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Erster Akt

Straße mit der Vorhalle der Kirche de la Vitoria

Erster Auftritt

Don Melchor (und) Ventura (kommen in Reisekleidern)

Don Melchor
Ein hübscher Fleck ist dies Madrid.
Welch tolles Treiben und Bewegen!

Ventura
Leon war einst ihm überlegen.

Don Melchor
Wann?

Ventura
            In der Zeit des großen Cid.
Doch heut strebt Spaniens schöne Welt
Zu diesem mächtigen Magneten.

Don Melchor
Ja, hier muß auf den Schauplatz treten,
Wer irgendwie was auf sich hält.
Prachtvolle Häuser!

Ventura
            Rasch zur Beute
Fällt hier ein jeder dem Genuß;
Ist auch Madrid kein Jordanfluß,
Verjüngt es doch die ältsten Leute.
Haushalte gibt es hier in Menge,
Die, je nachdem der Geldstrom rinnt,
An einem Tage schäbig sind,
Am andern wieder voll Gepränge.
Spitzbuben gibt's hier, die zerlumpt
Ankommen wie die Straßenkehrer
Und als durchtriebene Vermehrer
Des Groschens, den sie ausgepumpt,
Von heut auf morgen sich verwandeln
So flink aus dem verlornen Sohn
In einen feinen Herrn Baron,
Als möcht' sich's um ein Wunder handeln.
Und Damen gibt's hier, die das Schminken
Mit solcher Meisterschaft verstehn,
Daß in der Stunde sie mit zehn
Verschiedenen Gesichtern winken.
Erschreckt drum nicht, wenn Ihr gewahrt
An Häusern, Frauen und Gewändern,
Daß immerzu sie sich verändern;
Dies ist Madrider Lebensart.

Don Melchor
Zur Messe laß uns gehn.
(Nach dem Hintergrund blickend)
            Die Straße
Gefällt mir gut.

Ventura
            Paßt aber auf:
Hier hält man Liebe feil zum Kauf
Im Dutzend, nach Gewicht und Masse.

Don Melchor
Da ich bisher aus unserm Nest
Leon noch nie herausgekommen,
Macht mich dies wilde Meer beklommen.

Ventura
Ein Meer; den Namen haltet fest.
Er paßt genau; denn das Gelüste,
Hindurchzusegeln, bringt Gefahr,
Und mancher scheiterte wohl gar
Darin, bevor er kam zur Küste.
Die Handelsleute sind Korsaren,
Die gierig lauern auf das Schiff,
Und jeder Schleier ist ein Riff.

Wollt Eure Börse gut verwahren;
Sonst strandet sie.

Don Melchor
            Du blöder Wicht,
Wie kann ich auf den Grund geraten
Mit sechzigtausend Golddukaten,
Die meine Heirat mir verspricht?
Denn Eignes bring' ich nicht viel mit.

Ventura
Nun, immerhin zweihundert Gulden,
Die keine großen Sprünge dulden,
Nur einen abgemeßnen Schritt.
Sich diese Barschaft abzuknappen,
Leicht fiel das Eurem Vater kaum,
Und haltet Ihr sie nicht im Zaum,
Heidi, dann geht sie durch die Lappen.
Vermeint Ihr etwa, man versieht
Die Börsen ohne Grund mit Schnüren?
Die Gäulchen wird zur Flucht verführen,
Wer nicht an diesem Zügel zieht.

Don Melchor
Gehn wir zur Messe jetzt hinein.
Wie heißt die Kirche hier mit Namen?

Ventura
Vitoria; für alle Damen
Von Stand und Rang das Stelldichein.

Don Melchor
Es folgen ihnen ganze Gruppen
Vornehmer Herren.

Ventura
            Jung Madrid:
Zierbengel nach dem neusten Schnitt
Und Gimpel dieser Modepuppen.

Don Melchor
Laß uns nicht säumen. Meine Braut
Möcht' ich gern heute noch erblicken.
Schön, sagt man, sei sie zum Bestricken.

Ventura
Habt Ihr schon häßlich Gold geschaut?
Sie drückt mit solchen Kapitalien
Als Mitgift einfach an die Wand
Die Helena von Griechenland
Und die Lucrezia von Italien.

Don Melchor
Nein, das ist nicht der Grund, weshalb
Ich ihr Gemahl zu werden trachte;
Wenn ich das Geld auch nicht verachte,
Ich tanze nicht ums goldne Kalb
Und würde mich um sie nicht scheren,
War' sie nicht schön und tugendreich.

Ventura
Dann betet nur zu Gott sogleich,
Sie mög' in beidem sich bewähren.
(Sie gehen in die Kirche)

Zweiter Auftritt

Don Geronimo, Don Sebastian (kommen von der anderen Seite)

Don Geronimo
Wir wohnen in demselben Haus;
Ich hoff, es wird sich draus gestalten
Ein freundschaftlich Zusammenhalten.

Don Sebastian
Madrid mit seinem Saus und Braus
Lebt ja so rasch im allgemeinen,
Daß mancher kaum den Nachbar kennt,
Von dem nur eine Wand ihn trennt

Don Geronimo
Dies will mir wohlbegründet scheinen.
In einem einz'gen Hause wohnen
Gedrängt wie Früchte am Spalier
Acht oder zehn Parteien hier
Mit hundert und noch mehr Personen.
So kommt man oft im ganzen Jahr
Einander niemals zu Gesichte.

Don Sebastian
Hört eine seltsame Geschichte.
Nach einem guten Freunde war
Ich auf der Suche gestern früh.
Sein Haus ist an dem Platz gelegen,
Wo riesiger Gebäude wegen
Die Luft sich Bahn bricht nur mit Müh'.
Ich frag' im Laden: »Wohnt im Hause
Don Felix de Bastida?« »Den«,
Versetzt man, ,,hab' ich nie gesehn,
Auch nie von ihm gehört.« Ich sause
Zum ersten Stock hinauf. Ein Saal
Erschließt sich mir, wo viele Gäste
Zusammen sind beim Hochzeitsfeste,
Zu Schüssel greifend und Pokal.
Aus ihrer Mitte frag' ich einen
Nach meinem Freunde Felix aus,
Und der erwidert: »Hier im Haus
Gibt es mit diesem Namen keinen.«
Zum zweiten Stock steig' ich hinan;
Dort hör' ich Schluchzen und Gewimmer:
In einem schwarz verhangnen Zimmer
Liegt aufgebahrt ein toter Mann,
Und während an das Ohr mir hallt
Der dumpfe Ton der Klagelieder,
Frag' ich nach meinem Freunde wieder
Ein Mütterchen, das schluchzend lallt:
»Mein Herr, ich habe nie zuvor
Den Namen, den Ihr nennt, vernommen.«
Schnell, um dem Jammer zu entkommen,
Spring' ich zum dritten Stock empor,
Treff eine Frau, die einem Kinde
Das Leben gibt, gewaltig schreit
Und meinen Freund zu gleicher Zeit
Beglückwünscht, den ich endlich finde,
Dort, wo mit Weib und Kind im Bunde
Bereits er wohnt seit einem Jahr.
Es boten sich mir also dar
Im selben Haus, zur selben Stunde
Geburt und Hochzeit und Begräbnis,
Wehklagen, Lachen, Trauer, Glück,
In jedem Stock ein andres Stück
Des Lebens und doch jed Erlebnis
Gesondert, weil kein Weg sich bahnt,
Um Kenntnis davon auszusenden,
Und in den nämlichen vier Wänden
Der eine nichts vom andern ahnt.

