Karl May
Und Friede auf Erden!
Karl May

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Civilisatoren

Mein Sejjid Omar hatte sich bewährt. Er ließ zwar jede Tür, durch welche er ging, mit absoluter Sicherheit offenstehen, war aber ehrlich, wahrheitsliebend, treu, scharfsinnig, zuverlässig und – was ich gar nicht hatte vermuten können – zu Alledem ein wahres Sprachgenie. Im Sudan, in Arabien und solange wir durch Gegenden gekommen waren, in denen arabisch gesprochen wird, hatte ich von dieser seiner Begabung freilich nichts bemerkt; ja, ich war sogar in Beziehung auf seine spätere Brauchbarkeit bedenklich geworden, weil er nur seine heimische Mundart für richtig hielt und bei jedem anderen Dialekte mit einer wegwerfenden Handbewegung zu sagen pflegte:

»Die halten das für echtes Arabisch! Die können ja gar nicht arabisch sprechen! Das wahre "hhchchhh!" und das wirkliche "hhkghhh!" bringt keiner von ihnen fertig! Nur wer in Kairo geboren ist, kann reden; eine andere, richtige Sprache gibt es überhaupt gar nicht!«

Aber als dann nach ausgedehnten monatelangen Wanderungen jenseits von Bagdad, an der indischen Grenze, das englische Sprachgebiet begann, schien bei ihm, so was man sagt, der Knoten zu reißen. Schon in Kuratschi, wo wir einige Tage ruhten, wunderte ich mich darüber, daß er sich fast gar nicht um mich bekümmerte. Er ließ sich nur für Augenblicke sehen, und als ich ihn darüber zur Rede stellte, erklärte er mir:

»Sihdi, ich habe vorgestern, gestern und heute mit englischen Matrosen zusammengesteckt und mir ihre ganze Sprache aufgeschrieben. Ich muß doch nun englisch reden können, sonst kannst du mich ja nicht mehr brauchen. Ich habe sogar in der Nacht studiert; es ist ganz leicht; nur das "hhsssshhh" und das "thhhsssshhh" bringe ich noch nicht heraus, denn die Engländer können eben auch noch nicht richtig reden. Hier hast du ihre Sprache!«

Er zog ein Paket von mehr als zwanzig vollgeschriebenen Papierbogen aus dem Kaftan und gab es mir. Es enthielt englische Worte und Redensarten mit der arabischen Uebersetzung, natürlich in arabischer Schrift geschrieben, für mein Auge ein wahrer Gallimatthias, in dem ich mich nicht zurechtfinden konnte. Da ich aber dem guten Omar ansah, daß er ein anerkennendes Wort erwartete, so sagte ich:

»Du bist da sehr fleißig gewesen. Kannst du denn diese englischen Worte alle aussprechen?«

Er nickte.

»Und du kennst auch ihren Sinn?«

Er nickte wieder, wobei sein Gesicht vor innerer und äußerer Zufriedenheit förmlich glänzte.

»Wenn dies der Fall ist, so bist du ja ein ganz tüchtiger Kerl!«

Da rief er aus:

»Probiere mich, Sihdi! Darf ich dir sagen, wie du das zu machen hast?«

»Ja. Nun, also!«

»Du bist ein englischer Laden, in welchem Cigarren verkauft werden. Ich bin der englische Sejjid Omar aus Livverbuhl und kaufe für meinen deutschen Sihdi Cigarren ein, weil er nicht englisch reden kann. Bist du einverstanden, und soll ich das so machen?«

»Ja, gut! Ich bin der englische Cigarrenladen, und du bist aus Liverpool. Es kann losgehen!«

Da ging er hinaus, machte die Tür hinter sich zu und klopfte an.

»Come in!« antwortete ich.

Er trat ein, nahm seinen Tarbusch höflich ab und wollte sprechen; ich aber kam ihm zuvor:

»Mach die Tür zu, ehe du sprichst! Ein Engländer läßt keine Tür offen stehen!«

Er war sofort Herr der Situation, zog die Tür zu und sagte:

»Ei bekk juh parrrrd'n, Mister Miehlord owww Tabbakk änd Smooking-Sihgärr! Ei wischsch dhho pörrrtschähß Sihgärr! Giww Sihgärr! Lahrtsch bikk Sihgärr, long Sihgärr, thick Sihgärr, gudd Sihgärr, fein ännd tschihhhhp Sihgärr! Wott häww ei dhho peehh, Mister Miehlord owww inglischhh Smooking-Männ?«

Man denke sich meinen ernsten, gravitätischen Sejjid Omar, und man denke sich dazu, daß, während er diese Rede wie aus einem halb verstopften Wursttrichter hervorquellen ließ, sein Gesicht genau die Züge der unerlaubten Orthographie annahm, deren ich mich in diesen Zeilen bediene! Ich konnte nicht anders, ich mußte laut lachen, mehr über sein Gesicht als über seine Worte. Das entzückte ihn. Er sagte:

»Sihdi, ich sehe, wie sehr du dich freust. Ich habe in diesen drei Tagen und zwei Nächten die ganze englische Sprache auswendig gelernt. Ob du diese Sprache auch verstehst, das ist nun ganz egal. Ich werde für dich reden!«

Das war so seine selbstbewußte, selbstvertrauende Weise. Mir machte die Sache in der ersten Zeit Spaß; aber je länger, desto mehr erstaunte ich. Er machte Fortschritte, die ich nicht für möglich gehalten hätte. Wo er eines Engländers habhaft werden konnte, der nicht allzu hoch über ihm stand, den hielt er fest, um sprachlich von ihm zu profitieren, und als ich ihm seine Bitte erfüllte, möglichst nur englisch mit ihm zu sprechen, fand ich täglich Gelegenheit, sein unvergleichliches Wortgedächtnis zu bewundern. Nebenbei merkte er sich jedes Wort jeder anderen Sprache, welches ihm vor die Ohren kam. Er saß stundenlang an einer Stelle still, immerfort die Lippen bewegend und sich unausgesetzt übend, um das, was er sich einmal angeeignet hatte, ja nicht wieder zu vergessen. Wenn ich an Hauptorten mit Europäern zusammentraf und in deren Sprache mit ihnen verkehrte, so machte er sich sicher in unsere Nähe, um einige Worte aufzufangen und mich dann über die Bedeutung derselben auszufragen. Und was er so erfuhr, vergaß er nie.

Ganz eigenartig war seine Geschicklichkeit, seinen immer wachsenden Sprachschatz in Anwendung zu bringen. Es geschah das ohne jedes Gesetz und jede Regel, aber in einer Weise, welche mich oft heimlich staunen ließ. Mit Etymologie und Syntax freilich durfte ich ihm nicht kommen. Wenn ich von der Abstammung eines Wortes oder von den Teilen eines Satzes sprach, wehrte er mit beiden Händen ab und sagte:

»Ich esse nicht zwei Datteln auf einmal, sondern eine nach der anderen. So spreche ich auch nicht zwei Worte auf einmal, sondern eines nach dem anderen. So ist es bei uns in der arabischen Sprache, außer welcher es keine richtige gibt, und also darfst du nicht von mir verlangen, daß ich bei einem Wort gleich an mehrere andere denken soll. Sie kommen alle ganz von selbst, und du brauchst keine Angst zu haben, daß ich eines vergesse!«

Seine Liebe zu mir war der Grund, daß für ihn meine Muttersprache gleich nach der seinigen rangierte, und so war seine Freude groß, als ich ihm für einen mir geleisteten Extradienst die belohnende Mitteilung machte, daß ich ihn von jetzt an täglich eine Stunde in der deutschen Sprache unterrichten würde. Die Folge zeigte, daß ich mir keinen besseren Schüler wünschen konnte. Er gab sich die größte Mühe, nach seiner Rückkehr mit den deutschen Touristen deutsch sprechen zu können. Freilich ging er auch hier in einer so regellosen Weise mit den Redeteilen um, daß Wort- und Satzbildungen zum Vorschein kamen, welche um so lächerlicher waren, je größere Wichtigkeit er der ernsten Würde gab, mit welcher sie ausgesprochen wurden.

Seine in Kairo, ehe ich ihn engagierte, in Beziehung auf die Religion ausgesprochenen Wünsche hatte ich respektiert. Ich sprach kein Wort vom Christentum zu ihm, und wenn er einmal, was ja unvermeidlich war, eine sich auf seinen Islam beziehende Bemerkung machte, so ging ich schweigend über sie hinweg. Dies kam in seinen Augen einer Mißachtung seiner Religion gleich und wurde von ihm nach und nach immer mehr als eine Strafe empfunden, welche er verständigerweise als eine unausbleibliche Folge seiner damaligen Bitte zu betrachten schien. Es war mir oft, als ob er in dieser Hinsicht etwas auf dem Herzen habe, und er setzte auch zuweilen an, es mir zu sagen, kam aber nicht dazu, weil ihm solche Gelegenheiten von mir aus guten Gründen stets kurz abgebrochen wurden. Das Zusammenleben mit mir hatte bei ihm die unausbleiblichen Wirkungen hervorgebracht, denn es war ganz selbstverständlich, daß gewisse Anschauungen von mir auf ihn übergehen mußten. Ich ließ das geschehen, ohne ihn darauf aufmerksam zu machen. Es kam immer mehr vor, daß er eines der vorgeschriebenen Gebete ausfallen ließ, weil ihn etwas hinderte, was er früher auf keinen Fall als Hindernis betrachtet hätte. Er unterließ es, die Vorzüge seines Glaubens in der ehemaligen Weise zu betonen, und die Masbacha, welche er früher im müßiger Zeit stets in den Händen gehabt hatte, war jetzt nur sehr selten noch zu sehen. Ich nahm diese Zeichen nicht etwa als Beweise verminderter Frömmigkeit; o nein; das Herz Omars war noch ganz dasselbe wie vorher; aber er hatte zwischen innerlich und äußerlich unterscheiden gelernt und dabei eingesehen, auf welcher von diesen beiden Seiten man die wahre, echte Religiosität zu suchen hat. – –

Wir kamen jetzt per Dampfer von Bombay und waren froh, den Gefahren dieser von der Pest vollständig versuchten Stadt glücklich entgangen zu sein. Kap Komorin war dubliert, und wir flogen auf einer wunderbaren See dem herrlichen Ceylon zu. Ich bin gern bereit, bei einer Personifikation der Meere zu einer Schönheitskonkurrenz den ersten Preis dem Roten Meere zuzuerkennen, denn ich habe es, sooft ich es durchfuhr, so schön wie kein anderes gefunden, doch heut wurde von dem glänzendsten Tag des Orientes die Vermählung der arabisch-persischen See mit dem indischen Ozean gefeiert, und der Himmel hatte seine sanftesten Lüfte gesandt und sein reinstes, strahlendstes Licht über diese friedliche Vereinigung ausgegossen. Blau und wonnig, wie das aus dem Herzen gestiegene Glück in einem selig lächelnden Menschenauge, so sah uns jede, die Wangen unsers Dampfers küssende Woge an, um nach diesem Kusse an die Brust der See zurückzusinken. Ein aus regelmäßigen Maschen bestehendes Brautgewand bildend, zogen diamantene Fäden sich, so weit der Blick nur reichen konnte, über die schwellenden Wasser, welche wie von den leisen Atemzügen eines friedlich Schlafenden sich hoben und sich wieder senkten. Der Morgen war schon angebrochen, und nun ging auch die Sonne auf, nicht langsam, wie hinter Bergen empor, nicht mit Nebeln und irdischen Dünsten kämpfend, sondern plötzlich, mit einem Male, wie einer der Engel des Lichtes, welcher die Tür des Himmels öffnet und in voller, majestätischer Gestalt hervortritt, um der Schöpfung seines Herrn und Meisters den göttlichen Segen zu erteilen. Und da floß er herbei, dieser Segen vom ewig jung bleibenden Osten her, eine unendliche, überwältigende Fülle des Lichtes, eine unerschöpfliche Flut von Strahlen, dem Tage als Erhörung des Gebets der Nacht gesandt! Vom Sonnenpunkt am Horizont beginnend und nach Nord und Süd immer breiter werdend, war für uns eine aus flüssigen Brillanten gegossene, funkelnde Bahn gezeichnet, auf deren Mitte wir der Spenderin dieser Pracht und Herrlichkeit gerad entgegenfuhren. Hatten wir die Erde verlassen, und war Ceylon jene oft besungene und doch so vergeblich ersehnte »Insel der Seligen« für uns? Wie habe ich dich lieb, so unendlich lieb, du See, du Meer, du Ozean! Du ziehst in deine Tiefen, damit ich frei von ihm werde, was an mir schwer und irdisch ist, und trägst mich nach der anderen Welt, nach jenem aus dem Gottvertrauen emporragenden Ufer, wo zwischen den Bergen des Glaubens der Weg empor nach meiner Heimat steigt!

Man bezeichne solche Gefühle ja nicht als überschwänglich! Wer die See nicht kennt, der ahnt nicht, wie mächtig sie auf jeden Menschen wirkt, der seiner Seele noch nicht verboten hat, mit ihr zu sprechen. Und wer da meint, während einer kurzen Fahrt nach Kopenhagen oder Helgoland das Meer kennen gelernt zu haben, der irrt sich sehr. Ich kenne Seekapitäne, welche den Atlantischen nach ihrem eigenen Ausdrucke »wie ihr Waschbecken kannten« und mit voller Wonne für ihn schwärmten, dann aber bei ihrer ersten Fahrt von Suez nach China oder Australien begeistert eingestanden, daß der bisher geliebte »alte Heringsteich« im Vergleich mit jenen südlichen Meeren eben nur als Heringsteich bezeichnet werden könne. Die Wassermasse an sich tut es freilich nicht. Es ist der Süd; es ist der Ost, und es ist die Nähe des Aequators. Auch wirken noch andere Ursachen, denen auf die Spur zu kommen, man sich wohl vergeblich bemühen würde. Aber sie kommt; sie ist da, diese Wirkung, und ich bin so glücklich darüber, daß es mir wiederholt beschieden gewesen ist, mich ihr von ganzem Herzen hingeben zu können.

Ich war nach dem Vorderdeck gegangen, wo die Passagiere dritter Klasse logierten, und hatte mich an das Spriet gelehnt, um den Anblick dieses einzig schönen Sonnenaufganges voll genießen zu können. Als er dann vorüber war und ich mich umdrehte, um nach meinem Deck zurückzukehren, sah ich, daß Sejjid Omar unweit von mir an der Regeling stand und auch bewundernd ostwärts schaute. Als er bemerkte, daß es mich nun nicht mehr störe, erkundigte er sich, wann wir in Colombo ankommen würden. Als ich ihm die Auskunft erteilt hatte, sagte er:

»Das sind alles Dummköpfe oder Lügner! Ich fragte gestern Abend den Kapitän, und er sagte, um zehn Uhr. Dann fragte ich den ersten Offizier, und er sagte, um zwölf Uhr. Hierauf fragte ich den zweiten Offizier, und er sagte, um elf Uhr. Du aber, Sihdi, hast gesagt, halb zehn Uhr, und das ist richtig! Es ist aber immer so und wird auch so bleiben: du weißt Alles richtig, und Andere Leute wissen Alles falsch; manchmal wissen sie es auch gar nicht!«

Der gute Omar hatte nämlich die Eigenheit, mich für allwissend zu halten. Das kam daher, daß ich niemals etwas zu ihm sagte, wofür ich nicht einstehen konnte. Sein Vertrauen zu meinem Worte war geradezu rührend. Er stand jeden Augenblick bereit, auf mich zu schwören. Seine eigene Wahrheitsliebe hatte mich verpflichtet, gegen ihn, selbst im Scherz, auch nur wahr zu sein. Das stach freilich so sehr gegen die orientalische Weise ab, daß er mich verehrte, wie wohl noch Niemand von ihm verehrt worden war. Ich bemerkte oft, wenn ich mich plötzlich nach ihm umdrehte, daß sein stiller Blick mit Liebe auf mir geruht hatte; er fühlte sich dann ertappt und errötete wie ein kleines Mädchen. Andere Herren sagten mir aufrichtig, daß sie mich um die Anhänglichkeit dieses Dieners beneideten. Auf diesem Wege erfuhr ich auch, wie er mich gegen Andere zu nennen pflegte, »Unser Herr!« Waren wir auf einem Schiffe, so war ich in seinem Auge der vornehmste Herr an Bord, und er nannte mich selbst gegen den Kapitän nicht anders als »unser Herr«. Im Hotel mußte es sich der Wirt gefallen lassen, daß Omar nicht ihn, sondern mich als »unsern Herrn« bezeichnete. Und selbst wenn ich Gast des Vizekönigs von Indien gewesen wäre, so hätte dieser hören müssen, daß ich »unser Herr« sei, nicht aber er. So kam es, daß ich überall , wohin wir kamen, sehr bald von aller Welt, natürlich hinter meinem Rücken und in scherzhafter Weise als »unser Herr« angegeben, verkündigt und erläutert wurde. Ich hatte ihm zwar zu verstehen gegeben, daß ich nur sein, nicht aber auch der Herr aller anderen Leute sei, doch vergeblich; er blieb bei seiner Verehrung und also auch bei »unserm Herrn«. Und wie er keinem Andern als nur mir vertraute, so stand es auch jetzt ganz unerschütterlich bei ihm fest, daß wir trotz der Aussagen des Kapitäns und seiner beiden Offiziere und trotz aller ihrer nautischen Berechnungen halb zehn Uhr in Colombo eintreffen wurden, und zwar allein nur deshalb, weil ich es gesagt hatte.

Er sah mich forschend an, um zu ergründen, ob er weitersprechen dürfe, und da ich nicht abmahnend dreinschaute, fuhr er fort:

»Sihdi, ist Ceylon die große, schone Insel, welche arabisch Quelb esch Schark genannt wird?«

»Ja. Sie ist sehr schön, und du wirst viele Orte von ihr kennen lernen.«

»Was für Menschen wohnen da?«

»Singhalesen, Tamilen, eingewanderte Araber, Malayen und Mischlinge. Die Leute, welche hier auf diesem Deck sitzen, sind meist Singhalesen.«

Er schnippste abwehrend mit den Fingern und sagte:

»Ich habe sie beobachtet. Sie sind ja Abadet el Assnam, die man nicht berühren darf, wenn man sich nicht verunreinigen will. Es wird mir keiner zu nahe kommen, und tut er es, so wehre ich ihn mit dem Stocke von mir ab!« Da legte ich ihm die Hand wie damals auf die Schulter, sah ihn ernst an und warnte:

»Du bist Sejjid Omar, aber noch immer nicht ein guter Mensch. Wer kein guter Mensch ist, der kann auch kein guter Moslem sein. Wir sind alle Brüder. Wohnt der Glaubensirrtum etwa im Körper? Wie kann dich die Berührung des Leibes, der mit dem Glauben gar nichts zu tun hat, verunreinigen?!«

Ich drehte mich um und ging. Ich mußte zwischen den Singhalesen hindurch. Es saßen da mehrere Familien beisammen, liebe, freundliche, saubere Menschen, die Väter, die Mütter und die Kinder. Ein kleiner, fast splitternackter Junge war dabei, dunkeläugig, bausbäckig, vollbäuchig, mit quatscheligen Händen und Füßen. Ich hob ihn zu mir empor, küßte ihn auf die Stirn, setzte ihn wieder hin, druckte ihm ein kleines Silberstück in die Miniaturpatschen und ging.

»O Sahib! Sahib is good! Sahib have thank!« rief es hinter mir her.

Diese Leute sprechen immer einige Brocken englisch. Nach Omar sah ich mich nicht um. Er hatte seine Lehre und seine Strafe weg!

Es war für mich gar nicht schwer gewesen, zu bestimmen, wann wir ankommen würden. Man weiß ja ganz genau, wieviel Seemeilen zu machen sind, und man erfährt, sooft man will, wieviel das Schiff zurückgelegt hat und wieviel Knoten es in der Stunde macht. Aber gewöhnlichen Fragern steht ein Offizier natürlich nicht gern Rede. Er sagt irgend eine Zahl, und damit ist es gut.

Das dunkle, satte Grün der Südwestküste Ceylons tauchte vor uns auf. Wir machten eine Schwenkung. Zur linken Hand erschien die Mutwal-Spitze, rechts der Damm; Masten und hohe Dampferessen ragten auf – – da kam Sejjid Omar gelaufen, hielt mir die Uhr hin, welche ich ihm als Unterstützung seiner Pünktlichkeit geschenkt hatte, und rief:

»Sihdi, du hast wieder Recht: Es fehlen sogar noch vier Minuten an halb zehn! Wirst du als Gast bei Jemand wohnen oder im Hotel?«

»Grand Oriental-Hotel. Zwei Minuten vom Landeplatz. Nenne meinen Namen nicht!«

Mehr brauchte ich nicht zu sagen. Er war gewohnt, Alles ganz allein und auf das Beste zu besorgen. Ich hatte nur auszusteigen und nach dem Hotel zu gehen, was der Kürze des Weges wegen erlaubt war. Sonst aber wird ein Europäer, der in Colombo zu Fuß geht, Jeden, mit dem er verkehrt, blamieren.

Es gab, wie in jedem orientalischen Hafen, einen unbeschreiblichen Lärm, doch vollzieht sich hier die Ausschiffung in langen, bequemen Böten und einer anderorts sehr wünschenswerten Bedachtsamkeit. Mit Paß- und Zollformalitäten hatte ich nichts zu tun. Unter dem Regendach der Landestelle sitzen Geldwechsler, bei denen man alle möglichen Münzen des Ostens haben kann. Ich verweilte mich bei einem von ihnen, um mich mit landläufigem Silber zu versehen, und schlenderte dann dem Hotel zu. Es ist, beiläufig gesagt, das teuerste, welches ich im Orient gefunden habe. Dennoch ging ich, ohne ein anderes zu wählen, jetzt wieder hin, weil ich gern wieder in demselben Zimmer wohnen wollte wie früher. Ich bin in dieser Beziehung ein sonderbarer Kanz. Erinnerungen sind und bleiben mir stets heilig.

