Mr. Everett ihre Briefe richten sollten, mußte ziemlich weit entfernt sein.

Das Mittagessen, aus gekochtem Reis und geröstetem Speck bestehend, ward jetzt von Bigg, der heute die »Küche« hatte, aufgetragen und schnell verzehrt. Dann warf sich Staunton auf sein Moosbett und die anderen folgten seinem Beispiel. In den Hängematten schliefen sie nur des nachts.

»Wer hat denn die Woche?« lallte Staunton.

»Ist gar nicht nötig,« erwiderte der bereits liegende Bigg. »Nazzy wird schon aufpassen.«

Jeder der Texaner hatte ungefähr eine halbe Flasche Whisky geleert. Sie schliefen deshalb fast unmittelbar ein, nachdem sie sich niedergelegt. Yerrez, der in der Tat ermüdet schien, auch. Auf diese Weise sah sich Richard, der sein einfaches Mittagessen still in einer Ecke verzehrt hatte, abermals mit Nazzy allein – oder vielmehr Nazzy war der einzig Wachende. Stibby war bereits eine halbe Stunde weit entfernt.

Richards Augen nahmen einen helleren Glanz an und richteten sich von den Schläfern fort immer wieder nach dem Ufer und nach dem Damm. Hatte ihm doch Nazzy versprochen, ihm keine Kugel nachzusenden! Wenn es gelänge, Nazzys Aufmerksamkeit auf irgendetwas zu richten, das ihn beschäftigte, dann eine Büchse, einige Lebensmittel zu nehmen und das Bayou zu durchwaten – das Wasser konnte ihm ja nur bis an die Knie gehen! Oder wenn er sich fortstahl und das Bayou auf einer anderen Seite durchschwamm – ...

Nazzy, der zu ihm hinüberblickte, unterbrach diese auf Richard einstürmenden Gedanken.

»Es ist doch eine Schmach,« sagte Nazzy, »daß ich die anderen immer trinken sehen muß, ohne selbst trinken zu dürfen. Meinst Du denn, kleiner Doktor, ich könnte immer noch keinen Whisky vertragen?«

Richard zuckte die Achseln. Er hätte schnell verneinend antworten mögen, oder sollte er so töricht sein, die eigene Rettung von sich zu weisen, den günstigen Augenblick zu versäumen, weil ein Glas Whisky diesem ihm wildfremden Menschen, seinem Feinde, schaden könnte? Richard konnte voraussehen, daß der Branntwein eine schnelle Wirkung auf den Texaner ausüben würde. Er erinnerte sich unwillkürlich der gräßlichen Freude, die Nazzy gestern über die Niggerjagd empfunden hatte, und sein Entschluß stand fest.

»Nun, ein Glas könntet Ihr wohl einmal wagen,« sagte Richard. »Aber Ihr müßt nicht mehr trinken!«

»Nicht mehr!«

Als Nazzy das Glas in den Händen hatte, funkelten seine Augen, die alte Leidenschaft erwachte in ihm, er stürzte es hinab. Die Flasche hatte er zwischen die Knie geklemmt – Richard wollte sie ihm fortnehmen. Nazzy stieß ihn mit seinem gesunden Arm zurück, setzte die Flasche an den Mund und trank lange, fast unaufhaltsam.

»Das schmeckt!« rief er in kurzen Zwischenfällen. »Das ist ein Labsal! Nun werde ich in wenigen Tagen gesund sein.«

Seine Wangen begannen zu glühen, seine Augen glänzten, aber nur um bald zu ermatten. Er ließ den Kopf auf die Seite sinken – das Getränk war ihm zum Schlaftrunk geworden.

Richard stand neben ihm und beobachtete ihn genau. Ein seltsames Beben durchrieselte ihn, als er sah, daß der Texaner mit jeder Minute in tieferen Schlaf versank. Er ließ den Blick über die anderen Schläfer gleiten. Staunton, Bigg und Wooly schliefen wie tot. Nur Yerrez' Gesichtszüge zeigten nicht ganz den schlaffen, fast tierischen Ausdruck, der auf den Gesichtern seiner Genossen lag. Doch auch er schien zu schlafen.

Richard stand noch einige Minuten regungslos – sollte er es wagen? Nie kam ihm vielleicht ein ähnlicher Augenblick. Es war noch hoher Tag; er konnte bis zur Nacht weit entfernt sein. Er wußte ungefähr, wo er sich befand; einige scharfe Tagemärsche noch Norden zu mußten ihn in Gegenden bringen, in denen hin und wieder Streifkorps der Unionisten erschienen. Namentlich wenn es ihm gelang, den Mississippi zu erreichen, konnte er sich für gerettet halten. Denn die Flotte, die der nordische Commodore Foote auf diesem Flusse gegen die Rebellen manöverieren ließ, hatte Vorteile errungen und war bis in die Gegend von Memphis vorgeschoben. Der Weg dahin war weit, aber doch nicht allzuweit und in ungefähr zehn bis zwölf Tagen zurückzulegen.

Gut denn! Er war entschlossen. Dort hing Stauntons Büchse und daneben die Munitionstasche. Dort hingen auch die Büchsen der anderen. Richard konnte sie nicht mit sich nehmen, wohl aber untauglich machen, wenn es ihm gelang, die Hähne abzuschrauben. Er wußte, wo sich die Instrumente befanden und bald hatte er mit dem Schraubenzieher die Hähne von Biggs, Woolys und Nazzys Büchsen entfernt. Stauntons Gewehr, das beste, wollte er selbst nehmen. Yerrez hatte seine Büchse in eine Ecke gestellt. Als Richard auch diese in die Hand nahm und den Hahn abschrauben wollte, fühlte er, daß sich eine Hand auf seine Schulter legte, und als er zusammenzuckte und sich umwandte, sah er Yerrez neben sich.

»Nur still!« flüsterte dieser. »Keinen Lärm. Du wirst mich mitnehmen!«

Sprachlos vor Ueberraschung starrte Richard dem Sprecher ins Besicht, über das ein Grinsen zog, das ebenso gut boshaft, wie freundlich sein konnte.

»Ich komme von Don Lotario,« fuhr Yerrez fort. – »Toledo Heil!«

Das war die damals angegebene Losung, an der sich die Freunde Don Lotarios erkennen sollten. So hatte sich Richard nicht getäuscht, als er ahnte, daß der Texaner im Auftrage der Freunde in Toledo komme!

»Wollt Ihr mich begleiten und nach Toledo zurückführen?« fragte Richard leise und hastig.

»Zuerst wird mein Auftrag und mein Versprechen lauten, Euch aus den Händen dieser Schurken zu befreien!« antwortete Yerrez. »Wir müssen eilen. Ich kenne Bigg. Bei ihm dauert der Rausch nicht lange. Nehmen Sie die Pistolen, die wir brauchen können – Waffen können wir nicht zuviel haben. Dann suchen Sie sich ein Pferd aus. Alles still, aber schnell! Ich werde unterdessen noch ein übriges tun.«

Richard, immer noch durch die plötzliche Wendung seines Geschicks aufs höchste erregt, begann sogleich die Pistolen, die an der Bretterwand der Hütte hingen, zu untersuchen und wählte die besten, die er fand, nebst der entsprechenden Munition. Inzwischen hatte sich Yerrez reisefertig gemacht und nahm nun dem Kapitän die beiden Zwanzig-Dollarstücke, die dieser noch besaß, wieder ab. Richard war nicht sehr erbaut von seinem neuen Reisebegleiter. Aber was half es? Nur Freiheit, Freiheit! Dann schien Yerrez den Schläfern die Hände binden zu wollen, aber er unterließ es, da Bigg, mit dem er begann, sich regte und halb ermunterte.

»Haben Sie ein Pferd gewählt und gesattelt?« fragte er dann Richard. »Gut, so reiten Sie nach dem Ufer. Ich komme sofort nach. Ich will nur den anderen Pferden die Flechsen durchschneiden.«

»O, ist das nötig?« unterbrach ihn Richard, den jede Grausamkeit gegen Mensch und Tier anwiderte.

»Es handelt sich um mein Leben, Senor,« antwortete Yerrez. »Da kommt es auf ein paar Pferde nicht an. Also schnell, schnell, Bigg schläft unruhig.«

Richard hatte sich Stauntons Pferd gewählt, das er für das beste hielt, und führte es nun am Zügel zum Ufer. Einige Minuten darauf kam Yerrez hastig an das Ufer geritten. Yerrez gab jetzt seinem Pferde sofort die Sporen. Für Richard war es ein unendliches Wohlbehagen, auf einem kräftigen Pferde zu sitzen. Er blieb an der Seite des Texaners, so heftig dieser auch dahinstürmte. Mehrere Stunden ritten sie in Karriere nebeneinander hin, bis die Nacht angebrochen war. Dann machten sie in einem verfallenen Blockhause halt, sorgten eifrig für die Pferde, denen sie Maisbrot in Whisky getaucht gaben, und gingen dann an ihre Abendmahlzeit.

