Theodor Mommsen
Römische Geschichte
Theodor Mommsen

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8. Kapitel

Kleinasien

Die große Halbinsel, welche die drei Meere, das Schwarze, das Ägäische und Mittelländische, an drei Seiten bespülen, und die gegen Osten mit dem eigentlichen asiatischen Kontinent zusammenhängt, wird, insoweit sie zum Grenzgebiet des Reiches gehört, in dem nächsten, das Euphratgebiet und die römisch-parthischen Beziehungen behandelnden Abschnitt betrachtet werden. Hier sollen die Friedensverhältnisse namentlich der westlichen Landschaften unter dem Kaiserregiment dargelegt werden.

Die ursprüngliche oder doch vorgriechische Bevölkerung dieser weiten Strecke hat sich vielerorts in bedeutendem Umfang bis in die Kaiserzeit hinein behauptet. Dem früher erörterten thrakischen Stamme hat sicher der größte Teil von Bithynien gehört; Phrygien, Lydien, Kilikien, Kappadokien zeigen sehr mannigfaltige und schwer zu lösende Überreste älterer Sprachepochen, die vielfach in die römische Zeit hinabreichen; fremdartige Götter-, Menschen- und Ortsnamen begegnen überall. Aber so weit unser Blick reicht, dem freilich das tiefere Eindringen hier selten gewährt ist, erscheinen diese Elemente nur weichend und schwindend, wesentlich als Negation der Zivilisation oder, was hier damit uns wenigstens zusammenzufallen dünkt, der Hellenisierung. Es wird am geeigneten Platz auf einzelne Gruppen dieser Kategorie zurückzukommen sein; für die geschichtliche Entwicklung Kleinasiens in der Kaiserzeit gibt es daselbst nur zwei aktive Nationalitäten, die beiden zuletzt eingewanderten, in den Anfängen der geschichtlichen Zeit die Hellenen und während der Wirren der Diadochenzeit die Kelten.

Die Geschichte der kleinasiatischen Hellenen, soweit sie ein Teil der römischen ist, ist früher dargelegt worden. In der fernen Zeit, wo die Küsten des Mittelmeers zuerst befahren und besiedelt wurden und die Welt anfing unter die vorgeschrittenen Nationen auf Kosten der zurückgebliebenen aufgeteilt zu werden, hatte die Hochflut der hellenischen Auswanderung sich zwar über alle Ufer des Mittelländischen Meeres, aber doch nirgend hin, selbst nicht nach Italien und Sizilien in so breitem Strom ergossen wie über das Inselreiche Ägäische Meer und die nahe, hafenreiche, liebliche Küste Vorderasiens. Die vorderasiatischen Griechen hatten dann selbst vor allen übrigen sich tätig an der weiteren Welteroberung beteiligt, von Miletos aus die Küsten des Schwarzen Meeres, von Phokäa und Knidos aus die der Westsee besiedeln helfen. In Asien ergriff die hellenische Zivilisation wohl die Bewohner des Binnenlandes, die Myser, Lydier, Karer, Lykier, und selbst die persische Großmacht blieb von ihr nicht unberührt. Aber die Hellenen selber besaßen nichts als den Küstensaum, höchstens mit Einschluß des unteren Laufs der größeren Flüsse, und die Inseln. Kontinentale Eroberung und eigene Landmacht vermochten sie hier gegenüber den mächtigen einheimischen Fürsten nicht zu gewinnen; auch lud das hochgelegene und großenteils wenig kulturfähige Binnenland Kleinasiens nicht so wie die Küsten zur Ansiedelung ein, und die Verbindungen dieser mit dem Innern sind schwierig. Wesentlich in Folge dessen brachten es die asiatischen Hellenen noch weniger als die europäischen zur inneren Einigung und zur eigenen Großmacht und lernten früh die Fügsamkeit gegenüber den Herren des Kontinents. Der national hellenische Gedanke kam ihnen erst von Athen; sie wurden dessen Bundesgenossen nur nach dem Siege und blieben es nicht in der Stunde der Gefahr. Was Athen diesen Schutzbefohlenen der Nation hatte leisten wollen und nicht hatte leisten können, das vollbrachte Alexander; Hellas mußte er besiegen, Kleinasien sah in dem Eroberer nur den Befreier. Alexanders Sieg sicherte in der Tat nicht bloß das asiatische Hellenentum, sondern öffnete ihm eine weite, fast ungemessene Zukunft; die Besiedelung des Kontinents, welche im Gegensatz der bloß litoralen dieses zweite Stadium der hellenischen Welteroberung bezeichnet, ergriff auch Kleinasien in bedeutendem Umfang. Doch von den Knotenpunkten der neuen Staatenbildung kam keiner nach den alten Griechenstädten der KüsteHätte der Staat des Lysimachos Bestand gehabt, so wäre es wohl anders gekommen. Seine Gründungen Alexandreia in der Troas und Lysimacheia, Ephesos-Arsinoe, verstärkt durch die Übersiedelung der Bewohner von Kolophon und Lebedos, liegen in der bezeichneten Richtung.. Die neue Zeit forderte wie überhaupt neue Gestaltung, so vor allem auch neue Städte, zugleich griechische Königsresidenzen und Mittelpunkte bisher ungriechischer und dem Griechentum zuzuführender Bevölkerungen. Die große staatliche Entwicklung bewegt sich um die Städte königlicher Gründung und königlichen Namens, Thessalonike, Antiocheia, Alexandreia. Mit ihren Herren hatten die Römer zu ringen; den Besitz Kleinasiens gewannen sie fast durchaus, wie man von Verwandten oder Freunden ein Landgut erwirbt, durch Vermächtnis im Testament; und wie schwer auf den also gewonnenen Landschaften zeitweise das römische Regiment gelastet hat, der Stachel der Fremdherrschaft trat hier nicht hinzu. Eine nationale Opposition hat wohl der Achämenide Mithradates den Römern in Kleinasien entgegengestellt und das römische Mißregiment die Hellenen in seine Arme getrieben; aber diese selbst haben nie etwas Ähnliches unternommen. Darum ist von diesem großen, reichen, wichtigen Besitz in politischer Hinsicht wenig zu berichten; um so weniger, als in betreff der nationalen Beziehungen der Hellenen überhaupt zu den Römern das in dem vorhergehenden Abschnitt Bemerkte wesentlich auch für die kleinasiatischen Geltung hat.

Die römische Verwaltung Kleinasiens wurde nie in systematischer Weise geordnet, sondern die einzelnen Gebiete so, wie sie zum Reich kamen, ohne wesentliche Veränderung der Grenzen als römische Verwaltungsbezirke eingerichtet. Die Staaten, welche König Attalos III. von Pergamon den Römern vermacht hatte, bilden die Provinz Asia; die ebenfalls durch Erbgang ihnen zugefallenen des Königs Nikomedes die Provinz Bithynien; das dem Mithradates Eupator abgenommene Gebiet die mit Bithynien vereinigte Provinz Pontus. Kreta wurde bei Gelegenheit des großen Piratenkrieges von den Römern besetzt; Kyrene, das gleich hier mit erwähnt werden mag, nach dem letzten Willen seines Herrschers von ihnen übernommen. Derselbe Rechtstitel gab der Republik die Insel Kypros; hinzu kam hier die notwendige Unterdrückung der Piraterie. Diese hatte auch zu der Bildung der Statthalterschaft Kilikien den Grund gelegt; vollständig kam das Land an Rom durch Pompeius mit Syrien zugleich, und beide sind während des ersten Jahrhunderts gemeinschaftlich verwaltet worden. All dieser Länderbesitz war bereits von der Republik erworben. In der Kaiserzeit traten eine Anzahl Gebiete hinzu, welche früher nur mittelbar zum Reich gehört hatten: im Jahre 729 (25) das Königreich Galatien, mit welchem ein Teil Phrygiens, Lykaonien, Pisidien, Pamphylien vereinigt worden war; im Jahre 747 (7) die Herrschaft des Königs Deiotarus, Kastors Sohn, welche Gangra in Paphlagonien und wahrscheinlich auch Amaseia und andere benachbarte Orte umfaßte; im Jahre 17 n. Chr. das Königreich Kappadokien; im Jahre 43 das Gebiet der Konföderation der lykischen Städte; im Jahre 63 das nordöstliche Kleinasien vom Tal des Iris bis zur armenischen Grenze; Klein-Armenien und einige kleinere Fürstentümer in Kilikien wahrscheinlich durch Vespasian. Damit war die unmittelbare Reichsverwaltung in ganz Kleinasien durchgeführt. Lehnsfürstentümer blieben nur der taurische Bosporus, von. dem schon die Rede war, und Groß-Armenien, von dem der nächste Abschnitt handeln wird.

Als bei dem Eintreten des Kaiserregiments die administrative Scheidung zwischen ihm und dem des Reichsrats getroffen ward, kam das gesamte kleinasiatische Gebiet, so weit es damals unmittelbar unter dem Reiche stand, an den letzteren; die Insel Kypros, die anfangs unter kaiserliche Verwaltung gelangt war, ging ebenfalls wenige Jahre später an den Senat über. So entstanden hier die vier senatorischen Statthalterschaften Asia, Bithynia und Pontus, Kypros, Kreta und Kyrene. Unter kaiserlicher Verwaltung stand anfangs nur Kilikien als Teil der syrischen Provinz. Aber die später in unmittelbare Reichsverwaltung gelangten Gebiete wurden hier wie im ganzen Reich unter kaiserliche Statthalter gelegt; so ward noch unter Augustus aus den binnenländischen Landschaften des Galatischen Reiches die Provinz Galatien gebildet und die Küstenlandschaft Pamphylien einem anderen Statthalter überwiesen, welchem letzteren unter Claudius weiter Lykien unterstellt ward. Ferner ward Kappadokien kaiserliche Statthalterschaft unter Tiberius. Auch blieb natürlich Kilikien, als es eigene Statthalter erhielt, unter kaiserlicher Verwaltung. Abgesehen davon, daß Hadrian die wichtige Provinz Bithynien und Pontus gegen die unbedeutende lykisch-pamphylische eintauschte, blieb diese Ordnung in Kraft, bis gegen das Ende des 3. Jahrhunderts die senatorische Mitverwaltung überhaupt bis auf geringe Überreste beseitigt ward. Die Grenze ward in der ersten Kaiserzeit durchaus durch die Lehnsfürstentümer gebildet; nach deren Einziehung berührte die Reichsgrenze, von Kyrene abgesehen, unter allen diesen Verwaltungsbezirken nur der kappadokische, insofern diesem damals auch die nordöstliche Grenzlandschaft bis hinauf nach Trapezunt zugeteilt warNirgends haben die Grenzen der Lehnstaaten und selbst der Provinzen mehr gewechselt als im nordöstlichen Kleinasien. Die unmittelbare Reichsverwaltung trat hier für die Landschaften des Königs Polemon, wozu Zela, Neocaesarea, Trapezus gehörten, im Jahre 63 ein, für Klein-Armenien, wir wissen nicht genau wann, wahrscheinlich im Anfang der Regierung Vespasians. Der letzte Lehnskönig von Klein-Armenien, dessen gedacht wird, ist der Herodeer Aristobulos (Tac. ann. 13, 7; 14, 26; Ios. ant. Iud. 20, 8, 4), der es noch im Jahre 60 besaß; im Jahre 75 war die Landschaft römisch (CIL III, 306), und wahrscheinlich hat die eine der seit Vespasian in Kappadokien garnisonierenden Legionen von Anfang an in dem klein-armenischen Satala gestanden. Vespasian hat die genannten Landschaften so wie Galatien und Kappadokien zu einer großen Statthalterschaft vereinigt. Am Ende der Domitianischen Regierung finden wir Galatien und Kappadokien getrennt und die nordöstlichen Provinzen zu Galatien gelegt. Unter Traian ist zuerst wiederum der ganze Bezirk in einer Hand, späterhin (Eph. epigr. V, n. 1345) in der Weise geteilt, daß die nordöstliche Küste zu Kappadokien gehört. Dabei ist es wenigstens insoweit geblieben, daß Trapezunt, und also auch Klein-Armenien, fortan beständig unter diesem Statthalter gestanden hat. Also hatte, von einer kurzen Unterbrechung unter Domitian abgesehen, der Legat von Galatien nichts mit der Grenzverteidigung zu tun und ist diese, wie es auch in der Sache liegt, stets mit dem Kommando Kappadokiens und seiner Legionen vereinigt gewesen.; und auch diese Statthalterschaft grenzte nicht mit dem eigentlichen Ausland, sondern im Norden mit den abhängigen Völkerschaften am Phasis, weiterhin mit dem von Rechts wegen und einigermaßen auch tatsächlich zum Reiche gehörigen Lehnskönigtum Armenien.

Um von den Zuständen und der Entwicklung Kleinasiens in den drei ersten Jahrhunderten unserer Zeitrechnung eine Vorstellung zu gewinnen, soweit dies bei einem aus unserer unmittelbaren geschichtlichen Überlieferung gänzlich ausfallenden Lande möglich ist, wird bei dem konservativen Charakter des römischen Provinzialregiments an die älteren Gebietsteilungen und die Vorgeschichte der einzelnen Landschaften anzuknüpfen sein.

Die Provinz Asia ist das alte Reich der Attaliden, Vorderasien bis nördlich zur bithynischen, südlich zur lykischen Grenze; die anfangs davon abgetrennten östlichen Striche, das große Phrygien, waren schon in republikanischer Zeit wieder dazu geschlagen worden, und die Provinz reichte seitdem bis an die Landschaft der Galater und die pisidischen Gebirge. Auch Rhodus und die übrigen kleineren Inseln des Ägäischen Meeres gehörten zu diesem Sprengel. Die ursprüngliche hellenische Ansiedlung hatte außer den Inseln und der eigentlichen Küste auch die unteren Täler der größeren Flüsse besetzt; Magnesia am Sipylos im Hermostal, das andere Magnesia und Tralleis im Tal des Mäandros waren schon vor Alexander als griechische Städte gegründet oder doch griechische Städte geworden; die Karer, Lyder, Myser wurden früh wenigstens zu Halbhellenen. Die eintretende Griechenherrschaft fand in den Küstenlandschaften nicht viel zu tun; Smyrna, das vor Jahrhunderten von den Barbaren des Binnenlandes zerstört worden war, erhob sich damals aus seinen Trümmern, um rasch wieder einer der ersten Sterne des glänzenden kleinasiatischen Städteringes zu werden; und wenn der Wiederaufbau von Ilion an dem Grabhügel Hektors mehr ein Werk der Pietät als der Politik war, so war die Anlage von Alexandreia an der Küste der Troas von bleibender Bedeutung. Pergamon im Tal des Kaïkos blühte auf als Residenz der Attaliden.