Don Geronimo
Jawohl, so unerreichbar weit
Ist's nicht bis Rom auf grader Strecke,
Wie bis zur nächsten Straßenecke.

Don Sebastian
Das hat wohl seine Richtigkeit.
Doch sagt mir, welche Absicht hat
In unser Babel Euch gezogen?

Don Geronimo
Mich stürzen will ich in die Wogen
Der Lebensfreude dieser Stadt.
Unlängst kam aus der Neuen Welt
Mein Vater heim mit günst'gen Winden,
Um Rast für seinen Fleiß zu finden
Sowie Verwendung für das Geld,
Das er verdient hat in Peru,
Und mit dem Gold, das kaum zu zählen,
Hier seine Tochter zu vermählen;
Mir fällt die andre Hälfte zu,
Ein hübscher Brocken.

Don Sebastian
            Alle Wetter,
Wo hat man mehr Genuß davon
Als hier?

Don Geronimo
            Demnächst wird aus Leon
Eintreffen ein entfernter Vetter,
Den meiner Schwester zum Gemahl
Mein Vater gibt, weil unbestritten
Der hiesigen Bewerber Sitten
Zu locker sind.

Don Sebastian
            Sehr kluge Wahl.

Don Geronimo
Und Ihr, was treibt Ihr in Madrid?

Don Sebastian
Nach einem Amte geht mein Streben,
Zumal bei meinem flotten Leben
Das Geld mir durch die Finger glitt.
Auch ich hab' eine Schwester hier,
Die zu Sevilla ward geboren,
Doch diesen Wohnsitz hat erkoren,
Um nicht zu leben fern von mir;
Ein Mädchen, das schon seit den Tagen
Der Kindheit jeder, der sie kennt,
Die Venus Andalusiens nennt.
Obwohl ihr Bruder, muß ich sagen,
Daß über eine seltne Summe
Von Geist und Schönheit sie verfügt.

Don Geronimo
's ist Eure Schwester, das genügt.

Don Sebastian
Ja, ratsam scheint mir, ich verstumme;
Sonst find' ich ihres Lobs kein Ende.
Die hat Euch ihren eignen Kopf;
Selbst Salomo gilt ihr als Tropf,
Wenn er als Freier vor ihr stände.
Doch für Thersites nährt sie Flammen,
Nennt Lazarus den reichsten Mann,
Schaut Prinzen mit Verachtung an
Und leugnet rundweg, abzustammen
Von Adam; könne doch beileibe,
So sagt sie, nicht ihr Ahnherr sein,
Wer ohne Scheu tagaus, tagein
Ging splitternackt vor seinem Weibe.

Don Geronimo
Beim Himmel, wunderliche Grillen!

Don Sebastian
Wohlan, auf gute Nachbarschaft.

Don Geronimo
Ihr findet mich mit ganzer Kraft
Samt meinem Haus zu Eurem Willen.

Don Sebastian
Die Kirche leert sich schon; fürwahr,
Ein Strom von Anmut! Hierzu taugen
Die Zungen minder als die Augen.

Don Geronimo
Kommt, folgen wir der holden Schar.
(Beide ab)

Dritter Auftritt

Don Melchor, Ventura (kommen am der Kirche)

Don Melchor
Hast du die Messe nicht gehört?

Ventura
Bin ich ein Türk?

Don Melchor
            Wo standest du?

Ventura
Dicht an der Tür von der Kapelle
Der Soledad. Ihr aber tratet
Bis an die Stufen des Altars,
Um in dem allerliebsten Schwärm
Ein Turteltäubchen auszusuchen.

Don Melchor
Ventura, was hab' ich gesehn!

Ventura
Ihr saht gewiß mit frommer Seele
Das rührende Madonnenbild,
Das zu den herrlichsten Gemälden
Der Hauptstadt zählt.

Don Melchor
            O wär' doch göttlich
Der Ursprung meiner Frömmigkeit,
Und möchte jenem Bild sie gelten!
Doch fromm, Ventura, machte mich
Ein menschlich Bild, ein wundersames,
Lebendiges!

Ventura
            Da haben wir's.
Ihr seid verliebt beim ersten Schlag,
Beißt richtig auf den ersten Köder!
Warum? Weil zu Gesicht Euch kam
Ein Lärvchen, eingerahmt von Locken
Und mittels Puder weiß gefärbt;
Verräterischer Spitzenschleier
Und Fächer, der noch andres fängt
Als nur den Wind; gesträhltes Haar,
In Flechten oberhalb des Scheitels
Gleich einem Bollwerk aufgetürmt;
Lichtblaues Kopftuch, eine Schärpe,
Die quer den Busen überspannt;
Gestickte Handschuh', goldnes Armband,
Pantöffelchen mit Silberschnallen,
Ein seidner Rock, melodisch knisternd,
Und in der Hand ein Rosenkranz.

Don Melchor
Ventura, laß doch deinen Wortschwall,
Und bleiben wir bei dieser Hand;
Sie nämlich ist es, was ich sah:
Nur eine Hand und weiter nichts.
Doch was für eine! Welcher Zauber!
Wie schwanenweiß! Wie seidenzart!
O was für Grübchen! Was für Adern!
Und was für Finger, ach, wie schlank!

Ventura
Und was für adlerscharfe Nägel!
Und was für räuberische Klaun!
Und was für ein gerupfter Beutel,
Wenn Gott kein Rettungsmittel zeigt!
Saht Ihr denn nichts von ihrem Antlitz?

