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Zweiter Akt

Straße vor der Kirche der Vitoria, wie im ersten Akt

Erster Auftritt

Don Melchor. Ventura

Ventura
Ist's möglich, daß es Liebe gibt,
Die solch ein engelgleiches Fräulein
Von höchster Schönheit fahren läßt
Für eine zweifelhafte Dame
Mit einer runzeligen Hand
Von künstlich hergestelltem Weiß,
Eh noch von ihr ein Aug' Ihr saht,
Nicht wissend, ob sie jung, ob alt,
Ob ihre Nase krumm, ob stumpf,
Ob klein ihr Mund ist oder zahnlos!
Vernarrt man sich in eine Hülse?
Was könnt Ihr an dem Spiegel rühmen,
Wenn Ihr sein Futteral nur kennt?
An einem Weibsbild in der Wickel?
Schätzt Ihr die Katze nach dem Sack,
Den Sessel nach dem Überzug,
Das Zuckerwerk nach seiner Tüte,
Das Buch nach seinem Einbanddeckel,
Den Degen seiner Scheide nach?

Don Melchor
Willkommene Gelegenheit
Für dich, mir Unsinn vorzuplappern,
Indessen ich hier auf sie warte.

Ventura
Ihr bildet Euch noch immer ein,
Sie bring' Euch Eure Börse wieder?

Don Melchor
Bald wirst du sehn, daß sie mir Wort hält.

Ventura
Wie kann Euch Donna Magdalena
Bloß nicht gefallen?

Don Melchor
            Frostig ist sie.
Ventura, nenne sie mir nicht;
Denn jener reizenden Verhüllten
Gehört mein Herz, und wenn ihr Antlitz
Nur halbwegs ihrer Feenhand
Entspricht, wie mein untrüglich Ahnen
Mir weissagt, preis' ich mein Geschick.

Ventura
Und wenn, wie mir mein Ahnen weissagt,
Sie Lea wäre statt der Rahel,
Das eine Auge wie ein Stern,
Das andre wie ein Eierkuchen,
Die Lippe türkischblau, bedeckend
Ein alchimistisches Gebiß,
Das Angesicht so dick belegt
Wie von Pastetenbäckerei –
Was tut Ihr dann?

Don Melchor
Wär' das der Fall,
Woran ich nimmer glauben kann,
So würd' ich Magdalena nehmen:
Ist sie nicht schön, ist sie doch reich.

Ventura
Sie ist nicht halb so reich wie schön.
Doch angenommen, jene Nymphe,
Von der Ihr so verhext seid, wäre
Zwar schöner als der junge Mai,
Doch arm …

Don Melchor
            Undenkbar scheint mir das.

Ventura
Und wenn's der Zufall dennoch wollte?

Don Melchor
Dann nahm' ich nach Leon sie mit
Und würde dort in stillem Dasein,
Das durch der Liebe Bund verklärt wird,
Dem Haushalt eine Herrin geben
Und meinem Vater eine Tochter.

Ventura
Da würde der sich diebisch freun!
Doch wenn sie nicht so reinlich wäre,
Wie's Euer alt Geschlecht verdient?

Don Melchor
Dir wird auf all dein blöd Getratsch
Antwort zuteil, wenn du sie siehst.

Ventura
Gott gebe, daß sie gar nicht kommt,
Und kommt sie doch und ist ein Racker,
Daß Euer Schutzgeist früh genug
Die Binde von dem Aug' Euch nimmt.
Doch seht, Don Luis naht sich dort
Mit einer Dame, tief in Trauer
Und gleich der unsrigen verschleiert.

Don Melchor
Auf einen Köder beißen alle.

Zweiter Auftritt

Vorige. Don Luis. Donna Magdalena (in Trauerkleid und Schleier)

Don Luis
Verflucht sei, Herrin, wer die Schleier
Erfunden hat; denn nur in Spanien
Wird man so vieler Hochgenüsse
Durch sie beraubt! Ein solch Geschöpf
Wagt auf die Straße ganz allein
Sich ohne Mutter oder Tante!
Beim Himmel, schöne Trauernde,
Was für ein Glück, Euch zu begegnen.
Zeigt nur ein Auge mir; ja, zeigt
Nur von dem einen die Pupille,
Da doch vor einer Kirchentür
Almosen man erbetteln darf.

Donna Magdalena
Gott gebe mir, um Euch zu geben.
Verzeiht, ich hätte gern gesprochen
Mit diesem Herrn.

Don Luis
            Mit welchem?

Donna Magdalena
            Dem,
Der dort an jenem Pfeiler steht.

Don Luis
Das ist mein Freund und Anverwandter.

Donna Magdalena
Wenn Ihr an Höflichkeit ihm gleicht,
So gönnt mir Raum, damit ich ihm
Vier Worte sagen kann, nicht mehr.

Don Luis
Wenn Ihr die seid, von der er träumt,
Und die das Freien ihm verleidet,
So bin ich großen Dank Euch schuldig.

Donna Magdalena
Ich bitt' Euch, Herr, Euch zu entfernen.

Don Luis
(nähert sich Don Melchor, spricht mit ihm)
Wenn der sich in Gefahr befindet,
Der nach dem Sprichwort zwischen Kreuz
Hindurchgeht und geweihtem Wasser,
Dann, Vetter, trifft auf Euch dies zu.
Die Dame, die dort nach Euch auslugt,
Will mit Euch sprechen. Seht Euch vor;
Denn höchst gefährlich scheint sie mir,
Da sie, geschirmt vor der Justiz
Durch ihren Schleier, unbedenklich
Dem Herzensraub sich widmen kann.

Don Melchor
Ihr sagt, daß sie mich sprechen will?

Don Luis
Sie schickt mich, um's Euch zu bestellen.

Don Melchor
Ventura, das ist meine Dame!