In dem großen Werk der Hellenisierung des Binnenlandes dieser Provinz wetteiferten, Alexanders Intentionen entsprechend, alle hellenischen Regierungen, Lysimachos, die Seleukiden, die Attaliden. Die einzelnen Gründungen sind aus unserer Überlieferung noch mehr verschwunden als die Kriegsläufte der gleichen Epoche; wir sind hauptsächlich angewiesen auf die Namen und die Beinamen der Städte; aber auch diese genügen, um die allgemeinen Umrisse dieser Jahrhunderte hindurch sich fortsetzenden und dennoch homogenen und zielbewußten Tätigkeit zu erkennen. Eine Reihe binnenländischer Ortschaften, Stratonikeia in Karien, Peltae, Blaundos, Dokimeion, Kadoi in Phrygien, die Mysomakedonier im Bezirk von Ephesos, Thyateira, Hyrkania, Nakrasa im Hermosgebiet, die Askylaken im Bezirk von Adramytion werden in Urkunden oder sonstigen glaubwürdigen Zeugnissen als Makedonierstädte bezeichnet; und diese Erwähnungen sind so zufälliger Art und die Ortschaften teilweise so unbedeutend, daß die gleiche Bezeichnung sicher auf eine große Anzahl anderer Niederlassungen in dieser Gegend sich erstreckt hat und wir schließen dürfen auf eine ausgedehnte, wahrscheinlich mit dem Schutz Vorderasiens gegen die Galater und Pisidier zusammenhängende Ansiedlung griechischer Soldaten in den bezeichneten Gegenden. Wenn ferner die Münzen der ansehnlichen phrygischen Stadt Synnada mit ihrem Stadtnamen den der Ioner und der Dorer sowie den des gemeinen Zeus (Ζεύς πάνδημος) verbinden, so muß einer der Alexandriden die Griechen insgemein aufgefordert haben, hier sich niederzulassen; und auch dies beschränkte sich gewiß nicht auf diese einzelne Stadt. Die zahlreichen Städte hauptsächlich des Binnenlandes, deren Namen auf die Königshäuser der Seleukiden oder der Attaliden zurückgehen oder die sonst griechisch benannt sind, sollen hier nicht aufgeführt werden; es befinden sich namentlich unter den sicher von den Seleukiden gegründeten oder reorganisierten Städten mehrere der in späterer Zeit blühendsten und gesittetsten des Binnenlandes, zum Beispiel im südlichen Phrygien Laodikeia und vor allem Apameia, das alte Kelaenae an der großen Heerstraße von der Westküste Kleinasiens zum mittleren Euphrat, schon in persischer Zeit das Entrepôt für diesen Verkehr und unter Augustus nach Ephesos die bedeutendste Stadt der Provinz Asia. Wenn auch nicht jede Beilegung eines griechischen Namens mit Ansiedlung griechischer Kolonisten verbunden gewesen sein wird, so werden wir doch einen beträchtlichen Teil dieser Ortschaften den griechischen Pflanzstädten beizählen dürfen. Aber auch die städtischen Ansiedlungen nichtgriechischen Ursprungs, die die Alexandriden vorfanden, lenkten von selber in die Bahnen der Hellenisierung ein, wie denn die Residenz des persischen Statthalters, Sardes, noch von Alexander selbst als griechisches Gemeinwesen geordnet ward.

Diese städtische Entwicklung war vollzogen, als die Römer die Herrschaft über Vorderasien antraten; sie selber haben sie nicht in intensiver Weise gefördert. Daß eine große Anzahl der Stadtgemeinden in der östlichen Hälfte der Provinz ihre Jahre von dem der Stadt 670 (84) zählen, kommt daher, daß damals nach Beendigung des Mithradatischen Krieges diese Bezirke durch Sulla unter unmittelbar römische Verwaltung kamen; Stadtrecht haben diese Ortschaften nicht erst damals erhalten. Augustus hat die Stadt Parium am Hellespont und die schon erwähnte Alexandreia in Troas mit Veteranen seiner Armee besetzt und beiden die Rechte der römischen Bürgergemeinden beigelegt; letztere ist seitdem in dem griechischen Asien eine italische Insel gewesen wie Korinth in Griechenland und Berylos in Syrien. Aber dies war nichts als Soldatenversorgung; von eigentlicher Städtegründung in der römischen Provinz Asien unter den Kaisern ist wenig die Rede. Unter den nicht zahlreichen nach Kaisern benannten Städten daselbst ist vielleicht nur von Sebaste und Tiberiopolis, beide in Phrygien, und von Hadrianoi an der bithynischen Grenze kein älterer Stadtname nachzuweisen. Hier, in der Berglandschaft zwischen dem Ida und dem Olymp, hauste Kleon in der Triumviralzeit, ein gewisser Tilliboros unter Hadrian, beide halb Räuberhauptleute, halb Volksfürsten, von denen jener selbst in der Politik eine Rolle gespielt hat; in dieser Freistatt der Verbrecher war die Gründung einer geordneten Stadtgemeinde durch Hadrian allerdings eine Wohltat. Sonst blieb in dieser Provinz, mit ihren fünfhundert Stadtgemeinden der städtereichsten des ganzen Staates, in dieser Hinsicht wohl nicht mehr viel zu stiften übrig, höchstens etwa zu teilen, das heißt die faktisch zu einer Stadtgemeinde sich entwickelnden Flecken aus dem früheren Gemeindeverbande zu lösen und selbständig zu machen, wie wir einen Fall der Art in Phrygien unter Konstantin I. nachweisen können. Aber von der eigentlichen Hellenisierung waren die abgelegenen Gebiete noch weit entfernt, als das römische Regiment begann; insbesondere in Phrygien behauptete sich die vielleicht der armenischen gleichartige Landessprache. Wenn aus dem Fehlen griechischer Münzen und griechischer Inschriften nicht mit Sicherheit auf das Fehlen der Hellenisierung geschlossen werden darfDie städtische Münzprägung und die Inschriftsetzung stehen unter so vielfachen Bedingungen, daß das Fehlen oder auch die Fülle der einen wie der andern nicht ohne weiteres zu Rückschlüssen auf die Abwesenheit oder die Intensität einer bestimmten Zivilisationsphase berechtigen. Für Kleinasien insbesondere ist zu beachten, daß es das gelobte Land der munizipalen Eitelkeit ist und unsere Denkmäler, auch die Münzen, zum weitaus größten Teil dadurch hervorgerufen sind, daß die Regierung der römischen Kaiser dieser freien Lauf ließ., so weist doch die Tatsache, daß die phrygischen Münzen fast durchaus der römischen Kaiserzeit, die phrygischen Inschriften der großen Mehrzahl nach der späteren Kaiserzeit angehören, darauf hin, daß in die entlegenen und der Zivilisation schwer zugänglichen Gegenden der Provinz Asia die hellenische Gesittung soweit überhaupt, überwiegend erst unter den Kaisern den Weg fand. Zu unmittelbarem Eingreifen der Reichsverwaltung bot dieser im Stillen sich vollziehende Prozeß wenig Gelegenheit und Spuren solchen Eingreifens vermögen wir nicht nachzuweisen. Freilich war Asia eine senatorische Provinz, und daß dem Senatsregiment jede Initiative abging, mag auch hier in Betracht kommen.

Syrien und mehr noch Ägypten gehen auf in ihren Metropolen; die Provinz Asien und Kleinasien überhaupt hat keine einzelne Stadt aufzuweisen gleich Antiocheia und Alexandreia, sondern sein Gedeihen ruht auf den zahlreichen Mittelstädten. Die Einteilung der Städte in drei Klassen, welche sich unterscheiden im Stimmrecht auf dem Landtag, in der Repartition der von der ganzen Provinz aufzubringenden Leistungen, selbst in der Zahl der anzustellenden Stadtärzte und städtischen Lehrer"Die Verordnung", sagt der Jurist Modestinus, der sie referiert (dig. 27, 1, 6, 3), "interessiert alle Provinzen, obwohl sie an die Asiaten gerichtet ist." Auch paßt sie in der Tat nur da, wo es Städteklassen gibt, und der Jurist fügt eine Anweisung hinzu, wie sie auf anders geordnete Provinzen anzuwenden sei. Was der Biograph des Pius (c. 11) über die von Pius den Rhetoren gewährten Auszeichnungen und Gehalte berichtet, hat mit dieser Verfügung nichts zu schaffen., ist vorzugsweise diesen Landschaften eigen. Auch die städtischen Rivalitäten, die in Kleinasien so energisch und zum Teil so kindisch, gelegentlich auch so gehässig hervortreten, wie zum Beispiel der Krieg zwischen Severus und Niger in Bithynien eigentlich ein Krieg der beiden rivalisierenden Kapitalen Nikomedeia und Nikäa war, gehören zum Wesen zwar der hellenischen Politien überhaupt, insbesondere aber der kleinasiatischen. Des Wetteifers um die Kaisertempel werden wir weiterhin gedenken; in ähnlicher Weise war die Rangfolge der städtischen Deputationen bei den gemeinschaftlichen Festen in Kleinasien eine Lebensfrage – Magnesia am Mäander nennt sich auf den Münzen die "siebente Stadt von Asia" – und vor allem der erste Platz war ein so begehrter, daß die Regierung schließlich sich dazu verstand, mehrere erste Städte zuzulassen. Ähnlich ging es mit der Metropolenbezeichnung. Die eigentliche Metropole der Provinz war Pergamon, die Residenz der Attaliden und der Sitz des Landtags. Aber Ephesos, die faktische Hauptstadt der Provinz, wo der Statthalter verpflichtet war, sein Amt anzutreten, und das auch dieses "Landungsrechts" auf seinen Münzen sich berühmt, Smyrna, mit dem ephesischen Nachbar in steter Rivalität und dem legitimen Erstenrecht der Ephesier zum Trotz auf den Münzen sich nennend "die erste an Größe und Schönheit", das uralte Sardeis, Kyzikos und andere mehr strebten nach dem gleichen Ehrenrechte. Mit diesen ihren Quengeleien, wegen deren regelmäßig der Senat und der Kaiser angegangen wurden, den "griechischen Dummheiten", wie man in Rom zu sagen pflegte, waren die Kleinasiaten der stehende Verdruß und das stehende Gespött der vornehmen RömerVortrefflich setzt Dion von Prusa in seinen Ansprachen an die Bürger von Nikomedeia und von Tarsos auseinander, daß kein gebildeter Mann für sich solche leere Bezeichnungen haben möchte und die Titelsucht für die Städte geradezu unbegreiflich sei; wie es das Zeichen der richtigen Kleinstädterei sei, sich solche Rangbescheinigungen ausstellen zu lassen; wie der schlechte Statthalter durch diesen Städtehader sich immer decke, da Nikäa und Nikomedeia nie unter sich zusammenhielten. "Die Römer gehen mit euch um wie mit Kindern, denen man geringes Spielzeug schenkt; Mißhandlungen nehmt ihr hin, um Namen zu bekommen; sie nennen eure Stadt die erste, um sie als die letzte zu behandeln. Den Römern seid ihr damit zum Gelächter geworden und sie nennen das 'griechische Dummheiten' (Ελληνικά αμαρτήματα).".

Nicht auf der gleichen Höhe wie das Attalidenreich befand sich Bithynien. Die ältere griechische Kolonisierung hatte sich hier lediglich auf die Küste beschränkt. In der hellenistischen Epoche hatten anfangs die makedonischen Herrscher, später die völlig deren Wege wandelnde einheimische Dynastie neben der im Ganzen wohl auf Umnennung hinauslaufenden Einrichtung der Küstenorte einigermaßen auch das Binnenland erschlossen, namentlich durch die beiden glücklich gediehenen Anlagen von Nikäa (Isnik) und Prusa am Olymp (Brussa); von der ersteren wird hervorgehoben, daß die ersten Ansiedler von guter makedonischer und hellenischer Herkunft gewesen seien. Aber in der Intensität der Hellenisierung stand das Reich des Nikomedes weit zurück hinter dem des Bürgerfürsten von Pergamon; insonderheit das östliche Binnenland kann vor Augustus nur wenig besiedelt gewesen sein. Dies ward in der Kaiserzeit anders. In augustischer Zeit baute ein glücklicher Räuberhauptmann, der sich zur Ordnung bekehrte, an der galatischen Grenze die gänzlich herabgekommene Ortschaft Gordiu Kome unter dem Namen Iuliopolis wieder auf; in derselben Gegend sind die Städte Bithynion-Claudiopolis und Krateia-Flaviopolis wahrscheinlich im Laufe des ersten Jahrhunderts zu griechischem Stadtrecht gelangt. Überhaupt hat in Bithynien der Hellenismus unter der Kaiserzeit einen mächtigen Aufschwung genommen, und der derbe thrakische Schlag der Eingeborenen gab ihm eine gute Grundlage. Daß unter den in großer Anzahl bekannten Schriftsteinen dieser Provinz nicht mehr als vier der vorrömischen Zeit angehören, wird nicht allein daraus erklärt werden können, daß die städtische Ambition erst unter den Kaisern großgezogen worden ist. In der Literatur der Kaiserzeit gehören eine Anzahl der besten und von der wuchernden Rhetorik am wenigsten erfaßten Schriftsteller, wie der Philosoph Dion von Prusa, die Historiker Memnon von Herakleia, Arrhianos aus Nikomedeia, Cassius Dion von Nikäa, nach Bithynien.

Die östliche Hälfte der Südküste des Schwarzen Meeres, die römische Provinz Pontus, hat zur Grundlage denjenigen Teil des Reiches Mithradats, den Pompeius sofort nach dem Siege in unmittelbaren Besitz nahm. Die zahlreichen kleinen Fürstentümer, welche im paphlagonischen Binnenland und östlich davon bis zur armenischen Grenze Pompeius gleichzeitig vergab, wurden nach kürzerem oder längerem Bestand bei ihrer Einziehung teils derselben Provinz zugelegt, teils zu Galatien oder Kappadokien geschlagen. Das ehemalige Reich des Mithradates war sowohl von dem älteren wie von dem jüngeren Hellenismus bei weitem weniger als die westlichen Landschaften berührt worden. Als die Römer dieses Gebiet mittelbar oder unmittelbar in Besitz nahmen, gab es griechisch geordnete Städte dort strenggenommen nicht; Amaseia, die alte Residenz der pontischen Achämeniden und immer ihre Grabstadt, war dies nicht; die beiden alten griechischen Küstenstädte Amisos und das einst über das Schwarze Meer gebietende Sinope waren königliche Residenzen geworden, und auch den wenigen von Mithradates angelegten Ortschaften, zum Beispiel Eupatoria, wird schwerlich griechische Politie gegeben worden sein. Hier aber war, wie schon früher ausgeführt ward, die römische Eroberung zugleich die Hellenisierung; Pompeius organisierte die Provinz in der Weise, daß er die elf Hauptortschaften derselben zu Städten machte und unter sie das Gebiet verteilte. Allerdings ähnelten diese künstlich geschaffenen Städte mit ihren ungeheuren Bezirken – der von Sinope hatte an der Küste eine Ausdehnung von sechzehn deutschen Meilen und grenzte am Halys mit dem amisenischen – mehr den keltischen Gauen als den eigentlich hellenischen und italischen Stadtgemeinden. Aber es wurden doch damals Sinope und Amisos in ihre alte Stellung wieder eingesetzt und andere Städte im Binnenland, wie Pompeiopolis, Nikopolis, Megalopolis, das spätere Sebasteia, ins Leben gerufen. Sinope erhielt durch den Diktator Caesar das Recht der römischen Kolonie und ohne Zweifel auch italische Ansiedler. Wichtiger für die römische Verwaltung ward Trapezus, eine alte Kolonie von Sinope; die Stadt, die im Jahre 63 zur Provinz Kappadokien geschlagen ward, war wie der Standort der römischen Pontusflotte so auch gewissermaßen die Operationsbasis für das Truppenkorps dieser Provinz, das einzige in ganz Kleinasien.

