Karl May
Der beiden Quitzows letzte Fahrten
Karl May

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»Dat thue ich ebenso off dieselbige Weise auch glauben; aber ich wollte doch eenmal den Boldewin sehen, der mir halten können thäte, wenn ich mich vorgenommen habe, mir nich halten zu lassen! Wat die Garlosenigen daderzu sagen, wenn ich mir von hier wegmachen will, dat is mich sehr gleichgültig; ich thue eben fortgehen, und wer mir nich fort lassen will, der mag mir zurückholen, wenn er es können thut. Aber wenn Ihr uns nich haben wollt, so thun wir Euch nich zwingen können, und so mögt Ihr denn in Gottes Namen weiter ziehen; unser Segen thut Euch stets begleiten!«

»Mordelement, Pruder Schwalpe, was nutzt den Junkern unser Segen, wenn wir nicht selper pei ihnen sein können? Du pist mir zehnmal lieper als Dein ganzer Segen, und der meinige wird auch nicht viel mehr zu pedeuten hapen, sintemalen ich von der Frömmigkeit nicht viel verstehe und auch niemals ein Mönch oder eine Nonne gewesen pin. Aper Eins werdet Ihr mir doch erlaupen, Ihr Herren, nämlich, daß wir Euch ein Stücklein das Geleite gepen, wenn Ihr fortgeht!«

»Auch das wird sich nicht gut thun lassen, da von unserm Scheiden Niemand Etwas vorher erfahren soll. Wir wollen in aller Stille von hinnen gehen, damit uns kein Hinderniß in den Weg gelegt werde.«

»Warum dieses denn?« frug Schwalbe. »Dat is doch gar keene Nothwendigkeit nich!«

»Jawohl, Pruder Schwalpe, da gepe ich Dir Recht! Mohrenputz, Gott straf mich, wenn ich fluche, aper ich sehe nicht ein, warum die Söhne des gewaltigen Ritters Dietrich von Quitzow sich wie die Spitzpupen wegschleichen sollen. Nein, grad' recht viel Lärm sollte dapei gemacht werden: »In eurer alten, morschen Käsepurg mögen wir keine Minute länger pleipen!« So sollte man sagen und dapei den Staup von den Füßen schütteln, daß die Wolken davon dem dicken Claus in die Fenster flögen.«

»Wir haben sehr gewichtigen Grund und Ursache, dieses zu unterlassen. Darum sollt Ihr von unserer Absicht auch Niemandem Etwas sagen. Und nun wollen wir unsere letzte Bitte aussprechen. Wir haben unsere Reise als einfache wandernde Gesellen unternommen und keine Waffe bei uns gehabt. Vielleicht ist uns von jetzt an eine solche nöthig; wollt Ihr dafür sorgen, daß uns dieser Wunsch in Erfüllung gehe?«

»Wat dieses betreffen thut, so dürft Ihr keene Sorge haben! Es giebt hier eene alte Kammer, die ganz voll von demselbigen Zeuge stecken thut, und wir werden Euch mit Allem versehen, was Euch von Nöthen werden sollen dürfte!«

»So geht jetzt und seid verschwiegen. Wir werden Stavenow nicht verlassen, ohne vorher Abschied von Euch zu nehmen!«

So war denn jetzt alles Nöthige verabredet, und die Junker nahmen im Laufe des Tages so ungenirt wie möglich an allen Vorkommnissen theil, denen sie sich als Gäste des Vetters nicht zu entziehen vermochten. Je weiter aber der Abend hervorrückte, desto schärfer wurde ihre Wachsamkeit in Beziehung der beiden Wenden, auf die sie selbst Acht geben mußten, weil sie sich vorgenommen hatten, weder Liebenow noch Schwalbe von ihrem Vorhaben, den Klosterbruder zu befreien, Etwas wissen zu lassen.

Die Ritter saßen fest beim Humpen, und die Mannen hielten ihren Trunk, der heut reichlicher ausfiel als an anderen Tagen, in der Knechtestube ab. Dietz und Cuno hatten sich in ihr Gemach zurückgezogen und waren bereit, jeden Augenblick aufzubrechen. Da vernahmen sie Schritte auf dem Corridore. Als dieselben ihre Thür passirthatten, öffneten sie die letztere geräuschlos und bemerkten durch die enge Spalte, daß die Wenden mit ihrem Gefangenen davongingen. Kaum waren dieselben verschwunden, so kamen Schwalbe und Liebenow herbeigeschlichen.

»Thut Ihr schon wissen, wat jetzt geschehen is?« fragte der Erstere. »Sie sind fort mit dem Jäger Günther, der als Bettelmönch auf Stavenow erschienen is. Wer in Dem seiner Haut stecken thäte, der thäte nich mehr lange drinnen stecken.«

»Mohrenplitz, der arme Deiwel dauert mich, aper wer sich in Gefahr pegiept, der kommt immer manchmal drin um. Wann werdet Ihr aufprechen?«

»Jetzt sofort,« antwortete Dietz, indem er das kurze, breite Schwert umschnallte, wie es die Fußknechte gewöhnlich zu tragen pflegten. Der Bruder folgte seinem Beispiele, und bald standen Beide, von den Dienern begleitet, draußen vor der Ringmauer, wo sie anhielten, um von den treuen Männern Abschied zu nehmen. Dieser fiel den Letzteren schwerer als den Junkern selbst, welche so mannhaft wie möglich zu bleiben suchten und bald im Dunkel der Nacht verschwunden waren.

»Du, Caspar, wat sagst Du nun da derzu, daß sie fort sind, und wir thun hier stehen bleiben?« frug Schwalbe, und seiner zitternden Stimme war deutlich die Bewegung anzumerken, die er nicht zu unterdrücken vermochte.