Don Melchor
Wär's unverschleiert auch gewesen,
Wie könnt' ich, da mein Aug' entrückt war
Durch diesen lautren Blütenschnee,
Durch diesen lebenden Kristall
Durch …

Ventura
Und so weiter. Eine Hand,
Die der Gestirne Glanz beschämt,
Wetteifert mit dem Sphärenschimmer,
Der Diamanten läßt erröten
Und weiße Lilien verdunkelt.
In eine Hand verliebt Ihr Euch
Infolge portugies'scher Seife,
Die süß ist wegen ihres Honigs
Und bitter wegen ihrer Mandeln,
Und saht kein Quentchen vom Gesicht,
Kein Stück vom Auge, von der Stirn,
Nicht einen Schatten von der Nase,
Ja, nicht ein Härchen von den Wimpern?
Jesus, was für ein Dilettant!

Don Melchor
Narr, willst du nicht zur Wut mich reizen,
Dann laß dies alberne Geschwätz!

Ventura
Seid Ihr so gründlich schon geliefert?
Fahrt fort.

Don Melchor
            Solch märchenhafte Hand,
So weiß und weich und wohlgestaltet,
So seelenvoll in der Bewegung,
In jedem Finger so beredt,
Müßt' einen Marmorblock entzünden.
Die Messe hört' ich ihr zur Seite,
Und als der Gottesdienst begann,
Verließ die Hülle der Kristall,
Bot, von des Handschuhs Neid entblößt,
Mir Alabaster und Jasmin
Und Schnee, in Feuer eingebettet.
So klopfte sie an ihre Brust,
Zu der herab der Schleier wallte,
Sich unenthüllt bekreuzigend.
Beim Sanktus aber wurde leider
Das Kleinod wieder eingekerkert.
All das ein Augenblick; o wären
Es doch Jahrhunderte gewesen!

Ventura
Schluckweise habt Ihr sie verschlungen.
Wenn sie nur nicht mit Euch absichtlich
Verstecken spielte, diese Hand! –
Noch mehr?

Don Melchor
            Vernimm. Das Auge weidend
An ihrem Reiz, gewahrt' ich plötzlich,
Wie neben ihr ein Mann, nach Tracht
Und Haltung scheinbar ehrenhaft,
Mit überraschender Gewandtheit
Ihr von der Schnur die Börse schnitt.
Schon war ich im Begriff, der Teuren
Mit allem Nachdruck beizustehn;
Doch um nicht grausam an den Pranger
Den Dieb zu stellen, packt' ich fest
Ihn bei der Hand, raunt' ihm ins Ohr,
Wie seines Aussehns diese Tat
Unwürdig sei, nahm dem Verdutzten,
Der keines Wortes fähig war,
Die Börse fort und gab daraus
Ein Goldstück ihm als Finderlohn
Für dieses unschätzbare Pfand,
Worauf er flugs das Weite suchte.
Die Kirche leerte sich allmählich,
Und meine schöne Hand, zu Ende
Mit ihrem Rosenkranz, wo blieb sie?
So fragst du mich. Nun denn, ich bin
Entschlossen, hier auf sie zu warten,
Wie man in finstern Mitternächten
Sehnsüchtig wartet auf den Tag.

Ventura
Der Teufel hole diese Hand.
Zum erstenmal ist's, daß die Liebe
Verfiel auf ein so klein Stück Fleisch;
Sie gab Euch einen tücht'gen Handschlag.
Jedoch bedenkt: wenn diese Hand
Ihr sehen werdet in Verbindung
Mit einem Eulenangesicht
Und einem Vogelscheuchenkörper,
Was dann?

Don Melchor
            Du bist ein Eselskopf.
Die waltende Natur verteilt
Bei ihren Werken klug die Maße.
Drum würde solch vollkommne Hand
Sie schänden, wär' damit verknüpft
Ein weniger vollkommnes Antlitz.
Als Alexander dem Apelles
Befahl, in Miniatur zu malen
Des Herkules Gigantenleib,
Da malte jener nur den Daumen,
Den mit der Elle mißt ein Riese.
Darf ich drum nicht aus dieser Hand
Die Schönheit einer Herrin folgern,
Die solche schöne Dienrin hat?

Ventura
Sehr gut! Ihr führt ein Beispiel an?
So hört als Gegenstück ein andres.
Durch eine Straße schritt so stolz
Und selbstgefällig eine Dame,
Als wäre sie der Bürgermeister.
Ein Jüngling, der dahinter ging,
Verliebte sich in sie von rückwärts,
Weil Wuchs und Gang und gar die Anmut,
Mit der sie die Pantoffel klappen
Und ihre Röcke rascheln ließ,
Ihm nichts Geringeres versprach
Als eine spanische Sylphide.
Doch da bei seinem Näherkommen
Den Kopf sie wendet, was erblickt er?
Das Antlitz eines Pavians.
Der Jüngling schlug ein Kreuz und rief:
»Gerechter Gott, so schön von hinten,
Und doch von vorn so schauderhaft!«
Die Hexe gab ihm drauf zur Antwort:
»Wenn Euch mein Rücken so viel besser
Gefällt als meine Vorderseite,
Mag mich der Herr von rückwärts küssen.«
Ich halt' es nicht für ausgeschlossen,
Daß Euch was Ähnliches geschieht.

Don Melchor
Wenn du die Hand gesehen hättest,
Dann würdest du dich nicht erdreisten
Zu dieser groben Lästerung.

Ventura
Ich lästre nur so blinde Liebe.

Don Melchor
Da kommt sie schon. Drum geh beiseit
Und schau von fern die schöne Hand,
Von der berührt sich Wassertropfen
Alsbald in Perlen wandeln müssen.

Vierter Auftritt

Vorige. Donna Magdalena (und) Isabel (kommen verschleiert aus der Kirche, die erstere mit der rechten Hand ohne Handschuh, wie jemand, der soeben Weihwasser genommen hat)

Isabel
Der Diener und die Kutsche stehn
Am andern Ausgang.

Don Melchor
(sich Donna Magdalena nähernd)
O Madonne,
Die Nacht laßt weichen vor der Sonne;
Laßt ihr verhülltes Licht mich sehn.
Ein Unglück müßte ja geschehn,
Wenn sie, nachdem ihr Zauberzwang
Mit Gluten mir das Herz durchdrang,
Mich gäbe bittrer Qual zur Beute
Und kaum, daß mich ihr Aufgang freute,
Mir Kummer brächt' ihr Untergang.
Wollt, schöne Sonne, im Erheben
Ihr schon dem Dunkel Euch ergeben,
So daß mein Hoffen jäh verdorrt,
Gleicht Ihr der kargen Sonn' im Nord,
Die nur erscheint, um zu entschweben.
Ist's nicht genug, daß Ihr verdeckt
In eines Schleiers Wolke steckt?
Enthüllt Euch, lichte Morgenröte,
Damit nicht Euer Geiz ertöte
Das Leben, das Ihr selbst geweckt!