Ventura
Sie kommt als Requiem gekleidet.
Vermutlich eine andre Huldin;
Zahllose gibt es in Madrid,
Und einen Fremden wittern sie
Auf Meilen.

Don Melchor
            Nein, das ist dieselbe
Von gestern; unverkennbar zeichnen
Gestalt und Haltung sie mir ab.
Vetter, lebt wohl.

Don Luis
(kehrt zu Donna Magdalena zurück)
            Er ist bereit.
Ich überlass' ihn, Herrin, Euch;
Verdreht ihm gründlich nur den Kopf.
Denn an die Seele greift es mir,
Von ihm ein Gut verschmäht zu wissen,
Das meiner Wünsche Gipfel ist.
(Ab)

Dritter Auftritt

Donna Magdalena. Don Melchor. Ventura

Don Melchor
Bin ich es, Herrin, den Ihr sucht?

Ventura
Seid, Herrin, Ihr's, auf die wir warten?

Don Melchor
Ventura, mach, daß du verschwindest!

Ventura
Will heißen: mach den Kammerherrn,
Der vor der Kammer Wache steht.

Donna Magdalena
(zu Don Melchor)
Erkennt Ihr diese Hand?

Don Melchor
            Ach, Tag!
Ach, Morgenrot! Ach, meine Sonne!

Ventura
(für sich)
Bloß um zu prüfen dies Ach, ach,
Begaben wir uns nach Kastilien.
(Er zieht sich zurück)

Donna Magdalena
Ich kam, um Euch mein Wort zu halten.

Don Melchor
Dürft' ich so sehr auf Eure Gunst
Mich wie auf Euer Wort verlassen,
Würd' ich das Glanzgestirn erblicken,
Das hinter dieser Wolke strahlt.

Donna Magdalena
Auch trieb das fremde Geld mich her,
Das unberechtigt ich empfing
Und seinem Eigentümer schulde.

Don Melchor
Sagt Ihr das einer Seele wegen,
Die, weil sie flüchtig ist seit gestern,
Von ihrer Leiblichkeit vermißt wird,
So geb' ich willig sie verloren.

Donna Magdalena
Ist es die Eure?

Don Melchor
            Herrin, ja.

Donna Magdalena
Wie liederlich von ihr! Wie keck!
Sie war's, die mich die ganze Nacht
Nicht schlafen ließ, weil sie begierig
Erproben wollte, welche Macht
Wohl die Gedanken üben können.
Obwohl nur Gast, macht zur Gebietrin
Sie sich in meinem eignen Haus.
Das wäre schlimm für mich geworden,
Wenn nicht zum Glück mich heute früh
Besucht hätt' eine gute Freundin,
Der diese Seele zugehört.

Don Melchor
Ihr und nicht Euch? Wer hat gewagt,
Euch so was vorzulügen?

Donna Magdalena
            Eine
Gewisse Donna Magdalena,
Die schön ist, edel, klug und reich.
Auf die Gefahr hin, daß Ihr mich
Der Neugier zeiht, will ich gestehn,
Daß mit Erfolg nach Euch seit gestern
Nachforschungen ich angestellt.
Ich weiß, daß Ihr hierhergekommen,
Um einen Goldfasan zu frein;
Denn Eure Liebe wiegt nach Pesos.
Ich weiß, daß Ihr Don Melchor heißt,
Aus angesehnem Hause stammt,
Daß Ihr so arm wie adlig seid,
Daß Eure Heirat heute noch
Soll durch Vertrag besiegelt werden.
Nun seht, wie töricht ist ein Weib,
Das eines Fremden übertriebner
Und falscher Rede Glauben schenkt.
Denn wenn ich, minder gut berichtet,
Euch heut, wie gestern meine Hand,
Mein Angesicht erblicken ließe,
Nicht nur gekränkt, auch noch erkannt,
Wie würde dann ich bloßgestellt
Und preisgegeben dem Gelächter!
Gesegnet sei drum, wer die Schleier
Erfand!

Don Melchor
            Und soll drum der verdammt sein,
Den Eure geistgewürzte Sprache
Nicht blind für Eure Schönheit macht?
Was Ihr von mir erkundet habt,
Wohl, das ist wahr, doch wahrer nicht,
Als daß ich grenzenlos Euch liebe.
Ja, glaubt nur, teuerste Verhüllte:
Wenn Ihr so schön seid, wie mein Traum
Euch nachgebildet – denn je mehr
Der Schleier die geahnten Wunder
Mir hehlt, ist meine Lieb' ein Luchs –
Dann wird mich keiner andern Gold
Und Reiz und kein vereinter Ansturm
Des Neides dran verhindern können,
Euch anzubeten, zu vergöttern.
Wißt, Eure Mitbewerberin,
Ich sah sie gestern (wollt verzeihn,
Daß ich ihr diesen Namen gebe
Und nicht sie meine Feindin nenne);
Ich sah sie – doch wie doppelt göttlich
Schien beim Vergleich in der Erinnrung
Mir Eurer Zauberhand Kristall!
Zwar, einer Frau, wenn sie noch gar
Abwesend, Übles nachzusagen,
Verletzt den ritterlichen Anstand,
Den stets ich mir zur Richtschnur nahm.
Doch im Vertrauen, unter uns,
Ich fand sie weder schön, noch würdig,
Mit Euch in Wettbewerb zu treten,
Und nicht gebietet mir mein Herz,
Daß ich ihr meine Freiheit opfre.
Euch gab ich sie dahin; mit Grund
Kann die Gefangene verlangen,
Der Herrscherin Gesicht zu sehn.
Ich fleh' darum; zwingt Euer Argwohn
Euch immer noch, mir das zu weigern?