Das binnenländische Kappadokien war seit der Einrichtung der Provinzen Pontus und Syrien in römischer Gewalt; über die Einziehung desselben im Anfang der Regierung des Tiberius, welche zunächst veranlaßt ward durch den Versuch Armeniens, sich der römischen Lehnsherrschaft zu entwinden, wird in dem folgenden Abschnitt zu berichten sein. Der Hof und was unmittelbar damit zusammenhing, hatte sich hellenisiert, etwa so, wie die deutschen Höfe des 18. Jahrhunderts sich dem französischen Wesen zuwandten. Die Hauptstadt Caesarea, das alte Mazaka, gleich dem phrygischen Apameia eine Zwischenstelle des großen Verkehrs zwischen den Häfen der Westküste und den Euphratländern und in römischer Zeit wie noch heute eine der blühendsten Handelsstädte Kleinasiens, war auf Pompeius' Veranlassung nach dem Mithradatischen Kriege nicht bloß wieder aufgebaut, sondern wahrscheinlich damals auch mit Stadtrecht nach griechischer Art ausgestattet worden. Kappadokien selbst war im Anfang der Kaiserzeit schwerlich mehr griechisch als Brandenburg und Pommern unter Friedrich dem Großen französisch. Als das Land römisch ward, zerfiel es nach den Angaben des gleichzeitigen Strabon nicht in Stadtbezirke, sondern in zehn Ämter, von denen nur zwei Städte hatten, die schon genannte Hauptstadt und Tyana; und diese Ordnung ist hier im Großen und Ganzen so wenig verändert worden wie in Ägypten, wenn auch einzelne Ortschaften späterhin griechisches Stadtrecht empfingen, zum Beispiel Kaiser Marcus aus dem kappadokischen Dorf, in dem seine Gemahlin gestorben war, die Stadt Faustinopolis machte. Griechisch freilich sprachen die Kappadokier jetzt; aber die Studierenden aus Kappadokien hatten auswärts viel zu leiden wegen ihres groben Akzents und ihrer Fehler in Aussprache und Betonung, und wenn sie attisch reden lernten, fanden die Landsleute ihre Sprache affektiertPausanias aus Caesarea rückt bei Philostratos (vit. soph. 2, 13) dem Herodes Attikos seine Fehler vor: παχεία τή γλώττη κα'ι ως Καππαδόκαις ξύνηθες, ξυγκρούων μέν τά σύμφωνα ιών στοιχείων, συστέλλων δέ τά μηκυνόμενα καί μηκύνων τά βραχέα. Vita Apoll. 1, 7: η γλώττα Αττικώς είχεν, ουδ' απήχθη τήν φωνήν υπό τού έθνους.. Erst in der christlichen Zeit gaben die Studiengenossen des Kaisers Julian, Gregorios von Nazianzos und Basilios von Caesarea, dem kappadokischen Namen einen besseren Klang.

Die lykischen Städte in ihrem abgeschlossenen Berglande öffneten ihre Küste der griechischen Ansiedlung nicht, aber schlossen sich darum doch nicht gegen den hellenischen Einfluß ab. Lykien ist die einzige kleinasiatische Landschaft, in welcher die frühe Zivilisierung die Landessprache nicht beseitigt hat, und welche, fast wie die Römer, in griechisches Wesen einging, ohne sich äußerlich zu hellenisieren. Es bezeichnet ihre Stellung, daß die lykische Konföderation als solche dem attischen Seebund sich angeschlossen und an die athenische Vormacht ihren Tribut entrichtet hat. Die Lykier haben nicht bloß ihre Kunst nach hellenischen Mustern geübt, sondern wohl auch ihre politische Ordnung früh in gleicher Weise geregelt. Die Umwandlung des einst Rhodos untertänigen, aber nach dem Dritten Makedonischen Krieg unabhängig gewordenen Städtebundes in eine römische Provinz, welche wegen des endlosen Haders unter den Verbündeten von Kaiser Claudius verfügt ward, wird das Vordringen des Hellenismus gefördert haben; im Verlauf der Kaiserzeit sind dann die Lykier vollständig zu Griechen geworden.

Die pamphylischen Küstenstädte, wie Aspendos und Perge, griechische Gründungen der ältesten Zeit, später sich selbst überlassen und unter günstigen Verhältnissen gedeihlich entwickelt, hatten das älteste Hellenentum in einer Weise sei es konserviert, sei es aus sich heraus eigenartig gestaltet, daß die Pamphylier nicht viel weniger als die benachbarten Lykier in Sprache und Schrift als selbständige Nation gelten konnten. Als dann Asien den Hellenen gewonnen ward, fanden sie allmählich den Rückweg wie in die gemeine griechische Zivilisation so auch in die allgemeine politische Ordnung. Die Herren in dieser Gegend wie an der benachbarten kilikischen Küste waren in hellenistischer Zeit teils die Ägypter, deren Königshaus verschiedenen Ortschaften in Pamphylien und Kilikien den Namen gegeben hat, teils die Seleukiden, nach denen die bedeutendste Stadt Westkilikiens Seleukeia am Kalykadnos heißt, teils die Pergamener, von deren Herrschaft Attaleia (Adalia) in Pamphylien zeugt. Dagegen hatten die Völkerschaften in den Gebirgen Pisidiens, Isauriens und Westkilikiens bis auf den Beginn der Kaiserzeit ihre Unabhängigkeit der Sache nach behauptet. Hier ruhten die Fehden nie. Nicht bloß zu Lande hatten die zivilisierten Regierungen stets mit den Pisidiern und ihren Genossen zu schaffen, sondern es betrieben dieselben namentlich von dem westlichen Kilikien aus, wo die Gebirge unmittelbar an das Meer treten, noch eifriger als den Landraub das Gewerbe der Piraterie. Als bei dem Verfall der ägyptischen Seemacht die Südküste Kleinasiens völlig zur Freistatt der Seeräuber ward, traten die Römer ein und richteten die Provinz Kilikien, welche die pamphylische Küste mit umfaßte oder doch umfassen sollte, der Unterdrückung des Seeraubs wegen ein. Aber was sie taten, zeigte mehr, was hätte geschehen sollen, als daß wirklich etwas erreicht ward; die Intervention erfolgte zu spät und zu unstetig. Wenn auch einmal ein Schlag gegen die Korsaren geführt ward und römische Truppen selbst in die isaurischen Gebirge eindrangen und tief im Binnenland die Piratenburgen brachen, zu rechter dauernder Festsetzung in diesen von ihr widerwillig annektierten Distrikten kam die römische Republik nicht. Hier blieb dem Kaisertum noch alles zu tun übrig. Antonius, wie er den Orient übernahm, beauftragte einen tüchtigen galatischen Offizier, den Amyntas, mit der Unterwerfung der widerspenstigen pisidischen LandschaftAmyntas wurde noch im Jahre 715, bevor Antonius nach Asien zurückging über die Pisidier gesetzt (App. civ. 5, 75), ohne Zweifel weil diese wieder einmal einen ihrer Raubzüge unternommen hatten. Daraus, daß er dort zuerst herrschte, erklärt es sich auch, daß er sich in Isaura seine Residenz baute (Strab. 12, 6, 3, p. 569). Galatien kam zunächst an die Erben des Deiotarus (Dio 48, 33). Erst im Jahre 718 erhielt Amyntas Galatien, Lykaonien und Pamphylien (Dio 49, 32)., und als dieser sich bewährteDaß dies die Ursache war, weshalb diese Gegenden nicht unter römische Statthalter gelegt wurden, sagt Strabon (14, 5, 5 p. 671), der nach Zeit und Ort diesen Verhältnissen nahestand, ausdrücklich: εδόκει πρός άπαν τό τοιούτο (für die Unterdrückung der Räuber und der Piraten) βασιλευέσθαι μάλλον τούς τόπους ή θπό τοίς Ρωμαίοις ηγεμόσιν είναι τοίς επί τάς κρίσεις πεμπομένοις, οι μήτ' αεί παρείναι έμελλον (wegen der Bereisung der conventus) μήτε μεθ' όπλον (die allerdings dem späteren Legaten von Galatien fehlten)., machte er denselben zum König von Galatien, der militärisch bestgeordneten und schlagfertigsten Landschaft Kleinasiens, und erstreckte zugleich sein Regiment von da bis zur Südküste, also auf Lykaonien, Pisidien, Isaurien, Pamphylien und Westkilikien, während die zivilisierte Osthälfte Kilikiens bei Syrien blieb. Auch als Augustus nach der Aktischen Schlacht die Herrschaft im Orient antrat, ließ er den keltischen Fürsten in seiner Stellung. Derselbe machte auch wesentliche Fortschritte sowohl in der Unterdrückung der schlimmen, in den Schlupfwinkeln des westlichen Kilikiens hausenden Korsaren wie auch in der Ausrottung der Landräuber, tötete einen der schlimmsten dieser Raubherren, den Herrn von Derbe und Laranda im südlichen Lykaonien, Antipatros, baute in Isauria sich seine Residenz und schlug die Pisidier nicht bloß hinaus aus dem angrenzenden phrygischen Gebiet, sondern fiel in ihr eigenes Land ein und nahm im Herzen desselben Kremna. Aber nach einigen Jahren (729 25) verlor er das Leben auf einem Zug gegen einen der westkilikischen Stämme, die Homonadenser; nachdem er die meisten Ortschaften genommen hatte und ihr Fürst gefallen war, kam er um durch einen von dessen Gattin gegen ihn gerichteten Anschlag. Nach dieser Katastrophe übernahm Augustus selbst das schwere Geschäft der Pazifikation des inneren Kleinasiens. Wenn er dabei, wie schon bemerkt ward, das kleine pamphylische Küstenland einem eigenen Statthalter zuwies und es von Galatien trennte, so ist dies offenbar deswegen geschehen, weil das zwischen der Küste und der galatisch-lykaonischen Steppe liegende Gebirgsland so wenig botmäßig war, daß die Verwaltung des Küstengebiets nicht füglich von Galatien aus geführt werden konnte. Römische Truppen wurden nach Galatien nicht gelegt; doch wird das Aufgebot der kriegerischen Galater mehr zu bedeuten gehabt haben als bei den meisten Provinzialen. Auch hatten, da das westliche Kilikien damals unter Kappadokien gelegt ward, die Truppen dieses Lehnsfürsten sich an der Arbeit zu beteiligen. Die Züchtigung zunächst der Homonadenser führte die syrische Armee aus; der Statthalter Publius Sulpicius Quirinius rückte einige Jahre später in ihr Gebiet, schnitt ihnen die Zufuhr ab und zwang sie, sich in Masse zu unterwerfen, worauf sie in die umliegenden Ortschaften verteilt und ihr ehemaliges Gebiet wüst gelegt wurde. Ähnliche Züchtigungen erfuhren in den Jahren 36 und 52 die Kliten, ein anderer, in dem westlichen Kilikien näher an der Küste sitzender Stamm; da sie dem von Rom ihnen gesetzten Lehnsfürsten den Gehorsam verweigerten und das Land wie die See brandschatzten, und da die sogenannten Landesherren mit ihnen nicht fertig werden konnten, kamen beide Male die Reichstruppen aus Syrien herbei, um sie zu unterwerfen. Diese Nachrichten haben sich zufällig erhalten; sicher sind zahlreiche ähnliche Vorgänge verschollen.

Aber auch im Wege der Besiedelung griff Augustus die Pazifikation dieser Landschaft an. Die hellenistischen Regierungen hatten dieselbe sozusagen isoliert, nicht bloß an der Küste überall Fuß behalten oder gefaßt, sondern auch im Nordwesten eine Reihe von Städten gegründet, an der phrygischen Grenze Apollonia angeblich von Alexander selbst angelegt, Seleukeia Siderus und Antiocheia, beide aus der Seleukidenzeit, ferner in Lykaonien Laodikeia Katakekaumene und die wohl auch in der gleichen Zeit entstandene Hauptstadt dieser Landschaft Ikonion. Aber in dem eigentlichen Bergland findet sich keine Spur hellenistischer Niederlassung; und noch weniger hat der römische Senat sich an diese schwierige Aufgabe gemacht. Augustus tat es; hier, und nur hier im ganzen griechischen Osten, begegnet eine Reihe von Kolonien römischer Veteranen, offenbar bestimmt, dieses Gebiet der friedlichen Ansiedlung zu erobern. Von den eben genannten älteren Ansiedlungen wurde Antiocheia mit Veteranen belegt und römisch reorganisiert, neu angelegt in Lykaonien Parlais und Lystra, in Pisidien selbst das schon genannte Kremna so wie weiter südlich Olbasa und Komama. Die späteren Regierungen setzten die begonnene Arbeit nicht mit gleicher Energie fort; doch wurde unter Claudius das eiserne Seleukeia Pisidiens zum claudischen gemacht, ferner im westkilikischen Binnenland Claudiopolis und nicht weit davon, vielleicht gleichzeitig, Germanicopolis ins Leben gerufen, auch Ikonion, in Augustus' Zeit ein kleiner Ort, zu bedeutender Entwicklung gebracht. Die neu gegründeten Städte blieben freilich unbedeutend, schränkten aber doch den Spielraum der freien Gebirgsbewohner in namhafter Weise ein, und der Landfriede muß endlich auch hier seinen Einzug gehalten haben. Sowohl die Ebene und die Bergterrassen Pamphyliens wie die Bergstädte Pisidiens selbst, zum Beispiel Selge und Sagalassos, waren während der Kaiserzeit gut bevölkert und das Gebiet sorgfältig angebaut; die Reste mächtiger Wasserleitungen und auffallend großer Theater, sämtlich Anlagen aus der römischen Kaiserzeit, zeigen zwar nur handwerksmäßige Technik, aber Spuren eines reich entwickelten friedlichen Gedeihens. Ganz freilich ward die Regierung des Raubwesens in diesen Landschaften niemals Herr, und wenn in der früheren Kaiserzeit die Heimsuchungen sich in mäßigen Grenzen hielten, traten die Banden hier in den Wirren des dritten Jahrhunderts abermals als kriegführende Macht auf. Sie gehen jetzt unter dem Namen der Isaurer und haben ihren hauptsächlichen Sitz in den Gebirgen Kilikiens, von wo aus sie Land und Meer brandschatzen. Erwähnt werden sie zuerst unter Severus Alexander. Daß sie unter Gallienus ihren Räuberhauptmann zum Kaiser ausgerufen haben, wird eine Fabel sein; aber allerdings wurde unter Kaiser Probus ein solcher namens Lydios, der lange Zeit Lykien und Pamphylien geplündert hatte, in der römischen Kolonie Kremna, die er besetzt hatte, nach langer hartnäckiger Belagerung durch eine römische Armee bezwungen. In späterer Zeit finden wir um ihr Gebiet einen Militärkordon gezogen und einen eigenen kommandierenden General für die Isaurer bestellt. Ihre wilde Tapferkeit hat sogar denen von ihnen, welche bei dem byzantinischen Hof Dienste nehmen mochten, eine Zeitlang eine Stellung daselbst verschafft, wie die Makedonier sie am Hofe der Ptolemäer besessen hatten; ja einer aus ihrer Mitte, Zenon, ist als Kaiser von Byzanz gestorbenIn der großen unbenannten Ruinenstätte von Saradschik im oberen Limyrostal im östlichen Lykien (vgl. C. Ritter, Erdkunde. Bd. 19, Berlin 1859, S. 1172) steht ein bedeutender tempelförmiger Grabbau, sicher nicht älter als das 3. Jahrhundert n. Chr., an welchem in Relief zerstückelte Menschenteile, Köpfe, Arme, Beine als Embleme angebracht sind; man möchte meinen, als Wappen eines zivilisierten Räuberhauptmanns (Mitteilung von Benndorf)..

