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Siebentes Kapitel. Der Bowie-Pater

Damn! Wenn das so fortgeht, so soll mich der Teufel holen, wenn wir nur die Schwanzhaare eines einzigen Komanchengaules zu sehen bekommen!«

Der Mann, welcher diese Worte sprach, war eine breite herkulische Gestalt, aus welcher, wenn sie von Holz gewesen wäre, man füglich zwei lebensgroße menschliche Figuren hätte schnitzen können. Seine gewaltigen Beine staken in einem Paar langer Wasserstiefel, die er bis an den Leib herangezogen hatte, der von einer hirschledernen Weste bedeckt wurde, über welcher eine aus starker Büffelhaut gefertigte Jacke hing. Auf dem Kopfe trug er eine hohe Mütze, welche von einer ganzen Menge von Klapperschlangenhäuten umwunden war. Sein Gesicht sah ganz so aus wie die Gegend, in der er sich befand: es war so dicht bewaldet, daß man nur die Nase und die beiden Augen zu unterscheiden vermochte. In der Hand trug er eine doppelläufige Kentuckybüchse, und in dem alten Shawle, den er sich um die Hüfte geschlungen hatte, stak neben einer alten Drehpistole ein Jagdmesser, welches mehr einem Hirschfänger als einem Messer glich.

Er wühlte in einem Haufen von Holzasche herum, welcher den Boden bedeckte und den unumstößlichen Beweis führte, daß hier ein ungewöhnlich großes Feuer gebrannt habe.

»Sage einmal, Fred,« fuhr er verdrießlich fort, »wie lange es wohl her ist, daß diese Asche heiß gewesen ist?«

»Das Feuer ist gestern früh verlöscht,« lautete die schnelle entschiedene Antwort.

Der Mann, welcher sie gab, war bedeutend jünger als der vorige. Er mochte höchstens fünfundzwanzig Jahre zählen und war ganz in einen jener indianischen Anzüge gekleidet, welche die Savannenstutzer zu tragen pflegen, und an denen die Verfertigerinnen Jahre lang zu arbeiten haben. Trotz dieses sauberen Anzuges aber hatte er nicht das Aussehen eines Sonntagsjägers. Man erkannte an seinem starken Nacken die Narbe eines tiefen Messerschnittes, und über die eine Wange zog sich die Spur eines Hiebes, welcher jedenfalls von einem Tomahawk herrührte. Seine Waffen bestanden aus einem Henrystutzen, aus dem man, ohne wieder laden zu müssen, fünfundzwanzig Schüsse thun kann, einem Bowiemesser und zwei Revolvern.

»Richtig!« stimmte der Riese bei. »Man sieht, daß Du kein Neuling mehr bist, wie vor zwei Jahren, als ich Dich in die Schule nahm. Aber was hilft uns das jetzt? Die Kameraden sind todt, die Pferde gestohlen und die Nuggets geraubt, die wir uns da drüben in Kalifornien zusammengesucht haben, um auch einmal im Osten den Gentleman spielen zu können. Nun rennen wir hinter diesen verdammten Komanchen her und können sie zu Fuße doch nicht einholen. Aber wehe den Hallunken, wenn ich, Bill Holmers, über sie komme!«

Er erhob die Faust und schüttelte sie drohend nach Süden hin.

»Ich denke, wir werden schon noch zu dem unsrigen kommen,« meinte der, welchen er Fred genannt hatte.

»Denkst Du? Ah?«

»Ja.«

»Nun?«

»Die Spur, welche wir verfolgen, führt nach dem Rio Pecos, der durch die Sierra Rianca führt, und diese ist ja gegenwärtig die Grenze zwischen dem Gebiete der Komanchen und Apachen.«

»Was hat das mit unsern Pferden und Nuggets zu thun?«

»Sehr viel! Die Komanchen, welche uns bestohlen haben, können von jetzt an zu jeder Zeit einer Truppe Apachen begegnen und dürfen also nicht mehr ohne Kundschafter vorwärts gehen. Was folgt daraus, Bill?«

»Hm, daß sie gezwungen sein werden, langsamer zu reiten. Deine Ansicht ist nicht übel! Man sieht es, daß Du bei mir in die Schule gegangen bist, und darum will ich es Dir nicht übel nehmen, daß Du diesen tröstlichen Gedanken eher gehabt hast als ich. Die Apachen fürchtest Du also nicht?«

»Nein. Sie sind jetzt den Bleichgesichtern freundlich gesinnt. Sie sind überhaupt edler und tapferer als die Komanchen, und besonders seit die meisten ihrer Stämme dem großen Rimatta gehorchen, kann sich ein Jäger mir Vertrauen zu ihnen wagen.«

Da raschelte es hinter ihnen. Beide fuhren blitzschnell herum und erhoben ihre Büchsen. Vor ihnen stand ein Indianer, beinahe so gekleidet wie Fred, nur daß sein eigenes Haar die einzige Kopfbedeckung bildete, welche er trug, und in seinem Gürtel ein Tomahawk von sehr kostbarer Arbeit blitzte. Seine großen dunklen Augen blickten sehr zuversichtlich auf die beiden Jäger, und die Rechte leicht zum Gruße erhebend, sprach er mit freundlicher Stimme:

»Die Bleichgesichter mögen ruhig sein; der rothe Mann wird sie nicht tödten.«

»Oho!« antwortete Bill Holmers, »das wollten wir uns auch verbitten!«

Der Indianer lächelte.

»Haben meine weißen Brüder den Schritt des rothen Mannes gehört? Seine Büchse konnte sie tödten, ehe sie ihn bemerkten.«

»Das ist wahr!« gestand Holmers.

»Aber der rothe Mann hat die Worte seiner weißen Brüder vernommen; sie sind Feinde der Komanchen und Freunde der Kinder der Apachen; er wird sich zu ihnen setzen und die Pfeife des Friedens mit ihnen rauchen.«

Er setzte sich ohne Umstände da, wo er stand, auf den Boden nieder, nahm das mit Federn geschmückte Kalumet von der Halsschnur, stopfte es aus dem Beutel, welcher an seinem Gürtel hing, und steckte den Tabak mit Hilfe seines Punks Prairiefeuerzeug in Brand.

Die beiden Jäger nahmen ihm gegenüber Platz.

Er sog den Rauch seiner Pfeife sechsmal ein, stieß ihn nach den vier Himmelsrichtungen, dann empor zur Sonne und endlich nieder zur Erde von sich und gab nachher das Kalumet an Holmers.

»Der große Geist ist mit den Apachen und mit den weißen Männern. Ihre Feinde seien wie die Fliegen, welche vor dem Rauche unserer Feuer fliehen!«

Die Jäger wiederholten die Ceremonie, und Holmers antwortete:

»Mein rother Bruder ist ein Häuptling der Apachen; ich sehe es an seinem Haare. Wird er uns seinen Namen nennen?«

»Meine Brüder haben vorher gesprochen von Rimatta, dem Sohn der Apachen.«

»Rimatta? Führt mein Bruder wirklich diesen Namen?«

»Der Apache lügt niemals!« lautete seine einfache Antwort.

Das war ein Zusammentreffen, wie sie es sich gar nicht glücklicher wünschen konnten. Darum frug Bill:

»Ist mein Bruder allein in dieser Gegend?«

»Rimatta ist allein; er hat nicht zu fürchten tausend seiner Feinde.«

»Wo hat er sein Pferd?«

»Es steht dort unter den Bäumen. Wo haben meine Brüder ihre Thiere?«

»Wir haben keine.«

Er blickte sie ungläubig an.

»Sie haben keine? Der Jäger ohne Pferd ist wie der Arm ohne Hand!«

»Wir hatten sehr gute Thiere; sie sind uns von den Komanchen geraubt worden.«

»Hatten die weißen Männer keine Augen um zu sehen, und keine Ohren um zu hören? Warum haben sie die Hunde der Komanchen nicht getödtet?«

»Wir waren nicht da als die Komanchen kamen.«

»Mein Bruder erzähle!«

»Wir waren zwölf Männer und kamen aus Kalifornien über die Savannen und Berge herüber, um nach Osten zu gehen. Wir lagerten an den Ufern des Rio Mala und hatten noch nichts geschossen. Da erhielten wir Beide den Auftrag Fleisch zu machen. Wir gingen fort, und als wir nach einer Stunde zurückkehrten, lagen unsere Gefährten todt und skalpirt an der Erde, die Pferde waren alle fort und die Nuggets mit ihnen.«

»Hörten meine Brüder das Schießen nicht?«

»Nein; es ging ein großer Wind, der den Schall von uns trieb.«

»Was thaten meine Brüder als sie zurückgekehrt waren?«

»Wir zählten die Spuren der Komanchen; es waren ihrer hundert und noch ein halbes hundert. Wir folgten ihnen, um unsere Todten zu rächen und unser Eigenthum wieder zu nehmen.«

»Und meine Brüder waren zwei und die Komanchen so Viele.«

»Ja.«

»Meine Brüder sind wackere Krieger; die Komanchen aber sind wie die Kojoten, Savannenwölfe die keinen Verstand haben. Sie mußten sehen, daß zwei Bleichgesichter fehlten, und meine Brüder erwarten und tödten. Woher werden die Bleichgesichter neue Pferde nehmen?«

»Wir werden sie den Komanchen nehmen.«

»Sie sollen eher welche haben, denn sonst können sie die Komanchen gar nicht erreichen. Die Bleichgesichter mögen warten, bis Rimatta zurückkehrt.«

Er erhob sich, hing sich das Kalumet wieder um den Hals, ergriff seine Büchse und verschwand zwischen den Bäumen.

Die beiden Jäger blickten einander mit eigentümlichen Augen an.

»Was meinst Du, Fred?« trug Bill.

»Was meinst Du, Bill?« antwortete« Fred.

»Hm, ein netter Kerl!«

»Sehr!«

»Konnte uns wegputzen ohne alle Gefahr!«

»Sehr!«

»Bin dem Kerl gut!«

»Sehr!«

»Gehe zum Teufel mit Deinem »Sehr!« Ich will von Dir wissen, was wir jetzt zu thun haben!«

»Bestimme Du es. Du bist der Aeltere.«

» Well! Ich hätte Lust zu bleiben.«

»Ich auch. Er sieht mir ganz so aus, als ob er Wort halten werde.«

»Er ist beritten und wird uns Pferde fangen.«

»Wird schwer gehen!«

»Ist Alles möglich. Ein verteufelt günstiges Zusammentreffen, das mit diesem Apachen! Das kann zu unserem Glücke sein.«

»Denke es auch. Aber, hm, es möchte mir nachträglich beinahe noch angst werden.«

»Warum?«

»Wir hatten von ihm gesprochen.«

»Ja, ja. Das Sprechen in der Prairie oder im Walde ist eigentlich eine sehr große Dummheit. Man kann sich dadurch ganz gründlich verrathen.«

»Hätten wir nicht so gut von ihm gesprochen, so wette ich Hundert gegen Eins, daß wir von ihm weggeblasen worden wären.«

»Ganz sicher. Wollen wenigstens jetzt das Maul halten und uns einen Platz suchen, an dem wir auf ihn warten können, ohne von Andern bemerkt zu werden.«

Sie verließen den offenen Platz und verschwanden unter den Büschen.

Es mochten etwas über zwei Stunden vergangen sein, da stand, ohne daß das allergeringste Geräusch zu vernehmen gewesen wäre, der Apache wieder an derselben Stelle, wo die Friedenspfeife geraucht worden war.

»Uff!«

Auf diesen halblauten Ruf kamen die Jäger aus ihren Verstecken hervor.

»Meine Brüder mögen Rimatta folgen!«

Er drehte sich um und schritt davon, ohne sich scheinbar darum zu bekümmern, ob die Beiden auch wirklich hinter ihm drein kämen. Er führte sie durch den weiten hochstämmigen Urwald, bis sie eine helle Einbuchtung der Prairie erreichten. Auf derselben lag ein Mustang, an allen Vieren mit jenen unzerreißbaren Riemen gefesselt, welche man zur Anfertigung der Lassos und Reserveleinen verwendet. Der Schweiß perlte von dem Thiere herab, und große dicke Schaumflocken lagen weit umher, so hatte es sich abgearbeitet um loszukommen.

»Können meine Brüder einen wilden Mustang reiten?«

Statt aller Antwort warf Fred die Büchse über den Rücken, stellte sich mit weit gespreizten Beinen über das Pferd und löste mit zwei raschen Messerschnitten die Fesseln, welche es hielten. Im Nu sprang es auf. Der Reiter saß oben, ohne Sattel und Zaum, frank und frei auf dem bloßen Thiere. Es stutzte und wieherte erschrocken, ging bald vorn und bald hinten in die Höhe, bockte zur Seite und flog dann, als es den Reiter nicht los werden konnte, in gewaltigen Sätzen in die Prairie hinaus.

»Mein junger Bruder ist ein guter Reiter!« meinte der Indianer beifällig; dann schritt er weiter.

Ein großes Stück draußen in der Savanne lag ein zweites Pferd, ganz in derselben Weise gefesselt wie das vorige.

»Mein Bruder nehme es und kehre dann zurück!«

Er schritt einem Gebüsche zu, in welchem er jedenfalls sein eigenes Pferd angehobbelt hatte. Bill Holmers dagegen trat zu dem Mustang, that mit demselben ganz wie vorhin Fred, und flog bereits nach einer Minute auf seinem wilden unbändigen Thiere in die Prairie hinaus.

Erst nach Verlauf von einer vollen Stunde ließ sich ganz draußen am Horizonte ein dunkler Punkt und dann ein zweiter erkennen. Sie näherten sich schnell. Es waren die beiden Jäger, welche auf ihren Pferden zurückkehrten. Als sie die kleine Savannenbucht erreichten, trat Rimatta zwischen den Sträuchern hervor und führte sein Pferd am Zügel nach.

»Meine weißen Brüder haben nun Thiere, um ihre Feinde zu erreichen, und können sich die Sättel holen, und Alles, was sie brauchen.«

Der Ort, an welchem sie hielten, war von vielfältigen Hufspuren gezeichnet. Hier hatte der Indianer die wilden Pferde angeschlichen und überfallen. Wie es ihm möglich gewesen war zwei derselben zu fangen, darüber verlor er kein Wort.

»Wohin wird unser rother Bruder gehen?« frug Bill Holmers.

»Er wird folgen den Spuren der Komanchen, um zu sehen, wohin sie gehen.«

»Will Rimatta nicht mit uns gehen?«

»Der Apache ist der Bruder der weißen Männer, er wird an ihrer Seite bleiben, wenn sie ihm ihr Vertrauen schenken wollen.«

»Wir vertrauen Dir!«

»Ugh!«

Auf diese kurze einfache Weise war das Bündniß geschlossen, welches nach dem Gebrauche der Savanne Jeden verpflichtete, gegebenen Falles selbst das Leben für die Sicherheit und das Wohlergehen der Andern zu lassen.

Die beiden Weißen lösten die Lasso's, welche sie um ihre Hüften geschlungen trugen, ab und banden sie den Pferden so um Kopf und Maul, daß eine Art Zügel entstand, mit dessen Hilfe man die Thiere besser regieren konnte, als mit dem bloßen Schenkeldrucke.

»Jetzt wieder zurück an den Lagerplatz?« frug Bill Holmers.

»Warum?« frug der Apache kurz.

»Zu den Spuren der Komanchen.«

»Meine weißen Brüder werden nicht wieder zurückkehren, sondern mir folgen.«

»Weiß Rimatta einen bessern Weg die Räuber zu ereilen?«

»Die Hunde der Komanchen werden folgen dem Thale des Flusses Rio Pecos, weil sie sonst nicht Wasser genug haben für so viele Pferde. Dieser Fluß aber läuft in einem großen Bogen, der beinahe ein Kreis ist, und wenn meine Brüder mir folgen wollen, so sollen sie bei den Komanchen sein viel eher als sie es denken.«

»Wir folgen!« erklärte Holmers.

Hierauf setzten sich die drei Reiter in Bewegung. Die beiden neuen Pferde machten den Ritt anfangs etwas schwierig; nach und nach aber richteten sie sich ein, und als der Abend herein dunkelte und man an ein Nachtlager denken mußte, konnten sie angehobbelt An den Füßen gefesselt. werden ohne alle Besorgniß, daß man sie verlieren würde. Hat das Pferd die Macht des Menschen einmal anerkannt, so bleibt es ihm auch fort ein treuer und gehorsamer Begleiter.

Am andern Morgen wurde der Ritt sehr früh schon fortgesetzt. Im Laufe des Vormittags kamen sie an den Lauf eines kleinen Flüßchens, welches sein Wasser in die Fluthen des Rio Pecos schickte. Sein Ufer bildete einen schmalen Savannenstreifen.

Da, wo die Gebiete von Texas, Arizona und Neumexiko zusammenstoßen, also an den Zuflüssen des Rio grande del Norte, erheben sich die Berge der Sierren de los Organos, Rianca und Guadelupo und bilden ein Gebiet von wilden, wirr durcheinander laufenden Höhenzügen. Diese Züge zeigen sich bald als riesige und nackte Bastionen, bald sind sie von dichtem dunklen Urwalde bestanden und werden hier durch riefe, fast senkrecht abfallende Kanons und dort durch sauft absteigende Thalrinnen getrennt, welche seit ihrer Entstehung von der Außenwelt abgesondert zu sein scheinen.

Und dennoch trägt der Wind Blüthenstaub und Samen über die hohen Zinnen und Grate, daß sich eine Vegetation entwickeln kann; dennoch klimmt der schwarze und der graue Bär an dem Felsen empor, um in die jenseits herrschende Einsamkeit hinabzusteigen; dennoch findet der wilde Bison hier einzelne Pässe, durch welche oder über welche er auf seinen Herbst- und Frühjahrswanderungen in Heerden zu Tausenden von Exemplaren sich zu drängen vermag; dennoch tauchen hier bald weiße, bald kupferfarbige Gestalten auf, so wild wie die Gegend selbst, und wenn sie wieder abgezogen und verschwunden sind, weiß Niemand, was geschehen ist, denn die schroffen Steinriesen sind stamm, der Urwald schweigt, und noch kein Mensch hat die Sprache der Thiere zu verstehen gelernt.

Hier herauf kommt der kühne Jäger, nur allein auf sich und seine Büchse angewiesen; hier herauf steigt der Flüchtling, welcher mit der Civilisation zerfallen ist, hier herauf schleicht sich der Indsman, der aller Welt den Krieg erklärt, weil alle Welt ihn vernichten will. Da taucht bald die Pelzmütze eines kräftigen Trappers, bald der breitrandige Sombrero Deutsch: »Schattenmacher.« eines Mexikaners, bald der Haarschopf eines Wilden zwischen den Zweigen auf. Was wollen sie hier? Was treibt sie herauf in diese abgeschlossenen Höhen? Es gibt nur eine Antwort: die Feindschaft gegen Mensch und Thier, der Kampf um ein Dasein, welches dieses Kampfes nicht immer werth zu nennen ist.

Drunten auf der Ebene stoßen die Jagdgründe der Apachen mit denen der Komanchen zusammen, an diesen Grenzen geschehen Heldenthaten, von denen keine Geschichte etwas meldet. Durch die Zusammenstöße dieser reckenhaften Völkerschaften wird mancher Einzelne oder mancher versprengte Trupp hinauf gedrängt in die Berge und hat dort von Fuß- zu Fußbreit mit dem Tode oder mit Gewalten zu kämpfen, deren Besiegung durch Menschenkraft eine Unmöglichkeit zu sein scheint.

Der Rio Pecos entspringt auf der Sierra Jumanes, hält erst eine südöstliche Richtung ein und wendet sich dann, in die Sierra Rianca tretend, gerade nach Süden. Nahe am Austritte aus derselben, schlägt er nach West einen gewaltigen Bogen, den rechts und links Berge einfassen. Diese weichen zu beiden Seiten seiner Ufer doch so weit zurück, daß hüben und drüben ein bald schmaler, bald breiterer Prairiestreifen Platz findet, der eine üppig grüne Grasvegetation zeigt, welche sich in dem von den Höhen bis zu dem Fuße des Gebirges niedersteigenden Urwald verliert.

So sind auch die meisten seiner Nebenflüsse beschaffen.

Das ist ein höchst gefährliches Terrain. Die Berge sind langgestreckt, so daß es nur selten eine Spalte oder eine Schlucht gibt, welche zur Seite führt, und wer hier einem Feinde begegnet, der vermag nicht auszuweichen, wenn er nicht sein Pferd im Stiche lassen will, ohne welches er vielleicht doch auch verloren sein würde.

Das Flußthal, in welches die Drei einritten, war ganz von der angegebenen Beschaffenheit; zu beiden Seiten des Wassers ein Prairiestreifen, an welchen der dichte dunkle Urwald grenzte.

Rimatta eilte voran. Kaum war er in das Thal eingebogen, so stutzte er.

»Uff!«

Er sprang zur Erde und untersuchte das Gras. Auch sein kluges Thier senkte den Kopf zu Boden, als wolle es die Spuren betrachten, welche sein Herr bemerkt hatte. Natürlich stiegen auch die beiden Weißen sofort ab und betrachteten die breite Fährte, welche längs des Flusses herab kam und in der Richtung nach dem Rio Pecos weiter führte.

»Zwölf Reiter!« meinte Bill Holmers.

»Bleichgesichter!« setzte der Indianer hinzu.

»Kommt uns gelegen! Wohl eine Gesellschaft von Trappern oder Büffeljägern?«

»Mein Bruder irrt!«

»Ah! Wer sollte es sonst sein? Spazieren reitet Niemand in der Rianca.«

»Mein Bruder sehe diese Spur an!«

Holmers bückte sich zur Erde und betrachtete den Fußeindruck eines Pferdes.

»Was ist damit?« frug er.

»Dieses Pferd hatte einst einen kranken Fuß.«

»Das sieht man.«

»Der Huf hat geschworen und sich nach dieser Seite krumm gezogen.«

»Das kann vorkommen.«

»Der Häuptling der Apachen kennt dieses Thier.«

»Ah! Wem gehört es?«

»Dem größten Feinde der rothen Männer. Seine weißen Brüder nennen ihn nicht anders als den Bowie-Pater.«

»Alle Teufel, der Pater hier! Ist es wirklich sein Pferd?«

»Rimatta irrt sich nie,« antwortete der Indianer in stolzem Tone.

»So weiß man allerdings nicht, ob man Freude oder Sorge haben soll. Der Pater ist ein Satan, der sich niemals beurtheilen und berechnen läßt.«

»Was denkt unser rother Bruder?« frug Fred.

»Rimatta fürchtet nicht den Indianermörder.«

»Wir fürchten ihn auch nicht. Ist er ein Feind auch der Krieger der Apachen?«

»Er ist ein Feind aller rothen Männer. Er hat eine Perlenschnur bei sich, die gibt er seinen Gefangenen in die Hand, und wer dann nicht zu Eurer Jungfrau betet, den tödtet er mit seinem Bowiemesser. Die weißen Männer nennen die Schnur ein Paternoster.«

»Muß ein fürchterlicher Kerl sein, dieser Mensch,« brummte Bill, »auf diese Weise Christen machen zu wollen! Und also Elf hat er bei sich? Wenn wir ihnen nicht willkommen sind, wird es einen Kampf geben. Vorwärts, ihnen nach!«

Eine Strecke weiter unten war der Bowie-Pater mit seinen Leuten über das Flüßchen gesetzt. Der Indianer that mit den beiden Weißen ganz dasselbe.

Da wo das Thal in dasjenige des Rio Pecos mündete, harrte ihrer eine neue Ueberraschung. Längs des Pecos führte eine Fährte, welche von dem linken nach dem rechten Ufer des Zuflusses übersprang und sichtlich von einer sehr zahlreichen Reiterschaar herrührte. Die drei Männer stiegen abermals von den Pferden, um die Spuren genau betrachten zu können. Der Indianer war am schnellsten damit fertig.

»Komanchen!« meinte er.

»Das sind die, welche wir suchen. Wann sind sie hier vorübergekommen?« frug Bill Holmers.

»Vor kaum einer halben Stunde,« antwortete Fred.

»Mein junger Bruder hat Recht,« stimmte der Apache bei. »Die Halme, welche sie niedertraten, haben sich noch nicht wieder emporgerichtet.«

»Diese Leute reiten auf der Fährte des Bowie-Paters. Sie werden ihn einholen und überfallen.«

»Sie werden so reiten, daß sie des Nachts bei ihm sind,« sprach der Apache.

»Das ist richtig; denn die rothen Krieger pflegen einen Ueberfall lieber des Nachts als am Tage vorzunehmen, selbst wenn sie eine bedeutende Ueberzahl haben.«

»Der Bowie-Pater,« meinte Fred, »ist ihnen um einige Stunden voraus.«

»Sie werden ihn dennoch ereilen, denn die weißen Männer sind langsam geritten, während die Komanchen ihre Thiere schnell gehen lassen werden. Meine Brüder mögen hierher sehen. Hier haben die Komanchen Berathung gehalten, und von da an sind sie im Galopp geritten.«

Man sah an den Spuren, daß die Wilden einen Kreis gebildet harten, und dann war die Erde von den Hufen der Pferde in einer Weise aufgerissen worden, daß sehr leicht zu schließen war, daß sie den Weißen im vollen Laufe gefolgt seien.