Donna Magdalena
Fast hättet Ihr mich überredet,
Euch zu willfahren … Aber nein;
Denn da mich Euer Traum viel schöner
Gemalt hat, als ich bin, so fürcht' ich,
Die hohe Meinung zu verlieren,
In der Euch die Geträumte steht,
Wenn ihr die Wirkliche nicht gleichkommt.
Doch möcht' ich auch nicht all das Glück,
Das mir aus Eurer Liebe winkt,
Dadurch gefährden, daß am Ende
Durch Nichterblicken sie sich abkühlt.
So schwör' ich denn bei meinem Leben,
Dem allgemeinen Ruf gemäß,
Den ich in dieser Stadt genieße,
Daß Donna Magdalena mich
An Schönheit weder noch an Reichtum,
An Jugend weder noch an Klugheit,
An Adel nicht noch Würdigkeit,
Euch zu besitzen, übertrifft.
Und ward ich so des eignen Ruhmes
Verkünderin, der Wettbewerb,
Von dem Ihr spracht, mag ausnahmsweis
Ein solch Vergehn entschuldigen.

Don Melchor
Ich schwör' Euch bei dem Himmelslichte,
Dem nicht erblickten, doch verehrten,
Daß Ihr mir geltet als ein Wunder
An Schönheit und daß der Vergleich
Mit jener Euch so schwer beleidigt,
Wie wenn man Tag vergleicht mit Nacht.

Donna Magdalena
Dann tut mir eines zu Gefallen:
Entledigt Euch der Abmachung
Mit dieser Donna Magdalena,
Die peinlich mir die Ruhe raubt;
Wohnt länger nicht in ihrem Haus
Und siedelt über in das meine:
Da werden Euch die Augen aufgehn.

Don Melchor
Ich bin's zufrieden, tausendmal.
Und daß Ihr völlig überzeugt seid,
Wie wenig Lieb' ich für sie fühle,
So hört von mir, daß jener Herr,
Der mit Euch kam und Eure Botschaft
Mir zutrug, mein Verwandter ist,
Und daß für die von mir Verschmähte
Sein Herz in hellen Flammen steht.

Donna Magdalena
Ich wußt' es schon.

Don Melchor
Bewirken werd' ich,
Daß er um sie beim Vater anhält,
Und so der beiden Bund vermitteln,
Dem zweifellos durch des Don Luis
Dreitausend Golddukaten Rente
Besondre Festigkeit erwächst.

Vierter Auftritt

Vorige. Santillana

Santillana
(zu Donna Magdalena)
Die Messe, Herrin, ist beendet
Und schon die Kirche menschenleer.

Donna Magdalena
Ich bin nicht in so großer Eile.
Erwartet mich ein wenig abseits.
(Sie spricht weiter mit Don Melchor)

Santillana
(für sich)
So eine Umstandskrämerin!

Ventura
(indem er Santillana beiseite zieht)
He, Herr von Dingsda, wollen gnädigst
Geruhen Eure Herrlichkeit,
Mir tausend Worte zuzuhören?

Santillana
Ist Eure Exzellenz ein Schwatzmaul?

Ventura
Wie heißen Hoheit?

Santillana
            Santillana.

Ventura
Seit wann steht Ihr bei dieser Dame
In Dienst?

Santillana
            Noch nicht zwei volle Stunden.
Eine Duenna mietete
Mich als Lakai für eine Kutsche.

Ventura
So wißt Ihr gar nicht, wer sie ist?

Santillana
Nein, Euer Gnaden.

Ventura
Hand aufs Herz?
Bei Strafe des bedungnen Lohns
Hat man Euch eingeschärft, zu schweigen;
Doch seht dies Vierrealenstück,
Kraft dessen man Geheimnisse
Den Leuten aus der Nase ziehn kann:
Sagt, wer sie ist, wenn dies Euch reizt.

Santillana
(für sich)
Solch einen Laffen anzuführen,
Ist eine feine Heldentat.
Da mich die vier Realen locken,
Geh' ich dafür ihm Kinderbrei.
(Laut)
Viel über mich vermag ein Weinchen,
Das ein gewisser Keller birgt,
Wozu die vier den Schlüssel haben,
Gleichviel, ob meine Herrin schilt.
(Er will das Geldstück nehmen, das Ventura ihm vorhält)

Ventura
Halt! Nur gemach und nicht so stürmisch.
Mir schwant so was wie Schelmerei.

Santillana
Nun gut, ich sag's Euch. Diese Dame
Kam, weil sie glüht für diesen Ritter,
Hierher, um heimlich ihn zu sprechen,
Mit keiner anderen Begleitung
Als der von meiner Wenigkeit.

Ventura
Und hat doch sicher zwanzig Tanten.

Santillana
Es ist … Ihr dürft es niemand sagen;
Nur höchstens, daß Ihr Euren Herrn
Von wegen seines Glücks beglückwünscht.

Ventura
Ziert Euch nicht lang; heraus damit.

Santillana
Nun denn, es ist die Gräfin …

Ventura
            Gräfin?

Santillana
            Von Chirinola.

Ventura
            Und in China
Liegt die Chimärengrafschaft wohl?

Santillana
Nein, Herr, sie liegt in der Provinz
Neapel.

Ventura
            Chirinola? So?
Und diese Chignongräfin, sagt,
Wo wohnt sie?

Santillana
            In der Silvastraße,
In einem Haus mit Jalousien
Und blauen Gittern.

Donna Magdalena
(zu Don Melchor)
            Meine Trauer,
Nach der Ihr sorgend Euch erkundigt,
Gilt meinem armen alten Vater,
Der gestern starb, und eh die vielen
Beileidsbesuche mich daran
Verhindern konnten, eilt' ich her
Mit einem einzigen Bedienten.

Santillana
(zu Ventura)
            Noch etwas?

Ventura
            Ja.

Santillana
Dann also flink.