Die Landschaft Galatien endlich, in ferner Zeit die Hauptstätte der orientalischen Herrschaft über Vorderasien und in den berühmten Felsskulpturen des heutigen Boghazköi, einst der Königstadt Pteria, die Erinnerungen einer fast verschollenen Herrlichkeit bewahrend, war im Lauf der Jahrhunderte in Sprache und Sitte eine keltische Insel inmitten der Fluten der Ostvölker geworden und ist dies in der inneren Organisation auch in der Kaiserzeit geblieben. Die drei keltischen Völkerschaften, welche bei der großen Wanderung der Nation um die Zeit des Krieges zwischen Pyrrhos und den Römern in das innere Kleinasien gelangt waren und hier, wie im Mittelalter die Franken im Orient, zu einem festgegliederten Soldatenstaat sich zusammengeschlossen und nach längerem Schweifen dies- und jenseits des Halys ihre definitiven Sitze genommen hatten, hatten längst die Zeiten hinter sich, wo sie von dort aus Kleinasien brandschatzten und mit den Königen von Asia und Pergamon im Kampfe lagen, falls sie nicht als Söldner ihnen dienten; auch sie waren an der Übermacht der Römer zerschellt und ihnen in Asien nicht minder botmäßig geworden wie ihre Landsleute im Potal und an der Rhone und Seine. Aber trotz ihres mehrhundertjährigen Verweilens in Kleinasien trennte immer noch eine tiefe Kluft diese Okzidentalen von den Asiaten. Es war nicht bloß, daß sie ihre Landessprache und ihre Volksart festhielten, daß immer noch die drei Gaue jeder von seinen vier Erbfürsten regiert wurden und die von allen gemeinschaftlich beschickte Bundesversammlung in dem heiligen Eichenhain als höchste Behörde dem galatischen Lande vorstand, auch nicht, daß die ungebändigte Roheit wie die kriegerische Tüchtigkeit sie von den Nachbarn zum Nachteil wie zum Vorteil unterschied; dergleichen Gegensätze zwischen Kultur und Barbarei gab es in Kleinasien auch sonst, und die oberflächliche und äußerliche Hellenisierung, wie die Nachbarschaft, die Handelsbeziehungen, der von den Einwanderern übernommene phrygische Kultus, das Söldnertum sie im Gefolge hatten, wird in Galatien nicht viel später eingetreten sein als zum Beispiel in dem benachbarten Kappadokien. Der Gegensatz ist anderer Art: die keltische und die hellenische Invasion haben in Kleinasien konkurriert, und zu dem nationalen Gegensatz ist der Stachel der rivalisierenden Eroberung hinzugetreten. Scharf trat dies zutage in der Mithradatischen Krise: dem Mordbefehl des Mithradates gegen die Italiker ging zur Seite die Niedermetzelung des gesamten galatischen Adels und dementsprechend haben in den Kriegen gegen den orientalischen Befreier der Hellenen die Römer keinen treueren Bundesgenossen gehabt als die Galater Kleinasiens. Darum war der Erfolg der Römer auch der ihrige und gab der Sieg ihnen in den Angelegenheiten Kleinasiens eine Zeitlang eine führende Stellung. Das alte Vierfürstentum wurde, es scheint durch Pompeius, abgeschafft. Einer der neuen Gaufürsten, der in den Mithradatischen Kriegen sich am meisten bewährt hatte, Deiotarus, brachte außer seinem eigenen Gebiete Klein-Armenien und andere Stücke des ehemaligen Mithradatischen Reiches an sich und ward auch den übrigen galatischen Fürsten ein unbequemer Nachbar und der mächtigste unter den kleinasiatischen Dynasten. Nach dem Siege Caesars, dem er feindlich gegenübergestanden hatte und den er auch durch die gegen Pharnakes geleistete Hilfe nicht für sich zu gewinnen vermochte, wurden ihm die mit oder ohne Einwilligung der römischen Regierung gewonnenen Besitzungen größtenteils wieder entzogen; der Caesarianer Mithradates von Pergamon, welcher von mütterlicher Seite dem galatischen Königshaus entsprossen war, erhielt das meiste von dem, was Deiotarus verlor und wurde ihm sogar in Galatien selbst an die Seite gestellt. Aber nachdem dieser kurz darauf im Taurischen Chersones sein Ende gefunden hatte und auch Caesar selbst nicht lange nachher ermordet worden war, setzte Deiotarus sich ungeheißen wieder in den Besitz des Verlorenen, und da er der jedesmal im Orient vorherrschenden römischen Partei sich ebenso zu fügen verstand, wie sie rechtzeitig zu wechseln, starb er hochbejahrt im Jahre 714 (40) als Herr von ganz Galatien. Seine Nachkommen wurden mit einer kleinen Herrschaft in Paphlagonien abgefunden; sein Reich, noch erweitert gegen Süden hin durch Lykaonien und alles Land bis zur pamphylischen Küste, kam, wie schon gesagt ward, im Jahre 718 (36) durch Antonius an Amyntas, welcher schon in Deiotarus' letzten Jahren als dessen Sekretär und Feldherr das Regiment geführt zu haben scheint und als solcher vor der Schlacht von Philippi den Übergang von den republikanischen Feldherrn zu den Triumvirn bewirkt hatte. Seine weiteren Schicksale sind schon erzählt. An Klugheit und Tapferkeit seinem Vorgänger ebenbürtig, diente er erst dem Antonius, dann dem Augustus als hauptsächliches Werkzeug für die Pazifikation des noch nicht untertänigen kleinasiatischen Gebiets, bis er hier im Jahre 729 (25) seinen Tod fand. Mit ihm endigte das galatische Königtum und verwandelte sich dasselbe in die römische Provinz Galatien.

Gallogräker heißen die Bewohner desselben bei den Römern schon in der letzten Zeit der Republik; sie sind, fügt Livius hinzu, ein Mischvolk, wie sie heißen, und aus der Art geschlagen. Auch mußte ein guter Teil derselben von den älteren phrygischen Bewohnern dieser Landschaften abstammen. Mehr noch fällt ins Gewicht, daß die eifrige Götterverehrung in Galatien und das dortige Priestertum mit den sakralen Institutionen der europäischen Kelten nichts gemein hat; nicht bloß die Große Mutter, deren heiliges Symbol die Römer der hannibalischen Zeit von den Tolistobogern erbaten und empfingen, ist phrygischer Art, sondern auch deren Priester gehörten zum Teil wenigstens dem galatischen Adel an. Dennoch war noch in der römischen Provinz in Galatien die innere Ordnung überwiegend die keltische. Daß noch unter Pius in Galatien die dem hellenischen Recht fremde strenge väterliche Gewalt bestand, ist ein Beweis dafür aus dem Kreise des Privatrechts. Auch in den öffentlichen Verhältnissen gab es in dieser Landschaft immer noch nur die drei alten Gemeinden der Tektosagen, der Tolistoboger, der Trokmer, die wohl ihren Namen die der drei Hauptörter Ankyra, Pessinus und Tauion beisetzen, aber wesentlich doch nichts sind als die wohlbekannten gallischen Gaue, die des Hauptorts ja auch nicht entbehren. Wenn bei den Kelten Asiens die Auffassung der Gemeinde als Stadt früher als bei den europäischen das Übergewicht gewinntDas berühmte Verzeichnis der der Gemeinde Ankyra gemachten Leistungen aus Tiberius' Zeit (CIG 4039) bezeichnet die galatischen Gemeinden gewöhnlich mit έθνος, zuweilen mit πόλις. Später verschwindet jene Benennung; aber in der vollen Titulatur, zum Beispiel der Inschrift CIG 4011 aus dem zweiten Jahrhundert, führt Ankyra immer noch den Volksnamen: η μητρόπολις τής Γαλατίας Σεβαστή Τεκτωσάγων Άγκυρα. und der Name Ankyra rascher den der Tektosagen verdrängt als in Europa der Name Burdigala den der Bituriger, dort Ankyra sogar als Vorort der gesamten Landschaft sich die "Mutterstadt" (μητρόπολις) nennt, so zeigt dies allerdings, wie das ja auch nicht anders sein konnte, die Einwirkung der griechischen Nachbarschaft und den beginnenden Assimilationsprozeß, dessen einzelne Phasen zu verfolgen die uns gebliebene oberflächliche Kunde nicht gestattet. Die keltischen Namen halten sich bis in die Zeit des Tiberius, nachher erscheinen sie nur vereinzelt in den vornehmen Häusern. Daß die Römer seit Einrichtung der Provinz wie in Gallien nur die lateinische, so in Galatien neben dieser nur die griechische Sprache im Geschäftsverkehr zuließen, versteht sich von selbst. Wie es früher damit gehalten ward, wissen wir nicht, da vorrömische Schriftmäler in dieser Landschaft überhaupt nicht begegnen. Als Umgangssprache hat die keltische sich auch in Asien mit Zähigkeit behauptetNach Pausanias (10, 36, 1) heißt bei den Γαλάται υπέρ Φρυγίας φωνή τή επιχωρίω σπίσιν die Scharlachbeere ύς; und Lukian (Alex. 51) berichtet von den Verlegenheiten des wahrsagenden Paphlagoniers, wenn ihm Συριστί ή Κελτιστί Fragen vorgelegt wurden und nicht gleich dieser Sprache kundige Leute zur Hand waren.; doch gewann allmählich das Griechische die Oberhand. Im vierten Jahrhundert war Ankyra eines der Hauptzentren der griechischen Bildung; "die kleinen Städte in dem griechischen Galatien", sagt der bei Vorträgen für das gebildete Publikum grau gewordene Literat Themistios, "können sich ja freilich mit Antiocheia nicht messen; aber die Leute eignen die Bildung sich eifriger an als die richtigen Hellenen, und wo sich der Philosophenmantel zeigt, hängen sie an ihm wie das Eisen am Magnet." Dennoch mag bis in eben diese Zeit, namentlich jenseits des Halys bei den offenbar viel später hellenisierten TrokmernWenn in dem Anm. 230 erwähnten Verzeichnis aus Tiberius' Zeit die Spenden nur selten drei Völkern, meist zwei Völkern oder zwei Städten gegeben werden, so sind, wie G. Perrot (Exploration archéologique de la Galane et de la Bithynie. Paris 1862, S. 83) richtig bemerkt, die letzteren Ankyra und Pessinus und steht bei den Spenden hinter ihnen Tauion der Trokmer zurück. Vielleicht gab es damals bei diesen noch keine Ortschaft, die als Stadt gelten konnte., sich in den niederen Kreisen die Volkssprache gehalten haben. Es ist schon erwähnt worden, daß nach dem Zeugnis des vielgewanderten Kirchenvaters Hieronymus noch am Ende des 4. Jahrhunderts der asiatische Galater die gleiche, wenn auch verdorbene Sprache redete, welche damals in Trier gesprochen ward. Daß als Soldaten die Galater, wenn sie auch mit den Okzidentalen keinen Vergleich aushielten, doch weit brauchbarer waren als die griechischen Asiaten, dafür zeugt sowohl die Legion, welche König Deiotarus aus seinen Untertanen nach römischem Muster aufgestellt hatte und die Augustus mit dem Reiche übernahm und in die römische Armee unter dem bisherigen Namen einreihte, wie auch daß bei der orientalischen Rekrutierung der Kaiserzeit die Galater ebenso vorzugsweise herangezogen wurden wie im Okzident die BataverAuch Cicero (Att. 6, S, 3) schreibt von seiner Armee in Kilikien: exercitum infirmum habebam, auxilia sane bona, sed ea Galatarum, Pisidarum, Lyciorum: haec enim sunt nostra robora..

Den außereuropäischen Hellenen gehören ferner noch die beiden großen Eilande des östlichen Mittelmeers Kreta und Kypros an sowie die zahlreichen des Inselmeers zwischen Griechenland und Kleinasien; auch die kyrenäische Pentapolis an der gegenüberliegenden afrikanischen Küste ist durch die umliegende Wüste von dem Binnenlande so geschieden, daß sie jenen griechischen Inseln einigermaßen gleichgestellt werden kann. Indes der allgemeinen geschichtlichen Auffassung fügen diese Elemente der ungeheuren, unter dem Szepter der Kaiser vereinigten Ländermasse wesentlich neue Züge nicht hinzu. Die kleineren Inseln, früher und vollständiger hellenisiert als der Kontinent, gehören ihrem Wesen nach mehr zum europäischen Griechenland als zum kleinasiatischen Kolonialgebiet; wie denn des hellenischen Musterstaats Rhodos bei jenem schon mehrfach gedacht worden ist. In dieser Epoche werden die Inseln hauptsächlich genannt, insofern es in der Kaiserzeit üblich ward, Männer aus den besseren Ständen zur Strafe nach denselben zu verbannen. Man wählte, wo der Fall besonders schwer war, die Klippen wie Gyaros und Donussa; aber auch Andros, Kythnos, Amorgos, einst blühende Zentren griechischer Kultur, waren jetzt Strafplätze, während in Lesbos und Samos nicht selten vornehme Römer und selbst Glieder des kaiserlichen Hauses freiwillig längeren Aufenthalt nahmen. Kreta und Kypros, deren alter Hellenismus unter der persischen Herrschaft oder auch in völliger Isolierung die Fühlung mit der Heimat verloren hatte, ordneten sich, Kypros als Dependenz Ägyptens, die kretischen Städte autonom, in der hellenistischen und später in der römischen Epoche nach den allgemeinen Formen der griechischen Politie. In den kyrenäischen Städten überwog das System der Lagiden; wir finden in ihnen nicht bloß, wie in den eigentlich griechischen, die hellenischen Bürger und Metöken, sondern es stehen neben beiden, wie in Alexandreia die Ägypter, die "Bauern", das heißt die eingeborenen Afrikaner, und unter den Metöken bilden, wie ebenfalls in Alexandreia, die Juden eine zahlreiche und privilegierte Klasse.

Den Griechen insgemein hat auch das römische Kaiserregiment niemals eine Vertretung gewährt. Die augustische Amphiktyonie beschränkte sich, wie wir sahen, auf die Hellenen in Achaia, Epirus und Makedonien. Wenn die hadrianischen Panhellenen in Athen sich als die Vertretung der sämtlichen Hellenen gerierten, so haben sie doch in die übrigen griechischen Provinzen nur insofern übergegriffen, als sie einzelnen Städten in Asia sozusagen das Ehren-Hellenentum dekretierten; und daß sie dies taten, zeigt erst recht, daß die auswärtigen Griechengemeinden in jene Panhellenen keineswegs einbegriffen sind. Wenn in Kleinasien von Vertretung oder Vertretern der Hellenen die Rede ist, so ist damit in den vollständig hellenisch geordneten Provinzen Asia und Bithynia der Landtag und der Landtagsvorsteher dieser Provinzen gemeint, insofern diese aus den Deputierten der zu einer jeden derselben gehörigen Städte hervorgehen und diese sämtlich griechische Politien sindBeschlüsse der επί τής Ασίας Έλληνες CIA 3487, 3957; ein Lykier geehrt υπό τού κοινού τών επί τής Ασίας Ελλήνων καί υπό τών εν Παμφυλία πόλεων O. Benndorf, Reisen in Lykien und Karien. Wien 1884. Bd. 1, S. 122; Schreiben an die Hellenen in Asia CIG 3832, 3833; ώ άνδρες Έλληνες, in der Anrede an den Landtag von Pergamon (Aristeid. or. p. 517). Ein άρξας τού κοινού τών εν Βιθυνία Ελλήνων Perrot, Exploration, S. 32; Schreiben des Kaisers Alexander an dasselbe (dig. 49, 1, 25). Dio 51, 20: τοίς ξένοις, Έλληνας σφάς επικαλέσας, εαυτώ τινα, τοίς μέν Ασιανοίς εν Περγάμω, τοίς δέ Βιθυνοίς εν Νικομεδεία τεμενίσαι επέτρεψε.; oder es werden in der nichtgriechischen Provinz Galatien die neben dem galatischen Landtag stehenden Vertreter der in Galatien verweilenden Griechen als Griechenvorsteher bezeichnetAußer den Galatarchen (Marquardt, Staatsverwaltung. Bd. 1, S. 515) begegnen uns in Galatien noch unter Hadrian Helladarchen (BCH 7, 1883, S. 18), welche hier nur gefaßt werden können wie die Hellenarchen in Tanais..

