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Zweiter Akt.

(Dasselbe Zimmer, wie im ersten Akt. Man hört in der Ferne Kanonendonner)

 

1. Auftritt.

Junge Frau.

(Sie steht am geöffneten, ersten Fenster, abwechselnd hinausschauend.)

Wie eine weiße Taube kam die Stille
Des Friedens nach dem Donner der Geschütze!
Ach, allzukurz nur für die armen Menschen,
Die hier sich mordend gegenüberstehn,
War ihre Zeit!     Von heute morgen früh
Bis Mittag, welche Stunden banger Angst
Und zwischen Furcht und Hoffnung!    
Und als da
Mit einem Mal' hinschwebte durch die Flut
Die kleine weiße Flagge auf dem Boot',
Vom Feind entsandt, um Waffenruhe bittend,
O, Welch ein Augenblick!    
Nur allzurasch
Floh'n die Minuten, die ihm folgten und
Zu Stunden wurden!     Ach, und nun auch diese
Vorüber wieder!   und der heiße Kampf
Aufs neu entbrannt!     Und wütender denn je
Die Furien der Schlacht, zu grausem Tod'
Hinmähend junge Menschenleben!        

Halt'!  
Was bebst du denn so bang, mein armes Herz,
Und zitterst in der Not?   ertapp' ich dich,
Wo du nicht weilen darfst, wie müd' du bist,
Und süß die Rast,     in dieser Stunde nicht,
Wo's um das Höchste geht?              

Und ringt auch er
Nicht mit darum?   Auch er, dem fröhlich du
Gelobt des Sieges grünen Kranz?!     O, all'
Ihr guten Götter, schützt und schirmt ihn mir!
Und steht ihm bei,     abwehrend, was mich senkte
In Nacht und Grauen,       wenn      

Hinweg! Hinweg
Du finsterer Gedanke!
Und du     auch du,     noch finsterer,   der wieder,
Wie oben, da ich knieend im Gebet
Zum Himmel flehte,     mir den Sinn verwirrt!    

(Katharina tritt ein durch die Mitte, unbemerkt von der jungen Frau)

Mir ist, als säh ich     einen Sterbenden,
Die Hand gepreßt auf seine blut'ge Wunde,    
Das treue Auge brechend,     während noch
Die bleichen Lippen meinen Namen hauchen!      
Und ihm   ihm   tat ich das?!   ich das?   O, Gott,
Wie prüfst du mich so schwer!     wie bin ich elend!  
Wie krallt verdoppelt sich der wilde Schmerz
Um meine arme Seele!     (Sie wird Katharina gewahr)

A, Katharina!
Gut, daß du kommst!     Ich fühlt' mich so allein,
Fast übermannt von namenloser Qual,    
Du scheuchst sie wieder fort!     Wie ging es dir?

Katharina.

Gut, Madam!   Aber hab' Madam nur keine Angst! Ach Gott, das tut mir leid um Madam!     Aber nun soll Madam auch mal hören!   Ich habe alles besorgt!

Junge Frau.

So hast du Glück gehabt?!     Du fandest einen, der sich bereit erklärte, es hinzubringen?

Katharina.

Zehn für einen! (Stärkeres Schießen) Hu! wie sie wieder schießen!   Ganze Körbe voll Butterbrot und Wein wurden hinausgefahren!   Und mehr als einmal rief man mir zu: »Gib nur her!   wir nehmen's mit!«       Aber ich wollte ja noch mehr!  

Junge Frau.

Und dir glückte auch dieses? O, sprich! sprich!

Katharina.

Es lief mir einer in den Weg, als ob der Himmel ihn mir schickte,   und er ist treu wie Gold!

Junge Frau.

Wer? wer?      

Katharina.

Der alte Anton vom Christians-Pflegehause!   Er war den ganzen Tag schon mit dabei gewesen, zuerst bei der Nordschanze   und nun hier!  

Junge Frau.

Ja, der ist zuverlässig! Und er versprach dir alles?

Katharina.

Alles! Und Madam hatte mir ja auch noch vier Taler mitgegeben! (Stärkeres Schießen.) Hu, wie sie schießen!

Junge Frau.

Und du gabst sie ihm doch alle?   desto mehr wird er sich beeilen!

Katharina.

Das dachte ich auch!   Aber der machte ein Gesicht!   Hier ist das Geld, Madam!

(Sie legt das Geld auf den Tisch.)

»Vier Taler?   Wirf's nur in den Armenblock!   Für deine Madam tu' ich's mehr als gern!«     Er wird es längst besorgt haben!

Junge Frau.

