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Erster Akt.

Ein elegant ausgestattetes Zimmer in Mehlmeiers Haus. Rechts im Vordergrunde eine Tür in Mehlmeiers Wohnstube führend. Etwas weiter zurück rechts und links eine Tür nach den Fremdenschlafstuben. Noch weiter zurück links die Tür nach der Küche und dem Zimmer der Zofe. Im Hintergrunde in der Mitte die Eingangstür von dem Hausflur. In der Stube zu beiden Seiten ein langer Konsolspiegel. Die Eingangstür vielleicht bekränzt.

 

Erste Szene.

Bollmann.

Bollmann. (Garderobe: Ein etwas altmodischer Kutscherrock mit langen Schößen, enges, dunkles Beinkleid, Kutscherweste, schwarzes Halstuch. Er steht auf einem Stuhl und macht sich mit einer roten Ampel zu schaffen, die in der Mitte der Stube an der Zimmerdecke hängt).

Na, mit die Ampfel wär' es in Ordnung. Die Madam hat doch 'n feinen Geschmack.   Sie ist immer so für das Höhere,   und dazu gehört ja doch auch mit der Mond.   Als sie mich man erst sagte, daß es den Mondschein darstellen sollte, vonwegen die beiden Sängers, die hier in Loschi kommen, damit sie auch in'n Mondschein sitzen können,   da wußte ich auch schon Bescheid. Was wird das für'n Eindruck machen auf unsere Gäste!   Es ist doch 'n schöne Sache mit die Bildung, und den Herrn seine Gemahlin ist weit darin.   (Es wird angeklopft.) Herein!   Wird wohl der Postbote sein, (Pingel tritt durch die Mitteltür ein.) Ah, guten Tag, Herr Nachbar! (Steigt vom Stuhl und setzt den Stuhl beiseite.)

 

Zweite Szene.

Pingel. Bollmann.

Pingel. (Garderobe: Modern, etwas karikiert. Enganschließendes Beinkleid, Schniepel oder gewöhnlicher schwarzer Rock, weiße Kravatte, lange Vatermörder, lange Manschetten und weiße oder wenigstens helle Glace-Handschuhe. In der einen Hand einen schwarzen Zylinder, in der andern ein großes Bukett von Rosen und Nelken. Wesen stets schüchtern und sentimental). Ist Herr Mehlmeier wohl zu sprechen?

Bollmann. Wenn Sie Zeit haben, bis er fertig ist; er ist gerade bei die Toilette. (Zu sprechen, wie geschrieben steht.)

Pingel. Zeit? (Sieht schüchtern nach den Türen.) Ich komme in einer wichtigen Angelegenheit.

Bollmann. Haben Sie die Proben gleich mitgebracht?

Pingel. Proben?   Nein, das würde sich doch wohl nicht passen.    

Bollmann. Na, wir kaufen ja schon so lange bei Sie,   was wir an Kaffee und Zucker    

Pingel. (sentimental). Kaffee?!   Zucker?!     Nein!   Nein!

Bollmann. Nein?   Na, was denn?   Haben Sie denn andern Sirup gekriegt?   Frische Matjes?  

Pingel. (sentimental). Sirup?!   Matjes?!   Bollmann,   sehn Sie mich mal an! (Er präsentiert sich, zeigt das Bukett, sieht dann wieder schüchtern nach den Türen.)

Bollmann. (nach dem Bukett zeigend). Ah!   Nu verstehe ich!   'n kleine Überraschung für den Herrn seine Gemahlin?  

Pingel. (sentimental). Bollmamn, ich kann Ihnen es ja gern sagen; (sieht wieder schüchtern nach den Türen) aber es kommen doch wohl keine?  

Bollmann. Wieso denn?

Pingel. Ich meine die Madam, und die Madam ihre Schwester. (Sentimental.) Ihre Schwester!   (Wieder schüchtern nach den Türen sehend.)

Bollmann. Was Sie ängstlich sind!  

Pingel. Bollmann,   wir kennen uns ja schon lange.  

Bollmann. So lange, als ich hier als das Faktotum in die Familie die Waren bei Sie hole    

Pingel. Und ich, ich weiß es ja auch,     daß Sie Jette lieben.

Bollmann. Nun ja,   ich habe auch gerade kein Geheimnis daraus gemacht.  

Pingel. (etwas lebhafter). Ja, sehn Sie!   Ich auch nicht, weil Sie es sind. (Wieder nach den Türen sehend, sentimental.) Ach Bollmann,   das Fräulein!  

Bollmann. Fräulein Wilhelmine?   die Madam ihre Schwester?  

Pingel. (sentimental). Fräulein Wilhelmine!   (Nimmt ein kleines Paket aus der Tasche, hält es Bollmann hin.) Bollmann,   es sind Regalia!    

Bollmann. (das Paket annehmend). Ah, Herr Pingel!

Pingel. Stecken Sie ein!   Stecken Sie ein!  

Bollmann. Ah, Herr Pingel!

Pingel. (wieder schüchtern nach den Türen sehend). Stecken Sie ein!   Ich eile wieder hinüber;   aber wenn der Herr Mehlmeier fertig ist und die Damen noch nicht bei ihm sind,   (wieder schüchtern nach den Türen sehend) dann geben Sie mir 'n kleinen Wink,   hören Sie?   (Sentimental.) Ach, Herr Bollmann!   (Eilig ab durch die Mitteltür.)

Bollmann. Na nu?   'n kleinen Wink?   (Steckt das Paket in die Tasche.) Den hätte ich ihm auch schon gleich geben können.   Herr Mehlmeier ist gewiß im Augenblick schon fertig.   Und die Madam und das Fräulein sind ja noch bei die Coifüre, als die Madam sagt, wenn Jette ihr das Haar macht.     Was er wohl hat?   Er war so sonderbar,   so weichmütig,   so schüchtern.       (Nach kurzer Pause.) Alle Wetter!   Sollt' er wohl gar?     Er hat'n schönes Geschäft,   und er hatte sich so fein gemacht,     und all' die Blumen!       (Man hört la la singen.) Da ist Herr Mehlmeier schon. Denn muß ich man gleich hinaus und ihm das Zeichen geben, daß er da ist. (Ab durch die Mitteltür.)

 

Dritte Szene.

Mehlmeier.

Mehlmeier. (Garderobe: Schwarzer Schniepel, schwarzes Beinkleid, seidene Weste, weißes Halstuch, Vatermörder, schwere goldene Uhrkette, Kragenknöpfe mit großen Steinen, eine große rote Komitee-Rosette am Schniepel. In der einen Hand einen neuen schwarzen Zylinder, in der anderen die weißen Handschuhe. Er kommt aus seinem Zimmer, während das Vorspiel zu seinem Couplet schon gespielt wird).

Sieh so!   Ick bin fertig,   nu bin ick in'n Wix!
Von'n Kopp bis zu Füßen, da fehlt mir ooch nix!
Det Beinkleid von Buckskin,   die Stiebeln von Lack!  
Die Weste von Seid'   und von Halbtuch der Frack!  
Die Uhr mit die Kette,   die Handschuh,   det Spint!  
Und der Krag'n mit de Knöppe, wo die Steine in sind!  
Un det Tuch, det Kalline hat umjemacht mir
Zu   zu die herrliche Feier!    
Mehlmeier, Mehlmeier, o, wat für'n Pläsier!

Und ick bin det Haupt vons Empfangskomitee,
Weil ick mir so schön auf die Worte versteh',  
Ick trag' die Rosette, det Zeichen der Macht!  
Ick jeb' auf die Ordnung beim Festessen acht!  
Ick komm' mit beim Umzug, jleich nach die Musik!  
Ick komm' in die Zeitung mit, in die Kritik!  
Und viel von die Freuden verdanken sie mir
Bei   bei die herrliche Feier!  
Mehlmeier, Mehlmeier, o, wat für'n Pläsier!

Ja, fertig wär' ick nu!   Wat 'n schönes Fest und 'n schönes Wetter! (Sieht nach der Uhr.) Et wird auch schon Zeit! Mit'n Sechszug kommt die Polyhymnia,   det sind die Feinsten!   Da treff' ick denn die Auswahl meiner Jäste für dieses Zimmer.   Wie haben die Line und die Mine et hübsch jemacht!   Wenn ick sie nur befriedige.   Et solln en paar Destinguierte sein,   aus die Hautevolée   ohne dieses duht Kalline et nu mal nicht.   Wat aber noch det Schlimmste dabei ist, det ist, dat et auch noch solche sein sollen, die noch zu haben sind.     Et ist um Mine!   Wie die Frauen doch immer alles jleich berechnen!   Aber nu seh mal einer, ob einer noch ledig ist! Det steht ihm doch man nicht so an die Nase jeschrieben!   Ick soll et an die Hände sehn,   mit die Ringe, meint sie,     det wär' en sicheres Zeichen.     Na, ick habe Bollmann et auch schon jesagt,   der hat scharfe Augen.   Er trägt ja doch det Jepäck und jeht mit die Jäste zurück, weil ick da bleibe ins Komitee, bis die Euterpia kommt mit'n Zug von Osten.

 

Vierte Szene.

Bollmann. Mehlmeier.

