Wilhelm Müller
Lieder der Griechen
Wilhelm Müller

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Die Suliotin

              Ich hab die Spindel lang gedreht, hab manche Winternacht
Gewebt am Stuhl, und froh dabei ans neue Kleid gedacht.
Ich hab die Herden auf den Höhn gehütet manchen Tag,
Und bin geklettert ohne Not den jungen Ziegen nach;
Ich habe meinen Kleinen auch manch Kinderspiel gezeigt,
Und Sprung und Lauf und Schuß und Wurf ward mir mit ihnen leicht.
Jetzt schleif ich einen Stahl für mich und drehe Sennen mir
Mein Herr, mein Hort, mein Herz, o nimm mich in den Kampf mit dir!
Ich kenne jeden Felsenpfad auf Sulis steilen Höhn,
Und wo die flinke Gemse zagt, da kann ich sicher stehn.
Hast du noch nicht gesehn, was ich vermag im Sprung und Lauf,
Wohlan, so gib ein Probestück mir mit den Männern auf!
Und eine Klippe zeige mir auf Suli weit und breit,
Die ich dir nicht erklettern kann zu aller Frauen Neid.
Den Vogel treff ich in der Luft, wo's gilt nur einen Scherz –
Meinst du, verfehlen könnt ich ja des großen Feindes Herz?
Mein Herr, mein Hort, mein Herz, o nimm mich in den Kampf mit dir!
Mein Töchterchen kann spinnen schon. – Was sitz ich länger hier?
Mein jüngster Knabe steht allein. – Was ist mein Arm ihm wert?
Mein ältester geht auf die Jagd. – Was sorg ich für den Herd?
Mit dir, mit dir will ich ins Feld! Da hab ich meinen Stand,
Bei dir, bei dir, da, Brust an Brust, da, Liebster, Hand in Hand!
Und sollt ich fallen, sieh nicht hin, und denke nicht an mich,
Denk an den Feind, denk an den Kampf, und denke, Herz, an dich,
An unsre Kinder, an dein Haus, an Sulis heilge Höhn,
An unsres Gottes Tempel, die auf ihren Gipfeln stehn,
An deiner Heldenväter Staub, und dann an eine Gruft
Für mich, für dich, in freier Erd und unter freier Luft!

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