Donna Magdalena
(den Handschuh anziehend)
Wähnt Ihr, mein Herr, daß Schmeicheleien
Von dieser Art am Platz hier seien,
So wißt Ihr nicht, mit wem Ihr sprecht;
Ich gab Euch nicht dazu das Recht,
Will sie nicht hören noch verzeihen.

Ventura
(zu Isabel)
Sagt, Euer Wohlgeboren, pflegt
Auch Ihr so sorgsam Euer Händchen?
Erglänzen seine Nagelrändchen,
Wenn es die Suppenteller fegt,
Das Töpfchen aus dem Zimmer trägt?
Laßt Euren Fuß entblößt mich schauen …
Ich wollte sagen, Eure Hand.

Isabel
(gibt ihm eine Ohrfeige)
Da, Tölpel!

Ventura
            Wenn ich recht verstand,
Hat dieser Engel mich gehauen.

Don Melchor
(zu Donna Magdalena)
Heut kam ich an mit dem Vertrauen,
Den Tag des Glückes hier zu finden;
Als ich jedoch gleich einem Blinden,
Der plötzlich sehend wird, ihn fand,
Da ließ mir diese schöne Hand
Rings um mich her den Tag verschwinden.

Donna Magdalena
Ihr scheint mit Klugheit wohlversehn;
Deswegen werdet Ihr verstehn,
Wie wenig Ort und Stunde passen.
Lebt wohl.

Don Melchor
            Könnt Ihr mich so verlassen,
Dann zwingt Ihr mich, Euch nachzugehn.

Donna Magdalena
Bewirken würde solch Beginnen,
Daß Ihr den guten Ruf verliert,
Der einen edlen Ritter ziert
Und schwer sich läßt zurückgewinnen.

Don Melchor
O nein, ich bin nicht so von Sinnen,
Um mir zu wünschen, daß verblendet
Und überlästig Ihr mich fändet;
Euch rückerstatten will ich nur
Ein Wertstück, das Euch von der Schnur
Mit keckem Schnitte ward entwendet.
Nehmt Euer Eigentum denn hin;
Seht, ob nichts fehlt, und geht in Frieden,
Gleichviel, was mir dadurch beschieden,
Daß ich von Euch verzaubert bin.

Donna Magdalena
Wenn's meine Börse war, darin
Ist wenig, was die Müh' des Schnitts
Verlohnen könnte.

Don Melchor
Kein Besitz
Auf Erden war' dafür zu teure
Entschädigung.
(Er reicht ihr eine Börse)

Ventura
(leise zu Don Melchor)
            Herr, das ist Eure!

Don Melchor
(leise)
Schweig, Dummkopf!

Ventura
(leise)
            Welch ein Aberwitz!

Don Melchor
Sie fiel in eines Räubers Klauen;
Ich aber bracht' Euch sie zurück:
Gönnt mir als Finderlohn das Glück,
Die Sonne wolkenlos zu schauen,
Laßt meinem Blick den Himmel blauen,
Den keines Schleiers Hülle bleicht;
Denn falls er dem Kristalle gleicht,
Den Eure Hand mich ließ gewahren,
Wird einen Glanz er offenbaren,
Den selbst ein Phönix nicht erreicht.

Donna Magdalena
Nein, das ist meine Börse nicht.

Ventura
(leise zu Don Melchor)
Weil's Eure ist.

Don Melchor
(leise)
            Wirst du wohl schweigen?
(Laut)
Ertappte Diebe, Herrin, zeigen,
Wie Furcht mit Frechheit sich verflicht.
Der arme Schelm, den zum Verzicht
Ich zwang auf das geraubte Pfand,
War wohl im Stehlen so gewandt,
Daß er schon eine gute Prise
Von Börsen bei sich trug, und diese
Wird Euch drum Rechtens zuerkannt.

Donna Magdalena
Nicht doch, er stahl sie einem Dritten.
Durch den Verlust, den ich erlitten,
Wird mir kein Recht auf sie gewährt;
Denn diese hier ist unversehrt,
Und meine war doch abgeschnitten.
(Sie zeigt ihm das Stück Schnur, woran die Börse, die sie am Gürtel getragen, befestigt gewesen war)
Die halbe Schnur, die mir verblieben,
Wollt, bitte, sie genau betrachten,
Um auf den Unterschied zu achten,
Und stellt nicht blind Euch mir zulieb.
Hat diese hier derselbe Dieb
Heimtückisch irgendwem entrissen,
Dann bringt sie, solltet Ihr nicht wissen,
Wem sie gehört, zur Polizei,
Damit sie nicht verloren sei
Dem, der sie schmerzlich wird vermissen.
Jetzt aber laßt mich; schon begann
Die Neugier scharf nach uns zu gaffen:
Mir Ungelegenheit zu schaffen,
Das stünd' Euch wahrlich übel an.

Don Melchor
Nein, ich, hier selber fremd, ich kann
Mich nicht mit fremdem Gut befangen;
Drum ist's kein ungerecht Verlangen,
Daß Ihr inzwischen sie verwahrt,
So lange nur, bis Ihr erfahrt,
Wem sie verloren ist gegangen.

Donna Magdalena
Was für ein lästiges Gebaren!
Wohlan, damit Ihr endlich geht,
Mir länger nicht im Wege steht,
Will Eurem Drängen ich willfahren:
Meiner Begleitrin zum Verwahren
Gebt sie somit in Gottes Namen.

Ventura
(leise zu Don Melchor)
Zwei ganz besonders strenge Damen.

Donna Magdalena
Ich habe nichts damit zu tun.
(Sie wendet sich zum Gehen)
(Don Melchor gibt die Börse Isabel)

Ventura
(leise)
Herr, futsch ist unsre Börse nun:
In pace requiescat. Amen.

Donna Magdalena
(umkehrend)
Nur in der Eile noch ein Wort.
Sollt' Euch der Zufall dazu führen,
Den Eigentümer aufzuspüren,
Sagt ihm, daß morgen hier am Ort
Ich ihn erwarte. Nun geht fort,
Und haltet Ihr auf gute Sitten,
So folgt nicht weiter meinen Schritten;
Ja, wollt Ihr Euch und mich vor Schmach
Behüten, schaut mir auch nicht nach.
Um dies möcht' ich Euch dringend bitten.

