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Der Kanon der schönen Weiblichkeit

. Man wird erst wissen, was die Frauen sind, wenn ihnen nicht mehr vorgeschrieben wird, was sie sein sollen. Es ist nicht leicht, unter der konventionellen Außenseite, die wie ein glatter Überzug über die wohlerzogenen Frauen gebreitet ist, die wahren Konturen ihrer Individualität zu entdecken. Gewöhnt an eine beständige Kontrolle jeder Lebensäußerung, mit tausend unsichtbaren Fäden schlimmer als mit Ketten gebunden, durch die Herrschaft sittlicher Normen genötigt, sich über sich selbst zu täuschen, sich divergierende Empfindungen nicht einzugestehen, gehen sie stumm den Weg, den ein stärkerer Wille ihnen vorgezeichnet hat.

Die Anschauung über das, was das Weib sein »soll«, bildet die Direktive der weiblichen Erziehung, die ja ganz darauf gerichtet ist, den heranwachsenden Mädchen einen bestimmten Typus zu suggerieren. Allerdings vollzieht sich auch die Entwicklung der männlichen Jugend unter einem solchen Drucke; da aber die Frauen alle nur für eine Bestimmung, nur für einen Beruf erzogen werden, bleibt für die Individualität innerhalb des weiblichen Erziehungsvorbildes ein weit geringerer Spielraum übrig. Zudem sind die Frauen im allgemeinen geneigter, sich Autoritäten unterzuordnen – daß sie als das schwache Geschlecht gelten, verdanken sie ja in erster Linie ihrer Suggestibilität. Die Mittel der Dressur, durch welche die Menschen zu »nützlichen« Gliedern der Gesellschaft gemacht werden, wirken stärker auf sie.

Nach Laura Marholms Meinung ist das beste und schlechteste Weibmaterial nicht ziehbar und erziehbar, sondern nur das weibliche Mittelgut – nach einer anderen, ungleich verbreiteteren Auffassung gehört die Lenkbarkeit und Fügsamkeit gerade zu den Kriterien der vorzüglichsten Frauen, der »echten« oder »schönen« Weiblichkeit. Gleichviel jedoch, wie man sie bewerten will: Die Mehrzahl der Frauen steht unter der Herrschaft gewisser Vorstellungen über ihre Verpflichtung, einem Musterbild, einem Kanon der Weiblichkeit möglichst nahezukommen. Sie glauben desto mehr Weib zu werden, je ähnlicher sie dem Erziehungsideal sind, und fürchten, weniger Weib zu sein, wenn sie sich davon entfernen.

John Stuart Mill spricht von den »Übertreibungen der Selbstverleugnung, welche gegenwärtig das künstliche Ideal des Frauencharakters ist«; und prüft man die Glaubensartikel der Weiblichkeit, so wird man noch eine Anzahl rein negativer Eigenschaften finden, die hier zum Range sittlicher Vorschriften erhoben worden sind. Woher rühren diese Vorschriften? Muß man sie als Äußerungen der weiblichen Natur ansprechen? Oder stammen sie von außen, sind sie vielleicht durch einen anderen, mächtigeren Willen dem weiblichen Geschlechte vorgesetzt?

Diejenige Auffassung, welche bisher entscheidend für die soziale Stellung des weiblichen Geschlechtes war, erkennt dem Weibe nur eine sekundäre Bedeutung zu. Nach ihr ist das Weib nur ein Mittel zum Zweck – erstens zur Befriedigung des Mannes, zweitens zur Hervorbringung des Mannes, der das Endziel aller Veranstaltungen sowohl der Natur wie des Staates bildet. Ein Wert an sich, als selbständige Persönlichkeit, als eigenberechtigte Individualität, kann dem Weibe nicht zukommen; es hat nur Wert, soweit es sich als Mittel eignet, und der einzige Zustand, durch den die Existenz des Weibes sittlich und praktisch gerechtfertigt wird, ist die Ehe.

