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Erster Akt.

Dekoration:

Zimmer im Hause der jungen Frau. Rechts im Vordergrunde zwei Fenster. Hinter dem letzten Fenster eine Tür nach der Küche, links eine solche nach der Stube des Einquartierten führend. In der Mitte eine Doppeltür. Vor dem hinteren Fenster ein Blumentisch voll blühender Gewächse, darunter rote Rosen, Veilchen, Heliotrop, weiße Kamelien, rote Kamelien und rote Oleander. Zu oberst auf dem Blumentisch eine blühende rote Nelke. Um denselben auf dem Fußboden gleichfalls Topfgewächse. Zwischen diesen, nach vorn ein Lorbeerbaum. Links im Zimmer, freistehend, ein Tisch mit zwei Stühlen. Auf dem Fußboden bei den Blumen eine Gießkanne. Rechts und links immer vom Zuschauer aus.

 

1. Auftritt.

Katharina.

(Durch die Mitte, einen Korb tragend.)

Was solche Einquartierung doch für Umstände macht!   Nun mußte ich schon wieder nach dem Kaufmann.   Und Wir haben doch nur den einen.   Bei Dehns am Markt haben sie das ganze Haus voll, was muß es da für eine Wirtschaft sein!   Madam hat auch wohl nur einen gekriegt, weil die Leute es wissen, daß sie so patriotisch ist.

 

2. Auftritt.

Junge Frau. Katharina.

(Aus der Küche kommend.)

Junge Frau.

Bist du wieder da, Katharina?   Bringe es nur nach der Küche!

Katharina.

Ja, Madam, gleich!   Es ist doch eigentlich nicht recht, daß wir den Unteroffizier haben!

Junge Frau.

Nicht recht?  

Katharina.

Bei so beschränktem Platz?!   Madam hat ihm ihre beste Stube gegeben.   Aber warum hat Madam ihn auch nicht ausquartiert.

Junge Frau.

Katharina!   Wer könnte in einer so großen Zeit so kleinlich sein?!   Und wenn man mir zehn schickte, ich ließe keinen wieder fort;   lieber schliefe ich auf Stroh!

Katharina.

Madam ist doch ganz wie ihr seliger Herr Vater!

Junge Frau.

Ich müßte nicht seine Tochter sein!   Wenn der noch lebte!   Aber ich begreife dich nicht,   du hast doch alles mit uns durchgemacht.  

Katharina.

Freilich!   Ach Gott, ja!   Weiß Madam noch?   ich kam gerade ins Pastorat, als Madam sich verlobt hatte.   Es war nun Ostern vor fünf Jahren,   aber was für traurige fünf Jahre!

Junge Frau.

(Seufzend.)

Das magst du wohl sagen!

Katharina.

Zuerst die selige Frau Pastorin.   Und dann das Unglück mit Madam.   Noch so jung und schon Witwe!   Und dann Madam ihr seliger Herr Vater!   Daß die Dänen ihn mit fortschleppten, war doch sein Tod.   Ach, was solche Politik doch mitunter für Unglück bringt!

Junge Frau.

Haben wir es denn nicht würdig getragen?   Wir taten's für unser Vaterland und seine gerechte Sache,   und du wolltest uns das zum Vorwurf machen?

Katharina.

Sei Madam mir nur nicht böse.   Das wollte ich nicht.   Ich meine nur so!   Gott ja, das ist wahr!   ich sollt' ja nach der Küche!

(Ab mit dem Korb nach der Küche.)

Junge Frau.

Du alte, treue Seele, wer könnte dir zürnen?!   Du hast alles redlich mit uns geteilt!   (Seufzend) Ja, ja! das waren böse Zeiten, und schwere Opfer erheischten sie!   Aber wozu die Erinnerung an jene tränenreiche Vergangenheit in einer solchen Gegenwart?!   Es ist keine Zeit zum Klagen   wir leben der Zukunft!   Kann nicht eine jede Stunde uns schon Großes bringen?   Der Waffenstillstand ist zu Ende,   vor der Königsau und auf Alsen steht der Feind, und die Unseren eilen ihm schon mutig entgegen,   Ja, es steht Großes bevor!   Und auch hier,   kann uns nicht jeden Augenblick der Däne seine Seekolosse vor die Stadt senden?!   Aber auch hier halten die Braven Wacht, das Vaterland zu schützen!   Und Gott und unser Recht! Mein Schleswig-Holstein darf nicht zagen!      