Als diese beendet war, zog Yerrez einige Zigarren hervor, reichte davon auch seinem Begleiter und sagte:

»Nun, Don Richard, lassen Sie uns plaudern! Wir haben einen guten Weg gemacht. Um Mitternacht geht der Mond auf. Dann setzen wir unsere Reise fort. Erzählen Sie mir fürs Erste, aber genau, bis in alle Einzelheiten, wie es Ihnen ergangen ist. Dann werde auch ich Ihnen Bericht erstatten. Im Augenblick bin ich so müde, daß ich nicht sprechen kann.«

Richard erzählte. Als er auf die Briefe zu sprechen kam, die er im Auftrage des Kapitäns Staunton an Ralph Pettow und Mr. Everett geschrieben hatte, ließ sich Yerrez von ihm so genau als möglich den Inhalt der Briefe wiederholen und stellte überhaupt mehrere Fragen, die sich auf Ralph Pettow bezogen. Das weitere schien ihn ziemlich kalt zu lassen.

»Ich habe Ihnen nicht viel zu berichten,« sagte er dann. »Ich war entschlossen, mich an den Schurken zu rächen, die mich in so erbärmlicher Weise im Stich gelassen haben, und da ich außerdem einsah, daß es nur mein Vorteil sein würde, wenn ich mir einen so noblen Herrn wie Don Lotario zum Freunde machte, so bot ich ihm meine Dienste an. Es wurde, noch ehe wir Gewißheit über Ihr Schicksal hatten, ein Kurier nach El Paso del Norte gesandt, um sich dort zu erkundigen, ob die Texaner und ein Gefangener durchgekommen seien. Staunton hatte also ganz Recht zu mißtrauen. Er ist überhaupt ein schlauer Teufel.

Als nun Ihre Leiche nirgends zum Vorschein kam, und trotz der genauesten Nachsuchungen nicht gefunden wurde, begann Don Lotario ebenfalls zu glauben, Sie seien nicht tot, sondern gefangen. Es wurde eine kleine Expedition ausgerüstet und ich mit deren Führung beauftragt. Don Alfonso und der junge Franzose begleiteten sie. Da sie sich aber nicht zu weit nach Texas hineinwagen durften, so sind sie an einem sicheren Orte zurückgeblieben, und ich ritt allein weiter, um mich zu überzeugen, ob meine Vermutungen begründet seien und ob Sie sich auf der Insel im Bayou befänden. Wir könnten nun sofort zu Ihren Freunden reiten, aber ich habe noch einen anderen Plan. Man erwartet uns noch nicht, da ich ja nicht annehmen konnte, daß mir die Flucht mit Ihnen so schnell gelingen würde. Wir müssen also nach Providence reiten und verhindern, daß das Geld, das etwa von Neuyork an Gesher geschickt wird, dem nichtswürdigen Staunton in die Hände fällt.«

»Mein Gott, das ist Nebensache!« rief Richard mißmutig. »Mir liegt vor allem daran, wieder bei meinen Freunden zu sein. Lassen wir Staunton das Geld!«

»Das ist Ihnen natürlich gleichgültig, mein junger, reicher Freund!« sagte Yerrez nachlässig, aber bestimmt. »Mir armen Schlucker ist es aber nicht gleichgültig, ob ich zehntausend Dollars mehr besitze. Don Lotario hat mir zwar eine ansehnliche Summe versprochen, aber – Providence ist nicht allzuweit entfernt, der Umweg nicht groß –«

»Aber fürchten Sie denn nicht, Sie könnten gerade dort verraten werden und Ihren früheren Freunden, die jetzt Ihre größten Feinde sind, in die Hände fallen?« rief Richard. »Außerdem kann die Antwort und also auch eine Geldsendung von New York noch nicht in Providence eingetroffen sein –«

»Halt, das wollen wir einmal berechnen,« unterbrach ihn Yerrez, und nun ließ er sich von Richard das genaue Datum der Briefe nennen. »Staunton kennt die Mittel und Wege,« sagte er dann. »Allerdings kann schon eine Antwort in Providence sein. Kapitän Pettow wird natürlich die 100%nbsp;000 Dollars nicht schicken, er hat sie wahrscheinlich nicht und traut auch Staunton nicht. Vielmehr glaube ich, daß er selber kommen dürfte, um sich nach Ihnen umzusehen. Aber Mr. Everett schickt die 10&nbsp:000 Dollars, davon bin ich überzeugt.«

»Nun, so reiten Sie allein!« sagte Richard. »Nennen Sie mir den Ort, wo meine Freunde sich befinden, ich werde mich allein dorthin begeben.«

Antonio Yerrez überlegte oder tat wenigstens so. Seinen Gesichtsausdruck konnte Richard nicht sehen, da es ganz dunkel war und nur hin und wieder das Glühen der Zigarre einen roten Schein über das Gesicht des Texaners warf. »Das wird nicht angehen,« sagte er. »Erstens kennen Sie den Weg nicht und ich kann ihn Ihnen nicht genau beschreiben; jedenfalls finden Sie ihn nicht. Zweitens ziehen eine Menge Marodeurs durch die Gegend und Sie würden als Spion aufgegriffen und gehängt werden. Drittens vermute ich, daß meine bisherigen Freunde sofort nach Westen aufbrechen werden – das heißt wenn sie andere Pferde haben –, weil sie mich in jener Gegend vermuten. Bleiben Sie also ruhig bei mir. Der Umweg nach Providence kostet uns nicht viel Zeit.«

»Ich finde, daß diese Zeit kostbar ist,« sagte Richard. »Wir opfern gerade die Tage, die den Texanern zur Anschaffung neuer Pferde nötig sein werden.«

»Tun Sie mir den Gefallen, Sennor, und folgen Sie meinen Anordnungen!« sagte Yerrez. »Ich weiß hier Bescheid und Sie sind von uns beiden der Jüngere und Unerfahrenere. Schließen Sie sich nur ruhig dem an, was ich tue. Und nun lassen Sie uns die wenigen Stunden, bis der Mond aufgeht, schlafen.«

Richard verstimmt und sogar beunruhigt, wußte doch nicht, was er entgegnen sollte, und da sich Yerrez in seine Decke hüllte und zum Schlafen niederlegte, so folgte er seinem Beispiel. Es war sehr natürlich, daß der Texaner seine früheren Genossen um ihren Gewinn betrügen wollte. Aber ebenso natürlich schien es auch, daß Staunton und seine Genossen daran dachten, Vorkehrungen in Providence zu treffen, die sehr leicht Antonios ganzen Plan vereiteln und die Flüchtlinge wieder in die Hände der Feinde führen konnten. Denn, daß Staunton kein Mittel versäumen werde, um dem Texaner auf die Spur zu kommen und sich zu rächen, das lag auf der Hand. Freilich kannte Richard eine Tatsache nicht, die er bald genug erfahren sollte ...

Der junge Mann schlief bald ein. Als Yerrez ihn weckte, stand der Mond am Himmel. Sie bestiegen ihre Pferde und ritten in östlicher Richtung weiter. Richard empfand ein sehr unangenehmes Gefühl, als er sich sagte, daß er sich auf diese Weise von seinen Freunden entferne. Nur der eine Gedanke tröstete ihn, daß er sich der Unionsflotte auf dem Mississippi näherte. Er war entschlossen, wenn es irgend möglich sei, die Flotte zu erreichen, da er den Mississippi aufwärts viel schneller nach der Heimat gelangen konnte, als wenn er wieder nach Toledo zurückkehrte und die Reise von dort aus unternahm. Er teilte diese Ansicht Yerrez mit und dieser schien nichts dagegen zu haben, vorausgesetzt, daß Richard ihm ein Zeugnis ausstelle, daß er ihn glücklich aus dem Bayou Farouche befreit habe, denn nur daraufhin würde, wie Yerrez richtig bemerkte, Don Lotario ihm die bedungene Summe zahlen.

Sie ritten im nördlichen Teile Louisianas fort bis zum Vormittag des nächsten Tages. Dann machten sie eine mehrstündige Rast. Proviant hatte Yerrez reichlich von der Insel mitgenommen. Der Texaner war äußerst schweigsam und Richard nicht besonders begierig, mit dem Genossen zu plaudern. So ritten sie denn auch am Nachmittag meist schweigend weiter. Aus dem Charakter der Gegend erkannte Richard, daß sie sich dem Mississippi näherten. Yerrez gab ihm zu verstehen, wie er sich zu verhalten habe, falls sie auf südliche Truppenabteilungen stoßen sollten.

»Sie müssen sich für einen Virginier ausgeben, der aus Kalifornien zurückkehrt und am Kampfe teilnehmen will,« sagte er. »Im übrigen werde ich schon für Sie sprechen.«

Sie übernachteten abermals in einem Blockhause. Am anderen Tage – sie waren sehr scharf geritten und die Pferde wollten kaum mehr weiter – erreichten sie Providence, und der »Vater der Ströme«, der Mississippi, lag in gewaltiger Breite vor ihnen. Yerrez kehrte in eine schmutzige Herberge ein, in der es von Gesindel aller Art wimmelte. Da er jedoch mit dem Wirt bekannt zu sein schien, so erhielt er ein einzelnes Zimmer für sich. Dort blieb Richard, während der Texaner zu Mr. Gesher ging, um sich Auskunft zu holen.