Der gute alte Anton!   Hoffentlich!   Jetzt wäre es zu spät!   Während der Waffenruhe war es ja überhaupt nur möglich, die Schanze zu erreichen!

Katharina.

Er hat es früh genug bekommen; Madam kann sich darauf verlassen!

Junge Frau.

Aber dann müßte er doch schon hier sein!

Katharina.

Weiß Madam, was ich glaube?  

(Stärkeres Schießen.)

Hu wie sie schießen.   Es ist ihm wie mir ergangen.   Ich kam ja auch erst, als die Waffenruhe aus war.   Und das hätte Madam mal sehen sollen!   Vor dem Rathause standen Tausende von Menschen. Sie waren alle in die Stadt geströmt.

Junge Frau.

Ich sah es nur aus dem Fenster!

Katharina.

Und in aller Eile mußten der Bürgermeister und die Senatoren aufs Rathaus.   Die Dänen verlangten freien Abzug und drohten die Stadt in Brand zu schießen, wenn man ihn verweigerte.

Junge Frau.

Eine offene Stadt?! Das wäre gegen alles Völkerrecht!  

Katharina.

Ja, wär' es nicht?!   Aber die Herren da oben dachten anders.   Und als da der Bürgermeister ans Fenster trat und mit lauter Stimme herunterrief: »Die Bedingungen sind abgelehnt!   Der Waffenstillstand geht zu Ende!«   da hätte Madam mal hören sollen, was fürn Jubel!   Und im Nu jagten auch schon zwei Reiter nach den Schanzen!  

Junge Frau.

Und das kleine Boot mit der weißen Flagge ruderte wieder zurück.

Katharina.

Und dann fiel der erste Schuß!  

Junge Frau.

Und der Kampf begann von neuem.

Katharina.

Und alle wieder hinaus!   Die Stadt wie ausgestorben!

Junge Frau.

Da müßte er doch schon kommen!

(Anton tritt ein durch die Mitte. Mit einem dicken Handstock und einem großen, leeren Korb über dem Arm.)

Katharina.

Da kommt er schon!  

 

2. Auftritt.

Anton. Die Vorigen.

(Alle drei während des ganzen Auftritts sehr erregt.)

Anton.

(Den Korb niedersetzend.)

Donnerwetter!   Das nenn' ich gelaufen!   Bitte um Pardon! War auch mit vor dem Rathause!   Hab mich verspätet,   aber alles hübsch bestellt und besorgt!

Junge Frau.

Ihr habt ihn gesehen?   er lebt? er ist munter?

Anton.

Wie der Fisch im Wasser!

Junge Frau.

Gott sei tausendmal gedankt!

Anton.

Hab es ihm selber übergeben,   und es war ordentlich, als hätt' er 'n elektrischen Schlag davon gekriegt!

Junge Frau.

Freute es ihn?!

Anton.

Ob es ihn freute!   Und tausendmal soll ich danken und grüßen!

Junge Frau.

(Froh.)

Tausendmal! (Stärkeres Schießen.)

Anton.

Donnerwetter! Geh'n die aber schon wieder aufeinander los!

Katharina.

Hu! Es ist ordentlich graulich anzuhören!

Anton.

Na, für Sie und Madam!   Unsereiner kennt das! War auch Soldat,   bei der Artillerie!   Aber so was ist mir noch nicht vorgekommen!

Junge Frau.

Die armen Menschen!

Anton.

Ja, das ist wahr!   Es konnte einen dauern!   Der kleine Haufen gegen so viele!   Aber gefochten haben sie, wie die Löwen, Madam!   Und das hätte Madam man mal sehen sollen, da in der Nordschanze mit dem Hauptmann, dem   dem   dem      

Junge Frau, Katharina (zugleich.) Jungmann!

Anton.

Richtig! Jungmann!   als die Schiffe herankamen!   Mitten auf der Brustwehr stand der Kerl und schwang seinen Säbel! Und bums!   da flogen ihm die Grassoden nur so um die Ohren!   Aber er schwang noch immer seinen Säbel!   Das war der erste!   und nun ging's los!   bumm! bumm!     bumm! bumm! bumm!     So die vier volle Stunden hindurch!   Über hundert Kanonen gegen vier! als wenn der Teufel Erbsen säte!

Junge Frau.

Entsetzlich!

Katharina. (zugleich.)

Schrecklich.

Anton.

