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10

»Verzeihung, o Pascha!« ließ der Derwisch sich hören. »Wie nun, wenn Jemand hier gewesen wäre und sich entfernt hätte? Das ist doch möglich!«

»Aber nicht wahrscheinlich. Wo sollte die Person hin sein?«

»Fort, hinaus.«

»Auf welchem Wege?«

»Ueber die Mauer weg.«

»Da hinauf kann Niemand.«

»Die Leiter ist da.«

»Die stand vorn am Hause, an das Fenster gelehnt, aber nicht an der Mauer.«

»Man kann sie vorher benutzt haben, und dann hat Zykyma sie genommen, um mit ihrer Hilfe in die Stube zu gelangen.«

»Sie kann sie doch nicht wieder fortschaffen, wenn sie in ihrem Zimmer angekommen ist. Man würde also früh die Leiter sehen. Nein. Sie müßte denn einen der Diener im Bündnisse haben.«

»Das ist immerhin möglich. Uebrigens sehe ich hier diesen Baum. Wie leicht ist man da hinauf und hinüber!«

»Aber nicht draußen hinab. Da ist es hoch, und da fließt auch das Wasser.«

»Das ist richtig; aber Allah giebt mir einen erleuchteten Gedanken. Es kann Jemand im Garten gewesen sein, ist da hinaufgeklettert und hat sich oben hingelegt, um ruhig zu warten, bis wir fort sind.«

»Meinst Du?«

»Ja. Man sollte doch einmal nachsehen.«

»Ja. Omar, klettere einmal hinauf.«

Der Genannte, ein schwarzer, dicker Eunuch, legte die Laterne fort und trat zum Baume. Er umspannte ihn mit den Armen und versuchte, sich emporzuschieben.

Da die Worte türkisch gesprochen waren, so hatte der Lord sie nicht verstanden. Als er aber jetzt die Bemühungen des Schwarzen sah, flüsterte er Normann zu:

»Dachte es mir! Sie wollen herauf.«

»Der Dicke wird es aber nicht fertig bringen.«

»Er keucht, pfeift und stöhnt wie eine Lastzuglokomotive. Bin neugierig, wie er abrutschen wird!«

Der Schwarze kam nicht empor; so oft er ansetzte, kaum eine Elle hoch, rutschte er wieder ab.

»Emin, schieb mit!« befahl der Pascha.

Der Gerufene trat herbei und half. Einige Andere folgten ihm. Ihren vereinigten Kräften gelang es, den Dicken so weit hinaufzubringen, daß er den untersten Ast zu ergreifen vermochte. Statt nun aber sich hinaufzuziehen, baumelte der kraftlose Mensch einige Male hin und her, ließ die Hände los und stürzte hinab.

»Plumps!« flüsterte der Engländer. »Der machte seine Himmelfahrt, aber niederwärts.«

Der Pascha stieß einige Zornesworte aus und fragte dann im Kreise, wer klettern könne. Als Keiner antwortete, sagte der Derwisch spottend:

»Diese Leute haben von Allah zu viel Fett erhalten. Sie sind zu schwer. Ich werde hinaufklettern.«

Er legte seinen schmutzig weißen, weiten Mantel ab und faßte den Stamm. Man sah, daß er keine Uebung besaß, aber er gelangte doch empor. Auf dem Aste angekommen, setzte er sich zunächst darauf, um einige Augenblicke auszuruhen.

»Siehst Du etwas auf der Mauer?« fragte der Pascha.

»Nein.«

»So komm herab!«

»O, ich werde doch hinüberklettern. Niemand wird sich gleich hier herlegen. Befindet sich Jemand oben, so ist er viel weiter fortgerutscht, um nicht sogleich gesehen zu werden.«

Er hätte bei der wenigen Dunkelheit die Drei sehen müssen; bei dem Scheine der Laternen aber befand er sich im Lichte derselben und wurde also geblendet. Er legte sich jetzt auf den Ast und rutschte nach der Spitze desselben zu, also nach der Mauer hin.

»Er kommt!« flüsterte der Lord. »Lassen Sie bei drei den Ast mit fahren. Eins – Zwei – –«

»Fall nicht herab!« warnte Ibrahim.

»Was denkst Du, Herr!« antwortete der Derwisch. »Allah hat mir die Kunst des Kletterns verliehen wie einer Katze. Ich kann unmöglich fallen.«

»Drei!« kommandirte der Lord leise.

»Jetzt werde ich die Mauer sehen,« fuhr der Kletterer fort, »und dann – o Allah illa Allah we Allah!«

Der so lange Zeit aus seiner ursprünglichen Lage gewesene Ast schnellte mit großer Gewalt empor, so daß der Derwisch, der sich so Etwas überhaupt gar nicht vermuthet hatte, in die oberen Aeste hineingeschleudert wurde und dann aus dieser Höhe krachend zur Erde stürzte.

»Hui, da fliegt er! Plautz, da plumpst er!« kicherte der Lord leise.

Alle, die Weißen und die Schwarzen, hatten laute Angstrufe ausgestoßen. Jetzt beleuchteten sie den Derwisch, welcher sich, trotz seiner Heiligkeit, fluchend am Boden krümmte.

»Hast Du etwas gebrochen?« fragte der Pascha.