»Dazu?« frug Caspar, indem er that, als ob er sich den gewaltigen Schnurrbart streiche, sich dabei aber in die Augen fuhr, um die Tropfen fortzuwischen, welche sich in dieselben geschlichen hatten. »Gar nichts sage ich dazu, aper desto mehr werde ich thun. Ich hape nicht gedacht, daß ich die jungen Herren gar so liep hätte und daß mir der Apschied so schwer werden könnte. Mordelement, Gott straf mich, wenn ich fluche, aper ich pleipe keinen Augenplick länger auf Stavenow, sondern ich springe ihnen nach, und wenn sie mich nicht mitnehmen, so werde ich vor Wuth ein Räuper und schlage die ganze Menschheit mausetodt!«

»Caspar, da thue ich Dich mit helfen, darauf kannst Du Dir verlassen. Komm schnell, damit sie uns nich davonlaufen thun werden!«

»Halt, Pruder Schwalpe; wir müssen doch unsere Schwerter mitnehmen und auch einen Impiß einpacken, denn die jungen Herren hapen ja gar Nichts mitnehmen wollen, was zu so einer Reise gepraucht wird. Und von dem Palthasar, von dem müssen wir doch auf alle Fälle Apschied nehmen und von seinem Dünnespinnepeinewitsch auch!«

»Gut, dat können wir noch machen. Die Junkers gehen auf Wittenberge zu, haben sie mich gesagt, und da thun wir ihnen wohl nachkommen werden.«

Sie schlichen sich zurück und mußten ihre Geschäfte wohl in großer Eile besorgt haben, denn es war nur kurze Zeit vergangen, bis sie wieder erschienen, Jeder einen mächtigen Pack über die Schulter hängen. Balthasar war bei ihnen.

»So, also! Fortschleichen wollt Ihr Euch, und wohin, das dürft Ihr mir nicht sagen? O, Ihr schlechten Kerle! Habe ich das an Euch verdient?«

»Nein, Pruder Steckelpein; Du pist stets gut mit uns gewesen, und es wird uns gar schwer, Dir Valet zu sagen; aper wir hapen Dir vertraut, daß unsere Junkers fort sind, und da kannst Du Dir doch denken, daß unsers Pleipens hier auch nicht länger ist. Ich glaupe, daß wir uns jetzt nicht zum letzten Male sehen, und dann, wenn wir uns einmal wiederfinden, dann soll mich der Deiwel holen, wenn ich Dich wieder im Stiche lasse!«

»Ja, Balthasar, dann thun wir für immer zusammen bleiben, dat is sicher. Für jetzt aber wollen wir nich länger zögern werden, sonst finden wir die Junkers nie nich wieder. Lebe wohl, alter Kamerad, und thue den Schwalbe nich ganz vergessen!«

»Lepe wohl, Pruder Steckelpein; hap Dank für Deine Liepe und füttere mir den Heuundhäckselhaferwitsch gut, damit ich Euch Peide gesund und munter wiedertreffe!«

»So, also! Da macht meinetwegen, daß ihr fortkommt! Es wird mir traurig gehen, wenn sie bemerken, daß Ihr ausgewischt seid, denn sie werden sich gleich denken, daß ich davon gewußt habe; aber ich werde schon dafür sorgen, daß Ihr unaufgehalten von dannen kommt. Lebt wohl und scheert Euch zum Kuckuk!«

Er reichte ihnen die Hand und sah ihnen so lange nach, als er ihre Gestalten im Dunkel der Nacht zu erkennen vermochte. Dann wandte er sich zurück.

»So, also!« brummte er bewegt und unwillig; »da laufen sie weg, und ich, ich kann ihnen mit meinen langen Ohren nachhorchen. Wäre der Gregorimanorosewitsch nicht, so ginge ich auf der Stelle mit, denn solche Kameraden finde ich nun und nimmer wieder!« – –

Unterdessen hatten Dietz und Cuno ihre so viel wie möglich leisen Schritte beschleunigt, um die Wenden einzuholen, welche jedenfalls, um den Gefangenen sicher zu machen, zunächst den Weg nach Garlosen eingeschlagen hatten. Sie mußten lange wandern, ehe sie eine Spur von ihnen entdeckten; endlich aber vernahmen sie einen Laut, der von niemand Anderem als den Gesuchten herrühren konnte, doch war er so entsetzlich, daß sie erschrocken stehen blieben, um zu lauschen, ob er sich wiederhole. Sie hatten sich nicht geirrt, denn nach wenigen Augenblicken erscholl ein zweiter Schrei aus kurzer Entfernung vor ihnen, in welchem sich die ganze Angst eines Menschen aussprach, der mit einem gewaltsamen und fürchterlichen Tode ringt.

Die Schwerter ziehend, stürmten sie vorwärts und hatten nach wenigen Augenblicken die Stelle erreicht, wo die That vielleicht schon geschehen war, die sie vorhergeahnt hatten. Die beiden Wenden standen mitten auf der Straße; sie waren von den Brüdern so schnell und unvermuthet überrascht worden, daß ihnen gar keine Zeit geblieben war, sich hinter die Bäume zurückzuziehen.

»Was habt Ihr hier vorgehabt?« herrschte Dietz ihnen zu, indem er sich zu dem dunklen Körper niederbückte, welcher grad' vor seinen Füßen lag.

Es war der verkleidete Mönch. Die Hülfe kam schon zu spät, denn der Kopf war ihm vom Rumpfe abgeschnitten und lag hart neben dem entseelten Körper. Auch Cuno erkannte dies auf den ersten Blick; das war für sein jugendliches, weiches Herz zu viel.

»Ermordet habt Ihr ihn!« rief er mit vor Zorn bebender Stimme. »Das sollt Ihr mit dem Tode bezahlen.«

Er stürzte sich ungestüm auf Gieljuschken, welcher ihm am nächsten stand; aber der Räubersohn hatte wohl gelernt, mit den Waffen umzugehen. Er empfing den Jüngling mit der Klinge, und es entspann sich ein Kampf, der fast mit gleichen Kräften geführt wurde. Auch Dietz nahman demselben Theil, indem er sich mit mächtigen Hieben über Wratislaw herwarf. Dieser war ein ungewöhnlich kräftiger und mit Gefahren und Abenteuern gar wohlvertrauter Mann, der unter dem »schwarzen Dietrich« manch einen harten Strauß mit ausgefochten hatte. Jetzt stand er dem jugendlichen Sohne seines früheren Anführers gegenüber; er wußte dies gar wohl, denn er hatte es heut von den Gästen gehört und die beiden Jünglinge trotz der Dunkelheit jetzt wieder erkannt. Am liebsten hätte er den Sohn, der es wagte, seine dem Vater geleisteten Dienste mit dem Schwert zu bezahlen, sofort niedergeschlagen, aber Dietz machte seiner Abstammung so viel Ehre, daß es dem Wenden nicht nur nicht gelang, ihm beizukommen, sondern dieser sogar sehr auf seiner Hut sein mußte, nicht überwunden zu werden.