Don Melchor
Gehorchen will ich, fällt's auch schwer;
Kann ja nach menschlichem Ermessen
Ich Euch nicht sehn mehr noch vergessen.
Doch bring' ich den Verlierer her,
Darf dann auf Eure Wiederkehr
Ich warten? Habt Ihr was dagegen?

Donna Magdalena
Ich komm' um zwei, bloß Euretwegen,
Weil Ihr so fein seid und galant.

Don Melchor
Gebt mir ein Zeichen.

Donna Magdalena
(von der Rechten den Handschuh abstreifend)
            Diese Hand.

Don Melchor
O Herrlichkeit!

Donna Magdalena
            Gott geh' Euch Segen!
(Sie geht mit Isabel ab)

Fünfter Auftritt

Don Melchor. Ventura

Don Melchor
Ventura, diese Aventüre
Ist unbezahlbar! Sei nicht töricht
Und sag mir keine Albernheiten,
Die du als guten Rat verhökerst.
Was? Für ein wenig bares Geld
Die sieben Himmel einzukaufen
Mit ihren sämtlichen Gestirnen
Und aller Sonnen Glorienschein,
Sprich, ist das nicht der Mühe wert?
Ist das nicht billig?

Ventura
            Ja, deswegen
Heißt's: »Billig kommt am teuersten.«
Wie wird im Preis die Seife steigen,
Nachdem Ihr bloß für einen Blick
Auf eine gutgewaschne Hand
Zweihundert Gulden drangabt: vierzig
Für jeden Finger, lediglich
Zum Anschaun und nicht zum Berühren!
Wenn davon etwas ruchbar wird,
Dann, meiner Seele, lädt man Euch
Zu Gast ins Tollhaus von Toledo.
Was sollen wir nun ohne Geld
Und ohne jene Hand beginnen,
Da wir noch nicht zu Mittag aßen,
Obwohl der Mittag schon vorbei?

Don Melchor
Du kecker Schwätzer, wartet nicht
Auf mich ein reicher Schwiegervater
Mit sechzigtausend Golddukaten?

Ventura
Und wenn er mittlerweil gestorben?
Und wenn die Braut Euch häßlich findet
Und schlankweg Euch die Türe weist,
Wozu sie doch als Weib imstand ist?

Don Melchor
Ich häßlich?

Ventura
            Wegen Eurer Armut.
Gibt's einen Affen, einen Uhu,
Gibt's einen Haifisch, Alligator,
Gibt's einen Popanz oder Satyr,
Der eines Bettlers Häßlichkeit
Erreicht?

Don Melchor
            Wär' ich denn minder arm
Für eine solche reiche Braut,
Wenn ich noch meine Börse hätte
Mit lumpigen zweihundert Gulden?

Ventura
Dann röcht Ihr wenigstens nicht arm,
Ein garstig Übel, das schon manche
Vermählung in die Brüche gehn ließ.
Die Damen unsrer Zeit beschnüffeln
Die Taschen ihrer Liebeswerber,
Und wenn daraus kein goldner Atem
Entströmt, so rümpfen sie die Nase
Und kehren sich geekelt ab.
Mit diesen wen'gen Gulden hättet
Gleichwie mit parfümierten Handschuhn
Ihr das Gebrechen überdeckt.
Doch wenn Ihr jetzt vor Eurer Braut
Blitzblank erscheint, befürcht' ich sehr,
Daß bei der Mustrung Euren Duft
Sie nicht balsamisch finden wird.

Don Melchor
Besitz' ich nicht dafür die Börse
Der Unbekannten? Wiegt nicht diese
Die Schätze beider Indien auf?

Ventura
Was wollt Ihr wetten, daß darin
Im besten Fall sechs Groschen sind?

Don Melchor
Ach Schnickschnack!

Ventura
Öffnet und seht nach.

Don Melchor
(zieht die Börse der Donna Magdalena hervor)
Da schau, wie wohlgefüllt sie ist.

Ventura
Laßt ihr Gewicht mich prüfen.

Don Melchor
            Nun?

Ventura
So schwer wie ein verstopfter Bauch,
Der Bitterwasser eingenommen.
(Don Melchor entnimmt ihr einen in Papier gewickelten Gegenstand)
Was ist's?

Don Melchor
            Ein schwangeres Papier.

Ventura
Demnach gehört sie keiner Jungfrau.
Entbindet es.

Don Melchor
            Nach dem Gewicht
Zu schließen, ist unzweifelhaft
Ein großer Edelstem darin.

Ventura
Eilt Euch; so werden wir erfahren,
Ob es ein Bub ist, ob ein Mädchen.

Don Melchor
(hat einen Stein ausgewickelt)
Es ist ein dunkelgrüner Stein,
An einem Seidenband befestigt,
Und hör, auf dem Papiere steht:
»Der Stein wirkt Wunder gegen Reißen.«

Ventura
O weh, die Krankheit alter Leute.
Der Stein verrät, daß die Verhüllte
Steinalt ist. Findet Ihr noch mehr?

Don Melchor
Ja.

Ventura
            Holt's heraus!

Don Melchor
(die Gegenstände, die er nennt, hervorholend)
            Ein Fingerhut
Von Silber.

Ventura
            Seid vor jenem Finger
Nur auf der Hut.

Don Melchor
            Ein Knäuel Garn.

Ventura
Womit sie Euch umgarnen wird.

Don Melchor
Drei Ringelchen aus schwarzem Bernstein
Und vier aus Glas.

Ventura
            Geringe Ringe
Für Euch, das Guldengeld für sie!

Don Melchor
Gewäsch!

Ventura
            Noch mehr drin?

Don Melchor
            Weiter nichts.

Ventura
Der Himmel möge sie so schäbig
Bedenken, wie sie uns bedacht hat.

Don Melchor
So himmlisch hat er sie bedacht,
Daß ich die Ringe hier vergöttre,
Weil ihre süße Hand sie trug.
Sie hat für morgen mich hierher
Bestellt, und frohgemut erwart' ich
Ein heut mir noch verborgnes Glück.

Ventura
So glaubt Ihr, daß sie wiederkommt?

Don Melchor
Wenn sie's doch förmlich mir versprach!

Ventura
Und die zweihundert Euch zurückgibt?

Don Melchor
Wenn ich sie nehmen werde, ja.

Ventura
Zweihundert Prügel würde sie
Verdienen, wäre sie so dumm.

Don Melchor
Hat sie mir nicht die Hand gewiesen
Als Bürgschaft?