Bollmann. (durch die Mitteltür). Herr Mehlmeier, es ist jemand da, der Ihnen zu sprechen wünscht.

Mehlmeier. Mir? wer ist et denn?   Ick habe nicht viel Zeit.   Mache dir fertig, wir müssen jleich nach 'n Bahnhof.

Bollmann. Herr Pingel, der Kaufmann von drüben.

Mehlmeier. Herr Pingel?   Wenn et nicht zu lange währt.   Na, denn sag ihm man, dat et mir anjenehm wäre. (Bollmann ab durch die Mitteltür. Nach der Ampel sehend.) Die Ampel macht sich herrlich! Wat Kalline doch immer für Einfälle hat!   'n hübsche Überraschung für unsere Jäste!

 

Fünfte Szene.

Bollmann. Gleich nachher Pingel. Mehlmeier.

Bollmann. (die Mitteltür öffnend). Wenn's gefällig ist, Herr Pingel,   denn treten Sie nu man ein, der Herr ist alleine. (Ab.)

Pingel. (schüchtern, das Blumenbukett in der Hand). Entschuldigen Sie,   verzeihen Sie,   Herr Mehlmeier!  

Mehlmeier. Bitte! Bitte!   Wat verschafft mir die Ehre?

Pingel. (schüchtern). Ja,   sehn Sie,   hm   ich wollte gerne  

Mehlmeier. Ah,   Sie kommen jewiß noch vonwejen en Jast;   det ist nett! dat Sie noch einen haben wollen! Bitte (ihm einen Stuhl hinsetzend) setzen Sie sich!   (Beide setzen sich.)

Pingel. (schüchtern). Nein,   das eigentlich nicht!   Hm!   Ich wollte,   wollte gerne     Wenn Sie 'n Augenblick Zeit,      

Mehlmeier. (beiseite). Ist der aber komisch heute!   (Zu Pingel.) Na, jewiß!   Det ist doch der eine Nachbar dem andern schuldig! (Pingel sieht nach der Ampel.) Ja, wat sagen Sie dazu?   Det ist 'n Idee von meine Frau und meine Schwägerin für unsere Jäste.

Pingel. (sentimental). Ihre Schwägerin!

Mehlmeier. Ja.   Oder eigentlich von Kallinen allein. Meine Schwägerin hat det Dings nur ausjesucht und jekauft.

Pingel. (sentimental). Ausgesucht und gekauft?!   Hat sie es gekauft, Ihre Schwägerin?!

Mehlmeier. (sieht Pingel befremdet an). Ja,   meine Frau ihre Schwester.

Pingel. (sentimental). Ihre Frau ihre Schwester! Herr Mehlmeier!

Mehlmeier. (sieht Pingel befremdend an. Zum Publikum). Alle Hagel!   Am Ende kommt er,     das große Bukett!         (Zu Pingel.) Wenn ick Sie fragen darf, Herr Pingel, in welche Anjelegenheit      

Pingel. (sentimental). In welcher Angelegenheit?   In Ihrer Frau ihrer Schwester ihrer! Herr Mehlmeier (Mehlmeier sieht ihn befremdet an) ich wollte Sie bitten    

Mehlmeier. (beiseite). Richtig, et ist so!

Pingel. Ich habe mein gutes Brot.

Mehlmeier. Det stimmt!

Pingel. (schüchtern). Und am Ende muß man doch mal    

Mehlmeier. Stimmt auch!   Det muß man!

Pingel. (verwirrt, sentimental). Herr Mehlmeier,   das Fräulein!   Wenn Ihre Frau ihre Schwester,     Ihre Schwägerin,     Herr Mehlmeier,   ich wollte Sie bitten    

Mehlmeier. (beiseite). Da haben wir's! (Aufstehend, zu Pingel.) Denn will ick sie rufen.  

Pingel. (rasch aufstehend, schüchtern). Rufen?!     Bitte, nein!   Nicht rufen!   Seh'n Sie,   ich bin etwas schüchtern.   Ich wollte Sie bitten,     wenn Sie      

Mehlmeier. Ick? Ah, det sollten Sie doch selber!  

Pingel. Selber?   Ja, sehn Sie, ich meinte, wenn Sie ihr das Bukett geben    

Mehlmeier. Ick soll ihr det Bukett jeben?  

Pingel. Das Bukett geben und sie fragen wollten  

Mehlmeier. Ick soll sie fragen?  

Pingel. (verwirrt). Ich meinte auf der Reunion,     ob sie nicht beim Tischessen meine Festdame     ich wollte sagen,   meine Tischdame beim Festessen    

Mehlmeier. Ick?   Ah, det müssen Sie doch selber!  

Pingel. (verwirrt). Muß ich?     Ich meinte,     und wenn Sie ihr denn gleich sagen wollten, was ich meine,  

Mehlmeier. Wat Sie meinen?   Ja, ja, ick tät et jern!   Aber Herr Pingel, det müssen Sie doch selber!   Sehn Sie, et ist wegen den Eindruck für Sie bei meine Schwägerin und meine Frau.    

Pingel. (sentimental). Ihre Schwägerin und Ihre Frau!

Mehlmeier. Bei den Damen muß man nicht bange sein,   weil sie et nicht lieben.   Det kann leicht alles verderben.

Pingel. (sentimental). Alles verderben!

Mehlmeier. Aber wissen Sie wat?

Pingel. (rasch). Ich?   Was?   Was?  

Mehlmeier. Ick werde sie vorbereiten,   für Sie sprechen,   ick werde Sie loben,   Ihr schönes Jeschäft,   die jute Partie,   und wat Sie für'n respektabler Mann sind.

Pingel. (sentimental). Respektabler Mann!

Mehlmeier. Und denn,     die Damen sind bei die Toilette;   und morgen  

Pingel. (sentimental). Und morgen?   Morgen?  

Mehlmeier. Ja, morgen paßt et sich ooch man schlecht! Denn ist der Haupttag und det erste Konzert, und ick muß doch ooch man erst mit sie jesprochen haben. Aber wissen Sie wat?

Pingel. (rasch, sentimental). Was?   Was denn?   Herr Mehlmeier?  

Mehlmeier. Duhn Sie et übermorgen, wenn det Singen aus ist,  

Pingel. (sentimental). Übermorgen!

Mehlmeier. Denn paßt et sich am besten, et ist der letzte Tag und noch früh jenug.   Det Abends ist ja erst der Ball.   Und denn man frisch heraus mit'n Antrag!   (Mit gewisser Betonung.) Ick hätte Sie jerne zum Schwager!  

Pingel. (sentimental). Gern zum Schwager!   Herr Mehlmeier!   (Ihm die Hand drückend.) Ich möchte auch so gern, daß Sie mein Schwager würden!   (Rasch ab durch die Mitteltür.)

Mehlmeier. Endlich mal'n Bräutigam für die Mine! Hat schon anjebissen,   det Angeln duht nicht mehr nötig!   Wat Kalline wohl sagen wird?   sie ist immer so für det Höhere, ick bin man bange, er ist ihr nicht hoch jenug!     Na, sie soll ihn ja ooch nicht haben!   Und für Mine wird et Zeit!   Er ist jut von Charakter,   und hat 'n schönes Jeschäft,     Mich wär et schon recht.         Aber ick verjesse janz den Bahnhof darüber! (Geht nach der Mitteltür und ruft.) He! Bollmann! Bollmann!

 

Sechste Szene.

Bollmann. Mehlmeier.

Bollmann. (Rock und Beinkleid wie früher, helle bunte Weste, weißes Halstuch, weiße baumwollne Handschuhe, eine rote Bandschleife am Rock, in der Hand einen etwas verwetterten, schwarzen Zylinder.) Herr Mehlmeier, ich stelle mir!   und bin bereit, die Gäste mit Sie zu empfangen.

Mehlmeier. Du?

Bollmann. Na!   Madam hat mich doch gesagt und hat mich die Handschuh verliehen und das weiße Tuch! (Wichtig) Und daß die Leute gleich sehen, daß ich doch auch mit dazu gehöre,   trag' ich denn auch noch 'n kleines Erkennungszeichen,   das hat mir Jette angemacht.

Mehlmeier. Aber Bollmann,   wat soll det rote Band?   Du bist ja nur vors Jepäck da.     Et könnte 'n Irrtum jeben;   nimm det Band wieder ab!  

Bollmann. Ne, nicht um eine Million!

Mehlmeier. Warum nicht?   du hast kein Recht, et zu tragen!

Bollmann. (abwechselnd nach der Ampel sehend). Warum nicht?   Einmal nicht, weil mich Jette es angemacht hat!   Rot, das ist die Liebe!   Und denn auch vonwegen die Madam, weil sie es ausdrücklich gewunschen hat wegen die Destinkschon!   Wenn ich auch das Gepäck man trage,   das Sängerfest ist doch für alle da,   und Sie sitzen ja mit ins Empfangskomitee mit die große Rosette,   und ich stehe doch bei Sie in Konditschon und soll die Gäste mit Sie empfangen.

Mehlmeier. Na meinetwegen!   Denn laß et sitzen.   Aber wat stierst du denn immer so nach die Ampel?  