»Steckt Euer Schwert in die Scheide, Junker!« keuchte der hartbedrängte Mörder. »Wie darf der Sohn des »schwarzen Dietz« mich feindlich überfallen, statt mir für meine Treue Dank zu erweisen!«

Er hatte gehofft, mit diesen Worten einen erfolgreicheren Streich zu führen, als es ihm mit dem Degen gelingen wollte; aber es fand grad das Gegentheil statt.

»Willst Du ihn an seinem eigenen Sohn verrathen,« klang Dietzens Antwort, »so sollst Du nimmer wieder reden dürfen!« Seine Hiebe fielen dichter und kräftiger; es war, als sei der Geist des kühnen Vaters in ihn gefahren, und der Wende sah sich auf der Straße hin- und hergetrieben.

»So vernimm noch Eins, Knabe,« rief er wüthend. »Dein Vater ist ein elender Bastard, der seinen edlen Namen gestohlen hat. Du kämpfest also mit Deinesgleichen!«

»Stirb an Deinem letzten Worte!« donnerte es ihm entgegen, und in demselben Augenblicke fuhr ihm die wohlgeführte Klinge in die Brust. Mit den Händen wild um sich greifend, stürzte er zu Boden.

Da erschollen hinter den Kämpfenden herbeistürmende Schritte, und aus weiterer Entfernung rief eine athemlose Stimme:

»Lauf, lauf, Caspar, dat wir nich zu spät kommen!«

Es war Schwalbe, welcher es nicht vermochte, mit dem gewaltigen Wachtmeister gleichen Schritt zu halten. Sie hatten beide das Getöse des Kampfes von Weitem vernommen und sich sofort in eiligen Lauf versetzt, da sie wohl ahnten, wem sie Hülfe zu bringen hätten. Mit mächtigen Sätzen kam Liebenow herbeigesprungen; er sah Cuno in Bedrängniß und faßte ohne Zögern den Gegner desselben mit beiden Händen, hob ihn hoch empor und schleuderte ihn mit solcher Gewalt zur Erde, daß er regungslos auf derselben liegen blieb; dann setzte er ihm den Fuß auf den Leib, zog das Schwert aus der Scheide und stieß es ihm so kraftvoll in die Brust, daß es, durch den Körper hindurchgehend, noch in den Boden fuhr.

»Mordelement, Gott straf mich, wenn ich fluche, aper der ist abgethan!« meinte er, indem er die Klinge wieder an sich zog. »Giept es noch so einen Deiwelspraten hier, den ich in Stücke hacken soll?«

Jetzt war auch Schwalbe da. Im Eifer, seinen jungen Herren beizustehen, stürzte er sich auf Dietz, welcher, dieses Angriffes gar nicht gewärtig, sich gegen die ersten Streiche des eifrigen Dieners kaum zu decken vermochte.

»Schwalbe, ich bin es ja!« rief er, halb lachend, halb ärgerlich.

»Schwalpe, Pruder Schwalpe, willst Du gleich den Junker gehen lassen? Ich glaupe, Dir ist pei dem Laufen der Verstand aus dem Kopfe gefallen!«

»Der Junker? Wahrhaftig, dat is Herr Dietz! Aber wo thun denn die Lausewenzel sein, die ich mit meinem Säbel todtschlagen werden will?«

»Daliegen sie alle Beide!« antwortete Cuno, indem er auf die Gefallenen zeigte.

»Eens, zwee, drei – dat sind ja drei! Ich thate mich doch denken, daß es die beeden Wenden sein wären thäten, die wir finden mögen würden!«

»Sie sind es auch. Der Dritte ist der Klosterbruder, den sie ermordet haben, noch ehe wir ihm beistehen konnten.«

»Mohrenplitz, das sind ja die richtigen Menschenumpringer! Um den armen Deiwel kann es mir herzlich leid thun. Wenn wir doch etwas eher gekommen wären! Wo hast Du denn Deinen Pack, Pruder Schwalpe?«

»Meinen Pack? Dat weeß ich nich, wo der liegen werden mag; ich that ihn vom Buckel werfen, als ich zu laufen beginnen vornehmen mußte. Wo hast Du denn den Deinigen?«

»Der ist auch liegen gepliepen, wo er noch nicht gelegen hat. Wir werden sie schon wiederfinden, wenn wir zurückgehen wollen.«

»Aber sagt, wie kommt Ihr denn hierher?« frug Dietz. »Wir denken, Ihr seid auf Stavenow!«

»Auf Stapenow? Mordelement, Gott straf mich, wenn ich fluche, aper, mein lieper Junker, wie könnt Ihr nur denken, daß wir auf Stapenow sind, wenn Ihr Euch in Gefahr pefindet!«

»Dat is auch die meinige Ansicht! Thut nur immer sagen, wat Ihr wollt; thut uns meinetwegen wieder fortprügeln von Euch, aber wir werden mit Euch gehen und uns niemals nich wieder fortweisen lassen!«

»Ja, das werden wir thun und zu Stande pringen! Wenn Ihr nichts für uns hapt, so hungern wir mit Euch. Und wenn Ihr das nicht leiden wollt, so werde ich erst den Schwalpe umpringen und nachher mich auch todtschlagen. Ich pin der Wachtmeister Caspar Liepenow, und wenn Ihr den in die Wuth pringt, so haut und sticht er um sich, pis es keine lependige Seele mehr giept zehn Meilen rund um Stapenow herum!«

13.
Der Sühne Anfang

Es war mehrere Tage nach den letztgeschilderten Ereignissen, als vier Männer eine der Zachower Herbergen verließen und von dem Wirthe bis an die Thür des Hauses begleitet wurden.