Nach einer Stunde kehrte Yerrez zurück mit der Nachricht, es sei noch nichts gekommen. Jetzt drang Richard darauf, daß sie sofort zu Alfonso und Edmond nach dem Norden ritten oder nach Memphis, das die Unionisten besetzt hatten. Yerrez schien zu zweifeln. Er wollte in Providence bleiben, um Mr. Everetts Sendung zu erwarten; wiederum war ihm auch daran gelegen, die Unionstruppen zu erreichen, denn im Süden war er jetzt seines Lebens nicht mehr sicher.

»Gut,« sagte er, »reiten wir noch Norden. Es wird ja nicht leicht sein, durchzukommen, aber wir wollen es versuchen. Bei Gelegenheit schicken wir einen Boten an Ihre Freunde, damit sie nach Toledo zurückkehren können. Am sichersten sind Sie jedenfalls hinter den Reihen der Yankees.«

»Oder in den Reihen meiner Landsleute, in denen ich bald nicht mehr zu fehlen hoffe,« antwortete Richard.

»Desto besser!« erwiderte Yerrez mit einer etwas spöttischen Miene.

Der Gasthof, in dem der Texaner eingekehrt war, mochte früher ein großes Blockhaus gewesen sein und war auch jetzt nichts anderes, nur nach der Straße hinaus füllte Mauerwerk die Fachwände. Alle übrigen Wände waren aus starken Bohlen gebildet. Das obere Stockwerk bestand nur aus Holz. In diesem Stockwerk hatten Yerrez und Richard das kleine Zimmer, eine Art Dachkammer, angewiesen erhalten.

Yerrez war an das schmale Fenster getreten. »Wir müssen fort!« rief er plötzlich, »ich sehe jemand, der uns entdecken könnte.«

Er griff augenblicklich nach seinen Waffen und eilte aus der Tür. Was blieb Richard übrig als ihm zu folgen? Er wäre in jeder anderen Gesellschaft lieber gewesen als in der des Texaners. Aber wenn er hier von einer Rebellenregierung und Rebellentruppe festgenommen wurde, so drohte ihm eine lange Gefangenschaft. Er ergriff deshalb seine Waffen und folgte dem die Treppe hinuntereilenden Yerrez.

Dieser warf sich sogleich auf sein Pferd und befahl dem Stallknecht, das hintere Tor zu öffnen. Richard war im nächsten Augenblick an seiner Seite. Yerrez warf dem Stallknecht ein Goldstück zu und rief, er möge den Wirt damit bezahlen und das übrige für sich behalten, dann sprengte er aus dem Tor. Kaum konnte ihm Richard nachfolgen. Das Wirtshaus lag fast am Rande der Stadt. Nach wenigen Minuten hatten also die beiden die Felder erreicht, die sich nördlich von Providence den Mississippi entlangstrecken, und auf einer guten Straße schossen sie dahin, als gelte es Leben und Tod.

Vielleicht war es auch so. Denn nach einer Viertelstunde sagte Yerrez: »Ich habe Wooly gesehen. Er kam mit Eleazar Gesher gerade auf die Taverne zu. Wenn sie uns folgen, so müssen wir unser Leben verteidigen.«

Das begriff Richard und spornte deshalb sein Pferd aufs neue an. Die Arbeiter auf den Feldern und die ihnen begegnenden Leute blickten verwundert auf das wie toll dahinsprengende Paar. Jedesmal, wenn irgend ein Vorüberkommender sie ins Auge faßte, sagte Yerrez: »Verdammtes Volk! Sie werden uns verraten.«

»Sollen wir nicht eine Richtung einschlagen, in der man uns nicht vermutet?« fragte Richard.

»Habe natürlich längst daran gedacht,« antwortete Perrez. »Geht aber jetzt noch nicht. Sie müssen uns in voller Flucht nach dem Norden glauben und uns dorthin verfolgen. Nachher biegen wir ab. Das beste wäre, wir könnten irgendwo über den Fluß setzen und das linke Ufer erreichen.«

»Haben Sie nicht erfahren, wo die Unionstruppen stehen?« fragte der junge Mann.

»O ja, aber die sind noch fern und können uns jetzt nichts helfen. Hollah – hier hinein, das ist ein fester Weg, auf dem man unsere Spur nicht so leicht findet.«

Und er bog in ein dichtes Gebüsch zu seiner Linken, durch das sich ein Fußweg hinzog, nur breit genug, um einem Reiter Raum zu geben. Richard ritt hinter Perrez. Sie ritten an einigen Pflanzungen vorüber. Yerrez hielt sich jedoch in so großer Entfernung von ihnen, daß er nicht erreicht werden konnte.

»Das Schlimmste ist, daß wir noch keine Zeit gefunden haben, Proviant einzukaufen,« sagte Yerrez einmal. »Wir müssen also irgendwo einkehren und das kann uns verraten.«

»Nun, wir haben doch keine Verbrechen begangen!« sagte Richard, der über seine Lage und deren Gefahren viel nachgedacht hatte. »$a gibt doch im Süden Behörden und Beamte. Mich kann man wohl eine Zeitlang festhalten. Aber was man Ihnen antun wollte, das weiß ich nicht. Was war denn Bedenkliches dabei, das Bayou zu verlassen?«

Yerrez antwortete nicht darauf, sondern lachte nur eigentümlich vor sich hin. Als er ein einsames, kleines Haus erblickte, ritt er darauf zu, gab aber Richard die Weisung, zurückzubleiben.

»Es ist besser, wenn man uns beide nicht zusammensieht,« sagte er. »Ich will nur Mundvorrat einkaufen.«

Er kam auch in der Tat nach einer Viertelstunde mit Maisbrot und Schinken zurück.

»Das war glücklich,« sagte er. »Nur ein Weib im Hause. Sie ahnte, daß sie mir nichts abschlagen dürfe, ich mag sie grimmig genug angesehen haben. Sie holte alles herbei.«

Sie übernachteten in einem Walde von Magnolien und Zypressen, brachen aber schon vor Tagesanbruch wieder auf. Mit einer gewissen Befriedigung sah Richard, der seinem Begleiter noch immer mißtraute, daß sie die Richtung nach Norden innehielten. Er kam also wenigstens mit jedem Schritte den Unionstruppen näher.

In einer sehr einsamen Gegend machte Yerrez mitten auf der Straße Halt und erteilte Richard die Weisung – man konnte es ebensogut einen Befehl nennen, zu warten, bis er zurückgekommen sei. Es habe hier früher in der Nähe ein Bekannter von ihm gewohnt, und er wolle sich erkundigen, ob er noch auf der alten Stelle wohne. Bei dem könnten sie für einige Tage unterkommen, bis die Gefahr vorüber sei.

»Aber die Gefahr liegt für uns im Bleiben!« rief Richard unwillig. »Wir müssen so schnell als möglich nach dem Norden zu gelangen suchen. Dort allein finden wir dauernde Ruhe.«

»Sie verstehen das nicht,« antwortete Yerrez. »Sie sind mir von Don Lotario anvertraut und müssen mir folgen.«

»Ganz richtig, wenn es sich um eine Reise nach Toledo handelte,« sagte Richard. »Aber jetzt haben wir nur den gemeinsamen Zweck, die Unionsarmee zu erreichen und zwar sobald als möglich.«

»Warten Sie!« rief Yerrez kurz. »In spätestens einer Stunde bin ich zurück.«

Damit sprengte er fort, quer über die Ebene. Richard blieb anfangs ruhig halten. Er war ein zu ehrliches Gemüt, um sich nicht zu sagen, daß er Yerrez, falls es dieser aufrichtig mit ihm meine, durch Mißtrauen verletzen müsse. Andererseits fühlte er sein Herz bei dem Gedanken aufwallen, daß es jetzt nur von ihm abhinge, weiterzureiten und sich auf jede Gefahr hin der Unionsarmee zu nähern. Was konnte ihm am Ende Schlimmes begegnen? Gefangen genommen werden, sich ausweisen, und wenn er das nicht konnte, abwarten müssen, bis die Korrespondenz mit Mr. Everett die Wahrheit seiner Angaben bestätigte. Gerade das wäre ihm recht gewesen. Unschlüssig hielt er auf seinem Pferde. Er beschloß zu bleiben, aber er tat es ungern. Es schien ihn etwas zu warnen. Er wollte die Rückkehr des Texaners abwarten und dann ruhig erklären, daß er seinen Weg allein fortsetzen werde und nicht abwarten wolle, bis es Yerrez gefalle, ihn zu begleiten. Auf diese Weise legte er es in Yerrez Hand, ihm zu folgen oder nicht.

Es verstrich viel mehr als eine Stunde. Endlich kam Yerrez zurück, aber nicht allein. Es begleitete ihn ein Mann zu Pferde, der seinem Genossen im Aeußeren sehr ähnlich sah, wild, roh, schmutzig, mit unheimlichen dunklen Augen, die Richard fortwährend musterten.