Der städtischen Konföderation hatte die römische Regierung in Kleinasien keine Veranlassung, besondere Hindernisse entgegenzustellen. In römischer wie in vorrömischer Zeit haben neun Städte der Troas gemeinschaftlich religiöse Verrichtungen vollzogen und gemeinschaftliche Feste gefeiertDas συνέδριον τών εννέα δήμων (H. Schliemann, Troja. Leipzig 1883, S. 256) nennt sich anderswo Ιλιείς καί πόλεις αι κοινονούσαι τής θυσίας καί τοί αγώνος καί τής πανεγύρεως (daselbst, S. 254). Ein anderes Dokument desselben Bundes aus der Zeit des Antigonos bei J. G. Droysen, Geschichte des Hellenismus. 2. Aufl. Gotha 1877. Bd. 2, S. 382ff. Ebenso werden andere κοινά zu fassen sein, die auf einen engeren Kreis als die Provinz sich beziehen, wie das alte der dreizehn ionischen Städte, das der Lesbier (Marquardt, Staatsverwaltung, Bd. 1, S. 516), das der Phrygier auf den Münzen von Apameia. Ihre magistratischen Präsidenten haben auch diese gehabt, wie denn kürzlich sich ein Lesbiarch gefunden hat (Marquardt, a. a.Ο.) und ebenso die mösischen Hellenen unter einem Pontarchen standen. Doch ist es nicht unwahrscheinlich, daß, wo der Archontat genannt wird, der Bund mehr ist als eine bloße Festgenossenschaft; die Lesbier sowohl wie die mösischen Fünfstädte mögen einen besonderen Landtag gehabt haben, dem diese Beamten vorstanden. Dagegen ist das κοινόν τού Υργαλέου πεδίου (W. M. Ramsay, Cities and bishoprics of Phrygia. Oxford 1895, S. 10), das neben mehreren δήμοι steht, eine des Stadtrechts entbehrende Quasi-Gemeinde.. Die Landtage der verschiedenen kleinasiatischen Provinzen, welche hier wie in dem gesamten Reich als feste Einrichtung von Augustus ins Leben gerufen sein werden, sind von denen der übrigen Provinzen an sich nicht verschieden. Doch hat diese Institution sich hier in eigenartiger Weise entwickelt oder vielmehr denaturiert. Mit dem nächsten Zweck dieser Jahresversammlungen der städtischen Deputierten einer jeden ProvinzAm deutlichsten tritt die Zusammensetzung der kleinasiatischen Landtage hervor in Strabons (14, 3, 3 p. 664) Bericht über die Lykiarchie und bei Aristeides' (or. 26 p. 344) Erzählung seiner Wahl zu einem der asiatischen Provinzialpriestertümer., die Wünsche derselben dem Statthalter oder der Regierung zur Kenntnis zu bringen und überhaupt als Organ dieser Provinz zu dienen, verband sich hier zuerst die jährliche Festfeier für den regierenden Kaiser und das Kaisertum überhaupt: Augustus gestattete im Jahre 725 (29) den Landtagen von Asia und Bithynien an ihren Versammlungsorten Pergamon und Nikomedeia, ihm Tempel zu errichten und göttliche Ehre zu erweisen. Diese neue Einrichtung dehnte sich bald auf das ganze Reich aus, und die Verschmelzung der sakralen Institution mit der administrativen wurde ein leitender Gedanke der provinzialen Organisation der Kaiserzeit. Aber in Priester- und Festpomp und städtischen Rivalitäten hat diese Einrichtung doch nirgends sich so entwickelt wie in der Provinz Asia und analog in den übrigen kleinasiatischen Provinzen und nirgends also neben und über die munizipale sich eine provinziale Ambition mehr noch der Städte als der Individuen gestellt, wie sie in Kleinasien das gesamte öffentliche Leben beherrscht. Der von Jahr zu Jahr in der Provinz bestellte Hohepriester (αρχιερεύς) des neuen Tempels ist nicht bloß der vornehmste Würdenträger der Provinz, sondern es wird auch in der ganzen Provinz das Jahr nach ihm bezeichnetBeispiele für Asia: CIG 3487; für Lykien: Benndorf, Reisen, Bd. 1, S. 71. Die lykische Bundesversammlung aber bezeichnet die Jahre nicht nach dem Archiereus, sondern nach dem Lykiarchen.. Das Fest- und Spielwesen nach dem Muster der olympischen Feier, welches bei den Hellenen allen, wie wir sahen, mehr und mehr um sich griff, knüpfte in Kleinasien überwiegend an die Feste und Spiele des provinzialen Kaiserkultus an. Die Leitung derselben fiel dem Landtagspräsidenten, in Asia dem Asiarchen, in Bithynien dem Bithyniarchen und so weiter zu, und nicht minder trug er hauptsächlich die Kosten des Jahrfestes, obwohl ein Teil derselben, wie die übrigen dieses so glänzenden wie loyalen Gottesdienstes, durch freiwillige Gaben und Stiftungen gedeckt oder auch auf die einzelnen Städte repartiert wurden. Daher waren diese Präsidenturen nur reichen Leuten zugänglich; die Wohlhabenheit der Stadt Tralleis wird dadurch bezeichnet, daß an Asiarchen – der Titel blieb auch nach Ablauf des Amtsjahrs – es nie daselbst fehle, die Geltung des Apostels Paulus in Ephesos durch seine Verbindung mit verschiedenen dortigen Asiarchen. Trotz der Kosten war dies eine viel umworbene Ehrenstellung, nicht wegen der daran geknüpften Privilegien, zum Beispiel der Befreiung von der Vormundschaft, sondern wegen ihres äußeren Glanzes; der festliche Einzug in die Stadt, im Purpurgewand und den Kranz auf dem Haupt, unter Vortritt der das Rauchfaß schwingenden Prozessionsknaben, war im Horizont der Kleinasiaten, was bei den Hellenen der Ölzweig von Olympia. Mehrfach rühmt sich dieser oder jener vornehme Asiate, nicht bloß selber Asiarch gewesen zu sein, sondern auch von Asiarchen abzustammen. Wenn sich dieser Kultus anfänglich auf die Provinzialhauptstädte beschränkte, so sprengte die munizipale Ambition, die namentlich in der Provinz Asia unglaubliche Verhältnisse annahm, sehr bald diese Schranken. Hier wurde schon im Jahre 23 dem damals regierenden Kaiser Tiberius sowie seiner Mutter und dem Senat ein zweiter Tempel von der Provinz dekretiert und nach langem Hader der Städte durch Beschluß des Senats in Smyrna errichtet. Die anderen größeren Städte folgten bei späteren Gelegenheiten nachTac. ann. 4, 15 u. 55. Die Stadt, welche einen von dem Landtag der Provinz (dem κοινόν τής Ασίας usw.) gewidmeten Tempel besitzt, fahrt deswegen das Ehrenprädikat der den (Kaiser-) Tempel hütenden" (νεωκόρος); und wenn eine deren mehrere aufzuweisen hat, wird die Zahl beigesetzt. Man kann an diesem Institut deutlich erkennen, wie der Kaiserkultus seine volle Ausbildung in Kleinasien erhalten hat. Der Sache nach ist das Neokorat allgemein, auf jede Gottheit und jede Stadt anwendbar; titular, als Ehrenbeiname der Stadt, begegnet es mit verschwindenden Ausnahmen allein in dem kleinasiatischen Kaiserkultus – nur einige griechische Städte der Nachbarprovinzen, wie Tripolis in Syrien, Thessalonike in Makedonien haben darin mitgemacht.. Hatte bis dahin die Provinz wie nur einen Tempel, so auch nur einen Vorsteher und einen Oberpriester gehabt, so mußten jetzt nicht bloß so viele Oberpriester bestellt werden, als es Provinzialtempel gab, sondern es wurden auch, da die Leitung des Tempelfestes und die Ausrichtung der Spiele nicht dem Oberpriester, sondern dem Landesvorsteher zustand und es den rivalisierenden Großstädten hauptsächlich um die Feste und Spiele zu tun war, sämtlichen Oberpriestern zugleich der Titel und das Recht der Vorsteherschaft gegeben, so daß wenigstens in Asia die Asiarchie und das Oberpriestertum der Provinzialtempel zusammenfielenSo wenig die ursprüngliche Verschiedenheit der Landtagspräsidentur und des provinzialen Oberpriestertums für den Kaiserkultus in Zweifel gezogen werden kann, so tritt doch nicht bloß bei jener der in Hellas, von wo die Organisation der κοινά überhaupt ausgeht, noch deutlich erkennbare magistratische Charakter des Vorstehers in Kleinasien völlig zurück, sondern es scheint hier in der Tat da, wo das κοινόν mehrere sakrale Mittelpunkte hat, der Ασιάρχης und der αρχιερεύς τής Ασίας sich verschmolzen zu haben. Die das bürgerliche Amt scharf akzentuierende Titulatur στρατηγός führt der Präsident des κοινόν in Kleinasien nie, auch άρξας τού κοινού (Anm. 234) oder τού έθνους (CIG 4380 k4 p. 1168) ist selten; die Komposita Ασιάρχης, Λυκιάρχης, analog dem Ελλαδάρχης von Achaia, sind schon zu Strabons Zeit die gebräuchliche Bezeichnung. Daß in den kleineren Provinzen, wie Galatien und Lykien der Archon und der Archiereus der Provinz getrennt geblieben sind, ist gewiß. Aber in Asien ist das Vorhandensein von Asiarchen für Ephesos und Smyrna inschriftlich festgestellt (Marquardt, Staatsverwaltung, Bd. 1, S. 514), während es doch nach dem Wesen der Institution nur einen Asiarchen für die ganze Provinz geben konnte. Auch ist hier die Agonothesie des Archiereus beglaubigt (Galenus zum Hippokrates, usu. part. 18, 2 p. 567 Kühn: παρ' ημίν εν Περγάμω τών αρχιερέων τάς καλουμένας μονομαχίας επιτελούντων), während eben sie das Wesen des Asiarchats ist. Allem Anschein nach haben die Rivalitäten der Städte hier dahin geführt, daß, nachdem es mehrere von der Provinz gewidmete Kaisertempel in verschiedenen Städten gab, die Agonothesie dem effektiven Landtagspräsidenten genommen und dafür dem Oberpriester jedes Tempels der titulare Asiarchat und die Agonothesie übertragen ward. Dann erklärt sich auf den Münzen der dreizehn ionischen Städte (Mionnet, Bd. 3, 61, 1) der Ασιάρχης καί αρχιερεύς ιγ' πόλεων und kann auf ephesischen Inschriften derselbe Ti. Iulius Reginus bald Ασιάρχης β' ναών τών εν Εφέσω (Wood, Inscriptions from the great theatre, n. 18), bald αρχιερεύς β' ναών τών εν Εφέσω (daselbst, n. 8, 14, ähnlich 9) genannt werden. Nur auf diese Weise sind auch die Institutionen des vierten Jahrhunderts zu begreifen. Hier erscheint in jeder Provinz ein Oberpriester, in Asia mit dem Titel des Asiarchen, in Syrien mit dem des Syriarchen und so weiter. Wenn die Verschmelzung des Archon und des Archiereus in der Provinz Asia schon früher begonnen hatte, so lag nichts näher, als sie jetzt bei der Verkleinerung der Provinzen überall in dieser Weise zu kombinieren.. Damit traten der Landtag und die bürgerlichen Geschäfte, von welchen die Institution ihren Ausgang genommen hatte, in den Hintergrund; der Asiarch war bald nichts mehr als der Ausrichter eines an die göttliche Verehrung der gewesenen und des gegenwärtigen Kaisers angeknüpften Volksfestes, weshalb dann auch die Gemahlin desselben, die Asiarchin, sich an der Feier beteiligen durfte und eifrig beteiligte.

Auch eine praktische und in Kleinasien durch das hohe Ansehen dieser Institution gesteigerte Bedeutung mag das provinziale Oberpriestertum für den Kaiserkultus gehabt haben durch die damit verknüpfte religiöse Oberaufsicht. Nachdem der Landtag den Kaiserkultus einmal beschlossen und die Regierung eingewilligt hatte, folgten selbstverständlich die städtischen Vertretungen nach; in Asia hatten bereits unter Augustus wenigstens alle Vororte der Gerichtssprengel ihr Caesareum und ihr KaiserfestCIG 3902. Recht und Pflicht des Oberpriesters war es, in seinem Sprengel die Ausführung dieser provinzialen und munizipalen Dekrete und die Übung des Kultus zu überwachen; was dies zu bedeuten hatte, erläutert die Tatsache, daß der freien Stadt Kyzikos in Asia unter Tiberius die Autonomie unter anderem auch darum aberkannt ward, weil sie den dekretierten Bau des Tempels des Gottes Augustus hatte liegenlassen -vielleicht eben, weil sie als freie Stadt nicht unter dem Landtag stand. Wahrscheinlich hat sogar diese Oberaufsicht, obwohl sie zunächst dem Kaiserkultus galt, sich auf die Religionsangelegenheiten überhaupt erstrecktDion von Prusa (or. 35 p. 66 R.) nennt die Asiarchen und die analogen Archonten (ihre Agonothesie bezeichnet er deutlich, und auf sie führen auch die verdorbenen Worte το΄θς επονύμους τών δύο ηπείρων τής εσπέρας όλης, wofür wohl zu schreiben ist τής ετέρας όλης) τούς απάντων άρχοντας τών ιερέων. Es fehlt bekanntlich bei der Bezeichnung der Provinzialpriester fast stehend die ausdrückliche Beziehung auf den Kaiserkult; wenn sie in ihren Sprengeln die Rolle spielen sollten wie der Pontifex maximus in Rom, so hatte das seinen guten Grund.. Als dann der alte und der neue Glaube im Reiche um die Herrschaft zu ringen begannen, ist deren Gegensatz wohl zunächst durch das provinziale Oberpriestertum zum Konflikt geworden. Diese aus den vornehmen Provinzialen von dem Landtag der Provinz bestellten Priester waren durch ihre Traditionen wie durch ihre Amtspflichten weit mehr als die Reichsbeamten berufen und geneigt, auf Vernachlässigung des anerkannten Gottesdienstes zu achten und, wo Abmahnung nicht half, da sie selber eine Strafgewalt nicht hatten, die nach bürgerlichem Recht strafbare Handlung bei den Orts- oder den Reichsbehörden zur Anzeige zu bringen und den weltlichen Arm zu Hilfe zu rufen, vor allem den Christen gegenüber die Forderungen des Kaiserkultus geltend zu machen. In der späteren Zeit schreiben die altgläubigen Regenten diesen Oberpriestern sogar ausdrücklich vor, selbst und durch die ihnen unterstellten städtischen Priester die Kontraventionen gegen die bestehende Glaubensordnung zu ahnden und weisen denselben genau die Rolle zu, welche unter den Kaisern des neuen Glaubens der Metropolit und seine städtischen Bischöfe einnehmenMaximinus stellte zu diesem Zweck dem Oberpriester der einzelnen Provinz militärische Hilfe zur Verfügung (Eus. hist. eccl. 8, 14, 9); und der berühmte Brief Julians (epist. 49; vgl. epist. 63) an den damaligen Galatarchen gibt ein deutliches Bild der Obliegenheiten desselben. Er soll das ganze Religionswesen der Provinz beaufsichtigen; dem Statthalter gegenüber seine Selbständigkeit wahren, nicht bei ihm antichambrieren, ihm nicht gestatten mit militärischer Eskorte im Tempel aufzutreten, ihn nicht vor, sondern in dem Tempel empfangen, innerhalb dessen er der Herr und der Statthalter Privatmann ist; von den Unterstützungen, die die Regierung für die Provinz ausgeworfen hat (30000 Scheffel Getreide und 60000 Sextarien Wein) den fünften Teil an die in die Klientel der heidnischen Priester tretenden Armen spenden, das Übrige sonst zu mildtätigen Zwecken verwenden; in jeder Stadt der Provinz womöglich mit Beihilfe der Privaten Verpflegungshäuser (ξενοδοχεία) nicht bloß für Heiden, sondern für jedermann ins Leben rufen und den Christen nicht ferner das Monopol der guten Werke gestatten; die sämtlichen Priester der Provinz durch Beispiel und Ermahnung überhaupt zum gottesfürchtigen Wandel und zur Vermeidung des Besuchs der Theater und der Schenken anhalten und insbesondere zum fleißigen Besuch der Tempel mit ihrer Familie und ihrem Gesinde oder, wenn sie nicht zu bessern sind, sie absetzen. Es ist ein Hirtenbrief in bester Form, nur mit veränderter Adresse und mit Zitaten aus Homer statt aus der Bibel. So deutlich diese Anordnungen den Stempel des bereits zusammenbrechenden Heidentums an sich tragen und so gewiß sie in dieser Ausdehnung der früheren Epoche fremd sind, so erscheint doch das Fundament, die allgemeine Oberaufsicht des Oberpriesters der Provinz über das Kultwesen, keineswegs als eine neue Einrichtung.. Wahrscheinlich hat hier nicht die heidnische Ordnung die christlichen Institutionen kopiert, sondern umgekehrt die siegende christliche Kirche ihr hierarchisches Rüstzeug dem feindlichen Arsenal entnommen. Alles dies galt, wie bemerkt, für das ganze Reich; aber die sehr praktischen Konsequenzen der provinzialen Regulierung des Kaiserkultus, die religiöse Aufsichtführung und die Verfolgung der Andersgläubigen, sind vorzugsweise in Kleinasien gezogen worden.