Bollmann. Das ist Luna!   Ich habe die Madam und das Fräulein ihn angemacht.

Mehlmeier. Luna?!   Nu kommt der ooch schon mit die Jötter!

Bollmann. Madam hat es gesagt: Bei Lunas sanftem Schimmer     sollten die Gäste   Sieste       oder so was sagte sie,     halten!   Und Jette meinte auch, das wär' 'ne schöne Erfindung.

Mehlmeier. Ha! Ha! Ha!   Siesta!   det ist doch zu Mittag nicken!   Beim Mondschein zu Mittag nicken!   det ist nu mal wieder det Romantische bei ihr! Det kennen wir!

Bollmann. Ja, das kennen wir!   Auch schon mit Herr Pingel!    

Mehlmeier. (rasch). Herr Pingel?   Wat meinst du mit Herr Pingel?

Bollmann. O, ich meinte man,   vonwegen das Romantische!   Der hat mich doch auch schon so'n kleinen Tick davon,   so als er in Amdam steckte mit die Manschetten und die Vatermörders!   Un denn mit das große Bukett!   Er hatte wohl was Wichtiges mit Sie zu sprechen?    

Mehlmeier. Wat jeht et dich an!   Familienanjelegenheiten.  

Bollmann. Na,   ich meinte auch man bloß.   Aber warum sollte es mir nichts angehen?   Ich als das Faktotum in die Familie werde doch zuweilen auch schon mit in die Familienangelegenheiten reingezogen.  

Mehlmeier. Du mit reinjezogen?   Ha! Ha! Ha!

Bollmann. Na, ich meine ja man vonwegen unsere Gäste!   Der Herr hat mir ja doch selbst gesagt, daß ich mit zusehen und sie mit aussuchen soll,   und die Madam auch,   und daß ich mit aufpasse, daß es 'n paar Gebildete sind,   aus die Höte volöte.   Und daß ich auch mit nach die Hände seh' vonwegen die Ringe,   und ich weiß auch wohl warum!  

Mehlmeier. So? det weeßt du?   Wat weeßt du?   Nischt weeßt du!  

Bollmann. Ah, Herr Mehlmeier,   man hat doch auch 'n paar Augen und seinen gesunden Menschenverstand.   Na, was geht es mir an!       (Karoline tritt ein, aus Mehlmeiers Stube kommend.) Aber da kommt die Madam!

Mehlmeier. (beiseite). Meine Frau!   Und das mit Pingel,   ick muß et ihr doch sagen,   am besten duh ick't jleich!

 

Siebente Szene.

Karoline. Die Vorigen.

Karoline. (in eleganter Sonntagstoilette, aber noch ohne Haube). Mehlmeier, die Uhr ist schon fünfundzwanzig Minuten über fünf!

Mehlmeier. Ick steh' ooch schon mit Bollmann auf 'm Sprung!

Karoline. (mokant). Auf 'm Sprung!   (Zu Bollmann.) Bollmann, gehn Sie ins Vestibül;   ich habe mit meinem Mann' zu sprechen.

Bollmann. (beiseite). Vestibül,   damit meint sie die Diele.   Ich gehe! (Ab durch die Mitteltür.)

Mehlmeier. Vestibül,   du kannst doch eben so jut Diele sagen, Line. Wat weeß'n Hausknecht vons Vestibül?      

Karoline. Mehlmeier, ich bitte dich, nur heute keine Prosa!

Mehlmeier. Na meinetwegen!   Denn laß'n ins Vestibül jehen!   Wat willst du denn!

Karoline. Ich wollte dich erinnern wegen unserer Gäste,   und   Wilhelmine;     es ist deine Pflicht      

Mehlmeier. Na, na!   Ick weeß schon,   versteht sich!   Und dadarum suchen wir uns ja ooch jrade unsere Jäste darnach aus,   und wer weeß!   Ick hab' so'n Ahnung, dat noch wat passiert!

Karoline. Ich freue mich besonders auf die Reunion,   übermorgen!   Der Ball ist für die jungen Mädchen doch eigentlich die Hauptsache!

Mehlmeier. Det ist er!   Da hast du recht!   und ooch noch für dich!   Aber et jibt noch 'n kleene Kollision, Kalline, ick meene   vonwejen die Bierprobe in'n jroßen Keller.

Karoline. Das Bier!   Die Männer lieben es fast mehr als ihre Frauen!

Mehlmeier. Na, sag det nicht!   Aber siehst du, wegen unsere Jäste! ick kann ihnen diesen Jenuß doch nicht vorenthalten!   Et ist jratis!   Die Sänger sind alle dazu jeladen.

Karoline. Ich weiß! Ich weiß!

Mehlmeier. Aber det duht nichts!   Siehst du,   (sieht nach der Uhr.) Die Euterpia ist die letzte,    

Karoline. Euterpe, Mehlmeier!   Du verstümmelst den schönen Namen.   Es heißt Euterpe!

Mehlmeier. Na, Euterpe oder Euterpia!   Sonst ist doch immer det kleine ia mit dabei!   Et heißt doch ooch Polyhymnia   und Germania!   Aber det macht nischt!   Die Euterpe ist die letzte.   Um 7 jeht et zu Bier, und um 8 bejinnt die Reunion,   et läßt sich noch so ziemlich vereinigen.

Karoline. Wenn wir erst so spät hingingen, würden die besten Plätze längst vergriffen sein.

Mehlmeier. Ja, siehst du,   det meene ick man! Du jehst mit Wilhelminen voraus wegen die Plätze, und ick komme denn jleich nach die Bierprobe mit die Jäste.

Karoline. Wenn ihr präzise wäret!  

Mehlmeier. Na, sollte ick nicht?  

Karoline. Ich kenne das?   Die Männer und das Bier!   Es ist recht fatal,   aber es geht wohl nicht anders!   Wilhelmine meint das auch,   der Plätze wegen.

Mehlmeier. Na siehst du?   Also ihr jeht voraus, und pünktlich Punkto Achte sind wir da,   ick mit die Jäste. (Wichtig.) Aber et ist noch wat mehr dabei.  

Karoline. (interessiert). Noch mehr?   was denn noch mehr?

Mehlmeier. Ja, siehst du,   kollidieren duht et ooch,   det heeßt: et kommt so dazwischen,   so anjeschneit, janz von selber,     aber et ist wat Jutes, wat Anjenehmes,   Kalline ahnt dich denn noch nischt?

Karoline. Wie könnte ich wissen,   aber ich bin begierig    

Mehlmeier. Na,   hm!   Du wirst dich wundern! Du, Line, mit die Mine ist's all richtig!  

Karoline. (erstaunt). Was sagst du?  

Mehlmeier. (wichtig). Et hat sich schon eener jefunden!

Karoline. Laß doch die Dummheiten, Mehlmeier!  

Mehlmeier. Nanu?   det ist aber jut!   Wat sagst du denn, wenn ick dich sage: Sie braucht man zuzulangen, und sie hat ihn schon!   Und wat für eenen!   Jleich mits volle Haus und eens von die besten Jeschäfte!  

Karoline. Unsinn!   Wer das glaubte!   Dann sollte ich es doch wohl am besten wissen!

Mehlmeier. Ja, so sind die Frauen!   Sie wissen immer alles besser als ihre Männer, ooch wenn sie jarnichts wissen!   Und diesmal weeßt du jarnichts!   Ick weeß et bloß,   ick janz allein!   selbst nicht einmal die Mine nicht!

Karoline. Da hört man ja, daß es Unsinn ist;   man wird dich doch nicht ansprechen.  

Mehlmeier. Und doch hat mir eener anjesprochen,   det heeßt, vonwejen die Mine hat er's jetan,   dat ick sie fragen sollte für ihn;   aber det soll er selber,   und er duht et ooch noch, eh' det Fest zu Ende ist.  

Karoline. Immer besser!   Wie heißt er denn?   und was ist er?

Mehlmeier. Wat er ist?   Kaufmann ist er!   und wie er heeßt? (Mit Nachdruck.) Pingel heeßt er!

Karoline. Pingel?   Ha! Ha! Ha!   Mehlmeier, bist du verrückt?!

Mehlmeier. Verrückt?   Na, da haben wir et schon! Ick dacht' mir et wohl!

Karoline. Der würde denn doch wohl der Letzte sein, den sie nähme!   Mehlmeier, ich bitte dich,   einen Mann von solcher Erscheinung!

Mehlmeier. Als wenn det die Hauptsache dabei wäre!   Ick meene, det Jeschäft ist die Hauptsache und denn det Herz, und det ist beides jut bei ihm!

Karoline. Diese Frechheit! Unerhört!   Ha! Ha! Ha!   Pingel! Ich muß schon lachen, wenn ich nur daran denke!

Mehlmeier. Mir freut man bloß det eene,   dat du et man nicht bist!   Dich will er ja ooch jarnicht haben.

Karoline. Und Mine ihn ebenso wenig!   Pingel! Ha! Ha! Ha!   Nein, es ist wirklich zu lächerlich!   Und was hast du ihm darauf erwidert?

Mehlmeier. Ick,   wat ick ihm darauf jesagt habe? Ick habe ihm jesagt, dat et mir janz anjenehm wäre!   und det ick Mine det ooch sagen wollte.  