 

3. Auftritt.

Katharina. Junge Frau.

Katharina.

(Aus der Küche kommend,)

Madam, hat Madam auch schon gehört? unser Unteroffizier ist avanciert!

Junge Frau.

Avanciert? wozu?

Katharina.

Zum Hauptmann!

Junge Frau.

Vom Unteroffizier zum Hauptmann?! Unmöglich!  

Katharina.

Na, zum mindesten kommandiert er doch auch schon eine Schanze, ebensogut wie sein Hauptmann!

Junge Frau.

Aber doch immer nur als Unteroffizier;   er hat es mir selber schon gesagt.  

Katharina.

Denn weiß Madam schon?  

Junge Frau.

Sein Hauptmann hat Befehl, sobald etwas passieren sollte, in der Nordschanze zu bleiben.   Darum hat er denn unserm Unteroffizier das Kommando in der Südschanze übertragen.

Katharina.

Er ist ja doch nur Unteroffizier.   Warum haben sie denn keinen Leutnant oder Hauptmann dazu genommen?

Junge Frau.

Weil sie keinen hatten.   Für beide Schanzen sind außer den Gemeinen ja überhaupt nur vier Unteroffiziere mit einem Hauptmann hierher kommandiert worden.

Katharina.

Da hätten sie sich ja nur einen aus Rendsburg requirieren können   oder aus Gettorf, wo die Nassauer liegen.   Aber sie hatten ihre guten Gründe!

Junge Frau.

Was du nicht alles weißt!

Katharina.

O, und ich weiß auch noch mehr, Madam!   Ich hörte es gestern schon beim Kaufmann, und eben sprachen sie wieder davon,   Es kommt eigentlich von den Offizieren her vom Reserve-Bataillon, die haben's beim Weinhändler Grün in der Gaststube erzählt.   Soll ich's Madam mal sagen?

Junge Frau.

(Interessiert.)

Sag' nur!   Sag' nur!

Katharina.

Einen Besseren, haben sie gesagt, als der Preußer wäre, hätten sie für die Südschanze gar nicht kriegen können.   Und die Dänen kennten ihn auch schon!

Junge Frau.

(Interessiert.)

Die Dänen?

Katharina.

Ja, von Kopenhagen her!   Er ist nämlich früher einmal Kadett gewesen und schon dicht beim Fähnrich.   Aber da hat er Streit mit seinen Lehrern gekriegt,   gerade als er im letzten Examen war, und das wegen der Geographie!

Junge Frau.

(Interessiert.)

Wegen der Geographie?

Katharina.

Seine Lehrer haben nämlich gesagt: Schleswig, das hieße nicht Schleswig, sondern Süd-Jütland, und es gehöre auch gar nicht zu Holstein, sondern zu Dänemark,   und da hat er denn dagegen gestritten und seinen Abschied gekriegt. (Rascher)   Aber ich hörte die Pforte.   Am Ende kommt er schon wieder zurück aus der Schanze!

Junge Frau.

(Etwas erregt.)

Schon gut!   Schon gut!   Geh' nur nach der Küche und sorge für den Tee.

Katharina.

Ja, Madam!   Und ich weiß auch mehr,   ich will Madam das schon alles mal erzählen. (Ab nach der Küche.)

Junge Frau.

Wie seltsam!   Aber kein Wunder!   Er schwärmt für Schleswig-Holstein! (Es wird angeklopft.) Da ist er!   Herein!

 

4. Auftritt.

Preußer. Junge Frau.

Preußer.

(Durch die Mitte, in Uniform mit Tornister und Pickelhaube.)

Um Verzeihung, gnädige Frau, daß ich schon wieder inkommodiere!

Junge Frau.

Sie inkommodieren durchaus nicht, Herr Unteroffizier!   Ich bedauere nur, daß wir es Ihnen nicht bequemer einrichten konnten.   Aber es führt ja keine andere Tür in Ihr Zimmer!

