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21. Fortsetzung

Der Hof war nicht sehr groß. Das Haus stieß mit der schmalen Seite an denselben. Neben der Mauer des Hauses blieb noch Platz für eine starke Bohlentür, welche, wie ich später bemerkte, in einen großen, von einem Kaktuszaune eingeschlossenen Platz führte, auf welchem sich eine Rinderherde befand. Dort waren die bösartigsten Tiere eingeschlossen, welche man nicht auf dem offenen Camp weiden lassen konnte, wenn man Unglück verhüten wollte.

»Also ein Deutscher sind Sie?« fragte die Frau in meiner Muttersprache. »Wie freue ich mich, daß wir Sie retten konnten!«

»Ich danke Ihnen für den großen Dienst, welchen Sie mir geleistet haben! Freilich darf ich meine Rettung leider nur eine einstweilige nennen, und Sie werden sich durch die Wohltat, welche Sie mir erweisen, wahrscheinlich selbst in Gefahr begeben.«

»O nein. Bruder Hilario ist da; da gibt es keine Gefahr. Das wissen Sie wohl!«

»Ich weiß es nicht, ich kenne ihn nicht. Ich bin erst seit vier Tagen im Lande und – –«

Wir wurden durch ein lautes Pferdegetrappel, Stimmengewirr, Fluchen, Schreien und Türschlagen unterbrochen.

»Macht auf, macht auf!« rief es von draußen. »Sonst rennen wir das Tor ein!« Da kam der Frater auf mich zu und fragte mich:

»Sennor, ich bitte Sie, mir aufrichtig zu sagen, ob Sie wegen einer Schuld oder wegen eines Vergehens verfolgt werden. Ist es so, dann werde ich zu vermitteln suchen; sind Sie aber schuldlos, dann werden wir Sie verteidigen. Sie stehen dann unter dem Schutze Gottes und der heiligen Jungfrau und haben von uns jeden Beistand zu erwarten.«

»Ich gebe Ihnen mein heiliges Wort, daß ich schuldlos bin.«

»Das genügt, Sennor.«

»Ich werde Ihnen erzählen, weshalb man sich meiner bemächtigen will.«

»Später, später! Erst wollen wir mit diesen ungestümen Leuten reden.«

Der Frater war ein Mann von hohem, knochigem Körperbaue. Er trug einen breitrandigen, schwarzen Filzhut, einen Rock mit langen, bis auf die Knöchel reichenden Schößen aus schwarzem Stoffe, einreihig geknöpft und mit einem Stehkragen, über welchem die weiße Perlenreihe der Halsbinde zu sehen war. An den Füßen hatte er hohe Stiefel mit den landesüblichen großräderigen Sporen. Fast hätte ich mich gewundert, daß in dem ledernen Gürtel, welcher seine schlanke Taille umschloß, neben dem Messer auch die Griffe zweier Revolver großen Kalibers zu sehen waren Sein Gesicht war trotz seines knochigen Körperbaues fast zart geschnitten und von ungewöhnlich sanftem Ausdrucke, wozu seine großen, blauen Augen prächtig paßten. Wie stimmte die kriegerische Ausrüstung mit diesem kinderfreundlichen Gesichtsausdrucke?

Im Tore befand sich ein etwa zwei Hand großes, viereckiges Guckloch, welches mit einem Deckel verschlossen war. Der Frater öffnete es, blickte hinaus und fragte:

»Was wollt ihr, Sennores?«

»Hinein wollen wir?« antwortete jemand gebieterisch. Ich erkannte die Stimme des Anführers.

»Wer seid Ihr?«

»Wir sind von der Guardia national, und ich bin der Major Cadera.«

»So! Warum verlangen Sie so stürmisch Zutritt zu uns?«

»Weil wir den Flüchtling, welchen Sie aufgenommen haben, ausgeliefert verlangen. Er ist zum Tode verurteilt worden, aber kurz vor der Exekution entflohen.«

»Weshalb wurde er verurteilt?«

»Wegen Mordes, Aufruhrs und Landesverrates.«

»Von wem wurde er verurteilt?«

»Vom Kriegsgericht.«

»Welcher Garnison?«

»Donnerwetter! Fragen Sie nicht, als ob wir Schulknaben seien! Das bin ich nicht gewöhnt.«

»Und ich bin gewöhnt, jeder Sache auf den Grund zu gehen. Wenn wir Euch einen Flüchtling ausantworten sollen, muß ich vorher wissen, ob Ihr ein Recht habt, seine Auslieferung zu verlangen.«

»Ja, denn wir selbst sind es, die ihn verurteilt haben.«

Der Frater schwieg eine Weile; er schien die Männer genau zu betrachten. Dann sagte er:

»Ihr selbst habt ein Kriegsgericht konstituiert? Hm! Darüber sprechen wir noch. Erst will ich den Fremden fragen, um zu hören, wie er über diese Angelegenheit spricht.«

»Verwünscht! Sollen wir hier warten, bis er Euch ein Dutzend Lügen aufgebunden hat? Dazu haben wir weder Lust noch Zeit. Wenn das Tor nicht augenblicklich geöffnet wird, so rennen wir es ein!«

»Dagegen werden wir uns wehren!«

»Versucht es doch einmal! Wir sind fünfzig Kavalleristen, und wir werden uns gar nicht lange bedenken, nicht nur Feuer an das Tor zu legen, sondern Euern ganzen Rancho zu verbrennen.«

»Mäßigt Euch, Sennor! Hier gibt es nicht Leute, welche sich einschüchtern lassen. Ich ganz allein fürchte mich nicht vor euch.«

»Ah! So? Wer sind Sie denn, Sie gar so tapferer Held?«

»Ich bin Bruder Hilario.«

»Ein Bruder also! Das ist etwas Rechtes! Vor einem Frater reißt kein Huhn aus, wir noch viel weniger. Wenn sie den Flüchtigen nicht sofort ausliefern, so stürmen wir den Platz!«

»Hört erst, ich bin der Kommandant desselben.«

»Ein Frater Kommandant einer Festung! Das ist lustig! Das ist zum Totlachen! Womit wollt Ihr sie denn verteidigen?«

»Zunächst mit meiner einfachen Warnung. Wehe dem, welcher Hand an dieses Haus oder einen seiner Bewohner legen wollte! Es befindet sich ein Sterbender darin.«

»Danach fragen wir den Teufel, aber Sie nicht, Sie – Sie – Sie Frater Hilario!«

»Nun, so will ich Ihnen sagen, Sennor, daß ich außer diesen Namen noch einen andern habe. Man nennt mich hier und da auch wohl den Bruder Jaguar.«

»Der – Bruder – Ja – – guar!« rief der Major aus, indem er die Worte und Silben wie erschrocken aus einander zog. Sein Gesicht konnte man nicht sehen. Draußen trat tiefe Stille ein. Der Frater aber wendete sich zu mir und sagte:

»Sie sind hier sicher, Sennor. Diese Leute fürchten sich vor mir!«


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