»Na also, Mr. Richard,« sagte Yerrez. »Wir bleiben hier. Ich habe meinen Freund gefunden. Er wird uns auf einige Tage ein Obdach gewähren. Inzwischen werden uns die Verfolger suchen, und wenn sie uns nicht gefunden haben, eine andere Richtung einschlagen, so daß wir dann ruhig nach dem Norden reiten können.«

»Im Gegenteil,« antwortete Richard mit Festigkeit. »Man wird die Vorposten und überhaupt die Kommandeure der Südtruppen auf uns aufmerksam machen, und wir werden uns nicht durchschleichen können.«

»Folgen Sie ruhig meinem Rat!« sagte Yerrez übermütig und spöttisch. »Kommen Sie!«

»Nein!« antwortete Richard. »Ich reite allein nach dem Norden, wenn Sie mich nicht begleiten wollen.«

»Wie, sind Sie wahnsinnig geworden?« rief Yerrez und seine Augen begannen im Zorn zu funkeln. »Machen Sie keine Umstände. Wir bleiben zusammen. Und wenn Sie mir nicht gutwillig folgen wollen, so –«

»Nun, und was dann?« fragte Richard.

»Nun, so zwingen wir Sie!« antwortete Yerrez lachend. »Fassen Sie nicht nach Ihren Pistolen. Es nutzt Ihnen nichts. Wir sind stärker.«

»Das will ich sehen!« rief Richard, der aus den Mienen der beiden Männer die vollkommene Ueberzeugung gewann, daß hier abermals ein schändliches Spiel mit ihm getrieben werden solle. Damit ergriff er das eine Doppelpistol und richtete es auf Yerrez. »Ich bin nicht Ihr Untergebener. Lassen Sie sich die Dienste, die Sie mir und meinen Freunden erwiesen haben, bezahlen. Man wird Ihren Ansprüchen gerecht werden. Ich habe nicht Lust, acht Tage auf unsicherem Boden zu verweilen. Wollen Sie hier bleiben, gut! Aber ich reite weiter.«

»Wir haben keine Zeit zu verlieren!« rief Yerrez seinem Begleiter zu. »Nimm die Zügel, Will!«

Der Fremde griff nach den Zügeln von Richards Pferd. Dieser aber, ein geschickter Reiter, ließ das Pferd sich bäumen und riß es herum. Dann schlug er die Hand, die der Fremde nach ihm ausstreckte, nieder, und trieb sein Pferd an. Aber einen Augenblick später erdröhnte ein Schuß – das Pferd machte einen gewaltigen Satz – Richard begriff, daß es verwundet sei, trieb es aber dennoch an, denn wenn es sich nur noch zehn Minuten hielt, so konnte es ihn vielleicht unter Menschen tragen, die sich seiner annahmen. Tausendmal lieber wollte er in der Gewalt ganz Fremder als der Willkür dieses Yerrez überlassen bleiben. Aber das Pferd stürzte plötzlich nieder. Richard hielt sich nur mit Mühe aufrecht, griff jedoch sogleich nach seiner Büchse, und sich zu den beiden wendend, die ihm nachgesprengt kamen, rief er:

»Ich schieße! Ich betrachte Euch als meine Feinde, wenn Ihr Euch noch einen Schritt nähert.«

Yerrez lachte laut auf. Die Sorglosigkeit dieses Menschen grenzte ans Wunderbare. Richard zielte aber auf das Pferd, er wollte die Partie gleich machen. Er drückte ab. Das Zündhütchen knallte, aber der Schuß ging nicht los. Richard drückte den zweiten Hahn ab, – dasselbe Knallen des Zündhütchens, aber ohne Schuß!

Wieder lachte Yerrez, der ihm ganz nahe war, laut auf. »Nun, merkst Du jetzt, mein Junge, daß ich Dir in der ersten Nacht die Ladung aus der Büchse und aus den Pistolen gezogen habe?« rief er.

Ein Schrei des Zornes kam von Richards Lippen. »Und koste es mein Leben, Du wirst meiner nicht Herr,« rief er, das Dolchmesser ziehend, das ihm am Gürtel hing. »Töte mich, wenn Du kannst, aber lebendig folge ich Dir nicht!«

Es leuchtete eine solche Kraft aus den Augen des Jünglings, daß Yerrez unwillkürlich sein Pferd zurückriß. Aber Richard hatte Zeit gehabt, dem Pferde sein Messer in die Seite zu stoßen. Der Stoß war so gewaltig geführt, daß ein Blutstrahl aus der Wunde hervorschoß und das Pferd sich heftig bäumte, wobei Yerrez die Bügel verlor.

»Lebe wohl, Tonio!« rief jetzt der Begleiter des Texaners. »Ich sehe da Leute kommen, mit denen ich nichts zu tun haben mag.«

Dabei riß er sein Pferd herum und sprengte querfeldein ein, in der Richtung, in der er vorher mit Yerrez gekommen war.

Dieser hatte im Augenblick zu viel mit seinem rasenden Pferd zu tun, um nach den Männern blicken zu können, von denen sein Freund gesprochen hatte. Richard aber sah sechs Reiter vom Süden her im Galopp ansprengen. Er sagte sich, daß es die Verfolger seien, aber was hatte er von ihnen zu fürchten? Entgehen konnte er ihnen doch nicht mehr. Er mußte sich in die neue Widerwärtigkeit ergeben.

Jetzt brach das Pferd des Texaners zusammen und dieser rettete sich nur mit Mühe durch einen Seitensprung. Die fremden Reiter waren jetzt so nahe herangekommen, daß Richard deutlich Wooly unter ihnen zu erkennen vermochte. Yerrez stand bleich vor Schrecken, als er die Reiter kaum fünfzig Schritt entfernt sah. Dann riß er ein Pistol aus seinem Gürtel. Es schien, als wollte er es gegen sich selbst kehren. Plötzlich aber lachte er höhnisch auf und steckte es wieder an den alten Ort.

»Daran bist Du schuld, Du Hund!« rief er, zu Richard gekehrt. »Aber Du sollst es büßen!«

»Die sind es!« rief jetzt Wooly seinen Genossen zu. »Nehmt sie beide gefangen.«

»Was mich anbetrifft, so bin ich nicht unzufrieden über Ihre Ankunft,« sagte Richard zu den Männern, die einem südlichen Kavallerieregiment anzugehören schienen, denn sie trugen Uniformen. »Ich wehrte mich soeben gegen diesen Mann, der mich zwingen wollte, ihn zu begleiten.«

»Wer war der dritte, der nach links über das Feld floh?« fragte der Führer der Truppen, während drei Reiter von ihren schnaufenden Pferden sprangen und Richard, sowie dem Texaner die Hände banden.

»Ein Freund jenes Mannes,« antwortete Richard.

»Also wir hätten Euch!« rief Wooly, seine racheglühenden Blicke hauptsächlich auf Yerrez richtend. »Ver – Mörder – Du sollst Deinen Lohn erhalten – hoffentlich von meiner eigenen Hand.«

»Ich weiß nicht, was Du redest, Wooly,« antwortete der Texaner kalt und verächtlich. »Ich habe niemand gemordet. Daß ich das Geld von Gesher geholt – nun das hättet Ihr anderen wahrscheinlich auch getan.«

»Den Kapitän zu ermorden – ihm im Schlafe meuchlings die Kehle abzuschneiden. Du Elender!« rief Wooly.

»Das bin ich nicht gewesen,« antwortete Yerrez. »Das hat der da getan.«

Richard war starr. Also das war das Blut gewesen, das an der Hand des Texaners geklebt hatte, als er dem jungen Manne, den er vorausgesandt, an das Ufer des Bayous folgte. Deshalb hatte Richard vorangehen müssen!

»Also der sollte das gewesen sein? Möglich!« rief Wooly. »Nun, das wird sich herausstellen.«

»Bei Gott!« rief Richard erregt, aber fest und sicher, »ich habe es nicht getan. Ich erfahre zum ersten Male von dem Morde, mit dem ich mein Gewissen nie belastet hätte, so sehr der Kapitän auch mein Feind war.«

»Und ich, sein Freund, hätte ihn töten sollen!« rief Yerrez hohnlachend. »Nein – betrügen wohl – das ist etwas anderes – er hatte mich auch betrogen. Aber töten – sicherlich nicht! Er ist ein echter Yankee, dieser Bursche, er will sich herauslügen. Nun, das wird sich finden!«

Richard begriff wohl, daß er schon durch die Bezeichnung als Yankee in den Augen der Südländer als verdächtig erscheine. Aber der Gedanke, daß man ihn im Ernst eines Meuchelmordes anklagen könne, kam ihm zu fremd vor, als daß er die ganze Größe der Gefahr, in der er schwebte, begriffen hätte.