Preußer.

Und wenn man so vom Exerzieren kommt, mit Staub und Schmutz bedeckt, da wäre eine Kammer im Stall wahrlich schon gut genug!

Junge Frau.

Gar zu anspruchslos!   Gerade dann ist ein bißchen mehr Gemütlichkeit um so erquickender!   Und es sollte mich unendlich freuen, wenn mein Haus sie Ihnen böte!

Preußer.

Sie sind zu gütig.

Junge Frau.

Darf ich Sie einladen, den Tee bei mir zu trinken?

Preußer.

Tausend Dank für Ihre Güte!   Wo lieber, als hier?!   Dann bitte ich um Urlaub auf wenige Augenblicke!

(Küßt ihr die Hand. Ab in sein Zimmer.)

Junge Frau.

Der arme Mensch!   er hat es wirklich recht schwer!   Früh morgens schon hinaus und erst spät abends wieder zurück,   und nichts in all der Zeit als das ewige Einerlei des Dienstes,   Exerzieren und die Rekruten schulen.   Überdies wegen all der Berichte und Rapporte auch nicht einmal die Paar Abendstunden zur Erholung!   Wahrlich, das könnte wohl den Stärksten mürbe und müde machen!     Und doch wartet er seines Amtes mit einer Lust und Freudigkeit, die ohnegleichen sind.

 

5. Auftritt.

Katharina. Junge Frau.

Katharina.

(Durch die Küchentür, wichtig.)

Madam!   Madam!   Ich wollte Madam ja noch was sagen!   Darf ich?      

Junge Frau.

Aber schnell!   er ist gleich wieder hier!

Katharina.

(Eintretend.)

Unser Unteroffizier stammt aus einer ganz vornehmen Familie!   Das haben die Offiziere bei Grüns auch noch erzählt.   Sein Vater ist Premierleutnant bei den Dänen gewesen.

Junge Frau.

Premier-Leutnant?

Katharina.

Ja, und ist eigentlich sogar auch noch vom Adel und heißt von!

Junge Frau.

Vom Adel?!   Seiner Gesinnung nach um so mehr!

Katharina.

Und dann haben die Offiziere auch noch gesagt,     aber das hat Madam doch seiner Zeit auch gewiß schon gehört oder gelesen.    

Junge Frau.

(Interessiert.)

Was denn? Was denn?   Ich erinnere nicht      

Katharina.

Er hat sich auch schon einmal ganz gehörig mit den Dänen geschlagen,   ja, das haben sie auch noch gesagt!   Vergangenes Jahr, Madam, auf Fehmarn, als die Dänen da landen wollten.  

Junge Frau.

(Erregt.)

Himmel, was sagst du?!

Katharina.

Ja, Madam, ganz gewiß!   Er und 'n paar von den Jägern und mit nur einer Kanone!

Junge Frau.

(Erregt.)

Ja, ja!   das ist recht!   Nun erinnere ich!   Es war einer, der Preußer hieß.   Aber geh   ich höre Schritte.   Bring' den Tee und hol mir Wasser für die Blumen!

Katharina.

Na, sieht Madam wohl?

(Ab in die Küche.)

Junge Frau.

(Freudig erregt.)

Und das war er?! und ich wußte es nicht?!   Ach, das tut mir leid!   Um wie viel lieber ist er mir noch!       Ja, er war es!       oder sollt' ein anderer desselben Namens       (Preußer klopft an) Herein!

 

6. Auftritt.

Preußer. Junge Frau.

Preußer.

(Im Waffenrock, ohne Pickelhaube, mit militärischem Anstand)

Ihrer freundlichen Einladung Folge leistend, habe ich die Ehre, mich zu melden!  

Junge Frau.

Und nun mir noch willkommener, denn je,   da ich weiß     leider mußte mein Mädchen mir's erst wieder ins Gedächtnis rufen,   aber verzeihen Sie, in einer solchen Zeit, wo ein Ereignis das andere drängt.     Wie konnt' ich das auch nur vergessen!

Preußer.