»Was thun wir?« frug Bill Holmers. »Es scheint unmöglich ihnen zuvorzukommen, um die Weißen zu warnen. Was sagt mein rother Bruder dazu?«

Der Indianer blickte finster vor sich nieder.

»Das Bleichgesicht, welches sich Bowie-Pater nennt, ist ein Feind aller rothen Männer, auch der Apachen, denn viele von ihnen sind von seiner Hand gefallen.«

»Aber heut ist der Pater ein Freund, ein Verbündeter der Apachen, denn er wird mit ihren größten Feinden, den Komanchen zu kämpfen haben.«

»Mein Bruder sagt die Wahrheit, und darum möchte Rimatta ihn warnen.«

»Aber wie? Gibt es keinen Weg, zwischen ihn und die Komanchen zu kommen?«

»Hier nicht. Aber weiter unten geht ein Paß rechts in die Berge hinein, und wenn wir ihm folgen und im Galoppe reiten, so ist es möglich, dann wieder links nach dem Flusse einzulenken und den Hunden der Komanchen zuvor zu kommen.«

»Wie weit haben wir von hier bis hinunter zu dem Passe?«

»Eine Zeit, welche die Bleichgesichter, wenn sie schnell reiten, zwei Stunden nennen.«

»Dann vorwärts. Unsere Pferde mögen ausgreifen!«

Die drei Pferde fegten jetzt über den weichen Boden dahin, daß die aufgerissene Erde hinter ihnen emporflog. In der angegebenen Zeit erreichte man wirklich eine Stelle, wo sich die Berge öffneten und eine Schlucht nach rechts hinein führte.

Rimatta hielt an und betrachtete die Spuren.

»Wir sind den Komanchen sehr nahe gekommen.«

»Sie sind vor kaum zehn Minuten an dieser Stelle gewesen,« meinte Fred.

»Meine Brüder mögen mir jetzt in die Schlucht folgen!«

Er wollte ihnen voran in dieselbe einbiegen, hielt aber ganz erstaunt inne.

»Uff!«

Bei diesem Worte der Ueberraschung riß er die Büchse empor und drängte zu gleicher Zeit sein Pferd hinter den Felsen, welcher die Ecke der Schlucht bildete, zurück.

»Was gibt es?« frug Bill, ebenfalls sofort nach seiner Büchse greifend.

»Bleichgesichter!«

»Ah! Wie viele?«

»Zwölf; an ihrer Spitze der Bowie-Pater.«

»Alle Teufel! Wie kommen die hieher in die Schlucht? Aber das werden sie uns ja sagen müssen, wenn wir sie jetzt darnach fragen.«

Er ritt mit Fred vor, und der Apache folgte ihnen, doch mit der Büchse in der Hand.

Die zwölf Weißen hielten in der Schlucht; es war ihnen anzusehen, daß sie durch das Erscheinen des Indianers in Ueberraschung und Besorgniß versetzt worden waren.

»Good day, Ihr Männer!« grüßte Bill. »Hollah, was thut Ihr hier?«

»Good day, Master! Wollt Ihr uns nicht vorher sagen, was Ihr hier thut?«

Der, welcher diese Worte sprach, war ein ungewöhnlich kleiner und schmächtiger Mann, dessen von Sturm und Wetter, gebräuntes Gesicht nicht die mindeste Spur von Bart zeigte, gewiß eine ganz außerordentliche Erscheinung hier in der Wildniß, wo es zum Rasiren weder das Werkzeug noch die Gelegenheit gab.

»Was wir hier thun? Hm, wir suchen Euch!«

»Uns?« frug der Andere erstaunt.

»Ja, wenn Ihr nämlich Der seid, für den ich Euch halte.«

»Nun, für wen haltet Ihr mich?«

»Für Den, welchen man den Bowie-Pater zu nennen pflegt.«

Der Kleine lachte selbstgefällig, und zwar mit einer so hohen Stimme, daß sie mehr einem Weibe als einem Manne anzugehören schien.

»Da seid Ihr ganz auf der richtigen Fährte, Mann. Aber, warum sucht Ihr mich?«

»Um Euch zu warnen.«

»Ah! Vor wem oder was?«

»Vor den Komanchen, die hinter Euch her sind.«

»Hinter uns her? Mann, seht Ihr denn nicht, daß es gerade umgekehrt ist: wir sind hinter ihnen her.«

»Well, ich begreife das schon: Ihr seid einen Kreis geritten, um hinter sie zu kommen. Aber so habt Ihr also gewußt, daß sie Euch folgten?«

»Haltet Ihr den Bowie-Pater für so dumm, daß er nicht sieht, wen er vor sich oder hinter sich hat?«

»Aber einen Fehler habt Ihr dennoch gemacht.«

»Oho! Welchen?«

»Daß Ihr Euch zu zeitig nach hinten gewendet habt. Es ist jetzt Mittag. Sie werden in kurzer Zeit hinter Euern Streich kommen und Euch zwischen zwei Feuer nehmen.«

»Was Ihr doch klug seid! In wie fern denn zwischen zwei Feuer?«

»Sie werden sich theilen. Die eine Hälfte wird Euch durch die Berge folgen, und die andere Hälfte wird am Flusse umkehren um Euch zu erwarten.«

»Habt nicht so ganz Unrecht, Mann! Habe das, was Ihr mir sagt, aber ebenso gewußt und gerade mit Vorbedacht so gehandelt. Seht Ihr denn nicht ein, daß man mit siebzig Rothhäuten eher fertig wird als mit hundertundfünfzig?«

»Ah! Ihr wollt wirklich mit ihnen kämpfen?«

»Was anders?«

»Zwölf gegen siebzig!«

»Ihr scheint zu den schmackhaften Kreaturen zu gehören, die man Hasen nennt.«

»Möglich! Könnte Euch aber das Gegentheil beweisen! Ich habe mich schon sehr oft meiner Haut zu wehren gehabt, aber einen Angriff unternehme ich nur dann, wenn ich Gründe dafür und auch die Ueberzeugung habe, daß ich nicht unterliege.«

»Ist bei mir ebenso, und gerade heut habe ich die Ueberzeugung, daß ich siege.«

»Zwölf gegen zweimal Siebzig?«

»Zwölf Doppelbüchsen geben vierundzwanzig Todte, wenn man die Kerls überrascht; dann die Messer, Pistolen und Revolver, so werden von den rothen Hallunken nicht viele übrig bleiben.«

»Was haben sie Euch gethan, daß Ihr solche Liebe zu ihnen habt?«

»Was hat Euch der Floh gethan, daß Ihr ihn nicht leiden mögt? Ungeziefer! Aber Ihr wolltet uns ja warnen! Ihr habt also von uns gewußt?«

»Eure Fährte war ja deutlich genug!«

»Aber wie erfuhrt Ihr, daß ich es war?«

»Hier dieser rothe Master kennt die Spuren Eures Pferdes.«

»Glaube es! Kennen uns überhaupt ein wenig, er und ich. Ist der einzige Indianer, den man achten möchte! Seid Ihr zufällig hinter den Komanchen?«

»Nein. Wir folgen ihnen, um ein Wörtchen mit ihnen zu reden.«

»Heimlich oder laut?«

»Wie es kommt.«

»Alle Teufel, drei gegen hundertfünfzig! Und vorhin hattet Ihr Angst um mich! Dann seid Ihr ein sehr muthiger Hase. Wie ist Euer Name?«

»Meine Freunde nennen mich Bill Holmers.«

»Bill Holmers, der Kentuckymann?«

»Ja, wenn es Euch recht ist.«

»Das ist eine Ueberraschung! Habe viel von Euch gehört und lange gewünscht, einmal mit Euch zusammen zu treffen. Ihr sollt einen Begleiter haben, den die Indianer »Feuertod« nennen?«

»Dieser ist es.«

Er deutete auf Fred, welcher schon während der ganzen Unterhaltung bemerkt hatte, daß ihn der Kleine mit außerordentlich forschenden Blicken betrachtete.

»Dann willkommen Beide, und auch Du, Rimatta! Heute soll Waffenstillstand sein zwischen mir und Dir.«

Er reichte allen Dreien die Hand entgegen, welche auch von ihnen angenommen wurde.

»Was habt Ihr mit den Komanchen zu reden?« frug er dann weiter.

»Wir gehörten zu einer Truppe von Jägern und Goldsuchern, die von ihnen überfallen und vollständig vernichtet wurde. Wir Beide allein entkamen, weil wir fortgegangen waren, um Fleisch zu machen. Nun wollen wir uns die Nuggets wieder holen, die sie uns abgenommen haben.«

»Dann passen wir zusammen. Wollt Ihr Euch uns anschließen?«

»Gern.«

»Und wer soll der Führer sein?«

»Du, denn Deine Truppe ist größer als die unsrige.«

»Gut. Was aber sagt Rimatta dazu?«

Der Indianer lächelte stolz, als er antwortete:

»Rimatta ist der Häuptling der Apachen; er gehorcht nur sich selbst. Aber er wird thun, was seine weißen Brüder wünschen, wenn es gut und löblich ist.«

»So sind wir also nun fünfzehn Mann, das heißt, Einer gegen Zehn, Ihr werdet Alles wieder bekommen, was Euch die rothen Hallunken abgenommen haben.«

Rimatta schüttelte mit dem Kopfe.

»Mein Bruder rechnet nicht richtig, und meine weißen Freunde werden nicht wieder bekommen, was sie verloren haben.«

»Wie so?« frag der Pater, sichtlich überrascht, daß ihm widersprochen wurde.

»Es sind nicht hundert und noch fünfzig Komanchen; es sind nur so viele Pferde. Es sind die Thiere dabei, welche meinen Brüdern gestohlen wurden und die also keinen Reiter tragen.«

»Das ist richtig; also besser für uns. Weshalb also sollten wir ihnen den Raub nicht abnehmen können?«

»Du hast recht gesagt, daß die Komanchen sich theilen werden, sobald sie Deine List bemerken. Rimatta allerdings würde sich nicht so täuschen lassen. Der eine Theil von ihnen wird Dir durch die Berge folgen, und der andere Theil wird Dich am Flusse erwarten. Das Gold aber und der ganze Raub ist ihnen im Kampfe hinderlich und kann dabei in Gefahr kommen; sie werden also diese Sachen einigen Leuten geben, welche Alles, ohne sich aufzuhalten, nach den Dörfern der Komanchen schaffen werden.«

»Fast scheint es, als ob diese Vermuthung ihre Richtigkeit habe, aber es ist nun nichts mehr zu ändern. Dennoch halte ich noch nichts für verloren. Wenn Eure Sachen auch wirklich in Sicherheit geschafft werden sollten, so wird es uns doch später möglich sein, die Fährte aufzufinden und den Transportirenden zu folgen.«

»Und was beschließest Du für jetzt?«

»Ich bin bis hierher vorgedrungen, um zu sehen, ob die Komanchen bereits vorüber sind. Jetzt kehren wir zurück.«

»Auf Deiner eignen Spur?«

»Fällt mir nicht ein! Wir schlagen uns hier seitwärts in die Felsen. Der Ritt wird anstrengend sein, aber das müssen wir uns gefallen lassen. Ich habe mir bereits eine Stelle ausgewählt, welche gar nicht besser zu einem Angriffe passen kann.«

Er drehte sein Pferd um, die Andern folgten ihm.

Der Weg führte auf scharfem Gestein oder losem Geröll bald auf bald ab; die Pferde konnten ihn kaum überwinden. Sie mochten so beinahe eine Stunde geritten sein, als der Pater halten blieb und mit der Hand vorwärts deutete.

»Hier ist es. Wenn sie in diese Falle gehen, kann Keiner entkommen.«

Sie hielten auf einer hohen steilen Felsenwand, welcher eine zweite gleich hohe gegenüber lag. Zwischen beiden Wänden zog sich eine tiefe Thalschlucht dahin, an deren Ein- und Ausgange die Felsen so nahe zusammentraten, daß kaum zwei Reiter neben einander zu passiren vermochten. Zu Pferde waren die Wände nicht zu ersteigen, und das Thal bildete wirklich eine Falle, welche es wenig Männern möglich machte, eine ganze Truppe zu vernichten.

Der Pater las mit Genugthuung die Anerkennung seines Scharfsinns aus den Bücken Freds und Bills; nur der Apache musterte das Terrain mit sehr gleichgiltiger Miene.

»Ausgezeichnet!« rief Holmers. »Hier kann wirklich Keiner entkommen.«

»So wollen wir unsere Vorbereitungen schleunigst treffen, denn wir können die Ankunft der Rothen nun bald erwarten,« bemerkte der Bowie-Pater.

»Wie vertheilen wir uns?«

»Zunächst werden die Pferde angehobbelt, aber fest und so eng wie möglich. Dann gehen Drei nach links zum Eingange und Drei nach rechts zum Ausgange der Schlucht. Die andern Neun postiren sich in gewissen Zwischenräumen hier in der Mitte, und es müßte mit dem Teufel zugehen, wenn wir sie nicht Alle bekämen.«

»Wann wird geschossen?«

»Sobald sie in der Falle stecken. Ich werde den ersten Schuß thun.«

Er wandte sich jetzt ausschließlich an Bill und Fred:

»Wollt Ihr Euch über den Ausgang dort postiren? Ich gebe Euch noch einen Dritten mit. Es ist der schwierigste Posten.«

»Pah,« antwortete Bill. »Spart Eure Leute. Wir Zwei genügen. Ich gebe Euch mein Wort, daß wir Keinen durchlassen werden.«

»Aber es wird sich Alles hin nach Euch drängen. Ihr könnt unmöglich so schnell laden, wie es nöthig ist.«

»Seht Euch meinen Stutzen an,« meinte Fred. »Kennt Ihr diese Sorte?«

»Ah, ein Henrystutzen! Gut, das genügt! Wohin will sich Rimatta stellen?«

»Rimatta wird gehen weit über den Ausgang der Schlucht hinaus.«

»Ah! Warum? Will der Apache nicht mitkämpfen?«

»Er wird kämpfen. Der Indianertödter ist klug; die Söhne der Komanchen aber sind auch klug und weise.«

»Was will mein rother Bruder damit sagen?«

»Der Indianertödter hat gesehen, daß diese Schlucht eine gute Falle ist. Werden dies die Komanchen nicht auch bemerken?«

»Das wäre verdammt unbequem!«

»Sie werden am Eingange halten bleiben und einige tapfere und muthige Männer vorschicken um zu sehen, ob Gefahr vorhanden ist.«

»So müssen wir diese passiren und also entkommen lassen!«

»Sie sollen nicht entkommen, denn deshalb wird der Häuptling der Apachen weit über die Schlucht hinausreiten, um sie zu empfangen. Er wird sie angreifen, sobald der Indianertödter den ersten Schuß thut.«

Ohne eine Antwort abzuwarten, wandte er sein Pferd und sprengte davon.

Bill und Fred begaben sich an ihren Posten.

»Ein eigenthümlicher Kerl, dieser Bowie-Pater. Hast Du den Rosenkranz gesehen, den er umhangen hat?«

»Ja.«

»Man sagt, daß derselbe aus Indianerknochen gedrechselt worden sei. Er muß einen ganz besonderen Grund haben, die Wilden in dieser Weise zu hassen.«

Sie hobbelten ihre Thiere in der Nähe an und setzten sich dann so zu Boden, daß sie die ganze Schlucht überblicken konnten, ohne von unten gesehen zu werden. Sie mochten vielleicht eine Viertelstunde gewartet haben, als sich plötzlich ein ferner Ton hören ließ.

»Horch!« sagte Bill. »War das nicht ein Wiehern?«

»Es schien so.«

»So kommen sie jedenfalls.«

In demselben Augenblicke zeigte sich die Gestalt eines Indianers am Eingange der Schlucht. Es war ein Häuptling, wie man an den in seinen Schopf angeflochtenen Adlerfedern erkennen konnte. Sein Auge durchmaß in einem einzigen Momente das Terrain, und sofort hielt er sein Thier an.

Die verborgenen Beobachter sahen, daß er einen Wink nach rückwärts gab, worauf zwei alte, jedenfalls erfahrene Krieger an seiner Seite erschienen. Mit ihnen pflog er einen kurzen Rath, dann kehrten sie zurück. Eine Minute verging, während er noch immer allein da hielt, dann erschienen drei junge Männer. Er richtete einige kurze Worte an sie, worauf sie im Galoppe vorwärts ritten, die Schlucht durcheilten und am Ausgange derselben verschwanden. Bald kehrte einer von ihnen zurück und gab ein aufmunterndes Zeichen mit der Hand, worauf nun erst der Häuptling sich wieder in Bewegung setzte, hinter ihm ein Trupp von zweiundsechzig Komanchen, wie Fred halblaut zählte.

Als sie sich inmitten der Schlucht befanden, zog der platt am Boden liegende Bowie-Pater die Büchse an die Wange; ein Schuß erschallte und noch einer – der Häuptling stürzte mit dem ihm Nächstfolgenden vom Pferde. Zu gleicher Zeit krachten die dreizehn Schüsse der Andern, noch dreizehn, und nun gab es da unten unter gellendem Heulen und Schreien ein Chaos von Todten, Verwundeten und noch Lebenden, das ganz entsetzlich war. Die letzteren suchten sich der Verwirrung zu entreißen und ergriffen in zwei verschiedenen Abtheilungen die Flucht. Die kleinere wandte sich nach dem Eingange zurück, wurde aber theils unterwegs theils von den drei dort postirten Jägern niedergeschossen, die größere sprengte dem Ausgange zu. Hier war es, wo Freds Stutzen seine Trefflichkeit bewährte. Ohne laden zu müssen hielt der junge Mann immer auf den vordersten Indianer, jagte Kugel um Kugel hinab, von denen eine jede ihren Mann vom Pferde warf, und eben stürzte der letzte zu Boden, als unten der Apache erschien, drei rauchende Skalpe am Gürtel und den blutigen Tomahawk in der Faust. Vor sich herein jagte er die drei Pferde der von ihm getödteten Vedetten. Er kam in die Schlucht galoppirt, um die Feinde mit der Hand zu erlegen, fand aber keinen Lebenden mehr vor.

Er blieb am Ausgange halten und winkte. Man verstand ihn hinten am Eingange und die drei dort, oben postirten Jäger stiegen eiligst hinab, um denselben zu besetzen, damit keines der Pferde entkommen könne.

Das Alles war so schnell geschehen, daß seit dem Erscheinen der Komanchen bis jetzt höchstens drei Minuten vergangen waren und der so fürchterlich überraschte Feind nicht die mindeste Zeit gehabt hatte, an eine Gegenwehr zu denken.

Auch die Andern stiegen jetzt hinab, und nun war es grausig zu sehen, wie der Bowie-Pater Jedem, in dem er noch Leben verspürte, sein Messer in das Herz stieß, um ihn vollends zu tödten. Es war über den kleinen Mann eine Art wildes Fieber gekommen. Seine Augen funkelten wie diejenigen eines Panthers, seine Zähne knirschten, und bei jedem Stoße murmelte er eine Zahl, aus welcher, seine Gefährten ersahen, daß er sich genau merkte, wie viele Indianer er in die ewigen Jagdgründe geschickt habe.

»Zweihundertundzwölf!« war die letzte Zahl, welche man hörte; dann gab er den Befehl, die Beute zusammen zu bringen. Sie bestand nur aus Pferden und Waffen, von denen sich Jeder aussuchen konnte, was er brauchte. Bill und Fred nahmen sich jeder ein prächtiges Pferd; die übrigen Waffen wurden fortgeworfen, die Pferde aber laufen gelassen.

»Das war ein Sieg, ohne daß uns nur die Haut geritzt worden wäre!« meinte der Pater. »Nun gilt es den Andern.«

»Wie greifen wir sie an?« frug Bill.

»Das muß sich aus den Umständen ergeben. Zunächst kehren wir an den Rio Pecos zurück bis dahin, wo ich Euch getroffen habe. Vorwärts!«

Jetzt ritten sie auf einem besseren Wege als vorhin herwärts, und daher erreichten sie den angegebenen Ort in kürzerer Zeit, als sie zu dem Herwege gebraucht hatten.

Nun wurde ein Rath gehalten, der aber zu keinem Ziele führen wollte, da ein Jeder seine eigene Meinung hatte. Nur der Apache verhielt sich schweigsam.

»Was sagt Rimatta?« frug ihn endlich der Bowie-Pater.

»Wenn meine weißen Brüder offen am Pecos hinreiten, um die Komanchen zu suchen, die sich dort versteckt haben, so werden sie vernichtet. Sie mögen langsam folgen, der Häuptling der Apachen wird ihnen sein Pferd übergeben und ihnen vorangehen um zu sehen, wo die Hunde der Komanchen stecken.«

Er stieg ab, warf die Zügel seines Pferdes einem der Jäger zu und verschwand zwischen den Bäumen, welche das Thal des Pecos einsäumten.

»Eine schwere und gefährliche Aufgabe, die er sich stellt!« meinte Fred.

»Er ist aber der Mann dazu sie zu lösen,« antwortete der Pater. »Er ist der tapferste und klügste Indianer, der mir vorgekommen ist; hoffentlich wird es mir gelingen, ihn zum Christen zu machen, sonst muß ich ihn tödten, sobald er mir wieder einmal mit der Waffe gegenübersteht.«

Ohne sich um den Eindruck dieser sonderbaren Rede zu bekümmern, lenkte er sein Pferd aus dem Passe, in welchem sie noch gehalten hatten, hinaus in das offene Thal des Rio Pecos, dessen Laufe sie nun in langsamen Schritten folgten.

Sie mochten wohl drei Viertelstunden geritten sein, als Rimatta plötzlich zwischen den Bäumen hervortrat und ihnen schon von Weitem ein Zeichen gab zu halten.

»Nun?« frug ihn der Pater, als er herangekommen war.

»Der Häuptling der Apachen hat gesehen die Hunde der Komanchen.«

»Wo sind sie?«

»Hinter der Ecke des Waldes dort liegen sie unter den Bäumen und lauem, daß die weißen Männer kommen sollen.«

»Ah, so haben wir sie! Wir lassen unsere Pferde hier zurück, dringen hier in den Wald ein und fallen sie von hinten an. Steigt ab. Rimatta wird uns führen.«

»Rimatta wird die weißen Männer nicht führen,« antwortete der Apache.

»Warum?«

»Weil er die Komanchen führen wird.«

»Ah! Wohin?«

»Vor die Büchsen der weißen Männer, die sich hier im Walde verstecken mögen, bis es Zeit ist, über die Feinde herzufallen.«

Ohne sich weiter zu erklären, nahm er die Zügel seines Pferdes zurück, setzte sich auf und ritt davon.

»Halt, wohin?« frug der Pater.

Der Apache hielt diese Frage keiner Antwort werth; er drehte sich nicht einmal um.

Allerdings schien eine solche Frage sehr gerechtfertigt. Rimatta nämlich wollte die Komanchen herbeibringen und ritt doch stromaufwärts statt abwärts, wo sie sich befanden. Das mußte Jeden befremden, der seinen Plan nicht kannte.

»Was muß er vorhaben?« frug Fred.

»Laßt ihn!« meinte Bill. »Er weiß jedenfalls ganz genau was er will, und wir werden es zur rechten Zeit schon noch erfahren. Macht, daß Ihr unter die Bäume kommt, sonst könnten wir vielleicht gar noch entdeckt werden!«

Sie stiegen ab und führten ihre Pferde in den Waldessaum, wo sie sich so lagerten, daß sie den Apachen gut beobachten konnten.

Dieser ritt eine ziemliche Strecke aufwärts und trieb sein Pferd dann in das Wasser des Flusses, über welchen er trotz dessen Breite glücklich setzte.

»Alle Teufel,« meinte der Pater, »jetzt errathe ich ihn. Das nenne ich klug gehandelt, und nun glaube ich selbst, daß er uns die Rothen vor die Büchsen bringt!«

»Er will thun, als ob er aus dem jenseitigen Gebirge komme?«

»Ja, und sie aus ihrem Verstecke locken. Es ist ganz sicher, daß sie den berühmtesten Häuptling ihrer Todfeinde erkennen, und so werden sie hinter ihm her sein wie die Hunde hinter dem Hasen.«

»Ist aber gefährlich für ihn. Er darf sich ihnen nicht auf Schußweite nähern.«

»Meint Ihr?«

»Ja.«

»Ich denke anders,« sprach Fred. »Einen solchen Mann schießt man nicht todt, sondern man sucht ihn lebendig zu fangen, was sehr leicht erscheint, wenn Siebzig gegen nur Einen sind.«

»Das ist auch meine Ansicht,« stimmte der Pater bei. »Das weiß der Apache auch sehr genau, sonst würde er sich wohl hüten, sich ihnen so nahe an das Messer zu liefern. Seht, jetzt ist er drüben am andern Ufer!«

»Und hält auf den Wald zu.«

»Er wird dort oben verschwinden, zwischen den Bäumen abwärts reiten und dann da unten vor den Augen der Komanchen erscheinen und wieder übersetzen. Sie werden bei seinem Anblicke jubeln, sich versteckt halten, bis er das Ufer erreicht, und dann auf ihn hereinbrechen.«

Diese Vermutung zeigte sich als ganz richtig. Rimatta war im Walde verschwunden, und lange blickten die Jäger in reger Erwartung nach der untersten Stelle, die ihr Auge zu erreichen vermochte, bis er endlich wieder erschien.