»Nun vorwärts, Marsch!« rief der Führer, als Richard einige Worte sprechen wollte. »Schreitet gut, sonst lassen wir Euch die Peitsche fühlen!«

»Was mich betrifft, Sir,« sagte Richard ruhig zu dem Führer, »so bitte ich um eine geziemende Behandlung. Ich bin mir keines Verbrechens bewußt, wie Mr. Wooly bezeugen kann, und ich bin auch nicht der Verfolgte. Ich befinde mich wider meinen Willen als der Spielball erbärmlicher Menschen im Süden und ich werde Ihnen dankbar sein, wenn Sie mich, je eher, desto besser, nach meiner Heimat senden.«

»Und diese Heimat ist wohl einer der verdammten Yankeestaaten?« fragte der Führer finster.

»Ja – ich bin dort geboren – und ein Schurke, der seine Heimat – seine Mutter – verleugnet!« antwortete Richard.

»Vorwärts, vorwärts, kein Geschwätz mehr!« rief der Führer. »Ich verbiete Euch beiden, zu irgend jemand zu sprechen. In Providence habt Ihr Zeit genug dazu.«

Die beiden Gefangenen schritten in der Mitte der Reiter dahin. Yerrez suchte eine möglichst unbefangene Miene anzunehmen. Richard hatte es nicht nötig, sich zur Ruhe zu zwingen, denn er zog die Wendung seines Geschicks in der Tat dem weiteren gezwungenen Zusammenleben mit dem verräterischen Texaner vor. Ja, vielleicht war dieser neue Unfall, der ihn betroffen hatte, gerade das beste Mittel, um bald in seine Heimat zu gelangen. Man mußte Erkundigungen in Neuyork anstellen, mußte in Korrespondenz mit Mr. Gesher treten. Aber wenn diese Briefe abermals von Ralph aufgefangen und unterschlagen wurden, – wenn er diese Kunde von den Ereignissen im Süden benutzte, um neue Pläne gegen Richard zu schmieden? Er wollte in seinem Verhör alles offenbaren und mit der Ruhe der Unschuld die Zukunft erwarten. War er doch jetzt nicht mehr unter Mördern, sondern unter Soldaten. Freilich auch Staunton, Yerrez und Genossen waren Soldaten des Südens gewesen.

Der Marsch bot keine Abwechslung. Die Gefangenen erhielten kärgliche Rationen und durften mit niemand sprechen. Yerrez schien von Zeit zu Zeit ein Gespräch einleiten zu wollen, aber das strenge Gebot des Führers duldete keine Überschreitung. Am Nachmittag des zweitfolgenden Tages langten sie in Providence an und wurden sofort in das Hauptquartier – ein Wirtshaus – geführt und voneinander getrennt. Richard bat um die Vergünstigung, den Kommandeur des Ortes zu sprechen.

Sie wurde ihm nicht gewährt.

Am andern Morgen in aller Frühe mußte Richard vor dem Kriegsgericht erscheinen, das aus neun Personen bestand und aus Offizieren und Gemeinen zusammengesetzt war. Da die besten Truppen der südlichen Armee im Osten, in Virginien, standen, und Providence überhaupt nur von einer Abteilung Kavallerie besetzt war, die mehr den Charakter einer Freischar als den einer regulären Truppe trug, so waren es eben keine sonderlich einnehmenden Gestalten und Gesichter, die Richard vor sich sah, und er wurde, wenigstens was die Gemeinen betraf, stark an Wooly, Yerrez und Konsorten erinnert. Der Vorsitzende jedoch, ein Oberst, schien ein intelligenter Mann, wenigstens verriet sein Gesicht eine gewisse Bildung.

Richard wurde aufgefordert, zu erzählen, wie er nach Providence gekommen sei. Er tat es. Seine Geschichte klang abenteuerlich genug, und mehrmals bemerkte er ein spöttisches Lächeln auf den Lippen der Zuhörer. Den wichtigsten Bestandteil der Erzählung bildete natürlich die Flucht aus dem Bayou. Richard erzählte sie der Wahrheit gemäß. Der Vorsitzende stellte ihm dann verschiedene Fragen, die sich meist auf den an Staunton verübten Mord bezogen. Richard bemerkte wohl, daß man ihn im Verdacht habe und beteuerte energisch seine Unschuld. Darauf wurde Yerrez vor die Schranken des Gerichts gerufen.

Der Texaner erzählte, weshalb er nach Toledo gegangen und wie er dort verhaftet worden, ganz der Wahrheit gemäß. Nur sagte er, daß er geglaubt habe, es handle sich um einen Yankee-Spion. Daß Staunton persönliche Absichten gehegt habe, als er danach strebte, sich Richards zu bemächtigen, davon wollte Yerrez nichts gewußt haben. Er gestand dann, auf Staunton sehr böse gewesen zu sein, aber doch nicht in dem Grade, um ihm ernsten Schaden zufügen zu wollen. Im Gegenteil, er habe sich mit Staunton aussprechen und dann bei ihm im Bayou bleiben wollen. Richard, der ihm eine ungeheure Summe für die Zukunft und die 10 000 Dollars, die in Providence angekommen sein mußten, versprochen, habe ihn verführt, mit ihm zu fliehen und ihm als Wegweiser zu dienen. Er, Yerrez, sei vorangeritten. Wahrscheinlich habe in der Zwischenzeit der junge Yankee seine Rache an den Texanern durch die Ermordung Stauntons gekühlt. Aus dem Verhör, in dem nun auch Wooly und der Kaufmann Gesher als Zeugen auftraten, ging hervor, daß die 10 000 Dollars wirklich bei Gesher angekommen, von Yerrez erhoben und bei ihm gefunden worden seien, desgleichen das Notizbuch Stauntons.

Das letztere schien gegen Richard zu sprechen. Aber Richard bemerkte zu seinem geheimen Schrecken, daß trotzdem die Stimmung der Richter dem Texaner günstig sei, der sich ganz offen zu dem Betruge bekannte, zu dem ihn Richard verleitet, der aber hoch und heilig schwor, Staunton nicht angerührt zu haben.

»Meine Herren,« sagte Richard endlich, »als ich Ihnen meine etwas ungewöhnliche Lebensgeschichte erzählte, sah ich manchen von Ihnen lächeln. Dennoch hat der Gang der Verhandlung die meisten meiner Angaben bestätigt. Die 10&bsp;000 Dollars sind von meinem Vater eingesandt worden, und wahrscheinlich mit ihnen ein Brief, den zu lesen Sie mir wohl gestatten sollten.«

Der Brief war Yerrez ebenfalls abgenommen worden, und der Oberst las ihn jetzt.

»Er enthält nichts Wichtiges,« sagte der Oberst. »Mr. Everett sagt darin, er werde einen seiner Angehörigen schicken, der persönlich mit Kapitän Staunton verhandeln sollte.«

»Einen meiner Angehörigen,« sagte Richard mit einem leichten Schauer. »Ist dieser genannt?«

»Nein.«

»Nun wohl, so erwarte ich seine Ankunft,« sagte Richard. »Sie sehen meine Angaben in allen Punkten bestätigt. Weshalb hätte ich Kapitän Staunton morden sollen, da er fest schlief und unsere Flucht nicht hindern konnte? Ich will den Verdacht des Mordes nicht auf Yerrez lenken. Ich kann nur behaupten, daß ich als erster die Hütte verließ, in der die Männer schliefen und daß Yerrez mir folgte. Seine Hand war blutig, wie er mir sagte davon, daß er den zurückgebliebenen Pferden die Fußsehnen zerschnitten habe. Richten Sie an Mr. Wooly die Frage, ob er glaubt, daß ich eines solchen Meuchelmordes fähig bin – fragen Sie ihn, ob ich nicht einem seiner Genossen, der doch auch mein Feind war, das Leben gerettet habe.«

Wooly, der befragt wurde, gab das zu, sagte aber, daß er sich über den Mord kein Urteil bilden könne.

»Es ist das wahrscheinlichste,« sagte einer von den Beisitzern, »daß sie beide den Mord vollbracht haben und daß ihn einer auf den andern abwälzen will. Wir werden sie beide baumeln lassen.«

Ein Lachen fast sämtlicher Beisitzer zeigte, daß diese Meinung die meisten Anhänger für sich hatte.

Richard begriff nun, daß seine Lage viel, viel gefährlicher geworden war, als er je geglaubt hätte. Es ergriff ihn das Gefühl dumpfer Angst, wie es auch den Besten und Mutigsten beschleicht, wenn er sich unschuldig einem schimpflichen Tode oder auch nur einer schweren Strafe gegenübersieht. Er wollte sprechen, aber die Stimme versagte ihm. Im demselben Augenblick kam auch ein Soldat und brachte dem Obersten ein Papier.

»Ich bin unschuldig,« rief Richard. »Tun Sie, was Ihnen Ihr Gewissen erlaubt, aber ich habe Staunton nicht ermordet und von seinem Morde nichts gewußt, als bis ich es aus Woolys Mund erfuhr. Vielleicht kann der Mann Auskunft geben, bei dem sich Yerrez verbergen wollte, und der uns verließ, als die Reiter sich uns nahten. Er muß in der Gegend wohnen, in die wir gelangen werden.«

»Sein Zeugnis dürfte, was die Hauptsache, den Mord anbetrifft, unwesentlich sein,« sagte der Oberst. »Aber wir werden sogleich ein anderes Zeugnis erhalten. Der Herr, den Ihr Pflegevater hierher senden wollte, ist angekommen und wird sogleich als Zeuge erscheinen.«

Ein Frösteln überlief den jungen Mann – wen sandte Mr. Everett? Doch nicht ihn, gerade ihn.