Gnädige Frau, ich verstehe nicht!

Junge Frau.

Waren Sie es nicht, der im vorigen Jahre auf Fehmarn?       oder existiert ein Zweiter Ihres Namens?

Preußer.

So viel ich wüßte nicht!   Nun ja, ich bin so frei, es gewesen zu sein!     Aber die kleine Affäre wäre nicht der Rede wert, würde sie nicht die beabsichtigte Landung der Dänen auf der Insel in so harmloser Weise vereitelt haben.

Junge Frau.

In so harmloser Weise?

Preußer.

Es floß ja nicht einmal ein Tropfen Blutes darum!   wenigstens nicht auf unserer Seite!    

 

7. Auftritt.

Katharina. Die Vorigen.

Katharina.

(Aus der Küche kommend mit einem Teebrett, darauf: Teetopf, zwei Tassen, Zucker- und Rahmtopf, Teller und Kuchen)

Junge Frau.

Aber das Ereignis bleibt in seinen Folgen darum doch nicht minder wichtig!  

(Zu Katharina.)

Gib nur her, Katharina!   und vergiß mir nicht das Wasser!

Katharina.

Gleich Madam!

(Setzt den Tee auf den Tisch, nimmt die Gießkanne. Ab nach der Küche.)

Junge Frau.

(Nach einem Stuhl zeigend.)

Wenn ich bitten darf!

Preußer.

Ich danke freundlichst!

(Beide setzen sich.)

Junge Frau.

(Einschenkend und ihm die Tasse präsentierend.)

Preußer.

(Die Tasse nehmend.)

Danke!

Junge Frau.

Sie haben es heute wohl wieder recht schwer gehabt?!

Preußer.

Fast die Hälfte unserer Mannschaft, auch in der Südschanze, besteht ja noch aus Rekruten,   und mit Rücksicht auf die Wichtigkeit unserer Stellung darf keine Minute versäumt werden, die Leute diensttauglicher zu machen.

Junge Frau.

(Sich selber Tee einschenkend.)

Sie betonen die Wichtigkeit Ihrer Stellung:   Gewiß mit Recht!   Ich vermute auch, daß die Dänen es versuchen werden, hier zu landen.

Preußer.

Ohne Zweifel, und sicherlich schon in allernächster Zeit, wegen des Vormarsches der Unsrigen. Mögen sie's versuchen! Wir sind auf alles vorbereitet!

Junge Frau.

(Preußer Kuchen präsentierend, dieser macht stummen Dank.)

Und hoffentlich gut genug, um auch einer etwaigen, Übermacht Trotz bieten zu können,  

Preußer.

Auch wenn dieses nicht wäre,   wir wagen's getrost!   Sobald das erste Segel der feindlichen Flotte vor unserer Bucht sichtbar wird, fällt der Alarmschuß!   Da ist jeder auf seinem Posten!   Und unsere Leute beseelt ein Mut, eine Lust,   daß wir das Beste hoffen dürfen!

 

8. Auftritt.

Katharina. Die Vorigen.

(Aus der Küche kommend, mit der Gießkanne bei der Tür stehend.)

Als sähe ich den seligen jungen Herrn!

Junge Frau.

(Zu Preußer.)

Aber bitte, bedienen Sie sich doch!

(Präsentiert ihm die Kuchen.)

Preußer.

(Nimmt den Teller und setzt ihn nieder.)

Danke!

Katharina.

So saß er auch das letzte Mal bei ihr am Tisch!  

Junge Frau.

Es scheint Ihnen nicht zu munden!

Preußer.

Doch, gnädige Frau!   sehen Sie?  

(Nimmt sich ein Stück Kuchen.)

Katharina.

O, diese Politik!   sie war sein Tod!

Junge Frau.

(Ihm einschenkend.)

Noch eine Tasse?

Preußer.

Danke sehr!

Katharina.

(Noch bei der Tür stehend.)

Wäre er nur nicht mitgegangen!

Junge Frau.

(Katharina gewahrend.)

Setz' nur hin, Katharina! ich danke!

Katharina.

(Die Gießkanne bei den Blumen niedersetzend, im Abgehen.)