Neben dem Kaiserkultus fand auch die eigentliche Gottesverehrung in Kleinasien in bevorzugter Weise ihre Statt und namentlich alle ihre Auswüchse eine Freistatt. Das Unwesen der Asyle und der Wunderkuren hatte ganz besonders hier seinen Sitz. Unter Tiberius wurde die Beschränkung der ersteren vom römischen Senat angeordnet; der Heilgott Asklepios tat nirgends mehr und größere Wunder als in seiner vielgeliebten Stadt Pergamon, die ihn geradezu als Zeus Asklepios verehrte und ihre Blüte in der Kaiserzeit zum guten Teil ihm verdankte. Die wirksamsten Wundertäter der Kaiserzeit, der später kanonisierte Kappadokier Apollonios von Tyana, sowie der paphlagonische Drachenmann Alexandros von Abonuteichos sind Kleinasiaten. Wenn das allgemeine Verbot der Assoziationen, wie wir sehen werden, in Kleinasien mit besonderer Strenge durchgeführt ward, so wird die Ursache wohl hauptsächlich in den religiösen Verhältnissen zu suchen sein, die den Mißbrauch solcher Vereinigungen dort besonders nahelegten.

Die öffentliche Sicherheit ruhte im wesentlichen auf dem Lande selbst. In der früheren Kaiserzeit stand, abgesehen von dem das östliche Kilikien einschließenden syrischen Kommando, in ganz Kleinasien nur ein Detachement von 5000 Mann Auxiliartruppen, die in der Provinz Galatien garnisoniertenDiese Truppe kann nach der Stellung bei Josephus (bel. Iud. 2,16, 4) zwischen den nicht mit Garnison belegten Provinzen Asia und Kappadokien nur auf Galatien bezogen werden. Natürlich gab sie auch die Detachements, welche in den abhängigen Gebieten am Kaukasus standen, damals -unter Nero- wie es scheint, auch die auf dem Bosporus selbst stehenden, wobei freilich auch das mösische Korps beteiligt war., nebst einer Flotte von 40 Schiffen; es war dies Kommando bestimmt, teils die unruhigen Pisidier niederzuhalten, teils die nordöstliche Reichsgrenze zu decken und die Küste des Schwarzen Meeres bis zur Krim unter Aufsicht zu halten. Vespasian brachte diese Truppe auf den Stand eines Armeekorps von zwei Legionen und legte deren Stäbe in die Provinz Kappadokien an den oberen Euphrat. Außer diesen für die Grenzhut bestimmten Mannschaften gab es damals namhafte Garnisonen in Vorderasien nicht; in der kaiserlichen Provinz Lykien und Pamphylien zum Beispiel stand eine einzige Kohorte von 500 Mann, in den senatorischen Provinzen höchstens einzelne aus der kaiserlichen Garde oder aus den benachbarten Kaiserprovinzen zu speziellen Zwecken abkommandierte SoldatenPrätorianer stationaribus Ephesi: Eph. epigr. IV, n. 70. Ein Soldat in statione Nicomedensi: Plin. ep. ad Trai. 74. Ein Legionarcenturio in Byzantium: daselbst 77, 78.. Wenn dies einerseits für den inneren Frieden dieser Provinzen auf das nachdrücklichste zeugt und den ungeheuren Abstand der kleinasiatischen Bürgerschaften von den ewig unruhigen Hauptstädten Syriens und Ägyptens deutlich vor Augen führt, so erklärt es andererseits die schon in anderer Verbindung hervorgehobene Stabilität des Räuberwesens in dem durchaus gebirgigen und im Innern zum Teil öden Lande, namentlich an der mysisch-bithynischen Grenze und in den Bergtälern Pisidiens und Isauriens. Eigentliche Bürgerwehren gab es in Kleinasien nicht. Trotz des Florierens der Turnanstalten für Knaben, Jünglinge und Männer blieben die Hellenen dieser Zeit in Asia so unkriegerisch wie in EuropaIn dem kleinasiatischen Munizipalwesen kommt alles vor, nur nicht das Waffenwesen. Der smyrnäische στρατηγός επί τών όπλων ist natürlich eine Reminiszenz so gut wie der Kultus des Herakles οπλοφύλαξ (CIG 3162).. Man beschränkte sich darauf, für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit städtische Eirenarchen, Friedensmeister, zu kreieren und ihnen eine Anzahl zum Teil berittener städtischer Gendarmen zur Verfügung zu stellen, gedungene Mannschaften von geringem Ansehen, welche aber doch brauchbar gewesen sein müssen, da Kaiser Marcus es nicht verschmähte, bei dem bitteren Mangel an gedienten Leuten während des Markomannenkrieges diese kleinasiatischen Stadtsoldaten in die Reichstruppen einzureihenDer Eirenarch von Smyrna sendet, um den Polykarpos zu verhaften, diese Gendarmen aus: εξήλθων διογμίται καί ιππείς μετά τών συνήθων αυτοίς όπλων, ως επί ληστήν τρέχοντες (Acta mart., S. 39). Daß sie nicht die eigentliche soldatische Rüstung hatten, wird auch sonst bemerkt (Amm. 27, 9, 6: adbibitis semiermibus quibusdam – gegen die Isaurer – quos diogmitas appellaut). Von ihrer Verwendung im Markomannenkrieg berichtet der Biograph des Marcus c. 26: armavit et diogmitas und die Inschrift von Aezani in Phrygien CIG 3031 a 8 = Lebas-Waddington 992: παρασχών τώ κυρίω Καίσαρι σύμμαχον διωγμείτην παρ' εαυτού..

Die Justizpflege sowohl der städtischen Behörden wie der Statthalter ließ auch in dieser Epoche vieles zu wünschen übrig; doch bezeichnet das Eintreten der Kaiserherrschaft darin eine Wendung zum Besseren. Das Eingreifen der Reichsgewalt hatte unter der Republik sich auf die strafrechtliche Kontrolle der Reichsbeamten beschränkt und diese besonders in späterer Zeit schwächlich und parteiisch geübt oder vielmehr nicht geübt. Jetzt wurden nicht bloß in Rom die Zügel schärfer angezogen, indem die strenge Beaufsichtigung der eigenen Beamten von dem einheitlichen Militärregiment unzertrennlich war und auch der Reichssenat zu schärferer Überwachung der Amtspflege seiner Mandatare veranlaßt wurde, sondern es wurde jetzt möglich, die Mißgriffe der Provinzialgerichte im Wege der neu eingeführten Appellation zu beseitigen oder auch, wo unparteiisches Gericht in der Provinz nicht erwartet werden konnte, den Prozeß nach Rom vor das Kaisergericht zu ziehenIn Knidos (BCH 7, 1883, S. 62) hatten im Jahre 741/42 (13/12) einige, wie es scheint, angesehene Bürger das Haus eines ihnen persönlich Verfeindeten drei Nächte hindurch gestürmt; bei der Abwehr hatte einer der Sklaven des belagerten Hauses durch ein aus dem Fenster geworfenes Gefäß den einen der Angreifer getötet. Die Besitzer des belagerten Hauses wurden darauf des Totschlags angeklagt, perhorreszierten aber, da sie die öffentliche Meinung gegen sich hatten, das städtische Gericht und verlangten die Entscheidung durch den Spruch des Kaisers Augustus. Dieser ließ die Sache durch einen Kommissar untersuchen und sprach die Angeklagten frei, wovon er die Behörde in Knidos in Kenntnis setzte mit der Bemerkung, daß sie die Angelegenheit nicht unparteiisch behandelt hätten, und sie anwies, sich nach seinem Spruche zu verhalten. Das ist allerdings, da Knidos eine freie Stadt war, ein Eingreifen in deren souveräne Rechte, wie auch in Athen Appellation an den Kaiser und sogar an den Prokonsul in hadrianischer Zeit statthaft war. Aber wer die Justizverhältnisse einer Griechenstadt dieser Epoche und dieser Stellung erwägt, wird nicht zweifeln, daß durch derartiges Eingreifen wohl mancher ungerechte Spruch veranlaßt, aber viel häufiger ein solcher verhindert ward.. Beides kam auch den senatorischen Provinzen zugute und ist allem Anschein nach überwiegend als Wohltat empfunden worden.

Wie bei den Hellenen Europas, so ist in Kleinasien die römische Provinz wesentlich ein Komplex städtischer Gemeinden. Wie in Hellas werden auch hier die überkommenen Formen der demokratischen Politie im allgemeinen festgehalten, die Beamten zum Beispiel auch ferner von den Bürgerschaften gewählt, überall aber der bestimmende Einfluß in die Hände der Begüterten gelegt und dem Belieben der Menge so wie dem ernstlichen politischen Ehrgeiz kein Spielraum gestattet. Unter den Beschränkungen der munizipalen Autonomie ist den kleinasiatischen Städten eigentümlich, daß den schon erwähnten Eirenarchen, den städtischen Polizeimeister, späterhin der Statthalter aus einer von dem Rat der Stadt aufgestellten Liste von zehn Personen ernannte. Die Regierungskuratel der städtischen Finanzverwaltung, die kaiserliche Bestellung eines nicht der Stadt selbst angehörigen Vermögenspflegers (curator rei publicae, λογιστής), dessen Konsens die städtischen Behörden bei wichtigeren Vermögenshandlungen einzuholen haben, ist niemals allgemein, sondern nach Bedürfnis für diese oder jene Stadt angeordnet worden, in Kleinasien aber entsprechend der Bedeutung seiner städtischen Entwicklung besonders früh, das heißt seit dem Anfang des 2. Jahrhunderts, und besonders umfassend eingetreten. Wenigstens im 3. Jahrhundert mußten auch hier wie anderswo sonstige wichtige Beschlüsse der Gemeindeverwaltung dem Statthalter zur Bestätigung unterbreitet werden. Uniformierung der Gemeindeverfassung hat die römische Regierung nirgends und am wenigsten in den hellenischen Landschaften durchgeführt; auch in Kleinasien herrschte darin große Mannigfaltigkeit und vermutlich vielfach das Belieben der einzelnen Bürgerschaften, obwohl für die derselben Provinz angehörigen Gemeinden das eine jede Provinz organisierende Gesetz allgemeine Normen vorschrieb. Was der Art von Institutionen als in Kleinasien verbreitet und vorherrschend diesem Landesteil eigentümlich angesehen werden kann, trägt keinen politischen Charakter, sondern ist nur etwa für die sozialen Verhältnisse bezeichnend, wie die über ganz Kleinasien verbreiteten Verbände teils der älteren, teils der jüngeren Bürger, die Gerusia und die Neoi, Ressourcen für die beiden Altersklassen mit entsprechenden Turnplätzen und FestenDie in kleinasiatischen Inschriften oft erwähnte Gerusia hat mit der von Lysimachos in Ephesos getroffenen gleichnamigen politischen Einrichtung (Strab. 14, 1, 21 p. 640; Wood, Ephesus. Inscriptions from the temple of Diana, n. 19) nichts weiter gemein; den Charakter derselben in römischer Zeit bezeichnet teils Vitruvius (2, 8, 10): Croesi (damum) Sardiani civibus ad requiescendum aetatis otio seniorum collegio gerusiam dedicaverunt, teils die in der lykischen Stadt Sidyma kürzlich gefundene Inschrift (Benndorf, Reisen, Bd. 1, S. 71), wonach Rat und Volk beschließen, wie das Gesetz es fordert, eine Gerusia einzurichten und in diese 50 Buleuten und 50 andere Bürger einzuwählen, welche dann einen Gymnasiarchen der neuen Gerusia bestellen. Dieser auch sonst begegnende Gymnasiarch sowie der Hymnode der Gerusia (Menadier, Qua condicione Ephesii usi sint, p. 51) sind unter den uns bekannten Ämtern dieser Körperschaft die einzigen für ihre Beschaffenheit charakteristischen. Analog, aber weniger angesehen, sind die Kollegien der νέοι die auch ihre eigenen Gymnasiarchen haben. Zu den beiden Aufsehern der Turnplätze für die erwachsenen Bürger machen den Gegensatz die Gymnasiarchen der Epheben (Menadier, p. 91). Gemeinschaftliche Mahlzeiten und Feste (auf die der Hymnode sich bezieht) fehlten natürlich namentlich bei der Gerusia nicht. Sie ist keine Armenversorgung, aber auch kein der munizipalen Aristokratie reserviertes Kollegium charakteristisch für die Weise des bürgerlichen Verkehrs der Griechen, bei welchen der Turnplatz etwa ist, was in unseren kleinen Städten die Bürgercasinos.. Autonome Gemeinden gab es in Kleinasien von Haus aus bei weitem weniger als in dem eigentlichen Hellas, und namentlich die bedeutendsten kleinasiatischen Städte haben diese zweifelhafte Auszeichnung niemals gehabt oder doch früh verloren, wie Kyzikos unter Tiberius, Samos durch Vespasian. Kleinasien war eben altes Untertanengebiet und unter den persischen wie unter den hellenischen Herrschern an monarchische Ordnung gewöhnt; weniger als in Hellas führte hier unnützes Erinnern und unklares Hoffen hinaus über den beschränkten munizipalen Horizont der Gegenwart, und nicht vieles der Art störte den friedlichen Genuß des unter den bestehenden Verhältnissen möglichen Lebensglückes.