Noch ehe ich die zur Tür führenden Stufen betrat, hörte ich die zankende Stimme meines vorangeeilten Sejjid Omar, welche aus dem rechts im Flur liegenden Bureau ertönte. Er sprach sein eigenmächtiges Englisch und war, wie es schien, in Wut. Als er mich kommen sah, klagte er mir seine Not arabisch:

»Denke dir, Sihdi, man will dir kein großes, schönes, sauberes, fein möbliertes, billiges Zimmer geben, eine Treppe hoch und mit der Aussicht in das Freie! Man sagt, es sei Alles besetzt. Wie kann Alles besetzt sein, wenn mein Sihdi kommt! Und wenn Einer drin ist, oder wenn Zehn drin sind oder Fünfzig oder Hundert, so müssen sie alle raus, alle, alle! Sodann soll ich deinen Namen sagen! Habe ich etwa diesen Portier schon nach dem seinigen gefragt? Was tut der Name? Der Glaubensirrtum steckt nicht in dem Körper und mein Sihdi nicht in seinem Namen! Ich habe einfach gesagt, daß du keinen brauchst und also auch keinen hast. Ist das nicht deutlich genug? Willst du einen haben, so kannst du jeden nehmen, den es gibt; du bist der Mann dazu! Und endlich mir, mir will man nicht einmal eine Wohnung geben, weil ich ein Araber bin; denke dir, dieser Portier, dem Allah nicht einmal einen Bart hat wachsen lassen, hat mir gesagt, daß nur eingeborene und andere Dienerschaft hier wohnen dürfe, arabische aber nicht, weil man da wegen Schmutz und Ungeziefer schlechte Erfahrungen gemacht habe. Ich, Sejjid Omar und Schmutz! Ich, Sejjid Omar und Ungeziefer! Dieser Portier spricht auch arabisch, aber so, wie es hier gesprochen wird. Das ist doch keine Sprache! Und dieser Mann, der nicht einmal reden kann, wie man mit Sejjid Omar reden muß, sagt, daß hier überhaupt kein Moslem wohnen dürfe! Er meint, wir machten mit unsern Glaubensgebräuchen nur Störung und seien keine reinlichen Menschen; die Singhalesen aber, diese Götzendiener, seien gerad so sauber wie die Christen! Ist das nicht unerhört! Wenn ein echter und wahrer Bekenner des Propheten hier wegen Ungeziefer nicht wohnen darf, so frage ich diesen Portier, warum dann er keins hat! Doch nur, weil er nichts zum Beißen hat und so unappetitlich ist, daß alles, was zu den Debeib gehört, bei seinem Anblicke hier zur Tür hinaus und auf die Straße springt! Komm, Sihdi; wir danken für ein solches Hotel und suchen uns ein anderes!«

Er wollte fort. Ich gebot ihm mit einer Handbewegung, zu bleiben, und wendete mich an den Portier. Dieser war ein ganz höflicher Mann. Ein Zimmer, wie Omar verlangt hatte, war nicht frei; aber ich wollte auch kein solches, sondern gern mein früheres, und dieses war noch unbesetzt. Der Sejjid konnte allerdings keinen Raum zum Schlafen bekommen, doch durfte er sich am Tage zu meiner Bedienung beliebig im Hause aufhalten. Die Verwaltung hatte infolge der erwähnten Erfahrung ganz berechtigter Weise verboten, arabische Diener für die Nacht zu behalten, und meinem islamstolzen Omar konnte es nach seinem verächtlichen Urteile über die »Götzenanbeter« gar nichts schaden, wenn er hier die Beobachtung machte, daß diese Buddhisten erfahrungsgemäß den Muhammedanern vorzuziehen seien. Ich erklärte also, daß ich hier bleiben und das Zimmer nehmen werde. Omar konnte in dem »Pettah« genannten Eingeborenenviertel wohnen, wo ein mir bekannter Deutscher ein Hotel niedrigeren Ranges besaß. Dort gab es für ihn übrigens auch mehr Gelegenheit zu den ihm so am Herzen liegenden Sprachstudien als hier im Grand Oriental-Hotel. Der Portier erhielt für das, was er von des Sejjid Strafpredigt verstanden hatte, als Entschädigung ein Trinkgeld, welches er mit einer Miene zu sich steckte, die mir deutlich sagte, daß er mich von diesem Augenblicke an trotz des arabischen Dieners für einen »Gentleman« halte.

Mein Raum lag auch hier zwei Treppen hoch, nicht nach der See oder nach der Straße, sondern nach dem Hofe zu, bei dessen Anblick mich das Gefühl überkam, daß ich nach langer Zeit nun wieder einmal zu Hause sei. In diesem Hof kannte ich jeden, auch den kleinsten und verborgensten Winkel, obgleich ich ihn nie betreten hatte. Er war der Bereich der interessantesten ethnographischen Studien gewesen, welche ich von meinem hochgelegenen Söller aus hatte machen können, denn er wurde teils vom Hotel, teils von Geschäftshäusern eingeschlossen und stand mittelst breiter Durchgänge mit den Straßen in Verbindung. Es gab ein immerwährendes Kommen von Gestalten aller Farben und aller Sorten. Am interessantesten war mir ein Tamile gewesen, dessen linkes Bein im Beginn der Elephantiasis gestanden hatte und – – – siehe da, kaum war ich jetzt in das Zimmer getreten und warf nach so langer Zeit den ersten Blick hinab in den Hof, da kam dieser Tamile aus dem hinteren Winkel herbeigehumpelt, älter als damals, doch ganz dasselbe verdrossene Gesicht und ganz derselbe trockene Husten, den er früher schon hatte. Aber die Geschwulst hatte jetzt das ganze Bein bis herauf an den Leib ergriffen und war so stark geworden, daß man sich keiner Uebertreibung schuldig machte, wenn man sagte, daß dieser arme Teufel ein Menschen- und ein Elefantenbein besitze.

Im Zimmer standen derselbe hohe Tisch und dasselbe Bett mit Messinggestell und Fliegennetz, daneben die zwei niedrigen Serviertische, an denen man den Kaffee oder Tee einnimmt. Draußen auf dem Söller gab es noch denselben langen, bequemen, indischen Ausstreckestuhl, welcher vorn zwei verschiebbare Leisten hat, auf denen die Füße hochgehalten werden. Ueber den Söller selbst muß ich aus triftigen Gründen noch eine Bemerkung machen.

Er war aus durchbrochenem Holz gebaut und reichte über die ganze hintere Seite des Gebäudes. Dieses enthielt in jedem Stockwerke eine lange Flucht von Zimmern, von denen aus man auf den Söller treten konnte. Um nun zu vermeiden, daß ein Gast den anderen störe, war der Söller teils durch dünne Holzwände, teils auch durch grobe Stoffvorhänge in so viele Teile geschieden, wie Zimmer vorhanden waren. Es konnte also Jedermann auf seinem Balkon oder Söllerteile sitzen, ohne eigentlich von den Nachbarn gesehen zu werden; aber die Vorhänge hatten mit der Zeit Löcher bekommen und die Zwischenwände waren so schadhaft geworden, daß man oft weit mehr zu sehen bekam, als man eigentlich sehen wollte und auch sehen durfte. Man brauchte sich auch gar nicht anzustrengen, um die trennende Wand so zu beseitigen, daß eine persönliche Ueberraschung des Nachbars möglich war.

Auf alle Fälle aber hatte man die Trennung nur für das Auge, nicht aber für das Gehör berechnet, denn da bei der dortigen Hitze es keinem Menschen einfiel, seine Söllertür zu schließen, so konnte man fast jedes Wort verstehen, welches in den beiden Zimmern rechts und links nebenan gesprochen wurde. Dergleichen Situationen sind im Oriente leider allzu häufig. Oft sind nicht nur die Zimmer, sondern auch die Schränke, Kommoden u. s. w. halb öffentlich eingerichtet, weil entweder gar keine Schlüssel oder nur solche von ganz derselben Nummer vorhanden sind, so daß Jedermann mit seinem Schlüssel die Möbel aller Gastzimmer öffnen kann.

Um summarisch zu verfahren, will ich hier gleich Einiges über Colombo im allgemeinen erwähnen. Ich beabsichtige dabei nicht etwa eine Beschreibung der Stadt, sondern es soll nur gesagt werden, was zum Verständnis des später Folgenden notwendig ist.

Ihren Namen hat die Stadt von dem hier in die See mündenden Kalani-Ganga erhalten; sie wurde Kalanbua genannt; die Portugiesen haben Colombo daraus gemacht. Ihre Lage ist eine durchaus ebene, und so brauchte in den von den Europäern bewohnten Teilen kein Areal gespart zu werden. Die Bungalows der Weißen sind von herrlichen Gärten und Parks umgeben, in denen die indische Vegetation zur vollsten, herrlichsten Geltung kommt. Die Dattelpalme kennt man hier nicht; sie will Sand und Wüstennähe haben. An ihre Stelle ist die Kokospalme getreten, welche ein kräftigeres, saftigeres Grün als die erstere zeigt und den Eindruck eines wohlgenährteren, besser situierten Pflanzenwesens macht.

Die von den Eingeborenen bewohnten Stadtteile haben schmale Straßen; die Häuser und Häuschen stehen eng beisammen. Man sieht Laden an Laden, und wer sich vor gewissen Gerüchen scheut, der tut wohl, sich in eine der stets und überall vorhandenen Rickschahs zu setzen und dahin zu fahren, wo es nicht mehr riecht.

Der Name dieser aus Japan eingeführten Fahrzeuge lautet eigentlich Jinrickschah, doch pflegt Jedermann kurz nur Rickschah zu sagen. Man denke sich eine sehr leicht und für die Zugkraft nicht eines Pferdes, sondern eines Menschen gebaute, zweiräderige Kalesche mit vorzuschlagendem Regendach und einer Doppeldeichsel, so weiß man ungefähr, wie eine Rickschah aussieht. Der Singhalese, welcher sie zieht, trägt die leichteste Kleidung, die auf der Straße erlaubt ist, oft nur eine Hose, welche vom Gürtel bis zur Hälfte der Oberschenkel reicht. Aber sein langes, seidenweiches Haar ist wohlfrisiert, zurückgekämmt und hinten in einen Knoten geschlungen, der von einem Kamm zusammengehalten wird. Das gibt dem Manne ein weiches, weibliches Aussehen. Dieser Kamm ist aber ein Zeichen der Männlichkeit; Frauen tragen ihn nicht, und Knaben erst dann, wenn bei ihnen der Bart zu wachsen beginnt.

Also außer mit diesem Kamm und der bescheidenen Hose ist der Rickschahmann vollständig unbekleidet. Warum? Man steige ein! Sobald man sitzt und er erfahren hat, wohin man will, beginnt er zu laufen. Die Luft ist schwül; die Sonne brennt; er läuft! Es geht nicht im Schritt, nicht im Trab, nicht im Galopp, sondern er läuft, aber wie! Es hat den Anschein, als ob er wie ein Torpedobootjäger sechsundzwanzig Knoten in der Stunde machen müsse. Man hat ihn Etwas zu fragen; er antwortet so kurz wie möglich, und er läuft! Die nackten Beine werden nicht müde; die nackte Brust scheint keine Lunge zu bergen; der Atem geht ruhig und regelmäßig, und doch würde ihn eine Droschke erster Güte nicht einholen, denn – – er läuft! Da, da – – man schaue hin! Es beginnt noch Etwas zu laufen! Nämlich unter dem Zopfe quillt ein kleines, einziges Tröpflein hervor, bleibt, wie verschämt darüber, daß es sich so öffentlich zeigen muß, einige Augenblicke im Schatten des Kammes stehen und bewegt sich dann, erst langsam, hierauf sprungweise und hernach schneller und immer schneller über den Hals und den Rücken herab, bis es unter dem oberen Rande der Hose verschwindet. Ein zweiter Tropfen kommt. Dieselbe anfängliche Verschämtheit, dasselbe Zögern, dann dieselben Sprünge und dasselbe vorläufige Ziel. Ein dritter, fünfter, zehnter, zwanzigster, hundertster Tropfen erscheint. Sie folgen sich schneller und schneller, bis sie ein Bächlein bilden, welches von dem Zopfe nach der Hose strebt. Das Bächlein läuft ununterbrochen, aber – – der Mann läuft auch! Der Passagier sitzt hinter ihm, sieht beide laufen und weiß nicht, worüber er sich mehr wundern soll, ob über die Ausdauer seines unermüdlichen Zweibeiners oder darüber, daß aus einem Zopf eine so unerhörte Menge von Wasser laufen kann. Aber auf der rechten Schulter bildet sich auch ein Tropfen, auf der linken ebenso, beide rinnen herab, dem Rückgrate zu, um sich dort mit dem Bache zu vereinigen. Sie bekommen Nachfolger. Es entsteht hüben und drüben ein zweiter und dritter Bach, nach deren Einmündung der mittlere zu einem Flüßchen wird. Bald treten auch an anderen Stellen Wasserperlen hervor, aus denen Bäche werden, an den Oberarmen, der Brust, den Seiten, und alle eilen der Hose zu, welche naß und immer nässer wird, bis sie die allgemeine Ueberschwemmung nicht mehr fassen kann und in Gestalt von zwei Mississippis an den beiden Beinen niederlaufen läßt. So läuft das Wasser endlich am ganzen Körper, und – – der Mann läuft auch! Der Fahrgast sieht das mit Staunen und wundert sich schließlich darüber, daß er so ruhig sitzen bleibt und nicht von der Rickschah herunterspringt, um – – – auch zu laufen! Es ist ein wahres Glück, daß man dem Kuli gesagt hat, wohin man fahren will, denn wenn man das vergessen hätte, so würde er laufen, laufen und immer weiter laufen und gewiß nicht eher aufhören, als bis er sich ganz in Wasser aufgelöst hätte und zwischen den Deichselarmen der nun stehen gebliebenen Rickschah nur noch die Hose und der Kamm zu sehen wären.

Und wenn das Ziel erreicht ist und er sich mit der frei gewordenen Hand über das badende Gesicht streicht, so geht sein Atem so ruhig wie im Augenblicke des Einsteigens; sein Auge blickt so sanft wie eine dunkelsammetne Pensee; er fordert nach deutschem Gelde nur eine Mark für die Stunde, und wenn man ihm noch einige Pfennige zu dem geliebten Siribissen extra gibt, so möchte er nun vor lauter Dankbarkeit so, wie vorher vor lauter Wasser, auseinanderfließen. Das ist die Rickschah, und das ist der Rickschahmann!

Mein Sejjid Omar konnte es nicht gut verwinden, daß ich gegen seinen Vorschlag im Grand Oriental-Hotel blieb. Er kämpfte mit sich, ob er schmollen solle oder nicht; ich ließ das unbeachtet. Er mußte meine Effekten nach dem Zimmer bringen und ihnen dort die mir gewohnte Ordnung geben. In Indien spart man nicht mit der Dienerschaft. So standen auch an meiner geöffneten Tür zwei Singhalesen, welche mich eigentlich zu bedienen hatten und dem Sejjid helfen wollten. Das paßte ihm aber, zumal in seiner jetzigen Stimmung, nicht. Er faßte sie Beide, den Einen mit der rechten, den Anderen mit der linken Hand, schob sie, ohne ein Wort zu sagen, weit auf den Korridor hinaus und zog dann die Tür hinter sich zu. Hierauf hielt er mir seine Hände hin, sah mich lächelnd an und fragte:

»Sihdi, das waren Götzendiener? Nicht?«

»Du nennst sie so,« antwortete ich.

»Und ich habe sie angegriffen?«

»Allerdings.«

»Nun sieh, was ich tue!«

Er küßte seine beiden Handflächen und fuhr dann fort:

»Das ist ganz dasselbe, als ob ich diese Singhalesen geküßt hätte, so wie du den Knaben küßtest. Ich werde mir weder die Hände noch den Mund waschen, weil ich mich nicht verunreinigt habe, denn alle Menschen sind ja Brüder! Bist du nun mit mir zufrieden? Hat die Güte meines Islam jetzt nicht ebenso gesiegt, wie sie siegte, als ich den Amerikaner, welcher mich beleidigt hatte, nach dem Menahouse führte?«

»Nein!«

»Warum?« fragte er erstaunt.

»Weil beide Male etwas Anderes gesiegt hat.«

»Was?«

»Das darf ich dir nicht sagen, weil du es mir verboten hast.«

»Maschallah! Ich dir Etwas verboten? Dir? Das ist doch mehr, als zehn Unmöglichkeiten sind!«

»Du hast mir die Bedingung gestellt, nie von meinem Christentum zu sprechen.«

»Was hat das mit meinem Sieg zu tun?«

»Nicht dein Islam hat gesiegt, sondern mein Christentum.«

Er sah mich so verwundert an, daß ich erklärend fortfuhr:

»Wer hat damals und auch heute zu dir gesagt, daß du zwar Sejjid Omar seist, aber kein guter Mensch? Wer hat dich im Menahouse aufgefordert, den Amerikaner zu holen? Und wer hat dir heute durch einen Kindeskuß gezeigt, wie die Güte zu handeln hat, von welcher du soeben sprachst?«

Er senkte die Augen und ließ auch die Arme sinken, bei ihm das sichere Zeichen, daß er sich in Verlegenheit befand. Aber er wurde für diesen Augenblick der Antwort enthoben. Man brachte mir das Fremdenbuch, in welches ich mich einzuschreiben hatte. Ich überflog die Namen der vor mir gekommenen und noch nicht ausgestrichenen Fremden. Es waren mehrere Deutsche und Oesterreicher dabei. Von einem Schiffsarzte wußte ich, daß er mich kannte, und da ich mich an Niemand binden lassen und also gar nicht genannt sein wollte, so schrieb ich meinen Vornamen als Familiennamen ein und sagte dem Sejjid, als wir wieder allein waren, wie er mich hier, falls er gefragt werde, zu nennen habe.

»Und weißt du aber auch, Sihdi, wie du mich zu nennen hast?« sagte er kleinlaut.

»Nun, wie?«

»Omar el Gahil. Ich sehe ein, was du gewiß schon längst bemerkt hast, nämlich, daß ich so dumm gewesen bin, deine Liebe für meine Güte und dein Christentum für meinen Islam zu halten. Willst du mir eine Bitte erfüllen?«

»Wenn ich kann, ja, gern.«

»Sprich immerhin vom Christentum mit mir, und erlaube mir, auch von ihm sprechen zu dürfen, wenn ich dich nach ihm zu fragen habe! Ich war in der letzten Zeit gar nicht zufrieden mit mir, daß ich damals im Kontinentalhotel diese Bedingung gestellt habe. – Es raubt den Schlaf, wenn man gern Etwas wissen will und doch nicht davon sprechen darf.«

»Gut; wir wollen diese Bedingung also fallen lassen. Jetzt werden wir zwei Rickschahs nehmen und nach dem Gasthause fahren, wo du wohnen sollst.«

Da hob er die gesenkten Augen wieder empor und ließ ein frohes Lächeln sehen. Er fühlte, daß ich ihn nur deshalb nicht zu Fuß gehen ließ und sogar selbst mit fuhr, um ihm zu zeigen, daß ich nun wieder mit ihm zufrieden sei. Er ahnte gar nicht, daß er nur noch mit einem Fuße in der Moschee, mit dem andern aber schon auf dem Wege zur Kirche stand.

Als wir dann hinunter kamen und der Türsteher fragte, ob er nach Wagen oder Rickschah rufen solle, antwortete Omar in zwar höchst fraglichem Englisch, aber mit der ganzen, niederschmetternden Hoheit, die ihm möglich war:

»Wir brauchen nur zu winken. Von Euch übervorteilen lassen wir uns nicht!«

Er vermutete ganz richtig, daß jeder von den Hotelbediensteten besorgte Wagen höher zu bezahlen sei als einer, den man sich selbst besorgt. Ich hatte für dieses Mal gegen seine Eigenmächtigkeit nichts einzuwenden. Er hob zwei Finger in die Höhe, worauf zwei Rickschahmänner herbeigeeilt kamen. Ich stieg ein; er wartete, bis ich saß; dann nahm er auf der zweiten Platz, und zwar in einer Haltung und mit einer Miene, als ob er soeben das Grand Oriental-Hotel gekauft, bar bezahlt und an den ersten besten Bettler sofort wieder verschenkt habe.

Wir fuhren nach dem Pettah, die Straße, welche nach der Markthalle führt. Sie ist erst breit und licht, wird aber später eng. Kurz vor Mittag ist dieses sogenannte »schwarze Stadtviertel« sehr belebt. Es gab Stellen, wo man sich drängte; trotzdem fiel es unsern Rickschahleuten nicht ein, ihre Schnelligkeit zu mindern. Sie haben ein bewundernswertes Geschick, sich überall glücklich durchzuwinden. Aber als wir einen kleinen buddhistischen Pilgerzug erreichten, fielen sie in langsamen Schritt, um nicht zu stören, weil sie die Heiligkeit der Religion achteten, obgleich sie nicht Buddhisten, sondern Christen waren.

Diese Pilger kehrten vom indischen Festlande zurück, wo sie die altehrwürdigen Tempel von Thana, Garapori, Pandsch-Pandu und Adschanta besucht hatten, um Gott in ihrer Weise zu verehren, und zogen nun nach ihrem heimischen Tempel, weil sie es für eine Pflicht hielten, dem, an den sie glaubten, für seinen Schutz während dieser Reise zu danken. Sie taten das in der stillsten, unaufdringlichsten Weise. Ruhige bescheidene Menschen, die nicht das geringste Aufsehen mit ihrer Frömmigkeit erregen wollten! Als sie uns hinter sich bemerkten, wichen sie unaufgefordert nach der Straßenseite hinüber, um uns bereitwillig Platz zu machen. Also wurden wir an ihnen vorübergefahren, wobei ich nach meiner Gewohnheit freundlich grüßte. Ihre sauberen, teils sogar aus Seide gefertigten Anzüge bewiesen, daß sie keineswegs zur sogenannten »Hefe des Volkes« gehörten. Von einem Europäer gegrüßt zu werden, schien für sie beinahe ein Wunder zu sein. Sie staunten über diese ihnen so ungewohnte Höflichkeit und erwiderten meinen Gruß dann aber mit um so größerer Herzlichkeit und Freude.

Wir näherten uns einer Straßenkreuzung. Von jenseits kamen uns Rickschahs, Zebuwagen und dichtgedrängte Fußgänger entgegen; von links und rechts her flutete ein ähnlicher Verkehr, und hinter uns hörten wir plötzlich galoppierenden Hufschlag und ängstlich schreiende Menschenstimmen. Ich sah mich um. Es kam eine Schar Europäer geritten, Gentlemen, und auch einige Ladies dabei, mit wehenden Schleiern an den Tropenhelmen und Hüten. Sie ritten trotz des Gewühles beinahe Karriere, und zwar straßenbreit. Ich kannte die Art dieser von der Zivilisation bevorzugten Kaukasier, die sich um nichts Anderes als um sich selbst, am allerwenigsten aber um die gesunden Glieder tief unter ihnen stehender Völkerschaften kümmern. Da war weiter nichts zu tun, als sich zu salvieren. Wehe Dem, dem es nicht gelang, sich rechtzeitig seitwärts zu retten! Ich ließ schnell halten, stieg ab und sprang nach dem nächsten Hause, um mich an die Mauer desselben zu drücken. Der Sejjid folgte meinem Beispiele. Die beiden Rickschahmänner aber duckten sich hinter ihre Fahrzeuge nieder.

Es war die höchste Zeit gewesen, denn die Gentlemen und Ladies hatten den Pilgerzug erreicht, jagten ihn vor sich her und ritten lachend zu Boden, was nicht entfliehen konnte. In demselben Augenblicke bog eine Rickschah um die Ecke, auf uns zu, in unverminderter Schnelligkeit. Der Passagier schien Eile zu haben, und der vorgespannte Mann, ein Tamile, hatte von der Seitengasse aus die Reiter und Reiterinnen nicht sehen können. Er prallte mit ihnen zusammen und wurde niedergerissen und schwer verletzt; seine Rickschah stürzte um und brach ein Rad; die Herrschaften aber setzten ihren Weg unter lautem Gelächter fort. Der Passagier war unter das Fahrzeug geraten, arbeitete sich aber sehr schnell hervor und sah sich um. Ueberall an die Häuser gedrängte Menschen! Zwischen ihnen auf der Straße eine Menge gequetschter, getretener und beschädigter Personen, die sich unter Schmerzen wieder aufzurichten versuchten. Aber sonderbar! Man war so still dabei! Ich hörte keine einzige räsonierende Stimme! War das Ehrerbietung oder Vorsicht? Achtung oder Verachtung? Gleichgültigkeit gegen Schmerzen oder zum Schweigen gezwungene Verbitterung? Ich war mit Omar zu unsern Rickschahs zurückgekehrt. Der Passagier erkannte mich an der Kleidung als einen Europäer, kam zu mir herüber und sagte in englischer Sprache:

»Das ist eine geradezu unverzeihliche Rücksichtslosigkeit, die ich unbedingt bestrafen lassen werde! Ich muß diesen Menschen nach, um wenigstens einige von ihren Namen zu erfahren, weil die Anzeige sonst nutzlos sein würde. Wem gehören diese beiden Rickschahs?«

»Mir und meinem Diener,« antwortete ich.