Nun traf die Kugel ihn,   er kommt nicht wieder!  

(Ab nach der Küche.)

Junge Frau.

(Zu Preußer)

Sie brachte mir Erfrischung für die Blumen!

Preußer.

Was spendet Schöneres auch die Natur?!  
Sie lieben wohl die Blumen sehr?   es würde
Hier sonst so hold nicht blühn!    

Junge Frau.

Ob ich sie liebe!  
Und diese um so mehr, als ein Vermächtnis
Von einem, der mir ja so nahe stand
Und meinem Herzen teurer war als alles!

Preußer.

Verzeihung, gnäd'ge Frau, da unbewußt
So schmerzliche Erinnerung ich weckte
Mit meiner Frage!   O, das tut mir leid!

Junge Frau.

Mein Mann hat sie gezogen und gepflegt,   (In Gedanken seufzend)
Er ist nicht mehr!      

Preußer.

Ich sah Sie nur in Schwarz,
Seit mir die Ehre ward, Ihr Gast zu sein,
Doch wußt ich nicht den Grund.    

Junge Frau.

(In Gedanken seufzend)

Er fiel bei Bau!

Preußer.

(Sehr interessiert und laut.)

Bei Bau?!   Bei Bau?!   Ihr Mann?!

Junge Frau.

Der Ersten einer in der kleinen Schar,
Die Michelsen geführt.      

Preußer.

O, welch ein Schicksal!
So jung, und dieses Leid!   und welch ein Opfer!
Für Sie und ihn!

Junge Frau.

Wir brachten es dem Liebsten,
Dem Vaterlande!     Ja Sie haben recht!
Welch Opfer für den Edlen!   denn es hat
Nicht größre Liebe einer für die Seinen,
Als daß er gibt sein Leben für sie hin,
Und freudig hat er das getan!    

Preußer.

Und Sie,
Sie haben ihn gelassen, als er fragte?
Und ihm gewährt die Bitte um das Liebste,
Was je Ihr Herz besaß?    

Junge Frau.

Ich hab's getan!
Zur Liebe ihm und uns'rer heil'gen Sache!
Freiwillig hab' ich's, gleich wie der Entschluß
Freiwillig war in ihm gereift, von mir
So Schweres zu verlangen,   Ach zumal
Es ja das Einz'ge, Liebste. Beste war
Was mir ein hartes Schicksal übrig ließ!

Preußer.

So hätten Sie noch mehr als dies getan?
Und hätte Ihnen feindlich das Geschick
Noch andern Kummer auferlegt zu tragen?

Junge Frau.

Noch andern ja!  

Preußer.

Zwar ziemt es nicht zu fragen,
Wo keine Antwort ohne neuen Schmerz!
Doch könnt ein Mitleid mildern, was Sie traf,
Ich würde Sie um nähere Auskunft bitten,
Sie dürften der Erleicht'rung sicher sein!

Junge Frau.

Daß Sie es nicht schon wissen, was doch kein
Geheimnis war, seit ich hier heimisch bin,
Mich würd es wundern, wär's zu and'rer Zeit.
Nun aber lebt man nur der Gegenwart,
Vergangenes vergessend.   Und Ihr Dienst
Hält fern Sie dem Verkehr mit anderen
In unsrer Stadt.   Wer sollt' es Ihnen sagen,
Wenn nicht ich selbst, Kath'rina nicht, die alles
Mit uns erlebt und Freud und Leid geteilt
Und gern erzählt?

Preußer.

Sie hat mir nichts gesagt,  
Es bot sich die Gelegenheit ihr auch
Wohl kaum dazu.        

Junge Frau.

So hören Sie es kurz:
Mein Vater war Pastor in Angeln, eh
Der Krieg begann,     die gute Mutter nahm
Uns Gott zwei Jahre früher, ach sie war
So herzenslieb!     nur gut, daß er sie nahm
Und ihr den Kummer vorenthielt!     Ich war
Der teuren Eltern einzig Kind,   und kaum
Dem Gatten angetraut,   da griff der Krieg
Mit rauher Hand in unser Glück,   er nahm
Uns alles!                