Philosophisch systemisiert und aus dem »Charakter der Vernunft« begründet erscheint diese Auffassung in Fichtes »Grundlage des Naturrechts nach Prinzipien der Wissenschaftslehre«. Dort heißt es: »Das zweite Geschlecht steht der Natureinrichtung nach um eine Stufe tiefer als das erste ... Die Frau gehört nicht sich selbst an, sondern dem Manne ... In dem Begriffe der Ehe liegt die unbegrenzteste Unterwerfung der Frau unter den Willen des Mannes ... Ihre eigene Würde beruht darauf, daß sie ganz, so wie sie lebt und ist, ihres Mannes sei und sich ohne Vorbehalt an ihn und in ihm verloren gebe. Das Geringste, was daraus folgt, ist, daß sie ihm ihr Vermögen und alle ihre Rechte abtrete und mit ihm ziehe. Nur mit ihm vereinigt, nur unter seinen Augen und in seinen Geschäften hat sie noch Leben und Tätigkeit. Sie hat aufgehört, das Leben eines Individuums zu führen.«

Besonders charakteristisch aber ist, daß Fichte als den obersten Naturtrieb des Weibes den Trieb bezeichnet, »Mittel für den Zweck eines anderen zu sein, weil sie ihr eigener Zweck nicht sein konnte, ohne ihren Endzweck, die Würde der Vernunft, aufzugeben«.

Diese ganze Methode der Deduktion ebenso wie die Rechtfertigung herrschender Sitten und Gesetze aus abstrakten Prinzipien der Vernunft fordert die Frage heraus: was ist es, das hier so gravitätisch als gesetzgeberische »Würde der Vernunft« auftritt? Wofür ist diese Auffassung symptomatisch? Ist es nicht bloß der Instinkt einer bestimmten Männernatur, der sich legitimieren will? Die meisten Männer sind Moralisten gegenüber dem Weibe. Sie begnügen sich nicht, ihre Ansprüche an die Weiblichkeit aus ihrem Geschmack und ihren Neigungen zu rechtfertigen und ihre Wesensart in einem individuellen Verhältnis zu einer ihnen adäquaten Frauennatur auszuleben: sie dulden keine Abweichungen von der Regel, die ihrer Wahl entspricht; sie bestrafen diese Abweichungen nicht bloß mit ihrem persönlichen Mißfallen, sie brandmarken sie als »Entartung« von dem allein gültigen Normalen. Aus den Wünschen und Bedürfnissen dieser Männer ist die »echte« Weiblichkeit konstruiert; sie haben die Konvention geschaffen, nach welcher alles Weibliche sich bilden soll. Und die Vorstellungen, die jener Konvention zugrunde liegen, lassen sich unschwer als das Negativ erkennen, das den Forderungen einer bestimmten männlichen Wesensbeschaffenheit entspricht.

Jene ironische Definition Arne Garborgs: »Weiblichkeit ist der Inbegriff all der Eigenschaften und Eigenheiten, der Vorzüge und Fehler, welche das Weib für den Mann begehrenswert machen«, weist darauf hin, was es im Grunde für eine Bewandtnis mit dem Inbegriff der Weiblichkeit hat. Vor allem sind es zwei Forderungen, die dabei in Betracht kommen. Sie treten unter sehr verschiedenen Namen auf; aber auf ihren allgemeinsten Inhalt zurückgeführt, können sie als Schönheit und als Schwäche bezeichnet werden. Man wird unter den kanonischen Vorzügen der schönen Weiblichkeit kaum einen finden, der nicht unter diese beiden Kategorien zu reihen wäre.