»Wollen Sie mir die Ihres Dieners abtreten? Es ist keine andere in der Nähe.«

»Gern.«

»Komm nachher ins Hotel,« befahl er dem Tamilen. »Du mußt entschädigt werden.«

Er bestieg Omars Rickschah und eilte den Uebeltätern nach. Der Eindruck, den er auf mich gemacht hatte, war der eines sehr energischen Herrn. Er trug einen, nun allerdings beschmutzten, Anzug vom feinsten, weißen, indischen Stoffe. Fast ebenso weiß war auch der Vollbart, welcher sein Gesicht umrahmte. Die Züge dieses Gesichtes hatten nichts, was auf seine Nationalität schließen ließ. Daß er einen nicht billigen und mit einem grauen Schleier umwundenen Panamahut trug, war noch kein Grund, ihn für einen Amerikaner zu halten.

Was nun tun? Wir waren zwei Personen zu nur einer Rickschah, und es war augenblicklich keine zweite, freie zu sehen. Ich wies Omar an, hier an dieser Stelle zu warten, da ich vorausfahren und ihn dann durch die meinige von dieser Stelle wegholen lassen würde. Dann stieg ich auf. Inzwischen hatten sich die Pilger wieder zusammengefunden. Die Unverletzten nahmen die Verletzten zwischen sich und gingen langsam an mir vorüber. Einer von den Beschädigten schien ein Bein gebrochen zu haben; er mußte getragen werden. Im Vorbeipassieren rief er mir zu:

»Sahib, du bist auch ein Christ, wie diese waren; aber du reitest trotzdem keinen deiner Mitmenschen nieder. Unser Gott ist auch Euer Gott. Er segne dich!«

Als sie vorüber waren, fahr ich nach dem Gasthofe, dessen Wirt mich zwar wieder erkannte, aber meinen Namen vergessen hatte, was mir nicht unlieb war, weil jetzt nur der Vorname gültig sein sollte. Er hatte Platz mehr als genug und nahm Omar, der sich auch bald einstellte, sehr gern bei sich auf.

Da ich heut eine Menge Briefe zu schreiben hatte und darum nicht ausgehen wollte, so gab ich dem Sejjid bis zum Abend frei; dann sollte er nach dem Hotel kommen und nachfragen, ob es vielleicht Etwas für ihn zu tun gebe. Bis dahin sollte er im Pettah nach alten Münzen und Merkwürdigkeiten, besonders aber nach Büchern suchen und mir dann sagen, wo so Etwas zu sehen und vielleicht zu kaufen sei. Er verstand zwar nichts davon, hatte mir aber schon öfters seine ungemeine Findigkeit für dergleichen Sachen bewiesen.

Hierauf kehrte ich nach dem Grand Oriental-Hotel zurück, speiste auf meinem Zimmer und machte mich dann über die angegebene Arbeit her. Dabei ging ich öfters hinaus auf den Söller, um die Raben zu füttern, welche ich von früher her kannte. Sie bevölkerten die Dächer und Bäume in Scharen und waren so zahm, daß sie sogar in das Zimmer kamen. Ihr beliebtester Trick war, die Butter, welche in Ceylon selten ist und aus Europa bezogen wird, so schön sauber vom Brot zu fressen, als habe ein Kind sie abgeleckt.

Am Nachmittage ging ein echt ceylonesischer Regen nieder: jetzt blauer, vollständig wolkenloser Himmel; plötzlich verdüstert er sich, doch ohne daß man massige Wolkenbildungen bemerkt. Das Wasser stürzt förmlich wie ein ausgeschütteter See hernieder. Dann wieder ebenso plötzlich heiterer Himmel. Diese Regenszene spielt sich oft innerhalb einer halben Stunde ab.

Als es dunkel wurde, was hier regelmäßig kurz nach sechs Uhr geschieht, kam Omar. Ich ließ ihn einige kleine Einkäufe für mich machen, dann konnte er wieder gehen. Er hatte auch schon die Tür in der Hand, als er wieder umkehrte, indem er sagte:

»Bald hätte ich vergessen, Sihdi, dich zu fragen, ob du heut vielleicht ein kleines Buch verloren hast.«

»Wo?«

»Da, wo wir standen, als die Soldaten kamen.«

»Ich habe kein Buch bei mir gehabt.«

»So muß ich es dem Baja wiedergeben.«

»Welchem Händler? Du hast es mit?«

»Ja. Als du mit deiner Rickschah allein fortgefahren warst und ich warten mußte, sah ich den Baja aus seinem Laden kommen und ein kleines Buch aufheben, welches im Schmutz der Straße lag, ganz nahe an der Stelle, wo die zerbrochene Rickschah umgestürzt war. Der Händler hatte dich und mich stehen sehen und fragte mich, ob das Buch vielleicht dir oder mir gehöre, und ich sagte nein, weil ich ja Alles kenne, was du hast. Er mußte es also behalten. Als ich nun vorhin zu dir ging, mußte ich an seiner Tür vorüber. Er sah mich kommen und fragte mich, ob ich lesen könne, was in dem Buche stehe. Ich sagte wieder nein, weil es nicht arabisch war. Aber ich kam auf den Gedanken, es dir mitzunehmen, denn es war doch nicht ganz und gar unmöglich, daß es dein Eigentum sei. Oder wenn nicht, so steht vielleicht ein Name darin, der uns sagt, wem man es zu geben hat. Der Baja möchte wahrscheinlich gern einen Finderlohn haben. Darf ich es dir zeigen?«

»Natürlich!«

Es war ein in blaue Seide gebundenes, sichtlich vielgebrauchtes Damennotizbuch, auf dessen Vorderseite ich die beiden goldenen Buchstaben M. W. las. Das Gold war freilich fast verblichen. Beim oberflächlichen Durchblättern sah ich, daß es teils englisch und teils deutsch geschrieben war und Notizen über weibliche und häusliche Angelegenheiten enthielt, denen ich das, was ich wissen wollte, nicht entnehmen konnte. Am hintern Deckel des Einbandes war, wie in solchen kleinen Büchern fast immer, ein Täschchen angebracht. Es enthielt eine Photographie in Visitenkartenformat. Als ich sie herauszog, kam mir zuerst die hintere Seite vor die Augen. Da sah ich in weicher, schöner, regelmäßiger Frauenhandschrift und deutscher Sprache die Zeilen geschrieben:

»Zwei Geister streiten sich um Dich, ein guter und ein böser, der eine nur angeblich, der andre wirklich fromm. Heut bist Du wie der eine und morgen wie der andere. Gott gebe Dir und mir ein frohes Resultat!«

Die andere Seite enthielt das Bild der Schreiberin. Eine schöne, vielleicht vierzig Jahre zählende Frau, die mir bekannt vorkam, um so bekannter, je langer ich die Photographie betrachtete. Wo hatte ich diese warmen Seelenaugen geschaut, deren Blick unablässig um irgend Etwas zu bitten schien? Vielleicht bestand diese Bitte in den letzten der umstehenden Worte: »Gott gebe Dir und mir ein frohes Resultat!«

Als ich das Bild wieder in das Täschchen zurücksteckte, sah ich in der letzteren noch ein zusammengefaltetes Papier, augenscheinlich oft gebraucht. Ich nahm es heraus und faltete es auseinander. Man denke sich die Größe meines Erstaunens, als mein Blick auf die vier Zeilen fiel, welche der Wind der Tochter des Missionars in Kairo zugeweht hatte, nicht etwa in Abschrift, sondern das Original, von meiner Hand geschrieben!

Nun wußte ich auf einmal, daß die beiden Buchstaben den Namen Mary Waller zu bedeuten hatten. War sie etwa mit ihrem Vater hier in Colombo? Die Möglichkeit lag vor, weil sie die Absicht gehabt hatten, sich längere Zeit in Indien zu verweilen. Mochte das nun sein, wie es wollte, das Notizbuch war Marys Eigentum, und sie mußte es wiederbekommen. Hier im Hotel wohnten Wallers nicht; ich hatte ja das Fremdenbuch gelesen. Sie waren nun entweder im Galle Face-Hotel oder ganz draußen im Hotel Lavinia zu suchen, beide Häuser ersten Ranges: in einem anderen wohnten sie gewiß nicht. Ich beschloß also, das Buch zu behalten und morgen Erkundigung einzuziehen. Darum gab ich Omar für den Baja eine Rupie Finderlohn, fügte aber keine weitere Auskunft hinzu.

Als er gegangen war, mußte ich an jenes Erlebnis in Kairo und an den Pyramiden denken. Wir hatten uns im freundschaftlichsten Wohlwollen von einander getrennt, aber es war inzwischen eine ganze Reihe von Monaten vergangen; ich hatte viel, sehr viel erlebt und durfte annehmen, daß auch meine damaligen Gefährten neue Bilder in sich aufgenommen hatten, von denen die alten vielleicht verdrängt worden waren. Auch ist es eine alte, wohlbewährte Regel der Klugheit, Reisebekanntschaften wenn möglich nur als Episoden zu betrachten. Pflegt man sie später fort, wenn die Wanderpoesie verflogen und verklungen ist, so geschieht es nur zu oft, daß man es zu bereuen hat. Ich war zwar überzeugt, daß Waller und seine Tochter sich freuen würden, mich wiederzusehen, aber dieses Wiedersehen mußte ihn an frühere Schwächen erinnern, und das konnte ich ihm ersparen. Uebrigens, wenn ich sie fand, so war ich gezwungen, mich ihnen zu widmen, und es erschien mir sowohl für sie als auch für mich vorteilhafter, auf die persönliche Freiheit nicht so ohne zwingenden Grund zu verzichten.

Diese Betrachtungen brachten mich zu dem Entschlusse, Wallers, wenn sie hier sein sollten, nicht aufzusuchen, sondern ihnen das Buch auf einem anderen, unauffälligen Wege zuzustellen. Wie es auf die Straße im Pettah gekommen war, das brauchte nicht ein Rätsel zu sein, welches gerad ich zu lösen hatte.

Aber in Beziehung auf das Gedicht fühlte ich, daß mir die Finger nach der Feder zuckten. Der Wind hatte es Mary zugeweht. Wie würde sie sich wundern, wenn sie jetzt bei dem Anfange eine Fortsetzung von derselben Hand erblickte! Wie würde sie sinnen und nachdenken, auf welche Weise sich das zugetragen habe! Vielleicht öffnete sie nicht jetzt, sondern erst später, nach Monaten, nach langer, langer Zeit das Blatt; wie groß erst dann das Staunen!

Leider hatte ich damals das Gedicht nicht fertiggeschrieben, weil mir die Disposition nicht ganz klar erschienen war. Ich hatte das Sujet in vier Vierzeiler fassen wollen, war aber zu der Ansicht gekommen, daß die Fassung in zwei Achtzeiler sinnentsprechender sei.

Der erste war fertig geworden, der zweite aber nicht, weil ich Anderes und Notwendigeres zu tun gehabt hatte. Aber das war ja vollständig hinreichend zu dem jetzigen Zweck, die junge Freundin durch dieselbe Handschrift von demselben Verfasser zu überraschen. Ich glättete also die Falten des Papieres möglichst aus, probierte die hiesige Tinte, ob sie von derselben Schwärze sei, und fügte dann vier neue Zeilen hinzu, so daß die Strophe nun folgendermaßen lautete:

»Tragt Euer Evengelium hinaus,
Doch ohne Kampf sei es der Welt beschieden,
Und seht Ihr irgendwo ein Gotteshaus,
So stehe es für Euch im Völkerfrieden.
Gebt, was Ihr bringt, doch bringt nur Liebe mit,
Das Andre alles sei daheim geblieben.
Grad weil sie einst für Euch den Tod erlitt,
Will sie durch Euch nun ewig weiter lieben.«

Eben war ich mit diesen Zeilen fertig, als sich im Nebenzimmer rechter Hand ein Geräusch vernehmen ließ. Es war bisher zu beiden Seiten so still gewesen, daß ich geglaubt hatte, die zwei benachbarten Räume seien unbesetzt; dies schien nun aber, wenigstens in Beziehung auf den einen, nicht der Fall zu sein.

Ich unterschied zunächst zwei Stimmen, welche sprachen. Es wurden Stühle gerückt und heraus auf den Söller geschafft. Da klangen die Worte natürlich deutlicher. Ich hörte Jemand sagen, und zwar in englischer Sprache:

»Also mein letzter Abend in Indien, speziell auf Ceylon! Wie freue ich mich, daß ich diese lange und gefährliche Arbeit zum Abschlusse gebracht habe und nun die Heimat wiedersehen darf!«

Wenn ich mich nicht irrte, so kannte ich diese Stimme. Ich hielt sie für diejenige des graubärtigen Herrn, welcher unter die Rickschah des Tamilen geraten war. Er hatte zwar nur wenige Worte mit mir gesprochen, aber ja erst heut, also vor so kurzer Zeit, daß mir der Klang seines Organes noch nicht wieder verloren gegangen war.

»Und dieser letzte Tag war auch nicht ganz ohne Gefahr,« bemerkte der Andere. »Unter die Hufe der Pferde zu geraten, das hätte schlimmer enden können, als es glücklicherweise ausgefallen ist!«

»Das ist nicht zu bestreiten, obgleich ich nur unter die Rickschah, nicht aber unter die Hufe der Pferde geraten bin wie die Eingeborenen, die ich verletzt auf der Straße liegen sah. Soll es etwa so weit kommen, daß schließlich der ganze Orient unter den Hufen des Occidentes liegt? Fast scheint es so? Ueberall, wohin ich hier gekommen bin, habe ich zwei dunkle, unheilvolle Mächte an der Arbeit gesehen, diese nichts weniger als christliche Aufgabe zu vollenden, nämlich die religiöse Ueberhebung und den nationalen Hochmut. Wer da behauptet, Gott sei so haarspaltend und pedantisch, daß er nur die weiße Hautfarbe liebe und auf einer ganz bestimmten Art und Weise des Händefaltens bestehe, der lästert ihn, denn er setzt ihn tief unter den gewöhnlichen Durchschnittsmenschen herab. Solche Sünder gegen die Völker- und Menschenrechte gehören eigentlich unter Gewahrsam, weil sie gemeingefährlich sind, und darum freut es mich, daß es mir gelungen ist, die Namen der sogenannten zivilisierten »Herren« und »Damen« zu erfahren, welche sich ein Vergnügen daraus machten, der anderen Rasse zu zeigen, was eigentlich »Rasse« ist. Ich habe ihre Bestrafung gefordert, und der Gouverneur versprach sie mir. Hoffentlich läßt er sich durch meine Abreise nicht verleiten, die Untersuchung einschlafen zu lassen! – Setzen wir uns! Wir haben noch Zeit bis zum Diner, und ich liebe es nicht, der Erste an der Tafel zu sein.«

Die Stühle draußen knackten; es trat eine Redepause ein. Also meine Vermutung bewahrheitete sich; es war der graubärtige Herr, welcher, wie seine Aufforderung zum Setzen erraten ließ, der jetzige Besitzer des Nebenzimmers und also mein Nachbar war.

»Diese lästigen Abschiedsbesuche,« seufzte er. »Immer und immer in full dress, sogar beim Essen! Ungesund und zeitraubend!«

Diese Worte waren für mich scheinbar nebensächlich, aber auch nur scheinbar. Da der heutige Abend sein letzter hier auf Ceylon war, so reiste er also morgen ab, und ich folgerte: Er war den Reitern nachgeeilt und dann, während ich mich noch im Pettah befand, in das Hotel gegangen, um für den Gang zum Gouverneur den Gesellschaftsanzug anzulegen. Später hatte er Abschiedsvisiten gemacht und saß nun mit irgend einem Bekannten drüben in seinem Zimmer, um die Zeit bis zum Abendessen zu verplaudern.

Das Gespräch, welches ich nun zu hören bekam, handelte von den Erlebnissen und Erfahrungen, welche er in Indien gemacht hatte. Er schien Gelehrter, speziellen Berufes, wahrscheinlich Arzt, zu sein und war von Amerika nach dem Oriente gekommen, um die Krankheiten, besonders die Pest zu studieren. Sein Aufenthalt im Morgenlande hatte fast zwei Jahre in Anspruch genommen, und das, was ich hörte, überzeugte mich, daß seine Studien sich nicht nur auf die materiellen, sondern auf die geistigen Verhältnisse der betreffenden Völker erstreckt hatten. Er war ein sehr scharfsinniger, kluger Mann und dabei ein vorurteilsloser, edel denkender Menschenfreund. Er sprach zuweilen Worte, für welche ich ihm hätte die Hand herzlich drücken mögen.

»Es ist für den Westen gefährlich, sich den Osten als abgetan zu denken und seine Völker als untergehende Nationen zu bezeichnen,« sagte er. »Die Bibel erzählt, daß der Garten Eden im Morgenlande gelegen habe. Die Flüsse dieses Paradieses sind nicht nur für die sogenannten Auserwählten Gottes, sondern für alle Welt geflossen; aber der Mensch, welcher in das Eden gesetzt wurde, es zu pflegen, zu bebauen und seinen Nachkommen zu erhalten, vergaß nur allzu bald, daß dies eine Aufgabe sei, die ihn zwar zum Pfleger, aber nicht zum Herrn des Paradieses machen sollte. »Er wollte sein wie Gott!« sagte die Heilige Schrift; das heißt, er wollte bestimmen, ohne nach den göttlichen Gesetzen zu fragen. Der Herr warnte ihn, warnte ihn in seiner Güte nur durch das kleine Verbot eines Apfels, welchen stehen zu lassen bei der unendlichen Früchtefülle des Gartens so leicht war und gar keine Selbstüberwindung kostete. Aber der allbegehrliche Mensch wollte nun gerade diesen, und – – – er hat ihn genommen. Doch diese Habsucht, welche in ihrer Grenzenlosigkeit trotz ihres unendlichen Reichtums nicht auf einen einzigen, kleinen Apfel verzichten, sondern den rechtmäßigen Herrn um Alles bringen wollte, hat sich durch ihre ungehorsame Begehrlichkeit selbst um Alles gebracht; sie bezahlte den einen Apfel mit dem ganzen Paradiese. Das ist die Geschichte des Sündenfalles in Beziehung auf das ganze Menschengeschlecht, auf die Nationen und auf jeden einzelnen Menschen.«

Er hielt inne; der Andere sagte nichts. Es schien mir, als habe der Schluß der Rede nicht das gebracht, was der Anfang versprochen hatte; da aber fuhr der Sprecher fort:

»Jedes Volk hat nicht nur das Recht, sondern auch die volle Kraft, sich auszuleben. Und jedes Volk hat die heilige Pflicht, andere Völker sich ausleben zu lassen. Aber der Teufel der Hab- und Selbstsucht, welcher sich in das Paradies eingeschlichen hatte, um den Menschen aus dem Glücke desselben heraus in das von ihm selbst beherrschte Elend zu locken, hat nicht bloß diesem einen Kain gegen diesen einen Abel die Keule in die Hand gedrückt, sondern ist, zum Brudermorde reizend, an den Thronen und in den Hütten aller Zeiten und aller Völker ein finsterer Gast gewesen und schleicht sich auch durch unsere Gegenwart. Und wie es das Heiligste auf Erden, die Verehrung Gottes war, aus welcher damals die egoistische, liebeleere Faust des Mörders den scheinbaren Grund zu dem Verbrechen zog, so hat von Anfang an bis auf den heutigen Tag jeder Opfernde seinen Altar für den einzigen gehalten, der Gott gefallen müsse. Wo sind die Statten, deren wohlgefälliger Opferduft geradeauf zum Herrn gestiegen ist? Und wer zahlt die angeblichen heiligen Orte, deren schwerer, dunkler Rauch nicht zum Himmel steigen konnte, sondern verderbenbringend weithin auf die Länder fiel? So lange die Erde steht, hat das Heilige dem Unheiligen, die Menschenliebe der Eigensucht, die Zivilisation der Rücksichtslosigkeit als Vorwand gedient, und ich suche vergeblich nach einem sanften, frommen Abel unter den Völkern, den nicht irgend ein Kain gehindert hätte, sich auszuleben. Wer kann die materiellen Summen und die geistigen Reichtümer berechnen, welche für die Menschheit ungehoben blieben, weil Kulturformen von der Erde verschwunden sind, welche nicht nur trotz, sondern gerade wegen ihrer Eigenart für die Allgemeinheit gewiß unermeßlich viel geleistet hätten, wenn es ihnen erlaubt worden wäre, sich bis zur Vollendung ihrer Aufgabe zu entwickeln!«

Er machte jetzt wieder eine Pause, welche der andere nicht schweigend vorübergehen ließ, denn er sagte, und zwar in einem Ton, dem ich es anhörte, daß er dabei lächelte:

»Ihr Lieblingsthema, lieber Professor! Aber mehr für zartfühlende Frauen als für uns Männer, die wir mitten im rücksichtslosen Leben stehen, welches uns zwingt, uns zu wehren, weil wir eben auch den Wunsch haben, uns ausleben zu dürfen. Wenn Sie in dieser Weise sprechen, ist es mir, als ob ich Miß Mary, Ihren Liebling, vor Ihnen sitzen sehe, um Ihrem Völkerevangelium gerade ebenso zu lauschen, wie einst eine andere Mary zu den Füßen eines anderen und, wenn Sie gestatten, größeren Meisters saß, um ihm zuzuhören.«

»Ja. Fügen Sie aber auch hinzu, daß dieser Meister, Christus, zu der Schwester dieser Mary sagte: »Mary hat den besten Teil erwählt; der wird nicht von ihr genommen werden!« Mary Waller ist körperlich die Tochter ihres Vaters, seelisch das Kind ihrer Mutter, geistig aber das meinige, und ich bin stolz darauf, daß sie das ist. Wollen Sie mir entschlüpfen, indem Sie von ihr sprechen?«

»O nein. Sie wissen ja, daß auch ich zuweilen über solche Dinge nachdenke, wenn ich dabei auch nicht zu denselben Schlüssen komme wie Sie. Für mich sind, wie auch jeder einzelne Mensch, die Völker abgetan, sobald sie nichts mehr leisten.«

»Der einzelne Mensch auch?«

»Ja.«

»Darf Ihr Arbeiter schlafen?«

»Welche Frage! Natürlich, ja!«

»Aber er leistet doch nichts, während er schläft!«

»Er wird, wenn er heut Abend schlafen geht, dann morgen um so mehr leisten, je besser er geschlafen hat. Er holt sich vom Schlafe neue Kräfte.«

»Well! Auch Völker schlafen. Ihr Schlaf währt freilich länger als nur eine Nacht, und wer die Notwendigkeit dieses Schlafes nicht begreift, der kann leicht versucht sein, ihn für den Tod und sie für abgetan zu halten. Aber diese schlafenden Völker wachen wieder auf, wenn ihnen der Atem nicht genommen wird. Sie haben während der Ruhe neue Kraft gesammelt, und wenn ihr Morgen kommt, dann wehe dem, der sie für tot gehalten und sich als lachender Erbe in ihren Rechten eingenistet hat! Ich meine, daß man besonders hier im Oriente vorsichtig zu sein habe. Es gibt da schlafende Riesen, welche man, wenn auch nicht für schon tot, aber doch für sterbend hält. Wenn ein Schlafender zuweilen eines seiner Glieder bewegt, soll man das nicht für Todeszuckung halten. Ein solcher Riese ist der Islam. Er schläft, und darum sehen wir an ihm nur das, was wir positives, unwillkürliches Leben nennen. Wir dürfen ihn berühren, seinem Kopfe, seinem Arme, seiner Hand vorsichtig eine andere Lage geben. Wenn wir keine Mörder sind, wird er erwachen, unbedingt erwachen, und es steht bei uns, ob dieses Erwachen ein freundliches, friedliches sein wird oder nicht. Die Seele kehrt am Morgen in den Körper zurück, mit ihr das Leben aller seiner Glieder, das Selbstbewußtsein und der Wille mit dem Tatendrang. Der Islam in das Medium der Seelen aller Völkerschaften, die sich zu ihm bekennen. Die Glieder dieses Riesenleibes ruhen jetzt; sie verhalten sich passiv. Wer hat Mut, ihn durch irgend eine Gewalttat aufzuwecken?«

»Ich nicht!« scherzte der Andere. »Lassen wir ihn schlafen, bis er von selbst erwacht. Er wird sich dann freilich sehr verwundert die Augen reiben, wenn er bemerkt, daß er, die Majestät von Muhammeds Gnaden, inzwischen Christ geworden ist. Halten Sie Buddha, Tao, Lao und Konfucius vielleicht auch für solche Schläfer?«

»Nein, denn in keiner der von ihnen gelehrten Anbetungsformen liegt die Aggressivität, welche dem Christentum und dem Islam eigen ist. Hier liegt die Gefahr für uns nicht auf dem eigentlich religiösen Gebiete. Es handelt sich um den friedlichen Ausgleich zweier ganz verschiedener, in vielen Beziehungen heterogen entwickelter Menschenrassen, der weißen und der gelben. Die rote haben wir glücklich hingemordet, denn was von ihr noch übrig ist, das sind nur noch die letzten, ersterbenden Hauche einer vierhundert Jahre langen, ununterbrochenen Todesklage. Aber für die gelbe Rasse wird uns die Weltgeschichte keinen Kortez und keinen Pizarro liefern, und das ist ein Glück für uns, denn diese Weltgeschichte ist zwar langmütig, aber auch unerbittlich gerecht, und das Land, in welchem einst »die Sonne nicht unterging«, ist durch den Fluch, der auf den Taten seiner einstigen Konquistadoren ruht, und trotz aller seiner berühmten »Silberschiffe« so klein und arm geworden, daß es weder Raum noch trockenes Brot und Wasser für die wenigen noch lebenden Indianer haben würde. Ein gewaltig ernstes Menetekel für uns, die wir uns eben unterfangen, den Besitz der gelben Rasse unter uns aufzuteilen! Es steht im Buche des Schicksals geschrieben, daß wer China erobern will, der muß Chinese werden.