In der Schlacht bei Bau zuerst
Mir den geliebten Mann,     wie zitterte
Mein Herz, als fernher donnernd durch die Luft
Erdröhnte Schlag auf Schlag!     Dann ward es still,
Dann kam der Abend,   ach, und dann die Nacht  
Für ihn und uns!        

Preußer.

(Sehr erregt.)

Er starb den Heldentod
Im Feld der Ehre!   Arme Frau, und dann?

Junge Frau.

Dann kam der Feind in unser friedlich Dorf
Und herzlos riß er aus der Tochter Armen
Den alten Mann und schleppt' ihn mit sich fort,
Dem rohen Volk ein Spott,   nach Kopenhagen
Und warf ihn ins Gefängnis.      

Preußer.

(Sehr erregt.)

Schändlich! Schändlich!

Junge Frau.

Sein Alter war dem Schicksal nicht gewachsen,
Dort starb er,   man versagte mir die Gunst,
An seinem Krankenbette ihn zu pflegen,  
Verlassen und allein.  

Preußer.

(Sehr erregt.)

O, schändlich! schändlich!
Wie können Menschen nur so grausam sein?!
Sie arme Frau!   O, wär es mir vergönnt,
An diesen Schergen all Ihr Leid zu rächen,
Wie freudig gäbe ich das Leben hin!

Junge Frau.

(Schnell erregt.)

Für mich?! für mich?!  

Preußer.

(Erregt.)

Für Sie!

Junge Frau.

Auch andre haben Ähnliches erduldet  
Wir alle sind ja nur ein Teil vom Ganzen,
Das Ganze aber ist das Vaterland!

Preußer.

(Erregt.)

Und Weh dem Feinde, der ihm das getan
An einem seiner Kinder!   o, er tat's
Ihm selber doch!   Mit gleicher Liebe hält
Es all' umfangen!     Gleiche Liebe ist
Ihm jeder schuldig!   Ach, wie haben Sie
Ihm diese schon erwiesen, teure Frau,
In kindlicher Ergebung!     Wann wird mir
Das Glück zu teil, als Würdiger vor Ihnen
Mein Opfer ihm zu bringen?    

Junge Frau.

Tun Sie's nicht
Im schweren Dienst'?   Und taten Sie's nicht schon,
So nah dem Ziel, nach welchem all Ihr Sinn
Und Streben sich gerichtet?    

Preußer.

Wie, Sie wüßten?

Junge Frau.

Nicht mehr als andre, und was alle wissen.

Preußer.

(Erregt.)

Ja, ihm zur Liebe!   zehnfach ihm, nun Sie
In Ihrer Größe mir ein leuchtend Vorbild!
O, könnt' ich für Sie sterben!  

Junge Frau.

(Erregt.)

Niemals! Niemals!
Ich schätze Sie zu hoch,   es nähm' Ihr Tod
Mir gar zu viel;   nun ich den Herzschlag fühle
In Ihrer Brust für unser heilig Recht!

(Man hört fernes Glockenläuten.)

Preußer.

(Den Kopf stützend, gedankenvoll, mit Todesahnung.)

Die Glocken läuten,   seltsam, da vom Tod
Wir eben sprachen.    

Junge Frau.

Doch kein Grabgeläute!
Nein, frohe Botschaft!   Ist nicht Ostern nah?
Der Auferstehung Fest?        

Preußer.

(Ebenso.)

Der Auferstehung!      

Junge Frau.

Gründonnerstag ist morgen und sie läuten,
Den ersten Festtag ein!      

Preußer.

(Ebenso.)

Gründonnerstag!

 

9. Auftritt.

Katharina. Die Vorigen.

Katharina.

(Aus der Küche kommend.)

Da steht die Kanne noch!  

(Zur jungen Frau.)

Ich wollte nur fragen Madam, ob ich sie wieder füllen soll für Ihre Blumen.

Junge Frau.

Ah, die lieben Blumen!
Sie harr'n der Pflege noch,   ich hätt' sie fast
Vergessen!   Geh nur!   wenn die Kanne leer,
Werd ich dich rufen!

(Geht zu den Blumen.)

Katharina.