Er kam im langsamen Schritte zwischen den Bäumen hervorgeritten und hielt dort sein Pferd an wie Einer, der sich vergewissern will, ob keine Gefahr vorhanden sei. Dann stieg er ab, nahm aus der Satteltasche ein Stück Dürrfleisch hervor, setzte sich und verzehrte es in aller Gemüthsruhe, während sein Pferd im Grase weidete. Nach vielleicht zehn Minuten stieg er wieder auf und ritt dem Ufer des Flusses zu, welches er untersuchte. Seine Blicke schienen die Gestalt des gegenüberliegenden Ufers und den Gang der Strömung zu beobachten, so daß sich sehr leicht errathen ließ, daß er übersetzen wolle. Dann ritt er in das Wasser. Die Büchse und den Pulver- und Kugelbeutel hoch empor haltend, überwand er in kluger Leitung seines Pferdes spielend die Strömung und erreichte das Ufer.

So weit konnten ihn aber die Jäger nicht beobachten, da dieser Theil des auf ihrer Seite hegenden Ufers, da der Fluß und mit ihm das Thal eine Biegung machten, ihren Augen durch die Waldspitze verdeckt wurde.

»Jetzt ein Jeder neben sein Pferd und die Büchse zur Hand!« gebot der Pater. »Es wird gleich Zeit sein.«

»Vor allen Dingen zunächst die Vordersten und Hintersten nieder!« meinte Bill Holmers. »Und lieber noch einmal geladen, als vorschnell hinaus.«

Kaum waren diese Worte gesprochen, so erhob sich unten hinter der Ecke ein Jubelgeheul, als seien tausend Teufel losgelassen. Im nächsten Augenblicke kam Rimatta zum Vorscheine. Den Bauch fast an der Erde, jagte sein Pferd in tigergleichen Sätzen herbei. Hinter ihm her flogen die Komanchen. Es war keine Zeit, sie zu zählen. Keiner von ihnen hatte zur Büchse gegriffen. Sie wollten den Feind lebendig fangen, und daher schwangen sie nur die Lasso's über ihren Köpfen.

Jetzt war Rimatta bereits über die Stelle hinweg, an welcher sich die Jäger befanden. Diese standen hinter den Bäumen, die Büchsen zum Schusse bereit.

»Feuer!« rief da die gellende Stimme des Paters.

Vierzehn Büchsen krachten zweimal hinter einander, und das Jubelgeschrei der Komanchen verwandelte sich auf einmal in ein Wuthgeheul. Einige Augenblicke lang blitzte es nur aus Freds Henrystutzen fort, der längst wieder vollzählige Ladung erhalten hatte, dann ertönten die Büchsen der Andern von Neuem.

»Drauf!« erscholl jetzt das Kommando des Indianertödters.

Im Nu saßen die Jäger auf ihren Pferden und fuhren mitten unter die noch lebenden Feinde hinein. Jeder Einzelne hatte nun so viel zu thun, daß er das Ganze des Kampfes unmöglich beobachten konnte.

Gleich bei den ersten Schüssen hatte Rimatta sein Pferd herumgerissen. Es stand wie eine Mauer, bis er seine beiden Kugeln abgeschickt hatte. Dann warf er die Büchse fort, ergriff den Tomahawk und griff den Feind mit dieser fürchterlichen Waffe an.

Der Riese Bill arbeitete mit dem Kolben seiner Büchse wie ein Simson, und als die Komanchen sich zur Flucht zu wenden begannen, faßte, er einen derselben, einen noch jungen Krieger, beim Leibe und zog ihn zu sich herüber.

»Komm, mein Junge! Es wäre jammerschade, Dich zu tödten, aber laufen lassen kann ich Dich auch nicht. Du bleibst bei mir!«

Fred war nicht mit auf sein Pferd gestiegen. Er stand noch an derselben Stelle wie zu Anfange des Kampfes und gab einen Schuß nach dem andern ab. Da stürzte eines der Komanchenpferde; der Reiter sprang behend zur Erde und versuchte sein Heil in der Flucht. Er sprang gerade auf den Baum zu, hinter welchem der Schütze stand Dieser ließ seinen Stutzen sinken, drehte ihn um und versetzte dem Flüchtlinge einen Hieb über den Kopf, daß er niederstürzte.

Auch dieser Kampf dauerte nicht so lange, als man braucht, um ihn zu erzählen. Wem die Flucht nicht geglückt war, der lag todt am Boden, denn die Verwundeten wurden von dem Pater vollends erstochen. Nur Zwei waren diesem Schicksale entgangen, der Gefangene Bills und der, welchen Fred niedergeschlagen hatte, der aber nur bewußtlos geworden war.

Beide lagen gefesselt neben einander an der Erde.

Die Sieger verbanden die Wunden, von denen doch der Eine oder der Andere eine erhalten hatte, sammelten die Beute und traten dann zu einer Berathung zusammen.

»Das war ein Tag!« meinte der Pater, der bei dem letzten Stiche, den er abgegeben hatte, zweihunderteinundzwanzig gezählt harre »Nun fragt es sich vor allen Dingen, ob diese hier Euer Gold bei sich hatten.«

»Sie hatten es nicht,« erklärte der Apache. »Rimatta härte es gesehen.«

»So ist es also doch vorausgeschickt worden, und wir müssen suchen, Diejenigen einzuholen, welche es transportiren. Suchen wir vorher die Gegend nach den Flüchtlingen ab?«

»Ich denke nicht,« meinte Bill. »Es geht dabei viel Zeit verloren, und es fragt sich sehr, ob wir einen derselben finden.«

»Was thun wir mit diesen Beiden?«

»Was meint Ihr dazu?«

Statt aller Antwort trat der Pater näher zu den Gefesselten heran.

»Sagt einmal, Ihr Hunde, ob Ihr an Euern Manitou glaubt!« Sie schwiegen.

»Ihr antwortet nicht? Gut! Euer Gott ist ein falscher Gott; ich bringe Euch den richtigen, den wahren Gott: Wollt Ihr ihn anbeten?«

Sie schwiegen abermals.

»Ihr redet nicht? Gut! Ich bringe Euch ferner den Glauben an die heilige Jungfrau, die im Himmel ist und für uns arme Sünder bittet. Wollt Ihr zu ihr beten?«

Sie antworteten nicht. Jetzt nahm er den Rosenkranz in die Linke und das Bowiemesser in die Rechte.

»Hört, was ich Euch sage: Wollt Ihr diesen Rosenkranz in die Hand nehmen und zur heiligen Jungfrau beten? Ich zähle bis drei. Ist dann noch kein Ja erfolgt, so sterbt Ihr augenblicklich durch dieses Messer.«

Ihre Augen blickten trotzig zu ihm auf, aber es kam kein Wort über ihre Lippen.

»Eins – zwei – drei – Gut, dann fahrt zur Hölle!«

Er erhob die Hand zum Stoße, da aber ergriff Bill seinen Arm.

»Was solls?«

»Wollt Ihr mir einmal sagen, wer diese Beiden zu Gefangenen gemacht hat?«

»Ihr und Feuertod.«

»Schön, wem gehören sie also?«

»Euch!«

»Vortrefflich! So thut also auch Euern Kneif hinweg!«

»Wie? Ich bin Euer Anführer!«

»Richtig, aber hier in dieser Sache nicht. Ich weiß einen Rothen im ehrlichen Kampfe zu tödten, das werdet Ihr mir glauben, aber einen Gefangenen, der kein Glied rühren kann um sich zu vertheidigen, den ermorde ich nicht.«

»Das sollt Ihr ja nicht!«

»Und auch kein Anderer, so lange ich dabei stehe. Was meinst Du, Fred?«

»Die Indsmen sind unser!«

»Hört Ihr es, Pater?«

»Macht zu Christen wen Ihr wollt, nur die nicht, welche uns gehören.«

»Aber Ihr wißt ja gar nicht, weshalb ich es thue!«

»Mag es gar nicht wissen!«

»Was aber soll denn sonst mit ihnen geschehen?«

»Das berathen wir, und dann hat Jeder eine Stimme dabei. Sollen sie getödtet werden, so meinetwegen, doch dann wenigstens durch eine ehrliche Kugel; ich aber werde den Henker nicht machen. Es sind zwei junge Kerls, die sicherlich erst vor ganz Kurzem flügge geworden sind und noch keinem Weißen ein Leid gethan haben!«

Der Pater mußte sich fügen.

»So macht die Sache kurz,« meinte er. »Ich stimme für den Tod durch die Kugel.«

»Ich nicht,« meinte Bill.

»Ich auch nicht,« erklärte Fred. »Welche Ansicht hat der Häuptling der Apachen?«

Rimatta machte eine sehr nachdenkliche Miene.

»Sehen die weißen Männer die Figuren auf den Armen der Gefangenen?«

»Ja. Was bedeuten sie?«

»So darf der Medizinmann nur die Söhne eines großen Häuptlings tätowiren. Diese Komanchen sind Brüder.«

Der Pater steckte sein Messer ein und hing sich den Rosenkranz um.

»Wer ist Euer Vater?« frug er.

Sie antworteten ihm nicht.

»Du wirst kein Wort von ihrer Lippe vernehmen,« bemerkte Rimatta.

»Warum?«

»Sie sind gefangen, und Du hast sie Hunde genannt. Es ist nicht tapfer, weise und großmüthig, Wehrlose zu beschimpfen. Soll ich mit ihnen reden?«

»Thue es.«

Rimatta bückte sich nieder und löste die Fesseln ihrer Hände.

»Werden mir die Söhne der Komanchen antworten, wenn ich sie frage?«

»Ja,« antwortete der Eine.

»Weißt Du, wer ich bin?«

»Du bist Rimatta, der größte Krieger der Apachen. Du bist tapfer und gerecht, Du beleidigst nicht den Gefesselten; wir werden mit Dir reden.«

»Wie ist der Name Eures Vaters?«

»Falke.«

»Der Falke! Er ist der tapferste Häuptling der Komanchen. Was wird er sagen, wenn er hört, daß seine Söhne gefangen sind?«

»Er wird sie nicht verdammen, sondern sie loskaufen, denn sie wurden im Kampfe gefangen und haben sich wacker gewehrt.«

»Ihr werdet bei uns bleiben und nicht fliehen, wenn ich Eure Fesseln wegnehme?«

»Wir fliehen nicht.«

»Auch wenn wir von den Euern angegriffen werden sollten?«

»Wir bleiben bei Euch, bis Ihr uns frei gebt!«

»Der Häuptling der Apachen glaubt Euren Worten.«

Er löste ihnen nun auch die Bande an den Füßen. Sie erhoben sich und Rimatta wandte sich an Bill und Fred:

»Ihr wollt das wieder haben, was Euch geraubt wurde?«

»Ja.«

»Ihr werdet es erhalten, wenn Ihr diese Männer schont. Sie sind unsere Gefangenen und werden bei uns bleiben, bis wir sie entlassen. Ist dies auch Eure Meinung?«

Alle stimmten bei, nur der Bowie-Pater machte ein sehr verdrießliches Gesicht.

Der Apache drehte sich jetzt wieder zu den Komanchen.

»Ihr habt eine Schaar von Bleichgesichtern überfallen und ihnen Gold und Anderes abgenommen?«

»Ja.«

»Wo ist das Gold?«

»Auf dem Wege nach den Hütten der Komanchen.«

»Wie viele Männer sind dabei?«

»Acht.«

»Wo liegen die Hütten der Komanchen?«

»Vier Tagreisen von hier nach dem Mittag zu.«

»Die Bleichgesichter werden den acht Komanchen nachreiten. Wollt Ihr ihnen das Gold zurückgeben, wenn sie Euch dann die Freiheit schenken?«

»Die Beute gehört nicht uns allein. Was Du fragst, das muß berathen werden.«

»In den Hütten der Komanchen?«

»Ja.«

»Und wie sollen wir erfahren was geschehen soll?«

»Auch dort.«

»Ugh!« rief der Apache. »So sollen wir zu den Komanchen gehen?«

»Ihr sollt mitgehen und zurückkehren dürfen, ohne daß Euch ein Leid geschieht.«

»Der Häuptling der Apachen glaubt Euren Worten, denn er kennt die Gebräuche der rothen Männer. Aber er kann das Gold holen, auch ohne daß er nach den Jagdgründen der Komanchen geht. Er wird die acht Krieger ereilen, ehe sie die Ihrigen erreicht haben.«

»Thue, was Du willst!«

Der Bowie-Pater war dieser Unterhaltung sehr aufmerksam gefolgt. Sie schien für ihn vom allergrößten Interesse zu sein. Jetzt nahm er das Wort:

»Glaubt Rimatta wirklich, daß wir unter den Komanchen sicher wären?«

»Er glaubt es.«

»Trotzdem wir ihre größten Feinde sind und noch erst heute ihrer so viele getödtet haben?«

»Wir kommen zu ihnen um zu unterhandeln. Sie werden erst dann wieder unsere Feinde sein, wenn sie uns entlassen haben.«

»So ist meine Meinung, daß wir den Acht nachjagen. Ereilen wir sie wirklich, so zwingen wir sie den Raub herauszugeben, ereilen wir sie aber nicht, so reiten wir bis zum Falken, mit dem ich übrigens ein Wort zu reden habe.«

»Worüber?«

»Ueber etwas, was ich Euch heut am Lagerfeuer erzählen werde.«

So abenteuerlich und gefährlich dieser Plan klang, er wurde doch von Allen angenommen, und kurze Zeit darauf setzte sich der Trupp in Bewegung. Die beiden Komanchen ritten frei und ohne Fesseln. Sie hatten ihr Wort gegeben, und so konnte man sicher sein, daß sie keinen Fluchtversuch unternehmen würden.

Der Ritt ging immer am Flusse entlang, wo man nach einiger Zeit die Stelle traf, an welcher sich die Komanchen getheilt hatten. Die eine Abtheilung war stromaufwärts zurückgekehrt, und die andere hatte, den Bowie-Pater verfolgend, nach der Schlucht eingelenkt, welche für sie so außerordentlich verhängnißvoll geworden, war. Eine dritte Spur führte in gerader Richtung am Flusse weiter fort.

Man sah die Fährte von zwölf Thieren, die acht Reiter, von: denen der eine Komanche berichtet hatte, führten also vier Saumpferde mit sich, und man sah es den Hufeindrücken an, daß sie sich der größten Eile befleißigt hatten. Leider konnte man heut der Fährte nicht sehr weit folgen, da der Nachmittag bereits vergangen war und der Abend hereinzubrechen begann.

Es wurde eine passende Stelle zum Lagern gesucht und ein Feuer angebrannt, dessen Schein durch die umstehenden Büsche verhindert wurde, weit in die Ferne zu dringen. Die ausgestellten, einander in regelmäßigen Zwischenräumen abwechselnden Wachen sorgten für die Sicherheit der Gesellschaft, welche von den Strapazen des heutigen Tages ausruhete. Die in der Umgebung weidenden Pferde waren beinahe ebenso sichere Wächter wie die menschlichen Posten, da die Mustangs sich des Nachts über vollständig lautlos zu verhalten und nur bei Annäherung eines feindlichen Wesens zu schnauben pflegen.

Mitten in der allgemeinen Unterhaltung hatte der Bowie-Pater sein frugales Mahl sehr schweigsam verzehrt und dabei den Jäger Fred mit eigenthümlichen Blicken beobachtet. Dieser bemerkte es sehr wohl, bekümmerte sich aber nicht um diese Aufmerksamkeit, der er keinen sichtbaren Grund beizulegen vermochte. Endlich nahm der Pater das Wort:

»Ihr nennt Euch Fred. Jedenfalls habt Ihr noch einen andern Namen?«

»Denke es!«

»Darf man ihn wissen?«

»Würde keinen Nutzen haben. Nennt mich Fred; das genügt ja vollständig.«

»Ihr seid verdammt kurz angebunden! Habt wohl Gründe den Namen zu verschweigen?«

»Gründe oder nicht. Wenn Ihr Fred ruft, so wissen Alle wer gemeint ist.«

»Und wenn ich Euch nun bitte mir den Namen zu nennen?«

»Die Bitte versteht sich ganz von selbst, denn befehlen dürfte es mir Niemand.«

»Ihr seid Amerikaner?«

»Nicht ganz.«

»Sprecht aber ein sehr ächtes Amerikanisch.«

»Möglich!«

»Seid Ihr schon lange in diesem Lande?«

»Einige Jahre nur.«

»Und von woher kommt Ihr herüber?«

»Aus Süderland, wenn Ihr es nun einmal wissen müßt.«

»Aus Süderland? Alle Teufel, das stimmt!«

»Was?«

»Ihr habt eine außerordentliche Aehnlichkeit mit einem Manne, den ich sehr genau kannte und der auch aus Süderland stammte.«

»Möglich!«

Fred schien sich zugeknöpft verhalten zu wollen, der Bowie-Pater aber fuhr fort:

»Dieser Mann hieß Walmy, war vielleicht gar von Adel gewesen.«

»Walmy!«

Jetzt war es Fred, der Leben bekam; er richtete sich so schnell empor, daß man sah, daß dieser Name für ihn von großem Interesse sein müsse.

»Ja,« antwortete der Pater kalt.

»Wo habt Ihr ihn getroffen?«

»Hier und da.«

»Lebt er noch?«

»Hm, weiß nicht! Vielleicht, vielleicht auch nicht.«

»Mensch, heraus mit der Sprache! Dieser Mann ist mein Bruder!«

»Aha, jetzt endlich erfährt man den Namen, welcher nicht genannt werden sollte!«

»Ja; ich heiße Walmy, Friedrich von Walmy.«

»Und Euer Bruder war Theodor von Walmy, der um verschiedene Jahre älter gewesen sein muß als Ihr?«

»So ist es.«

»Bitte, erzählt mir doch einmal, wie er nach Amerika gekommen ist.«

»Ich weiß es nicht, ob er wirklich nach Amerika gekommen ist. Das ist eine Begebenheit, über welche heute noch das tiefste Dunkel schwebt.«

»Ihr wißt nur, daß er plötzlich verschwunden war?«

»Weiter nichts.«

»Erzählt!«

»Glaubt Ihr denn, daß es einem so wohl thut, dergleichen Familiensachen zu veröffentlichen? Ihr scheint von ihm zu wissen. Erzählt Ihr zuvor, dann werde ich sehen, was ich zufügen muß.«

»Das geht nicht. Das, was ich zu sagen habe, ist der Art, daß ich zuvor Euch hören muß.«

»Ihr seid ein Amerikaner?«

»Nein.«

»Was sonst?«

»Auch ein Süderländer. Ihr könnt getrost reden, denn die Prairie und der Urwald sind schweigsam, und was Ihr erzählt, bleibt in der Wildniß vergraben.«

»Ja, erzählt!« baten auch die Andern, in der Erwartung eine Geschichte zu hören, die ihnen die Zeit am Lagerfeuer verkürzen werde.

»Ich thue es nicht gern.«

»So will ich Euch noch etwas sagen,« meinte der Pater. »Ich sagte heut am Nachmittage, daß ich mit dem »Falken« zu sprechen härte – –«

»Ueber etwas, was Ihr uns am Lagerfeuer erzählen wolltet.«

»So ist es. Und das, was ich den Häuptling der Komanchen zu fragen habe, betrifft Euren Bruder.«

»Unmöglich!«

»Wirklich! Die Schicksale des Menschen sind wunderbar. Aber wenn ich überhaupt von dieser Sache reden soll, so müßt Ihr mir vorher erzählen Alles, was Ihr wißt.«

»Nun gut! Wenn Ihr ein Süderländer seid, so kennt Ihr auch meine Familie?«

»Die Familie der Walmy ist eine der ältesten und reinsten im ganzen Lande.«

Das Wort »reinsten« war mit einer Betonung gesprochen, welche Fred unwillkürlich aufblicken ließ.

»Was meint Ihr damit?« frug er.

»Sie hat stets großen Werth darauf gelegt, daß ihr Blut nicht mit niedrigem vermischt werde.«

»Richtig! Ich war noch ein Knabe, als mein Bruder bereits seine Karriere begonnen harte. Es war ihm die diplomatische Laufbahn vorgeschrieben worden. Er besaß Talent, erwarb sich das Vertrauen seiner Oberen, und es stand zu erwarten, daß er von Stufe zu Stufe mit größerer Schnelligkeit steigen werde, als es sonst zu geschehen pflegt. Später noch hörte ich, daß er ein sehr schöner Mann gewesen sei.«

»Das war er!«

»Ihr habt ihn damals gekannt?«

»Ich hörte es.«

»Da er alle Eigenschaften besaß, welche dazu nöthig waren, hatte der Vater keine große Mühe aufzuwenden, eine glänzende Partie für ihn zu Stande zu bringen. Er wurde mit der Tochter eines seiner Vorgesetzten verlobt.«

»Und auch vermählt?«

»Nein.«

»Ah!«

»Es kam ein Cirkus nach der Hauptstadt, dessen Mitglieder Dinge leisteten, welche man bisher für unmöglich gehalten hatte. Besonders war es eine Reiterin, welche sich durch ihre Produktionen so hervorthat, daß ihr Auftreten stets den Glanzpunkt der Vorstellung bildete.«

»Wie hieß sie?«

»Man nannte sie Miß Ella; ihren eigentlichen Namen habe ich nie erfahren.«

»Auch woher sie stammte wißt Ihr nicht?«

»Nein; doch vermuthete man, daß sie ein ächtes Künstlerkind sei. Sie war im Ballete und auf dem Seile ebenso erfahren und fertig wie auf dem Pferde, und sprach eine Menge Sprachen in der Weise, daß man annehmen mußte, sie sei seit ihrer frühesten Jugend auf Kunstreisen stets unterwegs gewesen.«

»So war sie wohl nicht mehr jung?«

»O nein. Zwar ist die Schätzung des Alters bei einer Künstlerin, die doch in die Geheimnisse der Toilette eingeweiht sein muß, stets eine unsichere Sache, aber man nahm an, daß sie nicht über dreiundzwanzig Jahre zählen könne.«

»Sie war dreißig.«

»Ah, Ihr wißt das! Woher?«

»Man sprach davon.«

»Sie hatte Temperament, ja, eine körperliche und geistige Beweglichkeit, welche zwar beinahe wild genannt werden mußte und in allen Effekten glänzte, aber das Publikum hinriß und wohl auch mit Grund war, daß sie jünger erschien als sie eigentlich war. Dazu besaß sie eine Schönheit, welche zur Bewunderung aufforderte, und es läßt sich leicht denken, daß ein solches Wesen der Männerwelt nicht nur interessant erscheinen, sondern ihr auch gefährlich werden mußte.«

»Wohl auch Eurem Bruder, wie sich nun leicht ahnen läßt?«

»Auch ihm, und zwar vorzugsweise ihm.«

»War er denn darnach angelegt, sich für eine Kunstreiterin zu interessiren?«

»Wohl eigentlich nicht. Er war kühl und berechnend, sprach wenig aber gut, und hatte niemals die leiseste Schwärmerei an sich beobachten lassen. Aber er war ein passionirter, enragirter Reiter und ein Pferdeliebhaber comme il faut

»Da läßt sich sehr leicht denken, daß er den Cirkus fleißig besuchte.«

»Zuerst nur spärlich, dann mehr und mehr und endlich täglich. Ein solcher Besucher wird natürlich dem Künstlerpersonale bekannt, er kam mit verschiedenen hervorragenden Mitgliedern des Cirkus in Berührung, und da Miß Ella zu diesen gehörte, sah und sprach er sie öfter, als es den Eltern lieb war und sich für seine Stellung und seine Verhältnisse eigentlich schickte. Man sprach sogar sehr bald von einer so intimen Beziehung zwischen ihm und ihr, daß Vater sich veranlaßt sah ihn zur Rede zu stellen.«

»Mit welchem Erfolge?«

»Mit einem sehr negativen. Theodor lachte und gab keine Antwort. Aber seine Beziehungen zu ihr verinnigten sich bald in der Weise, daß er sich sogar öffentlich mit ihr sehen ließ. Er ritt und fuhr mit ihr spazieren und gestattete ihr im Theater sogar einmal Zutritt in unsere Familienloge.«

»Welch ein Horreur für eine so hohe, so alte und exklusive Familie!«

Diese Worte des Paters waren in einem Tone gesprochen, welcher für ein aufmerksames Ohr etwas Schadenfrohes, vielleicht sogar Triumphirendes an sich hatte. Aber dies entging dem erzählenden Jäger. Er fuhr fort:

»Damit war die Angelegenheit allerdings in ein Stadium getreten, welches zum energischen Einschreiten veranlaßte. Der Bruder mußte vor dem versammelten Familienrathe erscheinen und erklärte hier endlich unverholen, daß er die Kunstreiterin heirathen werde.«

»Worauf der ganze versammelte Familienrath theils in Revolution gerieth und theils sogar in Ohnmacht fiel?«

Diese Frage war ganz in dem vorhergehenden Tone gesprochen. Fred achtete es nicht.