Karoline. Werd' ich schon besorgen!

Mehlmeier. Du?   Ne, ick!   Ick werd' noch heute mit ihr darüber sprechen.

Karoline. Du?   Wann denn?   Du hast ja gar nicht mehr die Zeit und die Gelegenheit dazu.   Wenn erst die Sänger kommen,  

Mehlmeier. Na, denn sag du et ihr!   Die Mine duht doch, wat sie will!   (Sieht nach der Uhr.) Aber nu muß ick jehn!   Et wird die höchste Zeit! (Ruft durch die Mitteltür) Bollmann!   He, Bollmann!

 

Achte Szene.

Bollmann. Die Vorigen.

Bollmann. (durch die Mitteltür, seinen Hut mit dem Rockärmel streichend). Jawohl, hier bin ich; ich streichle man noch eben noch mal meine Schraube.

Karoline. (mokant). Schraube?!   wer sagt denn Schraube, Bollmann?   Das sagen die Gesellen!

Bollmann. Na, denn sag' ich Spint   das sagt der Herr auch.

Mehlmeier. (rasch). Wat kümmert dir, wat ick sage!   Sag' du, wat Madam sagt!

Karoline. Warum sagen Sie nicht Zylinder, Bollmann?   Das klingt feiner.

Bollmann. Na, denn sag' ich Zylinder. Das sagt man bei uns zu Hause zu 'n Schatulle.

Mehlmeier. Ha! Ha! Ha! Wat 'n jelehrtes Jespräch!   Aber laßt et jut sein,   wir verrappeln die Zeit! (Zu Bollmann.) Komm, Bollmann, setz' 'n Zylinder auf,   ick duh et ooch,   (Setzt sich den Hut auf.) Na, adieu, denn, Kalline,   nun jehen wir!  

Bollmann. (mit Kratzfuß). Adieu, Madam. Nun gehen wir. (Beide ab durch die Mitteltür.)

Karoline. (mokant). Verrappeln!   Doch ganz wie Bollmann!   Und diese Sprache,   wie mich die geniert!   Aber es hilft nichts mehr, er wird nicht anders.   (Geht nach der Mitteltür und ruft.) Adieu, Amandus!     Amandus!     Wie schade!   Ich wollte ihn noch einmal erinnern wegen unserer Gäste.     Er hört es nicht mehr,   sie sind schon aus dem Hause.    

 

Neunte Szene.

Jette. Karoline.

Jette. (Aus der Küche kommend, wie ein flottes Stubenmädchen gekleidet. Helles Kleid, weiße Schürze mit Brustlatz, kleines Tüllhäubchen.) Rief Madam mir?   Et war, als wenn ick jerufen würde.

Karoline. Nein, das nicht!   Wo ist das Fräulein?

Jette. In die Küche. Det janze Jedeck steht schon fertig.

Karoline. Dann geh' und rufe sie,   ich habe mit ihr zu sprechen. (Jette ab nach der Küche.)

Karoline. Die Polyhymnia wird gewiß gleich da sein.   Ach, wenn Amandus uns doch zwei brächte, wie ich sie mir wünsche! Zwei so recht feine und gebildete junge Leute!   Und wenn dann alles so käme, wie ich es mir denke!     Pingel!     Ich begreife Mehlmeier nicht!     Aber gut, daß ich's weiß. Ich will nun doch gleich mit Wilhelmine darüber sprechen.

 

Zehnte Szene.

Wilhelmine. Karoline.

Wilhelmine. (Garderobe: Elegante Morgentoilette. Sie kommt aus der Küche.) Es ist schon alles zurecht. Jette sagte, du wolltest mich sprechen.

Karoline. Ich habe dir etwas mitzuteilen,   Eigentlich sollte es mein Mann.   Nun, das bleibt sich gleich!   Über deine Entscheidung bin ich keinen Augenblick im Zweifel.

Wilhelmine. Mir?   Ich bin gespannt.   Doch etwas Gutes?

Karoline. Gutes?   Nun ja!   Etwas Schlimmes kann man es gerade nicht nennen.   Dir steht eine Überraschung bevor.

Wilhelmine. Eine Überraschung?!

Karoline. Möchte es ein günstiges Omen sein für das kommende Fest!

Wilhelmine. Du sprichst so feierlich.    

Karoline. Feierlich?   Ha! Ha! Ha!   Und doch ist es eigentlich nur lächerlich!   Denke dir, es hat jemand     um dich angehalten.    

Wilhelmine. O Gott!   Um mich an   an   gehalten?     um mich an       (sie wankt nach einem Stuhl hin, auf den sie sich wie erschöpft niederläßt.) Und   das nennst du   lächerlich?  

Karoline. Dacht' ich's doch!   Nun ja,   es ist auch immerhin ein Ereignis von überwältigendem Eindruck für ein junges Mädchen, wenn zum ersten Male    

Wilhelmine. (erregt). Junges Mädchen?!   Spotte nicht! Wer ist es?   Wie heißt er?       Ich weiß ja noch nicht einmal etwas davon!  

Karoline. Und ist das nicht schon lächerlich?!   Wie durch einen Heiratskommissionär!   Auf diesem nicht mehr ungewöhnlichen Wege.     Ha! Ha! Ha! Ha!

Wilhelmine. (wieder aufstehend). Wenn er zu schüchtern wäre,   zu blöde,     man hat Fälle    

Karoline. Schüchtern,   blöde,   wär' es das nur allein! Aber es ist noch etwas anderes dabei, um dessentwillen ich ihn schon nicht zum Schwager haben möchte!

Wilhelmine. (rasch). Ist er nett? Ist er hübsch?

Karoline. Nett? Hübsch?   Im Gegenteil, häßlich,   wenigstens nach meinem Geschmack! Und nicht allein häßlich, sondern auch noch      

Wilhelmine. (rasch). Auch noch?   Auch noch?  

Karoline. Denke dir,   er handelt mit Sirup und Rosinen!  

Wilhelmine. (stößt einen Schrei aus). O. Gott,   Herr   (sie wankt wieder nach dem Stuhl, auf den sie sich niederläßt.) Herr   Pingel!      

Karoline. Nun weißt du's!   Er hat mit Mehlmeier gesprochen und wird noch während des Festes kommen und um dich anhalten.

Wilhelmine. Herr Pingel?!     Nein! Nein!   Er hat zwar sein gutes Brot;   aber ich glaube,     er würde mich doch nicht glücklich machen.    

Karoline. Und doch meinte Mehlmeier,    

Wilhelmine. (rasch vom Stuhl aufstehend). Mehlmeier?   Was meinte er?  

Karoline. Nun,   er war dafür.

Wilhelmine. (bewegt). Dafür?   Er war dafür?   Ich bin so bewegt,   ich kann kaum noch sprechen.   Wann kommt er?  

Karoline. Wann er kommt?   Weiß ich's.     Aber kommen wird er,   noch während des Festes,   vielleicht schon heute      

Wilhelmine. (bewegt). Ich kann ihn nicht empfangen,   ich könnt' es ihm nicht sagen!   Sag' du's ihm!   Ich würd' es nicht können vor lauter Herzklopfen.  

Karoline. (mit Nachdruck). Wilhelmine!   Und das würdest du nicht können, warum dich jedes andere junge Mädchen beneiden würde?!   Ah, das sollte ich sein!     Bist du denn nicht stark genug, ihn auszuschlagen?

Wilhelmine. (bewegt). Das wohl!   Ich mag ihn eigentlich nicht,     aber      

Karoline. Nun was dann noch »aber«?   Denke dir, wenn ein Unglück sein sollte,     ich meinte: wenn du »ja« sagtest.  

Wilhelmine. (wie in Gedanken). Wenn ich »ja« sagte  

Karoline. Und es käme schon bald,   vielleicht schon gleich nachher,   schon heute oder morgen   ein anderer,  

Wilhelmine. (wie in Gedanken). Ein anderer    

Karoline. Ein so recht hübscher, netter junger Mann,   der dir noch hundertmal lieber wäre    

Wilhelmine. (wie in Gedanken). Hundertmal lieber    

Karoline. Wär' es dann nicht schrecklich, schon gebunden zu sein? Und hoffnungslos zu lieben?    

Wilhelmine. (wie in Gedanken). Hoffnungslos zu lieben!     (bewegt.) Ja, ja!   Du hast recht!   Ich vertraue dir!   Ohne dich,   wer weiß, wie mein Los gefallen wär'!     Aber ich bin so bewegt, so bestürzt davon!    

Karoline. Desto besser, daß wir alle Hände voll zu tun haben!   Jetzt nach der Küche, daß das Gedeck herein komme! Wir dürfen keinen Augenblick mehr säumen.

Wilhelmine. Schwester!   Ich zittere noch vor Erregung! (Ab nach der Küche.)

Karoline. Und doch war es ja nur einer, den sie nicht einmal mochte!   Der bleibt uns ja noch immer!     Also das wäre abgetan,   und mein Mann, mein kluger Mann sieht nun wieder einmal, daß wir Frauen,   die ja immer alles besser wissen,   es am Ende denn doch auch wirklich wieder einmal am besten gewußt haben!  