Solchen Lebensglückes gab es in Kleinasien unter dem römischen Kaiserregiment die Fülle. "Keine Provinz von allen", sagt ein in Smyrna unter den Antoninen lebender Schriftsteller, "hat so viele Städte aufzuweisen wie die unsrige und keine solche wie unsere größten. Ihr kommen zugute die reizende Gegend, die Gunst des Klimas, die mannigfaltigen Produkte, die Lage im Mittelpunkt des Reiches, ein Kranz ringsum befriedeter Völker, die gute Ordnung, die Seltenheit der Verbrechen, die milde Behandlung der Sklaven, die Rücksicht und das Wohlwollen der Herrscher." Asia hieß, wie schon gesagt ward, die Provinz der fünfhundert Städte, und wenn das wasserlose, zum Teil nur zur Weide geeignete Binnenland Phrygiens, Lykaoniens, Galatiens, Kappadokiens auch in jener Zeit nur dünn bevölkert war, stand die übrige Küste hinter Asia nicht weit zurück. Die dauernde Blüte der kulturfähigen Landschaften Kleinasiens erstreckt sich nicht bloß auf die Städte glänzenden Namens, wie Ephesos, Smyrna, Laodikeia, Apameia; wo immer ein von der Verwüstung der anderthalb Jahrtausende, die uns von jener Zeit trennen, vergessener Winkel des Landes sich der Forschung erschließt, da ist das erste und das mächtigste Gefühl das Entsetzen, fast möchte man sagen die Scham über den Kontrast der elenden und jammervollen Gegenwart mit dem Glück und dem Glanz der vergangenen Römerzeit. Auf einer abgelegenen Bergspitze unweit der lykischen Küste, da, wo nach der griechischen Fabel die Chimaera hauste, lag das alte Kragos, wahrscheinlich nur aus Balken und Lehmziegeln gebaut und darum spurlos verschwunden bis auf die zyklopische Festungsmauer am Fuß des Hügels. Unter der Kuppe breitet ein anmutiges fruchtbares Tal sich aus, mit frischer Alpenluft und südlicher Vegetation, umgeben von Wald- und wildreichen Bergen. Als unter Kaiser Claudius Lykien Provinz ward, verlegte die römische Regierung die Bergstadt, das "grüne Kragos" des Horaz, in diese Ebene; auf dem Marktplatz der neuen Stadt Sidyma stehen noch die Reste des viersäuligen, dem Kaiser damals gewidmeten Tempels und einer stattlichen Säulenhalle, welche ein von dort gebürtiger, als Arzt zu Vermögen gelangter Bürger in seiner Vaterstadt baute. Statuen der Kaiser und verdienter Mitbürger schmückten den Markt; es gab in der Stadt einen Tempel ihrer Schutzgötter, der Artetuis und des Apollon, Bäder, Turnanstalten (γυμνάσια) für die ältere wie für die jüngere Bürgerschaft; von den Toren zogen sich an der Hauptstraße, die steil am Gebirge hinab nach dem Hafen Kalabatia führte, zu beiden Seiten Reihen hin von steinernen Grabmonumenten, stattlicher und kostbarer als die Pompeiis und großenteils noch aufrecht, während die vermutlich wie die der Altstadt aus vergänglichem Material gebauten Häuser verschwunden sind. Auf den Stand und die Art der einstmaligen Bewohner gestattet einen Schluß ein kürzlich dort aufgefundener, wahrscheinlich unter Commodus gefaßter Gemeindebeschluß über die Konstituierung der Ressource für die älteren Bürger; dieselbe wurde zusammengesetzt aus hundert zur Hälfte dem Stadtrat, zur Hälfte der übrigen Bürgerschaft entnommenen Mitgliedern, darunter nicht mehr als drei Freigelassene und ein Bastardkind, alle übrigen in rechter Ehe erzeugt und zum Teil nachweislich alten und wohlhabenden Bürgerhäusern angehörig. Einzelne dieser Familien sind zum römischen Bürgerrecht gelangt, eine sogar in den Reichssenat. Aber auch im Ausland blieb dieses senatorische Haus sowohl wie verschiedene aus Sidyma gebürtige auswärts und selbst am kaiserlichen Hof beschäftigte Ärzte der Heimat eingedenk, und mehrere derselben haben ihr Leben daselbst beschlossen; einer dieser angesehenen Stadtbürger hat in einem nicht gerade vortrefflichen, aber sehr gelehrten und sehr patriotischen Elaborat die Legenden der Stadt und die sie betreffenden Weissagungen zusammengefaßt und diese Memorabilien öffentlich aufstellen lassen. Dies Kragos-Sidyma stimmte auf dem Landtag der kleinen lykischen Provinz nicht unter den Städten erster Klasse, war ohne Theater, ohne Ehrentitel und ohne jene allgemeinen Feste, die in der damaligen Welt die Großstadt bezeichnen, auch nach der Auffassung der Alten eine kleine Provinzialstadt und durchaus eine Schöpfung der römischen Kaiserzeit. Aber im ganzen Vilajet Aidin ist heute kein Binnenort, der für zivilisierte Existenz auch nur entfernt diesem Bergstädtchen, wie es war, an die Seite gestellt werden könnte. Was in diesem abgeschiedenen Fleck noch heute leben dig vor Augen steht, das ist in einer ungezählten Menge anderer Städte unter der verwüstenden Menschenhand bis auf geringe Reste oder auch spurlos verschwunden. Einen gewissen Überblick dieser Fülle gewährt die den Städten in Kupfer freigegebene Münzprägung der Kaiserzeit: keine Provinz kann in der Zahl der Münzstätten und der Mannigfaltigkeit der Darstellungen sich auch nur von weitem mit Asia messen.

Freilich fehlt diesem Aufgehen aller Interessen in der heimatlichen Kleinstadt die Kehrseite so wenig in Kleinasien wie bei den europäischen Griechen. Was über deren Gemeindeverwaltung gesagt ist, gilt in der Hauptsache auch hier. Der städtischen Finanzwirtschaft, die sich ohne rechte Kontrolle weiß, fehlt Stetigkeit und Sparsamkeit und oft selbst die Ehrlichkeit; bei den Bauten werden bald die Kräfte der Stadt überschritten, bald auch das Nötigste unterlassen; die kleineren Bürger gewöhnen sich an die Spenden der Stadtkasse oder der vermögenden Leute, an das freie Öl in den Bädern, an Bürgerschmäuse und Volksbelustigungen aus fremder Tasche, die guten Häuser an die Klientel der Menge mit ihren demütigen Huldigungen, ihren Bettelintrigen, ihren Spaltungen; Rivalitäten bestehen wie zwischen Stadt und Stadt, so in jeder Stadt zwischen den einzelnen Kreisen und den einzelnen Häusern; die Bildung von Armenvereinen und von freiwilligen Feuerwehren, wie sie im Okzident überall bestanden, wagt die Regierung in Kleinasien nicht einzuführen, weil das Faktionswesen hier sich jeder Assoziation sofort bemächtigt. Der stille See wird leicht zum Sumpf, und das Fehlen des großen Wellenschlags der allgemeinen Interessen ist auch in Kleinasien deutlich zu spüren.

Kleinasien, insbesondere Vorderasien, war eines der reichsten Gebiete des großen Römerstaats. Wohl hatte das Mißregiment der Republik, die dadurch hervorgerufenen Katastrophen der mithradatischen Zeit, dann das Piratenunwesen, endlich die vieljährigen Bürgerkriege, welche finanziell wenige Provinzen so schwer betroffen hatten wie diese, die Vermögensverhältnisse der Gemeinden und der Einzelnen daselbst so vollständig zerrüttet, daß Augustus zu dem äußersten Mittel der Niederschlagung aller Schuldforderungen griff; auch machten mit Ausnahme der Rhodier alle Asiaten von diesem gefährlichen Heilmittel Gebrauch. Aber das wiedereintretende Friedensregiment glich vieles aus. Nicht überall – die Inseln des Ägäischen Meers zum Beispiel haben sich nie seitdem wieder erholt –, aber in den meisten Orten waren, schon als Augustus starb, die Wunden wie die Heilmittel vergessen, und in diesem Zustand blieb das Land drei Jahrhunderte bis auf die Epoche der Gotenkriege. Die Summen, zu welchen die Städte Kleinasiens angesetzt waren und die sie selbst, allerdings unter Kontrolle des Statthalters, zu repartieren und aufzubringen hatten, bildeten eine der bedeutendsten Einnahmequellen der Reichskasse. Wie die Steuerlast sich zu der Leistungsfähigkeit der Besteuerten verhielt, vermögen wir nicht zu konstatieren; eigentliche dauernde Überbürdung aber verträgt sich nicht mit den Zuständen, in denen wir das Land bis gegen die Mitte des 3. Jahrhunderts finden. Mehr vielleicht noch die Schlaffheit des Regiments als absichtliche Schonung mag die fiskalische Beschränkung des Verkehrs und die nicht bloß für den Besteuerten unbequeme Anziehung der Steuerschraube in Schranken gehalten haben. Bei großen Kalamitäten, namentlich bei den Erdbeben, welche unter Tiberius zwölf blühende Städte Asias, vor allem Sardes, unter Pius eine Anzahl karischer und lykischer und die Inseln Kos und Rhodos entsetzlich heimsuchten, trat die Privat- und vor allem die Reichshilfe mit großartiger Freigebigkeit ein und spendete den Kleinasiaten den vollen Segen des Großstaats, die Samtverbürgung aller für alle. Der Wegebau, den die Römer bei der ersten Einrichtung der Provinz Asia durch Manius Aquillius in Angriff genommen hatten, ist in der Kaiserzeit in Kleinasien nur da ernstlich gefördert worden, wo größere Besatzungen standen, namentlich in Kappadokien und dem benachbarten Galatien, seit Vespasian am mittleren Euphrat Legionslager eingerichtet hatteDie Meilensteine beginnen hier mit Vespasian (CIL III, 306) und sind seitdem zahlreich namentlich von Domitian bis auf Hadrian.. In den übrigen Provinzen ist dafür nicht viel geschehen, zum Teil ohne Zweifel in Folge der Schlaffheit des senatorischen Regiments; wo immer hier Wege von Staatswegen gebaut wurden, geschah es auf kaiserliche AnordnungAm deutlichsten zeigen dies die in der Senatsprovinz Bithynien unter Nero und Vespasian durch den kaiserlichen Prokurator ausgeführten Wegebauten (CIL III, 346; Eph. epigr. V, n. 96). Aber auch bei den Wegebauten in den senatorischen Provinzen Asia und Kypros wird der Senat nie genannt, und es wird dafür dasselbe angenommen werden dürfen. Im dritten Jahrhundert ist hier wie überall der Bau auch der Reichsstraßen auf die Kommunen übergegangen (Smyrna: CIL III, 471; Thyateira: BCH 1, 1877, S. 101; Paphos: CIL III, 218)..

Diese Blüte Kleinasiens ist nicht das Werk einer Regierung von überlegener Einsicht und energischer Tatkraft. Die politischen Einrichtungen, die gewerblichen und kommerziellen Anregungen, die literarische und künstlerische Initiative gehören in Kleinasien durchaus den alten Freistädten oder den Attaliden. Was die römische Regierung dem Lande gegeben hat, war wesentlich der dauernde Friedensstand und die Duldung des Wohlstandes im Innern, die Abwesenheit derjenigen Regierungsweisheit, die jedes gesunde Paar Arme und jedes ersparte Geldstück betrachtet als ihren unmittelbaren Zwecken von Rechts wegen verfallen – negative Tugenden keineswegs hervorragender Persönlichkeiten, aber oftmals dem gemeinen Gedeihen ersprießlicher als die Großtaten der selbstgesetzten Vormünder der Menschheit.

Der Wohlstand Kleinasiens beruhte in schönem Gleichgewicht ebenso auf der Bodenkultur wie auf der Industrie und dem Handel. Die Gunst der Natur ist insbesondere den Küstenlandschaften in reichstem Maße zuteil geworden, und vielfach zeigt es sich, mit wie emsigem Fleiß auch unter schwierigeren Verhältnis sen, zum Beispiel in dem felsigen Tal des Eurymedon in Pamphylien von den Bürgern von Selge, jedes irgend brauchbare Bodenstück ausgenutzt ward. Die Erzeugnisse der kleinasiatischen Industrie sind zu zahlreich und zu mannigfaltig, um bei den einzelnen zu verweilenDie Christen des Küstenstädtchens Korykos im Rauhen Kilikien pflegten, gegen den allgemeinen Gebrauch, ihren Grabschriften regelmäßig den Stand beizusetzen. Auf den dort von Langlois und neuerdings von Duchesne (BCH 7,1883, S. 230f.) aufgenommenen Grabschriften finden sich ein Schreiber (νοτάριος), ein Weinhändler (οινέμπορος) zwei Ölhändler (ελεοπώλης) ein Gemüsehändler (λαχανοπώλης), ein Fruchthändler (οπωροπώλης), zwei Krämer (κάπηλος), fünf Goldschmiede (αυράριος dreimal, χρυσόχοος zweimal), wovon einer auch Presbyter ist, vier Kupferschmiede (χαλκότυπος einmal, χαλκεύς dreimal), zwei Instrumentenmacher (αρμενοράφος), fünf Töpfer (κεραμεύς), von denen einer als Arbeitgeber (εργοδότης) bezeichnet wird, ein anderer zugleich Presbyter ist ein Kleiderhändler (ιματιοπώλης) zwei Leinwandhändler (λινοπώλης)drei Weber (οθονιακός), ein Wollarbeiter (ερεουργός), zwei Schuster (καλιγάριος, καλτάριος), ein Kürschner (ινιοράφος, wohl für ηνιοράφος, pellio), ein Schiffer (ναύκληρος), eine Hebamme (ιατρινή); ferner ein Gesamtgrab der hochansehnlichen Geldwechsler (σύσστεμα τών ευγενεστάτων τραπεζιτών). So sah es daselbst im 5. und 6. Jahrhundert aus.; erwähnt mag werden, daß die ungeheuren Triften des Binnenlandes mit ihren Schaf- und Ziegenherden Kleinasien zum Hauptland der Wollindustrie und der Weberei überhaupt gemacht haben – es genügt zu erinnern an die milesische und die galatische, das ist die Angorawolle, die attalischen Goldstickereien, die nach nervischer, das heißt flandrischer Art in den Fabriken des phrygischen Laodikeia gefertigten Tuche. Daß in Ephesos fast ein Aufstand ausgebrochen wäre, weil die Goldschmiede von dem neuen Christenglauben Beschädigung ihres Absatzes von Heiligenbildern befürchteten, ist bekannt. In Philadelpheia, einer bedeutenden Stadt Lydiens, kennen wir von den sieben Quartieren die Namen zweier: es sind die der Wollenweber und der Schuster. Wahrscheinlich tritt hier zu Tage, was bei den übrigen Städten unter älteren und vornehmeren Namen sich versteckt, daß die bedeutenderen Städte Asias durchgängig nicht bloß eine Menge Handwerker, sondern auch eine zahlreiche Fabrikbevölkerung in sich schlossen. Der Geld- und Handelsverkehr ruhte in Kleinasien hauptsächlich auf der eigenen Produktion. Der große ausländische Import und Export Syriens und Ägyptens war hier in der Hauptsache ausgeschlossen, wenn auch aus den östlichen Ländern mancherlei Artikel, zum Beispiel durch die galatischen Händler eine beträchtliche Zahl von Sklaven nach Kleinasien eingeführt wurdenDieser für das 4. Jahrhundert bezeugte Verkehr (Amm. 22, 7 8; Claudianus in Eutr. 1, 59) ist ohne Zweifel älter. Anderer Art ist es, daß, wie Philostratos (Vita Apoll. 8, 7, 12) angibt, die nicht griechischen Bewohner von Phrygien ihre Kinder an die Sklavenhändler verkauften.. Aber wenn die römischen Kaufleute hier, wie es scheint, in jeder großen und kleinen Stadt, selbst in Orten wie Ilion und Assos in Mysien, Prymnessos und Traianopolis in Phrygien, in solcher Zahl zu finden waren, daß ihre Vereine neben der Stadtbürgerschaft bei öffentlichen Akten sich zu beteiligen pflegen; wenn in Hierapolis im phrygischen Binnenland ein Fabrikant (εργαστής) auf sein Grab schreiben ließ, daß er zweiundsiebzigmal in seinem Leben um Kap Malea nach Italien gefahren sei, und ein römischer Dichter den Kaufmann der Hauptstadt schildert, welcher nach dem Hafen eilt, um den Geschäftsfreund aus dem nicht weit von Hierapolis entfernten Kibyra nicht in die Hände von Konkurrenten fallen zu lassen, so öffnet sich damit ein Einblick in ein reges gewerbliches und kaufmännisches Treiben nicht bloß in den Häfen. Von dem stetigen Verkehr mit Italien zeugt auch die Sprache; unter den in Kleinasien gangbar gewordenen lateinischen Wörtern rühren nicht wenige aus solchem Verkehr her, wie denn in Ephesos sogar die Gilde der Wollenweber sich lateinisch benenntΣυνεργασία τών λαναρίων (Wood, Ephesus. City, n. 4). Auch auf den Inschriften von Korykos (Anm. 252) sind lateinische Handwerkerbenennungen häufig. Die Stufe heißt γράδος den phrygischen Inschriften CIG 3900, 39021.. Lehrer aller Art und Ärzte kamen nach Italien und den übrigen Ländern lateinischer Zunge vorzugsweise von hier und gewannen nicht bloß oftmals bedeutendes Vermögen, sondern brachten dies auch in ihre Heimat zurück; unter denen, welchen die Städte Kleinasiens Bauwerke oder Stiftungen verdanken, nehmen die reich gewordenen ÄrzteEiner von diesen ist Xenophon, des Herakleitos Sohn, von Kos, bekannt aus Tacitus (ann. 12, 61. 67) und Plinius (nat. 29,1, 7) und einer Reihe von Denkmälern seiner Heimat (BCH 5, 1881, S. 468). Als Leibarzt (αρχιατρός, welcher Titel hier zuerst begegnet) des Kaisers Claudius gewann er solchen Einfluß, daß er mit seiner ärztlichen Tätigkeit die einflußreiche Stellung des kaiserlichen Kabinettssekretär für die griechische Korrespondenz verband (επί τών Ελληνικάν αποκριμάτων vgl. Suidas unter Διονύσιος Αλεξάνδρευς) und nicht bloß für seinen Bruder und Oheim das römische Bürgerrecht und Offiziersteilen von Ritterrang und für sich außer dem Ritterpferd und dem Offiziersrang noch die Dekoration des Goldkranzes und des Speers bei dem britannischen Triumph erwirkte, sondern auch für seine Heimat die Steuerfreiheit. Sein Grabmal steht auf der Insel, und seine dankbaren Landsleute setzten ihm und den Seinigen Statuen und schlugen zu seinem Gedächtnis Münzen mit seinem Bildnis. Er ist es, der den todkranken Claudius durch weitere Vergiftung umgebracht haben soll und demgemäß, als ihm wie seinem Nachfolger gleich wert, auf seinen Denkmälern nicht bloß wie üblich "Kaiserfreund" (φιλοσεβαστός) heißt, sondern speziell Freund des Claudius (φιλοκλαύδιος) und des Nero (φιλονέρων, dies nach sicherer Restitution). Sein Bruder, dem er in dieser Stellung folgte, bezog ein Gehalt von 500000 Sesterzen (100000 Mark), versicherte aber dem Kaiser, daß er nur ihm zuliebe die Stellung angenommen hätte, da seine Stadtpraxis ihm 100000 Sesterzen mehr eingetragen habe. Trotz der enormen Summen, die die Brüder außer für Kos namentlich für Neapel aufgewendet hatten, hinterließen sie ein Vermögen von 30 Mill. Sesterzen (6½ Mill. Mark). und Literaten einen hervorragenden Platz ein. Endlich die Auswanderung der großen Familien nach Italien hat Kleinasien weniger und später betroffen als den Okzident; aus Vienna und Narbo siedelte man leichter nach der Hauptstadt des Reiches über als aus den griechischen Städten, und auch die Regierung war in früherer Zeit nicht eben geneigt, die vornehmen Munizipalen Kleinasiens an den Hof zu ziehen und sie in die römische Aristokratie einzuführen.

