Wilhelm Müller
Gedichte
Wilhelm Müller

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Der Kranz

          Sie war kaum aus dem Kinderkleid,
Das Mieder war ihr noch zu weit,
Da liefen schon am hellen Tag
Ihr alle flinke Bursche nach.
Sie ließ es ohne Zank geschehn,
Hat sich auch manchmal umgesehn.

Die Mutter sprach: »Nimm dich in acht!
Schon manche Dirne hat's gebracht
Um's grüne Kränzchen in dem Haar,
Daß sie im Dorf die Schönste war.«
Da fiel es erst der Tochter ein:
»Sollt ich denn wohl die Schönste sein?«

Nach einer Quelle tät sie spähn,
Sie wollte sich darin besehn,
In manche guckte sie hinein,
Doch keine war recht klar und rein;
Da kam ein Jäger frank und frei,
Und sagt' es ihr, wie schön sie sei.

Und siehe, schon im andern Jahr
Hat sie den grünen Kranz im Haar,
Hat sie den grünen Mann im Arm,
Hat sie im Hause Reigenschwarm;
Da lacht sie keck der Alten zu:
»Nun, Mutter, sag, was meintest du?«

Die Mutter sprach: »Nimm dich in acht!«
Und ach, noch in derselben Nacht
Fiel ihr das Kränzchen aus dem Haar;
Da seufzte sie: »Es ist doch wahr!«
Und fragte nie die Mutter mehr,
Wie's mit dem Kranz gemeinet wär.

 


 


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