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Die Fremdenlegion

Aus: Das große Morden, in Kain, Mai 1914

 

Mit zwei Milliarden Mark muß jährlich die Henne gefüttert werden, die unter dem Namen »Deutsche Wehrmacht« im bedrohten Vaterlande herumgackert. Jetzt ist sie mit einer Extramilliarde noch fetter aufgeplustert worden und beansprucht infolgedessen fortan noch erheblich mehr Getreidekörner aus den Ackern des deutschen Volkes als bisher. Der Geflügelzüchter Michel ist ein Schafskopf, denn er merkt nicht, daß das meschuggene Huhn ihm nichts als Kuckuckseier in den Stall legt. Eines guten Tages aber wird es ihm schmerzlich fühlbar werden, wenn nämlich der zärtlich gepflegte »bewaffnete Friede« an Überfütterung krepiert, seine Kücken aber auskriechen und sich die mißgestalteten Kreaturen als Krieg, Hunger und Pestilenz über das Land ergießen.

Die Erbpächter der deutschen Ehre und der deutschen Phrase möchten das 43jährige Friedensvieh schon längst zum Platzen bringen. Sie ängstigen deshalb den dummen Michel heute mit diesem, morgen mit jenem Bauern-schreck und heißen ihn zur Abwehr immer größere Mengen seiner schwitzend erarbeiteten Profite in die Armee hineinstopfen. Fehlt bloß noch ein geeigneter Anlaß – und der Krieg gegen den Erbfeind ist fertig. Aber es hat sich herausgestellt, daß es bei den schauderhaften Formen, in denen sich heutzutage ein europäischer Krieg abspielen würde, nicht mehr ganz so leicht ist, die Volksseele zum Kochen zu bringen. Weder die marokkanischen Diplomatenkünste noch die Bemühungen, die Folgen der Balkanwirren friedlich zu überwinden, haben der Schwerindustrie und ihren Hintermännern genützt, den Massenmord in Szene zu setzen. So ein Krieg muß schon aus den Tiefen des europäischen Volksgemüts selbst heraussprudeln.

In diesem Zeitalter raffiniertester technischer Zivilisation gibt es für den Erfindergeist immer noch keine höheren Aufgaben als die Vervollkommnung der kriegerischen Mordinstrumente. Wessen Gewehre und Kanonen am weitesten schießen, am schnellsten laden, am sichersten treffen, der hat den Kranz. Das Scheußliche und Groteske gehen Hand in Hand durchs zwanzigste Jahrhundert und rufen die Völker auf zur Bewunderung der Weltvollkommenheit.


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