»Aber ich sage Euch noch einmal,« sagte der Letztere mit eindringlichem Tone, »daß kein Mensch, der in der Umgegend bekannt ist, zu dieser Stunde nach Tremmen gehen mag. Die Nacht ist da; Ihr kennt die Wege nicht, und der »Feuerreiter« geht um. Ihr wäret nicht die

Ersten, welche meine Warnung unbeachtet lassen und dann spurlos verschwinden. Bleibt hier und wandert morgen am Tage weiter, wenn Euch Euer Leben und das Heil Eurer Seelen lieb ist!«

»Wir danken Euch für Eure Fürsorge,« lautete die Antwort des Einen von den Vieren, und wir erkennen trotz der Dunkelheit sofort den jungen Dietz von Quitzow an der Stimme. »Aber wir haben Grund, zu eilen, und so müssen wir uns schon hinauswagen in den Wald, in welchem Eure Gespenster ihr Wesen treiben. Gehabt Euch wohl!«

»Nun denn, so geleite Euch Gott und die gebenedeiete Jungfrau Maria! Ihr wollt es nicht anders, und ich wasche meine Hände in Unschuld, denn ich habe meine Pflicht gethan, und Euch gewarnt.«

»Thut es denn wirklich so nothwendig sein, daß wir nach Spandau kommen, Junker Dietz?« frug Schwalbe – denn wir haben nun wohl alle Vier erkannt. »Dat Wandern bei Nacht is keene besonderbare Vergnüglichkeit für Leute, welche so gelaufen sein thun, wie wir. Erst nach Tangermünde – da war er nich; nachher nach Rathenow – da war er auch nich; dann nach Brandenburg – da is er auch nich gewesen, und nun nach Spandau – da thut er am Ende auch nich gewesen sein!«

»Laßt es gut sein, Schwalbe! Wir wollen zu dem Markgrafen und können nichts dafür, daß wir seinen Aufenthalt immer erst dann erfahren, wenn er ihn bereits verlassen hat. Wenn Euch die Anstrengung zu groß ist, so seid Ihr selbst schuld daran. Wäret Ihr auf Stavenow geblieben, so könntet Ihr der Ruhe pflegen.«

»Dat thut Euch een böser Geist zu sagen eingegeben haben, denn wir sind ja froh, daß wir bei Euch bleiben dürfen, und wenn es für Euch gut is, so wollen wir in den Marken herumlaufen, bis wir Löcher hindurch gestampft haben werden. Aber daß Ihr nun grad zu dem Markgrafen gehen wollen müßt, der Euch in das Unglück gestürzt haben thut, dat is mich een Wunder, welches mir um Euch bange machen thut!

Höre, Pruder Schwalpe,« ließ sich da die tiefe Baßstimme des Wachtmeisters vernehmen, »was unsere jungen Herren peschließen, das darf Dich kein Wunder nehmen; Du pist der Schwalpe, und sie sind die Junkers, und so hapen sie zu pefehlen und Du mußt gehorchen! Wenn sie zu dem Markgrafen wollen, so werden sie wohl ihre guten Gründe dazu hapen; er wird sie nicht verschlingen, denn ich kann mich nicht pesinnen, daß sie ihm jemals etwas Pöses zugefügt hapen. Und wenn es ja eine Gefahr dapei gepen sollte, Mordelement, Gott straf mich, wenn ich fluche, aper da sind wir Peide doch auch noch da und werden sie peschützen so lange, pis die Schwarte platzt!«

»Dat darfst Du mich gar nicht erst zu sagen brauchen werden. Ich thue auch meinen Verstand haben und kann mich ganz gut denken, wat wir bei dem Burggrafen wollen mögen; aber mich ist der Feuerreiter unangenehm, welcher in dieser Gegend spuken thut, und darum denke ich, daß es besser gewesen wären thäte, wenn wir uns in Zachow schlafen gelegt hätten.

»Mohrenplitz, aper, Pruder Schwalpe, ich glaupe gar, Du glaupst an Gespenster!«

»Gespenster? Ja, Gespenster thut es geben, denn du bist selber eens mit Deinen beleidigungsartigen Reden. Wenn Du etwa denkst, daß ich den Feuerreiter für eenen Geist halten thue, so bist Du gar nich werth, daß Du mir kennen gelernt haben darfst; denn es thut sich ja ganz von selber verstehen, daß hier eene Täuschung vorliegen mag, die ich mich noch nich enträthseln kann. Und Angst haben thue ich nich etwa für mir, sondern für unsere lieben Junkers, die vielleicht heut Abend in ihr Verderben laufen thun.«

»Wo soll denn das Verderpen stecken, wenn wir pei ihnen sind? Wehe dem Deiwelsgezüchte, dem es etwa peikommen sollte, uns auf unserm Wege zu üperfallen, ich pohrte ihm meinen Säpel in den Leip, daß ich selpst mit durch denselpen hindurchfahren müßte!«

Schwalbe antwortete nicht weiter; er sah ein, daß er an dem Vorhaben seiner Herren nichts mehr ändern könne, und so verzichtete er auf alle fernere Gegenrede. Auch die beiden Brüder ließen den hinter ihnen stattfindenden Wortwechsel unbeachtet und schritten lautlos neben einander voran. Zwar hatte die Warnung des Wirthes keineswegs den Eindruck auf sie verfehlt, aber sie sahen in derselben keinen Grund, die Eile zu mindern, mit welcher sie nach Spandau zu kommen trachteten. Dort mußten sie den Markgrafen treffen, welcher gestern dort ein Lehngericht gegen den Ritter Werner von Holzendorf abgehalten hatte, wie ihnen mitgetheilt worden war. Schon seit einigen Tagen waren sie ihm von Ort zu Ort gefolgt, hatten ihn aber nicht erreichen können, und nun waren sie entschlossen, sich diesem Uebel nicht länger auszusetzen, sondern lieber die Nacht zu Rathe zu nehmen, um zur rechten Zeit noch einzutreffen.