»Die Mutter bat ihn mit Thränen, von diesem unglückseligen Vorhaben abzustehen; der Vater drohte ihm mit Verstossung und Enterbung – vergeblich.«

»Diese Miß Ella muß doch ein höchst bezauberndes Weib gewesen sein, da es ihr gelingen konnte, einen so kalten berechnenden Diplomaten in Flammen zu versetzen,« meinte der Pater. »Was sagtet denn Ihr als Bruder dazu?«

»Ich war zu jung, als daß ich ein Verständniß für das Alles gehabt hätte. Ueberdies liebte ich meinen Bruder so herzlich, daß ich sehr geneigt war, ihn mehr zu bedauern als ihm zu zürnen.«

»Und was würdet Ihr heute sagen, wenn Ihr in diesem Familienrathe stündet?«

»Ich würde schweigen. Theodor war alt genug um zu wissen, was er that, und heut weiß ich sehr genau, welche Macht eine wahre Liebe auf die Entschließungen eines Menschen auszuüben vermag.«

»Ah! Auch Ihr habt dies erfahren? Interessant!«

»Ich spreche jetzt nicht von mir, sondern von dem Bruder. Es spaltete sich eine tiefe Kluft zwischen ihn und seine Familie. Seine Braut trat in einer Weise zurück, welche uns in Affront bringen mußte, und seine Vorgesetzten nahmen eine so reservirte Haltung an, daß man erkennen mußte, es sei um seine Karrière, ja vielleicht sogar um seine Stellung überhaupt geschehen.«

»Das mußte ihm natürlich die Augen öffnen!«

»Im Gegentheile! Es erbitterte ihn. Er gab seine Stellung freiwillig auf. Er konnte dies, weil er durch den auf ihn entfallenen Theil der Erbschaft von einer jüngst verstorbenen Tante die Mittel in den Händen hatte, wenn auch nicht eben luxuriös, aber doch auskömmlich leben zu können. Bereits sprach man von der bevorstehenden Vermählung zwischen ihm und dem Mädchen, als ein Ereigniß eintrat, welches man unmöglich hatte vorhersehen können.«

»Ah!«

»Er hatte einen Nebenbuhler – –«

»Nur einen?«

»Wohl mehrere; aber unter ihnen befand sich einer, welcher beinahe ebenso begünstigt wurde wie Theodor selbst.«

»Alle Teufel; jetzt wird die Sache interessant!«

»Diese Begünstigung war jedenfalls weniger eine Folge seiner persönlichen Vorzüge, als vielmehr seiner hohen Stellung.«

»Er stand noch höher als die alte angesehene Familie der Walmy?«

»Bedeutend höher: es war ein königlicher Prinz, der Sohn des Königs selbst.«

»Der Kronprinz etwa?«

»Nein, sondern sein Bruder Hugo.«

»Was? Der tolle Prinz! Das ist allerdings ein Nebenbuhler, den man nicht übersehen kann. Und er wurde bevorzugt?«

»Ja, und zwar in einer solchen Weise, daß es zu einem öffentlichen Auftritte kam, der zwischen gleichgestellten Kavalieren nur durch die Waffen gesühnt werden konnte. Hier aber handelte es sich um einen einfachen Edelmann gegenüber einem königlichen Prinzen. Theodor befand sich sichtlich in großer Gefahr. Die Einen meinten, der Prinz werde sich zu einer Forderung verstehen, und dann war es sehr fraglich, ob mein Bruder dem tollen, in allen Waffen geübten Königssohne gewachsen sei. Die Anderen behaupteten, die Bestrafung einer solchen, einem Gliede des Herrscherhauses angethanen Beleidigung werde sicher der König selbst in die Hand nehmen, und von einem Duelle könne also gar keine Rede sein.«

»Wer hatte Recht?«

»Ich kann dies nicht entscheiden. Theodor verreiste und kehrte nicht zurück. Am Abende seiner Abreise sollte Miß Ella auftreten – auch sie war verschwunden.«

»Und der tolle Prinz?«

»Hatte sich offiziell auf eines seiner Schlösser zurückgezogen.«

»Wußte man auf welches?«

»Man nannte Burg Himmelstein, welche noch heute sein Lieblingsaufenthalt ist, wenn er sich bei Hofe befindet. Nach längerer Zeit erhielten wir einen Brief des Bruders aus den Vereinigten Staaten. Er schrieb uns, daß er seine Existenz in Süderland unhaltbar gefunden habe und nach Amerika gegangen sei, er werde niemals zurückkehren, sondern seinen Namen ändern und kein Lebenszeichen von sich geben.«

»Hat er dies gehalten?«

»Ja.«

»War der Brief von seiner Hand geschrieben?«

»Ja.«

»Wißt Ihr dies gewiß?«

»Warum sollte er ihn von einem Andern schreiben lassen?«

»Hm! Er könnte ja eine kranke Hand gehabt haben!«

»Es ist seine Hand. Als ich die Heimath verließ, habe ich das Schreiben mitgenommen. Das Schicksal hat oft sonderbare Grillen, und es war doch vielleicht möglich, eine Spur von dem Verschollenen zu entdecken. Dann konnte mir der Brief einmal von Nutzen sein.«

»So habt Ihr das Schreiben bei Euch?«

»Ja.«

»Kann man es einmal zu sehen bekommen?«

»Warum?«

»Ich habe Euch ja gesagt, daß ich mich für Euren Bruder interessire, und werde Euch nachher auch noch weitere Mittheilungen machen. Zeigt mir den Brief!«

Fred öffnete sein Jagdhemd und zog ein Couvert von gegerbtem Hirschleder hervor, welches er auf der Brust getragen hatte. Es enthielt ein Papier, welches er auseinander schlug.

»Hier ist es.«

Der Bowie-Pater nahm das Schreiben in die Hand, hielt es möglichst nahe an die Flamme des Feuers und betrachtete die Schriftzüge lange, sehr lange Zeit mit der allergrößten Aufmerksamkeit. Es war wohl nur die Anstrengung des Lesens bei einer so flackernden Flamme schuld, daß ihm ein glänzender Tropfen im Auge stand, als er den Brief seinem Besitzer zurückgab.

»Nun?« frug dieser.

»Dieser Brief ist gefälscht!«

»Oho!«

»Ganz sicher!«

»Wie wolltet Ihr das beweisen? Oder hättet Ihr zufälliger Weise Theodors Hand einmal gesehen?«

»Das ist gar nicht nöthig. Schreibt ein Sohn und Bruder einen so kurzen kalten Abschied für die ganze Lebenszeit an die Seinigen?«

»Er war erzürnt und verbittert.«

»Er hätte eher gar nicht, als in dieser Weise geschrieben! Und seht Euch diese Handschrift an! Sie ist nicht fließend; sie ist gemalt, mit aller Mühe und Akkuratesse auf das Papier gebracht. Man sieht es jedem einzelnen Buchstaben an, daß er sorgfältig eingeübt und dann mit einer besonderen Ueberlegung hergeschrieben wurde.«

Fred prüfte jetzt die Schrift nach dieser Richtung hin, und seine Miene nahm einen Ausdruck an, dem man es ansah, daß die Worte des Paters ihre Wirkung thaten.

»Nun, was meint Ihr?« frug der Pater.

»Hm! Ihr habt sehr scharfe Augen, und Eure Ansicht scheint nicht ganz des Grundes zu entbehren. Allerdings fürchterlich wäre es, wenn dieses Schreiben gefälscht wäre!«

»Es ist gefälscht; darauf könnt Ihr Euch verlassen. Ich will doch einmal sehen, ob Eure Augen ebenso scharf sind wie die meinigen.«

Er langte in seinen Kugelbeutel und zog ein zusammengerolltes, sehr gut eingehülltes Papier hervor, welches er öffnete und Fred entgegenhielt.

»Da, nehmt einmal, um das hier zu lesen und zu prüfen!«

Fred näherte das Papier dem Feuer und las:

 

»Allerdurchlauchtigster Prinz!

Ich melde Ihnen meine Ankunft hier, und daß ich bereits den besprochenen Brief an die Familie Walmy abgesandt habe. Er ist genau mit der Handschrift Theodors geschrieben, die ich ja prächtig nachahmen kann. Nun bitte ich aber auch, mir die zweite Hälfte der stipulirten Summe nachzusenden. Meine Adresse ist: Lingston, Missouri, Wallstreet 23.

Georg.«

 

Fred ließ das Blatt mit der Hand, die es gehalten hatte, niedersinken.

»Georg? – –« frug er. »Wer ist dieser Georg?«

»Lest zunächst auch diesen zweiten Brief,« antwortete der Pater.

Er hielt ihm ein anderes Blatt entgegen, welches mit dem ersten in der gleichen Emballage gesteckt hatte. Fred ergriff es. Sein Inhalt lautete:

 

»Gnädigster Prinz.

Haben Sie Dank für die mir überwiesene Summe! Meine Aufgabe ist erfüllt, und ich werde wohl niemals wieder nach Süderland zurückkehren. Es gefällt mir hier so gut, daß ich dies gar nicht bedauere. Daher breche ich mit der Heimath vollständig und werde von hier nach Kuba oder Mexiko gehen. Sie dürfen also keine Sorge trägen, daß Ihr Geheimniß jemals verrathen werde. Theodor von Walmy ist gut aufgehoben, und daß auch Miß Ella niemals sprechen kann, dafür werden Sie wohl Sorge tragen. Das letzte Lebewohl von

Georg Sander.«

 

Fred machte eine höchst erstaunte und überraschte. Miene.

»Georg Sander,« rief, er; »das war der Reitknecht meines Bruders!«

»Richtig!« nickte der Bowie-Pater.

»Er verschwand zu derselben Zeit, in welcher, wir den Bruder vermißten!«

»Stimmt, stimmt sehr!«

»Wir haben niemals wieder von ihm gehört!«

»Leicht erklärlich, da er ja mit der Heimath vollständig abgeschlossen hatte!«

»Und Ihr meint, daß er den Brief geschrieben habe, welchen wir von Theodor zu erhalten vermeinten?«

»So ist es! Vergleicht einmal diese Schriften! Trotzdem in der ersten die Hand Eures Bruders nachgeahmt ist, läßt sich ihre Aehnlichkeit mit den andern Briefen gar nicht verkennen.«

Fred verglich und meinte endlich:

»Ihr habt recht! Aber wie kommt Ihr zu diesen Zeilen?«

»Das sollt Ihr hören! Wer ich bin, oder vielmehr, wer ich war, das kann Euch sehr gleichgiltig sein; doch das muß ich sagen, daß ich Euern Bruder kannte und aus gewissen Gründen, die ich hier nicht zu erörtern brauche, sehr große Stücke auf ihn hielt.«

»Ihr habt ihn also wirklich gekannt?« frug Fred bewegt.

»Ja. Er verschwand, und es hieß, er sei nach Amerika gegangen, weil er sich unmöglich gemacht habe. Ich bin im Stande, diesem Gerüchte noch Einiges hinzuzufügen.«

»Ists möglich? O, thut es, thut es gleich!«

»Der wilde Prinz war ein Nebenbuhler Eures Bruders –?«

»Wie ich bereits erzählte.«

»Euer Bruder beleidigte ihn – öffentlich und tödtlich –«

»So ist es –.«

»Und Ihr glaubt, daß der König ein daraus hervorzugehendes Duell verhindert habe?«

»Das war unsere Ansicht.«

»Sie ist falsch. Euer Bruder schlug sich mit dem Prinzen –«

»Ah – –.«

»Auf Burg Himmelstein.«

»Wirklich? Warum dort?«

»Weil der Prinz es so wollte.«

»Wer siegte?«

»Ich weiß es nicht.«

»Und dann?«

»Verschwand Euer Bruder.«

»Nach Amerika?«

»Wie es allen Anschein hat.«

»Mit seiner – – mit Miß Ella?«

Der Bowie-Pater senkte den Kopf, so daß man das Spiel seiner Mienen nicht bemerken konnte, und erst nach einer Pause antwortete er mit einer hörbar belegten Stimme:

»Nein.«

»Nicht? Aber sie verschwand ja doch zu gleicher Zeit mit ihm.«

»Das ist richtig. Sie liebte die Person Eures Bruders und die glänzende Stellung des Prinzen zu gleicher Zeit. Sobald Euer Bruder in Folge des Ausganges des Duells zur Flucht gezwungen war und dadurch Alles verlor, was seine Zukunft gesichert hätte, wußte sie, daß sie für ihn verloren sei. Sie besaß nicht die Opferwilligkeit, ihm in die Ferne, in die Armuth zu folgen, sie blieb auf Burg Himmelstein bei dem Prinzen zurück.«

»Ah!« machte Fred verwundert. »Weiter, weiter!«

»Sie verlebte Tage, Wochen und Monate eines Rausches, der allerdings endlich einmal verfliegen mußte und sie zu einer Enttäuschung brachte, welche nicht größer und schlimmer sein konnte. Sie wüthete und tobte – der Prinz lachte; sie jammerte und weinte – der Prinz spottete; er ging auf neue Abenteuer aus, und sie ging auch, nämlich in das Kloster.«

»Nicht möglich! Sie, die Kunstreiterin, in das Kloster!«

»Ja. Wundert Ihr Euch darüber?«

»Sollte ich nicht?«

»Pah!«

Dieses Wort wurde in einem Tone ausgesprochen, welcher wohl verächtlich sein sollte, und doch klang es mehr wie der Schmerzensschrei eines tief gequälten und ungeheilten Herzens. Der Bowie-Pater legte das Gesicht in die beiden Hände und erhob es erst nach einer längeren Weile wieder. Es hatte jetzt ein erdfahles Aussehen und seine Augen funkelten in einer wilden unheimlichen Gluth.

»Denkt Ihr etwa, daß sie fromm geworden ist?« frug er beinahe höhnisch.

»Wenn sie in das Kloster gegangen ist –«

»Pah; Ihr kennt die Klöster nicht! Sie blieb die Courtisane des Prinzen, trotzdem sie eine Nonne geworden war. Und als er nichts mehr von ihr wissen wollte, fand sie reichlichen Ersatz in den Herren Patres, welche heimlich das Frauenkloster besuchten, um die frommen Schwestern auf – den Weg zur Seligkeit zu bringen.«

Die Anderen lauschten gespannt den Worten, welche zwischen den halb geschlossenen Lippen und knirschenden Zähnen hervorgestoßen wurden.

»Woher wißt Ihr das Alles?« frug Fred.

»Ich – ich – ich verkehrte damals oft in dem Kloster und lernte da manches kennen, von dem sich sonst nicht gleich Jemand etwas träumen läßt. Ich kam mit ihr zu sprechen. Trotz ihrer Wildheit war sie zu der Erkenntniß gekommen, daß sie Unrecht gehandelt habe an Eurem Bruder. Sie forschte nach ihm und bekam zufälliger Weise die Briefe in die Hand, welche sein Diener von Amerika aus an den Prinzen geschrieben hatte. Sie versah mich mit den nöthigen Mitteln und sandte mich herüber, um nach ihm zu forschen.«

Fred machte eine Bewegung der Ueberraschung und richtete sich in halbe Lage empor.

»Ah! Habt Ihr eine Spur entdeckt?«

»Von Eurem Bruder noch nicht, aber von Georg Sander.«

»Wo?«

»Zunächst ging ich natürlich nach Lingston in Missouri. Dort hörte ich, daß er nach New-Orleans gegangen sei. Hier hatte er den zweiten Brief geschrieben. Ich folgte seiner Spur hinüber nach der Habanah. Von da war er nach Mexiko gegangen. Ich langte dort an und blieb immer auf seiner Fährte, die mich nach Texas und von da in die Prairien am Red River führte.«

»Habt Ihr ihn da gefunden?«

»Nein. Ich war immer hinter ihm her, Jahre lang, aber gesehen habe ich ihn nicht, bis ich endlich erst kürzlich zu der Ueberzeugung gekommen bin, daß er bei den Indianern Aufnahme gefunden haben müsse. Ich werde ihn treffen, das schwöre ich Euch, und dann wird er mir auch sagen müssen, wo Euer Bruder zu finden ist.«

Fred erhob sich jetzt vollständig.

»Und ich werde mit Euch gehen, so weit, als wie die Erde reicht. Wollt Ihr mich als Begleiter haben?«

Der Pater blickte ihm mit funkelnden Augen entgegen, meinte dann aber ernst und langsam:

»Ich möchte wohl gern, aber ich bin kein Mann für Euch.«

»Warum?«

»Weil, weil – – pah, hier meine Hand. Schlagt ein; Ihr sollt mit mir gehen dürfen, doch nur unter einer Bedingung.«

»Welche ist es?«

»Ihr dürft niemals nach meiner Vergangenheit und nach meinen persönlichen Verhältnissen fragen.«

»Well, das verspreche ich Euch!«

»Abgemacht also! Geht Bill auch mit?«

»Natürlich!« antwortete dieser sofort. »Wo Fred ist, da bin ich auch, denn wo die Büchse des »Feuertod« blitzt, da muß auch Bill Holmers Flinte knallen.«

»Und Rimatta?«

Alle blickten den Häuptling an. Dieser ließ seine Augen langsam im Kreise herum schweifen und meinte dann:

»Der Häuptling der Apachen wird mit den Bleichgesichtern gehen, bis ihn seine rothen Brüder rufen. Er kennt alle Thiere und alle Männer des Waldes und der Prairie; er kennt vielleicht auch den Diener, den sie suchen.«

»Du?« frug der Bowie-Pater, indem er sich vor Ueberraschung erhob.

»Rimatta hat nicht gesagt, daß es dieser Mann wirklich ist, aber Rimatta kennt ein Bleichgesicht, welches schon lange Zeit bei den Hunden der Komanchen wohnt und mit ihnen die Apachen tödtet und bestiehlt.«

»Wo ist er? In dem Lager oder in dem Dorfe der Komanchen?«

»In ihrem Dorfe.«

»Und wo kam er her?«

»Aus dem Lande, welches der weiße Jäger vorher genannt hat.«

»Wie sieht er aus?«

»Er hat die Augen des Himmels und das Haar des Feuers.«

»Blaue Augen und rothes Haar? Das stimmt. Weiter! Hat Rimatta kein besonderes, kein auffälliges Kennzeichen an ihm bemerkt?«

»Das Bleichgesicht hat eine kleine Wunde an seiner Lippe.«

»Auch dies ist richtig; sie stammt von einer gut operirten Hasenscharte. Er ist es, und nun soll mich nichts abhalten, zu den Komanchen zu gehen. Weiß Rimatta, wo sich ihr festes Dorf befindet?«

»Er weiß es und wird seine weißen Brüder dorthin führen. Sie mögen doch einmal die Gefangenen fragen, welche wissen, wer das Bleichgesicht ist, das sich bei den Komanchen befindet.«

Der Bowie-Pater folgte diesem Rathe und wandte sich an die beiden Indianer, konnte aber nichts erfahren, da sie nicht zu bewegen waren, die erwünschte Mittheilung zu machen. Dadurch gerieth das Gespräch ins Stocken, bis es endlich ganz schwieg.

Die Nacht verging. Als der Tag sich zu lichten begann, erhob man sich, um die Spuren der Komanchen zu verfolgen. Diese führten immer an der rechten Seite des Rio Pekos hin bis an die Stelle, wo der Fluß zwischen die Berge der oberen Sierra Guadelupe tritt. Hier stiegen sie rechts in das Gebirge empor, dessen gegenseitigen Abhang man erst am andern Nachmittag erreichte. Am Abende war die Truppe bis zur offenen Prairie herabgestiegen, in deren Gras die Spur nun wieder leichter zu verfolgen war. Dies wurde jedoch bis zum nächsten Morgen aufgehoben. Die Transporteure der geraubten Nuggets hatten einen zu bedeutenden Vorsprung, als daß es hätte gelingen können, sie noch unterwegs zu erreichen. Es blieb also nichts übrig, als sich kühn mitten durch das Dorf der Komanchen zu wagen. In dem Besitze der beiden Gefangenen, welche ja ihr Versprechen gegeben hatten, war die Gefahr dieses Wagnisses jedenfalls nicht so groß, als es den Anschein hatte. Während des weiteren Rittes wurde wenig gesprochen; es hatte ein Jeder mit seinen eigenen Gedanken zu thun, welche auf die nächste Zukunft gerichtet waren.

Um Mittag wurde eine kurze Rast gemacht, und gegen Abend tauchten am Horizonte mehrere dunkle Linien auf, welche bei genauer Betrachtung als Zeltreihen zu erkennen waren. Dies war das große Zeltdorf der Komanchen, welches man hier zum Zwecke der Büffeljagd errichtet harre.

Rimatta war immer vorangeritten. Er parirte jetzt sein Pferd.

»Wollen meine weißen Brüder wirklich noch die Komanchen besuchen?« frug er. »Noch ist es jetzt Zeit zum Umkehren.«

»Wir kehren nicht um,« entschied der Bowie-Pater. »Fürchtet sich der Häuptling der Apachen, weil er eine solche Frage ausspricht?«

Das Auge des Apachen blitzte ihn zornig an:

»Hat der Indianertödter jemals vernommen, daß Rimatta sich gefürchtet hat? Die Söhne der Apachen haben das Kriegsbeil ausgegraben gegen die Hunde der Komanchen, jeder Apache, der in die Hände der Komanchen fällt, ist verloren, dennoch aber wird Rimatta nicht umkehren, sondern seine weißen Brüder begleiten.«

Dies war allerdings ein stolzes Wort und ein ebenso kühner Entschluß, da er unter allen Umständen von den Todfeinden seines Volkes weniger Rücksicht und Erbarmen finden mußte als die Jäger. Doch ist die wahre Kühnheit stets mit vorsichtiger Klugheit gepaart: er griff im Reiten nach dem Kalumet, brannte es an und reichte es, nachdem er einige Züge gethan hatte, den beiden Komanchen.

»Wollt Ihr nicht sterben, so trinkt mit mir den Rauch des Friedens!« gebot er ihnen.

Sie folgten seinem Befehle, dann fügte er hinzu:

»Reitet hin zu den Eurigen, kündet ihnen unsere Gegenwart an und sagt ihnen, daß wir Eure Gäste sind!«

Sie sprengten davon, auf das Lager zu; die Jäger aber saßen ab und nahmen auf dem Boden Platz.

Sie brauchten gar nicht lange auf den Erfolg dieser Anmeldung zu warten, denn sehr bald kam ein zahlreicher Reitertrupp auf sie zu, welcher sich auflöste und einen Kreis bildete, in den sie eingeschlossen wurden. Dieser Kreis wurde dann plötzlich verengt, indem die Komanchen im Galopp und unter Heulen und Waffenschwenken auf sie von allen Seiten zukamen, daß es schien, als ob sie niedergeritten werden sollten. Eine Gruppe von vier Häuptlingen sprengte wirklich ventre-à-terre auf sie zu und setzte über sie hinweg. Die Jäger blieben dabei ruhig sitzen und bewegten den Kopf um keines Haares Breite nach der rechten oder linken Seite.

Jetzt stiegen die vier Häuptlinge ab, traten herzu, und der Aelteste von ihnen nahm das Wort:

»Warum erheben sich die weißen Männer nicht, wenn die Häuptlinge der Komanchen zu ihnen treten?«

Der Bowie-Pater übernahm es, die Antwort zu ertheilen:

»Wir wollen Euch damit sagen, daß Ihr uns willkommen seid und hier an unserer Seite Platz nehmen sollt.«

»Die Häuptlinge der Komanchen setzen sich nur an die Seite von Häuptlingen. Wer ist Euer Anführer, und wo sind Eure Wigwams und Eure Krieger?«

»Die weißen Männer haben keine Wigwams, sondern große steinerne Städte, in denen viele tausende von Kriegern wohnen. Meine rothen Brüder können sich ohne Sorge zu uns setzen, denn jeder von uns ist ein Häuptling.«

»Wie sind die Namen dieser Häuptlinge?«

Der Frager kannte die Namen bereits, denn die beiden Komanchen harren sie ihm jedenfalls schon gesagt. Es war kein gutes Zeichen für die Jäger, daß er sich versteifte. Besonders auffallen mußten die finstern Blicke, welche von den Wilden auf Rimatta und den Pater geworfen wurden.