Da trat ein Herr im Reiseanzug ins Zimmer. Richards Blut drängte sich zum Herzen und er erbleichte. Es war ein schlanker Mann mit schwarzem Haar, blassem, regelmäßigem Gesicht – Ralph Pettow.

Wie oft hatte Richard an den Augenblick gedacht, in dem er seinem einstigen Genossen gegenüberstehen werde! Er, der Unschuldige hatte diesen Mann gefürchtet, weil er weder rachsüchtig war, noch überhaupt wilde und heftige Szenen liebte. Er allein würde Ralph nie verfolgt haben. Er hätte sich damit begnügt, den Verräter fern und den Vorwürfen des eigenen Gewissens überlassen zu sehen. Er schauderte, wenn er an die Abgründe der menschlichen Natur dachte, die sich ihm bei dieser Tat offenbart hatten. Und nun war der Moment so plötzlich, so unerwartet da! Dieser Mann mit dem tiefliegenden brennenden Auge, das so kalt über die Versammlung flog und auch auf ihm eine Sekunde fremd und gleichgültig haften blieb – dieser war es, der hinterrücks das Pistol auf ihn abgedrückt. Weshalb kam er jetzt? Nur um Richard ganz zu verderben. Mr. Everett konnte noch keine Ahnung davon gehabt haben, wer der Verräter gewesen, sonst hätte er nicht den Mörder selbst geschickt.

Ralph Pettow überreichte dem Obersten einen Brief, den dieser aufmerksam las.

»Eine warme Empfehlung, der ich gewiß entsprechen werde, Herr Kapitän!« sagte er dann höflich. »Bitte Platz zu nehmen.«

Richard, in dessen Kopf die Gedanken sich jagten, erriet, daß Ralph, der Verräter, die Empfehlung irgend eines Rebellen oder Rebellenfreundes mit sich bringe.

»Kennen Sie jenen Mann, Herr Kapitän?« fragte der Oberst, auf Richard deutend.

Ralph blickte lange auf Richard, der die Augen fest auf ihn gerichtet hatte.

»Nein!« sagte er dann mit fester Stimme.

»Wie, wirklich nicht?« fragte der Oberst, »Nein, gewiß nicht, ich habe diesen Mann nie gesehen,« sagte Ralph und schüttelte leicht den Kopf.

Richard hatte die Lippen fest zusammengepreßt.

»Sonderbar,« sagte der Oberst. »Dann muß ich Ihnen mitteilen, worum es sich handelt.«

Und er erzählte in kurzen Umrissen die Anklage und was ihr vorgegangen.

»Dies ist ein Betrug,« sagte Pettow ruhig. »Als ich den Brief eines gewissen Staunton las, den ich vor mehreren Jahren flüchtig gekannt habe, und der an einen meiner Verwandten, Mr. Everett, schrieb, daß mein Freund Richard Everett noch lebe, zweifelte ich sogleich, folgte aber den Bitten meiner Verwandten und begab mich hierher, um jenen Staunton aufzusuchen. Das Geld schickte Mr. Everett voraus, ohne daß ich darum wußte; ich hatte es, da ich einen Betrug ahnte, nicht zugegeben. Nein, jener Mann ist nicht Richard Everett und da er um dessen Tod weiß, so halte ich ihn und Staunton für dessen Mörder, die sich verabredet haben, eine Komödie zu spielen und Mr. Everett Geld zu entlocken.«

Richards Augen begannen zu leuchten, als Ralph dies sagte.

»Bei Gott!« tief er mit zitternder Stimme. »Nie hat ein größeres Scheusal alle Pflichten der Menschheit frecher mit Füßen getreten. Dieser Mann, dieser Pettow, ist es selber, der mich hinterrücks niederschoß. Leider weiß es mein armer, armer Vater noch nicht. Meine Briefe gelangten nicht zu ihm, wurden unterschlagen –«

Pettow zuckte die Achseln, als ihn der Oberst anblickte. Ein unwilliges Gemurmel erhob sich unter den Richtern, aber der Unwille war nicht gegen Ralph, sondern gegen Richard gewandt.

»Aber Sie haben ja selbst gesagt, daß Sie an Mr. Everett geschrieben?« unterbrach ihn der Vorsitzende.

»Ich schrieb nach dem Diktat Stauntons unter dessen Augen als Gefangener. Ich durfte nur um Geld bitten und die Wahrheit über jenen Mann nicht sagen, der meinen Tod von Staunton verlangte!« rief Richard.

»Das klingt fabelhaft,« sagte der Oberst mürrisch. »Kapitän Pettow, noch einmal, Sie erkennen in jenem Manne nicht den vermißten Richard Everett?«

»Nein. Er ist es nicht.«

»Und ich erkläre nochmals, daß ich der bin, als den ich mich genannt, daß ich unschuldig bin am dem Tode Stauntons!« rief Richard, die Hand zum Himmel emporstreckend. »Gott weiß, daß ich unschuldig bin und ihm empfehle ich mein Geschick!«

»In Neuyork würde dieser Herr wohl anders sprechen,« sagte Ralph halblaut.

»Ja, in Neuyork!« rief Richard. »Führt mich dorthin. Dort soll er sich mir gegenüberstellen! Er wird es nicht wagen! Nun, wie Gott will!«

Die Gefangenen wurden in ein Nebenzimmer geführt und nach einer Viertelstunde in das Sitzungszimmer zurückgeworfen. Yerrez hatte mit Richard sprechen wollen. Dieser, in Gedanken versunken, hatte ihm nicht geantwortet.

Ralph Pettow befand sich nicht mehr im Sitzungszimmer. Aus den Mienen der Richter las Richard schon das Urteil. Es lautete:

»... daß ein Mann, der sich Antonio Yerrez nenne und ein vagabondierendes Leben führe, sowie ein anderer Mann unbekannten Namens, der sich fälschlich für einen vermißten Richard Everett ausgebe, als des Mordes des Kapitäns Staunton dringend verdächtig festgenommen und überführt seien, den Mord zusammen verübt zu haben – daß diese zwar leugneten, daß aber einer von ihnen der Täter sein müsse und keiner sich reinigen könne, daß sie außerdem gemeingefährliche Subjekte und der Spionage dringend verdächtig seien – weshalb sie in diesen erregten Zeiten, die strenge Aufrechterhaltung der Ordnung erforderten, durch Pulver und Blei zum Tode gebracht werden sollten, und zwar am Nachmittag desselben Tages, fünf Uhr.«

Yerrez war fahl im Gesicht und zitterte. Richard war ebenfalls bleich, aber ruhig. Er hatte sich bereits in sein Geschick ergeben. Sein Tod schien bestimmt – weshalb hatte ihn damals der brave Deutsche gerettet?

»Sie haben sehr leichtsinnig über das Leben eines Menschen entschieden, meine Herren,« sagte er zu den Richtern gewandt. »Sie hätten mir Zeit gewähren sollen, mir aus Neuyork Beweise zu schaffen. Erfüllen Sie wenigstens meinen letzten Wunsch und teilen Sie Mr. Everett mein Ende mit. Seine Adresse ist wahrscheinlich in dem Briefe an Mr. Gesher enthalten. Sie werden dann später erfahren, wer hier ein Mörder war – jener Ralph Pettow oder ich. Gott verzeihe Ihnen.«

»Ich bin unschuldig!« schrie Yerrez verzweifelnd. »Dieser Mensch hat den Kapitän Staunton ermordet!«

»Er ist ein Lügner!« sagte Richard verächtlich. »Erweisen Sie mir die Gnade, meine Herren, und lassen Sie mich allein, damit ich mich vorbereiten kann auf mein hartes Geschick. Gott weiß, daß es unverdient ist.«

Die Richter antworteten nichts darauf. Richard wurde in ein eigenes Zimmer geführt, vor dessen Tür zwei Soldaten, den Karabiner im Arm, Wache standen. Das Zimmer lag im oberen Stockwerk des Hauses. Unter dem Fenster stand ebenfalls eine Schildwache.