Ventura
Hat diese Gräfin einen Mann?

Santillana
Man sagt, daß sie nach einem angelt,
Wie's in der Bauernsprache heißt.

Don Melchor
(zu Donna Magdalena)
Noch einmal bitt' ich, laßt mich sehn,
Was meine Lieb' auf Treu und Glauben
Anbetet.

Donna Magdalena
            Ich bin nicht von Stein
Und möchte gern von Euch erfahren,
Ob ich in Wahrheit, wie mir manche
Bereits versichert haben, schöner
Als Donna Magdalena bin.
Deswegen richtet auf dies Auge
Den Blick, das für das andre bürgt.
(Sie enthüllt ihm ein Auge)

Don Melchor
Ein neues Wunder strömt vom Himmel
Hernieder, eine Glorie,
Die Seele sättigend mit Leben,
Das ohne sie verlöschen muß!

Ventura
(zu Santillana)
Lebt wohl, verehrter Würdenträger,
Und dieses Geld schreib' ich Euch gut.
(Er steckt das Geldstück ein)

Santillana
(für sich)
Das Nachsehn bloß hat ein Lakai,
Der sich mit einem Stallknecht einläßt!

Don Melchor
(rufend)
Ventura! Mein Ventura!

Ventura
            Herr,
Was steht Euch zu Befehl?

Don Melchor
            O schau,
Ja, schau den märchenhaften Glanz,
Den dieser Morgenstern entsendet,
Damit du mir nicht später sagst,
Die von mir aufgegebne Braut
Sei schöner oder würdiger,
In meines Herzens Grund zu wohnen.

Ventura
Entlodre, triff, besiege, töte,
Du blitzeschleudernder Komet,
Du Köcher für die Liebespfeile.
(Leise zu Don Melchor)
So redet man im neusten Stil.

Don Melchor
O zeigt mir seinen Zwilling noch!

Donna Magdalena
Sei's drum.
(Sie enthüllt ihm das andere Auge)

Ventura
            Sind das Reliquien,
Die man nur einzeln stellt zur Schau?

Don Melchor
Berückend!

Ventura
            Augen, ja, schon drück' ich
Ein Auge zu als Augenzeuge,
Der nach der Börs' euch äugeln sah;
Denn augenscheinlich überstrahlt ihr
Die fetten Augen auf der Suppe.

Donna Magdalena
Nun? Meint Ihr, daß nach Billigkeit
Sich mit den Augen Eurer Braut
Die meinen messen dürfen?

Don Melchor
            Jesus!
Verunglimpft nicht Euch selbst; denn jene
Sind gegen diese …

Ventura
            Lumperei.

Donna Magdalena
(zu Don Melchor)
Für solchen Ausspruch nehmt, ich bitt' Euch,
Dies hin als meines Dankes Bürgschaft.
(Sie gibt ihm ein Kästchen)

Ventura
Potz Blitz!

Donna Magdalena
(zu Ventura)
            Und du, nimm diesen Ring.

Ventura
O Hand, o benedeite Hand!
Hand, wenn auch ungestüm für Börsen,
So doch für Ringe hold und mild,
Handliche Hand für edles Handeln!
Das ist die richt'ge Hand, um ihr
Die Hand zu reichen, nicht die andre,
Die kalt, phlegmatisch ist und schlaff,
Bleichsüchtig, träge, trügerisch,
Hoffärtig, herrisch, heikel, hart.
O Hand von allerhand Gewicht;
Denn wie mir der Lakai versichert,
Ist's eine hochgeborne Hand.

Santillana
Schweigt still!

Don Melchor
            Was hat das zu bedeuten?

Ventura
Stets kommt die Wahrheit an den Tag.
Ihr seid die Gräfin Cirinola;
Euer Vasall verriet es mir.

Don Melchor
Ihr eine Gräfin?

Donna Magdalena
            Glaubt hiervon
Soviel Euch gut dünkt, wenn ich auch
Dem Plauderer den Abschied gebe.

Santillana
(für sich)
Sie leistet meiner Lüge Vorschub.

Donna Magdalena
Auf Eure Treue bauend sag' ich:
Lebt wohl!

Don Melchor
            Sie wird sich Euch bewähren,
Bevor der Morgen tagt. Lebt wohl!

(Donna Magdalena und Santillana gehen ab)

Ventura
Herr, diese Hand hat Hand und Fuß.
Denkt, eine Grafschaft!

Don Melchor
            Ich bin selig!
(Beide ab)

Fünfter Auftritt

Donna Angela, Don Sebastian (kommen von der anderen Seite)

Don Sebastian
Läßt sich davor kein Riegel schieben,
Daß dieser Melchor sich vermählt
Und Eifersucht zu Tod mich quält?

Donna Angela
Da mußt du flink sein. Unterschrieben
Noch heute werden die Verträge,
Und morgen, als am Sonntag, droht
Das erste Heiratsaufgebot.

Don Sebastian
Worauf ich in mein Grab mich lege.
Wär' er doch niemals nach Madrid
Gekommen!

Donna Angela
            Ja, falls wohlverstanden
Er bleibt in Magdalenas Banden.

Don Sebastian
Teil dein Gefühl getrost mir mit:
Du liebst ihn?

Donna Angela
            Leider hast du recht.

Don Sebastian
Darin sogar bist du mir ähnlich. –
Der Mensch ist viel zu unansehnlich
Für deinen Reiz und dein Geschlecht.
Doch schließlich werden diese zwei
Vereint, und wir vergehn vor Kummer.

Donna Angela
Die Liebe raubt mir meinen Schlummer
Mit einer solchen Tyrannei,
Als ob nicht erst ein einzig Mal
Ich ihn gesehn.

Don Sebastian
            Ich werd' ihn töten.