Es war überhaupt seit ihrem kurzen Aufenthalte bei dem Vetter Claus von Quitzow eine sichtbare Veränderung mit ihnen vorgegangen. Ganz entgegen der früheren jugendlichen Mittheilsamkeit, waren sie jetzt schweigsam und verschlossen; es kam selten ein längeres Gespräch zwischen ihnen vor, und noch seltener fiel ein Wort zwischen ihnen und den beiden Dienern. Schwalbe schien sich dadurch zurückgesetzt oder gar beleidigt zu fühlen, was aber keineswegs einen Einfluß auf seine Treue und Opferwilligkeit hervorbrachte; der Wachtmeister dagegen empfand keinerlei Art von Kränkung darüber, und oft ruhte sein Auge mit inniger Theilnahme auf den bleichen Gesichtern der Jünglinge, die ihm mehr an das Herz gewachsen waren, als er zu sagen vermochte. Er war ein rauher, ungeleckter Patron, aber es wohnte in den Tiefen seines alten, biedern Herzens ein Feingefühl, welches ihm Manches von dem errathen ließ, was in dem Innern der Brüder vorging.

Diese hatten auf Stavenow Entdeckungen gemacht, von denen sie mächtig erschüttert worden waren, und die Nachhaltigkeit dieser Erschütterung war um so größer, je unklarer sich die ihnen gewordenen Enthüllungen zeigten. Claus war nicht zum deutlichen Sprechen zu bewegen gewesen und hatte seine Mittheilungen nur höchst unvollständig gemacht, und als sie dann erwartet hatten, von dem Klosterbruder das Nähere zu erfahren, war derselbe ermordet worden und hatte sein Geheimniß mit aus dem Leben genommen. Und trotzdem wäre es ihnen vielleicht möglich gewesen, das Dunkel aufzuhellen, wenn sie ihren Zorn beherrscht und die beiden Wenden nicht augenblicklich niedergeschlagen hätten. Diese waren jedenfalls Mitwisser von Vielem gewesen, was Claus von Quitzow nicht blosgeben wollte, und hätten sich durch Zwang oder Ueberredung vielleicht zum Sprechen bewegen lassen. Aber hieran war nun nichts mehr zu ändern, und es blieb ihnen nichts übrig, als die erwünschte Aufklärung von der Zukunft zu erwarten.

Seit sie Stavenow verlassen, hatten sie keinen Mangel gelitten, sondern immer gehabt, was zu des Leibes Nahrung und Nothdurft gehört, denn Schwalbe und Liebenow hatten trotz der kurzen Zeit, die ihnen dazu übrig geblieben war, einen tüchtigen Griff in die Vorräthe des dicken Ritters gethan; aber die damals weggeworfenen und wieder aufgefundenen Päcke waren kleiner und immer kleiner geworden, und heut nun hatte sich ihr Inhalt so unbedeutend gezeigt, daß er in den leeren Taschen Platz finden konnte. Das war natürlich nicht geeignet, die so schon Niedergeschlagenen zur Fröhlichkeit zu stimmen, und sie sehnten um so mehr den Augenblick herbei, von dem sie eine Aenderung ihrer Verhältnisse erwarteten.

Es herrschte tiefes Dunkel um die stillen Wanderer her, denn dickes Gewölk bedeckte den Himmel, und nur zuweilen gelang es dem Monde, einen zweifelhaften Strahl durch die Nacht zu bohren. Sie waren nun schon längere Zeit gegangen und empfanden nachgerade denn doch das Bedürfniß, ein Wörtchen der Ermunterung von einander zu vernehmen, doch wollte Keiner zuerst das Schweigen brechen. Da aber fand sich die Veranlassung zum Sprechen ganz von selbst und unerwartet, denn Dietz und Cuno sahen ihre Schritte plötzlich durch ein Hinderniß gehemmt, welches sich quer über den Weg zog, und die beiden Folgenden, welche etwas seitwärts hinter ihnen gegangen waren, stolperten ebenso und stürzten sogar über einen Gegenstand, welcher ihnen im Wege lag.

»Mordelement, Gott straf mich, wenn ich fluche,« rief Liebenow, indem er sich langsam wieder erhob, »aper da hat sich ein Viehzeug hier hergelegt und mich pald um das Lepen gepracht! Pruder Schwalpe, so stehe doch nur auf! Oder pist Du vielleicht todt? Mein Schädel prummt wie eine Paßgeige, und vor den Augen sehe ich lauter rothe, gelpe, grüne und plane Funken fliegen!«

»Dat hätte ich mich nich gedacht, daß ich mir so unverhofft niedersetzen thäte! Ich habe zwee Purzelbäume geschlagen, wie sie keene Meerkatze besser nich zusammengebracht haben können würde, den eenen nach rechts, den andern dann nach links hinüber. Dat Vieh ist todt. Greif doch eenmal her, Caspar, wat es wohl für een Trampelthier sein mögen thut, wat uns in unsern stillen Gedanken gestört hat!«

»Mohrenplitz, hier ist der Kopf mit Zaum und Zügel; und hier fühle ich auch einen Sattel auf dem Puckel!«

»So sage es doch deutlich, Bruder Liebenow, ob Du den Sattel off Deinem Buckel fühlen thust oder off dem Pferde seinem; denn daß es een Pferd sein thut, dat weeß ich ganz gewiß; ich habe hier hinten endlich eenen Schwanz gefunden.«

»Willst Du etwa auf Deinen Puckel auch etwas hapen, he? Da sollst Du gar nicht lange zu warten prauchen!«

»Ein todtes Pferd ist es?« frug Dietz besorgt. »Da ist hier irgend ein Schurkenstreich verübt worden, denn man hat ein Seil über die Straße gezogen, welches uns beinahe auch zu Falle gebracht hätte. Seid auf Eurer Huth, und denkt an Eure Schwerter!«

»Kommt doch einmal her, mein lieper Junker! Ich glaupe, hier liegt Plut. Freilich ist es gefroren. Und der Gaul hat einen tiefen Stich in die Prust pekommen. Greift her; hier ist das Loch!«

Dietz wollte sich bücken, um die Sache auch zu untersuchen, wurde aber davon durch einen neuen Ruf abgehalten, welchen Schwalbe ausstieß.