 

Elfte Szene.

Jette. Wilhelmine. Karoline.

(Wilhelmine und Jette kommen aus der Küche, einen Tisch tragend, auf welchem sich das ausgebreitete Tischtuch nebst Servietten, Teller, Messer und Gabeln, Brot, Butter, Käse, Schinken, Bier usw. befindet.)

Jette. (im Hereinkommen). Ick lasse mir hängen, Fräulein, wenn nich wat mit Sie is!   Fräulein is noch janz rot ins Jesicht!

Wilhelmine. (zu Jette). Ach was!   Unsinn!   (Zu Karoline.) Meinst du nicht auch, Line?   Es geht so leichter,   wir tragen gleich alles mit dein Tisch herein.

Karoline. Nur hierher!   Da muß er stehen,   unter der Ampel!   Jette holt nun noch den Wein und die Gläser. (Sie stellen den Tisch unter die Ampel.)

Jette. Ist ooch schon da!   Det Fräulein hat et schon nach die Küche jebracht. (Ab in die Küche.)

Wilhelmine. Ich habe drei Kuverts genommen.   Eins für dich, Line.

Karoline. Für mich?   Ich meinte für dich, Mine.   Es ist mir nicht möglich zu essen.

Wilhelmine. Mir auch nicht! (Jette kommt aus der Küche mit dem Wein und den Gläsern.) Es wär mir ganz unmöglich, jetzt noch zu essen nach all dieser Aufregung.  

 

Zwölfte Szene.

Jette. Die Vorigen.

Jette. Mir ooch nich.   Et schmeckte mich schon heute morgen nich mehr.   Ick habe die letzte Nacht schon jarnich mehr jeschlafen!  

Karoline. Aber einer muß doch mit den Herren essen!   Mehlmeier bleibt ja noch auf dem Bahnhof.

Jette. Ja, eene muß et!   Mit zwei von die Sängers, Fräulein,    

Karoline. (zu Jette). Jette, misch dich nicht immer dazwischen!   Geh' in die Küche!  

Jette. (im Abgehen). Mit zwei von die Polyhymnia, Fräulein,     ick täte et!   (Ab in die Küche.)

Wilhelmine. Du bist die Frau des Hauses.   Ich bin ja nur zum Besuch hier.

Karoline. Aber bedenke doch!   Es ist ja doch hauptsächlich deinetwegen  

Wilhelmine. Aber Line,   ich bitte dich!

Karoline. Auf solchen Festen haben sich schon häufig welche gefunden.   Ich meinen Mehlmeier doch auch!     Aber komm'   wir wollen decken! (Beide Damen beschäftigen sich mit dem Ordnen des Gedecks, während Karoline forfährt zu erzählen.) Ach Mine, wenn ich noch daran denke,   wie kam das im Sturm!     Es war vor zehn Jahren auf dem Schützenfeste,     ich war damals schon hoch in den Zwanzigern.   Mehlmeier logierte bei uns als Gast und war wirklich ein netter junger Mann!       Und auf dem Ball, da führte er mich zu Tisch und tanzte den Kotillon mit mir,   und als wir nach Hause gingen,   er, Papa, Mama und ich,   da bot er mir seinen Arm,   und bei der Haustür drückte er mir sogar die Hand;     aber erklärt hatte er sich noch nicht!   Du kannst dir denken, Mine, was ich litt, in dieser Aufregung und Erwartung  

Wilhelmine. (lebhaft). Ja, Ja!   Ich kann es mir lebhaft denken!

Karoline. Und da am andern Tage,   es war der letzte,   als er von den Scheiben kam,     und zu einer Erklärung war es noch immer nicht gekommen,  

Wilhelmine. Arme Schwester!

Karoline. Da hatte Fortuna ihm gelächelt.   Er brachte einen großen Becher mit,   und ich war gerade allein in der Stube.     (Sie nimmt einen Teller, den sie mit einer Serviette abwischt.) Da kam er schüchtern herein     (Bollmann erscheint, unbemerkt von ihnen, in der Mitteltür mit zwei Koffern) und hielt mir den Pokal hin und sagte,   ich vergesse es nie:   (weich) Fräulein Karoline, sagte er,   er ist leer,     füllen Sie mir ihn mit dem Glück Ihrer Liebe!   Ach, Mine, und da         (Bollmann setzt mit Geräusch die beiden Koffer auf den Fußboden, beide Damen schreien vor Schrecken laut auf, und Karoline läßt den Teller fallen.)

 

Dreizehnte Szene.

Bollmann. Gleich nachher Jette. Die Vorigen.

Bollmann. Na, das hab' ich doch man nicht gewollt. Ich kriegte selbst 'n Schreck davon!

Karoline. Bollmann, was sind Sie für 'n Esel!

Jette. (aus der Küche kommend). Ick hörte en Mordspektakel;   hat et Stücke jesetzt?    

Bollmann. Sie kommen!

Jette. (rasch). Sie kommen! Sie kommen!

Karoline. (rasch). Mine, sie kommen! Da sind schon die Koffer.

Jette. (rasch). Wat für elejantes Jepäck!

Bollmann. Ja, nicht wahr, Madam?  

Karoline. (rasch). Mine, schnell, schnell, daß wir den Tisch in Ordnung kriegen! (Zu Jette.) Jette, die Stücke!   (Jette sammelt die Scherben auf.)

Bollmann. Ja, und das sind noch man die Koffers!   Sie haben auch noch 'n Paar Reisesäcke, die tragen sie aber selbst.   Sie stehen da man eben um die Ecke und sprechen mit 'n Paar von die Polyhymnia. Da bin ich mit die Koffers vorauf gelaufen, um Bescheid zu sagen, daß wir kommen.   Der Herr ist noch auf 'n Bahnhof,   die Euterpia ist noch nicht da.   Aber nu muß ich wieder hin,   sie warten auf mir,   gleich bin ich mit sie da     (will abgehen.)

Karoline. (nahe zu ihm hintretend, etwas leise, mit besonderer Betonung). Bollmann, sind es distinguierte Leute?  

Jette. (rasch). Ja, sind et nette, Bollmann?

Bollmann. Ob es Destingerierte sind, Madam?   Ob es nette sind, Jette?   Ob und wie!     Ich machte den Herrn da gleich auf aufmerksam.   Den einen, den nannten sie immer nur Doktor. Na, dachte ich,   denn wird er's auch wohl sein.   Und der andere, was sein Freund ist, sah mich auch ganz dokterig aus,   und ich dachte denn bei mich selbst, der ist auch gewiß 'n Doktor oder sonst so was; denn sonst wär' er doch auch wohl nicht den Doktor sein Freund,

Karoline. (mit besonderem Nachdruck). Mine, ein Doktor, Mine!  

Jette. Vielleicht is et 'n Apotheker!   Wer kann't wissen?! Die Doktors und Apothekers sind immer mit'nander befreundet.  

Bollmann. Ja, und sie sind auch noch all beide Schi   Schaschierte, als man das nennt,   der eine mit 'n großes Horn an die Seite   und der andere mit   mit was Blankes auf 'n Puckel.   Na, Sie werden es ja gleich sehen!

Karoline. (wieder nahe zu Bollmann hintretend, etwas leise und mit besonderer Betonung). Habt ihr nach den Händen gesehen?      

Jette. Wie sehn sie aus, Bollmann?

Bollmann. Nach die Hände?     Ja!     Ne!     All als man das nimmt, Madam,   das heißt,   wir haben wohl darnach gesehen;   aber sie hatten Handschuhe an!     Aber ich sagte gleich zum Herrn: Frauen haben sie nicht, Herr Mehlmeier, darauf können Sie sich verlassen, auch mit die Handschuhe!   Sie sind mich viel zu jung und noch viel zu lustig.     Und das meinte Herr Mehlmeier denn auch,   und darauf ging er denn auch hin und sprach mit sie.

Jette. Sind et hübsche, Bollmann?

Bollmann. (etwas pikiert, er zupft an seinem Halstuch und streicht das Haar). Ob sie hübsch sind?   Nu ja, hübsch sind sie wohl!   Aber die Schönheit vergeht, Jette,   und 'n Doktor und sein Freund passen doch auch nicht für alle!    

Jette. Oller Othello!      

Karoline. (freudig erregt). Mine, ein Doktor und sein Freund!   Und beide noch so jung!   Aber schnell, schnell,     daß wir alles in Ordnung haben, eh' sie kommen!   (Karoline und Wilhelmine beschäftigen sich wieder beim Ordnen des Gedecks.)

Bollmann. Ja, und gleich bin ich mit sie da!   (Ab durch die Mitteltür.)

Karoline. Wo steht mir denn der Kopf?   Das ist recht!   So!   Die Weinflasche in der Mitte!   Und beim dritten Kuvert auch ein Glas!   Vielleicht kommt Mehlmeier bald nach. (Zu Wilhelmine.) Mine, du scheinst mir auch sehr bestürzt!

Jette. Ick nich, Madam!   Ick behalte in solche Fälle immer den Mut!

Wilhelmine. Etwas ängstlich ist mir auch.   Dazu die Aufregung von vorhin!    

Jette. Det Fräulein is aus die Röte noch jar nich wieder raus.