Das heißt: für Sie!   Aber unsereiner kennt das!     Hielten da die Racker uns immer nur so auf die Pulverkammer!   und perdauz!   kam denn auch richtig eine Granate und riß den Türpfosten mit weg!   aber da hätte Madam mal sehen sollen! den Jungmann!   und den,   den   den Clairmont!   und alle, welche halfen!     Mitten im Kugelregen!   und gehämmert, gezimmert, gegraben, bis alles wieder flott!     Und dabei immer den beiden Dänen nur so lustig auf den Pelz gebrannt!   Zuletzt nur noch mit einer Kanone!  

Junge Frau.

Die Braven!

Katharina.

Aber sie hatten ja doch vier!

Anton.

Drei schon übern Haufen geschossen!       Das dumme Dänenvolk!   Dachten wohl: die haben genug!     Und nun ging es weiter gegen die andern! und wir alle mit herum nach der andern Seite!

Junge Frau.

Gegen die Südschanze?!

Katharina.

Wo unser Unteroffizier kommandiert?!

Anton.

Justement!   gegen ihn!     Aber da kamen sie gerade recht!     Hast du mich gesehn!     Nun ging es hier los!   noch toller als drüben!   Und zuletzt nur so immer wieder mit den vollen Breitseiten!   Aber sie standen wie die Bäume!   und er immer, wo's am schlimmsten war!

Junge Frau.

Er, wo's am schlimmsten war?!

Katharina.

Das hätt' er doch nicht tun sollen!

Anton.

Ha, der ist kugelfest!   sonst wär' er längst nicht mehr!   Trafen sie da die Flaggenstange,   knacks! lag die Bescherung unten!   Und das Hurra auf den Schiffen!   Wie die Hähne krähten sie!   Aber was tat er?!   Wie der Blitz hinunter von der Brustwehr!   Mitten durch die Kugeln! Mit der Flagge wieder hinauf!   Eine Latte!   Hammer!   Nägel!   Und die Dänen auf ihn mit Kartätschen und Granaten!   Aber er war kugelfest!     und eins, zwei, drei flatterte die schwarz-rot-goldene Fahne schon lustig wieder oben!

Junge Frau.

O, der Edle!   Gott schütze ihn!

Katharina.

Ja, Madam!

Anton.

Hat keine Not, ist kugelfest!   Aber da schrieen wir Hurra, all die Tausende so rund herum, daß schier die Luft davon erdröhnte!

Junge Frau.

Wir hörten es!

Katharina.

Ja, Madam!

Anton.

Und dieses Schießen!     Heißa! nur immer so den einen nach dem andern, mitten durch die Gefion hindurch!

Katharina.

Hu!

Anton.

Wir kennen das!   War auch Soldat!   Hinten hinein und da vorne wieder raus!   Und dann nachher mit den glühenden Kugeln     nur immer so das höllische Feuer dem großen Christian in seinen dicken Bauch!   Das half!   da wurden sie mürbe und hißten die weiße Flagge!   Ward es da aber wieder ein Hurra von allen Seiten!

Junge Frau.

Auch das hörten wir!

Katharina.

Ja, Madam!

Anton.

Und da der Waffenstillstand! Die Füchse!   Saure Trauben! Wollten sich aus dem Staube machen!  

Junge Frau.

Was sagt ihr?   Sie waren überwunden?!

Katharina.

Hatten wir gesiegt?!

Anton.

Die Gefion matt!   und der große Christian auf dem Strand!   Aber auch die kleine Schanze wie ein Schutthaufen!

Junge Frau.

Gott im Himmel!   und noch kein Ende!

Anton.

Wollten uns ja die Stadt in Brand schießen!     Müssen's noch dicker haben!     Und in der kleinen Schanze?!     Wie die Teufel sah'n sie aus!   schwarz von Rauch und Pulver!   Und wie die Pferde gingen sie ins Geschirr!   er immer voran, sich auf den letzten Angriff wieder zu rüsten!   War ja drinnen,   brachte ihnen den Korb!   Hauten sie da aber darein!   Rupps! war er leer!       Und dann riß der Strom mich mit hinein!   Mußte doch hören, wie es ablief mit diesem Waffenstillstand!     Blieb 'n bißchen lange!   Pardon, Madam!      

Junge Frau.

Schon gut!   schon gut!  

(Das Geld vom Tisch nehmend.)

Da!   nehmt dies!   Und Dank sollt ihr haben! Tausend Dank!

Anton.

(Ablehnend.)

Von euch?   Nimmermehr!   Was täte ich nicht für euch, Madam?!      

(Stärkeres Schießen.)

Aber nun muß ich wieder hin!   Es geht Matthäi am letzten!

Katharina.

Hu! wie sie wieder schießen!

Anton.