Ventura
            Richtiger: die Klaue;
Denn Eure Gulden klaute sie.
Kommt, suchen wir den Alten auf,
Der Lust hat, Euer Schwiegervater
Zu werden.

Don Melchor
            Denk' ich dieses Engels,
Wie soll mir dann vor meiner Heirat
Nicht schaudern?

Ventura
            Haben Engel Klauen?
Ein Teufel war's.

Don Melchor
            Es war die Sonne,
Bedeckt von Schleiern. – Horch, wer kommt da?

Sechster Auftritt

Vorige. Don Luis. Don Geronimo.

Don Luis
(zu Don Geronimo)
Wahrhaftig, ja, das ist Don Melchor.

Don Melchor
Herr Vetter! Ihr der erste Mensch,
Dem ich begegne; welch ein Glücksfall!

Don Luis
Zwei Tage schon erwart' ich Euch;
Denn falls Ihr Eurem Brief gemäß
Gleich abgereist seid aus Leon,
Kommt Ihr verspätet.

Don Melchor
            Gebt die Schuld
Dem ärgerlichen Regenwetter,
Don Luis, und nicht meinem Wunsch,
Der sich erfüllt, weil ich Euch sehe.

Don Luis
Hier, Melchor, habt Ihr Euren Schwager;
Nein, Euren Bruder sag' ich besser:
Denn als ein solcher hat er Euch
Erwartet.

Don Geronimo
            Ja, mit offnen Armen
Begrüß' ich Euch und sehr zufrieden,
Zu schaun, wie völlig Euer Anstand
Mit Eurem Ruf im Einklang steht,
Und nur bedaur' ich, daß nicht gleich
In unsrem Haus Ihr abgestiegen.

Don Melchor
Traf ich doch erst soeben ein,
Und meine Fremdheit im Gewirr
Der vielen Straßen, Plätze, Häuser
Mag mich entschuldigen.

Don Geronimo
            Schon gut.
Ich melde meiner Schwester eilends
Die frohe Kunde; denn sie harrt
Euch längst mit Ungeduld entgegen.

Don Melchor
Der Lohn für meine Treue.

Don Geronimo
            Nehmt
Vorlieb inzwischen mit Don Luis,
Derweil zugleich bei meinem Vater
Ich Eures Kommens Bote bin.
Auf Wiedersehn.
(Ab)

Siebenter Auftritt

Don Melchor. Ventura. Don Luis

Don Luis
            Gibt's in Leon
Was Neues?

Don Melchor
Nichts; in gutem Stand
Sind Eure Eltern und die meinen.
Und Euer schwieriger Prozeß?

Don Luis
Ich hab' mein Majorat gewonnen.

Don Melchor
Da wünsch' ich Glück.

Don Luis
            Wie geht's, Ventura?

Ventura
Gerädert von den Herbergsbetten,
Steifbeinig von dem langen Ritt,
Geschwächt vom Trott straßauf, straßab
Und um den Inhalt unsres Beutels
Durch eine Satanshand erleichtert.

Don Melchor
(leise zu Ventura)
Wirst du den Mund wohl halten, Esel?

Don Luis
(zu Don Melchor)
Bringt Ihr recht viel Verliebtheit mit?

Don Melchor
Was kann ich Euch darauf erwidern?
Verliebt man sich vom Hörensagen?
Mir ist nicht klar, weshalb die Liebe
Stets blind genannt wird; denn mir scheint.
Was sie nicht sah, das schätzt sie nicht.

Don Luis
Ihr tut mir weh.

Don Melchor
            Wodurch?

Don Luis
            Ich ziehe
Die Unterdrückung von Gefühlen
Und den Verzicht auf Hoffnungen
Der eifersücht'gen Feindschaft vor.
Ihr seid besitzlos; Eure Braut
Hat viel Vermögen. Ich bin reich
Und Euer Vetter; darum darf ich
In Wettbewerb nicht mit Euch treten.

Don Melchor
Ihr sprecht in Rätseln.

Don Luis
            Keineswegs.
Die schöne Donna Magdalena
Erwartet Euch als ihrer Freiheit
Und ihres Hab' und Guts Gebieter
Mit redlicher und offner Neigung.
Anbeten würd' ich sie, wenn nicht
Ihr stündet zwischen ihr und mir.
Nun aber werd' ich diese Liebe
Mir reißen müssen aus der Brust,
Sei's durch Entfernung oder Zeit,
Auch wenn es mich das Leben kostet.

Don Melchor
Herr Vetter, kam ich aus Leon
Hierher um dieser Heirat willen,
So bin ich doch in meinen Vorteil
Nicht so verliebt, daß meine Ehre
Luchsäugig nicht in das Geheimnis
Eindränge, das Ihr halb enthüllt.
Liebt Ihr und werdet Ihr geliebt,
So fahrt nur fort; denn ich versprech' Euch,
Daß all ihr Geld mir nicht genügt,
Um falsche Liebe zu vergolden.
Erklärt Euch mir, wenn Ihr mein Freund seid.

Don Luis
Erklären? Wohl, ich liebe sie.
Zieht aber keinen Schluß aus dem,
Was ich Euch sage, noch hegt Argwohn,
Daß Eure Braut Euch Kränkung zufügt
Mit ihrem leisesten Gedanken.
Denn, bei des Himmels Licht, sie hat
Von meiner Glut noch keinen Funken
Mir angemerkt, und in ganz Spanien
Kommt keine Tugend ihrer gleich.
Glaubt mir, noch heut werd' ich verreisen,
Da nach Toledo lange schon
Mich Freunde rufen und Geschäfte.
Drum habt, Herr Vetter, keine Furcht;
Ihr sollt nicht meinethalb verlieren
So viel Gewinn und so viel Schönheit.

Don Melchor
Ich halte das nicht für Gewinn,
Was Euch geraten wird zum Schaden;
Auch ist mein Wille nicht so frei,
Daß er sich lauer Wünsche wegen
An Abmachungen binden mag.
Hab' Eurer Liebe Gegenstand
Ich weder doch bis heut gesehn,
Noch darf ich glauben, daß ihr Anblick
Erinnerungen mir verdunkelt.
Was weiß ich, ob ich jener Dame
Gefalle, die von mir Entferntem
Sich ein bestimmtes Bild gemacht
Und mich vielleicht, wenn sie mich sieht,
Verabscheut, weil die Wirklichkeit
Mit diesem Bild nicht übereinstimmt?
Don Luis, nein, Ihr sollt nicht reisen.

Don Luis
Kommt mit zu ihr; 's ist Zeit. Ich bete
Zu Gott, daß sie Euch nicht gefällt.