Wenn wir absehen von der wunderbaren Frühblüte, in welcher das ionische Epos und die äolische Lyrik, die Anfänge der Geschichtschreibung und der Philosophie, der Plastik und der Malerei an diesen Gestaden keimten, so war in der Wissenschaft wie in der Kunstübung die große Zeit Kleinasiens die der Attaliden, welche die Erinnerung jener noch größeren Epoche treulich pflegte. Wenn Smyrna seinem Bürger Homeros göttliche Verehrung erwies, auch Münzen auf ihn schlug und nach ihm nannte, so drückt sich darin die Empfindung aus, die ganz Ionien und ganz Kleinasien beherrschte, daß die göttliche Kunst überhaupt in Hellas und im Besonderen in Ionien auf die Erde niedergestiegen sei. Wie früh und in welchem Umfang für den Elementarunterricht in diesen Gegenden öffentlich gesorgt worden ist, veranschaulicht ein denselben betreffender Beschluß der Stadt TeosDie Urkunde steht bei Dittenberger, SIG n. 349. Attalos II. machte eine ähnliche Stiftung in Delphi (BCH 5, 1881, S. 157). in Lydien. Danach soll, nachdem die Kapitalschenkung eines reichen Bürgers die Stadt dazu instand gesetzt hat, in Zukunft neben dem Turninspektor (γυμνασιάρχης) weiter das Ehrenamt eines Schulinspektors (παιδονόμος) eingerichtet werden. Ferner sollen mit Besoldung angestellt werden drei Schreiblehrer mit Gehalten, je nach den drei Klassen, von 600, 550 und 500 Drachmen, damit im Schreiben sämtliche freie Knaben und Mädchen unterwiesen werden können; ebenfalls zwei Turnmeister mit je 500 Drachmen Gehalt, ein Musiklehrer mit Gehalt von 700 Drachmen, welcher die Knaben der beiden letzten Schuljahre und die aus der Schule entlassenen Jünglinge im Lautenschlagen und Zitherspielen unterweist, ein Fechtlehrer mit 300 und ein Lehrer für Bogenschießen und Speerwerfen mit 250 Drachmen Besoldung. Die Schreib- und der Musiklehrer sollen jährlich im Rathaus ein öffentliches Examen der Schüler abhalten. Das ist das Kleinasien der Attalidenzeit; aber die römische Republik hat deren Arbeit nicht fortgesetzt. Sie ließ ihre Siege über die Galater nicht durch den Meißel verewigen, und die pergamenische Bibliothek kam kurz vor der Aktfischen Schlacht nach Alexandreia; viele der besten Keime sind in der Verwüstung der Mithradatischen und der Bürgerkriege zugrunde gegangen. Erst in der Kaiserzeit regenerierte sich mit dem Wohlstande Kleinasiens wenigstens äußerlich die Pflege der Kunst und vor allem der Literatur. Einen eigentlichen Primat, wie ihn als Universitätsstadt Athen besaß, im Kreise der wissenschaftlichen Forschung Alexandreia, für Schauspiel und Ballett die leichtfertige Hauptstadt Syriens, kann keine der zahlreichen Städte Kleinasiens nach irgendeiner Richtung hin in Anspruch nehmen; aber die allgemeine Bildung ist wahrscheinlich nirgends weiter verbreitet und eingreifender gewesen. Den Lehrern und den Ärzten Befreiung von den mit Kosten verbundenen städtischen Ämtern und Aufträgen zu gewähren, muß in Asia früh üblich geworden sein; an diese Provinz ist der Erlaß des Kaisers Pius gerichtet, welcher, um der für die städtischen Finanzen offenbar sehr beschwerlichen Exemtion Schranken zu setzen, Maximalzahlen dafür vorschreibt, zum Beispiel den Städten erster Klasse gestattet, bis zu zehn Ärzten, fünf Lehrmeistern der Rhetorik und fünf der Grammatik diese Immunität zu gewähren. Daß in dem Literatentum der Kaiserzeit Kleinasien in erster Reihe steht, beruht auf dem Rhetoren- oder, nach dem späterhin üblichen Ausdruck, dem Sophistenwesen der Epoche, das wir Neueren uns nicht leicht vergegenwärtigen. An die Stelle der Schriftstellerei, die ziemlich aufgehört hat, etwas zu bedeuten, ist der öffentliche Vortrag getreten, von der Art etwa unserer heutigen Universitäts- und akademischen Reden, ewig sich neu erzeugend und nur ausnahmsweise gelagert, einmal gehört und beklatscht und dann auf immer vergessen. Den Inhalt gibt häufig die Gelegenheit, der Geburtstag des Kaisers, die Ankunft des Statthalters, jedes öffentliche oder private analoge Ereignis; noch häufiger wird ohne jede Veranlassung ins Blaue hinein über alles geredet, was nicht praktisch und nicht lehrhaft ist. Politische Rede gibt es für diese Zeit überhaupt nicht, nicht einmal im römischen Senat. Die Gerichtsrede ist den Griechen nicht mehr der Zielpunkt der Redekunst, sondern steht neben der Rede um der Rede willen als vernachlässigte und plebejische Schwester, zu der sich ein Meister jener gelegentlich einmal herabläßt. Der Poesie, der Philosophie, der Geschichte wird entnommen, was sich gemeinplätzig behandeln läßt, während sie alle selbst überhaupt wenig und am wenigsten in Kleinasien gepflegt und noch weniger geachtet neben der reinen Wortkunst und von ihr durchseucht verkümmern. Die große Vergangenheit der Nation betrachten diese Redner sozusagen als ihr Sondergut; sie verehren und behandeln den Homer einigermaßen wie die Rabbiner die Bücher Moses, und auch in der Religion befleißigen sie sich eifrigster Orthodoxie. Getragen werden diese Vorträge durch alle erlaubten und unerlaubten Hilfsmittel des Theaters, die Kunst der Gestikulation und der Modulation der Stimme, die Pracht des Rednerkostüms, die Kunstgriffe des Virtuosentums, das Faktionswesen, die Konkurrenz, die Claque. Dem grenzenlosen Selbstgefühl dieser Wortkünstler entspricht die lebhafte Teilnahme des Publikums, welche derjenigen für die Rennpferde nur wenig nachsteht, und der völlig nach Theaterart dieser Teilnahme gegebene Ausdruck; und die Stetigkeit, womit dergleichen Exhibitionen in den größeren Orten den Gebildeten vorgeführt werden, fügt sie, ebenfalls wie das Theater, überall in die städtischen Lebensgewohnheiten ein. Wenn vielleicht an den Eindruck, welchen in unseren bewegtesten Großstädten die obligaten Reden ihrer gelehrten Körperschaften hervorrufen, sich dies untergegangene Phänomen für unser Verständnis einigermaßen anknüpfen läßt, so fehlt doch in den heutigen Verhältnissen ganz, was in der alten Welt weit die Hauptsache war: das didaktische Moment und die Verknüpfung des zwecklosen öffentlichen Vortrags mit dem höheren Jugendunterricht. Wenn dieser heute, wie man sagt, den Knaben der gebildeten Klasse zum Professor der Philologie erzieht, so erzog er ihn damals zum Professor der Eloquenz, und zwar dieser Eloquenz. Denn die Schulung lief mehr und mehr darauf hinaus, dem Knaben die Fertigkeit beizubringen, ebensolche Vorträge, wie sie eben geschildert wurden, selber, womöglich in beiden Sprachen, zu halten, und wer mit Nutzen den Kursus absolviert hatte, beklatschte in den analogen Leistungen die Erinnerung an die eigene Schulzeit. Diese Produktion umspannt zwar den Orient wie den Okzident; aber Kleinasien steht voran und gibt den Ton an. Als in der augustischen Zeit die Schulrhetorik in dem lateinischen Jugendunterricht der Hauptstadt Fuß faßte, waren die Hauptträger neben Italienern und Spaniern zwei Kleinasiaten, Arellius Fuscus und Cestius Pius. Ebendaselbst, wo die ernsthafte Gerichtsrede sich in der besseren Kaiserzeit neben diesem Parasiten behauptete, weist ein geistvoller Advokat der flavischen Zeit auf die ungeheure Kluft hin, welche den Niketes von Smyrna und die andern in Ephesos und Mytilene beklatschten Redeschulmeister von Aeschines und Demosthenes trennt. Bei weitem die meisten und namhaftesten der gefeierten Rhetoren dieser Art sind von der Küste Vorderasiens. Wie sehr für die Finanzen der kleinasiatischen Städte die Schulmeisterlieferung für das ganze Reich ins Gewicht fiel, ist schon bemerkt worden. Im Laufe der Kaiserzeit steigt die Zahl und die Geltung dieser Sophisten beständig, und mehr und mehr gewinnen sie Boden auch im Okzident. Die Ursache davon liegt zum Teil wohl in der veränderten Haltung der Regierung, die im zweiten Jahrhundert, insbesondere seit der nicht so sehr hellenisierenden als übel kosmopolitisierenden hadrianischen Epoche, sich weniger ablehnend gegen das griechische und das orientalische Wesen verhielt als im ersten; hauptsächlich aber in der immer zunehmenden Verallgemeinerung der höheren Bildung und der rasch sich vermehrenden Zahl der Anstalten für den höheren Jugendunterricht. Es gehört also die Sophistik allerdings besonders nach Kleinasien und besonders in das Kleinasien des zweiten und dritten Jahrhunderts; nur darf in diesem Literatenprimat keine spezielle Eigentümlichkeit dieser Griechen und dieser Epoche oder gar eine nationale Besonderheit gefunden werden. Die Sophistik sieht sich überall gleich, in Smyrna und Athen wie in Rom und Karthago; die Eloquenzmeister wurden verschickt wie die Lampenformen und das Fabrikat überall in gleicher Weise, nach Verlangen griechisch oder lateinisch, hergestellt, die Fabrikation dem Bedarf entsprechend gesteigert. Aber freilich lieferten diejenigen griechischen Landschaften, die an Wohlstand und Bildung voranstanden, diesen Exportartikel in bester Qualität und in größter Quantität; von Kleinasien gilt dies für die Zeiten Sullas und Ciceros nicht minder wie für die Hadrians und der Antonine.

Indes ist auch hier nicht alles Schatten. Eben diese Landschaften besitzen zwar nicht unter den professionellen Sophisten, aber doch unter den Literaten anderer Richtung, die auch noch dort verhältnismäßig zahlreich sich finden, die besten Vertreter des Hellenismus, welche diese Epoche überhaupt aufweist, den Lehrer der Philosophie, Dion von Prusa, in Bithynien unter Vespasian und Traian und den Mediziner Galenos aus Pergamon, kaiserlicher Leibarzt am Hofe des Marcus und des Severus. Bei Galenos erfreut namentlich die feine Weise des Welt- und des Hofmanns in Verbindung mit einer allgemeinen literarischen und philosophischen Bildung, wie sie bei den Ärzten dieser Zeit überhaupt häufig hervortrittEin Arzt aus Smyrna, Hermogenes, des Charidemos Sohn (CIG 3311), schrieb nicht bloß 77 Bände medizinischen Inhalts, sondern daneben, wie sein Grabstein berichtet, historische Schriften: über Smyrna, über Homers Vaterland, über Homers Weisheit, über die Städtegründungen in Asia, in Europa, auf den Inseln, Itinerarien von Asien und von Europa, über Kriegslisten, chronologische Tabellen über die Geschichte Roms und Smyrnas. Ein kaiserlicher Leibarzt Menekrates (CIG 6607), dessen Herkunft nicht angegeben wird, begründete, wie seine römischen Verehrer ihm bescheinigen, die neue logische und zugleich empirische Medizin (ιδίας λογικής εναργούς ιατρικής κτίστης) in seinen auf 156 Bände sich belaufenden Schriften.. An Reinheit der Gesinnung und Klarheit über die Lage der Dinge gibt der Bithyner Dion dem Gelehrten von Chaeroneia nichts nach, an Gestaltungskraft, an Feinheit und Schlagfertigkeit der Rede, an ernstem Sinn bei leichter Form, an praktischer Energie ist er ihm überlegen. Die besten seiner Schriften, die Phantasien von dem idealen Hellenen vor der Erfindung der Stadt und des Geldes, die Ansprache an die Rhodier, die einzigen übriggebliebenen Vertreter des echten Hellenismus, die Schilderung der Hellenen seiner Zeit in der Verlassenheit von Olbia wie in der Üppigkeit von Nikomedeia und von Tarsos, die Mahnungen an den Einzelnen zu ernster Lebensführung und an alle zu einträchtigem Zusammenhalten sind das beste Zeugnis dafür, daß auch von dem kleinasiatischen Hellenismus der Kaiserzeit das Wort des Dichters gilt: untergehend sogar ist's immer dieselbige Sonne.


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