Es gibt in dieser Rasse ein Ferment, dem keine Rasse widerstehen kann. Sie wird jeden Feind assimilieren, und wer mit ihr verkehren, dabei aber dieser Aufsaugung entgehen will, der muß beherzigen, daß es nur ein einziges Mittel gibt, nämlich Freund anstatt Feind zu sein!«

»Welch ein Glück für unsern Freund Waller!« erklang es wieder scherzend. »Er wird nicht assimiliert, denn er kommt ja doch als Freund!«

»Irren Sie nicht! Der Chinese schätzt seinen Glauben nicht niedriger ein als wir den unserigen; ja, in Beziehung auf seine mehrtausendjährigen Sitten und Anschauungen wird er uns trotz aller sonstigen Ueberlegenheit doch nicht anders als nur Barbaren nennen. Er wird Jeden, der zu ihm kommt, um ihm für seine Religion eine andere anzubieten, für einen Dummkopf halten, und wenn dieser Ignorant bei seinem Vorsatze bleibt, so ist bis zur Feindschaft nur ein kleiner Schritt. Dazu kommt leider Wallers krankhafte Eigenart. Er ist erblich belastet.«

»Ihre alte Meinung, lieber Professor! Ich aber halte ihn zwar für außerordentlich nervös, doch nicht für geisteskrank.«

»Das habe ich auch nicht gemeint. Erblich belastet kann man auch in anderer als nur ärztlicher Beziehung sein. Erblich belastet ist für uns der Chinese in Hinsicht auf seinen Ahnenkultus, den er von den Vorfahren geerbt hat. Erblich belastet für den Chinesen ist Waller bezüglich seiner religiösen Unduldsamkeit, welche jedem Gliede seiner Familie seit Generationen anerzogen worden ist. Hält er doch sogar jeden Christen, der nur im Geringsten anders denkt oder glaubt als er, für ewig verdammt und verloren! Auf religiöse Kontroversen sich mit ihm einzulassen ist geradezu unmöglich, weil er jede andere Meinung als Beleidigung behandelt. Und dabei gehört sein Christentum nicht einmal einem gewissen kirchlich abgegrenzten Bekenntnisse an, sondern es beruht auf den Lehrsätzen, welche sich in seiner Familie nach und nach herausgebildet haben und von den Eltern auf die Kinder vererbt worden sind. Dazu kommt, daß er seinem Vater hat versprechen müssen, Missionar zu werden, um durch die Verbreitung dieser religiösen Familientraditionen möglichst viele Heiden zu bekehren und dadurch für sich und seine Vorfahren bei Gott ein Verdienst zu erwerben, welches ihnen im Jenseits angerechnet werden muß.«

»Vorfahren? Das grenzt ja an den chinesischen Ahnenglauben!«

»Natürlich! Und doch wettert er so gegen ihn! Seine verstorbene Frau, eine wahre Engelsseele, milderte, so viel sie konnte. Sie hätte ihn, wenn sie am Leben geblieben wäre, wohl nicht nach China gehen lassen. Es ist ihm gelungen, durch Verbreitung jener religiösen Traditionen so eine Art von Sekte um sich zu bilden, zu welcher sehr reiche Leute gehören. Diese haben es für ein Gott wohlgefälliges Verdienst gehalten, ihn nach dem Tode seiner Frau mit den nötigen Mitteln zum Beginnen seines Missionswerkes auszustatten. Diese Mittel sind so ansehnlich, daß sie ihm sogar erlaubt haben, vorher eine Rekognoszierung durch den Orient vorzunehmen. Als mir seine Tochter das schrieb, war ich auch schon hier im Morgenlande. Später teilte sie mir ihre Abreise mit, und wir bestimmten ein Rendezvous in Cambay, wo wir uns auch glücklich trafen. Sie ist in die Fußstapfen ihrer Mutter getreten, mit der ich, der Nachbar und entfernt Verwandte, sie erzogen und unterrichtet habe, und ich hoffe für ihn gute Wirkung davon, daß er sie mitgenommen hat. Uebrigens scheint er in neuerer Zeit einen Anstoß erhalten zu haben, seine Lehrsätze nicht so, wie früher, für absolut unfehlbar zu halten. Mary sprach aus Rücksicht auf den Vater nicht davon, und so unterließ ich es, mich zu erkundigen; aber sie unterhielten sich oft von einem Deutschen, mit dem sie in Kairo zusammengetroffen sind. Mit ihm und zwei Chinesen haben sie wiederholt Ausflüge gemacht, und ich glaube, aus ihren Bemerkungen schließen zu dürfen, daß es diesem Germanen gelungen ist, wahrscheinlich aber ohne daß er es beabsichtigt hat, den Vater zu vermögen, über seine religiöse Starrheit nachzudenken. Er kann zwar grad noch so aufbrausend und absprechend wie früher sein und genau noch so gegen heidnische Tempel und Säulen wettern, aber plötzlich wird er still, sinnt nach, und dann kommt eine weiche, friedliche, menschenfreundliche Bemerkung, die aus diesem Munde früher eine Unmöglichkeit gewesen wäre. Ich habe mein Möglichstes getan, diese Augenblicke zu benützen, ihn für solche gute Stimmungen empfänglicher zu machen, glaube aber nicht, viel gewirkt zu haben, da wir uns so bald wieder trennen mußten.«

»Sind sie dann direkt nach China?« hörte ich den Zweiten fragen.

»O nein. Er ist ja Herr seiner selbst und Missionar aus eigener Machtvollkommenheit. Darum kann er reisen, wann, wie und wohin er will. Sein nächster Zweck war, Indien kennen zu lernen und quer durch das Land nach Kalkutta zu gehen. Dort angekommen, hat er mir geschrieben. Der Brief wurde mir nachgeschickt; ich habe ihn heut erhalten. Er wird noch einige Touren an der Ostküste unternehmen und bittet mich, ihm meine Antwort nach Penang zu senden. Ich hatte heut nicht Zeit, zu schreiben, muß es aber dann nach dem Diner gleich tun, denn ich habe Mary ihr Notizbuch zu schicken, welches – – ach, ja, ich habe es nicht hier in diesem vertrackten Salonanzuge, sondern dort in der Brusttasche des Jacketts. Als sie mich zum letzten Male besuchte, notierte sie sich Etwas und vergaß dann, es mitzunehmen; ich fand es zwar später, doch waren sie schon abgereist. Horch! Klang da nicht der Gong?«

»Ja. Man giebt das Zeichen zum Essen.«

»Wir können noch warten!«

Sie verweilten sich noch einige Zeit, doch kam das durch den Tamtam unterbrochene Gespräch nicht wieder auf denselben Gegenstand. Und das war mir sehr lieb, denn wenn Mary Waller wieder erwähnt wurde und dieser Professor abermals an das Notizbuch dachte, so konnte er auf den Gedanken kommen, es aus dem Jakett zu nehmen, in welchem es ja nicht mehr steckte.

Es war ein ganz eigentümliches Zusammentreffen von Umständen, welche sich so miteinander verbanden, als ob ein bestimmter Wille sie gerade so gelenkt hätte und nicht anders hätte lenken wollen. Man pflegt das Zufall zu nennen; für mich aber ist diese Verlegenheitserklärung nicht vorhanden. Der Mensch glaubt, zu schieben, und er wird geschoben. Tritt ihm ein Ereignis nahe, welches er nicht selbstgefällig auf seine eigene Rechnung setzen kann, obwohl sich später zeigt, daß es von großem Einfluß auf sein Leben ist, so geniert es ihn, einzugestehen, daß hoch über ihm eine weise, mächtige Führung waltet, welche ihn nicht um die Erlaubnis fragt, mit ihm tun zu dürfen, was sie für richtig hält, und so hat er das vollständig nichtssagende und inhaltslose Wort Zufall erfunden, mit welchem er zwar seine Ohnmacht eingesteht, weil er nicht anders kann, aber auch keine ihn beherrschende und bewußt handelnde Potenz anerkennt. Mein Leben ist sehr reich an solchen sogenannten Zufällen, welche sich später als für mich außerordentlich wichtig erwiesen, und wenn ich dann auf sie zurückblickte, so entdeckte ich, daß sie mit einer logischen Folgerichtigkeit an mich herangetreten waren, die mich als denkenden Menschen zwang, sie nicht einem willenlosen, blinden Ungefähr, sondern einer außerhalb mir und jenseits dieser Tatsachen existierenden, unendlichen Güte zuzuschreiben. Darum war auch das Ineinandergreifen der gegenwärtigen Umstände kein Zufall für mich, sondern ich nahm diese Tatsachen mit der Ueberzeugung hin, daß sie sich ganz gewiß als jetzige Ursachen späterer Folgen erweisen würden.

Das, was der Professor über Waller gesagt hatte, erklärte mir Alles, was mir an dem Letzteren bisher unverständlich gewesen war. Der Missionar besaß nicht das wahre, echte, allgemeine, sondern ein ganz besonderes persönliches Christentum, welchem gerade deshalb, weil es ein individuelles, durch scharfe, psychologische Konturen eng begrenztes war, die Hauptsache, nämlich die Nächstenliebe fehlte, ohne die es ja gerade das nicht geben kann, was das Christentum der Menschheit bringen soll, nämlich die Erlösung. Waller hatte die Vokation zum Glaubensboten sich selbst erteilt, ohne dazu berufen und geeignet zu sein, und die Lehren Christi ebenso wenig begriffen wie die Unklugheit der Forderung, daß jeder Andersdenkende weiter nichts zu sagen habe als: »Vergieb mir nur, du einzig Auserwählter, daß ich auch vorhanden bin!« Wer sich in dieser Weise mit einer so hohen Mauer umgibt, daß er sie selbst nicht übersteigen kann, der darf nicht erwarten, daß Andere sich die Mühe machen werden, über sie hinweg zu ihm zu kommen. Wer sich mit solcher Ostentation abschließt, wird abgeschlossen bleiben!

Nun wußte ich, wie das Notizbuch auf die Straße des Pettah gekommen war. Es hatte in der Brusttasche gesteckt und war während seines Sturzes von der Rickschah herausgerutscht. Wie bequem für mich, daß er gerade neben mir wohnte! Ich konnte es ihm unbemerkt wieder in die Tasche stecken und hatte gar nicht nötig, zu diesem Zwecke zu versuchen, über den Söller in sein Zimmer zu gelangen. Die Dienerschaft pflegte nämlich, sobald ein Gast seinen Raum verlassen hatte, die Korridortür desselben mit Hilfe einer besonderen Vorrichtung so halboffen einzuhaken, daß die Luft hindurchstrich und das Zimmer kühlte. Auf diesen Umstand rechnete ich. Ich wartete, bis er mit seinem Besuche zum Essen hinuntergegangen war; dann klingelte ich, um mir das Diner heraufbringen zu lassen. Meine Singhalesen rannten alle beide fort, um für gleichen Dienst dann gleiches Trinkgeld zu bekommen, und ich war also nun unbeobachtet. Ich trat hinaus auf den Korridor, auf dem sich jetzt Niemand befand, hakte die Nachbartür aus und sah beim Scheine des in dem Hotel gebräuchlichen, im Zimmer brennenden Windlichtes das weiße Jackett am Nagel hängen. Es genügten drei Schritte; ich steckte das Notizbuch in die Brusttasche, eilte hinaus, hakte die Tür wieder ein und kehrte in meine Stube zurück. Niemand hatte Etwas gesehen.

Als der Professor nach Tisch wieder heraufkam, war er allein. Er ging einige Male hin und her; dann wurde es still. Er schrieb wahrscheinlich. Ich vermied jedes Geräusch, damit er glauben möge, daß er unbeobachtet sei. Am nächsten Vormittage hörte ich ihn abreisen . Ich ließ mir die Zimmerliste geben und las: Garden, Professor, Amerika. Es war so eigentümlich, fast als sei ein lieber Bekannter von mir fortgegangen. Seine Ansichten waren zwar nicht ganz die meinigen gewesen, ihnen aber doch sehr nahe verwandt, und geistige oder seelische Verwandtschaft ist ein Band, welches nie zerreißt, auch wenn man es nicht pflegt.

In den nächsten Tagen unternahm ich Ausflüge zu Land und zu Wasser, teils um Erinnerungen aufzufrischen, teils auch um neue hinzuzufügen. Sie waren alle hochinteressant; hier aber habe ich nur einen von ihnen zu erwähnen: Ich fuhr mit Sejjid Omar mit der Bahn nach Point de Galle, dem mir unvergeßlichen Schauplatze einer meiner früheren Reiseerzählungen, in welcher ich auch das dortige Hotel Madras erwähne.

Die Bahn geht längs des Meeres, oft auf einem im Wasser liegenden Damm hin, welcher durch Korallenklippen vor Ueberflutung und Zerstörung geschützt wird. Rechts hinaus liegt die entweder blau träumende oder beweglich funkelnde See, die ich hier nie in Erregung gesehen habe, und links die Küste mit dem tiefen Grün ihrer herrlichen Vegetation, aus welcher einzelne Häuser oder zusammenhängende Dorfschaften mit fremdblickenden, verwunderten Augen auf den vorüberrollenden Zug schauen. Die Pflanzenwelt prangt hier in fast noch größerer Ueppigkeit, als drüben auf dem ostindischen Festlande. Bambusgruppen, Jack- und Brotfruchtbäume, riesige Bananen und volltragende Feigen, gelblich leuchtende Pisonien, Borassus-, Caryota-, Corypha-, Calamus- und Arecapalmen bilden die Unterbrechung von Kokospflanzungen, welche kein Ende nehmen. Die dazwischen liegenden Häuser der Wohlhabenden sind mit blumengeschmückten Veranden versehen; der Aermere lebt in einfachen Ziegel- oder Lehmhäusern, deren Dächer meist aus Palmblättern bestehen. Auch diese Wohnungen sind von Gärten umgeben und machen den Eindruck der Sauberkeit, welcher für Jeden, der aus mit Arabern bevölkerten Gegenden kommt, doppelt angenehme Wirkung hat.

Die Eingeborenenstadt von Point de Galle liegt im Niveau der See; die Europäerstadt zieht sich über die hohe, luftige Klippe nach dem wieder tiefer stehenden Leuchtturm hin. Von dem noch oberhalb der Kirche liegenden Hotel aus konnte ich den ganzen Hafen mit den hier ankernden Schiffen fast aller seefahrenden Nationen überblicken. Ich habe Pointe de Galle und seinen Hafen schon wiederholt beschrieben und will hier nur sagen, daß sich eine Fahrt von Colombo nach diesem Ort und Matara fast überreich belohnt.

Mein diesmaliger Aufenthalt währte nicht länger als von heute früh bis morgen abend, also nur eine Nacht, und diese Nacht war keine angenehme. Da ich gern hoch, frei und licht wohne, wählte ich ein Zimmer in der zweiten Etage, während ich Sejjid Omar in der ersten unterbringen ließ. Die Räume hier oben hatten die Eigentümlichkeit, daß ihnen die Decken fehlten; das Hausdach, welches noch hoch über sie emporstieg, schützte sie gemeinschaftlich vor dem Regen, und da die Zwischenwände diesem Dach nicht folgten, sondern in etwas über Manneshöhe aufhörten, so konnten sich die Bewohner dieser Etage zwar nicht sehen, aber Alles, was in dem einen Zimmer gesprochen wurde und ebenso jedes Geräusch und jeder andere Schall fiel von dem hohen Dache mit verdoppelter Stärke in die andern Räume zurück, so daß es fast nicht möglich war, ein lautes Wort zu sagen oder irgend etwas Hörbares zu tun, was Niemand wissen sollte. Man wohnte da, wenigstens in Beziehung auf das Ohr, in vollster Oeffentlichkeit.

Ich aß auch hier, wie fast stets im Hotel, auf meinem Zimmer, bekümmerte mich um Niemand und wußte also nicht, was für Gäste noch vorhanden waren. Doch erfuhr ich von Omar, daß eine Anzahl von Europäern per Segelschiff von Pondichery angekommen seien, welche mit der Bahn nach Colombo wollten.

»Das sind keine höflichen Leute,« urteilte er. »Ich habe sie gegrüßt, aber sie dankten nicht, sondern lachten mich aus. Muhammed hat den Gruß geboten, und so grüße ich alle Menschen, auch die, welche nicht Muhammedaner sind, denn gerade weil ich einer bin, muß ich zeigen, daß wir höflich sind. Wenn diesen Leuten ihr Christentum befiehlt, mich auszulachen, anstatt mir zu danken, so sollten sie daheimbleiben und nicht dahin gehen, wo der Gruß geachtet wird.«

Ich sagte nichts dazu, denn er liebte gewisse Leute nicht, und ich fühlte mich nicht berufen, über diese seine Abneigung mit ihm zu streiten.

»Sihid, was heißt im Englischen tail?« fuhr er fort.

»Schwanz und auch Zopf.«

»Ape und monkey?«

»Affe.«

»So haben sie einem Chinesen nachgerufen, welcher hier wohnt und auch höflich grüßte, als er an ihnen vorüber und nach seinem Tische ging. Wenn sie mich oder einen Andern beleidigen, so bin ich still, weil ich eben Sejjid Omar bin; aber hätten sie das dir getan, so dürften meine Fäuste wohl gute Arbeit bekommen haben!«

Was diese seine Fäuste betraf, so mußte man Respekt haben. Er war nichts weniger als ein Losschläger, aber ein riesenstarker Kerl und kannte keine Furcht. Wo es Krakehl gab, da entfernte er sich stolz; aber es war auch vorgekommen, daß man ihn nicht gehen ließ, und da hatte er sich, ohne die Gegner zu zählen, mit einigen guten Hieben prächtig Luft gemacht.

»Es muß ein Mann hier wohnen, welcher Kun-Yen heißt,« sprach er weiter. »Auch ein gewisser Tuan und ein Anderer, dessen Name Yung-lu ist. Es ist eine große Prügelei, welche beginnen soll. Sie sprechen davon; sie lachen; sie freuen sich und trinken Wein und Schnaps dazu. Es geht mich nichts an, gar nichts; aber meinst du nicht, Sihdi, daß ich diesen Kun-Yen aufsuchen und warnen soll?«

»Er wohnt nicht hier. Du hast diese Leute nicht richtig verstanden. Geh ihnen aus dem Wege! Das ist das Beste, was du tun kannst,« belehrte ich ihn lächelnd.

Da ich früh einen Ritt nach Paragoda machen wollte, so legte ich mich zeitig schlafen. Aber ich hatte kaum die Augen geschlossen, so kam es die Treppe herauf gepoltert und gebrüllt, als ob die Stiegen lauter Tamtams wären. Es hatte den Leuten unten nicht mehr gefallen; sie kamen herauf in meine Etage, wo sie zusammen zwei Zimmer mit je drei Betten hatten. In dem, welches neben dem meinigen lag, setzten sie sich fest. Sie feierten irgend ein Ereignis, über welches sie in Wonne geraten waren. Der Wirt mußte Champagner und Cognac bringen und sie selbst bedienen, denn sie seien Gentlemen, für welche die singhalesischen oder tamilischen Kellner nicht hoch genug ständen; aus solchen Händen könne man nichts genießen.

Ich weiß gar wohl, daß die sogenannten »Pioneers der Civilisation« nicht immer zur Elite der Gesellschaft gehören, und daß man besonders in den Hafenstädten des Orients nicht erwarten darf, nur auf geistige Nachkommen von Knigge zu stoßen; es flegelt sich sogar in den Salons und auf den Promenadendecks erster Klasse unserer Lloyddampfer so mancher Passagier herum, der seinem rücksichtslosen Benehmen nach eigentlich auf das Zwischendeck gehört, und es kann vorkommen, daß, während ich ein vorüberrauschendes Schiff betrachte, eine Dame sich gerade so und in der Weise vor mich hinstellt, daß sie mich auf beide Füße tritt, obgleich mehr als genug Platz zu beiden Seiten ist; auch weiß ich gar wohl, daß die meisten dieser gesellschaftlichen oder ungesellschaftlichen Gepflogenheiten aus einer ganz bestimmten Gegend stammen und dort großgezogen werden; aber es kann mir doch nicht einfallen, aus dem Grunde, daß einzelne Personen sich für Uebermenschen halten, deren ganzes Volk als Uebernation zu betrachten, sondern ich weiß, daß sie wie jede andere und auch die unserige ein Recht auf Nachsicht und Verzeihung hat, und pflege diese Milde besonders gern an ihren Uebermenschen auszuüben, weil sie ihrer am bedürftigsten sind. Darum war ich auch jetzt entschlossen, den Lärm im Nebenzimmer, welcher immer mehr in Radau ausartete, ohne Gegenwehr über mich ergehen zu lassen.