Vergessen ihre Blumen?   Das ist seltsam!
Zum erstenmal in all der Zeit!    

(Ab nach der Küche.)

Junge Frau.

(Die Gießkanne nehmend.)

Fast ist's, als ob sie zürnten,   meine Nelke,
Die gestern erst ihr glühend Aug' erschloß,
Läßt schon das Köpfchen hängen,   sonderbar,
Nun komm' und trink' Erfrischung!

(Begießt sie.)

Preußer.

(Aufstehend, sich ihr nähernd.)

Welche Pracht,
In feuerroter Glut!   und welch ein Duft!
Sie war von jeher meine Lieblingsblume!  

Junge Frau.

(Interessiert.)

Und meine auch!   fast liebe ich sie mehr
Als aller Blumen Königin, die Rose!

Preußer.

(Interessiert.)

Ich auch!   ich auch!   O, schenken Sie sie mir!
Ich bitt' darum!     Ich will wie einen Orden
Aus Ihrer Hand sie tragen auf der Brust,
Der teurer mir als alles!      

Junge Frau.

(Mit sichtlicher Erregung, zögernd ihm sie gebend,)

Nun, da ist sie!
Geh' hin, mein Kind, und blühe deinem Herrn!

Preußer.

(Küßt die Nelke, und steckt sie an die Brust.)

O, tausend Dank!   sie leuchte mir als Stern,
Bis ihr der Tod das stumme Aug' gebrochen!

Junge Frau.

(Zum Lorbeerbaum gehend.)

Mein Lorbeer läßt sogar die Blätter hangen.

Preußer.

Um seiner Herrin willen!   aus Verlangen
Nach kühlem Trunk' aus Ihrer Hand!    

Junge Frau.

(Begießt ihn. Es erdröhnt ein Kanonenschuß. Sie schreit leise auf. Ihr entfällt die Kanne.)

Preußer.

(Sehr erregt.)

Was war das?!   Nun wird's was geben!

(Er stürzt fort in sein Zimmer.)

 

10. Auftritt.

Katharina. Junge Frau. Preußer.

Katharina.

(Aus der Küche kommend.)

Ach Gott Madam!   Hat Madam gehört?   es wurde
Alarm geschossen!  

Junge Frau.

(Sehr erregt.)

Alarm! Alarm!   Sie geben das Signal!
Des Feindes Flotte nähert sich der Stadt!
Er stürzte fort!   Wie schwach sind doch wir Weiber
Mir fiel vor Schreck die Kanne aus der Hand!  
Und du, wie bang!   Es war doch nur der eine,
Und haben wir doch beide schon einmal
Sie dutzendweis' gehört!        

Katharina.

Ja, das ist wahr!
So nahe aber nie!     Ach, wie ich zitt're!

Junge Frau.

Gib her die Kanne!

(Katharina gibt ihr die Kanne. Die junge Frau nähert sich dem Lorbeerbaum, um ihn zu begießen.)

(Preußer tritt, mit Tornister, Pickelhaube und Seitengewehr angetan aus seiner Stube herein.)

Würde Ernst daraus.

(Dem Baum Wasser gebend.)

So grün', mein Lorbeer, für die Stirn des Helden!

Preußer.

Und wenn wir siegen, wird auch mir ein Kranz
Aus Ihrer Hand?   O, süßen Glückes Traum!

(Durch die Mitte fortstürzend,)

Junge Frau (ihm nachrufend.)

Ein Kranz?!   Dann bleibt kein grünes Blatt am Baum'

(Sehr erregt.)

Er stürzte fort, wie wird mir denn,
Daß ich mich selbst nicht wieder kenn'?!

Mein Sinn so wirr,   mein Herz so schwer!
Mir ist, als käm' er nimmermehr! (Sie kniet nieder)

Ach, alles wollt' ich geben,
Ließ Gott ihn nur am Leben!

(Wie sinnverwirrt und in Verzweiflung.)

Alles?!       Alles?       Meine Blumen?    
Mein Lorbeer!       Mein   mein Mann      

(Sie schlägt zu Boden)

Herr Gott im Himmel,   vergib mir die Sünde.

(Der Vorhang fällt.)


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