Die unumwundenste der zahlreichen Formeln, welche die Schönheit zum Gesetz des Weibes erheben, hat Neufville gegeben: »Schönheit ist die Mission des Weibes; unter einer anderen Bedingung existiert es nicht.« Zahmere Fassungen reden davon, daß Anmut und Schönheit das Genie des Weibes sind, oder daß die Stelle, welche beim Manne die Ethik vertritt, beim Weibe durch die Ästhetik eingenommen wird. Aus dieser Auffassung, daß das weibliche Geschlecht vorzüglich das ästhetische sein soll, gehen alle jene Bestimmungen hervor, die das Weib verpflichten, »ein Spiegel des Geziemenden« (Julius Düboc) zu sein, oder auch die Repräsentantin dessen, was »das holde Maß« genannt wird – Bestimmungen, die deutlich erkennen lassen, daß sie nicht aus der ursprünglichen Natur des Weibes abgeleitet sind. Denn die Eigentümlichkeit, auf psychische und physische Reize rascher zu reagieren, die man dem weiblichen Nervensystem zuzuschreiben pflegt, disponiert zu heftigeren Äußerungen der Affekte, also keineswegs zu jener Zurückhaltung, welche das »holde Maß« fordert.

Unter die Kategorie der Schwäche fallen alle Eigenschaften, welche den Anschein des Schutzbedürftigen, Unterwürfigen, Abhängigen erwecken können. Die Ehe, als der einzige Beruf, für den die weibliche Erziehung vorbereitet, ist hier das Bestimmende. Da nach der herrschenden Auffassung die Ehe ein völliges Aufgeben der Persönlichkeit für die Frau bedeutet, wird die lenksamste, nachgiebigste, unselbständigste aller Wahrscheinlichkeit nach auch die geeignetste dazu sein. Es ist eine Art Durchschnittsberechnung, auf der die Erziehungsschablone in dieser Hinsicht beruht. Nicht die edelste, nicht die vornehmste, nicht die differenzierteste Männlichkeit ist es, die hier den Maßstab liefert, es ist die gewöhnlichste, die häufigste, die bekannteste, diejenige, mit welcher man eben rechnen muß.

Und für diese Art der Männlichkeit wird ebenfalls wieder das Dutzendmäßige am besten passen, das Brauchbare, das Unbeschwerliche, das, was die wohlfeilsten Annehmlichkeiten gewährt. Nur ein schwaches Wesen kann sich leicht und von selbst unterordnen; Fügsamkeit, Nachgiebigkeit, Unselbständigkeit sind bloße Begleiterscheinungen der Willensschwäche. Die Frauen sind nicht allein schwach an Willen, sie »sollen« es sein. Durch den Mann erst erhält das Weib ihre Persönlichkeit – das ist eine Lieblingsvorstellung der Männlichkeit. Nietzsche leiht ihr mit dem Worte Ausdruck: »Der Mann macht sich das Bild des Weibes, und das Weib bildet sich nach diesem Bilde.« Und in seinem Buche über die Liebe sagt Michelet: »Du mußt deine Frau schaffen; es ist ihr eigener Wunsch. Wir Männer sind Arbeiter, Schöpfer, Baumeister – die wahren Söhne des Prometheus. Wir wollen nicht eine fertige Pandora, sondern eine, die wir selbst machen.«

Noch deutlicher als in der Fichteschen Formulierung verrät sich hier die subjektive erotische Phantasie als Ursprung dieser Voraussetzung. Die Vorstellung, ein Wesen mit bestimmten angeborenen Eigenschaften – und auch das willensschwächste Weib ist ein solches Wesen – nach eigener Willkür erst »schaffen« zu können, stammt nicht aus der Beobachtung wirklicher Vorgänge; sie gehört unter jene Illusionen, an denen die psychosexuellen Beziehungen der Menschen so reich sind.

Allein die weibliche Erziehung kommt dieser Illusion bereitwillig entgegen. Damit ein solches Schaffen den Anschein der Möglichkeit habe, ist es notwendig, daß die Mädchen unentwickelte, unwissende, ja unpersönliche Wesen bis zu der Epoche bleiben, als sie ihren »Schöpfer« finden. Die Methode der weiblichen Erziehung ist darauf gerichtet, einen selbständigen Entwicklungsprozeß hintanzuhalten; sie ist eine Methode der Unterdrückung, der Einschüchterung, der künstlichen Wachstumsverhinderung. Das wohlerzogene Mädchen wird so weit eingeschüchtert, daß es keinen eigenmächtigen Schritt zu tun vermag; sein Weg bis in den gebenedeiten Hafen der Ehe ist ein Spießrutenlaufen zwischen zahllosen Möglichkeiten, Anstoß zu erregen, etwas zu tun, »was sich nicht schickt«. Und die Furcht vor dem Unschicklichen besitzt nur deshalb eine so große Macht in der weiblichen Psyche, weil sie zum Hintergrunde die Vorstellung der schönen Weiblichkeit hat, des Musterbildes, von dem abzuweichen eben schon als Entartung gilt.