Donna Angela
Ein sanftres Mittel ist vonnöten;
Denn dieses frommt nicht meiner Qual.
Ich lieb' ihn, und durch sein Verderben
Würd' ich ja doch erst recht genarrt.

Don Sebastian
Ist er nur tot und eingescharrt,
So wird auch deine Liebe sterben.
Auf alle Fälle müssen wir
Die Hochzeit zu verhindern trachten.

Donna Angela
Ich wüßte nicht, wie wir das machten.

Don Sebastian
Ich werde sagen, daß mit mir
Sich Magdalena schon verlobte.

Donna Angela
Wo nähmest du die Zeugen her?

Don Sebastian
Ei, Freunde hab' ich, oft erprobte.

Donna Angela
Ein Aufschub fiele so nicht schwer;
Doch reicht's nicht, um den Bund zu brechen.

Don Sebastian
Wenn die Verzögrung erst gelang,
So wird mein Reichtum und mein Rang
Dem Vater schon ins Auge stechen.
Er ist ein alter Mann, und Geiz
Pflegt graue Häupter zu beraten;
Ihm sind sechstausend Golddukaten
An Rente wohl nicht ohne Reiz.
Dazu mein künftig Amt im Staat –
So wickle ich ihn um den Finger.

Donna Angela
Don Melchor ist ein Herzbezwinger.

Don Sebastian
Das Geld ist's noch in höherm Grad.
Was könnte der Versuch uns schaden?

Donna Angela
Nichts. Das nur sag' ich dir voraus:
Nicht wohnen bleib' ich in dem Haus,
Wenn uns die zwei zur Hochzeit laden.

Don Sebastian
Wohlan, ich schmiede gleich das Eisen.

Donna Angela
Vor allem treibe Zeugen auf.

Don Sebastian
Was steht nicht in Madrid zu Kauf?
Hier gibt's Betrug zu allen Preisen.

Donna Angela
Gern schieß' ich zu, wenn's nötig ist,
Was ich vermocht, mir zu ersparen.

Don Sebastian
Ich hoffe billiger zu fahren.
Kehr heim; ich folg' in kurzer Frist.
(Ab)

Sechster Auftritt

Donna Angela. Ventura

Ventura
Verzeihung, kam Euch zu Gesicht
Don Melchor? Weh mir armem Toren!
Er ging mir unterwegs verloren.

Donna Angela
Ihr dient ihm?

Ventura
            Ja.

Donna Angela
            Beeilt Euch nicht.

Ventura
Er wird mich suchen.

Donna Angela
            Hört mich an.

Ventura
            Ihr wünscht?

Donna Angela
Ihr heißt?

Ventura
            Ventura.

Donna Angela
            Prächtig.
Seid Ihr ein Mensch, der klug bedächtig
Ein streng Geheimnis wahren kann?

Ventura
Ich bin wie eine Gruft verschwiegen.

Donna Angela
Nehmt diesen Ring; er sei das Pfand.

Ventura
Noch eine zweite Wunderhand!
(Für sich)
Mein guter Stern ist aufgestiegen.
Da man mich rings umringt mit Ringen.
(Laut)
Held Alexander drückte schon,
Um seinem Freund Hephästion
Dadurch das Schweigen beizubringen,
Den Siegelring auf seinen Mund;
Doch daß er sich darauf beschränkte
Und ihm den Siegelring nicht schenkte,
Gibt ihn als einen Knicker kund.
Hingegen ich, der ihn empfing,
Ich will mich seiner würdig zeigen,
Und um auf jeden Fall zu schweigen,
Werd' ich den Finger mit dem Ring
Zusammen in den Mund mir stecken;
Dann muß ich stumm sein ohnehin.

Donna Angela
Wißt Ihr, Ventura, wer ich bin?

Ventura
Ihr seid geschaffen, Glut zu wecken.

Donna Angela
Meint Ihr, den Wettstreit könnt' ich wagen
Mit Melchors Braut in Anbetracht
Der Liebe?

Ventura
            Wie dazu gemacht
Seid Ihr, sie aus dem Feld zu schlagen.

Donna Angela
Doch ist nicht Donna Magdalena
Ans Herz gewachsen Eurem Herrn?

Ventura
Er ist von Liebe grad so fern
Als wie Paris von Cartagena.

Donna Angela
Kam er hierher nicht ihretwegen?
Und dennoch liebt er sie nicht recht?

Ventura
Genau wie einen Henkersknecht,
Der käm', ihn auf den Block zu legen.
Mit einer größern Zahl von Fehlern
Fand er behaftet seine Braut,
Als man bei blinden Gäulen schaut
Und alten Weibern in Spitälern.
Nie wird er sich mit ihr vermählen,
Würd' er dadurch auch Persiens Schah.

Donna Angela
Wozu dann aber ist er da?

Ventura
(für sich)
Ich muß ihr alles wohl erzählen.
(Laut)
Weil hier zu besserer Verbindung
Es eine schöne Durchlaucht gibt.

Donna Angela
Durchlaucht?

Ventura
            Ja, Durchlaucht.

Donna Angela
            Und er liebt
Sie sehr?

Ventura
            Mit stürmischer Empfindung.

Donna Angela
Wer ist sie?

Ventura
            Eine Gräflichkeit,
Mit einer Hand, die gleich vom Stapel
Ihm ließ das Königreich Neapel,
Und einem Aug', das Flammen speit.
Mir aber gab sie feierlich
Den Ring hier.

Donna Angela
            Und wie ist ihr Name?

Ventura
Bei mir nennt diese hohe Dame
Die Gräfin mit der Börse sich.

Donna Angela
Wo liegt denn ihre Grafschaft?

Ventura
            Mangelt
Nicht mein Gedächtnis, liegt sie nah
Der Kirche der Vitoria.
Denn eine Gräfin ist's, die angelt.

Donna Angela
Ihr sprecht im Scherz.