Aber es wurde mir außerordentlich schwer gemacht, diesem Vorsatze treu zu bleiben. Der Wein heizte, und der Kognak brannte. Die Hilfsgeister eines falschen Patriotismus wuchsen riesengroß; das laute Sprechen, welches vom Dache über uns mit doppelter Starke zurück und in alle Zimmer geworfen wurde, steigerte sich zum Lärm und drohte zum Skandal zu werden. Man schrie, man schimpfte, man lachte, man sang Trutzlieder; man gröhlte und johlte; man warf Flaschen und Gläser an die Wand, und zwar zu Ehren dieses oder jenes Ministers oder Diplomaten. Da stand ich denn doch auf, zog mich an und ging hinaus, um mir von dem Wirt ein anderes Zimmer geben zu lassen. Er stand in der ersten Etage und sprach mit Sejjid Omar, welcher wegen des wüsten Gebrülls sehr besorgt um mich war und ihn interpelliert hatte. Es gab kein anderes Zimmer. Ein vor kurzem eingelaufener Dampfer hatte neue Gäste gebracht, welche nur mit Mühe unterzubringen gewesen waren. Man fühlte sich im ganzen Hause über das Benehmen dieser Menschen empört, und als ich ihm drohte, nach einem andern Hotel zu gehen, welchem Beispiele wohl auch die andern Gäste folgen würden, entschloß er sich endlich, um Ruhe zu bitten. Er war einer der vielen orientalischen Wirte, auf welche das Wort Gentleman von faszinierender Wirkung ist.

Wir gingen hinauf, Sejjid Omar mit. Er wollte sich persönlich überzeugen, ob sein geliebter Sihdi auch wirklich nun die erwünschte Ruhe finden werde.

Der Lärm schwieg soeben. Es war nur eine einzelne Stimme zu hören, und der welcher sprach, war kein Europäer, denn er bediente sich des in Südchina und besonders in der Gegend von Canton gebräuchlichen Pitchenenglisch.

»Der Chinese, welcher auf der andern Seite neben ihnen wohnt,« erklärte mir der Wirt.

Ich hörte, daß dieser Chinese in sehr höflichen Ausdrücken bat, doch nun endlich ruhig zu sein, da es außer ihnen auch noch andere Gäste im Hause gebe und die Zeit zum Schlafen jetzt, nach Mitternacht, ja wohl gekommen sei. Ein schallendes Gelächter war die Antwort; man trommelte mit Fäusten auf den Tisch und an seine Zwischenwand und brüllte ihm die beleidigendsten Titel zu. Da ging der Wirt hinein und bat, den Wunsch des Chinesen zu erfüllen.

»Erfüllen?« schrie einer. »Wir, die wir jetzt nach China gehen, um diese Zopfaffen zu zivilisieren, um ihnen Bildung und Klugheit zu bringen, wir sollen hier diesem Kerle Gehorsam leisten? Das ist stark! Das ist beleidigend! Das lassen wir uns nicht gefallen!«

»Das ist stark! Das ist beleidigend! Das lassen wir uns nicht gefallen!« stimmten ihm die Andern drohend bei.

»Und hier nebenan wohnt ein Deutscher, der auch schon Beschwerde geführt hat!« fuhr der Wirt fort.

»Ein Deutscher? Ah, der hat vielleicht verstanden, was wir von den Deutschen gesagt haben! Er mag nur warten, denn er wird noch mehr, viel mehr zu hören bekommen! Wenn dieser Mensch schlafen will, so mag er – – –«

»Halt! Der Chinese!« schrie ein Anderer dazwischen. »Holt ihn herein! Er muß Kognak trinken und uns Abbitte tun!«

Der sich ebenso wie ich vergeblich nach Ruhe sehnende »Sohn der Mitte« war nämlich jetzt auch aus seinem Zimmer getreten. Als er uns sah, kam er auf uns zu. Er mußte da an der Tür der Leute vorüber. Der Wirt hatte sie offenstehen lassen, und so kam es, daß der Chinese bemerkt worden war. Die Gentlemen jubelten über den Vorschlag; sie kamen heraus und umringten ihn, um ihn in das Zimmer zu schaffen. Er war ein kleiner, schmächtiger Mann von wahrscheinlich geringer Körperkraft, und sein weites, chinesisches Gewand hinderte ihn, selbst diese ganz in Anwendung zu bringen. Zwei faßten ihn am Zopfe, um zu ziehen, die andern schoben. Das konnte ich nicht mit ansehen, nicht geschehen lassen! Der Wirt ließ kein weiteres Wort hören; er fürchtete sich; darum sagte ich in ernstem, doch nicht unhöflichem Tone, daß es wahrscheinlich eines Gentlemen würdiger sei, den Chinesen nicht seiner persönlichen Freiheit zu berauben.

»Wer ist dieser freche Mensch?« fragte der, welcher vorhin den Vorschlag gemacht hatte, den Wirt.

»Der Deutsche,« antwortete der Gefragte.

»Muß auch mit herein, um Abbitte zu tun!«

Er faßte mich am Arme. Ich hatte es keineswegs mit Betrunkenen, sondern nur mit Aufgeregten zu tun; es ist fast unglaublich, welche Mengen von Alkohol dazu gehören, derartige Menschen wirklich betrunken zu machen.

»Nicht anrühren!« warnte ich. »Laßt mich los, Sir!«

Da packte mich ein zweiter am Halse. Wir standen unweit der Treppe, welche eine gebrochene war und also nicht in gerader Linie aufwärts, beziehendlich abwärts führte. Ich stieß ihm die Faust in die Magengegend, daß er von mir weg und an die Wand flog, und riß mich von dem, der mich am Arme hielt, los. Da brüllten die anderen Vier, denn es waren ihrer sechs, wütend auf und drangen auf mich ein. Ich versuchte, sie mit den Fäusten von mir abzuhalten. Da ertönte hinter mir Sejjid Omars Stimme arabisch:

»Soll ich, Sihdi? Erlaubst du es?«

»Ja,« antwortete ich. »Wir werfen sie die Treppe hinunter, alle sechs. Dann wird hier oben Ruhe!«

Indem ich das sagte, unterlief ich den mir am nächsten Gekommenen. Er hatte das nicht erwartet, und ehe er daran denken konnte, sich von meinem Griffe, mit dem ich ihn über den Hüften packte und emporhob, loszumachen, flog er die Treppe hinab. Und nun war es eine Lust, meinen Sejjid arbeiten zu sehen! Er sprang um die Kerle herum, so daß sie zwischen ihn und die Treppe zu stehen kamen, und packte den ersten Besten am Schenkel und an der Brust. Ein Ruck, ein Schwung, und der Mann flog dem vor mir Expedierten nach. Ihm folgte sofort eine zweite Lieferung aus meiner und eine ebensolche aus Omars Hand. Die zwei noch übrigen Gentlemen schlugen auf uns ein. Wir wurden von einigen unschädlichen Fausthieben getroffen, auf die wir gar nicht achteten; dann ging es mit den Beiden ebenso treppab wie mit den andern Vier vorher.

»Das war die Arbeit, von welcher ich heut Abend gesprochen habe,« lachte Sejjid Omar. »Du bist fertig, Sihdi; du sollst sie gar nicht mehr anzufassen haben, denn ich nehme sie auf mich. Ich stelle mich hier an die Treppe, und wehe dem von ihnen, der es wagt, zurückzukehren!«

Sonderbarerweise fiel es ihnen gar nicht ein, auch nur den Versuch zu machen. War das eine Bestätigung der alten Erfahrung, daß Menschen, welche gerne rodomontieren, keinen eigentlichen Mut besitzen, oder hatte die ihnen von uns so kräftig erteilte Lehre in ihnen die Ueberzeugung geweckt, daß es klüger sei, sich fortzuschleichen, als noch einmal mit zwei solchen Desperados, wie wir waren, anzubinden? Wir hörten, daß sie unten auf der ersten Etage noch mit einigen großen, drohenden Worten um sich warfen; dann gingen sie hinab nach dem Salon, wo sie sich auf die Möbel legten, um ihre Niederlage zu beschlafen. Diese Zivilisatoren Chinas waren also abgetan!

»Deutsche Fäuste und arabische Fäuste, denen soll einmal so Einer widerstehen!« meinte mein Sejjid Omar, dessen ganzes Gesicht ein einziges Freudenlächeln war.

Der Wirt hatte still und staunend dagestanden.

»Wie schnell Ihr das fertiggebracht habt! Und was habt Ihr gewagt!« sagte er. »Fürchtet Ihr denn nicht, daß die Gentlemen Euch persönlich oder gerichtlich belangen werden?«

»Hoffentlich tun sie das!« antwortete ich. »Ich bin herzlich gern bereit, sie sowohl persönlich als auch gerichtlich zu belehren, daß kein anständiger Mann jemals so handeln würde, wie sie gehandelt haben. Der wirkliche echte Gentleman ist ein ganz anderer Mann, und Ihr beleidigt ihn, wenn Ihr solchen Radaubrüdern dieselbe Achtung zollt, auf welche nur er allein berechtigten Anspruch hat!«

Der Chinese stand von fern und winkte meinen Diener zu sich heran, um ihm Etwas zu sagen. Dann verneigte er sich sehr zeremoniell und sehr tief vor mir und kehrte in sein Zimmer zurück.

»Er läßt dich um die Erlaubnis bitten, dir morgen früh seine Karte schicken zu dürfen,« erklärte mir Omar. »Mehr konnte ich nicht verstehen, weil seine englische Sprache gar keine Sprache ist. Es gibt überhaupt nur zwei Sprachen, welche wahre und wirkliche Sprachen sind, nämlich die arabische und die deutsche. Die andern sind nur Redensarten, die man wohl sprechen lernen, aber nicht liebgewinnen kann! Was tun wir jetzt?«

»Schlafen,« antwortete ich.

»Gut! Und wenn die lärmenden Kerle wiederkommen sollten, so komme ich auch wieder, und wir werfen sie abermals die Treppe hinunter. Leletak sa'ide – deine Nacht sei gesegnet!«

Er ging, und ich war doppelt zufrieden mit ihm, einmal, weil er seine Fäuste so wacker gebraucht hatte, das andere Mal, weil es für ihn jetzt zwei »wahre und wirkliche« Sprachen gab und nicht wie früher nur eine, die arabische. Er wußte freilich nicht, was Alles in diesem seinem Geständnisse lag.

Nun, da der Chinese mir früh seine Karte schicken wollte, konnte ich freilich den beabsichtigten Ritt nach Paragoda nicht machen, denn es stand nach dem Geschehenen zu erwarten, daß er heut länger als gewöhnlich schlafen und sein Besuch also erst spät erfolgen würde. Ich hingegen war schon zeitig wieder munter und machte einen Spaziergang nach dem Leuchtturme. Es führt dort eine Treppe zu den von der Brandung umrauschten Trümmern des Küstenfelsens hinab, zwischen denen allerlei interessante Muscheln, Korallen und andere »Früchte des Meeres« zu finden sind. Von da zurückgekehrt, erfuhr ich vom Wirte, daß die sechs Europäer ihre Zeche bezahlt und das Hotel ohne Sang und Klang verlassen hatten, um nach dem Bahnhofe zu gehen und dort den Zug nach Colombo zu erwarten. Die Zeit bis dahin an dem Orte ihrer Heldentaten zu bleiben hatten sie also keine Lust gehabt. Es ist ja auch der Fanfaron nicht ohne Ehrgefühl.

Während ich den Kaffee trank, den ich selbst in Indien dem Tee vorziehe, obgleich er dort durchschnittlich sehr schlecht zubereitet wird, schrieb ich Postkarten nach Deutschland. Nach einiger Zeit brachte Sejjid Omar die Visitenkarte des Chinesen, einen langen, schmalen Streifen scharlachroten Papieres, auf welchem mittelst Stempel der Name Fang angebracht war. Es war eine uralte, berühmte Familie, welcher der Besitzer dieses Namens angehörte: Wahrscheinlich existierte sie schon zur Zeit des Kaisers Huang-ti, welcher vor nun fast viertausendsechshundert Jahren die Familiennamen in China einführte. Unter diesem Stempel standen die übrigen Personalien, welche mit Tusche und Pinsel geschrieben waren. Er hatte sich mit dem Titel Tschin Schi die höchste literarische Würde erworben, und aus der Beifügung Tschuan Yüan ersah ich, daß er von sechstausend Examinanden und dreihundertfünfzig Graduierten die Prüfung am besten bestanden hatte. Außerdem las ich, daß er Beamter des Han Lin Yan war, aus welchem der Kaiser die Beamten für die verantwortlichen Stellen wählt. Hierzu führte er noch den Titel eines Beisitzers im Kuoh Tse Kien, der chinesischen Nationalakademie der Gelehrsamkeit. Und diesen gewiß hervorragenden Mann hatten die »Gentlemen« am Zopf maltraitiert!

Diese Worte waren alle mit chinesischen Zeichen geschrieben. Hierunter stand in englischer Schrift, doch chinesischer Höflichkeit:

»Der von der Sonne erleuchtete, hoch erhabene und vor Güte strahlende Beschützer aus dem deutschen Lande der edelsten Bewohner möge gnädigst gestatten, daß Fang, der ärmste, geringste und unwürdigste der Chinesen, zu ihm komme, um ihm seinen Dank zu sagen. Es wird dem schon vor zehntausend Jahren in seinen Ahnen lebenden Herrn nicht zugemutet, dem niedrigen Bittsteller eine Karte zu schreiben. Das Wort des Dieners ist genügend.«

Ich beauftragte Omar, mir schnell zwei Tassen Tee zu holen und dann dem Chinesen zu sagen, daß er sofort kommen solle. Die Herren Fu und Tsi in Kairo hatten nach abendländischer Weise gelebt und kein Eingehen auf ihre heimatlichen Gewohnheiten erwartet; hier aber war mir eine Karte geschickt worden, und so wünschte ich nicht, ganz und gar als »westlicher Barbar« zu gelten. Der Tee wurde von der Etikette vorgeschrieben. Man pflegt ihn zwar nicht zu trinken, aber sobald der Besuchte oder der Besucher die Tasse an den Mund führt, ist dies das Zeichen, daß er die Visite zu beenden wünscht.

Der Tee wurde gebracht, aber der Chinese kam nicht. Wollte er mich etwa probieren? Ich schickte ihm Omar noch einmal, und als er auch dann noch nicht kam, so mußte der Sejjid zum dritten Male hin, und ich ging selbst mit, doch nur die Hälfte des Weges. Dort blieb ich stehen, um meinen Besuch zu erwarten. Nun trat er endlich aus dem Zimmer und näherte sich mir mit fortgesetzten, tiefen Verbeugungen. Ich verneigte mich ebenso und: führte ihn nach meiner Tür, an welcher ich mich so stellte, daß er auf ihrer linken Seite, der »Seite der Höflichkeit«, eintreten mußte. Dann folgten wiederholte Verbeugungen, ehe ich ihn dazu brachte, sich eher als ich niederzusetzen, worauf dann auch ich Platz nahm, und zwar zu seiner rechten Hand, denn in China ist links der Ehrenplatz. Omar stellte die Tassen vor uns hin und ging dann hinaus.

Bisher war kein Wort gesprochen worden, und ich verhielt mich auch jetzt noch still, weil der Höherstehende das Gespräch zu beginnen hat. Es gab nun einen schweigsamen Wortstreit zwischen der morgen- und der abendländischen Höflichkeit, und ich war fest entschlossen, Sieger zu sein. Es vergingen drei, vier, fünf Minuten, welche unter anderen Verhältnissen höchst peinlich gewesen wären; hier aber machten sie mir Spaß. Er schien ebenso wie ich sich fest vorgenommen zu haben, der Höflichere zu bleiben, und so könnten wir als charakterstarke Männer noch heute miteinander dort in Point de Galle sitzen, ohne den Mund aufgetan zu haben, wenn ich nicht unwillkürlich mit der Hand nach der vor mir stehenden Tasse gegriffen hätte. Das geschah, wie gesagt, ganz ohne Absicht, nur um irgend Etwas zu tun. Aber er sah mich an, ob ich wohl trinken würde. Als ich das nicht tat, legte er die Hand auch an seine Tasse und trank aber auch nicht. Da kam mir ein köstlicher Gedanke. Wer den Andern sprechen läßt und selbst aber schweigt, ist der Höflichere. Wie nun, wenn ich diese Visite beendete, ohne überhaupt gesprochen zu haben?! Aber da mußte ich trinken, um den Besuch zu beenden, und das war doch wohl nicht höflich! Jedoch, er hatte auch schon die Hand an seiner Tasse. Wollte etwa er der Unhöfliche sein? Jedenfalls nicht. Oder aber hatte er etwa meine Bewegung nachgemacht, um mit mir zu gleicher Zeit zu trinken? Wenn er das beabsichtigte, so ging diese Visite ohne irgend ein Wort zu Ende, und da Keiner das Zeichen des Aufbruches allein gegeben hatte, so war jeder von uns beiden ein wahrer Ausbund der allergrößten chinesischen Höflichkeit! Ich versuchte es, indem ich die Tasse ein Wenig hob; er tat sogleich dasselbe. Ich führte sie zum Mund, er auch. Ich trank, er ebenso, mit mir zu gleicher Zeit. Dann stand ich auf, und er in demselben Tempo mit mir. Dann verneigten wir uns gegenseitig so lange, bis er, der sich nach rückwärts »dienerte«, das Zimmer verlassen hatte.

Ich bekam ihn dann während des Vormittages nicht wieder zu sehen. Am Nachmittage kam er mir da, wo die breite Hauptstraße der Eingeborenenstadt sich in zwei schmälere spaltet, in einer Rickschah entgegen. Als er mich sah, ließ er halten, stieg aus und verneigte sich, indem ich an ihm vorüberfuhr, so tief, daß ihm sein kleines, schwarzes Käppchen vom Kopfe fiel. Hier, außerhalb der Heimat, trug er weder Hut noch Mandarinenknopf. Ein Glück für sein gesellschaftliches Gewissen, daß ich kein Chinese war, weil sonst in dieser, wenn auch unverschuldeten Entblößung seines Hauptes eine schier unverzeihliche Beleidigung für mich gelegen hätte!

Warum aber diese Höflichkeit gegen mich, die nach europäischen Begriffen fast als übertrieben bezeichnet werden konnte? Warum vor mir extra aus dem Wagen steigen? Der Aufschluß hierüber sollte mir später werden.

Es war ihm und mir ein schnelleres Wiedersehen bestimmt, als er wohl ebenso wie ich gedacht hatte. Nämlich als ich dann am Abend in Colombo auf mein Zimmer kam, lagen die inzwischen eingegangenen Briefe da, unter ihnen einer, dessen Inhalt mich bestimmte, die von mir geplante Reiseroute dadurch zu verlängern, daß ich ihr die Strecke Ceylon-Sumatra einfügte, und diese Fahrt mußte möglichst sofort, mit dem nächsten Schiffe, unternommen werden. Auf Befragen erfuhr ich, daß heute ein deutscher Lloyddampfer nach Singapore abgegangen, übermorgen aber ein Oesterreicher fällig sei, welcher auch in Penang anlege. Ich beschloß, auf diesem Passage zu nehmen.

Am nächsten Tage teilte ich meinem Sejjid Omar diesen Entschluß mit, sagte ihm, wie weit Sumatra von Ceylon liege und um welche Zeit unsere Reise verlängert werde, und fragte ihn, ob er mitfahren wolle; wenn nicht, so könne er heimkehren; die Seereise nach Suez würde ich ihm natürlich bezahlen und auch das Gehalt für die Zeit bis zu seiner Ankunft in Kairo. Da antwortete er:

»Sihdi, tu mir das nicht an, daß ich dich verlassen soll! Ich gehe mit dir durch die ganze Welt! Nur bitte ich dich um fünf Pfund, die ich meinem Vater schicken will.«

»Ja, weißt du denn, wieviel ich dir schuldig bin?«

»Nichts bist du mir schuldig, gar nichts. Ich merke mir auch nichts, denn du bist kein falscher, sondern ein richtiger Christ und wirst mich nicht betrügen.«

Ich muß nämlich bemerken, daß er nur dann einmal Geld von mir forderte, wenn er welches nach Hause schicken wollte. Ich hatte schon öfters mit ihm abgerechnet und ihm seinen Lohn vorgezählt; aber sobald er die vielen Goldstücke liegen sah, bekam er Angst und bat mich, sie ihm aufzuheben. Er bekam pro Tag fünf Mark, und da ich kein Pfennigfuchser bin, so brauchte er fast gar nichts für sich auszugeben und konnte den ganzen Lohn sparen. War ich ja einmal mit ihm unzufrieden, so konnte ich ihn nicht härter strafen als dadurch, daß ich ihm sein Geld hinlegte. Der Angstschweiß trat ihm sofort auf die Stirn, und ich werde nie vergessen, mit welcher Miene er bei unserer Trennung über zweitausend Frank in Goldstücken in sein Taschentuch einknotete.