Lange starrte Richard wie geistesabwesend hinaus in den brennenden Sonnenschein. Dann rang sich ein Schrei aus seiner Brust, und er brach in ein heftiges Schluchzen aus, dem endlich Tränen folgten. Durch seine Tränen hindurch sah er einen einfach gekleideten Mann drüben in der Tür eines Nebengebäudes, der mehrmals die Hand erhob, bis Richard darauf aufmerksam wurde. Es war ein Mann mit fahlem, blondem Haar, halb grau vom Alter, im Aussehen einem armen Pflanzer oder Ansiedler ähnlich. Jetzt erhob er wieder die Hand und es flog etwas an Richard heran, blitzschnell, wie eine Kugel. Die Hand des alten Mannes mußte sehr sicher sein. Ein fester Gegenstand fiel im Zimmer nieder. Richard, kaum seiner mächtig, zu verwirrt, zu schwer im Kopf, um an irgend etwas Bestimmtes zu denken, hob ihn auf. Es war eine Kartätschenkugel, mit Papier umwickelt. Richard faltete das Papier mit zitternden Händen auseinander und las darauf die Worte:

»Toledo Heil! Verzweifeln Sie nicht. Sie werden gerettet werden. Verlangen Sie einen Priester zu sprechen, und zwar den katholischen. Durch ihn werden Sie Näheres erfahren.«

Richard hielt das Papier lange in den Händen. Lag hier abermals ein Betrug vor? Er war mißtrauisch geworden. Wie, wenn Wooly Stauntons und Yerrez' Erbschaft antreten und ihn abermals als Mittel zur Erpressung benutzen wollte? Aber kannte denn Wooly die Losung: Toledo Heil!? Wohl kaum. Und wenn auch – hier galt es das Leben, und jeder Aufschub war Gewinn. Er konnte später noch eine Gelegenheit benutzen, Wooly zu entfliehen.

Als er sich ein wenig beruhigt hatte, las er das Papier noch einmal. Die Schriftzüge waren klar, scharf, bestimmt, die Worte ohne Fehler geschrieben – nein, es konnte nicht von Woolys Hand herrühren. Er zerriß es vorsorglich und warf die kleinen Stücke zum Fenster hinaus. Der alte Mann stand nicht mehr drüben in der Tür. Wer mochte es sein? Dantes? Aber dem hatte er gar nicht ähnlich gesehen.

Er ging einige Male im Zimmer auf und ab. Dann klopfte er an die Tür und wünschte, die Wache zu sprechen. Die Tür wurde geöffnet. Richard fragte, ob er nicht einen Seelsorger sprechen könnte. Der Mann ging und kam nach fünf Minuten mit der Antwort zurück, es sei augenblicklich nur ein einziger Priester in Providence, und zwar ein katholischer. Richard antwortete, daß ihm auch dieser willkommen sein werde.

Es verging eine gute Stunde, ehe er wieder Geräusch an der Tür hörte. Sie wurde geöffnet und ein langer, hagerer Mann mit bleichem Gesicht und langem, schwarzem Haar trat ein. Sein Gesicht war still, ernst und regelmäßig, etwas verschlossen und leidend, aber ohne Strenge. Mit seinen dunklen Augen sah er Richard aufmerksam an und reichte ihm dann die Hand.

»Laßt uns nur allein,« sagte er zu dem Soldaten, der in der Tür stand, und dieser zog sich sogleich zurück.

»Ich komme zu Ihnen, Sir,« begann der Priester mit gedämpfter Stimme, »um Ihnen Trost und Hoffnung zu bringen. Sie haben in den letzten Stunden einen Beschützer gefunden. Doch, es ist auf jeden Fall besser, wenn wir nicht englisch sprechen; man könnte uns hören.«

Richard sagte, daß er des Französischen und auch des Deutschen und Spanischen mächtig sei.

»So wollen wir das Französische wählen,« fuhr der Priester in dieser Sprache fort. »Es ist Edmond Dantes, der Missionar, der mich zu Ihnen sendet.«

»Ich ahnte es,« sagte Richard freudig. »Aber wie ist er hierhergekommen?«

»Sie werden es von ihm ausführlich erfahren, denn er zweifelt nicht daran, daß er Sie retten wird.«

»Aber mein Gott – mein Gott – wie wird ihm das möglich sein? In dieser Stadt ...«

»Hoffen Sie auf ihn,« sagte der Priester ernst. »Er ist ein wunderbarer Mann und mit ihm ist Gott. Ich habe in fernen, wilden Ländern Fährlichkeiten an seiner Seite überstanden, aus denen ich nie gerettet zu werden glaubte. Er aber löste alle Schwierigkeiten, besiegte alle Hindernisse. Vertrauen Sie sich ihm unbedingt an. Ich kenne den Plan, den er zu Ihrer Rettung gefaßt hat, noch nicht genau. Ich ahne nur, daß er darin besteht, den Offizier zu gewinnen, der die Exekution kommandieren soll. Er sagte mir, daß Sie unschuldig sind, und ich zweifle keinen Augenblick daran.«

»Ich bin es, ehrwürdiger Herr!« rief Richard tief bewegt. »Und ich werde, wenn Gott mir das Leben erhält, nie vergessen, in welcher Lage ich mich unschuldig befunden habe, und wie notwendig es ist, daß mein edler Beschützer gerade Sie hier in Providence finden mußte!«

»Er sah mich zufällig und erkannte mich sogleich,« antwortete der Priester. »Ich konnte ihn nicht sogleich erkennen, denn er hat sich, um Ihnen folgen zu können, ohne entdeckt zu werden, vollkommen verändert. Bald jedoch wußte ich, wer vor mir stand, und ich hätte mein Leben für ihn geopfert, wenn er es verlangt hätte. Mein edler Freund läßt Ihnen also melden, daß Sie nicht verzweifeln sollen, was auch geschehen möge, selbst nicht, wenn die Schüsse krachen. Sie sollen nur Ihren Mut aufrecht und Ihre Augen offen behalten. Verlangen Sie, daß ich Sie auf Ihrem scheinbar letzten Gange begleiten soll. Ich werde dabei Gelegenheit finden, Ihnen noch genauere Auskunft über den Plan meines Freundes zu geben!«

Er reichte Richard die Hand und drückte sie mit Wärme. Dann sagte er: »Auf Wiedersehen!«

Richard blickte ihm in tiefer Gemütsbewegung nach. So war ihm denn ein Retter noch in der letzten Stunde erschienen! Aber vielleicht gelang der Plan nicht, den Edmond Dantes entworfen hatte. Die Zeit war sehr kurz bis zur Vollstreckung des Urteils. Sollte die Wache bestochen werden? Der Priester hatte gesagt, Richard sollte nicht verzweifeln, wenn er auch die Schüsse krachen höre. War das nicht zuviel gesprochen? Nein, Richard glaubte an die Verheißung seiner Freunde. Freilich blieb er deshalb immer noch unruhig. Die Möglichkeit eines Fehlschlages war auch jetzt vorhanden. Aber, dachte Richard, man wird mich nicht sterben lassen – man wird im letzten Augenblick für meine Unschuld eintreten und eine Erneuerung des Verfahrens veranlassen.

Es wurde ihm leidlich gutes Essen gebracht, das er verzehrte, obwohl er wenig Eßlust fühlte. Darauf versuchte er, ein wenig zu schlafen, denn er hatte in der Nacht nur auf Viertelstunden geschlummert. Doch das gelang ihm nicht. Von einer Schule, die sich in der Nähe befand, hörte er die Stunden schlagen, zwei Uhr, drei Uhr, vier Uhr. Furchtbar, furchtbar lang wurde ihm die Zeit.

Er klopfte an die Tür und sagte dem wachthabenden Soldaten, es sei sein einziger und letzter Wunsch, daß der Geistliche ihn auf dem letzten Gange begleite. Dann verlangte er ein Schreibzeug und Papier. Er hielt es für seine Pflicht, sich auf alle Fälle vorzubereiten und einige letzte Worte für seinen Pflegevater und für seine Freunde niederzuschreiben. Der Geistliche, das hoffte er, würde dafür Sorge tragen, daß sie an ihre Adresse gelangten. Darüber verging die letzte verhängnisvolle Stunde. Die Tür öffnete sich. Es erschien ein Offizier.

»Kommen Sie, Sir! Es ist Zeit!« sagte er.

»Hat man meinen Wunsch erfüllt?« rief Richard aufspringend. »Darf mich der Geistliche begleiten?«

»Ja,« antwortete der Offizier, dessen Gesicht unerschüttert ruhig und kalt war.

»Nun denn, ich bin bereit!« rief Richard mit einer gewaltigen Anstrengung sich zur Fassung zwingend. »Hoffentlich erspart man mir die Qual einer großen Zuschauermenge?«

»Wir werden es nicht hindern können, daß sich einige Leute einfinden,« antwortete der Offizier. »Indessen darf Sie das in keiner Weise beunruhigen – es ist einmal nicht anders.«

In diesen Worten lag ein eigentümlicher Ausdruck. Sollten sie andeuten, Richard habe nichts zu fürchten?

Der junge Mann verließ das Zimmer mit festen Schritten. Die Hände wurden ihm auf den Rücken gebunden. Unten vor dem Wirtshause stand eine Abteilung von zwölf Soldaten, den Karabiner im Arm. Yerrez befand sich bereits in ihrer Mitte. Der Mörder war erdfahl, zitterte und rollte die Augen wie wahnsinnig nach allen Seiten.

»Ich bin unschuldig!« heulte er. »Bei allen Teufeln, bei allen Heiligen, ich bin unschuldig!«

Der Geistliche trat sogleich auf Richard zu und reichte ihm die Hand. In dem Blick und in dem Händedruck des Priesters lag etwas wie Verheißung. Oder sollte es nur ein Trost sein? Richard reichte ihm die Briefe an seinen Pflegevater.