Ventura
            Bei meinem Leben
Ihn hat erfüllt mit Liebesweh
Das schönste Auge, das ich je
Gesehn (wollt gnädigst mir vergeben),
Und eine Hand, wie zur Empfehlung
Der Zypernseife fleckenfrei.
Sie gab uns heut ihr Wort, sie sei
Bereit zu baldiger Vermählung,
Gesetzt, er läßt die andre schießen
Und bleibt in ihrem Hause nicht.
Jetzt habt Ihr gründlichen Bericht;
Doch, Herrin, laßt's Euch nicht verdrießen.
Denn Eure Liebe wird Euch seine
Zuwenden, wenn er sie erkannt,
Weil ihm die Gräfin nur die Hand
Und ein paar Augen, erst das eine,
Sodann das zweite vorgerückt.
Zeigt ihr hingegen ihm die Nase,
Die wie ein Röschen in der Vase
Blühduftig Euer Antlitz schmückt,
Zeigt ihm den Mund mitsamt den Zähnen
Und Eure Mitgift obendrein,
Dann – jede Wette geh' ich ein –
Vergißt er nicht nur Magdalenen,
Nein, auch die Gräfin; habt nur acht.
(Für sich)
Du hast zu viel geschwatzt, mein Junge.
Doch dieser Ring hat mir die Zunge,
Weiß Gott, aus Rand und Band gebracht.
(Ab)

Siebenter Auftritt

Donna Angela (allein)

Donna Angela
Mehr brauch' ich nicht, um zu erlangen,
Daß man die Hochzeit noch verschiebt.
Wie dürfte, wer so heftig liebt
Wie ich, vor einer Kriegslist bangen?
Ob diese Gräfin auch mir Plagen
Erneuter Eifersucht verschafft –
Gewinnt man Zeit, gewinnt man Kraft.
Gleich will ich's meinem Bruder sagen.
(Ab)

Achter Auftritt

Zimmer im Hause des Don Alonso

Donna Magdalena (in einem anderen Kleid). Isabel

Donna Magdalena
Horch, Isabel, wie's mit mir steht:
Ich bin geliebt und bin verschmäht,
Ich bin verabscheut und gefeiert,
Ein Schreckgespenst und ein Magnet!
Ich mach' ihn, sieht er mich verschleiert,
Vor Liebe seufzen, und zwar tüchtig,
Und scheuch' ihn, sieht er mich enthüllt;
Er stellt mir nach, ist vor mir flüchtig,
Und so von Widerstreit erfüllt,
Bin auf mich selbst ich eifersüchtig.
Mißfällig ist ihm diese Hand
Und setzt ihn doch zugleich in Brand;
Er sucht mich, um mich preiszugeben,
Verstößt mich, um nach mir zu streben.
Die Augen, die er häßlich fand,
Preist er als schön; dasselbe Ziel,
Nach dem er jagt, will er verlassen,
Und Einbildung vermag so viel,
Daß eines Schleiers Faltenspiel
Entscheidet Lieben oder Hassen.
Um unsre Trauung zu erreichen,
Geht er auf unsre Trennung aus,
Und um zu kommen in mein Haus,
Will er aus meinem Haus entweichen.
Ich bin verdammt, ihm nachzuschleichen
Als Schatten und als leerer Schein;
Was ich gewinne, büß' ich ein;
Das Glück wird mir vom Leid vertrieben;
Weil er mich liebt, muß ich ihn lieben,
Weil er mich fortwirft, gram ihm sein.
Nun, Isabel, gib mir Bescheid:
Hast je von so was du vernommen?

Isabel
Nein, das ist noch nicht vorgekommen.
Doch scheint mir, daß Ihr töricht seid,
Seh' ich in eifersücht'gern Neid
Euch selber gegen Euch entbrennen.
Vom Widerstreit versetzt in Pein,
Gebt Ihr Euch doch nicht zu erkennen
Und wollt, statt eine Frau zu sein,
Fortfahren, Euch in zwei zu trennen.
Ihr legt ihm deutlich an den Tag,
Daß Ihr ihn liebt, obwohl die Wohnung
Er nicht mehr mit Euch teilen mag
Und weder Rücksicht kennt noch Schonung.
Zerreißen soll er den Vertrag,
Das Euch gegebne Jawort brechen
Verlangt Ihr; bringt Euch das Gewinn?
O nein, zur Strafe seiner Schwächen
Sucht als besiegte Siegerin
Euch lieber an Euch selbst zu rächen.

Donna Magdalena
Bedenk, so standhaft ihn zu schauen
In seiner Liebe, macht mich toll,
Und da sie hoch und höher schwoll,
So wuchs mit ihr auch mein Vertrauen.
Drum sei nicht allzu sorgenvoll,
Wenn nach des Schicksals hartem Schluß
Hartnäckig um sein Herz das meine
Krieg mit sich selber führen muß,
Weil ich ja doppelt bin zum Scheine,
Wenngleich in Wirklichkeit nur eine.
Einbildungen sind unerläßlich
Zur Liebe; sieht sie mich geteilt,
Die eine schön, die andre häßlich,
Wo wär' ein Mittel, das mich heilt,
Wenn Eifersucht mich drum ereilt?
Denn da doch beide mich enthalten,
Muß ich nach innerstem Gebot
Einstehn für beide bis zum Tod,
In Freud' und Traurigkeit zerspalten.
Die, welcher seine Schwüre galten,
Sie schuldet ihm dafür Beschenkung,
Und welcher schmählich er entflohn,
Mit Rache muß ihn die bedrohn;
Drum zahl' ich Werbung ihm und Kränkung
Mit meiner Treu' und meinem Hohn.
Wohl werd' ich ewig nach ihm schmachten
Und werde doch zu gleicher Zeit
Zu rächen wissen sein Verachten
Und mein daraus entsprungnes Leid.