Karoline. Fasse dich doch, Mine!  

Wilhelmine. Ich kann sie doch nicht empfangen!     Meine Garderobe,     ich war bei Jette in der Küche.    

Karoline. Meinst du denn, daß ich es sollte?   So distrait als ich in diesem Augenblick noch bin von dem Schrecken mit Bollmann!   Ich bin ja auch noch ohne Haube.

Jette. Ne, jleich zuerst,   det möcht ick doch ooch nich!   Wenn et keen Dokter wäre!     Aber ick war all als kleines Kind schon immer so bange vor die Dokters!    

Wilhelmine. Aber eine muß sie doch empfangen!

Karoline. Sie werden gleich hier sein.

Jette. Denn wird et Zeit! (Will fort in die Küche.)

Karoline. (Gebieterisch zu Jette.) Du bleibst!   Wofür wärest du sonst das Stubenmädchen, wenn du nicht in der Stube sein wolltest?! Ich werde auch gleich wieder erscheinen. (Ab in Mehlmeiers Zimmer.)

Wilhelmine. Ja, Jette,   du kannst es auch am besten!   Du riskierst nichts dabei!   Ich bin ja noch in diesem Kleide und noch so heiß im Gesicht.   Ich muß mich erst 'n Augenblick fassen. (Ab in Mehlmeiers Zimmer.)

Jette. Wat? Ick riskiere nichts dabei?!   Na, det is jut!       Erst wollen sie die Männer,   und nachher wollen sie sie nich.   O, wenn ick det Fräulein wäre!   Aber et is ooch, wie et is!     So'n bischen Herzkloppen hab ick doch ooch schon!     Ick,   fühle mir in'n Aujenblick so verlegen,   un ick kann mir doch keene Blößen jeben?! Bollmann is ja ooch bei sie,   un ick?       ick weeß schon wat ick duh!

Ja, ick verkrieche
Mich in die Küche
Und wohl hinter die Tür,
Da steh' und luge
Ick durch die Fuge
Und betrachte sie mir.
Und wat ick sehe
So aus die Nähe,
Wenn ick sie heimlich betracht',
An allebeede,
Wird stande pede
Jleich die Madam hinterbracht:
Ach, Madam, wie sind sie schön! Wie sind sie schön!
Als ick wat Schön'res noch im Leben nich jeseh'n!
Ick preise freudig det Jeschick,
Und halt' et für ein jroßes Jlück,
Dat zwei so Schöne
Aus dem Reich' der Töne
Uns ein juter Jott ins Haus jeschickt!

Ja, ick verkrieche
Mich in die Küche
Und wohl hinter die Tür,
Da steh' und luge
Ick durch die Fuge
Und betrachte sie mir,
Und nu ick finde,
Dat jute Jründe,
Sie zu preisen allebeid,
Nu sag' ick schnelle
Uf alle Fälle
Ooch noch det Fräulein Bescheid:
Ach, Fräulein, ach, wie sind sie schön! Wie sind sie schön!
Als ick wat Schön'res noch im Leben nich jeseh'n!
Nu sei man, Fräulein, auf die Hut!
Und denn man immer ruhig Blut!
Man kann nich sagen,
Wat in diesen Tagen
Hier nich all sein Herz verlieren duht!

(Schnell ab in die Küche.)

 

Vierzehnte Szene.

Bollmann. Gleich nachher Schaum und Brenneisen. Später Jette durch die Küchentür.

Bollmann. (kommt durch die Mitteltür, die Handschuhe an und in jeder Hand einen Reisesack) Oha!   Da wird man warm bei!   Was die wohl alles in ihre Säcke haben?     (Setzt Schaums Reisesack links und Brenneisens Reisesack rechts auf einen Stuhl). Kein Mensch hier?   Und sie folgen mir auf'n Fuß.     Denn muß ich sie man empfangen. (Öffnet die Mitteltür.) Kommen Sie hier man 'rein! (Schaum und Brenneisen erscheinen Arm in Arm. Beide tragen das Sängerzeichen der Polyhymnia, eine silberne Lyra auf roter Schleife. Garderobe elegant, aber etwas auffällig, Glacé-Handschuhe von auffälliger Farbe. Schaum trägt einen weißen, seidenen Zylinder, eine feuerrote, seidene Krawatte und an einer Schnur mit dicken Quasten ein großes Trinkhorn an der Seite, Brenneisen einen grauen Zylinder von Filz, eine grasgrüne Krawatte und an einem gestickten Bande eine große goldene Lyra auf dem Rücken.) Nun tun Sie man, als wenn Sie zu Hause wären.   Die Damen sind wohl noch nicht fertig.   Ich bin auch gleich wieder da. (Ab durch die Mitteltür. Das Vorspiel beginnt. Die beiden Sangesbrüder lassen sich los, schreiten, Schaum links, Brenneisen rechts, an dem gedeckten Tisch vorbei nach vorn und ziehen, indem sie anfangen zu singen, sich die Handschuhe ab.)

Schaum. Endlich,

Brenneisen. endlich

Beide. zur Stelle, zur Stelle!

Schaum. Früh auf den Beinen schon,

Brenneisen. zogen wir aus!

Beide. zogen wir aus!

Schaum. Über,

Brenneisen. über

Beide. die Schwelle
Zieh'n wir nun beide ins gastliche Haus!
Führen die Leier,
Sinnbild der Feier,  
Führen das Horn mit dem großen Gelaß,
Zeichen des Zechers beim sprudelnden Faß!

Schaum. Aber,

Brenneisen. aber

Beide. (sich die Trauringe abziehend). mein Schätzchen, mein Schätzchen, (die Ringe zeigend)

Schaum. Das uns das Schönste

Brenneisen. im Leben vereint,

Beide. im Leben vereint,

Schaum. Nun an,

Brenneisen. nun an

Beide. (die Ringe in die Westentasche steckend). dein Plätzchen,
Wo dich nicht Sonne und Mond nicht bescheint!
Frei ist die Stätte!
Weg mit der Kette,
Die uns gebunden. Und wär's auch nicht recht,
Tun wir's doch gern für das schöne Geschlecht!

(Bollmann kommt, unbemerkt von den Sangesbrüdern, jetzt ohne Handschuh und Hut, das Taschentuch in der Hand, durch die Mitteltür, setzt sich auf einen Stuhl an der Tür und wischt sich den Schweiß ab, während er sichtlich erfreut nach dem Singen hört.)

Schaum. Durstige,

Brenneisen. durstige

Beide. Seele, Seele,

Schaum. Nun in den lustigen

Brenneisen. Strudel hinein!

Beide. Strudel hinein!

Schaum. Immer,

Brenneisen. immer

Beide. fidele, fidele!
Lustig, ja lustig das wollen wir sein!
Ist erst verflossen,
Was wir genossen,
Frohsinn und Freundschaft und Liebe und Glück,  
Geht es schon wieder nach Muttern zurück!

Bollmann. (Beifall klatschend). Bravo!   Bravo bravissimo!   (Schaum und Brenneisen kehren sich um und lachen.)

Schaum. Na, holder Jüngling, haben Sie sich niedergelassen?

Bollmann. Wo man singt, da laß, dir ruhig nieder. (Er wischt sich mit dem Taschentuch das Gesicht.)

Brenneisen. Ha! Ha! Ha!   Ja. das ist wahr!   Aber was haben Sie denn? (Nach dem Taschentuch zeigend.) Tu'n die Zähne weh?

Schaum. (schnell). Zahnweh?   Kommen Sie her! Ich zieh'n raus!

Bollmann. (aufspringend und abwehrend). Um Gottes willen, Herr Dokter, ne!   Ich wischte mir ja man den Schweiß ab!

Brenneisen. Ha! Ha! Ha!   Hat es Tropfen gesetzt?   Aber das Haar, (zeigt nach Bollmanns Haar) das hätt' ich anders gemacht!  

Bollmann. (befremdet). Das Haar?  

Brenneisen. Wer hat es geschnitten?

Bollmann. Jette!   Aus Gefälligkeit!

Brenneisen. Jette!   Ha! Ha! Ha!   Also Jette wär´ die eine! (Sieht in den Spiegel rechts und ordnet mit der Hand an seiner Frisur.) Aber nun sagen Sie uns mal, alter Kastellan, welche Schönheiten bergen denn außerdem noch die Mauern dieses Schlosses?

Bollmann. Meinen Sie die Damens hier im Hause?

Schaum. Natürlich! Die Damens! (Sieht in den andern Spiegel und ordnet mit der Hand an seinem Bart.)

Bollmann. Na, da ist zuerst die Madam, was den Herrn seine Gemahlin ist!  

Schaum. (rasch). Ist sie hübsch?

Brenneisen. (rasch). Ist sie hübsch?  

Bollmann. Hübsch?   (verzerrt das Gesicht) Hm!   O,   ja!   Und was die Hauptsache ist    

Brenneisen. Die Hauptsache?

Bollmann. Ich meine, daß sie so gebildet ist!