»Hier thut een Kerl liegen, der auch schon mausetodt geworden is! Es thut mich scheinen wollen, als ob hier een Kampf stattgefunden haben thäte, an dem das arme Thier und der Reiter haben sterben müssen!«

Die drei Anderen eilten schnell herbei und knieten an der Leiche nieder.

»Diesem Manne hat das Pferd nicht gehört, denn er ist ohne Sporen,« bemerkte Cuno scharfsinnig. »Ein Ueberfall hat stattgefunden, wie der Strick beweist, über welchen der Reiter stürzen sollte. Ich denke aber, daß man dabei gestört worden ist, sonst wären die Leichen nicht liegen geblieben; wenigstens hätte man den Menschen bei Seite geschafft und dem Pferde das Reitzeug abgenommen. Es ist ein ritterliches Geschirr.«

»Du hast Recht!« stimmte Dietz bei, indem er zu dem gefallenen Thiere zurückkehrte und Sattel und Schabracke betastete. »Doch sagt, wo ist der Ritter hingekommen? Ich fühle eine Wappenstickerei hier an der Ecke!«

»Dat möchte ich auch wissen thun, wohin er gekommen is! Er muß noch eben da herum wohl liegen. Vielleicht is er blos verwundet worden und thut noch Leben in seiner Leiche haben.«

»Pruder Schwalpe, Du pist ein Esel! Wie kann eine Leiche nur noch das geringste Pischen Lepen in sich hapen! Komm, wir wollen einmal nach ihm suchen, op er wohl zu finden ist!«

»Höre, Caspar, Du wirst doch mit keenem Esel nich suchen wollen!« antwortete der in seiner Ehre gekränkte Mann; trotzdem aber kam er der ihm gewordenen Aufforderung nach und begann, mit dem furchtlosen Wachtmeister das anliegende Gebüsch zu durchstöbern, während die Brüder ihr Forschen auf die offene Straße richteten. Aber obgleich man mit der größten Aufmerksamkeit und Sorgfalt verfuhr, blieben ihre Bemühungen doch ohne allen Erfolg, so daß Dietz endlich bemerkte:

»Laßt das Suchen sein, denn es versteht sich ja ganz von selbst, daß es nutzlos ist! Wenn man sich Alles genau überlegt, so ist der Vorgang leicht zu errathen: Der Angegriffene ist ein Herr aus adeligem Geschlecht gewesen; die den Ueberfall störten, sind den fliehenden Strauchdieben auf den Versen gefolgt. Und dieses scheint mir nur einen Grund zu haben, nämlich den, daß die Flüchtigen den Edlen, welcher über das Seil gestürzt ist, mit sich fortgerissen haben. Wäre es nicht so dunkel, so könnten wir aus dem Wappen seinen Namen errathen. Und selbst wenn ich mich irren sollte, ist es doch gewiß, daß wir nicht lange hier allein sein werden, wenn wir noch einige Zeit verziehen wollen. Entweder kehren die Verfolger zurück, oder, wenn es gar keine Verfolgung gegeben hat, kommen die Buschklepper wieder, um die Straße zu säubern und den Gefallenen fortzuschaffen. Dieser hat zu ihnen gehört, wie aus Allem zu schließen ist.«

Es vermochte Keiner gegen diese Behauptung Etwas einzuwenden, und Schwalbe erklärte sich nur mit der Vermuthung, noch länger hier zu bleiben, nicht so recht einverstanden.

»Wat thun wir davon haben, daß wir hier warten werden? Erst sollen wir laufen, damit wir den Markgrafen noch in Spandau antreffen thäten, und nun haben wir Zeit, uns an diesem Deiwelsorte todtschlagen lassen zu müssen! Ich für meine Person wollte mir ganz ruhig abthun lassen, aber daß auch Ihr eenen Hieb oder eenen Stich abkriegen sollt, dat is nich nothwendig. Ich denke, es is am besten, wenn wir machen, daß wir fortkommen thäten!«

»Mordelement, Gott straf mich, wenn ich fluche, aper Pruder Schwalpe, da soll man wohl nicht pös werden, wenn so ein unfolgsames Heidenkarnickel, wie Du pist, unseren liegen Junkern immer über das Maul purzelt! Wir pleipen da, wenn Herr Dietz es pefiehlt, und wir gehen fort, wenn er es hapen will; das merke Dir! Und wenn Du noch einmal so eine widerspenstige Pemerkung machst, so tupfe ich Dir mit der Faust auf die Nase, daß sie den Schnupfen pekommt und ihre ganze Weisheit herausniesen soll!«

In dieser grimmigen Weise hatte der brave Wachtmeister noch nie mit seinem Spezial gesprochen, und dieser war so erstaunt über die deutliche Zurechtweisung, daß er gar keine Worte zu einem seiner stets bereiten Seitenhiebe fand.

»Richtig ist es, was Du sagtest,« stimmte Cuno dem Bruder bei; »und ich meine, daß es unsere Pflicht sei, hier zu warten, ob wie Jemandem vielleicht unsere Hülfe erweisen können. Die Leichen sind schon längst erkaltet; es ist also wohl eine geraume Weile seit dem Angriffe vergangen, und wenn überhaupt Jemand zurückkehrt, so wird es also so bald geschehen, daß wir nicht lange zu harren brauchen.«

»Gut, so bleiben wir! Wir sind unserer vier, und es müßte schlimm hergehen, wenn wir in Schaden gebracht werden sollten. Trotzdem aber wollen wir so vorsichtig wie möglich sein und uns hinter die Büsche auf die Lauer legen. Da wird uns Niemand bemerken, und wir können Alles beobachten und uns dann darnach richten.«

Dieser Vorschlag wurde angenommen, und bald waren die vier Männer im Gesträuch verschwunden und tiefe Stille herrschte über dem Orte, an welchem es vorher jedenfalls nicht ruhig zugegangen war. Die Worte Cuno's, daß ihr Harren kein lange währendes sein werde, erfüllten sich in kurzer Zeit, denn noch war kaum eine Viertelstunde vergangen, so knackten in der Ferne die Zweige des Unterholzes, das Geräusch kam immer näher, und endlich ließen sich eilige Schritte vernehmen. Es war nur eine einzelne Person, welche eine Strecke oberhalb des Ortes, an welchem die Versteckten lagen, den Wald verließ und dann schnellen Laufes die Straße verfolgte.