»Ich werde Euch unsere Namen sagen,« antwortete der Gefragte. »Dieser große Mann heißt Bill Holmers –«

»Holmers?« unterbrach ihn der Komanche, ganz gegen die sonstige Gewohnheit der Indianer. »Ich kenne diesen Namen. Der weiße Mann ist ein Feind der Indianer, aber er ist kein böser Mensch.«

»Dieser junge Mann wird von den rothen Kriegern Feuertod genannt.«

»Auch seinen Namen kenne ich; er ist unser Feind, aber er tödtet die rothen Männer nur dann, wenn er dazu gezwungen ist.«

»Auch meinen Namen kennst Du. Man nennt mich Bowie-Pater, den Indianertödter.«

»So nennt man Dich; aber Du wirst keinen rothen Mann mehr tödten.«

»Ah? In wiefern?«

»Du wirst selbst sterben.«

»Ah! Weißt Du das so sicher?«

»Du wirst sterben von der Hand der Komanchen. Wer ist dieser rothe Mann?«

»Es ist Rimatta, der Häuptling der Apachen.«

»Er ist ein Hund, der bald verenden wird. Der Geier wird ihm die Augen aushacken, und sein Fleisch soll von den Wölfen wie Aas gefressen werden.«

»Auch das weißt Du so genau?«

»Ihr werdet heute noch sterben am Marterpfahle.«

»Wir? Die Gäste der Komanchen?«

»Ihr seid nicht unsere Gäste!«

»Wir sind es. Wir haben Eure jungen Häuptlinge nicht getödtet, sondern ihnen das Leben gelassen, und sie haben uns ihr Wort gegeben, daß wir friedlich einkehren dürfen in die Hütten der Komanchen.«

»Sie werden Euch ihr Wort halten; aber es wäre ihnen besser gewesen, wenn Ihr sie getödtet hättet. Ein tapferer Krieger stirbt lieber, als daß er sich von seinem Feinde das Leben schenken läßt. Ihr seid ihre Gäste und steht unter ihrem Schutze. Wir Andern aber haben Euch nichts versprochen, und darum werden wir Euch Eure Skalpe nehmen. Erhebt Euch und kommt in die Zelte Eurer Beschützer!«

Die Weißen sahen einander fragend an, Rimatta aber erhob sich ohne Zögern. Er hatte Recht. Sie waren von einer solchen Menge von Komanchen umgeben, daß es kein Entrinnen gab. Sie hatten sich in die Höhle des Löwen gewagt und mußten nun das Weitere abwarten. Man stieg zu Pferde; die Gefangenen wurden von den Wilden in die Mitte genommen, und fort ging es in sausendem Galoppe auf das Lagerdorf zu, in dasselbe hinein und zwischen den Zeltreihen hinauf, bis vor einem Zelte angehalten wurde.

Die Indianer stiegen, ab und der, alte Häuptling gebot:

»Die weißen Männer mögen hier eintreten!«

»Wem gehört diese Wohnung?« frug der Pater.

»Sie gehört Denen, welche Euch zu schützen haben. Gebt Eure Waffen ab!«

»Ein weißer Jäger trennt sich von seinen Waffen erst dann, wenn er gestorben ist.«

»Wissen die weißen Männer nicht, daß ein Gefangener keine Waffen haben darf?«

»Wir sind Gäste, aber keine Gefangenen.«

»Ihr seid Beides. Gebt die Waffen her!«

Da erhob Rimatta die Hand zum Zeichen, daß er sprechen wolle. Es war das erste Mal, daß er seit der Begegnung mir den Indianern den Mund öffnete.

»Die Söhne der Komanchen verlangen unsere Waffen, weil sie sich vor uns fürchten. Ihr Herz ist feig, und ihr Muth ist wie der des Prairiehuhnes, welches flieht vor jedem Tone, der sich hören läßt!«

Das war ebenso stolz wie schlau gesprochen, denn der Erfolg zeigte sich sofort. Der alte Häuptling maß ihn mit zornigem Auge und antwortete:

»Der Pimo Spitzname für Apache. ist häßlich wie die Kröte des Sumpfes. Seine Zunge spricht die Lüge, und von seiner Lippe fließt die trübe Pfütze der Falschheit. Es gibt weder Mensch noch Thier, welches der Komanche fürchten möchte. Tretet ein in dieses Zelt und behaltet Eure Waffen!«

Jetzt erst stiegen die Jäger ab, banden ihre Pferde an und traten ein.

Das Zelt war ganz von der Art, wie man sie auch bei den nördlicher wohnenden Indianern findet. Die Arbeit ihrer Errichtung wird nur von den Frauen besorgt, wie denn der Indianer keine andere Beschäftigung kennt als den Krieg, die Jagd und den Fischfang. Alles Uebrige bleibt den Schultern der Frauen aufgebürdet.

Das Zelt war vollständig leer; es hatte Platz für die ganze Gesellschaft.

»Da sind wir!« meinte Holmers. »Wie wir aber fortkommen, das ist eine andere Frage.«

»Werden wohl sehen!« antwortet der Bowie-Pater einsilbig.

»Es kommt darauf an, ob man uns als Gäste oder als Gefangene betrachtet. Im letzteren Falle ist es um uns geschehen.«

»Wir werden Gefangene sein,« meinte Rimatta.

»Ist dies die feste Ansicht meines Bruders?«

»Sie ist es.«

»Und warum denkt er so?«

»Weil der Indianertödter und Rimatta zugegen sind. Wären es nur meine andern Brüder, so würden sie vielleicht Gäste sein, diese Beiden aber werden die Komanchen niemals gehen lassen wollen.«

»Glaubt Rimatta, daß wir verloren sind?«

»Der Häuptling der Apachen ist noch niemals verloren gewesen.«

»Was müssen wir thun, um uns zu retten?«

»Meine Brüder mögen ganz dasselbe thun, was Rimatta thun wird.«

»Was?«

»Mit den Komanchen das Kalumet rauchen.«

»Ah! Sie werden es nicht.«

»Sie werden es!«

»Ich glaube nicht, daß sie uns die Pfeife des Friedens geben werden.«

»Sie werden sie uns nicht geben.«

»Und dennoch sagest Du, daß wir sie mit ihnen rauchen werden.«

»Ich sage es. Wenn sie uns die Pfeife des Friedens nicht geben wollen, so werden wir sie uns nehmen.«

»Ah!« rief der Pater erstaunt. »Ein köstlicher Gedanke! Aber wird dann das Rauchen auch Geltung haben?«

»Es wird gelten. Rimatta wird die Pfeife rauben, und meine Brüder müssen dann sehr schnell Jeder einen Zug thun, ehe sie uns wieder entrissen werden kann.«

»Werden wir auch den Weißen sehen, welchen wir suchen?«

»Wenn er zugegen ist, werden wir ihn sehen. Rimatta wird es so einrichten, daß er sich nicht verbergen kann.«

Damit war die Unterredung zu Ende. Die Jäger schwiegen. Ihr Zelt war von Wächtern umgeben, und es lag ja die Möglichkeit vor, daß sie belauscht wurden. Nach einiger Zeit öffnete sich der Eingang, und es erschien einer der beiden Häuptlingssöhne.

»Meine Brüder sind in großer Gefahr,« begann er.

»Wie können wir in Gefahr sein, wenn wir uns unter Deinem Schutze befinden?« frag der Pater.

»Das Leben meiner Brüder ist sicher, so lange sie sich in meinem Zelte befinden. Sobald sie es aber verlassen, ist meine Bürgschaft zu Ende.«

»Was hat man mit uns vor?«

»Man wird die weißen Männer und den Häuptling der Apachen tödten, nachdem sie am Marterpfahle gestanden haben.«

»Gibt es kein Mittel uns zu retten?«

»Es gibt eines.«

»Welches?«

»Meine Brüder müssen Komanchen werden und sich ein Jeder eine Tochter der Komanchen zum Weibe nehmen.«

»Den Teufel werde ich!« antwortete Holmers. »Habe kein weißes Weib leiden mögen, viel weniger eine Kupferhaut. Damit erkaufe ich mir weder meine Freiheit noch mein Leben.«

»So sind meine Brüder verloren!«

»Ist das Bleichgesicht, von welchem wir bereits gesprochen haben, unter den Komanchen zu finden?« frug Walmy.

»Es ist da.«

»Werden wir mit ihm sprechen können?«

»Ich weiß es nicht. Aber sehen werden sie ihn.«

»Wo?«

»Das Bleichgesicht gehört mit zu den Häuptlingen der Komanchen; er wird sitzen mit den andern in dem Kreise der Berathung, wenn über das Schicksal meiner Brüder gesprochen wird. Also, die Bleichgesichter sind nicht bereit in den Stamm der Komanchen einzutreten um sich das Leben zu retten?«

»Nein.«

»So ist Alles für sie verloren, und ich kann nichts weiter für sie thun.«

Er entfernte sich wieder. Nach Verlauf von vielleicht einer Stunde trat ein finster blickender Indianer ein.

»Die weißen Männer und der Apache mögen mir folgen!« befahl er.

Sie steckten ihre Waffen zu sich und schritten hinter ihm her die Zeltgasse entlang bis vor das Lager. Dort hatten sich alle Krieger versammelt. Sie bildeten einen großen Kreis, in dessen Mittelpunkte die Häuptlinge Platz genommen hatten. Das Berathungsfeuer brannte, und das reich mit Perlen und Federn verzierte Kalumet lag zum Gebrauche bereit. Seitwärts von der Gruppe waren mehrere Pfähle in die Erde getrieben, ein sicheres Zeichen, daß die Gesinnung der Komanchen eine solche war, von der sich für die Jäger nichts Gutes erwarten ließ.

Zwischen den Häuptlingen saß ein Mann, dessen helle Farbe ihn von seiner Umgebung unterschied. Er war ein Weißer, trug sich aber vollständig so wie ein Indianer. Sogar einen langen Haarschopf hatte er sich stehen lassen, um durch ihn, der mit Adlerfedern durchflochten war, zu beweisen, daß er nicht unter die gewöhnlichen Krieger gerechnet werden dürfe.

Als die Gefangenen nahten, ergriff der alte Häuptling die Pfeife, steckte sie in Brand und führte das Rohr zum Munde. Er that sechs Züge, blies den Dampf nach Nord, Süd, Ost und West, dann gerade empor zum Himmel und abwärts zur Erde, und gab sie dann seinem Nebenmanne, welcher nur einen einzigen Zug zu thun hatte. Von diesem ging die Pfeife weiter. Der Vierte wollte sie eben dem Fünften geben, als Rimatta mit einem raschen Schritte hinzutrat und sie ihm entriß.

Das war eine That, die Niemand für möglich gehalten hatte, die auch noch niemals vorgekommen war. Die Indianer saßen starr von Erstaunen und geriethen erst dann in Bewegung, als es bereits zu spät geworden war. Rimatta hatte sofort die Pfeife weiter gegeben; sie war unter den Weißen herumgegangen und befand sich schon wieder in der Hand des Apachen, als der Häuptling sich wüthend erhob.

»Hund, was hast Du gethan!« schnob er Rimatta entgegen.

Dieser that ruhig noch einen Zug aus dem Kalumet und antwortete:

»Seit wann ist es unter den rothen Männern Sitte, ihre Freunde und Brüder Hunde zu nennen? Oder bedeutet dieses Wort bei den Söhnen der Komanchen eine Höflichkeit?«

»Bist Du unser Freund und Bruder?«

»Wir sind Eure Brüder und Eure Gäste, denn wir haben mit Euch aus dem Kalumet geraucht, welches vom heiligen Thone gefertigt wurde.«

»Ihr habt uns das Kalumet entrissen.«

»Das ist wahr; Rimatta sagt niemals eine Lüge. Aber es bleibt dennoch wahr, daß wir mit Euch die Pfeife des Friedens geraucht haben.«

»Dies gilt nichts; denn wir haben sie Euch nicht angeboten.«

»Wenn Rimatta jetzt seinen Tomahawk nimmt, um mit Dir zu kämpfen, so bist Du tapfer und lässest den Kampf gelten, trotzdem Du mir denselben nicht angeboten hast. Ihr habt uns Eure Gastfreundschaft nicht angeboten, wir haben sie uns geraubt; aber wir besitzen sie ebenso sicher, als wenn wir sie freiwillig erhalten hätten. Der große Geist sieht Alles, hört Alles; er wird sehen, ob die Krieger der Komanchen den Muth haben, sich an den Gesetzen der Pfeife des Friedens zu versündigen. Ich habe gesprochen!«

Der Komanche hatte der Beweisführung mit ganz verblüffter Miene zugehört. Er schwieg noch eine ganze Weile, dann meinte er, sich setzend:

»Die Häuptlinge der Komanchen werden über diesen Fall berathen. Tretet auf die Seite; wir werden Euch unsern Entschluß zu wissen thun!«

Die Weißen folgten diesem Gebote. Sie sahen, daß die Berathung eine ziemlich stürmische war, wie die lebhaften Gestikulationen der Komanchen bewiesen, und es verging wohl eine halbe Stunde, ehe sie zu Ende war. Dann winkte ihnen der Häuptling näher zu treten. Er erhob sich und gab das Zeichen, daß er sprechen werde.

»Die weißen Männer und der Apache mögen hören, denn die Häuptlinge der Komanchen werden sprechen.«

Nach dieser einleitenden Aufforderung begann er seine Rede:

»Es sind nun viele Sonnen her, da wohnten die rothen Männer ganz allein auf der Erde zwischen den beiden großen Wassern. Sie bauten Städte, sie pflanzten Bäume, sie jagten das Elenn, den Bär und den Bison. Ihnen gehörte der Sonnenschein und der Regen; ihnen gehörten die Flüsse und die Seen; ihnen gehörte der Wald, das Gebirge, die Thäler und alle Savannen des weiten Landes. Sie hatten ihre Brüder und Söhne, ihre Frauen und Töchter und waren glücklich. Da kamen die Bleichgesichter, deren Farbe ist wie der Schnee des Winters, deren Herz aber ist wie der Ruß, welcher aus dem Rauche fliegt. Es waren ihrer nur Wenige, und die rothen Männer nahmen sie auf in ihre Wigwams. Doch sie brachten mit die Feuerwaffe und das Feuerwasser; sie brachten mit andere Götter und andere Priester; sie brachten mit die Lüge und den Verrath, viele Krankheiten und den Tod. Es kamen immer mehr von ihnen über das große Wasser herüber; ihre Zungen waren falsch und ihre Messer spitz, die rothen Männer waren gut; sie glaubten ihnen und wurden betrogen. Sie mußten hergeben das Land, in welchem die Gräber ihrer Väter lagen; sie wurden mit List und Gewalt verdrängt aus ihren Wigwams und ihren Jagdgebieten, und wenn sie sich wehrten, so tödtete man sie. Um sie leichter zu besiegen, säeten die Bleichgesichter Zwietracht unter sie; die rothen Stämme wurden entzweit; sie begannen sich nun auch unter einander zu bekämpfen; sie müssen nun sterben wie die Koyoten in der Wüste. Fluch den Weißen; Fluch ihnen, so viele Sterne am Himmel sind und Blätter auf den Bäumen des Waldes!«

Er holte jetzt Athem und fuhr dann fort:

»Heut sind Bleichgesichter in die Wigwams der Komanchen gekommen. Sie haben die Farbe der Lügner und die Sprache der Verräther. Sie haben einen rothen Mann bethört, mit ihnen zu gehen und ihr Bruder zu sein, den Häuptling der Apachen; er hat den Tod verdient, er und sie mit ihnen. Wir hätten sie langsam am Marterpfahle getödtet, um uns an ihren Qualen zu weiden und über das Geschrei ihrer Schmerzen zu lachen; aber es ist ihnen gelungen, den Rauch unseres Kalumets zu trinken, und so haben die Häuptlinge der Komanchen beschlossen, die Pfeife des Friedens zu ehren und ihnen Platz am Lagerfeuer zu geben, bis ihr Schicksal sich weiter entschieden hat. Ich habe gesprochen; meine Brüder mögen auch sprechen!«

Er setzte sich. Eigentlich wäre es hiermit genug gewesen; aber so schweigsam der Indianer sonst ist, die Gelegenheit eine Rede zu halten läßt er sich sicher nicht entgehen. Es gibt unter den Indianern Häuptlinge, die wegen ihrer Rednertalente weithin berühmt sind und ganz mit derselben rhetorischen Geschicklichkeit zu Werke gehen, wie die großen Redner der zivilisirten Staaten alter und neuer Zeit. Ihre blumen- und bilderreiche Sprache erinnert sehr an die Ausdrucksweise des Orientes.

Nach ihm erhoben sich die andern Häuptlinge einer nach dem andern, um in ihren Reden ganz dasselbe zu sagen, was bereits er gesagt hatte. Als der letzte geendet hatte, nahm der Bowie-Pater das Wort.

»Ich habe gehört, daß meine rothen Brüder an einen großen Geist glauben, Sie thun recht daran, denn ihr Manitou ist auch unser Manitou. Er ist der Herr des Himmels und der Erde, der Vater aller Völker; er will, daß alle Menschen ihn verehren sollen. Meine rothen Brüder aber verehren ihn auf eine falsche Weise, und ich bin über das große Wasser herübergekommen, um sie die richtige Weise zu lehren. Das haben mir viele rothe Männer übel genommen; sie haben mir nach dem Leben getrachtet, und ich mußte mich vertheidigen. Auf diese Weise bin ich der Indianertödter geworden. Aber ich kämpfe Auge in Auge mit meinen Feinden, ich habe niemals einen rothen Mann hinterrücks getödtet, und ich würde stets ein Freund der Komanchen gewesen sein, wenn sie sich nicht zu meinen Todfeinden gemacht hätten.«

Er hielt inne und blickte den Häuptling an. Dieser frug:

»Was haben sie gethan, daß sie Deine Todfeinde geworden sind?«

»Das will ich Dir und ihnen sagen. Da drüben über dem großen Wasser wohnte ein Mann, dessen Mund giftiger war als der Mund der Schlange; er war ein Lügner und Betrüger, ein Mörder; er mußte fliehen und ging über das Wasser herüber in dieses Land. Ich ging ihm nach, um ihn zu fassen, und hörte, daß die Söhne der Komanchen ihn bei sich aufgenommen hätten. Mußte ich nicht ein Feind der Komanchen werden?«

»Wer ist dieser Mann? Wir haben keinen weißen Lügner bei uns aufgenommen.«

»Sehe ich nicht ein Bleichgesicht in Eurer Mitte?«

»Dieses Bleichgesicht ist nicht über das Wasser, herübergekommen.«

»Aus welchem Lande stammt dieser lichte Häuptling?«

»Aus dem Lande, welches gegen Mittag liegt. Er stieg von dem Gebirge herab, um den Komanchen viele gute Dinge zu zeigen.«

»Er hat Euch belogen!«

Der Betreffende fuhr mit der Hand nach seinem Tomahawk, sprach aber, da der Alte die Unterredung führte, kein Wort.

»So meinest Du, daß es Derjenige ist, den Du suchest?«

»Er ist es!«

»Du irrst!«

»Ich irre nicht. Erlaube, daß ich mit ihm selber rede!«

»Ich erlaube es.«

Jetzt wandte sich der Bowie-Pater direkt an den Weißen.

»Wie ist Dein Name unter diesen Leuten?«

»Mußt Du ihn wissen?«

»Muß man nicht den Namen wissen, wenn man mit einem Manne reden will?«

»Ich heiße Rikarroh.«

»Und wie nannte man Dich früher, ehe Du zu den Komanchen kamst?«

»Diese Frage ist sehr überflüssig.«

»Sie ist nicht überflüssig, sondern sie gehört ganz und gar zur Sache.«

»Ich bin zu den Kriegern der Komanchen gegangen, um die Welt zu vergessen. Mein Name lebt nicht mehr, er ist verschwunden; ich sage ihn nicht.«

»Weder Du bist vergessen, noch Dein Name. Verschwunden? Ja, verschwunden warest Du, aber ich habe Dich wiedergefunden, und wenn es Dir gefällt, Deinen Namen zu verschweigen, so werde ich ihn Dir nennen.«

Der Mann verfärbte sich.

»Sage ihn!«

»Du heißt Georg, Georg Sander!«

Das Auge des jetzigen Indianers blitzte erschrocken auf. Er antwortete:

»Georg Sander? Ich habe einen ähnlichen Namen nie gehört.«

»Nie?« lachte der Pater. »Hast Du auch nie den Namen Walmy gehört?«

»Nein.«

»Theodor von Walmy?«

»Nein.«

»Auch nicht den Namen des tollen Prinzen? Des Prinzen von Süderland?«

»Nein!«

»Hast Du auch nie gehört von einer Miß Ella, einer Dame, die in einem Cirkus arbeitete und dann ohne Spur verschwunden ist?«

»Nie.«

»Hm! Rikarroh, Du bist ein großer Lügner; Du hast sie alle gekannt.«

Der Beschuldigte erhob sich und griff zum Tomahawk.

»Mann, nenne mich nicht zum zweiten Male einen Lügner, wenn Du nicht willst, daß ich Dir augenblicklich den Schädel zerschmettere. Wie kannst Du es wagen, in dieser Weise mit einem tapfern Häuptling der Komanchen zu reden, dem noch kein Mensch ein solches Wort in das Gesicht gesagt hat?«

»Wagen? Pah! Ich bin der Bowie-Pater, und den kennt Ihr Alle. Dein Tomahawk thut mir nicht mehr als der Stachel einer Mücke, und damit Du siehst, daß ich mich nicht fürchte, nenne ich Dich nochmals einen Lügner!«

»Hund!«

»Lügner! Du bist Georg Sander! Wir kennen Dich. Siehe Dir einmal diesen Jäger an und sage, ob seine Züge Dir nicht bekannt vorkommen.«

Der Indianer machte eine Bewegung der Geringschätzung und meinte:

»Er ist ein Jäger wie so viele Andere, ich kenne ihn nicht; ich habe ihn niemals gesehen.«

»Und dennoch kennst Du ihn, dennoch hast Du ihn sehr oft gesehen, denn es ist Friedrich von Walmy, der Bruder Deines früheren Herrn.«

Wieder flog ein Blitz des Erschreckens über das Angesicht des Indianers.

»Du lügst!«

»Mensch, sage mir dies noch einmal, so schieße ich Dich nieder wie einen Hund. Du mußt dieses Wort anhören, ich aber leide es nicht, denn ich lüge nicht!«

Jetzt trat Fred hart an den jetzigen Wilden heran.

»Kennst Du diesen Brief?«

Er hielt ihm jenes Schreiben vor das Gesicht, welches er am Abend nach dem Kampfe mit den Komanchen dem Bowie-Pater gezeigt hatte. Der Mann warf einen Blick darauf, schüttelte seinen Kopf und antwortete:

»Ich kenne es nicht. Das hat ja ein gewisser Theodor von Walmy geschrieben, wie aus der Unterschrift zu sehen ist. Laßt mich in Ruhe!«

»Du kennst es, denn Du hast es geschrieben, Du hast es gefälscht, Schurke!«

Nun trat auch der Bowie-Pater noch näher.

»Vielleicht kennst Du aber diese beiden Briefe, welche mit Georg Sander unterschrieben sind. Willst. Du sie einmal ansehen, mein lieber Schatz?«

Er hielt sie ihm entgegen; der Mann wollte nach ihnen langen, sofort aber zog sie der Pater zurück und hielt sie außer dem Bereiche seiner Arme in die Höhe, so daß er sie zwar lesen aber nicht ergreifen konnte.

»Nein, nicht wegnehmen, sondern nur lesen sollst Du sie. Du hast sie an den tollen Prinzen geschrieben, an den Du vorher Deinen Herrn verkauftest.«

»Ich weiß nichts davon; ich weiß von gar nichts. Ihr seid wahnsinnig!«

Im nächsten Augenblicke stand der Pater hart vor ihm.

»Wahnsinnig? Das wagest Du, Mensch!«

Er holte aus und schlug ihm die Faust vor die Stirn, daß er erst wankte und dann niederstürzte. Er raffte sich aber sofort wieder in die Höhe, riß das Messer heraus und wollte sich auf seinen Gegner stürzen. Sofort flogen die Büchsen sämmtlicher Jäger an die Wangen, und auch Rimatta riß den Tomahawk aus seinem Gürtel. Auch die Häuptlinge waren aufgesprungen. Der Alte streckte seine Hand abwehrend aus und gebot:

»Laßt die Waffen ruhen! Ihr habt in einer Sprache geredet, welche wir nicht verstehen. Was habt Ihr mit unserem weißen Bruder?«

»Er ist es, den wir suchen, aber er will es nicht gestehen.«

»So ist er es nicht. Die weißen Männer irren sich.«

»Wir irren uns nicht.«

»Er hat Euch beleidigt, als er noch ein Weißer war?«

»Ja, und mehr, noch viel mehr als das!«

»Er ist kein Weißer mehr; er ist ein rother Mann geworden, er ist ein ganz Anderer; er hat Recht. Laßt ab von ihm; ich gebiete es Euch!«

»So werden wir ihn nicht anklagen, aber wir werden ihn tödten!« meinte der kleine Pater im höchsten Zorne.

»Wagt es!«

»Ich thue es, und zwar sofort!«

Er nahm die Büchse empor. Da zeigte der Häuptling im Kreise herum.

»Siehst Du, daß hunderte von Kriegern um Euch stehen? Wenn Du schießest, so seid Ihr Alle verloren!«

»Das fragt sich noch. Unsere Kugeln werden die Hälfte von Euch fressen!«

Da ertönte lauter Hufschlag die Reihe der Zelte herauf. Ein Reiter kam im Galoppe herbei, parirte seinen Mustang vor dem Kreise der Häuptlinge und sprang ab. Sie alle erhoben sich, und einer der Indianer eilte herbei, um sein Pferd zu halten.

»Was ist hier?« frug er in stolzem Tone.

Sein Auge blitzte im Kreise herum und blieb dann mit ernstem Ausdrucke auf Rimatta und dem Bowie-Pater haften. Der alte Häuptling erhob sich:

»Es ist viel geschehen, seit Du nicht hier warst.«

»Sage es!«

»Du hattest den Zug gegen die weißen Jäger anbefohlen.«

»So ist es.«

»Er gelang.«

»Ich wußte es vorher.«

»Sie wurden getödtet, und Alles, was sie bei sich führten, kam in unsere Hand.«

»Sind unsere Krieger zurück?«

»Nur vier von ihnen, Deine beiden Söhne und noch zwei Andere, o Häuptling.«

»Wo sind die übrigen?«

»Todt.«

»Wer hat sie getödtet?«

»Diese hier.«

Da wandte der Zuletztangekommene seine hohe stolze Gestalt nach ihnen.