Isabel
So treibt Ihr, mit Euch selbst im Streit,
Noch schroffrem Widerspruch entgegen.

Donna Magdalena
O Gott, in solcher dunklen Schlucht
Vermag allein mit voller Wucht
Ein Herz in Hälften zu zerlegen
Der Messerschnitt der Eifersucht.

Neunter Auftritt

Vorige. Don Alonso. Don Geronimo. Donna Angela. Don Sebastian

Donna Angela
(zu Don Alonso)
Sein Diener hat es eingestanden,
Und andere bestätigen,
Daß man ihm auf die Sprünge kam.

Don Sebastian
Mir haben's mehrere gesagt;
Ich hab's jedoch nicht glauben wollen,
Bis ich mit eignen Augen sah,
Was Euch zum Schabernack sich zuträgt.
Sie haben sich bereits das Wort
Gegeben (ich vermute, schriftlich)
Und hätten sich schon heut vermählt,
Wenn nicht des alten Grafen Tod
Sie noch zu kurzer Säumnis zwänge.
Glaubt nur, ich fühle jedes Unglück,
Das Euch als unsern Hausgenossen
Betrifft, wie wenn es mir geschehn wär'.
Erstickt im Keime diesen Schaden;
Denn laßt Ihr ungehemmt ihn wuchern,
Dann wächst er glatt Euch übern Kopf.

Don Alonso
Don Melchor hätte sich so plötzlich
Verliebt? Erst gestern eingetroffen
Und heut verlobt in aller Form!
Klingt das nicht äußerst unwahrscheinlich?

Don Sebastian
Wißt Ihr so sicher, welches Endziel
Ihn aus Leon hierhergeführt hat
Und was er für geheime Schliche
Verkleidet und versteckt betrieb?

Don Geronimo
Hätt' er vor der Vitoria
Mich und Don Luis nicht getroffen,
So hätt' er schwerlich uns besucht,
Und darum halt' ich's für die Wahrheit,
Was Don Sebastian behauptet.

Don Alonso
(zu Don Sebastian)
Nun ja, wenn Ihr's mit Augen saht,
Wie dürft' ich zweifeln? Dies Madrid
Steckt voll von Trug und Hinterlist. –
Ich duld' ihn keine Stunde länger
Im Hause, Magdalena.

Donna Magdalena
            Vater,
Vielleicht besitz' ich die Gewißheit
Von dem, was Ihr in Zweifel zogt.
Don Melchor, unser Landsmann, allen,
Die mir bisher begegnet sind,
An Geist und Anspruch auf die reichsten
Und schönsten Frauen überlegen,
Ist in Erwartung einer Grafschaft.

Don Alonso
Du weißt es auch schon?

Donna Magdalena
            Wollte Gott,
Ich hätte mich hierin getäuscht.
Doch seine Braut erzählte heut
Vor der Vitoria mir alles,
Da sie mir eng befreundet ist.
Sie sagte mir, daß ein Don Melchor,
Zwar arm, jedoch von edler Abkunft
Und aus Leon hier angelangt
Um einer andern Heirat willen,
In einer Stunde mehr bei ihr
Erreicht hat, als in vielen Jahren
Ein andrer könnte. Gegenseitig
Gefielen beide sich so gut,
Daß schon sein Anblick ihre Trauer
Um ihres Vaters Tod alsbald
In eitel Frohsinn wandelte.
Sie wußte nicht, wie sehr ich selbst
Im Spiel war, und ich hielt's für ratsam,
Mich zu verstellen, um die Wahrheit
Vollständig an das Licht zu ziehn.
Am Ende hat auf nächsten Sonntag
Sie mich zur Hochzeit eingeladen,
Die wegen ihrer Trauer ganz
Im stillen vorgeht.

Don Alonso
            Schnelle Hochzeit!
Was ist denn das für eine Gräfin?

Donna Magdalena
Das darf ich heut noch nicht verraten,
Da sie mir Schweigen auferlegte,
Bis alles abgeschlossen ist.

Don Geronimo
Bei Gott, wenn er nicht einsehn wird,
Wie grausam er sich selber züchtigt
Mit diesem albernen Betrug …

Don Alonso
Warum erregst du dich, mein Sohn?
Kann Magdalena viel verlieren
An einem Mann, der gestern ankommt
Und binnen vierundzwanzig Stunden
Sich flugs verliebt, verlobt, vermählt?

Donna Magdalena
Sie hat besonders schöne Hände,
Hat Augen, die bezaubernd sind;
Er liebt auch ihre hohe Stellung
Und lechzt, ihr Paladin zu sein.
Nun also, mög's ihm wohl bekommen;
Denn ohne Mißgunst und Bedauern
Gönn' ich ihm diese beßre Wahl.

Don Alonso
Fürwahr, ein unerhörter Fall!
Schlecht zahlt er mir die Freundschaft heim,
Die mich verband mit seinem Vater;
Da haben wir die heut'ge Jugend.
Fahr' er denn meinetwegen hin.
Ich werde dir, mein gutes Kind,
Statt seiner einen wohlgebornen
Und wohlerzognen Gatten suchen.

Don Sebastian
Wenn diesen Namen ich verdiene,
So war' es hohe Schicksalsgnade
Für mich, statt Euer Hausgenosse
In Zukunft Euer Sohn zu heißen.
Sechstausend Golddukaten Rente
Hab' ich alljährlich zu verzehren,
Wozu mein liebend Herz noch kommt.

Don Alonso
Ich rechne dieses Angebot
Zur Ehre mir, wenngleich zunächst
Ich die Verhandlungen darüber
Vertag' auf schicklichere Zeit.
Mag nun der neugebackne Graf
Sich seinen Glückwunsch holen kommen;
Er wird von mir kein Wort des Vorwurfs
Vernehmen über seinen Streich.