»Vernichten – wenn es nicht nötig sein sollte!« sagte er leise dabei.

»Hoffen Sie!« flüsterte der Priester mit kaum bewegten Lippen, als er den Brief nahm.

Es war fünf Uhr, die heißeste Zeit des Tages. Deshalb fanden sich auch nur wenige Neugierige und Müßiggänger ein, die den Zug begleiteten, und als der Offizier ihnen kühl erklärte, sie würden doch nicht auf dem Exekutionsplatze zugelassen werden, blieben auch von diesen die meisten zurück.

Wooly folgte, von einem Bekannten begleitet, mit düsterer und triumphierender Miene dem Zuge.

Der Priester ging neben Richard. Er hatte die Hände gefaltet und den Blick zum Himmel gerichtet. Sobald sie an den letzten Häusern von Providence vorübergekommen, hörte Richard eine leise Frage in französischer Sprache – sie klang wie ein Gebet – und er verstand die Worte: »Sie können schwimmen?«

»Ja,« flüsterte er.

»Auch unter dem Wasser?«

»Ja, eine gute Strecke.«

»Dann sind Sie gerettet. Die Gewehre sind nicht geladen – für Sie! Sie lassen sich in das Wasser fallen – fünfzig Schritt nach dem Gebüsch zu und Sie finden den, der Sie erwartet.«

Noch war es Richard unklar, wie diese Worte zu verstehen seien. Er versuchte, seine ruhige Haltung zu bewahren und es gelang ihm.

Bald hinter den letzten Häusern der Stadt beginnt ein eigentümliches Erdreich, das sich meilenweit erstreckt. Es ist ein loser Tonboden, durchschnitten von einer Menge kleiner Kanäle und trüber Flüsse. In der Regenzeit ist es fast unmöglich, die Wege zu passieren; im Hochsommer aber, in dem man sich jetzt befand, waren sie steinhart und unter jedem Fußtritt oder Hufschlag wirbelte ein leichter, feiner Staub hervor. Schon wenige Zoll unter der Oberfläche wurde der Ton jedoch wieder weich und wenn man einen Fuß tief oder ein wenig tiefer grub, füllte sich die Vertiefung sogleich mit einer Lache trüben Wassers.

Vielleicht zehn Minuten hinter der Stadt kommandierte der Offizier Halt. Die Truppen und die Gefangenen befanden sich auf einer kahlen Stelle, die nach der westlichen Seite von einem hohen, dichtbelaubten Walde, im Süden von einem jener erwähnten Kanäle begrenzt wurde. Nach Norden und Osten war die Aussicht frei. Die Gefangenen standen in der Nähe des Kanals, dessen Ufer nur ungefähr einen Fuß hoch war. Kaum zwölf Schritt zu ihrer Linken begann der Wald; dem Kanal hatten sie den Rücken zugekehrt.

Yerrez, der auf dem Wege bald geheult wie ein Tier, bald Gott und die Welt verflucht hatte, war jetzt zusammengebrochen, seine Zähne klapperten, sein Gesicht war fahl. Der Geistliche trat zu ihm heran; er grinste ihm wie wahnsinnig ins Gesicht und schien dann nach ihm schlagen zu wollen. Aber die Hände waren ihm auf dem Rücken gefesselt; er konnte nur mit dem Arm zucken.

»Also es ist unmöglich, ein Grab zu bereiten?« fragte der Geistliche halblaut den Offizier.

»Unmöglich,« antwortete dieser. »Es würde doch nur eine Wassergrube werden, und da ist es am Ende besser, wir stellen die beiden sogleich vor den Kanal.«

»Nun denn, Sir,« sagte der Geistliche, sich zu Richard wendend, »befehlen Sie Ihre Seele Gott und vertrauen Sie auf seine Barmherzigkeit. Haben Sie noch einen Wunsch?«

»Ich bitte, daß mir die Arme freigelassen werden, damit ich sie noch einmal zusammenfügen kann, um zu beten, wie ich es von meiner Kindheit an gewöhnt bin,« erwiderte Richard.

Seine Stimme zitterte. Vielleicht würde er nicht gebebt haben, wenn er geglaubt hätte, daß der Tod ihm sicher sei. Aber diese seltsame Ungewißheit – dieses Schwanken zwischen Furcht und Hoffnung mußte auch das stärkste Männerherz mit Grauen erfüllen.

Der Geistliche blickte den Offizier fragend an.

»Es sei,« sagte dieser. »Habt gut acht auf ihn!« fügte er hinzu zu den Soldaten gewandt, und zerschnitt selbst den Strick, der Richards Hände fesselte.

»Hier, dieser Mann ist der erste!« sagte er dann auf Richard deutend. »Die erste Abteilung vor! Gut geladen? Alles in Ordnung, Sergeant Boyne?«

»Alles in Ordnung, Herr Leutnant!«

Yerrez stierte mit weitaufgerissenen Augen auf Richard, dem es zumute war, als müsse er in jedem Augenblick laut aufschreien. Richard blickte noch einmal um sich. In einiger Entfernung sah er zwei Männer – es waren der Oberst und Ralph Pettow. Also Ralph kam, um ihn sterben zu sehen, um sich von seinem Tode zu überzeugen.

Auch der Offizier hatte sie bemerkt.

»Nun fertig!« rief er hastiger, als es sonst in seiner mürrischen Art lag. »Hier ist Euer Platz, Herr!« – Er ergriff Richard am Arm und stellte den jungen Mann auf den schmalen Rand des Kanals. »Befehlt Eure Seele Gott!«

Dann nahm er das Urteil, das er in der Hand gehalten und verlas es schnell. Der Oberst und Ralph Pettow näherten sich langsam. Sobald der Offizier das letzte Wort gesprochen, trat er zur Seite.

»Achtung! Fertig! Legt an! Feuer!«

Richard stürzte rückwärts in den Kanal. Nie hätte er später mit Gewißheit sagen können, was er in diesem Augenblick empfunden. Er wußte nicht, ob er getroffen war oder nicht. Das Krachen der sechs Schüsse, die zwölf Schritte vor ihm abgefeuert wurden, warf ihn in den Kanal; so wenigstens schien es ihm, denn er handelte unbewußt. Aber sobald er das Wasser über sich zusammenschlagen fühlte, hatte er auch die Empfindung, daß er nicht verletzt sei, und seine Besinnung kehrte zurück. Er mußte noch einmal Atem schöpfen und tauchte auf. Ein Schrei rang sich wider Willen aus seiner Brust und er griff, halb bewußt, halb ohne Absicht, in die Luft. Dann ließ er sich in das trübe Wasser sinken und schwamm unter ihm fort, so tief, daß er öfters den schlammigen Boden berührte.

Endlich mußte er hinauf. Er hob den Kopf aus dem Wasser. Es war ihm, als müßte er abermals laut aufschreien; aber er hielt an sich. In demselben Augenblick streckte sich ihm eine Hand entgegen. Er sah sie nur durch den Schleier des von seiner Stirn und seinem Haar niederrinnenden Wassers – es war ihm, als sei es ein Arm aus den Wolken, ein Arm Gottes. Er zog ihn hinauf ans Ufer. Jetzt stand er – jetzt legten sich zwei kräftige Arme um ihn und hoben ihn auf ein Pferd. Dann fühlte er ein Fläschchen an seinem Munde – und ein belebender scharfer Geruch drang ihm entgegen.

»Trinke – nur einige Tropfen, mein Sohn!« flüsterte eine Stimme. Richard sog einige Tropfen ein. Dann legte sich ein Arm um ihn, die Pferde setzten sich in Bewegung, zuerst langsam, dann rascher. Richard fühlte, daß er mit einer Ohnmacht rang. Dann ergriff ihn eine schnelle Wärme.

»Du bist gerettet, mein lieber Freund!« sagte die Stimme neben ihm. »Nimm die Zügel fest in die Hände. Ich halte Dich!«

Richard durchzuckte der Gedanke, daß er wirklich gerettet, daß er dem Tobe entgangen sei, wie ein elektrischer Schlag. Er stöhnte leise vor sich hin. Es war, als habe ihn ein Krampf erfaßt. Dann ging auch das vorüber. Er sah um sich – sah den alten Mann, den er in der Tür erblickt und der ihm die Kugel zugeworfen, neben sich.

»Gott in der Höhe sei Ehre und Dank!« rief er mit zitternden Lippen.

»Ja, Gott in der Höhe sei Ehre und Dank!« wiederholte die tiefe, aber klare Stimme neben ihm.

Richard fühlte, wie sein Pferd angetrieben wurde, und von einem Wonnegefühl ergriffen, ließ er sich von dem schnellen Pferd hineintragen in den kühlen Schatten des Waldes. – –

Am anderen Morgen meldete die kleine Zeitung von Providence, daß tags zuvor zwei Marodeure oder Spione, überführt des Mordes an Kapitän Staunton, durch Pulver und Blei zu Tode gebracht seien.

Ralph Pettow war schon am Abend des Tages nach der Exekution nach dem Norden zurückgekehrt.

 

Schluß des zweiten Bandes.


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