»Du bist Rimatta, der Häuptling der Apachen?« frug er.

»Ich bin es.«

»Und Du? Ich habe Dich noch nicht gesehen, aber ich kenne Dich an Deiner Gestalt und an Deiner Kleidung. Du bist der Bowie-Pater, der Indianertödter?«

»Du hast richtig gerathen.«

Der Falke, denn dieser war es, wandte sich wieder zu den Seinigen zurück:

»Ich war weit da oben im Norden, um den heiligen Thon zu unseren Pfeifen zu holen. Frieden sollte die heilige rothe Erde bringen, aber nun ich zu meinem Wigwam zurückgekehrt bin, ist Blut geflossen, und vielleicht wird noch weiter welches fließen. Wo sind meine Söhne?«

»In ihrer Hütte.«

»Warum sind sie nicht hier?«

»Sie haben diesen Männern das Gastrecht gegeben und können also nicht mit urtheilen über sie.«

»Wenn die Söhne des Falken ihrem Feinde die Hände reichen, so haben sie ihren Grund dazu. Man möge sie holen. Ihr aber sollt erzählen!«

Der alte Häuptling begann seinen Bericht, während der Falke sich zu ihm niedersetzte. Dieser war der Typus eines ächten Indianers, nicht hoch, aber breit und kräftig gebaut, und alles an ihm war Sehne, Muskel und Kraft.

Der Bericht klang nicht freundlich für die Jäger. Die Zwei, welche dem Blutbade am Rio Pekos entkommen waren, hatten sich alle Mühe gegeben, die Komanchen gegen die Weißen einzunehmen. Während des Vortrages erschienen die beiden Söhne des Falken. Ihr Vater hatte eine sehr lange und außerordentlich gefährliche Reise hinter sich; er war soeben erst eingetroffen, und sie erblickten ihn zum ersten Male, aber es gab keine Scene des Wiedersehens, der Rührung und der Freude; denn dies verbot die strenge indianische Sitte. Er wandte sich zu ihnen, als der Häuptling geendet hatte, und sprach:

»Diese Weißen haben Eure Brüder und Mitkrieger getödtet?«

Sie neigten ihre Häupter zum Zeichen der Bejahung.

»Ihr habt ihnen die Hände der Gastfreundschaft geboten?«

Es erfolgte dieselbe Antwort. Sein Auge richtete sich auf den Einen von ihnen.

»Erzähle!«

Der junge Mann stattete in kurzen wahrheitsgetreuen Worten seinen Bericht ab. Sein Vater hörte ihm aufmerksam zu und entschied sodann:

»Der Häuptling der Komanchen, den seine Freunde und Feinde Falke nennen, freute sich in seinem Herzen, als er seine Wigwams wieder erblickte, nun aber wird diese Freude in Schmerz verwandelt, denn seine Söhne haben, um nicht sterben zu müssen, Freundschaft geschlossen mit den Feinden ihres Volkes. Ihr hättet den Tod vorziehen sollen, und ich hätte mit Wehmuth aber mit Stolz für Eure Seelen angestimmt den Schlachtgesang der Todten, denn drüben in den ewigen Jagdgründen hätte ich Euch wiedergesehen als Helden, denen die Geister der Bleichgesichter dienen müssen. Wäre ich nicht Euer Vater, so hätte ich Euch jetzt begnadigt, denn Ihr habt dennoch nichts Böses gethan, sondern nur gehandelt wie junge Männer handeln, welche das Leben lieb haben. Damit man aber im Lande und bei dem Volke der Komanchen sich nicht erzähle, daß der große Falke weich gegen seine Söhne, werde ich Euch Eure Strafe geben: Ihr verlaßt noch in diesem Augenblicke, ohne zu essen oder zu trinken, das Dorf der Euren und kommt nicht eher zurück, als bis jeder von Euch fünf Skalpe unserer Feinde bringt! Habt Ihr noch zu reden?«

»Was wird mit diesen Männern, für deren Sicherheit wir unser Wort gegeben haben?« frug der Eine, indem er auf die gefangenen Jäger deutete.

»Der Falke wird Euer Wort lösen, sie stehen unter seinem Schutze.«

»Wir gehen!«

Sie traten ab; ihre Mienen waren kalt, denn die Sitte verbot ihnen, die Gefühle, welche sie bei diesem strengen Urtheile bewegten, merken zu lassen.

Jetzt winkte der Falke Rimatta:

»Sprich!«

Der Angeredete bewegte stolz das Haupt.

»Rimatta, der Häuptling der Apachen, ist Gast seiner Feinde, der Komanchen. Er wird nicht sprechen, denn seine Rede ist unnöthig, wie er denken muß!«

»Du hast Recht. Draußen vor den Wigwams würde ich mit Dir kämpfen, um Dich zu tödten, hier aber bist Du so sicher wie im Schooße der Mutter. Aber die weißen Männer mögen reden, denn ich habe erfahren, daß sie eine Klage vorzubringen haben gegen einen der Krieger der Komanchen!«

Da nahm Fred das Wort:

»Wirst Du meine Klage hören?«

»Ich höre sie. Wer bist Du?«

»Du kennst meinen Namen. Man nennt mich Feuertod so weit die Prairie reicht.«

»Du bist ein tapferer Krieger, der noch keinen von uns getödtet hatte.«

»Ich hatte einen Bruder, den ich liebte; wir Beide waren Häuptlinge im Volke der Bleichgesichter, und dieser Mann, der jetzt einer der Eurigen ist, that uns die Dienste, welche bei Euch die Weiber verrichten.«

»Ist dies wahr?«

»Ich beschwöre es. Es gab einen Häuptling, der noch größer war als wir, und der meinen Bruder haßte; an ihn verkaufte und verrieth dieser Mann den Bruder, so daß wir ihn nie wiedersahen, dann entfloh der Verräther nach Amerika. Von hier aus schrieb er Briefe zurück, welche voller Trug und Lüge waren. Wir folgten ihm nach und haben ihn nun gefunden. Er soll uns sagen, wo unser Bruder ist, sonst tödten wir ihn.«

»Ihr habt gethan, wie tapfere Männer thun müssen. Hat er es eingestanden?«

»Nein; er leugnet.«

Da drehte sich der Falke zu Sander um.

»Bist Du der Mann, den diese suchen?«

»Nein, sie lügen.«

»Ihr hört es!«

»Er lügt, weil er die Strafe fürchtet.«

Der Häuptling sann einen Augenblick lang nach, dann meinte er lächelnd:

»Der Falke wird sogleich erfahren; wer die Unwahrheit redet, er oder Ihr. Der Häuptling der Komanchen läßt sich von Niemand bethören.«

Er wandte sich wieder an Sander.

»Wo hast Du Deinen Medizinbeutel?«

»In meinem Wigwam.«

»Ich kenne ihn; ich habe sehr oft gesehen, daß Du auch solche Dinge in ihm hast, welche die Bleichgesichter Briefe nennen. Wo befindet er sich?«

»Hinter dem Lager.«

Während dieser Antwort war es ihm anzusehen, daß er sich in einer außerordentlichen Verlegenheit befand. Sein Geheimniß war ernstlich in Gefahr.

»Ich werde ihn holen, ich selbst und kein Anderer.«

Mit diesen Worten erhob sich der Falke.

»Ich werde ihn Dir bringen,« rief Sander. »Du würdest ihn nicht finden.«

»Bleib; ich finde ihn!«

Da sprang der Renegat empor.

»Und dennoch werde nur ich ihn holen! Er gehört mir, und das Wigwam ist mein, es darf kein Anderer ohne Erlaubniß eintreten!«

»Auch ich nicht, der Falke, welcher der oberste Häuptling seines Volkes ist?«

»Auch Du nicht!«

»Wurm! Doch Du hast Recht, Du kannst es jedem Einzelnen, also auch mir verbieten, die Stelle Deines Feuers zu betreten, aber Deine Weigerung ist ein Beweis, daß Du der Lügner bist, und daß dieses Bleichgesicht die Wahrheit gesprochen hat. Du bist ein Feigling; Du wirst aus unserem Volke gestoßen! Morgen mag die Versammlung über Dich entscheiden!«

»Ich bin nicht feig!«

»Du bist es, sonst würdest Du nicht lügen, sondern Deinen Namen bekennen und dann nach Sitte der Komanchen mit diesen Männern kämpfen.«

»Ich werde Dir zeigen, daß ich kein Feigling bin!«

»Womit?«

»Ich werde mit ihnen kämpfen.«

»So bist Du der, welchen sie suchen?«

»Ja.«

»Du hast bei ihnen die Arbeit der Weiber verrichtet?«

»Ich war ihr Diener.«

»Willst Du ihnen die Briefe zeigen, von denen ich vorhin gesprochen habe?«

»Nein.«

»Wirst Du ihnen sagen, was sie von Dir zu wissen begehren?«

»Nein.«

»Auch mir, Deinem Häuptlinge nicht?«

»Nein. Ich bin in dieser Sache Niemand Rechnung schuldig, als nur mir selbst.«

»Es kann Dich Niemand zwingen. Aber Du wirst mit diesen Bleichgesichtern kämpfen, nachdem wir hier die Stunde des Kampfes bestimmt haben. Gehe!«

Sander erhob sich. Man sah es ihm an, daß er sich erleichtert fühlte.

»Halt!« rief da der Pater.

»Was willst Du?« frug der Falke.

»Dieser Mann darf nicht allein in sein Wigwam gehen!«

»Warum?«

»Er darf den Medizinbeutel nicht behalten.«

»Warum?«

»Der Beutel enthält Briefe, die für uns ganz außerordentlich wichtig sind.«

»Sie sind sein Eigenthum.«

»Nein; sie gehören uns!«

»Er hat sie empfangen; sie sind sein.«

»Das Papier gehört ihm, der Inhalt aber ist nicht sein, sondern unser Eigenthum, denn er enthält das, was wir von ihm wissen wollen!«

»Das Papier ist sein, und die Schrift ist Euer? Ihr werdet morgen mit ihm kämpfen, und der Medizinbeutel wird nach dem Kampfe dem Sieger gehören.«

»Aber wenn Du ihn jetzt gehen lässest, so wird er die Briefe vernichten.«

»Ich werde ihm zwei Männer mitgeben, denen er den Beutel geben soll.«

»Ich gebe ihn nicht her,« meinte Sander, »er ist mein Eigentum.«

»Er wird Dir nicht genommen; er soll nur aufgehoben werden bis nach dem Kampfe; wenn Du tapfer bist, so erhältst Du ihn ja wieder zurück.«

»Gut, ich werde Dir ihn anvertrauen!«

Er ging und auf einen Wink des Falken schlossen sich ihm zwei Andere an.

Dies konnte den Jägern allerdings nicht lieb sein, aber sie waren gezwungen, sich darein zu fügen. Sie wurden nach ihrem Zelte geführt, wo man sie bewachte.

Der Tag verging, ohne daß sich etwas Nennenswerthes begeben hätte, und ebenso ging auch die Nacht zu Ende. Am andern Vormittage öffnete sich ihr Zelt, und es erschien ein Indianer, welcher ihnen befahl, ihm an den Berathungsplatz zu folgen.

Dort waren die Häuptlinge und Angesehensten des Stammes wieder versammelt. Man wies ihnen ihre Plätze an, und sie setzten sich voller Erwartung nieder.

Der Falke begann:

»Der große Geist zürnt den Kriegern der Komanchen, daß sie die Pfeife des Friedens geraucht haben mit den Bleichgesichtern, die eine weiße Farbe haben.«

Er hielt inne und blickte sie einen nach dem Andern an, als ob er eine Antwort erwarte, als aber keiner von ihnen das Schweigen brach, fuhr er fort:

»Es ist den Söhnen der Komanchen ein großes Unglück widerfahren.«

»Welches?« frug der Pater.

»Auch den Bleichgesichtern wird dies Unglück nicht gefallen.«

»So erzähle es!«

»Die Bleichgesichter wollten kämpfen mit Rikarroh –«

»Wir werden mit ihm kämpfen!«

»Sie können ihn nicht besiegen!«

»Warum?«

»Weil er sich nicht mehr im Lager der Komanchen befindet. Er ist fort.«

Die Weißen sprangen zornig auf.

»Du lügst!« rief der Pater.

»Wie dürfen die Weißen es wagen, den Häuptling der Komanchen einen Lügner zu nennen! Sie mögen dieses Wort bereuen und es wieder zurücknehmen.«

»Ich nehme es nicht zurück!«

»Ich habe die Wahrheit gesprochen!«

»Entweder lügst Du jetzt und verbirgst ihn, um ihn zu retten, oder Du hast gestern gelogen, als du versprachst, daß wir mit ihm kämpfen sollten!«

»Der Falke hat gestern die Wahrheit geredet, und er spricht sie auch heute.«

»Wo sind die Briefe, welche der Verräther Dir gestern geben sollte?«

Er langte in sein Jagdgewand und zog einen alten Medizinbeutel hervor.

»Hier ist der Medizinsack. Oeffnet ihn und nehmt die Papiere heraus!«

Fred griff zu und öffnete den Beutel. Er fand zwei Briefe, welche er aus einander schlug, um ihren Inhalt schnell zu überfliegen; dann rief er:

»Betrogen! Diese Briefe sind nicht diejenigen, welche wir suchen!«

»Der Beutel enthielt keine anderen,« antwortete ruhig der Häuptling.

»Ist das wahr?«

»Falke lügt nie!«

»Rufe die beiden Männer, denen er den Beutel übergeben sollte.«

Der Häuptling winkte, und einer der Komanchen erhob sich, um die Verlangten herbei zu holen. Sie kamen, und der Pater verhörte sie sofort:

»Ihr seid gestern mit dem, den ihr Rikarroh nanntet, in sein Zelt gegangen?«

»Ja.«

»Und Euch hat er diesen Medizinbeutel übergeben?«

»Ja.«

»Hat er ihn geöffnet, ehe er denselben in Eure Hände legte?«

»Wir wissen es nicht.«

»Ihr müßt es wissen! Ihr seid ja dabei gewesen!«

»Er hatte ihn in der Ecke des Zeltes stecken. Er kniete lange dort, ehe er sich erhob, und reckte uns seinen Rücken zu. Wir sahen nicht was er that.«

»Aber ich weiß es, was er that: er öffnete den Beutel, um die Briefe heraus und an sich zu nehmen, welche wir von ihm verlangt hatten. Wo ist er?«

»Wissen wir es?« frug der Häuptling.

»Ihr müßt es wissen!«

»Als die Sonne sich erhob, bemerkten die Söhne der Komanchen, daß er das Lager verlassen hatte.«

»Allein?«

»Es sind noch vier Krieger, welche fehlen. Vielleicht haben sie ihn begleitet.«

»Nach welcher Richtung?«

»Ihre Spuren führen nach Westen.«

In diesem Augenblicke nahte sich ein Komanche. Er trat zu dem Falken und erhob stumm die Hand zum Munde, zum Zeichen, daß er sprechen wolle.

»Was will der junge Krieger seinen Vätern sagen?« frug ihn der Häuptling.

Der Gefragte antwortete:

»Alle Männer der Komanchen wissen, daß den Bleichgesichtern von unsern Kriegern viele Lederbeutel abgenommen wurden, welche mit Gold gefüllt waren.«

»Wir wissen es.«

»Dieses Gold wurde aufbewahrt in der Erde jenseits unseres Lagers.«

»Da liegt es.«

»Da liegt es nicht mehr. Es ist verschwunden.«

Der Falke fuhr mit der Faust nach seinem Messer.

»Wer hat es genommen?«

»Ich weiß es nicht.«

»Wer hat es entdeckt, daß es fort ist?«

»Ich.«

»Erzähle!«

»Ich ging, um mir aus der Heerde ein Pferd zu holen. Der Weg führte mich an dem Orte vorüber, an welchem das Gold vergraben liegt. Ich sah, daß man das Versteck geöffnet und nicht wieder gut verschlossen hatte. Das Gold ist fort.«

»Der Falke wird selbst nachsehen. Ich kenne den Ort noch nicht. Führe mich.«

Er erhob sich und verschwand mit ihm hinter den Zelten. Nach einiger Zeit kehrte er allein zurück. Er nahm an seiner vorigen Stelle wieder Platz und berichtete:

»Das Gold ist fort. Rikarroh hat es mitgenommen. Die Söhne der Komanchen wissen viele Orte, wo Gold zu finden ist, aber sie verachten es. Sie bedauern es nicht, daß dieses Metall verschwunden ist!«

Da nahm Bill Holmers das Wort:

»Aber wir bedauern es. Wir haben gegraben im Schweiße unseres Angesichts, um es zu finden, und als wir es hatten, wurde es uns von den Kriegern der Komanchen geraubt. Wir kamen zu ihnen, um es uns wieder zu holen, und nun ist es wieder verschwunden. Wir werden Rikarroh verfolgen, um es ihm abzunehmen!«

»Können die Bleichgesichter fort von hier?«

»Wer will uns halten?«

»Sie sind unsere Gefangenen!«

»Wir? Wir haben die Pfeife des Friedens mit Euch geraucht, wir sind nicht die Gefangenen der Komanchen, sondern wir sind die Freunde und Gefährten derselben.«

»Ihr habt unsere Krieger getödtet.«

»Sie wollten uns angreifen und tödten. Wir haben uns nur gewehrt gegen sie!«

»Es ist Blut geflossen, und dies kann nur durch Blut wieder abgewaschen werden.«

»Wir sind freiwillig zu den Hütten der Komanchen gekommen, wir haben die Söhne des Falken verschont, und diese haben uns Eure Gastfreundschaft versprochen.«

»Kann dies mir meine verlorenen Krieger wiedergeben? Die Kinder der Komanchen haben die Pfeife nicht freiwillig mit Euch geraucht; Ihr habt sie gestohlen!«

»Und Du hast uns dann gesagt, daß wir nun Gäste von Euch geworden sind.«

»Ihr seid unsere Gäste aber blos so lange, als Ihr in unsern Hütten Euch befindet.«

»Und dann?«

»Dann seid Ihr wieder unsere Feinde, und wir werden Euch zu tödten wissen.«

»Und wir werden uns zu wehren wissen!« meinte der Pater. Rimatta erhob sich.

»Die Söhne der Komanchen haben Gift im Munde und Lüge in ihrem Herzen. Sie entweihen die heiligen Gebräuche der rothen Männer. Rimatta verachtet sie!«

Er drehte sich um und ging fort; die Andern folgten ihm nach, ihrem Zelte zu.

Nach Verlauf von einer Stunde öffnete sich dasselbe, und der Falke trat ein.

»Rimatta, der Häuptling der Apachen, hat uns beleidigt,« meinte er, »aber wir werden ihm zeigen, daß wir die heiligen Gebräuche nicht entweihen.«

»Willst Du uns dies zeigen?« frug der Pater mit gespannter Miene.

»Die Häuptlinge der Komanchen haben sich berathen, sie werden die Bleichgesichter und den Apachen entlassen.«

»Wann?«

»Heut.«

»Mit Allem, was wir bei uns haben?«

»Mit Allem.«

»Auch unsere Pferde bekommen wir?«

»Auch die Pferde. Die weißen Jäger werden den vierten Theil eines Tages Zeit erhalten, dann jagen ihnen die Komanchen nach, um sie zu tödten.«

»Ich danke Dir, Häuptling. Ihr werdet uns nicht tödten. Wann dürfen wir fort?«

»Wann es den weißen Jägern beliebt. Sie dürfen es nur ihrer Wache sagen.«

Er ging. Die Zurückbleibenden athmeten auf.

»Also eine Hetzjagd wie gewöhnlich!« meinte Fred.

»Die uns keinen Schaden macht,« setzte der Pater hinzu.

»Aber sie haben ausgezeichnete Pferde: sie werden uns vielleicht einholen!«

»Der vierte Theil eines Tages, also sechs Stunden Vorsprung, das ist genug!«

Bill Holmers lachte:

»Sechs Stunden? Es kommt nur auf uns an, daraus zwölf Stunden zu machen.«

»Wie so?«

»Jetzt ist es kurz vor Mittag. Warten wir noch drei oder vier Stunden!«

»Aha!«

»Ja. Sie werden sehr streng Wort halten und genau sechs Stunden warten; dann aber brechen sie mit der Sekunde auf. Wenn wir nun um vier Uhr aufbrechen, so läuft die Frist um Zehn ab, also wenn es dunkel ist. Dann aber sind sie, wenn sie unsere Fährte erkennen wollen, gezwungen, bis morgen früh zu warten, wenn es wieder hell geworden ist.«

»Ganz recht; so wird es gemacht. Und wohin wenden wir uns?«

»Natürlich nach Westen, um diesen Rikarroh zu verfolgen.«

»Wohin wird er sein?«

»Laßt uns überlegen! Vor den Komanchen darf er sich nicht wieder sehen lassen, weil er sie bestohlen hat.«

»Zu den Apachen kann er auch nicht, denn sie sind seine Feinde, besonders da er Komanchen bei sich hat.«

»Es bleibt allerdings dann nichts übrig, als daß er zu den Ravojes geht.«

»Wo lagern die Stämme derselben jetzt?«

»Jenseits des Rio Kolorado.«

»Dann müssen sie vorher durch das Gebiet der Pahuta. Vielleicht suchen sie bei diesen Schutz.«

Rimatta schüttelte mit dem Kopfe.

»Die Pahuta sind jetzt Freunde der Apachen, sie werden weder einen Komachen noch ein Bleichgesicht bei sich behalten, sondern sie würden Beide tödten.«

»Aber wir?«

»Meine weißen Brüder haben von ihnen nichts zu befürchten, da ich bei ihnen bin. Die Krieger der Pahuta kennen Rimatta, den Häuptling der Apachen.«

»Die Hauptsache ist, wenn wir das Lager hier verlassen, daß wir Lebensmittel mitnehmen. Aber wie wollen wir diese bekommen?«

»Meine Brüder mögen keine Sorge haben. Die Heerden der Komanchen weiden draußen vor dem Lager. Wenn wir gehen, werden wir ein Rind tödten, und Jeder schneidet sich ein Stück von demselben ab. Das wird höchstens so viel Zeit erfordern, als die Weißen den vierten Theil einer Stunde nennen.«

»Haben die Komanchen zahme Rinder?«

»Sie haben einige gebändigte Kühe, um Milch trinken zu können.«

Jetzt nun sahen die Jäger darauf, daß ihre Kleider und Waffen sich in dem gehörigen Stande befanden, und als es ungefähr vier Uhr am Nachmittage war, ritten sie zum Lager hinaus. Kein Mensch begleitete sie, und kein Mensch folgte ihnen nach.

 

Westlich vom Rio grande schieben die Kordilleren von Sonora zahlreiche Höhenzüge nach Norden vor, über welche nur wenige Wege führen. Auf der Höhe eines dieser Pässe lagerten eines Tages mehrere weiße Jäger, bei denen sich auch ein Indianer befand. Es war Rimatta mit seinen Freunden.

Einer der Jäger stand auf einem hohen Felsen, von welchem aus er sowohl den vor- als auch den rückwärts liegenden Theil des Weges überblicken konnte. Er hatte die Aufgabe, für die Sicherheit seiner Gefährten zu sorgen, und eben jetzt schien er etwas Ueberraschendes bemerkt zu haben, denn er duckte sich nieder, blickte aufmerksam in das Thal hinunter und stieg dann eiligst herab.

»Halloh!«

»Was gibt es?«

»Rothe Männer.«

»Wie viele?«

»Fünf.«

»Beritten?«

»Ja.«

»Von welchem Stamme?«

»Konnte es nicht erkennen, sie tragen rothe und blaue Erde im Gesichte.«

»Dann befinden sie sich auf dem Kriegspfade. Welche Richtung haben sie?«

»Zu uns herauf.«

»Ah, dann gibt es vielleicht einen Kampf! Wie weit sind sie noch entfernt?«

»Sie werden in einer Viertelstunde hier oben anlangen.«

»Schön; werden sie gut empfangen! Schafft die Pferde fort. Wollen die Rothen einmal ein wenig zum Narren haben. Ich bleibe mit Rimatta hier, die Andern aber theilen sich, um den Platz vorn und hinten abzusperren. Laßt sie herein, aber nicht wieder hinaus, und schießt nicht eher als bis Ihr seht, daß es nothwendig ist. Freue mich auf ihre Gesichter.«

Diesen Worten des Bowie-Paters wurde sofort Folge geleistet.

Die Höhe des Passes, auf welcher sie sich befanden, bildete ein rings von kurzen Felsenkegeln und Steinspitzen umgebenes kleines Plateau, wo es für die Jäger genug Verstecke gab, um von den Ankommenden nicht bemerkt zu werden. In Zeit von zwei Minuten war dieses Plateau vollständig einsam und leer, und nur Rimatta und der Pater lagen scheinbar schlafend unter einem Felsen, die Büchsen neben sich angelehnt.

Als die Viertelstunde vergangen war, ertönte ein Pferdegetrappel, und die fünf Wilden erschienen. Sie stutzten beim Anblicke der beiden Schläfer, welche keine Bewegung machten, aber die Ankommenden unter ihren nur leise geschlossenen Lidern hervor sehr scharf beobachteten.