»Der hat nothwendig,« raunte Liebenow den Andern zu. »Gept Acht; er wird gleich über den Deiwelsstrick hinwegkugeln!«

Kaum waren diese Worte gesprochen, so geschah das Vorhergesagte: der Mann stürzte über den Strick.

»Ah, hier haben sie ihn heut befestigt!« meinte er halblaut, doch immerhin so deutlich, daß sie die Worte bei der tiefen, nächtlichen Ruhe leicht vernehmen konnten. »Sie haben noch keine Zeit gefunden, zurückzukehren, um ihn zu entfernen. – – Hier liegt das Pferd des Ritters!« fuhr er nach einer Pause, während welcher er den Platz einer raschen Untersuchung unterworfen hatte, fort. – – »Und wer ist das?« Er bog sich zu dem Todten nieder, den er jetzt bemerkte. »Das ist der Ulrich. Der hat hier endlich seinen wohlverdienten Lohn gefunden!«

»Hört, Ihr Herren,« wisperte Schwalbe; »dat thut mich scheinen, als ob dieser Mann eener von die Räuber sein thäte, die uns todtschlagen werden, oder wir sie!«

»Ja, Pruder Schwalpe, das ist ein Räuper, wie wir gehört hapen. Soll ich mich an ihn machen, Herr Dietz, und ihn pei der Gurgel nehmen?«

Der Gefragte befand sich schon nicht mehr neben dem Wachtmeister, und als dieser verwundert nach ihm suchte, vernahm er einen kurzen, unterdrückten Schrei und dann den halblauten Ruf des Junkers:

»Hierher! Ich habe ihn.«

Die drei Andern eilten zu ihm. Er hatte so geräuschlos gehandelt, daß sein Erheben selbst von ihnen nicht bemerkt worden war. Jetzt kniete er am Boden und hielt den Mann fest unter sich, welchen er, um ihn am Rufen zu verhindern, fest bei der Kehle gepackt hielt. Liebenow griff sofort mit zu.

»Haltet ihn noch ein wenig, mein lieper Junker! Ich hape hier einen festen Riemen für seine Hände, und um die Peine werde ich ihm seinen eigenen Gürtel schnallen. So, mein guter Raupmordspitzpupe, jetzt pist Du unser und wir brauchen Dich nicht mehr festzuhalten!«

»Wer seid Ihr und was wollt Ihr von mir?« frug jetzt der nach Luft haschende Gefesselte.

»Wer wir sein thun, und wat wir von Dich wollen werden? Das wirst Du gleich hören sollen, Du Deiwelsracker, Du!« antwortete Schwalbe in seiner steten Redefertigkeit.

Bei diesen Worten schnellte der Mann überrascht mit dem halben Oberkörper in die Höhe, fiel aber in Folge seiner Banden gleich wieder zurück.

»Wer ist das?« frug er erregt. »Diese Stimme sollte ich kennen! Wie heißest Du?«

»Wie ich heiße? Dumme Frage! Ich werde doch wohl wissen, wie ich heißen muß! Schwalbe is mein Name.«

»Schwalbe? Heinrich Schwalbe aus Siwersdorf? Und Du leidest es, daß Jobst, Dein Bruder, hier gebunden vor Dir liegt!«

»Jobst, wahrhaftig Du thust es sein!« rief Schwalbe lauter, als es die Situation eigentlich gestattete. »Ich habe Dir seit unserer Kindlichkeit nur een eenziges Mal gesehen, und dat war vor neun Jahren in Pasewalk; aber ich thue Dir an der Stimme wieder erkennen. Komm an mein Herz, alter Junge, und sei mich willkommen in meinen Armen!«

Er zog den so unverhofft Gefundenen zu sich empor und küßte ihn wiederholt und herzhaft auf den Mund.

»Mordelement, Gott straf mich, wenn ich fluche, aper, Pruder Schwalpe, so thue ihm doch erst die Riemen von dem Leip! Du pist ein glücklicher Schweinepelz, daß Du hier in dunkler Mitternacht und mitten auf der Straße einen Pruder findest! Ich hape auch einen, und der heißt Peter; ich glaupe, er ist in Engeland, und ich pin neugierig, op ich ihm auch noch einmal pegegnen werde!«

»Ja, binde ihm die Fesseln ab,« gebot jetzt Dietz, welcher mit Cuno bisher verwundert geschwiegen hatte. »Wenn es wirklich Dein Bruder ist, so können wir ihn ja nimmermehr feindlich behandeln!«

»Dat thut er wirklich sein, Herr Junker! So, da is der Riemen ab und auch der Gürtel. Und nun thue Dir erheben und meine jungen Herren begrüßen. Es sind Herr Dietz und Herr Cuno, die Söhne des Ritters Dietrich von Quitzow, bei dem ich in Dienst gewesen haben werde, wie Du schon damals wissen thatest.«

Jobst erhob sich.