Schaum. Gebildet?! (Er öffnet seinen Reisesack und nimmt eine große Ledertasche heraus mit Rasiermessern, Zangen, Scheren u. s. w., entrollt sie, so daß Bollmann den Inhalt sieht und legt sie auf den Spiegeltisch links)

Bollmann. (neugierig zusehend). Na, die weiß von alles Bescheid und'n Geschmack hat sie!  

Brenneisen. Geschmack?   Wieso?

Bollmann. Na, wie sie alles so geschmackvoll zu machen weiß! (Sieht nach der Ampel) Sie ist romantisch!

Schaum. Ha! Ha! Ha! Romantisch!

Bollmann. So für das Höhere!   Am liebsten spricht sie immer von die Götter.

Brenneisen. Ha! Ha! Ha!     Na, das wäre die Zweite!   und dann?   (Nimmt aus seinem Reisesack Pomadekruken, Haarölgläser, Eaudecolognegläser u. s. w. und setzt alles auf den Spiegeltisch rechts.)

Bollmann. (neugierig zusehend) Na, und dann das Fräulein,   die Madam ihre Schwester.

Brenneisen. (rasch). Ist sie hübsch?

Schaum. (rasch). Ist sie hübsch?  

Bollmann. (neugierig nach den Kruken sehend). Na, sonst wär' sie auch wohl nicht das Fräulein!

Brenneisen. Ha! Ha! Ha!   Na, und dann?

Bollmann. (bald nach der Verbandtasche, bald nach den Kruken und Gläsern sehend). Na, und denn die Jette,     Sie wissen ja schon,  

Brenneisen. Ah, die Friseuse!  

Bollmann. Frisöse?   Ne!   Die Jette, das Mädchen! (Jette guckt durch die Mitteltür.)

Brenneisen. (rasch). Ist sie hübsch?

Schaum. (rasch). Ist sie hübsch?

(Jette nickt Bollmann zu, der sie sieht.)

Bollmann. Hübsch?     Die sollten Sie man mal seh'n!  

Schaum. Na, und dann?

Bollmann. Na, und dann muß es doch auch mal wieder'n Ende haben! Es sind doch schon drei   und wir sind ja man zwei,   ich und Herr Mehlmeier.  

Schaum und Brenneisen. Ha! Ha! Ha! Ha!  

Brenneisen. Welch' hübsche Stube!   Wir haben es schön getroffen.

Bollmann. O, da wollten ich und Herr Mehlmeier auch wohl nach sehen. Vor 'n Dokter muß doch auch alles 'n bischen feiner sein!

Brenneisen. Doktor?

Bollmann. Na, ich meinte Ihren Freund, den Dokter!   O, ich weiß wohl, daß er 'n Dokter ist!   Ich hörte es schon auf 'n Bahnhof von die andern, die sagten ja immer nur Dokter zu ihm.   Und da liegt ja auch die Doktertasche mit all sein Geschirr in   (schaudernd) Hu!   Und 'n Dokter,   so was Destingerirtes, das wollte die Madam ja gerade gerne haben!

Schaum. Ha! Ha! Ha!   Siehst du, Kollege? (Jette guckt durch die Küchentür.) Ich bin Doktor!   Und was bist du denn?  

Jette. Der mit det rote Tuch ist der Dokter!

Bollmann. Ja, Jette meint, daß Sie wohl 'n Apotheker wären, weil Sie 'n Dokter sein Freund sind.   Man sieht es ja auch an all die Kruken und Gläser!

Schaum und Brenneisen. Ha! Ha! Ha! Ha!

Brenneisen. Apotheker!   göttlich! Ha! Ha! Ha! (Jette guckt durch die Küchentür.) Ja, ich bin Apotheker! Ha! Ha! Ha!

Schaum. Das ist er auch!   Die Jette hat Recht. Ha! Ha! Ha! Es ist mein Freund und mein Kollege, der Apotheker. (Jette nickt Bollmann zu, Bollmann nickt wieder.)

Jette. Und der mit det jrüne Tuch ist 'n Apotheker! Wat 'n Ahnung von mich! Det muß ich doch man jleich an Madam sagen! (Ab.)

Bollmann. Na denn schanieren Sie sich man nicht. Das Frühstück steht schon da!   Langen Sie man zu!   Die Madam und das Fräulein werden auch wohl gleich kommen. Ich muß nun erst mal wieder 'raus,   daß die Madam mir nicht trifft, wenn sie kommt.   Ich bin ja man das Faktotum! (Ab durch die Mitteltür.)

Schaum und Brenneisen. Ha! Ha! Ha! Ha!

Brenneisen. Also die Madam!   Aber dann nur schnell mit der ganzen Apotheke wieder in den Sack hinein, ehe sie kommt!   (Packt die Kruken und Gläser schnell wieder in den Reisesack.)

Schaum. Ja, und mit der Doktortasche!   Hu!   (Packt seine Tasche schnell wieder in den Reisesack.)

Brenneisen. Also die Madam!   Madam Mehlmeier!   Das Fräulein!   und die Jette!   Das wären drei!   und die Madam hat schon einen.

Schaum. Tut nichts!   Wird auch die Kur geschnitten!

Brenneisen. Bleibt noch das Fräulein und die Jette. Ich mache dem Fräulein den Hof,   mache du ihn der Jette.

Schaum. Umgekehrt!   Wofür wäre ich denn der Doktor?   Ich verschreibe doch die Rezepte!

Brenneisen. Na, und ich der Apotheker?   Ha! Ha! Ha!   Ich muß es doch erst machen, was du verschreibst!  

Schaum. Na, es wird sich finden!   Aber es ist köstlich!

Brenneisen. (besieht den Tisch). Und was für 'n Gedeck!

Schaum. Wie einladend!

Brenneisen. (die Flasche aufhebend und nach der Etikette sehend).   Schaum, Liebfrauenmilch!

Schaum. Das nenn' ich nobel!   Es müssen reiche Leute sein! Besser hätten wir 's nicht treffen können!     Brenneisen, Junge, nun mache dich!  

 

Fünfzehnte Szene.

Karoline. Schaum. Brenneisen.

Karoline. (aus Mehlmeiers Stube kommend. Dasselbe Kleid, elegante Haube mit vielem Putz. Sie verbeugt sich vornehm, zuerst gegen Schaum). Herr Doktor!

Schaum. (rasch beiseite). Alle Wetter, Doktor! (Sich verbeugend.) Mein Name ist Schaum!

Karoline. Herr Doktor Schaum, es ist mir sehr angenehm, Sie und Ihren Freund    

Brenneisen. (sich verbeugend). Ich heiße Brenneisen!

Schaum. (rasch). Er ist Apotheker!

Karoline. Es ist mir sehr angenehm, Sie als liebe Gäste bei uns zu begrüßen!   Hier ist Ihre Wohnstube und hier und dort sind Ihre Schlafzimmer. Wollen Sie nicht ablegen?  

Schaum. Wir danken herzlichst! (Nimmt das Horn ab und hängt es an die Wand, während Brenneisen die Lyra auf einen Stuhl stellt. Zu Brenneisen, sein Gepäck nehmend.) Willst du zur Linken oder zur Rechten?

Brenneisen. (sein Gepäck nehmend). Wie du willst!  

Schaum. Dann folge ich dem Drange meines Herzens!   Zur Linken! (Geht links hinein.)

Brenneisen. (beiseite). Fängt schon gut an! (Rechts hinein.)

Karoline. (sentimental). Dem Drange seines Herzens!   Links sitzt das Herz!   Ach, welch ein gefühlvoller Doktor! (Schaum und Brenneisen kommen zurück in die Stube.)

Brenneisen. Gnädige Frau, es hat ein holder Stern      

Schaum. (ihn schnell unterbrechend). Ein holder Stern über uns geleuchtet, und hat uns geführt in das Haus einer so schönen   (küßt ihr die Hand) und liebenswürdigen Dame!

Brenneisen. Der wir nicht genug danken können    

Schaum. (ihn schnell unterbrechend). Der wir nicht genug danken können für einen so herzlichen und liebevollen Empfang! (Küßt ihr wieder die Hand.)

Brenneisen. (unwillig beiseite) Schon wieder!  

Karoline. (sentimental) O bitte!   Keinen Dank!   Ich preise mich glücklich, so geschätzter Gäste wegen!   Und mein Mann und meine Schwester nicht minder!     Sie wird sogleich das Vergnügen haben, Sie zu begrüßen,   und mein Mann,   wohl auch,   sobald die Euterpe da ist.    

Brenneisen. Wir hatten schon    

Schaum. (ihn schnell unterbrechend). Wir hatten schon das Vergnügen, mit Herrn Mehlmeier auf dem Bahnhofe zu sprechen.

Brenneisen. (unwillig beiseite) Das ist aber stark!  

Karoline. Welch ein schönes Wetter! Ich verspreche mir viel von dem Fest! Vor allem auch noch am letzten Tage von der Reunion und dem Ball! Schade, daß die Herren nicht gleich mitgehen!

Brenneisen. Hätten wir nicht    

Schaum. (ihn schnell unterbrechend). Hätten wir nicht die Freude, Sie zu begleiten?

Brenneisen. (unwillig beiseite). Ja, das ist wirklich stark!  

Karoline. Wenn das Bier nicht wäre!   Aber nun geht 's ja erst zur Bierprobe!