(Während die junge Frau das Geld wieder auf den Tisch legt.)

Tut nichts!   Das kennen wir!   Aber's Ende muß ich sehen!   Und dann komm ich wieder und rufe: Sieg! Sieg!

(Ab durch die Mitte.)

Junge Frau.

Das walte der Allmächtige!   Gott, welch ein Kampf!

Katharina.

Ja, das ist wahr, Madam! Als sollte die Welt vergeh'n! Da war es bei Bau doch nur halb so schlimm!     Aber auch an das Schlimme gewöhnt man sich!

Junge Frau.

Mich schreckt der Donner der Geschütze nicht!
Nur für sein Leben zittert meine Seele!

Katharina.

Noch vor kurzem war es mir jedesmal, als ob ich getroffen wäre, wenn es so durch die Luft krachte;   aber jetzt fürcht ich mich schon auch nicht mehr!   Der alte Anton hat mich mutig gemacht!

Junge Frau.

Für was? wozu auch Furcht?   Es werden sich
Die Dänen hüten, auf die Stadt zu schießen!
Zumal, wenn sich die Sache so verhält,
Wie Anton uns erzählt!   Doch für die Braven,
Die so viel Mut bewiesen, bangt mein Herz
Und hört nicht auf zu bangen, bis die Schlacht
Ein Ende hat und frohe Botschaft kommt,
Daß keinen jäh der Tod hinweggerissen!

(Es wird dunkler auf der Bühne.)

Katharina.

Es fängt schon an zu dämmern,   soll ich nicht das Abendbrot bereiten?

Junge Frau.

Du könntest essen?!

Katharina.

Ach nein, Madam,   ich nicht,   und Madam gewiß auch nicht!   Aber es könnte ja doch sein,     wenn es nun bald zu Ende wäre,     und er käme zurück.      

Junge Frau.

(Erregt.)

Käme zurück!   Er! Er!  

Katharina.

Ja, und das wird er!     Posten braucht er ja nicht zu stehen,     und in der Schanze könnt' er doch nicht übernachten!   Er hat auch hier seine schöne Stube!    

Junge Frau.

(Erregt.)

Du hast recht, Katharina!   Ja! geh'! geh'!   und sorge für alles!   Es könnte sein!     Ach, wär' es schon!

Katharina.

Dann will ich mich beeilen!

(Ab in die Küche, den Korb mitnehmend.)

Katharina.

(Das erste Fenster öffnend. Am Fenster.)

Noch tobt der Kampf und grimmiger denn je!  

Wo bald der Wald in grünen Knospen sprießt
Und laut die Drossel schlägt   und bunt von Blumen
Das Ufer steht,   und aus dem blauen Spiegel
Der Himmel lugt,       o, welch ein traurig Bild!!    
So weit das Auge sieht, nur Rauch und Qualm!
Dazwischen Blitz auf Blitz,   wie Schuß um Schuß
Dann hier, dann dort erdröhnt mit mächt'gem Krach,
Daß Erd' und Himmel zittern!        

Ach so morden
Die Menschen sich!   und heilig nicht einmal
Ist ihnen der Versöhnung hohes Fest,
Das heut beginnt, wo ausgetrunken Er
Den Kelch für uns   und das Gedächtnismahl
Gestiftet, eh' er hinging in den Tod!    
Hinging in den Tod!          

Ha, wieder packt
Die Angst mein armes Herz und hält es fest
Mit ihren Krallen!   Hilfe!   Wo ist Hilfe!
Wenn alles dunkel, und das Einz'ge, was
Noch trösten könnte, auch die Hoffnung uns
Den Dienst versagt, o Hilfe! wo ist Hilfe?!

(Sie kniet, die Hände zum Gebet faltend, im Vordergrund nieder und spricht die nun folgenden Strophen in größter Erregung, stoßweise und sehr schnell. Der Kanonendonner wird allmählich weniger. Am Ende der dritten Strophe hört er ganz auf und es beginnt, Mitte der vierten Strophe ein fernes Glockengeläute.)

Du bist mein Hirt
Und weidest mich
Auf grünen Auen!
Kann, was da wird,
Mein Auge auch nicht schauen,
Ich rufe dich!

Und ob ich hier
Im finstern Tal
Auch sollte wandern,
Du bist bei mir!  
O, sei auch bei den andern!
Und ihm zumal!

Und ihm zumal
Laß deine Hand
Den Tisch bereiten,
Der Feinde Zahl
Zum Trotz!   O, hilf ihm streiten
Fürs Vaterland!

(Es wird nicht mehr geschossen.)