»O Sihdi,« sagte er. »Nimm es wieder; ich schenke es dir; aber laß mich bei dir bleiben!«

Diese Liebe war ja später durch unser langes Beisammensein erklärlich; aber er hatte sie mir gleich vom ersten Augenblicke an gezeigt, ohne daß ich den Grund entdecken konnte. Hier in Colombo erfuhr ich ihn endlich. Nämlich die Postanweisung an seinen Vater mußte englisch geschrieben werden, und da er das nicht konnte, so tat ich es für ihn. Dann gab ich ihm die fünf Pfund und machte ihm die Bemerkung, daß seine Fürsorge für den Vater mich stets sehr gefreut habe. Da drückte und drückte es in ihm so lange, bis es herauskam:

»Sihdi, ich muß dir etwas von ihm sagen. Er kennt dich; ja, er kennt dich ganz genau, obgleich er dich nie gesehen hat.«

»Wie soll er mich da kennen?«

»Das ist es eben, was ich dir sagen will. In Kairo gibt es zahllose Blinde. Sei aufrichtig: bist du einmal an einem von ihnen vorübergegangen, ohne ihm Etwas zu schenken?«

»Nein; das ist meine Eigenheit.«

»Aber eine Eigenheit, für welche unser Islam sehr gute Augen und ein dankbares Herz hat. Sein Hauptgebot ist, Almosen geben, und wenn ein Christ so oft und so gern gibt wie du, ohne sich darum zu kümmern, daß der Empfänger andern Glaubens ist, so wird er in der kürzesten Zeit bekannt, obgleich er das nicht bemerkt. Schon einige Tage nach deiner Ankunft im Hotel Continental warst du von der Scharia el Faggala bis zum Medan Abdin und vom Kantaret el Bulak bis zum Derb el Gamamis nur "der Almani, der allen Blinden gibt." Darum schaute ich stets zu dir hinüber, wenn du im Freien deinen Kaffee trankst, und als es hinter dem Bab al Ghoraib die jährliche Dschemija el Imjahn gab, da wurde von dir gesprochen und erzählt, und da wurde auch für dich zu Allah gebetet, laut und gern gebetet, obgleich jeder wußte, daß du ein Christ seist. Die Liebe macht ja alle Menschen gleich! Da wollte mein Vater dich kennen lernen; er wünschte, dich wenigstens einmal sprechen zu hören. Darum kam er zu mir und saß halbe Tage lang an meinem Stand, denn er dachte, du würdest einmal kommen und meinen Esel nehmen und dabei einige Worte reden. Aber du gingst stets vorüber, und da habe ich dich auch stets gegrüßt.«

»Ja, höflich warst du immer, Sejjid Omar. Doch einmal bin ich nicht vorübergegangen. Du hast es nicht gesehen, denn du warst nicht da.«

»Ja, aber der Blinde hat es mir erzählt!«

»Er saß in der Nähe deines Standes, am Gitterzaun der Ezbekije, ein alter, sauber gekleideter Mann mit grauem Bart. Ich gab ihm Etwas, und er wollte es nicht nehmen, weil er kein Bettler sei. Ich nahm es wieder zurück, und so kamen wir ins Gespräch.«

»Ja, gerade daß du es wiedergenommen hast, das hat ihn so gefreut. Es war ein großes Silberstück. Und noch größere Freude hat er über deine Worte gehabt: "Ich gab es dir, da war es dein; nun gibst du es mir, und ich danke dir, denn ich habe dich und du hast mich beschenkt!" Dann bist du nicht gegangen, sondern du hast dich neben ihn auf den hohen Gitterstein gesetzt und mit ihm gesprochen. Du hast von der Blindheit geredet, die noch schlimmer als die körperliche ist, und von dem Auge der Seele, welches grad bei den Blinden schärfer und heller blickt als bei den Sehenden. Du hast ihm von einem Himmel und von Sternen erzählt, von denen er bisher keine Ahnung hatte, denn sie wohnten in seinem Herzen, und er wußte es nicht. Und als du dann nach wohl einer Stunde ihm die Hand gedrückt und dich entfernt hast, hat er deinen Schritten gelauscht, bis sie verklungen waren, und ihm ist gewesen, als sei er sehend geworden, denn der Himmel und die Sterne, von denen du sprachst, sind in ihm aufgegangen, und er sieht noch heutigen Tages ihre Herrlichkeit, obgleich es außerhalb seiner Augen dunkel ist!«

Der gute Sejjid war ja ganz poetisch geworden. Er schien sich für diesen Blinden besonders zu interessieren. Darum machte ich die Bemerkung:

»Ich habe ihn dann leider nicht mehr gesehen; er saß nie wieder an dieser Stelle.«

»Er kam nicht wieder, weil nun sein Herzenswunsch erfüllt war, dich einmal sprechen zu hören, oder – – dieser Blinde sagt immer, sprechen zu sehen.«

»Ich denke, diesen Wunsch hat ein Anderer gehabt, nämlich dein Vater; du sagtest es ja!«

»Ganz richtig! Aber mein Vater war eben dieser Blinde! Als er erfuhr, daß du einen Diener suchtest, befahl er mir, mich zu melden. Es bedurfte gar nicht eines Befehles, denn ich tat es selbst so gern! Und wie glücklich war er, als ich ihm nach unserer Rückkehr von den Pyramiden sagte, daß unser Wunsch erfüllt sei! Du glaubtest, ich bemerke es nicht, aber ich habe es wohl gesehen, wie du mich wegen des Reitens auf die Probe stelltest. Mein älterer Bruder, der nun gestorben ist, war Saïs beim Khedive; ich durfte wochenlang draußen bei ihm sein und auf den schönen Pferden sitzen. Da habe ich das Reiten gelernt. Nun schreibe ich von überall, wohin ich mit dir komme, einen Brief an den Vater, welcher ihm vorgelesen wird. Da ist er froh, wenn ich ihm von dir erzähle und ihm sage, daß du mit mir zufrieden bist. O, Sihdi, wenn du ihm doch auch einmal eine Zeile senden wolltest; welch eine Freude wäre das für ihn!«

»So trag das Geld jetzt noch nicht zur Post, sondern warte! Ich werde gleich jetzt einen ganzen Brief, nicht bloß eine Zeile, an ihn schreiben. Die Adresse sagst du mir dann.«

Da ergriff er, wie damals in Kairo, meine Hand und küßte sie, ehe ich es verhindern konnte. Wie leicht ist es doch, gut und freundlich zu sein; wie schwer fällt das manchen Menschen, und wie noch mehr andere haben kein Geschick dazu! Und wie belohnt sich so ein Bißchen Güte und Menschenliebe! Ich hatte einem Blinden eine Gabe angeboten, die von ihm nicht einmal angenommen worden war. Und der Lohn? Ein Diener, wie ich ihn mir treuer, aufopfernder und besser gar nicht wünschen konnte. Aber so reicher Lohn kommt nur dann, wenn man an keine Belohnung denkt! – – –

Der österreichische Dampfer kam ohne Verspätung; er hatte wenig Fracht und wenig Passagiere und sich also nicht durch aufhaltende Hafenarbeiten verspäten können. Alle Welt fährt lieber mit dem Norddeutschen als mit dem Triester Lloyd. Mir war es sehr lieb, daß es so viel Platz gab, denn ich gehe gern ungestört spazieren, auch auf – – der See.

Aber eine Anzahl Passagiere kam doch mit an Bord, nämlich Fang, der Chinese, die sechs Gentlemen, welche wir in Point de Galle zur Treppe herabgeworfen hatten, und auch mehrere von den Europäern, von denen in Colombo die Eingeborenen niedergeritten worden waren. Sie dampften der Gegend zu, welche mit Sehnsucht erwartete, von ihnen zivilisiert zu werden. Warum sie es vorgezogen hatten, nicht mit einem deutschen Schiffe zu fahren, konnte ich mir denken. Leider sah ich mich gezwungen, an derselben Tafel mit ihnen zu speisen.

Wie es schien, hatten sie sofort, als sie mich als Mitpassagier erkannten, beschlossen, sich an uns zu rächen. Sie begannen nicht mit mir, sondern mit Omar. Dieser nämlich war, wie sich ganz von selbst versteht, nicht Passagier erster, sondern dritter Klasse, hielt sich aber zu meiner Bedienung viel auf dem Deck und in den Räumen der ersten Klasse auf. Hierüber hatten sie sich beim Kapitän beschwert und ihm sehr energisch zu verstehen gegeben, daß sie einen Passagier dritter Klasse nicht in der ersten dulden würden. Es war ihnen der Bescheid geworden, daß sie da gar nichts machen könnten. Es sei auf allen, auch auf den englischen Linien, so eingeführt, daß die reisenden Herrschaften des Tages über ihre Dienerschaft bei sich haben könnten, dafür aber für sie ein erhöhtes Passagegeld zahlen müßten. Das hätte ich auch getan, und also sei mein Araber in vollem Rechte, zu mir zu kommen, so oft es mir und ihm beliebe. Omar, der sich an die meist italienisch sprechende Schiffsbemannung angevettert hatte, um sprachlich so viel wie möglich zu profitieren, war von dieser Beschwerde unterrichtet worden und teilte mir es mit.

»Diese Leute sind ganz unerfahrene Knaben,« sagte er, »die noch nicht einmal wissen, was auf einem Schiffe gebräuchlich ist. Sie halten sich für bessere Menschen als wir Araber sind; früher hätte mich das geärgert; aber jetzt bin ich Sejjid Omar und bedaure sie!«

Damit war die Sache für uns abgemacht.

Mit Fang kam ich nicht zusammen. Er lag seekrank in seiner Kabine und ließ sich nicht sehen. Auch machte die Scheu vor den Gentlemen das Ihrige dazu beitragen, daß er so beharrlich unten blieb. Diese Vermutung war nicht falsch; ich erfuhr es in der letzten Nacht. Was mich betrifft, so ergingen sich diese Herren in unzähligen Sticheleien und legten mir alles Mögliche in den Weg; ich achtete aber nicht darauf.

Unser Dampfer brauchte fünf Tage, um von Colombo nach Penang zu kommen. Sonnabend waren wir abgefahren; Donnerstag kamen wir an. In der letzten Nacht ging ich nicht schlafen, sondern blieb an Deck und schrieb. Der Kapitän hatte meinetwegen den Befehl gegeben, das Licht nicht auszudrehen. Er war ein großer Vogelfreund und hatte neben seiner Kajüte eine Anzahl heimischer Vögel in hübschen Käfigen untergebracht. So oft es seine Pflicht erlaubte, ließ er sich einen Tisch zu diesen Käfigen stellen, um unter seinen Lieblingen zu sitzen und sich mit ihnen zu beschäftigen. Auch ich liebte die geflügelte Welt. Er bemerkte das sehr schnell, und so kam es, daß er bald nicht mehr allein am Tische saß. Daher auch die Gefälligkeit, mich wahrend der letzten Nacht mit Licht zum Schreiben zu versehen.

Es war eine wunderschöne, südliche Meeresnacht. Man muß so Etwas erlebt haben. Beschreiben kann man es nicht. Und wenn man es könnte, so hätte es doch keinen Zweck, weil eine Beschreibung nie so wirken kann, wie das, was man beschreibt. Der südliche Himmel hat weniger sichtbare Sterne als der nördliche, aber sie scheinen größer und darum der Erde und mit ihr dem Menschen näher zu sein; die See erstrahlt in hellerem astralischen Glanze, und die Rätsel der Nacht, die man daheim nicht lösen konnte, treten hier viel deutlicher mit der Bitte an den Menschen heran, gelöst zu werden. Aber all sein stolzes Wissen und all sein scharfes Denken ist diesen Geheimnissen gegenüber ein Nichts; er kann nur ahnen und hoffen, und wenn der Engel des Glaubens zu ihm tritt und ihm zuflüstert, daß dieses Ahnen zur Wahrheit und dieses Hoffen sich erfüllen werde, so soll diese Stimme ihm ebenso heilig sein, als ob Gott selbst zu ihm gesprochen hätte.

Es war schon nach Mitternacht, als ich ein Räuspern hinter mir hörte. Ich schaute mich um und sah Fang, welcher leise die nach den Kabinen führende Treppe heraufgekommen war. Er verbeugte sich und wartete dann, ob ich ihn anreden werde. Ich grüßte ihn in englischer Sprache. Er verbeugte sich noch einmal und antwortete:

»Daß Sie diese Sprache wählen, ist für mich ein Fingerzeig. Stört es Sie, wenn ich hier oben bin und mir Bewegung mache?«

»Nein.«

Er verneigte sich zum dritten Male und wendete sich ab, um leise auf dem Decke hin und her zu spazieren. Das tat er wohl eine Stunde lang, dann schien er wieder hinuntergehen zu wollen. Er mußte an mir vorüber und tat das mit so zögerndem Schritte, als ob er mir gern Etwas sagen möchte. Ich legte also die Feder weg und sah ihn fragend an. Da erkundigte er sich:

»Sie arbeiten, und ich störe. Nicht wahr?«

Ich stand also auf und antwortete:

»Ja, ich arbeite allerdings, aber eine Unterbrechung durch Sie würde mir eine Erholung anstatt eine Störung sein.«

»Das ist höflich gesagt, aber dennoch wahr; ich höre es Ihnen an. Wir erreichen früh den Hafen, und mein Herz gebietet mir, Ihnen vor der Trennung zu sagen, daß Sie mich abgehalten haben, in den Büchern, die ich daheim schreiben werde, ein doch vielleicht falsches Urteil über die Völker des Abendlandes und ihre internationalen Umgangsformen zu fällen. Was ich bisher erlebte, beobachtete und erfuhr, war keineswegs geeignet, mich für sie sympathisieren zu lassen; Ihr Auftreten in Point de Galle aber hat mir gezeigt, daß es bei dem hier bei uns überfließenden, europäischen Schaume auch klare, reine Tropfen gibt, die auf Besseres schließen lassen, als ich dachte.«

Diese Einleitung ließ ein längeres Gespräch vermuten. Darum führte ich ihn nach einer Bank, welche an der Deckbrüstung stand, nicht im grellen elektrischen Lichte, sondern im milden Scheine der Sterne. Indem wir uns da beide ohne alles Zeremoniell niedersetzten, erwiderte ich:

»Die Geschichte Ihres Landes ist allerdings nicht imstande, Ihnen Liebe für uns zu predigen. Aber Sie dürfen überzeugt sein, daß nicht alle Abendländer Runners, Loafers und Rowdies sind, welche den Osten nur zu dem einzigen Zwecke aufsuchen, ihn für sich auszubeuten. Hier im Morgenlande wurde einst unsere christliche Liebe geboren. Es kommt gar manch ein Abendländer nach dem Osten, um ihren Stapfen nachzuforschen. Und wer das tut, der achtet vor allen Dingen jedes Menschenrecht und ist ehrlich und gewissenhaft selbst gegen seinen allerfernsten Bruder. Ich glaube, nicht zu lügen, wenn ich sage, daß ich zu diesen Letzteren gehöre. Ich liebe Ihre Nation. Ich liebe sie nicht weniger als jede andere Rasse. Auch mein Beruf ist, Bücher zu schreiben, ganz so, wie der Ihrige. Und ich versichere Ihnen, daß ich niemals imstande sein werde, ohne vorherige, genaue Prüfung mein eigenes Volk auf Kosten anderer Völker herauszustreichen!«

»Sie lieben meine Nation!« wiederholte er meine Worte. »Ist es denn wirklich wahr, daß Jemand, der kein Chinese ist, dies gesprochen hat? Jede, jede, aber auch jede Nation erfreut sich irgend einer Sympathie, nur die chinesische nicht! Womit haben wir das verdient? Was haben wir den andern Völkern zu leid getan? Die Kaukasier schlachten heut einander ab und küssen sich morgen freundlich die gestern noch zürnenden Lippen. Haben jemals wir ihr Blut vergossen? Haben wir sie jemals beleidigt, befeindet, übervorteilt und betrogen, wie sie es untereinander tun? Nie! Befehden wir ihren Glauben? Verlachen wir ihre Voreltern? Spotten wir über ihre Geschichte? Nein! Trachten wir nach den Schätzen ihrer Bergwerke, nach den Früchten ihrer Felder, nach den Erträgnissen ihrer Industrie? Nein! Brauchen wir überhaupt Etwas von ihnen? Nein und wieder nein und dreimal nein! Also frage ich: woher nehmen sie das Recht, wie Bazillen durch alle leiblichen und geistigen Poren in den Körper und in die Seele unserer Nation einzudringen und an dem sogenannten »gelben« Manne denselben Rassenmord zu verüben, an welchem der »rote« auch schon zugrunde gegangen ist?«

Er hatte ruhig, kalt, langsam und halblaut gesprochen, wie zu sich selbst. War es in seinem Innern auch so kalt und ruhig? Da ich nicht antwortete, fuhr er fort:

»Ich weiß, was Sie sagen werden: Die Völker haben mit einander zu verkehren! Das ist ein großes, wahres Wort. Aber der ärmste und niedrigste Mann besitzt bei Ihnen sein sogenanntes Hausrecht. Das Gesetz schützt ihn gegen Jeden, der ohne seine Erlaubnis bei ihm eindringen will. Dieses Recht hat jeder Mensch, jedes Dorf, jede Stadt, jedes Land, jeder Verein, jede Gemeinde, jedes Volk. Haben wir es etwa nicht auch? Ja, wir haben es! Und es ist eine geschichtliche Lüge, zu behaupten, daß wir dieses Recht mißbraucht hätten. Wir haben asiatische Völkerschaften bei uns aufgenommen, welche noch heut bei uns wohnen, obgleich sie anderen Glaubens sind. Wir haben auch mit den Christen den Versuch gemacht. Sie wurden willkommen geheißen und mit hohen Würden und Aemtern bekleidet. Wie aber dankten sie uns? Heut hatten wir sie bei uns aufgenommen, und schon morgen griffen sie gierig in unsere Herzen, um sich nicht nur in unserm Lande und in unsern Städten, sondern auch in unserm Himmel einzunisten. Sie, die wenigen Fremden, die sich daheim ihres Glaubens wegen selbst bitterlich hassen und bekämpfen; sie, die ihre gepriesene Zivilisation seit Anbeginn bis auf den heutigen Tag mit dem Blute ihrer eigenen Brüder düngten; sie, deren angebetete Weltweisheit nicht weitergekommen ist, als nur zu der Behauptung, daß kein Gott die Welt regiere; sie deren so laut ausposaunte Humanität nichts als nur der verkappte Egoismus ist; sie, deren staatliche Konstitutionen so vom Anarchismus, Nihilismus, Sozialdemokratismus und anderen Krankheiten, von denen wir uns frei gehalten haben, zerfressen sind, daß sie sich ihrer kaum erwehren können: sie kommen zu uns, die wir Hunderte von Millionen zählen und eine fünftausendjährige Geschichte und Kultur besitzen, und wollen uns zwingen, unsere Religion ihren haßerfüllten Konfessionen zu opfern; sie legen mit ihren Kanonen unsere Türme, Mauern und Häuser in Trümmer, um uns ihre bessere Bildung und Gesittung beizubringen; sie verlangen von uns, an Stelle unserer bewährten Philosophie die ihrige zu setzen, welche, ohne zum selbständigen Manne zu werden, noch gegenwärtig an den vertrockneten Brüsten heidnischer Ammen saugt; sie muten uns die sträfliche Befangenheit zu, ihrer Versicherung zu glauben, daß sie es mit der Erfindung ihrer »Interessensphären« und »offenen Tür« nur auf unser Heil abgesehen haben; sie tragen uns den Ungehorsam der Untertanen gegen ihre Vorgesetzten und die auflehnende Verachtung altehrwürdiger, heilig gewordener Gebräuche zu; sie nennen uns Heiden, ohne zu bedenken, daß unser Recht, auch sie als solche zu bezeichnen, viel größer als das ihrige ist, denn ganz abgesehen davon, daß sie nicht nach Christi Liebe und Lehre gegen uns handeln, haben sie das unerforschliche, unbegreiflich allgütige Wesen, welches der Urgrund alles Daseins ist, durch irdische Gestaltung und menschliche Ausstattung aus der Unantastbarkeit seines Himmels gerissen und zum Götterbilde gemacht, während wir es so verehren und für so rein und über uns erhaben denken, daß wir nicht einmal unserer Sprache erlaubt haben, uns ein Wort zu geben, welches wir als seinen Namen nennen! Aber gerade weil wir keinen Namen haben, ist dieses Wort als Geist bei uns, und wenn die irdische Form, in welche wir diesen Geist nicht zu fassen und zu zwingen wagen, einst auch für uns in Staub zerfällt, so haben wir einen Schritt zu ihm empor getan und nehmen die Ehrfurcht und die Liebe derer mit, welche uns nie vergessen dürfen, weil sie uns nachzufolgen haben. Und wenn die Christen dieses zum Himmel hebende Verlangen, die Vorangestiegenen nicht aus den Augen zu verlieren, weil uns mit ihnen auch der Weg zum Himmel verloren sein würde, als sündhaften, götzendienerischen Ahnenkultus bezeichnen, so beweist dies nur, daß sie in den Geist unserer Religion nicht eingedrungen sind und nicht eindringen konnten, weil sie den Geist der ihrigen noch nicht begriffen haben. Er kann sich nur der Liebe offenbaren, und diese, die besitzen sie noch nicht!«

Hier hielt er wieder inne. Erwartete er eine Antwort von mir, ein Eingehen auf diesen für mich so heiklen Gesprächsgegenstand? Ich räusperte mich, unschlüssig, ob ich sprechen solle oder nicht. Da sagte er schnell:

»Bitte, schweigen Sie! Ich erwarte keine Antwort. Ich habe die Religion und die Kultur der Christen studiert. Ich weiß also, daß Sie sich jetzt in der höchst fatalen Lage befinden, als wahrer Christ die Scheinchristen verteidigen zu sollen und doch nicht zu können, weil es gerade der Wahrheit unmöglich ist, den Schein als Wahrheit hinzustellen. Werden wir uns klar! Die Strömung, welche jetzt gegen die Küste Chinas brandet, ist eine doppelte, nämlich eine religiöse und eine politische, und beide werden uns von einem und demselben Winde zugeführt, dem Egoismus. Fallen Sie mir nicht mit "Kulturaufgaben", "zivilisatorischen Pflichten" und "Sendboten des Christentums" in die Rede! Das sind Fiktionen, mit denen ein Kenner der Verhältnisse nicht irre zu machen ist! Wer von seiner Religion und von seiner Kulturform behauptet, daß sie die allein seligmachende und er also ein Auserwählter Gottes sei, der ist eben ein Egoist in der höchsten Potenz, und Religion und Politik sind für ihn nur die Mittel, seine Selbstzwecke zu erreichen. Als Christ will er den ganzen Himmel und als Kaukasier die ganze Erde nur für sich allein haben. Sprechen wir nicht von der "Beglückung der Chinesen!" Das ist Dekorationsmalerei, die nur in die Ferne wirkt, in der Nähe aber die Pinselarbeit um so häßlicher zeigt! Die chinesische Frage ist eine religiöse und eine Rassenfrage. Um von der religiösen zuerst zu sprechen, so ist sie für uns abgetan. Ich sagte bereits, daß die Christen, welche wir gestern bei uns willkommen hießen, schon heut die Torheit begingen, uns in Beziehung auf unsere Religion gute Lehren geben zu wollen. Sie waren so unwissend, daß sie gar nicht ahnten, was eine solche Beleidigung der Gastfreundschaft einem Volke gegenüber, dem die Höflichkeit der Umgangsformen über Alles geht, zu bedeuten hat. Und sie sind auch heut noch so unwissend, nicht zu erkennen, daß ihre Mission trotz jahrhundertelanger Arbeit bei uns soviel wie nichts gewirkt haben, weil der Chinese die Behauptung, das Christentum sei die einzig seligmachende Religion, als eine krasse Unhöflichkeit, als persönliche Beleidigung auffaßt . Ueber dreihundert Millionen Menschen sollen mit allen ihren Ahnen viertausend Jahre zurück nichts als Dummköpfe gewesen sein! Und diese Beleidigung wird uns von Leuten in das Gesicht gesagt, welche ihren eigenen christlichen Brüdern wegen einer anderen Auslegung eines Bibelwortes im Leben die Kirchen- und dann selbst noch im Tode sogar die Gottesackertür verschließen! Welch eine Ungeheuerlichkeit! Haben sie es denn wirklich nicht gewußt, daß wir, das Volk der höchstentwickelten Umgangsform und Rücksichtnahme, die Mission zunächst und vor allen Dingen von diesem Standpunkte aus auffassen? Ein unhöflicher Mensch wird bei uns nie etwas erreichen, und der Missionar begeht gegen uns und unsere Ahnen die allergrößte und unverzeihlichste Unhöflichkeit, die sich ein Chinese denken kann! Und dabei weiß er nicht einmal, daß er nur oder meist aus diesem Grunde keine Erfolge hat! Er will uns belehren und ist doch selbst nicht über unsere Art, zu denken und zu fühlen, belehrt! Ja, es hat einige verständliche christliche Sendboten gegeben, die uns studierten und kennen lernten und dann einsahen, daß der Chinese zwar Christ, wenn man seine Eigenart gelten läßt, aber niemals Europäer werden könne. Sie handelten darnach, wurden von unserm Kaiser hoch geehrt und konnten über die Früchte ihrer Arbeit glücklich heimberichten. Da aber verbot man ihnen diese Rücksichtnahme, und die Früchte blieben liegen und verfaulten. Meint man etwa, die bald hier und bald da emporlodernde Empörung gegen die Missionare richte sich gegen ihren Glauben? O nein! Selbst der ungebildetste Chinese hat wenigstens den einen Vorzug, in Beziehung auf die Religion tolerant zu sein. Diese Ausbrüche des angesammelten Zornes werden vielmehr durch die Art und Weise hervorgerufen, in der man diesen Glauben hoch über den unsern stellt und mit rücksichtslosen Sohlen unsere heiligsten Sitten und Gefühle niedertritt. Ich behaupte: Und wenn zehntausend Missionare so lange lebten, daß sie zehntausend Jahre lang ihre Religion bei uns verkünden könnten, so würde doch keiner von ihnen mehr erreichen, als was der einzelne bisher erreicht hat, wenn sie nicht ihr jetziges Verhalten ändern und uns als Menschen gelten lassen, die ihre eigenartige Entwicklung und also auch ihre eigene Art, zu denken und zu fühlen, haben. Ich gebe zu: es ist keineswegs ausgeschlossen, daß der Chinese ein Christ wird, aber er wird es nur dann, wenn er dabei Chinese bleiben kann!«