Zehnter Auftritt

Vorige. Don Melchor. Ventura

Don Melchor
(leise zu Ventura)
Ich muß geziemend Abschied nehmen.
(Zu Don Alonso)
Heut, edler Herr, traf unverhofft
Ein Hauptmann aus Leon hier ein,
Der mir verwandt ist und befreundet.
Er will in Talavera sich
Vermählen und braucht Heiratszeugen,
Die seinen Rang bekräftigen.
Weil ich ihm bei des Weges Kürze
Gefolgschaft nicht gut weigern kann,
So möcht' ich Euch um Urlaub bitten
Und Euch, mein Fräulein, um Geduld.

Don Alonso
Ihr seid ein tadelloser Hofmann,
Don Melchor. Reist mit Gott und bringt,
Wenn Ihr zurückkehrt, wohlbedachte
Glückwünsche mit für Magdalena,
Denn trotz der knappen Frist vermut' ich,
Daß Ihr an eines Gatten Seite
Mein Kind getröstet wiederfindet.
(Ab)

Don Geronimo
Die Reise wird noch kürzer sein,
Don Melchor, als Ihr vorgegeben.
Liegt doch nur ein paar Straßen weit
Von hier der Gasthof, dem zugunsten
Ihr unserm Haus den Rücken kehrt.
Einstweilen aber wünsch' ich Glück
Sowohl zum Titel wie zur Heirat.
(Ab)

Ventura
(leise zu Don Melchor)
Dem hat ein Zaubrer was gesteckt.

Don Sebastian
Nehmt meinen Glückwunsch ebenfalls,
Wenn das Vergnügen, Euch zu kennen,
Mir gleich erst gestern ward zuteil.
Erfreut Euch hundert Jahre lang
An Eurer Gräfin.
(Ab)

Donna Angela
            Wenn es nicht
Sich durch die Heimlichkeit verbietet,
Zeigt uns den Tag der Hochzeit an,
Damit wir Anteil nehmen können.
(Ab)

Ventura
Was, Isabel, ward aus der Wäsche,
Die gestern ich in einem Bündel
Dir gab? Zwei Hemden und ein Kragen …

Isabel
Man trug sie heut hinab zum Fluß.
Lauft hurtig zu der Wäscherin;
Denn falls auch Ihr in Bälde schon
Euch zu vermählen denkt, so müßt
Ihr sauber gehn, wenn auch zerrissen.
Und Euer Gnaden möge noch
Erleben, Eurer Kinder Enkel
Zum Teil als Herzöge zu sehn,
Zum andern Teil als Erzbischöfe.
(Ab)

Elfter Auftritt

Donna Magdalena. Don Melchor. Ventura

Donna Magdalena
Glückwünsche habt, verehrter Herr,
Von allen Seiten Ihr empfangen.
Bloß ich, der gegenteil'gen Ansicht,
Sprech' Euch hiermit mein Beileid aus
Zum anberaumten Hochzeitsfest.
Vor einer Stunde sagte mir
Die Gräfin, die mit mir sehr innig
Befreundet ist, daß aus Italien
Heut einer ihrer Vettern eintraf
Und daß die Erbschaft ihrer Güter
Gefährdet wird, wenn fraglichem
Enrico sie das Wort nicht hält,
Sie wolle seine Gattin werden.
Genötigt sieht sie sich darum,
Sich unverzüglich einzuschiffen
In Barcelona, heißt es auch,
Die Seefahrt gelte für bedenklich,
Weil im Bereich der ganzen Küste
Sich maurische Korsaren tummeln.
Sie trug mir auf, in ihrem Namen
Euch ihren Abschiedsgruß zu sagen,
Und trocknete der Augen Perlen
Mit jener Hand von Elfenbein,
Mit deren glattem Schmelz verglichen
Die meine Gips ist oder Kohle
Wie die von einer Negerin.

Ventura
(leise zu Don Melchor)
Zum Henker, was für spitze Stacheln!

Donna Magdalena
Daß nicht sich Männer schwarz dran färben,
Die selbst nicht echt von Farbe sind,
Verschon' ich sie mit dieser Hand
Und leiste nicht für Gräfinnen
Ersatz, die glühn, derweil ich kalt bin.
Mein Vater sucht mir einen Gatten,
Und seinem Willen folg' ich blind.
Ihr wart – es tut mir leid, Herr Ritter –
Berufen, doch nicht auserwählt.
(Sie macht ihm eine tiefe Reverenz und geht ab)

Zwölfter Auftritt

Don Melchor. Ventura

Ventura
Als Graf in Unterwams und Strümpfen
Bleibt Ihr zurück. Beim heil'gen Christ,
Die hartgesottene Verhüllte,
Die hat uns übel mitgespielt.
Da steht Ihr wie der Ochs am Berg,
Von Gott verlassen und vom Teufel,
Weil abgeblitzt bei allen zwein.
Um unsre Zeche zu bezahlen,
Verkauft, was Ihr an Geldwert habt,
Samt diesen Ringen, wenn sie nicht
So falsch sind wie der beiden Herz.

Don Melchor
Heimreisen werd' ich nach Leon.

Ventura
Herr, was dort wollt Ihr, gründlicher
Geduckt als ein begossner Pudel
Mit keiner Braut und keiner Börse?

Don Melchor
Das Glück, das ich genoß, war kurz.
Entfliehn wir diesem Labyrinth,
Wo man, sobald man sich verlobt,
Zu gleicher Zeit verwitwet. Jesus,
Was wird aus mir!

Ventura
            Jawohl, so geht's
Hier Neulingen, die gleich Raketen
Aufschießen und als Aschenrest
Erledigt in die Pfütze fallen.

Don Melchor
Hinweg! Madrid sieht mich nicht wieder.


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