»Uff!« hörten sie den leisen Ruf des Einen der Indianer.

Dieser winkte seinen Gefährten, welche nach den Waffen gegriffen hatten. Dann stieg er vom Pferde und kam lautlos herbeigeschlichen. Er nahm die beiden Büchsen fort und gab den Anderen dann das Zeichen herbeizukommen.

»Uff!« rief er dann mit lauter Stimme.

Die Beiden thaten, als ob sie jetzt erwachten, und richteten sich empor.

»Wer sind diese beiden Männer?« frug der Wilde.

»Kennst Du uns nicht?« frug der Pater.

»Diesen kenne ich. Er ist der größte Feind der Komanchen, er soll sterben. Dich aber kenne ich nicht. Du bist ein weißer Jäger, sage mir den Namen, den Du trägst.«

»Du hast ihn wohl schon öfters gehört. Man nennt mich Bowie-Pater, den Indianertödter.«

»Ugh!« rief der Wilde erstaunt. »Du bist ein noch größerer Feind von uns als dieser da. Die Geier werden Dein Fleisch verzehren und Deine Knochen zerreißen.«

»Möglich, aber jetzt noch nicht! Wo sind unsere Gewehre? Gib sie her!«

»Du wirst sie niemals wieder erhalten. Der große Geist hat Deinen Tod beschlossen, und seine rothen Kinder werden seinem Willen Gehorsam leisten.«

Er nahm den Lasso von seinen Hüften. Der Pater aber erhob lachend seine Hand.

»Der große Geist hat nicht meinen, sondern Euren Tod beschlossen, und so soll Euch geschehen, was Ihr an uns thun wolltet. Erhebt Eure Augen, und schaut um Euch!«

Bei diesen Worten traten die Andern aus ihren Verstecken hervor und legten ihre Büchsen auf die Wilden an. Ein Zeichen des Paters genügte, sie alle zu tödten.

»Uff!« rief der Anführer. »Mein weißer Bruder hat uns in seiner Hand.«

»Siehst Du wohl? Steigt von den Pferden, und legt Eure Waffen von Euch.«

Die Indianer sahen, daß eine Gegenwehr erfolglos sei. Sie gehorchten seinem Befehle.

»Tödten wir sie?« frug der Pater die Andern.

»Nein,« antwortete Bill Holmers.

»Aber es sind Komanchen, und sie befinden sich auf dem Kriegspfade!«

»Was kann uns ihr Tod für Nutzen bringen?«

»Aber schaden können sie uns, wenn wir so unvorsichtig sind, sie am Leben zu lassen.«

»Das können wir umgehen. Fragen wir, welche Meinung der Apache hat!«

Rimatta blickte die Feinde finster an, dann meinte er:

»Die Krieger der Komanchen wollten uns tödten, aber sie haben es nicht gethan. Wenn sie dem Häuptling der Apachen seine Fragen beantworten, so sollen sie leben bleiben, damit sie ihren Brüdern erzählen, daß wir entkommen sind.«

»Meinetwegen!« meinte der Pater, und dann wandte er sich an die Komanchen: »Werdet Ihr uns antworten, wenn wir Euch ruhig ziehen lassen?«

»Fragt uns!« antwortete der Anführer.

»Die Söhne der Komanchen sind auf dem Kriegspfade. Wo waren sie?« frug Rimatta.

»Wir haben die Söhne der Acoma bekämpft.«

»Was thaten sie Euch?«

»Sie sind stets unsere Feinde gewesen. Dann schlichen wir uns durch die Jagdgebiete der Apachen, um zurückzukehren zu unsern Vätern und Brüdern.«

»Habt Ihr welche Krieger der Apachen getödtet?«

»Nein.«

»Sprecht Ihr die Wahrheit? Der Mund der Komanchen ist stets voller Lüge!«

»Hätten wir sie getödtet, so würdest Du ihre Skalpe bei uns sehen.«

»Da habt Ihr recht geredet. Sind Euch auf diesem Wege fünf Reiter begegnet?«

»Warum spricht der Häuptling der Apachen diese Frage zu uns?«

»Weil er eine Antwort haben will.«

»Wir brauchen nicht zu antworten; sein Auge ist hell genug, um zu sehen.«

»Ich kenne die Spuren Derer, die ich suche. Sie sind Feinde der Komanchen.«

»Dann sind wir ihnen nicht begegnet; die wir trafen, sind unsere Brüder.«

»Sie sind nicht Eure Brüder. Sie haben das Lager ihrer Freunde beraubt und sind dann geflohen.«

»Woher weißt Du das?«

»Rimatta und diese Männer kommen vom Lager der Komanchen.«

»So redet Rimatta jetzt selbst die Lüge. Die Komanchen hätten ihn getödtet!«

»Der Mund des Apachen sagt niemals die Falschheit, er wird Euch erzählen.«

Und nun erzählte er ihnen nach Art und Weise der Indianer in kurzen Worten die letzten Abenteuer der Jäger. Die Komanchen hörten aufmerksam zu, und dann antwortete der Führer:

»Rikarroh ist ein Bleichgesicht; seine Farbe ist weiß, sein Herz aber ist schwarz.«

»Ihr seid ihm begegnet?«

»Wir haben ihn gesehen.«

»Und auch mit ihm gesprochen?«

»Wir haben an seinem Feuer gesessen, und er hat viel mit uns geredet.«

»Welchen Grund hat er gesagt, daß er das Lager der Komanchen verlassen hat?«

»Er sagt, der Falke habe ihn ausgesandt, die Apachen zu erkundschaften.«

»Er hat gelogen. Habt Ihr die Nuggets gesehen, welche er bei sich führte?«

»Nein.«

»So hat er sie versteckt!«

»Er war in einer Hütte, welche aus Zweigen bestand, darinnen wird das Gold gewesen sein; aber gesehen haben es die Krieger der Komanchen nicht.«

»Wo ist der Ort, an welchem er sich befand?«

»Reite einen Tag lang nach Westen bis an den Fluß, welchen die Apachen Tom-scho nennen; dieser hat einen Wasserfall, dort war das Lager des Diebes.«

»Die Krieger der Komanchen haben gut gesprochen. Sie sind frei!«

Eine so schnelle Erlösung hatten sie nicht erwartet, sie stiegen daher sehr eilig auf und ritten davon, um den Jägern keine Zeit zu geben, auf andere Gedanken zu kommen. Diese aber ritten in entgegengesetzter Richtung davon.

 

Die Stadt San Franzisko liegt auf einer Landzunge, hat das große Weltmeer im Westen, die herrliche Bai im Osten und den Eingang zu dieser Bai im Norden. In ihren Straßen erblickt man die blasse schmächtige Amerikanerin, die stolze schwarzäugige Spanierin, die blonde Deutsche, die elegante Amerikanerin, die farbige kraushaarige Dame. Der reiche Kavalier mit Frack, Cylinder und Handschuhen trägt in der einen Hand einen Schinken und in der anderen einen Gemüsekorb, der Ranchero schwingt ein Netz mit Fischen über die Schulter, um damit einen Festtag zu feiern, ein Milizoffizier hält einen gemästeten Kapaun gefangen, ein Quäker hat einige mächtige Hummern in die gleich einer Schürze aufgerafften Schöße seines langen Rockes verpackt – und das Alles bewegt sich neben, vor, hinter und durch einander, ohne sich zu stören.

Durch dieses Gewimmel der Metropole des Goldlandes bewegte sich eine Kavalkade von Reitern und hielt endlich in der Sutterstreet vor dem Hotel Valladolid. Dies war ein Hotel in kalifornischem Stile und bestand aus einem langen und tiefen einstöckigen Brettergebäude, ganz ähnlich den Eintagstrinkbuden, welche man auf unseren Schützenfesten findet.

Dort stiegen sie ab und übergaben ihre Pferde dem Horsekeeper, welcher sie in einen Schuppen brachte. Die Gaststube war trotz ihrer ungeheuren Größe voller Gäste, so daß die Neuangekommenen nur noch einen Tisch fanden, an welchem sie Platz nehmen konnten. Eine Kellnerin kam herbei und holte den Porter, welchen sie sich bestellten. Dann frug der Eine:

»Ist die Sennora zu sprechen, mein Kind?«

»Ja. Soll ich sie holen?«

»Ich bitte darum!«

Das Mädchen entfernte sich, und bald darauf erschien die Wirthin und frug nach dem Begehr der Gäste. Der vorige Sprecher erhob sich.

»Gestatten Sie mir, mich Ihnen vorzustellen, Sennora! Mein Name ist Friedrich von Walmy; ich bin ein Deutscher, und dies sind meine Gefährten.«

Sie knixte und blickte ihn erwartungsvoll an.

»Wir sind an Sie gewiesen, Sennora.«

»Ah! Darf ich fragen, von wem?«

»Zwei Tagereisen von hier gibt es einen Rancho, dessen Herrin Eudoxia Mafero heißt?«

»Ich kenne ihn.«

»Diese Herrin ist Ihre Schwester?«

»Ja.«

»Sie hat uns Ihr Hotel empfohlen und dabei gesagt, daß wir hier Jemand finden werden, den wir nothwendig sprechen müssen. Können wir bei Ihnen logiren?«

»Alle?«

»Alle.«

»Es wird Raum vorhanden sein. Wen suchen Sie, mein Herr?«

»Ist nicht ein Weißer in Begleitung von vier Indianern hier abgestiegen?«

»Allerdings.«

»Wann?«

»Vorgestern.«

»Er logirt hier?«

»Er allein.«

»Und die Indianer?«

»Diese sind nach den Bergen geritten, vielleicht in die Minen.«

»Wie hat sich der Herr genannt?«

»Gar nicht. Man fragt hier erst spät nach den Namen der Gäste.«

»Ist er zu sprechen?«

»Lassen Sie mich nachsehen!«

Sie blickte in dem weiten Raum von Tisch zu Tisch umher, schien aber den Gegenstand ihres Suchens nicht zu bemerken.

»Ich sehe ihn nicht, Sennor.«

»Er befindet sich vielleicht auf seinem Zimmer?«

»O nein, denn wir haben hier keine einzelnen Zimmer, sondern die Gäste schlafen alle in dem großen Raume unter dem Dach. Er wird ausgegangen sein.«

»Hatte er Gepäck mit?«

»Ja, zwei große, aus Hirschfell gefertigte Säcke, welche von den Pferden kaum geschleppt werden konnten. Dann aber hat er sich sogleich einen Koffer gekauft. Er will die Stadt verlassen und frug nach einem Schiffe, welches möglichst bald in See geht.«

»Ich danke Ihnen! Wollen Sie mir eine Bitte erfüllen?«

»Welche?«

»Sagen Sie ihm nicht, daß nach ihm gefragt worden ist, es gilt eine Ueberraschung.«

»Wie Sie wünschen. Eine gute Wirthin darf ja überhaupt nicht plauderhaft sein.«

Sie entfernte sich, und zu gleicher Zeit traten zwei Männer ein, welche sich nach einem Platze umsahen. Sie trugen die norländische Marineuniform, doch ohne Abzeichen ihres Ranges. Der Eine war sehr lang und stark gebaut, ein wahrer Goliath, der Andere aber schmächtig, und dabei zeigte sein wettergebräuntes Gesicht jenen Typus, welchen man bei den Zigeunern zu sehen gewohnt ist. Da es keinen weiteren Platz gab, so ließen sie sich an demselben Tische nieder, an welchem die Zuletztangekommenen saßen. Sie grüßten diese, nahmen aber weiter keine Notiz von ihnen.

»Verdammte Geschichte! Nicht, Karavey?« frug der Riese.

»Hm! Trink, Steuermann!« antwortete der Andere.

»Drei volle Tage zu spät. Der Teufel hole diese Hunde!«

»Trink! Durch das Raisonniren wird es nicht besser.«

Das Kellermädchen hatte zwei Gläser Ale gebracht. Der Riese goß das Seinige bis zum letzten Tropfen hinunter, schlug mit der Faust auf den Tisch und meinte:

»Weißt Du, wofür wir nun gehalten werden?«

»Für brave Seeleute.«

»Wenn Du das denkst, so geht Dein Wind schief. O nein, für Deserteurs wird man uns halten, und wenn wir heim kommen, macht man uns den Prozeß.«

»Wir müssen es dem Konsul melden und uns ihm zur Verfügung stellen.«

»Papperlapapp! Wenn wir zu ihm kommen, wird er uns einstecken, das thut er!«

»Aber was dann?«

»Ich gehe auf das erste beste Fahrzeug und segle nach Hause. Dorthin ist der »Tiger« voraus, und wenn wir dem Kommodore unsern Unfall erzählen, so wird er unsern Worten Glauben schenken; davon bin ich sehr überzeugt.«

»An Bord gehen? Hast Du Geld?«

»Ich? Alle Wetter, nein!«

»Ich auch nicht. Elf Dollars, das ist alles, was ich bei mir trage.«

»Und ich höchstens noch fünf. Eine ganz verteufelte Lavirerei! Nicht?«

Da wandte sich Fred zu ihnen, er war der Einzige, der ihre Worte verstanden hatte, da sie seine heimathliche Sprache redeten. Dies schien so. Aber der Pater lauschte auch aufmerksam zu ihnen hinüber.

»Wie ich höre, ist Ihnen ein Unglück begegnet?« fragte Fred.

»Ein Unglück?« antwortete der Riese. »Nein, sondern geradezu ein Mallör!«

»Darf ich fragen, worin dieses Malheur besteht?«

»Warum nicht! Ich heiße Balduin Schubert und bin Steuermann auf seiner Majestät Kriegsschiff »Tiger«. Dieser heißt Karavey und ist Hochbootsmann. Wir lagen hier vor Anker und ließen uns Urlaub geben, weil wir einmal sehen wollten, wie das Gold aus der Erde hervorgescharrt wird. Auf dem Rückwege schlossen wir uns einer Gesellschaft von Diggers an. Diese verfehlten den Weg, und nun kommen wir drei Tage zu spät. Der »Tiger« ist fort!«

»Der »Tiger?« Diesen Namen trug einst ein sehr berühmtes Fahrzeug, welches dem schwarzen Kapitän gehörte.«

»Dem »Schwarzen Kapitän«? Ja; das war Nurwan Pascha, der jetzige Herzog von Raumburg. Sein Sohn Arthur, der frühere Prinz von Sternburg, ist unser Kommodor.«

»Arthur von Sternburg? O, das war ein liebenswürdiger braver Offizier.«

»Sie kennen ihn?«

»O, sehr gut. Wir waren Freunde.«

»Freunde? Alle Wetter, dann müssen wir auch Freunde werden. Hier meine Hand!«

Fred lächelte. Er als Baron der Freund eines so einfachen Seemannes! Er schlug ein.

»Topp! Obgleich ich nicht sagen kann, welchen Zweck diese Freundschaft haben könnte.«

»Zweck? Herr, ich kenne Sie nicht, aber auch wenn Sie ein vornehmerer Mann sein sollten, als es den Anschein hat, kann Ihnen ein einfacher Mann wohl nützlich werden. Uebrigens rechne ich mich zu den besten Freunden meines Kommodores.«

Fred lächelte leise. Das schien dem Steuermann zu mißfallen.

»Hören Sie, wenn Ihnen meine Freundschaft ungelegen kommt, so haben Sie ja gar nicht nöthig sie anzunehmen! Ich dränge sie keinem Menschen auf. Mein Name ist ein bürgerlicher, aber der Steuermann auf dem »Tiger« steht in dem Range eines Hauptmannes. Darf ich vielleicht erfahren wie Sie heißen?«

»Ich heiße Friedrich von Walmy. Meine Familie wohnt in Süderland.«

»Walmy – Walmy –« machte der Steuermann nachdenklich »Hm, diesen Namen muß ich gehört haben! Ah, alle Wetter, jetzt besinne ich mich! Habe einen Matrosen gekannt, taugte nicht viel, wurde fortgejagt und kam dann in den Dienst eines jungen Barones, der wohl Theodor von Walmy hieß.«

Fred horchte auf.

»Das ist mein Bruder!« rief er. »Wie hieß dieser fortgeschickte Matrose?«

»Sander, Georg Sander, wenn ich mich nicht irre. Hatte ein böses Gesicht, der Kerl.«

»Ah, welch ein Zufall! Würden Sie diesen Menschen jetzt wieder erkennen?«

»Denke es, obgleich es eine Reihe von Jahren her ist, daß ich ihn nicht gesehen habe. Aber es gibt Gesichter, die man nach hundert Jahren wieder erkennt!«

»So können Sie mir allerdings von Nutzen sein. Wir suchen ihn.«

»Wo?«

»Hier!«

»Ah! Ist er hier in Kalifornien, in Franzisko? Wie kommt er her?«

»Das will ich Ihnen sagen. Er hat meiner Familie einen Schurkenstreich gespielt und ist dann nach Amerika gegangen.«

»Welchen Streich?«

»Er hat meinen Bruder an den »tollen Prinzen« verrathen. Theodor ist seit dieser Zeit verschwunden, und wir haben keine Spur von ihm entdecken können.«

»An den tollen Prinzen? Donnerwetter, da kommen Sie in mein Fahrwasser.«

»Wie so?«

»Weil ich eine sehr bedeutende Rechnung mit ihm auszugleichen habe.«

»Sie? Kennen Sie ihn? Sind Sie in Beziehung zu ihm gekommen?«

»Das will ich meinen!«

»In wie fern? Erzählen Sie!«

»Haben Sie nichts von den Ereignissen gehört, welche während des letzten Krieges ein so großes Aufsehen sowohl in Norland als auch in Süderland machten?«

»Einiges. Ich war damals bereits in dem Westen Amerikas. Erzählen Sie!«

»Das kann kein Mensch besser wie ich, denn ich und hier mein Hochbootsmann, wir haben damals auch eine Rolle mitgespielt. Er heißt nur Karavey, aber er ist dennoch der Schwager des alten und der Onkel des neuen Fürsten von Raumburg.«

»Das wäre außerordentlich!«

»Hören Sie!«

Der Steuermann erzählte, und Fred hörte ihm mit der größten Spannung zu. Auch der Pater konnte das Interesse nicht verbergen, welches er an der Erzählung nahm. Als Schubert geendet harre, reichte Fred ihm die Hand entgegen.

»Das sind ja wirklich ganz ungewöhnliche Dinge, die Sie da erlebt haben! Sie haben recht. Wir müssen Freunde werden. Nun will ich Ihnen auch ausführlich berichten, was mich nach Amerika getrieben hat und was ich hier erlebt habe.«

Auch er erzählte. Als er geendet harre, schlug der Steuermann auf den Tisch, daß die Gläser und Flaschen emporsprangen.

»Alle Wetter! Ist das wahr, Alles wahr, was Sie mir da erzählt haben?«

»Alles.«

»Und der Kerl, dieser Georg Sander hat die Nuggets hierher gebracht?«

»Wahrscheinlich.«

»Wenn das so ist, so ist uns Allen geholfen.«

»Wie so?«

»Warten Sie!«

Er nickte näher zu dem Hochbootsmann heran und flüsterte einige Zeit mit ihm. Dieser musterte die Gesellschaft, antwortete leise und nickte dann zustimmend.

»Hören Sie,« wandte sich der Steuermann wieder an Fred. »Wer von diesen Leuten hier versteht unsere Sprache?«

»Nur ich und vielleicht auch dieser Master dort.«

Er deutete dabei auf den Bowie-Pater.

»Wer ist er?«

»Ein treuer Gefährte von mir.«

»Ein ehrlicher Kerl, dem man Vertrauen schenken darf?«

»Vollständiges Vertrauen.«

»Und die Andern. Wer sind sie?«

»Prairiejäger und Fallensteller, die hier im Lande bleiben werden.«

»Sie also wollen fort von hier?«

»Vielleicht.«

»Und dieser Master auch?«

»Vielleicht. Es kommt darauf an, was wir von Georg Sander erfahren.«

In diesem Augenblicke trat die Wirthin herbei.

»Der Mann, mit dem Sie sprechen wollen, ist soeben zurückgekehrt,« meinte sie.

»Wo befindet er sich?«

»Er ist nach dem Schlafraum gegangen; ich war gerade dort als er kam.«

»Wie kommt man hinauf?«

»Die Treppe führt vom Hofe empor.«

»Sind Andere oben?«

»Nein.«

»Danke!«

Sie entfernte sich, und Fred wandte sich an Bill, den Pater und den Steuermann:

»Kommt! Wir Vier sind mehr als genug, mit ihm fertig zu werden.«

Sie erhoben sich, gingen nach dem Hofe und stiegen dort die Treppe empor. Sie kamen in einen langen niedrigen Dachraum, der die ganze Breite des Gebäudes einnahm. Er war mit zahlreichen Bettstellen besetzt. Neben einer derselben kniete ein Mann, der ihnen den Rücken zukehrte und sich mit einem geöffneten Koffer beschäftigte. Fred schlich sich mit unhörbaren Schritten zu ihm hin und blickte über seine Schultern. Der sehr große Koffer war ganz mit Nuggets gefüllt.

»Sander!« rief er laut.

Der Angeredete fuhr herum und empor. Er starrte den Jäger an wie ein Gespenst.

»Kennst Du mich, Bursche?«

Die Andern waren wieder hinter die Thür zurückgetreten, so daß der Ueberraschte sie nicht sehen konnte. Er glaubte sich mit Fred allein und faßte sich daher.

»Was wollen Sie?« trug er, indem er die Hand an das Messer legte.

»Dich fragen, ob Du mich noch kennst!«

»Sie kennen? Pah! Was liegt daran, ob ich Sie kenne oder nicht kenne?«

»Allerdings; Du hast Recht; es ist ja vollständig genug, daß ich Dich kenne!«

»Master, habe ich Ihnen die Erlaubnis gegeben, mich Du zu nennen?«

»Dieser Erlaubniß bedarf es wohl nicht. Ich habe Dich als Knabe so genannt.«

»Mich? Das ist eine verdammte Täuschung. Was wollen Sie also von mir?«

»Zunächst nichts weiter als diese Nuggets.«

»Ah! Erlauben Sie mir gefälligst anzunehmen, daß Sie verrückt sind.«

»Ich erlaube es Dir. Auch ein Verrückter kann Geld und Nuggets gebrauchen.«

»Aber, zum Teufel, ich kenne Sie ja gar nicht!«

»Hm, ich dachte, wir hätten uns bereits bei den Komanchen gesehen! Ists nicht so?«

»Bin in meinem ganzen Leben nicht mit einem von diesen Leuten zusammen gekommen!«

»Schau, wie man sich irren kann! So haben wir uns also früher gekannt, nicht?«

»Möchte sehr wissen, wo!«

»Wohl in Süderland. Du kennst dort doch wohl die Familie von Walmy.«

»Kenne sie nicht.«

»Auch nicht den Namen einer Kunstreiterin, welche Miß Ella hieß?«

»Auch nicht.«

»Auch nicht jenen Königssohn, welcher nur der »tolle Prinz« genannt wurde?«

»Nein.«

»Auch nicht einen Diener der Familie Walmy, welcher Georg Sander hieß?«

»Nein.«

»Du hast ein sehr kurzes Gedächtniß. Warum erschrakst Du jetzt, als ich Dich bei diesem Namen nannte?«

»Weil ich mich allein geglaubt hatte, über den Namen aber bin ich nicht erschrocken.«

»So muß ich Dir doch die Zeugen bringen, über die Du mehr erschrecken wirst.«

Er winkte, und die Andern traten ein. Sander erbleichte jetzt zusehends.

»Nun, Bursche, erkennst Du auch diese nicht?«

»Ich kenne sie nicht.«

»Hm! Indianer pflegen nichts zu vergessen, und Du bist doch Rikarroh, der Komanche.«

»Sie irren, Sir. Sie verwechseln die Personen. Ich muß Jemand ähnlich sehen!«

Da trat der Steuermann zu ihm heran.