Du bist mein Stab!
Mein Trost im Leid!
O, schirm sein Leben!

(Es beginnt fernes Glockengeläute.)

Ich laß nicht ab,
Du wollest denn mir geben
Barmherzigkeit!    

(Freudig, während sie aufsteht.)

Ha!   hör ich nicht die Glocken?   Ja, sie sind's!
Als brächten sie des Friedens süßen Gruß!
Der grüne Donnerstag will scheiden gehn,  
Dem stillen Freitag gilt ihr friedlich Läuten!
Fast ist's, als käm er schon!   so still ist alles!
Mit einem Mal ringsum!          

Katharina

(Aus der Küche kommend.)

Madam! Madam!   Ja, ich täusche mich nicht!   Hat Madam es noch nicht bemerkt?     Sie schießen nicht mehr!    

Junge Frau.

Sie schießen nicht mehr!     Ha, was sagst du?!   Ja, ja!   Nun merk' ich's auch!     Katharina, komm!  

(Sie zieht sie mit nach dem Fenster.)

Sieh, vielleicht vom Fenster aus,       Es wird schon dunkel fern!     Doch Rauch und Qualm ist das nicht mehr!      

Katharina.

(Mit ihr durchs Fenster sehend.)

Nein, sicher nicht!   Das ist der Abend!

Junge Frau.

Sieh nur!   Sieh!  

Katharina.

Auch schon die Sterne!

Junge Frau.

Nein! siehst du nicht das Schiff?! da! da!

Katharina.

Nun seh' ich's auch!

Junge Frau.

Ich kann die Masten deutlich sehn!

Katharina.

Ich auch, Madam!   Ich auch!

Junge Frau.

Und oben auf dem höchsten, siehst du nicht?   Nur fest den Blick darauf!      

Katharina.

Wie etwas weißes!

(Ein Soldat tritt durch die Mitte ein und bleibt im Hintergrunde stehen.)

Junge Frau.

Es ist die weiße Flagge!

Katharina.

Wo sonst die rote war!

Junge Frau.

O, Katharina!

(Den Soldaten gewahr werdend.)

Was ist das?

 

3. Auftritt.

Soldat. Die Vorigen.

Soldat.

(Militärisch vortretend, einen Brief hinhaltend.)

Unteroffizier Preußer schickt mich her!

Junge Frau.

(Sehr erregt, den Brief nehmend.)

Von ihm!   Von ihm!   Er lebt!   O, Gott sei Dank! Viel herzlichen! Viel innigen! Viel tausendmal!       (Zu Katharina.) Er lebt Katharina!

(Öffnet zitternd den Brief. Soldat militärisch ab.)

Katharina.

Na, sagt' ich's nicht?!

Junge Frau.

(Freudig erregt lesend.)

»Großer Sieg!   Die Schiffe unser!   Alles gefangen!   Die rote Nelke schützte mich!   bald komm' ich und hole mir den Kranz!   Viktoria!«

Viktoria!   so stimmen jubelnd wir
In seinen Ruf mit ein!   Den frischen Kranz
Dem Sieger windend!   Schnell, Kath'rina, schnell!
Bevor er kommt muß der (nach dem Lorbeerbaum zeigend) entblättert steh'n!

Katharina.

Der schöne Baum, Madam?!

Junge Frau.

Aber wo hab' ich denn meinen Kopf?!   Die Freude!   die Freude!   Ich vergaß ja ganz,    

(Sie nimmt das Geld vom Tisch, um es dem Soldaten zu geben.)

Hier, Lieber!       Ah, er ist schon fort und brachte mir das Leben!

(Legt das Geld wieder auf den Tisch.)

Mit diesem Brief    

(Den Brief küssend.)

O, Welch ein Herzensglück!
Kaum faß ich's noch!   Geschwind, Kath'rina, hilf
Den Kranz mir winden!   Nein, zuvor die Schwelle
Mit Blumen zu bestreu'n   erst wenn sein Fuß
Darüber ging, sind sie mir 'mal so lieb!

(Während des Sprechens jedesmal die betreffenden Blumen abpflückend und gegen die Eingangstür zur Erde werfend.)

Ihr meine roten Rosen seid die ersten,
Haucht sterbend ihm viel süßen Duft!  

Und ihr,
Lieb' blaue Augen, meine Veilchen, heißt
Herzinnig ihn willkommen!   Und auch du,  
Mein Heliotrop!  

(Zu Katharina)

Nun, Warum stehst du denn
Noch zögernd da?   Komm her und hilf mir pflücken,
Die Schwelle zum Empfange ihm zu schmücken!