»Das war ein Wiederfinden zur rechten Zeit, sonst hättet Ihr mir wer weiß was Uebles zugefügt, und ich wäre nicht dazu gekommen, den Herren von Uchtenhagen Hülfe zu bringen!«

»Von Uchtenhagen? Es giebt deren mehrere. Welche sind es?«

»Es sind zwei Brüder; sie heißen Hans und Karl.«

»Sind sie es, die hier angegriffen worden sind?«

»Ja. Der Aeltere stürzte über den Strick und wurde, nachdem man sein Pferd erstochen hatte, gebunden fortgeführt. Der Jüngere aber wehrte sich tapfer und hat die Buschklepper in die Flucht geschlagen, wobei Ulrich dort um das Leben gekommen ist. Dann ist er ihnen gefolgt, um Herrn Hans zu retten, und dabei auf mich gestoßen.«

»So bist Du also keiner von den Wegelagerern?«

»Ich bin bei ihnen gewesen,« antwortete er zögernd und fuhr dann in der Erzählung dessen fort, was wir aus einem früheren Kapitel bereits wissen, bis er zu dem Punkte kam, an welchem er die gefangene Frau in der Sakristei gelassen hatte, um den Brüdern seinen Beistand zu bringen. »Ich schlich mich den Leuten bis in die Betlöcher nach, in denen ich die Gesuchten finden mußte, wie ich ganz genau wußte. Herr Hans von Uchtenhagen war auf der Straße ohne Widerstand überwältigt worden, weil ihn der Fall vom Pferde arg betäubt hatte, und darum war es den Leuten auch so leicht geworden, mit ihm ohne Aufenthalt die Ruine zu erreichen. Dort kam er zur Besinnung und begann, einen so kräftigen Widerstand zu leisten, daß er Mehrere schwer verwundete und Einen gar zu Tode brachte. Da wurde er endlich überwältigt, zusammengeschnürt und in eine Zelle geworfen, wo ihn der sichere Tod erwartet.«

»Ich denke, Du hast ihm Rettung bringen wollen?«

»Ja, bei Gott, das habe ich gewollt! Aber hört nur weiter: Die Gefangene, welche hier bei uns für eine Gräfin gehalten wird, hat durch die lange Gefangenschaft so im Kopfe gelitten, daß sie nicht mehr richtig denken kann. Statt ruhig in der Sakristei auf mich zu warten wie ich sie gebeten hatte, ist sie mir nachgekommen und hat dadurch mein Vorhaben verrathen. Die Leute fielen über mich her; aber es gelang mir doch, ihnen zu entwischen, da ich die verborgenen Schliche der Ruinen besser kenne als sie. Nun erwarten sie nichts Gutes von mir und werden alle Maßregeln ergreifen, um sich sicher zu stellen. Die beiden Brüder von Uchtenhagen werden ganz gewiß noch diese Nacht unschädlich gemacht, und meine armen Genossen, welche in dem Brunnen auf meine Rückkehr warten, sind nun auch verloren. D'rum nahm ich mir vor, zu ihrer aller Rettung gleich und ungesäumt das Aeußerste zu ergreifen. Ich wollte im nächsten Orte Beistand suchen und so rasch wie möglich so viel Männer nach der Ruine führen, als zur Bewältigung der Bande erforderlich sind. Und hierin habt Ihr mich gestört.«

»So war der »Feuerreiter« Euer jetziger Anführer?«

»Ja; jetzt jedoch ist er todt, wie ich Euch erzählt habe.«

»Und wie ist die unbekannte Gräfin zu Euch gekommen?«

»Der »schwarze Dietrich« hat sie vor langen Jahren zu uns gebracht. Sie war ein schönes Weib, und ich glaube, daß dies der alleinige Grund ihrer Gefangenschaft gewesen ist, denn er kam, seit sie sich bei uns befand, öfterer als früher und stellte ihr mit heißem Feuer nach. Sogar Gewalt hat er anzuwenden versucht; aber sie hat sich gewehrt wie eine Löwin und ihn so von sich gewiesen, daß er lange Zeit ihr nicht mehr nahe getreten ist.«

Es entstand eine Pause. Das Gehörte war ganz geeignet, die Junker zum nachdenklichen Schweigen zu stimmen. Endlich frug Dietz weiter:

»Du wolltest Hülfe aus einer der umliegenden Ortschaften holen. Denkst Du, daß dieses Vorhaben Dir auch wirklich gelingen werde?«

»Es war das Einzige, was mir zu thun übrig blieb, wenn die Rettung möglich werden sollte. Aber es wird wohl so viel Zeit darüber vergehen, daß wir zu spät kommen, wenn es mir ja gelingen sollte, Jemanden zum Mitgehen bewegen zu können. Und dabei setze ich mich selbst gar großen Gefahren aus; doch soll mich das nicht abhalten, das Begonnene auch zu vollenden.«

»Vielleicht giebt es noch ein anderes, besseres und kürzeres Mittel, Deinen Vorsatz auszuführen. Gedulde Dich noch einige Augenblicke!«

Es war ihm ein Gedanke gekommen, kühn zwar und gefahrvoll auszuführen, aber derselbe sagte seinem jugendlich muthigen Sinne zu, und er trat daher abseits zum Bruder, um demselben leise seinen Vorsatz mitzutheilen. Die Unterredung währte nicht lange; Cuno hatte sofort seine Zustimmung gegeben, und Dietz wandte sich wieder zu dem bußfertigen Räuber:

»Da Du so offen und rückhaltslos mit uns gesprochen hast, so sollst Du auch von mir eine aufrichtige Rede hören! Der »schwarze Dietrich« hat Euch seine Wiederkehr zugesagt, und Ihr wartet auf ihn schon seit langer Zeit; aber da es ihm unmöglich ist, sein Wort zu erfüllen, so sendet er uns an seiner Stelle, und wir hoffen, daß Ihr alle uns Gehorsam leisten werdet!«

Der Eindruck, welchen diese Worte hervorbrachten, war ein gewaltiger.

»Dat is mich die größte Neuigkeit, die ich in meinem ganzen Leben erfahren haben thue!« rief Schwalbe. »Also darum und derowegen that ich auf Stavenow den Lauscher machen müssen? Und darum und derowegen thatet Ihr mit dem Klosterbruder, der een Förster Günther war, eene Zusammenkunft halten wollen?«

»Mordelement, Gott straf mich, wenn ich fluche, aper wo hapt Ihr denn den Deiwelspraten, den »schwarzen Dietrich« eigentlich getroffen? Der Kerl ist ja der richtige und leiphaftige Satan gewesen, und Ihr seid so junge und gute Herren, die noch kein Wasser getrüpt hapen!«

»Der »schwarze Dietrich« hätte Euch gesandt?« frug nun auch Jobst, der sich endlich von seinem Erstaunen erholt hatte. »Das ist mir ein so ungläubig Ding, daß Ihr es mir erst beweisen müßt!«


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