»Kennst du auch mich nicht, alter Swalker, he?«

»Nein.«

»Ich heiße Balduin Schubert. Verstehst Du mich! Du warst mit mir auf Sr. Majestät Kriegsschiffe Neptun und wurdest fortgejagt. Solche Galgengesichter vergißt man nicht, und ich habe Dich sofort erkannt, als ich Dich jetzt wiedersah.«

»Sie irren sich!«

»Pah,« meinte da der Pater. »Macht mit diesem Menschen nicht so viel Federlesens! Wir sind hier in Amerika und brauchen weder ein Gericht noch einen Advokaten. Gestehst Du, daß Du Derjenige bist, für den wir Dich halten?«

»Nein.«

»Gut! Auch mich hast Du gekannt, aber ich will Dir glauben, daß Du mich in dieser Gestalt nicht wieder kennst. Hier stehen vier Männer, die sich nicht belügen lassen, und ein Jeder hat sein Messer bei sich. Jetzt werde ich Dich verhören, und ich sage Dir, belügst Du auch mich, so fährst Du zum Teufel!«

Dies schien Eindruck zu machen. Er blickte ängstlich um sich und frug dann:

»Wer sind Sie?«

»Wer ich früher war, das ist hier gleichgiltig, jetzt aber nennt man mich den Bowie-Pater, und von dem wirst Du wohl genug gehört haben, um zu wissen, was Dir bevorsteht, wenn Du es wagst ihn zu belügen. Also rede die Wahrheit! Woher stammst Du?«

Der Pater hatte sein Messer gezogen, die Andern die ihrigen ebenso. Der Gefragte sah, daß ihm kein Leugnen mehr helfen konnte. Er stammelte:

»Aus Süderland.«

»Gut, mein Junge! Ich sehe, daß Du Verstand annimmst. Wie heißt Du?«

»Georg Sander.«

»Schön! Du warst der Diener von dem Baron Theodor von Walmy?«

»Ja.«

»Du bist auch der Komanche Rikarroh?«

»Ja.«

»Von wem hast Du das Gold hier in Deinem Koffer?«

»Ich habe es selbst ausgewaschen.«

»Sehr gut! Bete ein Vaterunser, mein Sohn, mit Dir ist's vorbei!«

»Ihr könnt mir nichts thun!«

»Ah! Warum nicht?«

»Man würde Euch einziehen und bestrafen.«

»Du bist wirklich ein viel größerer Narr, als ich dachte! Wenn Dich mein Messer trifft und wir gehen fort, wer ist es dann gewesen? Und wenn es an den Tag kommt, meinst Du, daß ich mich fürchte? Du reizest mich, Du legst die Hand an das Messer, kennst Du nicht die Sitte dieses Landes? Du hast zweierlei Wege vor Dir. Der eine ist, daß wir Dich dem Richter übergeben und ihm sagen, was wir von Dir wissen, dann hängst Du in einer Stunde am Laternenpfahle.«

»Und der andere?«

»Du gestehst uns Alles und kannst in diesem Falle auf unsere Nachsicht rechnen.«

»Haltet Ihr Wort?«

»Wir halten es!«

»So fragen Sie.«

»Von wem hast Du dieses Gold?«

»Es ist dasselbe, welches die Komanchen den weißen Jägern raubten.«

»So gehört es diesen beiden Männern, denn sie sind die Bestohlenen. Was hast Du in den Taschen bei Dir?«

»Nichts.«

»Lüge nicht.«

»Ich rede die Wahrheit.«

»So werden wir Dich aussuchen. Faßt ihn an, ich werde einmal nachsehen.«

Er wurde festgehalten, und der Pater untersuchte seine Taschen. Es fand sich eine kostbare, vollständig neue Uhr und eine mit Banknoten gespickte Brieftasche vor.

»Wenn hast Du diese Uhr gekauft?«

»Heut.«

»Von den Nuggets?«

»Ja.«

»So gehört sie nicht Dir. Wie kamst Du zu dieser Summe in Banknoten?«

»Es sind meine Ersparnisse, ich trage sie bereits seit Jahren bei mir.«

»Ah! Auch unter den Komanchen? Eigenthümlich! Ich werde nachsehen.«

Er öffnete das Portefeuille und prüfte die Scheine sehr sorgfältig.

»Hm! Hast Du wohl einmal gehört, daß manche Bankiers die Gewohnheit haben, die von ihnen ausgegebenen Noten mit dem Datum oder ihrem Namen zu versehen? Sie thun dies, um für gewisse Fälle gerüstet zu sein.«

»Ich weiß nichts davon.«

»Nun siehe: Auf dieser Hundertpfundnote steht: »Stirley und Co.« und dabei das heutige Datum. Und Du willst die Summe jahrelang bei Dir getragen haben?«

»Da ist das Datum falsch eingetragen. Es sollte ein älteres hier stehen, Sie sehen jedenfalls eine Drei für eine Fünf an.«

»Pah, ich kann lesen! Dieses Geld ist erst heute für Nuggets umgetauscht worden. Es gehört diesen beiden Männern. Hier habt ihr es!«

Er gab die Brieftasche an Fred.

»Ich protestire!« rief Sander.

»Das hilft Dir nicht das Mindeste, mein Bursche. Jetzt habe ich eine entscheidende Frage: Entweder Du entschließest Dich unter unserer Aufsicht nach Süderland zurückzukehren, oder wir bringen Dich zum Sheriff, der über Dich entscheiden wird.«

»Ich bin hier ein freier Mann!«

»Ich werde Dir das Gegentheil beweisen. Geht, holt einen Policemann herauf!«

Holmers ging. Als er bereits die Thür erreicht hatte, rief ihn Sanders zurück:

»Halt, gehen Sie nicht! Ich sehe, daß ich mich fügen muß. Aber eins verlange ich.«

»Was?«

»Daß ich weder hier noch in der Heimath vor ein Gericht gestellt werde!«

»Auf diese Bedingung werden wir eingehen, wenn Du aufrichtig redest.«

»Was wollt Ihr noch wissen?«

Der Pater nahm aus dem Kugelbeutel die beiden Briefe, welche er am Rio Pekos Fred gezeigt hatte. Er öffnete sie und hielt sie dem einstigen Diener entgegen.

»Kennst Du diese Schreiben?«

Sanders erschrak.

»Die sind an den tollen Prinzen geschrieben. Woher haben Sie dieselben erhalten?«

»Wie sie in meine Hände gelangt sind, das ist Nebensache. Du hast sie geschrieben?«

»Ja,« antwortete er zögernd.

»Wo ist Theodor von Walmy, Dein früherer Herr, hingekommen?«

»Ich weiß es nicht.«

»Du lügest!«

»Ich lüge nicht!«

»Du hast ihn ja damals nach Burg Himmelstein begleitet!«

»Das ist richtig. Er sollte sich mit dem tollen Prinzen schlagen.«

»Nun?«

»Ich werde aufrichtig erzählen. Mein Herr wurde von dem Prinzen in einer heimlichen Zuschrift veranlaßt, nach Burg Himmelstein zu kommen, um die eingetretene Differenz auszugleichen. Er that es, und ich begleitete ihn. Wir kamen an, Herr von Walmy wurde von dem Prinzen empfangen und mit nach den inneren Gemächern desselben genommen. Ich habe ihn nicht wiedergesehen. Am andern Tage ließ der Prinz mich zu sich kommen und erklärte mir, daß er eines Dienstes von mir bedürfe.«

»Welcher Dienst war dies?«

»Er frug mich, ob ich die Handschrift meines Herrn kenne und sie vielleicht auch nachzuahmen verstehe. Ich bejahte es. Darauf machte er mir den Vorschlag, nach Amerika zu gehen und dort die Briefe zu schreiben, welche die Familie Walmy später auch erhalten hat. Er bot mir eine so hohe Summe, daß ich durch den Glanz des Geldes verführt wurde und auf seinen Vorschlag einging.«

»Von Deinem Herrn sprach er nicht?«

»Nein.«

»Du fragst auch nicht nach demselben?«

»Doch, aber er gab mir keine Auskunft. Ich mußte noch an demselben Tage abreisen, und seit dieser Zeit habe ich nie wieder von Herrn Theodor gehört.«

»Du verschweigst uns nichts?«

»Kein Wort.«

»Diesmal sagest Du die Wahrheit, das sehe ich Dir an, obgleich ich Dir sonst keinen Glauben schenke. Glaubst Du, daß das Duell wirklich stattgefunden hat?«

»Ich glaube es nicht.«

»Warum nicht?«

»Ehe ich abreiste, saß ich eine Stunde lang bei dem Schloßvogt Geißler – –«

»Ah, das ist ein Hallunke!«

»Sie kennen ihn?«

»Sehr gut. Aber fahre jetzt fort.«

»Also ich saß bei Geißler und frug ihn nach meinem Herrn, und nach dem Ausgange des Duells. Der Schloßvogt lachte höhnisch und meinte, daß der Prinz Mittel besitze, seine Feinde unschädlich zu machen, auch ohne sich mit ihnen zu schlagen.«

»Das genügt. Ich kenne diese Mittel. Wir würden Dich frei lassen, denn Deine Gegenwart kann uns nichts mehr nützen; aber wir müssen sicher sein, daß Du uns nicht verräthst, und so werden wir Dich mit uns nehmen. Ich verspreche Dir, daß Dir nichts Böses geschehen soll und daß wir Dich frei lassen, sobald wir unsere Absichten erreicht haben. Aber sobald Du den geringsten Versuch machest zu entkommen, bist du verloren, das merke Dir!«

Sie nahmen ihn mit hinab in die Stube. Kaum aber war er eingetreten, so erhob sich von einem entfernten Tische ein Mann, dessen Anzug den herabgekommenen Goldgräber verrieth. Er trat herbei und legte Sanders die Hand schwer auf die Schulter.

»Ah, Mann, wie ist mir denn? Haben wir uns nicht schon einmal gesehen, he?«

Der Angeredete sah todtenbleich, er mußte den Goldgräber kennen, das sah man.

»Wir uns gesehen?« meinte er. »Könnte mich wirklich nicht erinnern!«

»Nicht? Well, so werde ich Deinem Gedächtnisse zu Hilfe kommen. Will, erhebe Dich und betrachte Dir einmal diese verteufelte Physiognomie!«

Der Gerufene hatte mit ihm an einem Tische gesessen. Er trat näher. Es war eine hohe breitschulterige Gestalt, die eine große Körperkraft besitzen mußte.

»Kenne den Kerl,« antwortete er.

»Du meinst also, daß er es ist?«

»Natürlich!«

»Schön! Mesch'schurs, wollt Ihr einmal so gut sein, auf mich zu hören!«

Auf diese laut ausgesprochene Aufforderung trat allgemeines Schweigen ein.

»Dieser Mann hier,« fuhr der Sprecher in erklärendem Tone fort, »ist ein Buschheader, der dann zu den Komanchen ging, weil es ihm unter den weißen Jägern nicht mehr recht geheuer war. Er hat mir und diesem da einige sehr gute Kameraden weggeschossen. Sagt, Gentlemen, was ihm dafür gehört!«

»Eine Kugel – der Strick – –!« rief es von allen Seiten wirr durcheinander.

»Well, das ist richtig. Aber sagt, soll man einer solchen Lappalie wegen zum Sheriff oder zum Alderman gehen?«

»Nein, machts hier ab!«

Jetzt, als er die Gefahr erkannte, in welcher er sich befand, ermannte sich Sander.

»Ich bin es nicht,« rief er, »dieser Mann verwechselt mich mit einem Andern!«

»Oho, mein Junge,« antwortete Will, »wir kennen Dich nur zu gut!«

»So fangt mich!«

Mit diesen Worten drehte er sich um und sprang dem Ausgange zu. Will war mit einigen Sätzen hinter ihm, faßte ihn beim Kragen und hielt ihn fest.

»Halt, Mann! Das Fangen verstehen wir besser, als Du denkst. Du siehst es.«

»Noch hast Du mich nicht!«

Ein Messer blitzte in seiner Hand, er holte mit demselben zum Stoße aus.

»Ach so, du willst an mich, Bursche? So fahre meinetwegen zum Teufel!«

Der Goldgräber zog blitzesschnell den Revolver, und ehe Sander den beabsichtigten Stoß auszuführen vermochte, streckte ihn der Schuß auf den Boden nieder.

»Gentlemen, Ihr habt wohl gesehen, daß er das Messer gegen mich zog?«

»Wir sahen es!« ertönte die allgemeine Antwort auf diese Frage des Schützen.

»So könnt Ihr mir bezeugen, daß hier kein Mord, sondern eine Nothwehr vorliegt?«

»Wir bezeugen es.«

»Well! So mag der Wirth diesen Todten fortschaffen, wohin es ihm beliebt. Er war ein Räuber und Mörder und hat nur seine wohlverdiente Strafe erhalten!«

Der Erschossene wurde aus dem Zimmer getragen, und der Thäter konnte mit der größten Sicherheit darauf rechnen, daß sein Schuß ihm nicht die mindeste üble Folge bereiten werde. Der Bowie-Pater hatte sich mit den Seinen nicht im Geringsten bei diesem Vorgange betheiligt. Jetzt nickte er mit dem Kopfe und meinte:

»Gut für uns, denn nun sind wir den Kerl los. Er hätte uns doch nur Unannehmlichkeiten bereitet.«

»Wird uns die Wirthin seinen Koffer ausantworten?« frug Fred.

»Natürlich!«

»Wer wird da erst viel fragen,« sagte Holmers. »Der Koffer gehört uns, und ich will einmal den sehen, der es wagen wollte, ihn uns abzustreiten. Uebrigens kommt er uns jetzt sehr gelegen, denn wir haben jetzt die Mittel, unsern herabgekommenen Adam in bessere Kleidung und Wäsche zu bringen.«

Der Steuermann machte bei diesen Worten ein sehr nachdenkliches Gesicht. Nach einiger Zeit gab er Bill Holmers und Fred einen Wink, worauf er die Stube verließ. Sobald es ohne Aufsehen geschehen konnte, folgten sie ihm, Er erwartete sie draußen im Hofe und führte sie in einen Schuppen, wo sie ungestört und auch unbelauscht mit einander zu reden vermochten.

»Was wollt Ihr?« frug Holmers.

»Euch einen Vorschlag machen, der außerordentlich annehmbar für Euch ist.«

»So sprecht!«.

»Wem gehört das Geld, welches der Todte bei sich getragen hat?«

»Uns, wie Ihr bereits gehört habt.«

»Wer ist unter diesem »Uns« zu verstehen?«

»Nur wir Beide.«

»Weiter Niemand?«

»Weiter kein Mensch.«

»Das wollte ich wissen, und nun kann ich sprechen. Ihr wollt nach Süderland?«

»Ja.«

»Ich will mit meinem Kameraden nach Norland. Wollen wir zusammenfahren?«

»Wird uns lieb sein.«

»Mit welchem Schiffe?«

»Mit dem ersten, welches wir finden.«

»Aber ich habe kein Geld und dem Hochbootsmann geht es ganz ebenso.«

»Das braucht Euch keine Sorgen zu machen. Wir werden für Euch beide bezahlen, denn zwei Männer, welche der Norländischen Marine angehören, sind uns allzeit sicher. Wenn es sich nur um dieses handelt, brauchtet Ihr Euch gar nicht nach dem Hofe zu bemühen. Wir hätten Euch das in der Stube ebenso gesagt.«

»O, es handelt sich noch um ein Weiteres, um ein sehr großes Geheimniß.«

»Welches Ihr uns offenbaren wollt?«

»Ja, wenn Ihr mir versprecht, daß Ihr zu keinem Menschen davon reden werdet.«

»Wir versprechen es. Wir sind Prairienjäger, und diese wissen zu schweigen.«

»Ich mache Euch nämlich den Vorschlag, nicht mit einem Passagierschiffe zu fahren, sondern für uns allein ein Fahrzeug zu miethen oder zu kaufen.«

»Ich glaube, das würde etwas zu theuer werden.«

»Wir zahlen Euch nach unserer Heimkehr das Zehnfache Eurer Auslagen zurück.«

»Das klingt kühn. Seid Ihr so reich?«

»Jetzt noch nicht, wir werden es aber dann ganz sicher geworden sein.«

»Räthselhaft.«

»Richtig; aber ich werde Euch dieses Räthsel erklären. Mein Gefährte ist nämlich früher einmal ausgesetzt worden, und zwar auf eine einsame Insel, auf welcher außer ihm kein Mensch wohnte. Und dennoch waren Leute dort gewesen, denn er fand zwei Leichen, die eines Mannes und die eines Weibes. Bei der ersteren entdeckte er ein Tagebuch, welches ihm sagte, wer die Beiden seien. Das Weib war eine indische Prinzessin Namens Rabbadah gewesen, und der Mann hieß Alphons Maletti. Sie waren aus ihrem Lande geflohen und an dieser Insel gestrandet. In dem Tagebuch war von einem großen königlichen Schatze die Rede, den sie gerettet und in einer Höhle der Insel verborgen hatten, Mein Gefährte fand ihn.«

»Alle Teufel! Ist diese Erzählung wahr?«

»Wort für Wort.«

»War der Schatz groß?«

»Viele, viele Millionen.«

»Woraus bestand er?«

»Aus Edelsteinen, Münzen, köstlichen Waffen und goldenen und silbernen Gefässen, welche alle mit Perlen und ächten Steinen besetzt und ausgelegt waren.«

»Das klingt gerade wie ein Märchen!«

»Ist aber keines, sondern die reine Wahrheit. Ihr kennt mich zwar nicht persönlich, aber ich habe Euch von mir erzählt, und ich glaube also, daß Ihr mich für keinen Lügner haltet.«

»Nein, Ihr seid ein braver Kerl, das ist Euch sehr leicht anzusehen.«

»Denke es auch.«

»Wo ist der Schatz jetzt?«

»Noch auf der Insel.«

»Euer Kamerad hat ihn unberührt liegen lassen?«

»Er hat nur einige Edelsteine an sich genommen. Mehr konnte er nicht nehmen, weil man es sonst auf dem Schiffe, welches ihn aufnahm, entdeckt hätte.«

»Hm! Er wurde ausgesetzt? Das klingt ja gerade, als ob er ein Meuterer oder sonst ein böser Schlingel gewesen sei?«

»Dem Ihr nicht trauen könnt, nicht wahr, so meint Ihr es? Aber habt nur keine Sorge; Karavey lügt nie, er ist der ehrlichste Mensch, den es nur geben kann, und ich versichere Euch, daß ich die Steine selbst gesehen habe. Er hat sie noch bei sich und kann sie Euch zeigen.«

»Weshalb wurde er ausgesetzt?«

»Er war dem früheren Herzog von Raumburg im Wege, und dieser ließ ihn hinterlistig fangen, auf ein Schiff bringen und auf jener Insel aussetzen.«

»Dies traue ich dem Menschen zu, der noch ganz andere Sachen auf seinem Gewissen hatte,« meinte Fred. »Wir glauben Dir. Weiß Karavey, daß Du mit uns über sein Geheimniß redest?«

»Er weiß es noch nicht, ich bin nur meinen eigenen Gedanken gefolgt.«

»So müßt Ihr ihn doch jedenfalls erst fragen!«

»Ist nicht nothwendig. Wir sind Brüder, und was der Eine thut, das ist dem Andern rechte«

»Ihr meint also, daß wir ein Schiff miethen oder kaufen sollen, um mit demselben heimlich nach der Insel zu gehen?«

»So ist es.«

»Kaufen würde da wohl besser sein als miethen.«

»Kostet aber mehr!«

»Das dürfte uns nicht hindern. Ein gemiethetes Schiff würde bei so einem Vorhaben nur störend sein. Der Besitzer desselben oder ein Vertreter von ihm würde jedenfalls an Bord sein, und dies muß vermieden werden. Die Hauptfrage wäre, ob der Schatz sich noch ganz sicher auf der Insel befindet.«

»Daran ist kein Zweifel, denn er ist so gut versteckt, daß ihn nur der zu finden vermöchte, der das Tagebuch in die Hand bekommt, und dieses hat Karavey verbrannt.«

»Wo liegt das Eiland?«

»Im Busen von Bengalen, zwischen Ceylon und Sumatra. Die Insel ist sehr klein, und könnte zu den Nikobaren gerechnet werden.«

»Hm! Man müßte einen guten Kapitän haben, der sie zu finden wüßte.«

»Ist nicht nothwendig. Der Kapitän würde ich sein.«

»Versteht Ihr das?«

»Donnerwetter, ich will es meinen!«

»Und Matrosen?«

»Die bekommen wir.«

»Sie werden uns aber verrathen!«

»Pah! Wir nehmen Chinesen. Diese arbeiten gut und sind froh, wenn sie Gelegenheit erhalten, nach ihrem himmlischen Reiche zurückkehren zu können. Laßt das nur meine Sache sein.«

»Proviant.«

»Den brauchen wir allerdings, und auch etwas Munition, da man ja nicht wissen kann, was einem passirt.«

»Und die Hauptsache, ein Schiff. Das wird theuer werden.«

»Nicht so sehr, als Ihr vielleicht denkt. Es liegen hier immer Fahrzeuge zum Verkaufe, und ich bin überzeugt, daß wir die Auswahl haben werden.«

»Wie hoch wird der Preis eines solchen sein?«

»Das richtet sich nach der Wahl, welche wir treffen. Wie viele Personen werdet ihr sein?«

»Nicht mehr als drei; wir Beide und der Bowie-Pater.«

»So genügt eine Yacht oder ein kleiner Schooner, dem wir Klipper-Takellage geben, um so schnell segeln zu können. Mit zwanzig Tausend Dollars kann da sehr viel geschehen. Wollt Ihr diese an die Sache wenden?«

»Laßt uns überlegen! Das was auf der Insel vergraben hegt, gehört natürlich unverkürzt Euch, aber für uns ist der Ankauf und die Ausstattung eines Fahrzeuges ein Risiko, da es sehr leicht möglich ist, daß Eurer Fahrt der erwartete Erfolg mangelt.«

»Ich habe Euch bereits das Zehnfache dessen angeboten, was Ihr für uns auslegen werdet.«

»Wird der Hochbootsmann damit einverstanden sein?«

»Sofort; das kann ich Euch versichern.«

»Wir können trotzdem ohne ihn nichts beschließen. Geht, und holt ihn herbei!«

Nach Verlauf von vielleicht einer Stunde schritten Fred, Holmers, Schubert und Karavey dem Hafen zu, und, nach ungefähr der nämlichen Zeit kehrten sie wieder zurück. Sie hatten eine Yacht gekauft, welche Havarie erlitten hatte und in Folge dessen ausgebessert werden mußte. Aus diesem Grunde war ihr Preis ein mäßiger gewesen, und Fred hatte denselben auch sofort entrichtet. Die Zeit, welche zur Reparatur und Ausrüstung des Fahrzeuges erforderlich war, betrug nach der Ansicht der beiden Seemänner nicht mehr als zwei Wochen, eine Zeit, welche ganz hinlänglich war, sich mit der bisherigen Begleitung aus einander zu setzen. Dies geschah bereits am nächsten Tage. Die Jäger, welche zur Truppe des Bowie-Paters gehört hatten, kehrten nach dem Osten zurück, nachdem sie von Fred und Holmers neu ausgerüstet worden waren. Rimatta ging nicht mit ihnen.

»Will der Häuptling der Apachen hier in diesem Lande bleiben?« frug Fred.

»Er wird es nicht eher verlassen, als bis seine weißen Brüder mit ihrem großen Kanoe hinaus auf das große Wasser fahren,« antwortete er. »Rimatta liebt seine Freunde und wird sie nicht eher verlassen, als bis sie selbst von ihm gegangen sind.«

Von jetzt an brachten die beiden Seemänner ihre ganze Zeit auf der Yacht zu, um die Arbeiten an derselben zu überwachen. Sie wurde sehr reichlich mit Proviant versehen, und neben andern Waffen kaufte Fred auch eine Drehbasse, welche auf ihrem Decke aufgestellt wurde zur kräftigen Abwehr etwaiger Feinde. Die Fahrt über die Inseln des großen Ozeans war keine ungefährliche. Auch gute Karten und alle nautischen Instrumente wurden angekauft, und es zeigte sich dabei recht deutlich, daß der Steuermann Schubert ein ganz wackerer Schiffsführer sei.

Endlich nahte der Tag der Abreise. Man ging an Bord, wo die chinesischen Matrosen bereits eingetroffen waren. Während der Bowie-Pater noch einmal an das Tand zurückkehrte, um etwas Vergessenes nachzuholen, trat Rimatta zu den Andern.

»Meine Brüder gehen nach West, und der Häuptling der Apachen wird zurückkehren zu den Hurten seines Volkes. Werden seine Brüder zuweilen an ihn zurückdenken?«

»Wir werden Dich niemals vergessen,« antworteten Beide herzlich.

»Auch Rimatta wird sich immer ihrer erinnern. Er wird jetzt gehen.«

»Willst Du nicht erst von dem Bowie-Pater Abschied nehmen?«

»Nein. Der Indianertödter ist ein Feind der rothen Männer und Rimatta ist mit ihm gegangen blos deshalb, weil meine Brüder mit ihm gingen. Der Häuptling der Apachen kann nicht Abschied nehmen von einem Weibe.«

»Von einem Weibe?« frug Holmers. »Ich dächte, der Pater wäre so muthig, so tapfer, daß er mit keinem Weibe verglichen werden kann?«

»Er hat die Seele des bösen Geistes, den Muth eines Mannes und den Leib eines Weibes. Der Pater ist nicht ein Mann, sondern eine Frau.«

»Was!« rief Fred erstaunt. »Ist dies möglich?«

»Es ist wahr,« antwortete Rimatta. »Die Augen des Apachen sind schärfer als die Augen der Bleichgesichter. Er hat den Pater belauscht, als er im Fluße badete. Hat der Indianertödter einen Bart?«

»Keine Spur davon, das ist wahr!«

Sie konnten dieses Gespräch nicht fortsetzen, da der Pater soeben zurückkehrte. Alle hafenpolizeilichen Formalitäten waren erfüllt, und Rimatta verließ das Schiff.

»Möge der große Geist wachen über meine weißen Brüder, daß sie das Land glücklich erreichen, wo sie finden die Wigwams ihres Volkes. Rimatta wird rauchen viele Pfeifen zu den Geistern, die sie beschützen mögen!«

Mit diesen Worten trennte er sich von ihnen. Die Yacht aber hob den Anker, blähete die Segel und strebte hinaus auf die Rhede, um den Weg zu nehmen nach der Juweleninsel, deren Reichthümer dem Schooße der Erde entrissen werden sollten. –

 

[Achtes Kapitel fehlt im Werk]

 


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