Katharina.

Fast sträubt sich meine Hand!   Die schönen Blumen!

Junge Frau.

Was wäre noch zu schön für ihn?!   Nur zu!

Katharina.

Nun, wenn's Madam denn will, so nehm ich diese!

(Die will eine weiße Kamelie abpflücken.)

Junge Frau.

Nicht die! sie ist ja weiß!   Nur rote! rote!
Sieh jene da! (pflückend und hinwerfend) und die!   und die!
und die!   (pflückend und hinwerfend.)
Nur keine weiße!   nimm die Oleander!

(Katharina pflückt sie ab und wirft sie hin.)

Ich pflück' derweil noch diese ab!

(Noch eine Blume abpflückend und hinwerfend.)

Und nun

(Zum Lorbeer gehend.)

Auch du, mein Baum, sei willig unsern Händen,
Daß wir den Lorbeerkranz dem Sieger spenden!

Katharina.

Der schöne Baum!

Junge Frau.

Was zauderst du?   Wir lassen ihm kein Blatt!
Ich hab's gelobt!   Nur zu und pflück' mit ab,
Daß mein Gelöbnis keine Lüge werde!
Ich binde,   reiche du die Blätter nur,
Dann wird es um so schneller gehn!   es muß
Der Kranz vollendet sein, bevor er kommt!

Katharina.

Nun denn (pflückend) ich tu', was mir Madam befiehlt!

Junge Frau.

(Den Kranz windend.)

Und teilst du denn mein Glück nicht um den Baum
Und die paar Blumen, die es fordert?   Ach,
Was könnt ich ihm nicht geben!   Aber schneller!
Zu langsam fügt sich Blatt an Blatt!   Noch schneller!
Brich ganze Zweige ab!            

(Katharina bricht größere Zweige ab.)

Der schöne Baum!
Kann schönrem Lose nicht geopfert sein,
Als eine Heldenstirn zu schmücken!     Sieh  
So geht es besser!   Gib nur immer her!

(Katharina fortwährend Zweige abbrechend und sie ihr hinreichend.)

Das war ein schöner Zweig!     noch einen mehr!
Und wieder einen!   und noch einen, bis
Sie alle sind und keiner mehr am Baum!

Katharina.

(Wie vorhin.)

Das währt nicht lange mehr!

Junge Frau.

(Windend.)

Gib nur immer her!
Allmählich wird es schon zum Kranze!   Sieh
Wie willig Zweig an Zweig sich fügt!   Nur mehr!
Noch immer mehr!      

Katharina.

(Wie vorhin.)

Fast ist der Baum schon leer!

Junge Frau.

(Windend.)

Da hätt ich kaum genug!   Dann nehmen wir
Den kleinen noch dazu, der in der Küche
Am Fenster steht!        

Katharina.

(Wie vorhin.)

Auch den noch?   Nein, Madam,
Das wär doch schade!   Dieser wächst nicht mehr,  
Dann hätten wir ja keinen!

Junge Frau.

(Windend.)

Gib nur her!
Wir wollen sehn, wie weit es reicht!

Katharina.

(Den letzten Zweig reichend.)

Da ist
Der letzte Zweig!    

( Große Detonation, so stark, daß Türen und Fenster aufspringen. Katharina und die junge Frau stoßen einen Schrei aus. Erstere fällt vor Schreck zur Erde, steht aber sogleich wieder auf, und der letzteren fällt der Kranz aus den Händen.)

Junge Frau.

Was war das?!

Katharina.

Das war kein Schuß!

Junge Frau.

Die Erde bebte!

Katharina.

Die Tür sprang auf!

Junge Frau.

Das Fenster auch!

(Sie tritt ans Fenster, Katharina mit.)

Sieh da!   Es flammt und sprüht aus dickem Qualm!

Katharina.

Als wär's ein Feuerwerk!

Junge Frau.

Liegt nicht die Schanze dort?

Katharina.

Nein, weiter rechts!

Junge Frau.

O, Gott! wenn die es wäre!

Katharina.

Die kann's nicht sein!

Junge Frau.

Dann ist's das Schiff!   Wie grausig!

Katharina.

Von hier gesehen und wie wir heute sie beide dort liegen sahen, das Schiff und die Schanze, kann es nur das Schiff gewesen sein!

Junge Frau.

Dann flog es in die Luft!   Ich zittre noch vor Schreck!

Katharina.

Ich auch!   Aber soll ich nicht schnell mal hinausgehen und mich befragen, damit Madam sich nicht ohne Grund ängstige?

Junge Frau.