Er hob bei diesen Worten die Hand wie zum Schwur empor. Ich hörte ihm an, wie ernst ihm Alles, was er sagte, war. Zeit zu einem Einwurfe oder einer Bemerkung fand ich nicht; er wartete nicht darauf, sondern sprach weiter:

»Und nun die Rassenfrage, die ich eigentlich schon damit erledigt habe, daß ich sagte, der Chinese will Chinese bleiben. Ein gelehrter Christ, den man geistreich nennt, hat kürzlich China besucht und ein Buch über uns geschrieben. In diesem steht zu lesen: "Ein Dichter oder Künstler soll auf dem Höhenpunkte seines Schaffens sterben. Tut er das nicht, so geht es mit ihm bergab, und der Schatten seiner späteren Jahre verdunkelt seine Werke. So steht es auch mit den Nationen, und der Chinese hat vergessen, zu sterben, als die geeignete Zeit dazu gekommen war!" Das mag für europäische Ohren geistreich klingen; es ist aber das grundfalsche Urteil eines Mannes, welcher glaubt, uns in zwei Worten ebenso abtun zu können, wie er in zwei Monaten das Studium unsers Landes und Volks vollständig abgetan zu haben glaubt. Wenn sich der Dichter überanstrengt hat, so soll er nicht sterben, sondern tüchtig essen und dann so lange wie möglich schlafen, um neue Kraft zu gewinnen. Tut er das, so wird er nach seinem Erwachen im neuen Vollgefühle seiner selbst frisch weiterschaffen können. Der Chinese ist so klug gewesen, nicht zu sterben, sondern sich schlafen zu legen. Die Zeit, in welcher er erwacht, kann gestern gewesen sein, kann heut oder morgen kommen. Ich meine nun, für die weiße Rasse sei auch die Zeit nun da, sich von ihren zivilisatorischen Anstrengungen auszuruhen, denn es mehren sich die Zeichen, daß sie des Nachdenkens und der Sammlung bedarf. Ihr Körper hat gelitten; die einzelnen Glieder versagen ihr den Dienst; ihre Gedanken verwirren sich; ihre Empfindungen werden hart; ihr Auge hat sich getrübt, und ihr Ohr vernimmt nicht mehr die Stimmen, die es früher gern und willig hörte. Sie sollte ihre Aufmerksamkeit nicht so sehr nach außen, sondern mehr nach innen richten, um die Schäden zu heilen und die Schwächen zu beseitigen, welche die Folge der Ermüdung sind. Wenn es im Westen Nacht geworden ist, wird es im Osten Tag. Dort steht der Mensch jetzt vor dem müden Abend; hier aber bricht der frische Morgen an. Wenn die ruhebedürftige Rasse die Gereiztheit ihrer angestrengten Nerven für Stärke und den Schlaf der andern Rasse für ein Zeichen der Schwäche hält, so ist es für sie ein Wagnis, die Schläferin gewaltsam aufzuwecken. Man gönne ihr doch ein friedliches Erwachen. Schon graut der Tag. Wir, die wir dazu verpflichtet sind, wir forschen und suchen, und wer mit Liebe und mit Eifer sucht, der muß die Wahrheit finden. Wir gehen zu den westlichen Völkern, um sie und ihre Kräfte und Absichten kennen zu lernen. Ein Jeder von uns hat sein besonderes Land und seinen besonderen Zweck. Der meine ist erreicht. Erreichen die Andern den ihren in derselben Weise, so werden vielleicht, ja wahrscheinlich die niedrigen Wolken des Morgens blutig erglänzen, aber dann, wenn sie verschwunden sind, wird Friede sein auf Erden, wenigstens bei uns! Beherzigt dann der Christ, was ihm von seinem Herrn befohlen ward, so wird er uns als gleichbegabt und gleichberechtigt anerkennen und unser Bruder sein. Dann mag er zu uns kommen, um bei uns zu wohnen und zu lehren. Den Glauben und die Liebe eines Bruders weist man nicht zurück!«

Jetzt stand er von seinem Sitze auf und wartete eine kleine Weile, ehe er hinzufügte:

»So bin ich also bei Ihrem eigenen Worte angekommen, bei der Liebe. Der Kaukasier lehre uns, ihn zu lieben, ehe er uns belehre, nach seiner Art zu beten! Das ist die Antwort, welche wir ihm auf seine "chinesische Frage" geben, die wir bei uns gar nicht kennen! Ich bin fertig mit dieser "Frage" und hoffe zu seinem eigenen Besten, daß er in derselben Weise mit ihr zu Ende kommen werde. Er möge einsehen, daß eine friedliche Wechselwirkung zwischen unsern beiderseitigen Kulturformen in seinem eigenen Interesse liege. Dazu gehört aber, daß er aufhört, sich als den alleinigen Spender und uns als die alleinigen Almosenempfänger zu betrachten. Wir wissen, daß wir nicht ärmer sind, als er. Betrachtet er sich aber auch fernerhin als den reichen Mann und den Chinesen als den armen Lazarus, so kann es kommen, daß dieses Gleichnis sich an ihm und uns in der Weise zu Ende lebt, wie Christus es einst erzählte. Und selbst wenn es ihm gelänge, aus dem von ihm gegen uns herbeigeführten Kampfe als Sieger hervorzugehen, würden ihn die Folgen sehr bald über die uralte Wahrheit belehren, daß die Seele eines in einem Eroberungskampfe siegenden Volkes niemals die Siegerin, sondern stets und immer die Ueberwundene ist!«

Er trat einige Schritte von mir zurück und bat, indem er sich tief verneigte:

»Verzeihen Sie mir, daß ich den Wunsch hatte, Ihnen zu sagen, was und wie ein Chinese über diese Religions- und Rasseangelegenheiten denkt und spricht! Grad Sie sollten die nackte, unverfälschte Meinung meines Volkes kennen lernen, weil es mir ist, als ob uns nach der Landung und Trennung in Penang ein Wiedersehen beschieden sei, und weil ich ahne, daß Ihr deutsches Volk uns schneller und besser verstehen lernen werde als diejenigen Völker, deren Seelen anders als die deutsche fühlen. Wenn ich Sie nicht zu Worte kommen ließ, so tat ich das nicht aus Unhöflichkeit. Was Sie als Christ und Abendländer mir entgegnen würden, das weiß ich ebenso genau, wie Sie es wissen, und wollte Ihnen eine Rechtfertigung ersparen, welche zwar volltönend beginnt, aber schließlich doch nur zur Entschuldigung wird. Der Kaukasier befindet sich in einem doppelten Irrtum: er glaubt, uns zu kennen, und er denkt, daß wir ihn nicht kennen. Aber China und die Chinesen sind ihm trotz der europäisch gefärbten Bücher, nach denen er uns beurteilt, fast ebenso unbekannt geblieben, wie sie es waren, als er sie zum ersten Male sah. Er hat die Eigenart des Geistes nicht begriffen, der treu und schützend, wie der Drache alter Sagen, über unseren Ländern und Gewässern schwebt. Da haben Sie die Bedeutung unseres Nationalsymboles! In Ihren Augen eine Häßlichkeit, ist dieser Drache für uns ein Hüter tief vergrabener Schätze, dessen wahre Gestalt, jetzt noch unter seltsamer Form verborgen, sich nur dem Auge desjenigen Fremden zeigen wird, welcher nicht kommt, diese Schätze für sich allein zu stehlen, sondern sie mit liebe- und verständnisvoller Hand zum Segen Aller an das Tageslicht zu ziehen. Dann, aber auch erst dann wird man beginnen, China kennen zu lernen. Uns aber ist Ihr Westen längst kein Rätsel mehr. Wir haben Augen hingesandt, unerbittlich scharf und unbefangen blickende Augen, und diesen Augen ist nichts entgangen, was sie sehen mußten, um die uns drohende Gefahr in ihrem ganzen Umfange zu erkennen, aber auch die Schwächen derer, die uns meistern wollen, alle zu durchschauen. Und wer bei gleicher Kraft im Kampf den Andern besser kennt, der braucht sich nicht zu fürchten!«

Ich war natürlich auch von der Bank aufgestanden. Schon hob ich die Hand, um sie ihm zum Abschiede zu reichen; er nahm sie aber noch nicht, sondern fahr fort:

»Sie wollen mich in europäisch-herzlicher Weise entlassen. Wissen Sie, daß Sie das schon einmal noch viel herzlicher, und zwar chinesisch getan haben? Das war bei meinem Morgenbesuche in Point de Galle. Sie ahnten wahrscheinlich gar nicht, wie hoch Sie mich durch Ihr Schweigen stellten. Hoch über jede Klage, und ebenso hoch über jeden Dank! Wie kam es, daß Sie es taten? Etwa weil Sie es wußten, oder weil Sie es wollten? O nein. Die Menschenliebe ists, die immer vornehm handeln läßt, selbst in den unbekanntesten Verhältnissen! Ja, geben Sie mir Ihre Hand. Ich will sie Ihnen in deutscher Freundesweise drücken!«

Als er gegangen war, nahm ich meine Arbeit wieder auf, die mich bis zum Morgen beschäftigte. Da sah ich, daß wir uns in der Straße von Malakka befanden. Am südlichen Horizonte trat die Diamantspitze von Sumatra hervor; wir näherten uns Penang.

Die Passagiere kamen alle an Deck, wie es ja immer ist, wenn man sich einem Hafen nähert. Sejjid Omar brachte schon unser Gepäck getragen; er liebte es, stets als der Erste bereit zu sein, und es gehörte bei ihm zu den Unmöglichkeiten, irgend einen Aufbruch oder eine Abfahrt zu versäumen.

»Was wohnen für Leute in Penang, Sihdi?« fragte er mich, indem er ein pfiffiges Gesicht zog. Er schien etwas im Hinterhalte zu haben.

»Europäer, aber sehr wenig, ferner Hindu, Parsen, Chinesen, von diesen sehr viel, und Malaien.«

»Also wirklich Malaien?«

»Ja. Interessiert dich das? Du kannst ja nicht mit ihnen sprechen!«

»Ich? Nicht sprechen?« rief er aus. »Darf ich als Malaie kommen und bei dir anklopfen?«

»Ja.«

»Gut! Du bist ein Schneider und heißt Kadaja. Paß auf!«

Er machte die Bewegung des Anklopfens und Hereinkommens und sagte dann:

»Salamat paga tuwan! Apa kowa ada tukang mendjabit namanja Kadaja – guten Morgen, Herr! Sind Sie der Schneider Kadaja?«

»Saja tuwan – ja,« antwortete ich.

»Apa kowe bisa mendjahit satu tjelena – können Sie mir eine Hose machen?«

»Saja tuwan – ja.«

»Brapa kowe minta terri satu tjelana – wieviel verlangen Sie für eine Hose?«

»Tiga ratus rupiajah wolanda – dreihundert Gulden holländisch,« antwortete ich, indem ich das Lachen verbiß.

Da sagte er zunächst nichts, sann sehr ernst nach, legte die Zeigefinger zählend auf einander, murmelte halblaut die Zahlen dazu, dann lachte er plötzlich laut und rief aus, indem er aus dem Malaischen in das Arabische fiel:

»Nein, Sihdi, das kannst du nicht von mir verlangen. Für eine Hose gebe ich dir nicht dreihundert Gulden. Das ist mir doch zuviel!«

»Gut, also mache ich dir keine! Wo hast du denn diese malaischen Worte her?«

»Von zwei Schneidern, welche Malaien waren und in Colombo neben meinem Gasthause wohnten und flickten. Ich habe viel mit ihnen gesprochen. Aber die malaische Sprache hat auch nur Redensarten, die man auswendig lernen muß, wenn man sie sprechen will. Und diese Leute gefallen mir nicht; sie zanken sich so gern!«

In diesem Augenblick ertönte von der anderen Seite unseres Deckes her ein Schrei.

»Mann über Bord!« brüllte ein Matrose drüben.

Wir eilten hinüber und erfuhren, daß es sich um einen der sechs Gentlemen handelte. Diese waren aus ihren Kojen auch herausgekommen und hatten verlangt, daß man die Sonnengardinen niederlasse. Jedes diese südlichen Meere befahrende Schiff ist nämlich nicht nur mit einem Sonnendache, sondern auch mit Back- und Steuerbordleinwand versehen, welche man auf der Seite, wo die Sonne steht, niederläßt, um Schatten zu haben. Nun war es aber heute noch so früh am Tage, von Hitze keine Rede, und außerdem hatten wir bis nach Penang nur noch eine Stunde; es wäre also schade um die Arbeit gewesen, ganz abgesehen davon, daß die Matrosen jetzt, so kurz vor dem Hafen, mehr zu tun hatten, als des überflüssigen Wunsches launenhafter Passagiere wegen auf der Reling herumzuklettern. Die Leinwand ist des Windes wegen natürlich sehr fest angeknotet, und es erfordert Zeit, sie loszubekommen. Aber die Zivilisatoren hatten sich nun einmal in den Kopf gesetzt, daß sie heruntergelassen werden müsse, und da ihnen kein Matrose gehorchte, so setzten sie ihren Willen eigenmächtig durch, indem sie, was übrigens den Passagieren verboten war, auf die Reling stiegen, um die Leinwand loszubinden. Der Lauteste von ihnen, derselbe, welcher in Point de Galle den Vorschlag gemacht hatte, den Chinesen in ihr Zimmer zu zerren, hatte dabei die Balance verloren und war in die See gestürzt. Auf den Schrei, der hierauf erfolgte, war der Quarterdienst sofort nach dem Bug geeilt, um den dort hängenden Rettungsring hinabzuwerfen, und der Offizier vom Dienst erteilte ebenso schnell den Maschinisten die nötigen Befehle. Das Schiff hat an die Unglückstelle zurückzukehren, was dadurch geschieht, daß es eine Bogen steuert. Aber die Kraft der Beharrung ist nicht plötzlich zu überwinden, und man hat selbst im allergünstigsten Falle zwei bis drei Minuten zu rechnen, ehe es den betreffenden Punkt wieder erreicht. Inzwischen wird der über Bord Gestürzte, wenn er kein guter Schwimmer ist und die Rettungsboje nicht ergriffen hat, ertrunken sein. Es gilt aber, zu bedenken, daß das Schiff von dem Augenblicke des Unfalles an, bis diese Boje geworfen wird, einen so bedeutenden Weg zurücklegt, daß der Verunglückte sich weit hinter dieser Boje im Wasser befindet und sie, falls er nicht Schwimmer ist, auch nicht erreichen wird. Dieser Fall lag hier vor. Gerade als wir hinüberkamen, flog der Korkring über Bord, aber der in die See Gestürzte tauchte weit, weit hinter ihm aus dem Wasser auf, warf die Arme in die Luft und verschwand dann wieder.

»Er kann nicht schwimmen?« rief ich seinen Gefährten zu.

»Nein. Er ist verloren!« antworteten sie alle.

Da warf ich meinen Hut weg, riß den Rock herunter und – –

»Nein, du nicht, sondern ich, Sihdi! Soll Einer von uns ertrinken, dann lieber ich als du!«

Indem Sejjid Omar dies sagte, schleuderte er die Pantoffel von den Füßen, warf den Kaftan ab und schwang sich auf die Reling.

»Kannst du denn schw – – –«

»Ja!« rief er, noch ehe ich die Frage ausgesprochen hatte.

»Nimm dich vor den Haifischen in acht!« konnte ich ihn noch warnen. Gerade jene Küstenwasser sind dieser gefräßigen Tiere wegen berüchtigt.

»Labbehk, Allah labbehk – hier bin ich, O Gott, hier bin ich!«

So rufen die muhammedanischen Pilger, wenn sie Mekka vor sich liegen sehen; so ruft der Moslem, wenn er eine Gefahr, ein Wagnis auf sich nimmt; so rief auch mein Sejjid Omar; dann stürzte er sich hinunter in die Flut. Ein Schwung brachte nun auch mich auf die Reling. Ich war entschlossen, nachzuspringen, falls sich nicht herausstelle, daß er ein ganz vorzüglicher Schwimmer sei.

Das Gewicht des Sprunges hatte ihn natürlich unter Wasser gebracht; jetzt tauchte er wieder auf. Er gab sich eine Viertelwendung und schwamm auf der rechten Seite, weit und sicher ausgreifend, kräftig und ruhig nachstoßend. Ich sah, daß ich keine Angst um ihn zu haben brauchte. Die Wendung ermöglichte es ihm, mich stehen zu sehen.

»Bleib oben, Sihdi!« erscholl seine Stimme. »Allah ist bei mir!«

»Schau auf das weiße Tuch, und schwimm so, wie ich es dir zeige!« Das konnte ich ihm noch zurufen, dann kam er außer Hörweite.

Ich sprang wieder herab, hin zu den Vögeln, wo der Tisch des Kapitäns stand. Es lag auf ihm ein weißes Tafeltuch. Ich nahm es und eilte wieder an die Brüstung. Der Sejjid war klug; er schwamm ganz genau im Sog, dem Wasserstreifen, den die Bewegung der Räder oder der Schiffsschraube hinter sich zurückläßt. Es schwimmt sich da zwar schwerer als auf ruhigem Wasser, aber dieser Streifen bot Omar die einzige Möglichkeit, sich zu orientieren und nach der betreffenden Stelle zurückzufinden.

Jetzt hatte er den Rettungsring erreicht und zog ihn an sich. Aber den Gentleman konnte er nicht sehen. Selbst wenn dieser hätte schwimmen können, wäre es Beiden unmöglich gewesen, einander zu erblicken. Auch ich sah ihn nicht. Hatte die Tiefe ihn schon hinabgezogen?

Der zweite Offizier stand neben mir, das Glas in der Hand. Ich nahm es ihm, ohne mir Zeit zur Bitte zu lassen, weg und sprang nach den Mittelwanten, das Tuch natürlich mitnehmend. Schnell hinauf nach dem Ausguck, der sich von den Herren Landratten »Mastkorb« nennen lassen muß! Da oben stand ich nun hoch genug. Ich sah Omar, und er mußte auch mich, wenig- stens mein weißes Tuch sehen. Sein heller Kopfbund stach von dem dunkeln Wasser ab. Nun richtete ich suchend das Glas weiter auf das Sog hinaus, welches sich dort zu beruhigen und zu verbreitern begann. Da sah ich einen Gegenstand, welcher mehr bewegt wurde, als daß er sich selbst bewegte. Hoffentlich war das der Verunglückte! Ich wehte mit dem Tuch nach der Richtung, in welcher sich dieser Gegenstand von dem Sejjid befand, und sah, daß ich von ihm verstanden wurde; er folgte dieser Richtung; zwar wich er, da die Wasserfläche seinem Blick keinen Anhalt bot, einige Male von ihr ab, verbesserte aber diese Irrtümer infolge meiner Winke, und so gelang es ihm, den Körper zu erreichen, der sich in größter Gefahr befand, denn er verschwand so oft unter Wasser, daß jedes Wiederuntertauchen das letzte sein konnte.

Nun darf man nicht meinen, daß wir während dieser Zeit Omar und den Andern immer hinter uns hatten. Der Dampfer war ja umgekehrt und machte einen Bogen; daher kam es, daß wir auf dem letzten Teil dieses Bogens gerade auf sie zuhielten. Inzwischen war das auszulegende Boot in den Daviden klar geworden. und der Dampfer stoppte, um es niederzulassen. Omar hatte den Kopf durch die Leine des Rettungsringes gesteckt, so daß er diesen unter dem Rücken hatte und mit dem Gesicht nach oben schwamm – ein lobenswert pfiffiger Gedanke! Der Gentleman lag quer über ihm, vollständig bewegungslos. So kam der Brave auf uns zugeschwommen. Man nahm Beide in das Boot auf, welches wieder emporgewunden wurde, ohne einen Ruderschlag getan zu haben. Es hätte also auch das Fallreep genügt. Das Schiff nahm die unterbrochene Fahrt wieder auf.

Natürlich stand Alles, was auf dem ersten Platze Zutritt hatte, da, um den aktiven und passiven Helden dieses Vorkommnisses zu empfangen. Der passive, welcher tot zu sein schien, wurde unter Aufsicht des Schiffsarztes sofort heruntergeschafft; um den Sejjid aber entstand ein bewunderndes Gedränge, dem er sich jedoch schnell entzog. Er holte seinen Kaftan und seine Pantoffel und verschwand nach dem Vorderdeck, um ein trockenes Unterkleid anzulegen. Dann kehrte er zurück. Der Kapitän und die Offiziere drückten ihm die Hände. Fang, der Chinese, eilte herbei, um dasselbe zu tun. Die Matrosen nickten ihm mit vertraulichem Lächeln ihre Bewunderung zu; aber die fünf Gentlemen, denen der Arzt verwehrt hatte, ihren Genossen hinabzubegleiten, standen ganz ebenso wie die übrigen »Zivilisatoren« von fern und schienen gar nicht zu begreifen, daß man sich mit einer so tiefstehenden Persönlichkeit in dieser Weise beschäftigen könne.

»Nun, Sihdi, kann ich schwimmen?« fragte mich der Sejjid, als er endlich Zeit fand, auch zu mir zu kommen.

»Vortrefflich, Omar, vortrefflich!« antwortete ich. »Du hast es im Nil gelernt?«

»Ja. Aber sooft ich nach Port Saïd kam, bin ich im Meer weit über den Franzosen hinausgeschwommen. Es ist so schön, zu wissen, daß man nicht untergeht!«

Mit diesem »Franzosen« meinte er das über lebensgroße Standbild, welches man Lesseps, dem Schöpfer des Suezkanals, dort mitten in brandenden Wogen errichtet hat.

»Aber gefressen kann man werden! Nimm dich später in Port Saïd in Acht! Mir selbst ist es mitten im Hafen zweimal passiert, daß ein Haifisch an meinem Boote vorüberschwamm.«

»O Sihdi, wenn Allah nicht will, so darf sogar der Haifisch nicht! Der Islam glaubt an zwei Engel, die stets bei jedem Menschen sind. Dieser sieht sie zwar nicht, aber sie schützen ihn in jeder Not und Gefahr, und ihr Schutz hat nur dann keine Kraft, wenn der Mensch aufgehört hat, gut zu sein. Weißt du, Sihdi, ich denke, diese beiden Engel sind es, die den Gentleman aus dem Wasser geholt haben; nicht ich bin es gewesen. Sie haben es durch meine Hand getan, weil ich schwimmen kann. Ob er gerettet ist, weiß ich nicht. Als ich ihn erreichte, war kein Leben mehr in ihm; er wurde vom Wasser wie ein Stück Holz hin und her geworfen. Aber ich würde mich sehr freuen, wenn er erwachte!«

»Unser Feind!« warf ich ein.