Wenn es in der Tat die erotischen Ansprüche einer bestimmten Art Männlichkeit sind, denen dieses Erziehungsideal entspricht, wenn der dominierende Geschmack einer Mehrzahl dasselbe geschaffen hat, warum sollte man Einwände dagegen erheben? Vielleicht kann das weibliche Geschlecht kraft seiner Willensschwäche, die gewöhnlich ein Abhängigkeitsgefühl erzeugt, ein Bedürfnis, sich lenken zu lassen, wirklich nur als das sekundäre behandelt werden; vielleicht ist es unter keinem andern Gesichtspunkt zu betrachten, als unter dem seiner Eignung für die Zwecke des männlichen. Und niemand wird leugnen, daß das Glück einer vollkommen harmonischen Vereinigung zwischen Mann und Weib zu den höchsten Gütern des menschlichen Lebens gehört, oder sogar, daß es schlechtweg das höchste ist. Sollte daher nicht alles, was die Frauen darauf vorbereitet, was sie dazu heranzüchtet, in ihrem eigensten Interesse geschehen? Sollten sie nicht um diesen Preis willig in alle Ewigkeit schwache und unselbständige Wesen bleiben wollen?

Aber handelt es sich denn hier um jene hohen Gaben der Liebe, die immer die Früchte einer vollendeten Gegenseitigkeit sind? Es gibt zahllose Möglichkeiten der erotischen Anziehung; und jede wirkliche Liebesverbindung zweier Menschen kommt auf Grund individueller Eigenschaften, nicht auf Grund konventioneller Vorstellungen zustande. Die individuellen Nuancen sind es, die über die erotische Anziehung entscheiden, jene unendlich verschiedenen Abtönungen der Persönlichkeit, welche machen, daß ein bestimmter Mann durch eine bestimmte weibliche Individualität und nicht durch einen allgemeinen Komplex und Ausbund von Weiblichkeit zur Liebe bewegt wird.

Man braucht auch nicht von den Rechten der freien Persönlichkeit auszugehen, wenn man die Methode der weiblichen Erziehung einer Kritik unterzieht; es kann dahingestellt bleiben, ob diese Rechte den Frauen von Rechts wegen zukommen. Denn die Rechte der Persönlichkeit werden nicht verliehen, sondern usurpiert: man wartet nicht, bis sie von außen kommen, man nimmt sie sich heraus kraft innerer Notwendigkeit, und es ist gar keine Gefahr, daß die Erziehung den starken, weiblichen Persönlichkeiten etwas anhaben könnte.

Nicht so glücklich daran sind die schwächeren Individualitäten, die sich nicht selbst behaupten, sich selbst nicht durchsetzen können. Auch sie aber müssen unter einem andern Gesichtspunkt betrachtet werden, als unter dem des sekundären Geschlechtes. Je mehr sie »nur Weib« sind, desto mehr Bedeutung hat für sie der sogenannte natürliche Beruf des Weibes; und man darf wohl fragen, wie weit das herrschende Erziehungsideal diejenigen, die es sich unterwirft, geeignet macht, diesen Beruf zu erfüllen.