Ja! ja!   Tu das! und sieh' und hör' dich um!
Zumal, ob auch die Schanze Not gelitten!
Ich muß Gewißheit haben!

Katharina.

Nun sofort!

(Ab durch die Mitte.)

Junge Frau.

O, bring mir gute Kunde!   Sagt er nicht
Sie wären ihrer sieb'nunddreißig?   wäre
Ein einziger dazwischen,   dem         ich schwebte
In Todesangst, bevor ich wüßte, wer?!    

(Sie tritt wieder ans offene Fenster.)

Wie war's noch heute morgen?   richtig, so!
Ich hier und dort das Schiff, und dort die Schanze!  
Gott sei gedankt!   nein diese kann's nicht sein!
Sie liegt zu weit nach rechts von jener Stelle,
Wo wir das Feuer sprüh'n sah'n in der Luft!
Wie aber, wenn es doch nicht wär und anders,
Viel anders, als wir's beide uns gedacht?
Denn die Entfernung täuscht,   man kann sich irren,
Und in der Dunkelheit zumal!   Gott gäbe,
Kath'rina hätte wahr gesagt!      

(Den Kranz gewahrend.)

Da liegt
Ja noch mein Kranz und harret der Vollendung!
Im Augenblick des Schreckens ganz vergessen!
Nun muß ich doch vom andern Baume mir
Das Fehlende noch nehmen,     aber schnell!
Die Zeit drängt um so mehr, als das Ereignis
So störend uns dazwischen kam!      

Nein! nein!  
Fort töricht Bangen! nicht die Schanze war's
Es muß das Schiff gewesen sein, sonst hätten
Wir beid' uns ja getäuscht!

(Den Kranz aufnehmend.)

So komm', ich eile
Dich zu vollenden, eh' er selber kommt!

(Ab in die Küche.)

 

4. Auftritt.

Katharina.

(Durch die Mitte.)

Da bin ich schon wieder!   Wenn man Glück haben soll!     Unser Uhrmacher kam eben daher und begegnete mir auf der Straße!   Wie schade um das schöne Schiff, das schon unser war!     Nun liegt es in tausend Stücken!     Aber das andere will ich Madam doch lieber gar nicht sagen, sie würde sich doch nur darüber ängstigen!   Er hätt' es auch nicht tun sollen!     Wir haben doch schon Angst genug um ihn gehabt!   und man soll sich nicht mutwillig in Gefahr begeben!       Aber er ist viel zu ehrgeizig!     Der Uhrmacher sagte es gerade heraus: er hätte den Kommandeur nur vom Schiffe geholt aus lauter Ehrgeiz, um schließlich auch noch einen Admiral gefangen zu nehmen.     Und dann ist er wieder hinübergefahren   und nochmal wieder   und noch einmal,   um all die Gefangenen zu holen und die armen Blessierten!   Ach Gott!   hätt' er sie doch nur alle mit ans Land gebracht!     Der Uhrmacher meinte, er habe auch das nur aus Ehrgeiz getan!   Denn die Leute hätten ihn gewarnt, und er habe doch gewußt, daß das Schiff brannte!   Aus Ehrgeiz?       So was tut man doch nicht aus Ehrgeiz!   Das ist ja Menschenliebe!     Aber mehr hab' ich nicht erfahren!   Unser Uhrmacher war schon weggegangen, als sie noch immer so mit ganzen Böten voll vom Schiffe herüber gekommen,     und gerade als er eben übern Markt ging, ist das Schiff in die Luft geflogen!   Das schöne Schiff!   Ich will nur hoffen, daß keine mehr darauf gewesen!

 

5. Auftritt.

Junge Frau. Die Vorige.

Junge Frau.

(Aus der Küche kommend mit dem fertigen Kranz.)

Nun, Katharina?

Katharina.

Es war das Schiff, Madam!

Junge Frau.

Und die Schanze?!   Die Schanze?!

Katharina.

Die war ja weit davon!

Junge Frau.

Gott Lob und Dank!

(Den Kranz zeigend.)

Sieh, Katharina,   ich bin auch fleißig gewesen!

Katharina.

Ein hübscher Kranz!

Junge Frau.

Es fehlt nur noch eins daran,   ein schönes Band! ich habe keins!

Katharina.

Madam hat ja an ihrem weißen Kleide noch die Atlasschleife          

Junge Frau.

(Schnell.)

Um Gottes willen!
Ein weißes Band an einem Lorbeerkranz'
Das wäre ja ein Totenkranz!      

Katharina.

Dann wüßt ich nicht      

Junge Frau.