Schaum. Wie schade!

Brenneisen. Wir verzichten darauf!

Karoline. Nein, o nein! das geht nicht!   Der Besuch des Bierkellers bildet einen Teil des Programms! Aber Sie kommen mit meinem Manne nach. Meine Schwester und ich gehen vorauf. Es ist wegen der Plätze. Wenn der Ball beginnt, werden Sie wieder da sein!

Brenneisen. (schnell sprechend) Wenn ich das Vergnügen haben dürfte, die Polonäse mit Ihnen zu tanzen.   (Beiseite.) Da kam ich ihm doch mal zuvor!  

Schaum. Und ich den zweiten Tanz mit Ihnen und die Polonäse mit Ihrer Fräulein Schwester?    

Karoline. (sentimental). O, bitte   bitte meine Herrn!   Gern!   Aber wollen Sie sich nicht setzen?     Und einen kleinen Imbiß,   ein kleines Glas Wein  

Brenneisen. (indem er Karoline den Arm bieten will). Erlauben Sie        

Schaum. (ihn schnell unterbrechend und sich verbeugend). Erlauben Sie gnädige Frau?   (Gibt Karoline den Arm und führt sie an den Tisch.)

Brenneisen. (unwillig beiseite). Auch jedes Mal!   Empörend! (Sie setzen sich; Karoline in der Mitte hinter dem Tisch, Schaum und Brenneisen links und rechts an den Tischenden.)

Karoline. (die Gläser füllend). Sie müssen so fürlieb nehmen.

Brenneisen. (rasch). Könnt' es schöner sein, gnädige Frau?  

Karoline. Singen die Herren Tenor oder Baß?

Schaum. (rasch). Ich Tenor, gnädige Frau!   Tenor!   Mein Freund Brenneisen    

Brenneisen. (ihn schnell unterbrechend). Bariton! Bariton, gnädige Frau; (beiseite) da kam ich ihm doch mal wieder zuvor!

Karoline. (schwärmerisch). Ach Gesang!   Ich schwärme für Gesang.

Schaum. (rasch). Da könnten wir Ihnen gleich singend danken!  

Brenneisen. (rasch). Und Ihnen singend unsere Huldigung darbringen! (beiseite) das war doch auch nicht schlecht!  

Karoline. (sentimental). Gar zu gütig! Gar zu gütig, meine Herren!  

Schaum. (rasch). O, bitte!   Bitte!   Gern! Sehr gern!   (Zu Brenneisen.) Unser neues Duett, Kollege,   wie?  

Karoline. (sentimental). Sie sind wirklich zu liebenswürdig!  

Schaum. (rasch). Wenn ich bitten darf,     (Reicht ihr das Glas. Beide Herren stehen auf und erfassen ihre Gläser. Zu Anfang der Strophen Gesang und Begleitung jedesmal piano. Zu Ende einer jeden Strophe mit Karoline anstoßend, wobei diese sich jedesmal erhebt.)

Es schwebt ein goldner Schmetterling
Im Blumenreich' der Töne,
Ihm huldiget der Erdenring
Und freut sich seiner Schöne!
Wir halten hoch das Glas
Und bringen das
Der lieblichen Sylphide,
Dem Liede!

Es flammt aus einer süßen Flut,
Die jedem Sänger teuer,
Nicht minder des Rubines Glut,
Wie des Demanten Feuer!
Wir halten hoch das Glas
Und bringen das
Dem flüss'gen Edelsteine,
Dem Weine!

Es gibt ein holdes Dornröslein,
So blüht im Menschenherzen,
Und das im Sturm' wie Sonnenschein
Ihm schafft viel Lust und Schmerzen!
Wir halten hoch das Glas
Und bringen das
Dem schönsten aller Triebe,
Der Liebe!

Karoline. (schwärmerisch). Wie hübsch!   Wie sinnig!   (Die Herren setzen sich, Bollmann guckt durch die Mitteltür.)

 

Sechzehnte Szene.

Bollmann. Jette. Wilhelmine. (Alle drei nur durch die Tür.) Die Vorigen.

Schaum. Es ist symbolisch, gnädige Frau, wie das Horn, welches ich trage.

Bollmann. (durch die Mitteltür). Er meint das große Tuthorn!

Brenneisen. Und wie die Lyra, die ich führe.

Karoline. (schwärmerisch). Das Horn und die Lyra!   Aber bitte, meine Herren!   (Sie präsentiert den Sängern das Essen.)

Bollmann. Denn ist das Blanke wohl die Lyra.

(Jette guckt durch die Küchentür.)

Schaum. Die Götter der alten Deutschen    

Jette. (durch die Küchentür). Nu sprechen sie von die Jötter, det is wat für die Madam!

Karoline. (schwärmerisch). Ach, die Götter! Alles Schöne stammt doch von den Göttern!

 

Siebzehnte Szene.

Mehlmeier. Karoline. Schaum. Brenneisen.

Mehlmeier. (hastig hereinkommend). Die Euterpia ist da, meine Herren!

Karoline. (mokant, beiseite). Euterpe!

Mehlmeier. Die Euterpe ist da!   Ick begrüße Sie! (Gibt ihnen die Hand.) Willkommen in mein Haus! Ick sag' Ihnen, en Jesellschaft!   Über hundert! Ick hielt die Ansprache!

Karoline. (schwärmerisch). Euterpe!   Auch eine von den neun Musen im Gefolge des Apoll!   Amandus,   wir haben uns über die Götter unterhalten!

Mehlmeier. (beiseite). Nu hat sie et wieder mit die Jötter!   (Zu den Herren.) Ick sag' Ihnen, meine Herrn, mit zwei Musikkorps!   Det müssen Sie sehen!   Sie sind noch alle aufn Bahnhof und trinken den Bejrüßungsseidel mit viele von die Hiesigen und von die Polyhymnia!   Ick muß jleich wieder hin!   Ick komme eigentlich man, um Sie zu holen.

Karoline. Unsere Gäste soupieren noch.

Mehlmeier. Natürlich, ick meinte, wenn Sie fertig wären.

Karoline. (mokant, beiseite). Fertig wären!  

Brenneisen. Vollkommen gesättigt!   Es war su      

Schaum. (ihn schnell unterbrechend). Superbe! Superbe! Magnifik, gnädige Frau!   Exquisit!  

Brenneisen. (unwillig beiseite). Schon wieder!

Karoline. O, bitte, Herr Doktor!   Nur ein frugaler Imbiß!    

Mehlmeier. Ja, bitte meine Herren! Zu viel Ehre!   Aber wenn die Herren schon satt sind,

Karoline. (mokant, beiseite). Satt sind!    

Mehlmeier. Denn lassen Sie uns noch schnell 'n Augenblick nach'n Bahnhof!   Et ist zu jemütlich da zwischen all die lieben Jäste!

Brenneisen. (zu Karoline). Wenn Sie es erlauben      

Schaum. (ihn schnell unterbrechend). Ja, wenn Sie es erlauben, gnädige Frau?

Karoline. (sentimental). Was erlaubt man nicht seinen lieben Gästen!

Mehlmeier. Ja, denn laßt uns man!   (Er öffnet die Tür, die Gäste nehmen ihre Hüte.) Bitte meine Herrn!

Brenneisen. (sich vor Karoline verbeugend). Auf Wieder  

Schaum. (ihn schnell unterbrechend). Auf Wiedersehen, schöne Frau! (Küßt ihr die Hand. Alle ab.)

Brenneisen. (der Letzte im Abgehen). Schon wieder!   (Ab.)

Karoline. (schwärmerisch). Schöne Frau!   Wie gefühlvoll hat er das zu mir gesagt!   Was für feine Leute, und mit welcher Distinktion wissen sie sich zu benehmen!   Und dieses Lied!   Diese Stimmen!   Dieser Vortrag!   Den Doktor mag ich doch am liebsten!   Das wäre eine Partie für Wilhelmine!   Wie hat er mir die Hand gedrückt!   Und sie geküßt!   Mir pocht ordentlich das Herz!   (Mit Pathos.) Ach,   noch ganz so wie damals, als mir Mehlmeier den Pokal reichte!  

Er hat, wie liebelüstern,
Als ich ihn hab' begrüßt,
Mit Schmachten und mit Flüstern
Mir gar die Hand geküßt!
Er nannt mich eine schöne
Und gnäd'ge Frau zugleich,
Und diese Schmeicheltöne,
Wie stimmten sie mich weich!
Ach, ach solch ein Mann,
Ach, solch ein feiner, junger Mann,    
Wie der beglücken
Und wie der entzücken
Ein Frauenherz kann!

Ich hab' ihm imponieret,
Es war nicht alles Scherz.  
Wie leicht ist doch verführet
Ein junges Männerherz!  
Ich hab' ihn schon,   ich wette!
Und wär's nicht schon zu spät,  
Wenn ich nicht einen hätte,  
Wer wüßte, was ich tät!  
Ach, ach solch ein Mann,
Ach, solch ein feiner, junger Mann,
Wie der beglücken
Und wie der entzücken
Ein Frauenherz kann!

(Ab in ihr Zimmer.)

 

(Der Vorhang fällt.)

 

Ende des ersten Aktes.


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