»Das ist er nicht mehr. Wir haben ihn die Treppe hinuntergeworfen; das war die Strafe. Und wenn die Strafe vorüber ist, so ist auch die Tat vorüber; man darf nicht mehr an sie denken. Wozu wäre denn die Strafe, wenn die Tat noch bliebe? So denke ich, Sihdi! Denkt ihr Christen etwa anders? Werft ihr einem Manne, welcher bestraft worden ist, die Strafe und die Tat später noch vor? Und nun ich diesem Fremden nachgeschwommen bin, um ihn zu retten, ist es mir, als ob das Andenken an seine Ungezogenheit da draußen im Wasser ertrunken sei. Kann man einem Menschen Gutes erweisen und dann noch bös über ihn denken?«

Ich gestehe offen: als er das sagte, schämte sich etwas in mir, dem Europäer und Christen, vor ihm, dem Araber und Muhammedaner. Und dieser so richtig fühlende und edel denkende Afrikaner war – – – »ein Eselsjunge!«

Der Arzt kam nicht eher wieder herauf, als bis wir im Hafen von Penang Anker warfen. Es waren eine ganze Stunde lang künstliche Bewegungen notwendig gewesen, um den Atem wieder zu beleben, doch nun erfuhren wir, daß der Patient gerettet sei.

»Jetzt schläft er und wird in einigen Stunden an das Land gehen können,« meinte der Doktor. »Aber es steht außer allem Zweifel, daß er sein Leben Ihrem Araber verdankt. Das habe ich ihm gesagt als er für kurze Zeit erwachte. Omar hat ihn solange über Wasser gehalten, bis wir kamen; hätte er das nicht getan, so wären wir eben – – – zu spät gekommen.«

Als der Sejjid mich fragte, wo wir wohnen würden, zeigte ich ihm das »East and Oriental Hotel«, welches wir im Schatten hoch- und vollwipfeliger Bäume von unserm Ankerplatze aus am nahen Strande liegen sahen. Aber trotz dieser Nähe mußten wir nach der Landung per Rickschah einen weiten Umweg durch einen großen Teil der Stadt machen, um nach diesem Hause zu gelangen.

Mein Abschied vom Kapitän war herzlich. Es ist nun einmal so, ich habe ein Faible für jeden Oesterreicher, und wer das für einen Fehler hält, der mag ihn mir verzeihen! Freilich, wenn man mich fragte, für welche Nationalität ich kein Faible habe, so käme ich wohl in Verlegenheit, denn ich bin ihnen allen, allen gut. Und das soll man ja wohl auch!

Ich hatte gedacht, Sejjid Omar wurde wohl nicht gern eher vom Schiffe gehen, als bis sich der Engländer sehen ließ. Einen Dank hatte er verdient, und es wäre ganz menschlich gewesen, solange an Bord zu bleiben, bis er ihn bekommen würde – – ein freundliches, anerkennendes Wort, nichts weiter. Aber er schien gar nicht daran zu denken und war von allen Passagieren der erste, welcher nach einem der vielen eigenartig gebauten, bunt bemalten Landungsboote rief. Daß er dies malaisch tat, versteht sich ganz von selbst; er hatte die dazu nötigen Worte auswendig gelernt.

Hier waren unsere Rickschahmänner nicht Singhalesen oder Tamilen, sondern Indochinesen, die er mit einem kräftigen »Tsching tsching« was er aber »Tsing tsing« hätte aussprechen sollen, begrüßte. Es waren echte, kräftige untersetzte Kuligestalten mit riesigen Hüten auf den Köpfen, doch hatten sie beileibe keine kompliziertere Toilette als unsere Rickschahleute ceylonischen Angedenkens. Nur darf ich nicht vergessen zu erwähnen, daß dort in Colombo der Zopf sehr elegant mit einem Kamme auf den Kopf befestigt war, während er hier in Penang in Gestalt eines von den Motten verheerten Meerkatzenschwanzes hin- und herpendelte.

Das East and Oriental Hotel besteht aus zwei Abteilungen, einer einheimischen und einer europäischen. Die letztere habe ich, den Speisesaal ausgenommen, gar nicht betreten, denn ich lasse mich nicht gern zwingen, jeden Tag volle vierundzwanzig Stunden lang nur immer »Lord« und gar nichts anderes zu sein. Die andere Abteilung, eine sehr in Ruhe gelassene Dependence, liegt seitwärts, lang gestreckt an einem schmalen Garten hin, den herrlich bewipfelte Bäume einfassen. Gleich hinter diesen Schattenspendern rauscht Tag und Nacht die See am Strand empor, und es ist so wunderbar, so wenige Schritte von ihr im Wachen und im Traume unausgesetzt das mächtige Recitativ »Ihn preisen alle Meere« aus dem von Gottesengeln komponierten Oratorium »Das Halleluja der Schöpfung« erklingen zu hören. Die Natur spricht nicht in artikulierten Worten zu uns, weil ihre Sprache nicht für das Ohr, sondern für das Herz berechnet ist; ihre Laute sollen in die Tiefe dringen, weil sie aus der Höhe kommen; wer ihnen aber die Tiefen seines Innern verschließt, für den werden jene Höhen, aus denen sie erschallen, nicht vorhanden sein!

Die Dependence war so wenig besetzt, daß es mir freistand, unter den vorhandenen Wohnungen nach meinem Belieben die Wahl zu treffen. Jedes einzelne Logis nimmt einen Querschnitt durch das ganze Gebäude ein und besteht aus mehreren Räumen. Vorn liegt der Garten, von dem aus man in das orientalisch ausgestattete Vorzimmer tritt; dann folgt das geräumige, immer kühle Wohngemach, aus welchem man nach hinten in einen Flur kommt, der auf der einen Seite nach der Badestube und auf der andern nach den Toilettenräumen führt. Hieran schließt sich ein wohlgepflegter Blumengarten, innerhalb dessen Einfassung sich die lieblichen oder auch stolz-schönen Vertreterinnen der hinterindischen Flora durch die Augen in die Herzen schmeicheln. Das Alles steht jedem einzelnen, für sich wohnenden Gaste zur Verfügung. Man sieht, es wird mit den Quadratmetern nicht gespart, und wem das zu splendid erscheint, den kann ich durch die gewichtige Versicherung beruhigen, daß später durch die Rechnung Alles ausgeglichen wird. Es steht im Buch der »Gesunden Vernunft« geschrieben, daß kein Hotelbesitzer mehr liefert, als er sich bezahlen läßt.

Dieses Nebengebäude hat ein Stockwerk mit ganz ebenso angeordneten Räumlichkeiten. Es stand vollständig leer, und da ich unten keine Nachbarn neben mir hatte, so wohnte ich so still und ungestört, wie ich nur wünschen konnte. Für Sejjid Omar brauchte ich keinen besonderen Raum, denn er erklärte, in meinem Vorzimmer schlafen zu wollen. Er tat dies aus Anhänglichkeit zu mir; die Leitung des Hotels aber hatte das, wie ich später bemerkte, als eine nach ihrer Ansicht übel angebrachte Sparsamkeit aufgefaßt, infolge deren sie nun nicht recht wußte, woran sie mit mir war. Mit einem eigenen arabischen Diener kann doch wohl nur ein wohlhabender Mann reisen; aber wenn für das Logis dieses Dieners nichts ausgegeben wird und nur so wenig Gepäck vorhanden ist, wie ich besaß, so hat man in einem englisch dirigierten Hotel allerersten Ranges Veranlassung, dem betreffenden Gast ja nicht zu viele Verbeugungen zu machen. Mir aber war das eben recht. Es ist mir niemals eingefallen, nur um im Gasthause zu imponieren, eine Menge überflüssigen Gepäckes mit mir herumzuschleppen.

Der erste Beweis, daß ich nicht als erstklassig galt, wurde mir zu Mittag geliefert. Man unterließ es, mir zu melden, daß zur Tafel gegangen werde. Das Zeichen, welches mit dem Gong gegeben wird, war wegen der Entfernung nicht zu hören. Omar aber war eben in dem Hauptgebäude gewesen und benachrichtigte mich.

»Die Herren sind alle unten schwarz und oben weiß, mit einer Spitze hinten,« sagte er, »und die Damen haben ihre Koffer leer gemacht und Alles an sich aufgehängt.«

Man geht nämlich in Indien gern in schwarzer Hose und kurzer, weißleinener Jacke, deren schößeloser Rand eng an der Taille liegt und hinten eine Schneppe hat, zum Frühstückstische. So knabenhaft das aussieht, es wird von den Touristen nachgemacht. Man gibt auf solche Aeußerlichkeiten sehr viel, und wer sich von ihnen ausschließt, der darf nicht erwarten, als »fair« behandelt zu werden; es wird über ihn hinweggesehen wie über eine leere Stelle, an welcher sich Niemand befindet.

Es gab keine langen Tafeln, sondern nur einzeln stehende Tische im Speisesaal; das »my house is my castle« wird gerade von Denen, welche keine anderen als nur ihre Koffer-Schlösser besitzen, am augenfälligsten zur Schau gelegt. Jeder Tisch wurde von zwei Eingeborenen bedient, welche in lange, weiße Gewänder gekleidet waren und rote Shawls um die Hüften gewunden hatten. Das sah sehr sauber und außerdem vornehm aus. Es war mir nicht eingefallen, meinen bequemen, weißen Reiseanzug abzulegen; man beachtete mich also nicht, und das war mir eben recht. Ich ging dorthin, wo es zwei leere Tische gab, und setzte mich an einem derselben nieder.

Eben als ich mit dem Essen begonnen hatte, traten vier Personen in den Saal, die sich dem neben mir stehenden Tische näherten, um an demselben Platz zu nehmen. Es waren zwei Herren und zwei Damen. Der eine der Herren war der Kapitän des Schiffes, welches uns gelandet hatte. Er trug Paradeuniform, wahrscheinlich wegen der Herrschaften, bei denen er sich befand. Diese waren jedenfalls Vater, Mutter und Tochter, der Erstere alt, doch militärisch gerade und stramm, sehr einfach gekleidet, aber jeder Zoll an ihm den vornehmen Mann verratend. Man kannte ihn im Hotel; die Dienerschaft flog herbei und zeigte eine Ehrerbietung, die man nur hochgestellten Personen zu widmen pflegt. Der Kapitän trat zu mir heran, gab mir die Hand und flüsterte mir eilig zu:

»Ist General – – ich hatte ihm geheime Papiere zu bringen – – persönlich – – lud mich ein, mit ihm zu speisen – – mußte also meinen Aufenthalt hier um einige Stunden verlängern.«

Dann ging er wieder zum andern Tisch hinüber. Da er mich gegrüßt hatte, wurde mir auch von den andern Drei eine höfliche Verbeugung, ehe sie sich setzten. Dann unterhielten sie sich in jenem ungezwungenen aber gedämpften Tone, welcher die Worte zwar nicht hören, doch deutlich ahnen läßt.

Nicht lange hierauf wurde die Tür von außen dröhnend aufgerissen, und wer kam mit überlauter Rücksichtslosigkeit hereingestürmt? Die lieben Zivilisatoren und Gentlemen, welche also demselben Hotel die Ehre gegeben hatten, sich den Trägern der abendländischen Kultur öffnen zu dürfen. Sie hatten mehrere zusammengeschobene Tische für sich bestellt und stürzten sich nach ihren Platzen, als ob sie es gar nicht erwarten könnten, ihren Tropenkoller auch an dieser Stelle auszulassen. Der von meinem Omar Gerettete war auch mit dabei. Er hieß Dilke und schien sich vollständig wieder erholt zu haben, denn er gab sich die größte Muhe, der Lebhafteste von ihnen zu sein, und forderte sie in übermütiger Weise auf, die »heutige, gloriose Schwimmpartie« auf seine Rechnung mit ihm zu feiern und zunächst mit einem ebenso gloriosen, steifen Grog zu beginnen.

Als die Kellner das Getränk brachten, wurde es sofort hinuntergestürzt und in zweiter Auflage gleich nochmals bestellt. Dann ließ man verschiedene Rums, Arraks und Kognaks kommen, um »den Appitit zu stärken«, worauf man bei der erscheinenden Suppe zum schweren Weine überging. Das geschah Alles so laut, so unmanierlich, als ob die andern Gäste der Beachtung gar nicht würdig seien. Ich sah, daß man allgemein empört hierüber war. Die Elite des Occidentes schien dies aber gar nicht zu bemerken. Sie hatte nur Augen für sich, für ihre Flaschen und Gläser, bis der Blick Eines von ihnen so gütig war, über den Saal hinüber auf mich zu fallen und mich zu erkennen. Er teilte den Andern mit, wen er gesehen hatte. Da gab es zunächst ein kurzes, heimliches Flüstern, dann erfolgte das, was mir auf dem Schiffe gelungen war, zu verhüten – der Angriff gegen mich. Man fragte laut, ob es einem Deutschen erlaubt sei, hier in Penang mitten unter Gentlemen zu wohnen und zu speisen. Es sei Einer da, der nicht einmal die vorgeschriebene Toilette gemacht habe. Das müsse man als eine Beleidigung der öffentlichen Sitte, der ganzen, hier anwesenden Gesellschaft auffassen. Hierauf wagte man es sogar, von mir auf Deutschland überzugehen. Man sprach von meinem Vaterlande in Ausdrücken, welche mich zu dem Entschlusse brachten, jetzt zwar noch zu schweigen, nach Tisch aber diese Leute coram populo vorzunehmen. Doch sollte es hierzu nicht kommen, denn es trat ein Anderer für mich ein, der General.

Er saß so, daß er sie alle genau beobachten konnte. Sein Gesicht hatte sich vor Zorn gerötet. Ich sah, daß er mit dem Kapitän von ihnen sprach. Dieser antwortete in langer zusammenhängender Rede. Wahrscheinlich erzählte er, wie sich diese Herren schon auf dem Schiffe betragen hatten und was es mit der »heutigen, gloriosen Schwimmpartie« eigentlich für eine Bewandtnis habe. Jetzt fingen sie sogar von meinem Araber an. Ich sei mit diesem Kerl so sehr verbrüdert, daß man gar nicht wisse, wen man als den Herrn und wen man als den Diener zu behandeln habe. Es sei aber eben Deutschlands einzige und noch dazu nur eingebildete Größe, daß es mit jeder Rasse pokuliere, um ihr den Floh der Menschenwürde in das Ohr und den Ungehorsam gegen andere, höhere Nationen in den Kopf zu setzen. Ich hätte mich mit meinem ungezogenen Araber sogar der frech gewordenen Chinesen angenommen, und wenn man sich das nicht gefallen lassen wolle, so sei Germania sofort mit rohen Fäusten da, um mit Prügel darzulegen, was es auf andere, gebildete Art niemals beweisen könne.

Die Mannschaften und Offiziere des Schiffes, also wohl auch der Kapitän, hatten von Omar erfahren, daß die sechs Gentlemen von uns die Treppe hinabgeworfen worden waren. Der General hatte es nun auch gehört. Er sagte so laut, daß ich es deutlich verstand:

»Sie hatten noch viel Schlimmeres verdient, als diese »gloriose Treppenpartie«. Wenn Sie nicht augenblicklich tun, was ich Ihnen befehlen werde, stürzen Sie dieses Mal noch tiefer!«

Er stand auf und ging zu ihnen hin, langsamen Schrittes, hoch aufgerichtet. Jedermann sah, daß diese vornehme, gebieterische Gestalt sehr wahrscheinlich mit einer Katastrophe nahte. Dennoch rief einer der Gentlemen spottend aus:

»Wer kommt denn da? Im armseligen Straßenrock! Also auch ein Deutscher, der kein Geld zur weißen Frühstücksjacke hat! Will mit uns reden, wie es scheint! Steht auf! Erhebt Euch von den Sitzen! Achtung, dem Achtung gebührt!«

Sie sprangen alle empor und sahen dem General laut lachend entgegen. Dieser kam heran, blieb vor ihnen stehen, griff in die Tasche und sagte:

»Hier meine Karte!«

Er warf sie auf den Tisch. Einer nahm sie weg, las sie und gab sie seinem Nachbar. Und wie sie nun von Hand zu Hand weiterging, so wurde die Szene eine ganz andere. Die Gesichter zeigten sehr deutlich den Schreck, der Jeden beim Lesen des Namens ergriff. Die erst ironische Achtung war plötzlich ernst, sehr ernst geworden . Da fuhr der General fort, indem er sich halb wendete und auf mich zeigte:

»Ihr habt dort den deutschen Gentleman und sein Vaterland verhöhnt. Jetzt marschiert Ihr hin zu ihm und bittet um Verzeihung, alle, ohne Ausnahme! Wer nicht gehorcht, den schicke ich mit dem nächsten Schiffe heim! Wir brauchen allerdings Gentlemen, aber keine Renommisten! Vorwärts – – marsch!«

Keiner wagte ein Wort der Entgegnung. Er hielt den Arm noch ausgestreckt, und sie setzten sich in Bewegung, um zu gehorchen. Da stand ich auf und sagte:

»Ich danke Ihnen, General! Die Beleidigten verzichten auf die Abbitte und erklären sich für befriedigt!«

Er nickte mir halb verwundert zu und antwortete:

»Dann haben nicht Sie mir zu danken, sondern ich Ihnen im Namen dieser unvorsichtigen Leute. Gestatten Sie, daß Ihr Diener hierher zu Tisch geladen wird?«

»Ja,« sagte ich, indem ich mich wieder niedersetzte.

Er drehte sich den Blamierten wieder zu und fragte:

»Welcher von Euch heißt Dilke?«

»Ich,« antwortete der Betreffende.

»Ihr schickt jetzt auf der Stelle nach Sejjid Omar, und wenn er kommt, so bittet Ihr ihn, mit Euch zu speisen! Ihr behandelt ihn mit der Hochachtung und Dankbarkeit, die ihm als Sejjid und als Lebensretter gebührt! Das ist mein Befehl, und ich bin gewohnt, daß man mir gehorche!«

Nach diesen Worten kehrte er an seinen Platz zurück. Als er sah, daß ich abermals aufstand, um mich anerkennend zu verbeugen, kam er bis zu mir heran, gab mir die Hand und sprach:

»Bitte, keinen Dank! Ich tat nur meine Schuldigkeit. Sie wissen, es gibt in jedem Volke derartige Bestandteile, mit denen ohne Kandare nicht auszukommen ist.«

Er hatte das so laut gesagt, daß man es im ganzen, jetzt still gewordenen Saale hörte; dann ging er nach seinem Platze. Man kann sich denken, mit welcher allgemeinen Spannung dem Erscheinen Omars entgegengesehen wurde. Er befand sich drüben in meiner Wohnung; aber es dauerte doch einige Zeit, ehe er kam. Der Grund dieser Verzögerung lag darin, daß er sich von dem nach ihm geschickten Kellner hatte erzählen lassen, um was es sich eigentlich handle. Wie ich ihn kannte, war ich überzeugt, daß sich die Gentlemen nun auf eine zweite Niederlage gefaßt zu machen hatten. Er kannte in Punkto Ehre keinen Spaß!

Endlich stellte er sich ein, in seinem besten arabischen Gewand, mit dem seidenen Unterkleide, nicht den Tarbusch, sondern den Turban auf dem Kopfe. Dilke rief ihm zu:

»Komm her zu uns, und setze dich! Du sollst mit uns speisen.«

Also keine höfliche Einladung, sondern viel eher ein Befehl! Noch dazu per Du! Da hatte er sich in Omar freilich verrechnet! Dieser nahm seine würdevollste Haltung an, ging bis zur Hälfte zu ihm hin, blieb dann stehen und fragte englisch:

»Was hast du gesagt? Ich soll mit Euch speisen? Ich soll? Weißt du, ich bin Sejjid Omar, der niemals soll, sondern nur das tut, was er will!«

»Es ist aber befohlen worden!« versuchte Dilke, sich aus der Verlegenheit zu reißen.

»Befohlen? Wem? Jedenfalls nur Euch! Denn Ihr tut das, was sich schickt und was sich gehört, nur auf Befehl. Ich aber tue es freiwillig und weil ich es liebe. Guten Menschen befiehlt selbst Allah nicht, sondern er bittet bloß. Mit solchen aber, die nicht gut sind, esse ich weder freiwillig und noch viel weniger gezwungen. Ich danke für deinen Befehl!«

Er drehte sich um und wollte wieder geben. Da sprang der General auf und rief ihm zu:

»Sejjid Omar, das haben Sie gut gesagt. Ich achte Sie! Darum bitte ich Sie, hierher zu kommen und mit mir zu speisen. Meine Frau, die Generalin, wird Sie gern an ihrer Seite sehen. Wollen Sie?«

Da kreuzte Omar seine Arme auf der Brust, verbeugte sich und antwortete:

»Mein Sihdi hat mich gelehrt, Old England lieb zu haben, und wen ich liebe, dem schlage ich keinen Wunsch ab, den ich erfüllen kann.«

»So kommen Sie! Die Leute dort aber habe ich heut noch zu lehren, höflich zu sein, zumal wenn es sich um meine Befehle handelt!«

Die beiden Damen nahmen den Sejjid zwischen sich. Ihre lieben Gesichter glänzten vor Freude über den sonderbaren, aber ganz gewiß herzlich willkommenen Gast, der sich in so höflicher und fehlerloser Weise zu ihnen setzte und schon bei den ersten Griffen nach Messer und Gabel verriet, daß sie sich seiner sicherlich nicht zu schämen brauchten. Uebrigens muß ich sagen, daß Omar zwar am liebsten auf arabische Weise, also mit den zehn Fingern, aß; aber seit er bei mir war, hatte er gelernt, auch mit dem Besteck in der Weise umzugehen, als ob er das von Jugend auf nicht anders gewohnt sei. Die tiefe, ernste Feierlichkeit, welche dann jede seiner Handbewegungen charakterisierte, war für jeden Andern einfach unerreichbar. So auch hier! Er saß in einer Haltung zwischen den Herrschaften, als ob nicht sie ihn, sondern er sie zu Gaste geladen habe, und benahm sich zwar sehr freundlich, aber dabei so gesetzt und würdevoll, daß es ihnen gewiß nicht einfallen konnte, ihn als den Beschenkten zu betrachten. Dem unverdorbenen Orientalen ist jene ungekünstelte Unnahbarkeit eigen, welche auch sein Land, nicht aber der Occident besitzt.

Nur ich allein, der ich ihn genau kannte, konnte bemerken, daß es doch Etwas gab, was ihn genierte, und das war meine Anwesenheit. Darum beeilte ich mich, mit meinem Menü zu Ende zu kommen, und stand dann auf, um den Saal zu verlassen. Da erhob man sich auch an dem andern Tische. Der Kapitän und der General gaben mir die Hände, und ich gestehe aufrichtig, daß ich gerührt war, als mir die beiden Damen dann auch die ihrigen reichten. Die Menschen sind allüberall gut, wenn sie sich damit begnügen, nichts weiter sein zu wollen als eben nur – – – gute Menschen! – – –


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