Don Melchor
(leise zu Ventura)
Ach, mein Kristall! Ach, meine Sonne!
Was kann mit solcher Hand vor Augen
Ich sehen, da sie mich geblendet?

Ventura
(leise)
Und Eure Gulden eingesteckt!

(Alle ab)

Zimmer im Hause des Don Alonso

Achter Auftritt

Donna Magdalena (im Begriff, ein anderes Kleid anzuziehen) Isabel

Donna Magdalena
Weißt du's, Don Melchor ist schon hier!

Isabel
Wenn Euer Bruder wahr gesprochen,
Wird bald er an die Türe pochen.

Donna Magdalena
Bring dieses Kleid in Ordnung mir.
Das andre will ich nicht mehr tragen,
Weil noch Gedanken haften dran,
Die jener fremde junge Mann
Mir wachrief. Richte diesen Kragen.
Reich mir den Spiegel und den Kamm.
Das Haar so recht?

Isabel
            In solchem Grade,
Daß Euer Anblick ohne Gnade
In Brand steckt Euren Bräutigam.

Donna Magdalena
Ach, Isabel, wie macht's mich beben,
Daß er mir nahen wird schon heut!
Ich bin so wunderlich zerstreut ...
Wird er nicht neuen Grund mir geben,
Zu denken an den fremden Ritter?
War' doch mein Bräutigam wie der!
Verlobt mit einem, den bisher
Ich nie gesehn – ist das nicht bitter?
Wir Mädchen, sind wir denn der Wahl
Des Vaters wehrlos untertänig?

Isabel
Laßt mich die Locke hier ein wenig
Nach rückwärts streichen.

Donna Magdalena
            Ein Gemahl,
Den unbesehn ich lieben soll!
Muß ich das nicht als Kreuz betrachten?

Isabel
Der Fremde war nicht zu verachten.

Donna Magdalena
Ein Edelmann in jedem Zoll.
O möchte doch von Wuchs, Gestalt,
Kurzum von allen seinen Gaben
Don Melchor nur die Hälfte haben!

Isabel
Vielleicht hat er sie hundertfalt.

Donna Magdalena
Unmöglich! Solch ein Inbegriff
Der Artigkeit! Solch feines Wesen!
Ein Ton, so zart und auserlesen!
So viel Geschmack und so viel Schliff!
Wie könnt' ich solchen Mann verdienen?
Ich bat ihn, mir nicht nachzugehn,
Noch, wo ich wohne, zu erspähn,
Und er, mit den beflißnen Mienen
Der Folgsamkeit, ergab sich drein
Und blieb am Ort wie angemauert,
Gleich einem, der halb hofft, halb trauert,
Bloß um gefällig mir zu sein.
Sodann …

Isabel
            Ich weiß nicht, was es frommt,
Vergeblich seiner zu gedenken,
Wenn, um Euch Herz und Hand zu schenken,
Gleich Euer künft'ger Gatte kommt.

Donna Magdalena
Sind das nicht unsre Hausgenossen?

Neunter Auftritt

Vorige. Donna Angela. Don Sebastian

Don Sebastian
Aus Nachbarschaft, mein Fräulein, pflegt,
Wenn man sie rechten Sinnes hegt,
Getreue Freundschaft zu entsprossen.
Schon steh' ich Eurem Bruder nah;
Damit jedoch der Bund noch fester
Sich füge, laßt mich meine Schwester
Euch bringen, Donna Angela.

Donna Magdalena
Wie sehr ist doch ein Haus zu preisen,
Das ein solch edler Herr bewohnt,
Und, liebes Fräulein, reich belohnt
Ihr mich mit Euren Gunstbeweisen,

Donna Angela
Da bald Ihr ehelich Euch bindet,
Würd' es mich ehren ungemein,
Brautführerin für Euch zu sein,
Falls dieser Platz noch leer sich findet.

Donna Magdalena
Den Wunsch mir lest Ihr vom Gesicht,
Den ich Euch nicht gewagt zu nennen;
Ich bin verwirrt, laßt's mich bekennen.

Donna Angela
Heiraten – wen verwirrt das nicht?

Donna Magdalena
Besonders wenn man seines Künft'gen
Gestalt und Aussehn noch nicht ahnt.

Donna Angela
Den Skrupel, der Euch warnend mahnt,
Halt' ich für einen höchst vernünft'gen.
Ich lehn' es ab, dies Joch zu tragen.

Donna Magdalena
Ist Eure Schönheit gar so rauh?

Donna Angela
So tollkühn sein könnt' eine Frau,
Zu einem Manne Ja' zu sagen?

Don Sebastian
Unfaßlich ist mir deine Starrheit.

Donna Angela
O Jesus, wer so etwas tut,
Der muß entweder sehr viel Mut
Besitzen oder sehr viel Narrheit.

Zehnter Auftritt

Vorige. Don Alonso. Don Geronimo, Don Luis. Don Melchor. Ventura

Don Alonso
Mein Kind, nun magst du deinem Glück
Und meinem Eifer Dank erstatten:
Er, den ich dir gewählt zum Gatten,
Er darf an Wert in jedem Stück
Mit deiner Schönheit sich vergleichen.
Du siehst ihn, Magdalena, hier.
Hast du das kühnste Bildnis dir
Von ihm gemalt, es muß erbleichen,
Nun er leibhaftig dir sich beut
Als aller jungen Männer Krone;
Sein teurer Vater kehrt im Sohne
Mir wieder, jugendlich erneut.
Auf ein Vermögen acht' ich minder
Als auf ererbte Tüchtigkeit,
Wie sie sein Adel ihm verleiht.
Ein Geizhals möge seine Kinder
Verschachern um gemeines Gold;
Mir aber scheint, mit allen Schätzen
Läßt edles Blut sich nicht ersetzen,
Das in gesunden Adern rollt.
Gib ihm die Hand.

Donna Magdalena
(leise)
            Ach, Isabel,
Das ist mein Fremder von heut morgen!

Isabel
(leise)
Er ist's. Befreit von allen Sorgen
Winkt Euch die Zukunft strahlenhell.

Don Melchor
(leise)
Ventura, nicht kann ich vergessen
Die Zauberhand. Ich seh' zu scharf:
Ein häßlich Weib.

Ventura
(leise)
            Welch andre darf
Mit dieser sich an Schönheit messen?
Was gilt's? Das ist dieselbe Hand,
Die Eure Börse hat verschlungen.

Don Melchor
(leise)
Du Saufaus, was für Lästerungen!

Ventura
(leise)
Herr, Ihr verlort ja den Verstand.