Und doch, mir fällt was ein!
Ein glücklicher Gedanke!   Ja, das geht!
Ich nehm' das blaue Band, das ich als Schärpe
Trug, da ich mich verlobte,   drinnen liegt
Es wohl verwahrt im Schrank,   o komm' geschwind
Und hilf es mir als Schleife dran zu fügen,
Dann wäre alles zum Empfang bereit,  
Und blau ist eine schöne Farbe!   Komm!

(Beide ab, in Preußers Stube.)

 

6. Auftritt.

Anton. Vier Soldaten.

(Die Soldaten tragen eine mit Grün geschmückte Bahre, auf welcher die Leiche Preußers liegt, ganz verdeckt von schwarz-rot-goldenen und blau-weiß-roten Fahnen, so daß nichts von derselben zu sehen ist. Auf den Fahnen Preußers Seitengewehr und Pickelhaube.)

Anton.

(Im Hereintreten zu den Nachfolgenden.)

Nur hier herein!   Aber sachte! sachte!   Und stoßt mir nirgends an!   (Sich links von der Tür stellend.) Hier ist's! Ich weiß es ganz genau!

Erster Soldat.

Wir wissen's nicht!

(Die Soldaten setzen die Bahre nieder und stellen sich rechts von derselben.)

Anton.

In diesem Hause lag er im Quartier!

Zweiter Soldat.

Der Leutnant wüßt es auch noch nicht, wohin?!

Anton.

Wohin denn sonst?!

Erster Soldat.

Beim Rathaus blieb er unverseh'ns zurück!

Anton.

Gewiß, um dort zu fragen!

Zweiter Soldat.

Wir hätten warten müssen!

Erster Soldat.

Aber da kamt ihr gerannt und riefet: hier!

Anton.

Na, sollt' ich nicht?   Hier hat er ja gewohnt!

Zweiter Soldat.

Ihr seid doch von der Polizei?

Anton.

Nein, das just nicht!

Erster Soldat.

Wir sahn's doch an dem Rock!

Zweiter Soldat.

Und hielten euch für nachgeschickt!

Erster Soldat.

Mit weiterem Befehl!

Anton.

Nein, das just nicht!   Ich kam des Wegs daher
Und sah euch ratlos stehn!

Zweiter Soldat.

Dann sind wir hier nicht recht!

Anton.

Das nehme ich auf mich!   Wo anders denn?
Hier sind ihm ja die Blumen schon gestreut!

 

7. Auftritt.

Junge Frau. Katharina. Die Vorigen.

Junge Frau.

(Aus Preußers Stube tretend, den Lorbeerkranz mit der blauen Schleife in der Rechten tragend. Katharina hinter ihr, Als jene die Bahre erblickt, ringt sie einen Augenblick mit dem Schrecken und der Bestürzung, dann schreit sie laut auf und sinkt neben der Bahre auf die Knie, während sie die Hand mit dem Kranze auf das Fahnentuch fallen und den gegen den linken Arm gepreßten Kopf mit diesem gegen die Bahre sinken läßt.)

Katharina.

(In mitleidsvollster Teilnahme.)

Ah, Madam!

 

8. Auftritt.

Ein Offizier. Die Vorigen.

Offizier.

(Hereinstürzend, in der Mitte der Tür stehen bleibend.)

Um Gottes willen nicht hier! Nach der Kirche! nach der Kirche!   Es war ein Irrtum!   (Nach der jungen Frau sehend.) Ah, zu spät!  

(Musik in der Ferne, ausgeführt durch ein Quartett von Streichinstrumenten, hinter der Szene: »Es ist bestimmt in Gottes Rat«.)

Junge Frau.

(Laut schluchzend.)

Katharina.

(Wie vorhin.)

Ah, Madam!

Offizier.

Gnädige Frau!

Junge Frau.

(Laut schluchzend.)

Katharina.

(Wie vorhin.)

Gott im Himmel!

Offizier.

Es war der Besten Bester!

Junge Frau.

(Laut schluchzend.)

Offizier.

Gab Ruhm und Ehr' ihm auch nicht mehr das Leben,
Ihm gab sie doch der Tod mit voller Hand!

Junge Frau.

(Laut schluchzend.)

Offizier.

Und schönern Tod kann's auf der Welt nicht geben,
Als für die Lieb' und für das Vaterland!

Junge Frau.

(Das Haupt etwas aufrichtend und nach oben blickend.)

Als für die Lieb und für das Vaterland!    

(Läßt Kopf und Arm wieder gegen die Bahre sinken.)

 

(Der Vorhang fällt langsam.)


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