Es ist klar, daß eine Erziehung, die das weibliche Geschlecht einfach zu seiner natürlichen Bestimmung tauglich machen wollte, es in erster Linie körperlich und geistig für die Aufgabe der Mutterschaft vorbereiten müßte. Durch die Mutterschaft hat die Natur dem weiblichen Organismus die wichtigste und verantwortungsvollste Rolle im Leben der Gattung zugeteilt, eine schwere Pflicht, die vor allem Abhärtung des Leibes und der Seele verlangt, Unerschrockenheit, innerliche Tapferkeit und eine mutige Verachtung körperlicher Leiden. Aber vergeblich werden wir nach diesen Eigenschaften im Kanon der schönen Weiblichkeit suchen. Die Treibhauskultur der Wohlerzogenheit, die aus dem Weibe ein Luxusgeschöpf macht, hypertrophiert gerade diejenigen Neigungen und Instinkte, die der Mutterschaft abhold sind; sie ist ein System der Verweichlichung und Verzärtelung an Leib und Seele. Wie wenig physische Tauglichkeit zur Mutterschaft die Frauen der wohlhabenden Klassen, die »geschützten« Frauen besitzen, beweist am deutlichsten der Umstand, daß so viele unter ihnen ihr erstes Kind nicht ohne operativen Eingriff zur Welt bringen können, daß ein Vorgang, der unter natürlichen Verhältnissen ein Leiden von wenigen Stunden mit sich bringt, für sie zu einem tagelangen Martyrium wird.

Noch schlechter aber sind sie seelisch für das ausgerüstet, was den Hauptinhalt ihres Lebens zu bilden bestimmt ist. Die Unwissenheit, das geistige Korrelat der physischen Jungfräulichkeit – alles Wissen, das selbständige Wünsche oder selbständige Urteile erwecken, oder auch nur schlechtweg »erwecken« könnte, muß ja für die Integrität der Wohlerzogenheit bedenklich erscheinen – die Unwissenheit über die natürlichen Vorgänge erzeugt ein dunkles Grauen, eine feige und ängstliche Empfindung, die ganz dazu angetan ist, das Instinktleben zu stören und zu depravieren. Um eines imaginären Vorzuges willen wird dem wohlerzogenen Mädchen jene innere Sicherheit geraubt, die aus der Einsicht in das Wesen des Natürlichen hervorgeht, jenes Sicheinsfühlen mit der Natur, das gerade für das weibliche Leben die Kraft einer religiösen Überzeugung verleihen müßte. Sie lernen die Natur nicht als die große Mutter lieben, deren Fürsorge sie auch in den schwersten Stunden schützend umschlossen hält, sie fürchten sie als ein finsteres Ungeheuer, das in fabelhafte Schrecken gehüllt auf ihrem Wege lauert.

Noch weniger aber kann ein Leben, dessen Hauptaufgabe in der Pflege der Schönheit besteht, eine der Mutterschaft günstige Gemütsstimmung erzeugen. Die Mutterschaft ist ja der vehementeste Angriff auf die Schönheit; sie bringt nicht bloß eine vorübergehende Entstellung, sondern häufig manche dauernde mit sich. Schon der Vergänglichkeit ihrer Schönheit wegen dürften die Frauen die Rolle des schönen Geschlechtes nicht annehmen; denn so verurteilen sie sich dazu, nur für einen kleinen Abschnitt ihres Lebens das volle Ausmaß ihres Wertes zu besitzen.

Nein, weder Schönheit noch Schwäche könnten den ersten Rang in der Bewertung der Weiblichkeit einnehmen, wenn es die Mutterschaft wäre, die den weiblichen Erziehungskanon bestimmte. Werfen wir einen Blick hinter die Sofitten der Wohlerzogenheit, so sehen wir als die Macht, welche die lieben Marionetten gängelt, den Willen des Mannes, im Weibe seine subjektiven Bedürfnisse verwirklicht zu finden. Es ist die »starke Faust«, die hier regiert. Und wenn die Frauen sich die Rechte der freien Persönlichkeit erobern wollen, oder auch, wenn sie bloß tauglicher für ihren sogenannten natürlichen Beruf erzogen werden sollen, als es die moderne Wohlerzogenheit ermöglicht, müssen sie den Kanon der schönen Weiblichkeit als das erkennen lernen, was er in Wahrheit ist – kein ethisches Ideal, sondern ein sexuelles, von nicht so vornehmer Abkunft, als es scheinen möchte.


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