Don Melchor
(leise)
Die hier ist höchstens eine Kohle,
Gehalten neben den Kristall.

Ventura
(leise)
Ach, Euer Geist kam in Verfall.

Don Melchor

(leise)
Hansnarr, daß dich der Teufel hole!

Don Alonso
Warum, Don Melchor, sprecht Ihr nicht
Mit Eurer Braut?

Don Melchor
            Um mich zu neigen
Vor ihrem Reiz. Der Mund muß schweigen,
Wenn Schönheit zu dem Auge spricht. –
Verzeiht, mein Fräulein, wenn befangen
Die Zunge mir bis jetzt gestockt,
Weil mich das Licht zu sehr gelockt,
Das schimmernd strömt von Euren Wangen.
Sprech' ich drum töricht und verkehrt,
Laßt mich auf Eure Nachsicht zählen.

Donna Magdalena
Was könntet Ihr bei mir verfehlen,
Da mir bekannt ist Euer Wert!

Don Sebastian
(zu Don Melchor)
Nehmt meinen Glückwunsch, und erproben
Mögt Ihr mich als Euch Untertan.

Don Geronimo
(zu Don Melchor)
Der Herr ist Don Sebastian
Und wohnt im zweiten Stockwerk droben
Mit seiner Schwester Angela.

Don Melchor
(zu Don Geronimo)
Wie sehr wird's mich zu Dank verpflichten,
Wenn er und sie mir Huld entrichten;
Denn hier ein Neuling bin ich ja.

Don Alonso
Ihr seid heut sämtlich meine Gäste.

Ventura
Gut, daß es was zu schmausen gibt.

Don Luis
(leise zu Don Melchor)
Nun? Seid Ihr nicht bereits verliebt?

Don Melchor
(leise)
Mein Geist weilt fern von diesem Feste.

Don Luis
(leise)
Und ich beneid' Euch ganz unsäglich.

Don Sebastian
(leise zu Donna Angela)
Sag, Schwester, wie er dir gefällt?

Donna Angela
(leise)
Als Junggesell ein Mann von Welt,
Als Ehegatte unerträglich.

Don Alonso
Folgt alle mir!

Ventura
(zu Don Melchor)
            Habt Ihr vernommen?

Don Melchor
(leise)
Ach, schöne Hand, wo kamst du hin?

Ventura
(leise)
Ach, Börse mit den Gulden drin!

Don Alonso
Komm, Kind.

Donna Magdalena
            In Kürze werd' ich kommen.
(Alle ab, außer Donna Magdalena und Isabel)

Elfter Auftritt

Donna Magdalena. Isabel

Isabel
Ihr bleibt zurück?

Donna Magdalena
            Ja, weil von Bangen
Gequält wird mein bedrücktes Herz.

Isabel
Was hör' ich? Redet Ihr im Scherz?
Könnt Ihr des Glücks noch mehr verlangen?
Ist in Erfüllung nicht gegangen,
Was Ihr gewünscht? Derselbe Mann,
Für den Ihr als Entfernten schwärmtet,
Um den als Fremden Ihr Euch härmtet,
Er tritt hier ein, hält um Euch an!
Was also noch vermißt Ihr dann?

Donna Magdalena
Du bist nicht klug in Liebesdingen,
Hast nicht genug Erfahrung noch,
Weißt, Isabel, nicht mit den Schlingen
Bescheid, in die das Ehejoch
Ein armes Weib vermag zu bringen.
Was für Don Melchor in mir loht,
Der schon so traut mir war, so teuer,
Als er den ersten Gruß mir bot,
Das ist der Liebe stärkstes Feuer,
Und ihn zu meiden wär' mein Tod.
Doch welch Vertrauen darf ich hegen,
Wenn mich verbindet Priestersegen
Mit einem Mann, der solcherart
Der ersten Frau, die er gewahrt,
Alsbald sich mag zu Füßen legen?
Mit einem Mann, der als mein Freier
Kommt von Leon hierhergereist
Und kurz vor der Verlobungsfeier
So flatterhaft ist und so dreist,
Daß er entbrennt für einen Schleier
Und ohne weitres einer Hand
Anbietet seine ganze Seele,
Noch eh das Antlitz ihm bekannt?
Und fragen kannst du, was mich quäle?
Wer gar so leicht gerät in Brand,
Wer mit der Hülle sich begnügt,
Gleichgültig, ob ihn die betrügt,
Sich überpurzelt in Ekstasen
Und zu den honigsüßen Phrasen
Noch neugemünzte Gulden fügt,
Was gibt er denn für Sicherheit
Ihr, die fürs Leben sich ihm weiht?
Was bürgt mir, daß nicht mit den gleichen
Leichtfertigen und lockren Streichen
Er fortfährt, wenn er mich gefreit?
Daß nicht ein andres Weib aufs neue
Beim ersten Blick ihn steckt in Glut
Und ich in hoffnungsloser Reue
Beweine mein verschwendet Gut
Und seine hingeschwundne Treue?

Isabel
Seid aber doch Ihr ebendie,
Der schon ein Schleier Macht verlieh,
Sein Herz von Grund aus aufzuwühlen,
Auf wen könnt Eifersucht Ihr fühlen?

Donna Magdalena
Auf mich, mich selber fühl' ich sie.

Isabel
Und wie gedenkt Ihr die zu heilen?

Donna Magdalena
Erfüllend mein gegebnes Wort,
Will ich zur Kirche morgen eilen
Und sehn, ob ich ihn finde dort.

Isabel
Wie könnt' ihm das Gedächtnis weilen
An Euch, die dort er nur geschaut
Als Schatten, wenn Ihr ihm als Braut
In allem Glanz erschient inzwischen?
Das Scheinbild wird sich ihm verwischen,
Nun ihn das wahre Bild erbaut.
Er hatte sich verliebt, besessen
Von einem wunderlichen Wahn,
Und jetzt, verändernd seinen Plan,
Wird Euch zulieb er Euch vergessen.

Donna Magdalena
Beweis dafür will ich empfahn!
Drum tut mir not ein fremder Wagen
Und ein gemieteter Lakai.

Isabel
Die schaff' ich mühelos herbei.

Donna Magdalena
Auch will ein Trauerkleid ich tragen.

Isabel
Weshalb?

Donna Magdalena
Damit ich sicher sei,
Daß niemand mich erkennen mag
Am Kleid, wenn mit dem Glockenschlag
Ich morgen mit Don Melchor spreche;
Denn bringen muß ich's an den Tag,
Ob er mit mir die Treu' mir breche.


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