»Ich weiß nicht; ich will einmal probiren!«

Er rappelte sich langsam und vorsichtig vom Boden auf. Da raunte der Lord dem Maler zu:

»Jetzt haben sie die Augen bei dem Kerl. Da kann ich es wohl wagen.«

Er erhob sich blitzschnell, so weit es nöthig war, ergriff den Ast und zog ihn zu sich herab.

»So, da haben wir ihn wieder! Erstens ist das gut, falls es noch einem Zweiten einfallen sollte, und zweitens kann man es nun auch nicht bemerken, daß der Ast eigentlich eine ganz andere Lage hat. Der Kerl hat einen tüchtigen Fall gethan, weit böser noch als ich vorhin.«

»Es geht,« meinte der Derwisch.

»Danke Allah, daß Du keinen Schaden erlitten hast. Es ist nicht gut, wenn man wie eine Katze klettern kann.«

»Ich kann es!« antwortete der Geschädigte auf diese ironische Bemerkung. »Wer aber hätte denken sollen, daß der Ast plötzlich emporschnellte!«

»Emporschnellte? Ich habe noch nicht gehört, daß Aeste sich so nach Gutdünken bewegen können.«

»Er bewegte sich!«

»Ja. Er bog sich unter Dir und sodann, als Du stürztest, ging er wieder empor. Das thut jeder Ast.«

»Nein; er schnellte empor, als ich mich noch auf ihm befand. Darum wurde ich abgeworfen. Er muß sich jetzt viel höher befinden als vorher.«

»Da blicke hinauf! Er hat noch ganz die frühere Lage. Er liegt grad auf der Mauer auf.«

Die Laternenträger leuchteten empor und Aller Augen richteten sich nach dem Aste.

»Unbegreiflich!« knurrte der Derwisch. »Ich habe wirklich geglaubt, daß er emporgeschnellt ist.«

»Du hast einmal Deine Geschicklichkeit vergessen. Bist Du nun von der Ansicht geheilt, daß Jemand sich auf der Mauer befindet?«

»Allah verdamme sie und Alles, was sich darauf befindet!«

»So willst Du nicht wieder hinauf?«

»Lache nur! Ich laß es bleiben. Mag ein Anderer es versuchen!«

»Das ist unnütz. Gehen wir! Wir haben Besseres und Eiligeres zu thun. Vorwärts!«

Sie entfernten sich. Bald hörten die Drei ihre Schritte nicht mehr, und der Lichtschein der Laternen verlor sich in der Ferne.

»Das war Rettung in der Noth!« sagte Wallert. »Mylord, Ihr Gedanke war wirklich köstlich!«

»Nicht wahr! Ich habe uns gerettet und hoffentlich auch die Frauen, von denen leider nur die Mutter auf mein Antheil kommt. Aber was thun wir jetzt?«

»Jedenfalls bleiben wir nicht hier oben. Die Lage ist da zu unbequem und exponirt. Kommt man wieder auf den Gedanken, nachzusehen, so findet man uns, während man den Garten wohl nicht zum zweiten Male durchsuchen wird. Dort können wir eher ausweichen und uns verstecken als hier.«

»Dumm sind sie aber doch, riesig dumm!«

»Wieso?«

»Daß sie kletterten und nicht auf den einfachen Gedanken kamen, die Leiter herbeizuholen.«

»Das ist ebenso richtig wie unbegreiflich. Wir wären sofort entdeckt worden. Na, hinunter also!«

Sie kletterten hinab und schlichen sich nach der Ecke, um da zu warten, ob sich noch etwas begeben werde.

Aber es blieb still. Erst nach längerer Zeit hörten sie die Schritte vieler Männer, welche außerhalb der Mauer am Wasser vorüber gingen, nach der Stadt zu. Die Wipfel der Bäume, welche über die Mauer emporragten, färbten sich hell, ein Zeichen, daß diese Leute da draußen Laternen bei sich trugen.

Die Drei ahnten nicht, daß es der Pascha mit drei Sänften und deren Trägern war, und daß Zykyma, Tschita und deren Mutter in betäubtem Zustande von ihnen nach dem Schiffe getragen wurden.

Sie warteten eine lange, lange Zeit, bis ihnen endlich doch die Geduld ausging. Da sagte Normann:

»So kommen wir zu keinem Ziele. Entweder ist ein Unglück geschehen, oder die Frauen sind durch einen Zufall am Kommen verhindert. Ich schlage vor, uns zu überzeugen, obgleich dies vielleicht mit einiger Gefahr verbunden ist!«

»Wie aber wollen wir uns überzeugen?«

»Wir gehen nach dem Hause. Sehen wir, ob die Leiter noch lehnt oder ob wir sie finden.«

Sie schlichen sich nach dem Gebäude. Das Fenster Zykyma's war finster, und die Leiter lehnte nicht mehr an demselben. Doch fanden sie sie an der Mauer liegen, wohin sie von den Leuten geschafft worden war.

»Haltet Ihr Wache an den beiden Ecken!« sagte der Maler. »Ich werde hinaufsteigen.«

Die Beiden entfernten sich nach rechts und links. Er lehnte die Leiter an und stieg hinauf. Das Gitter war wieder vorgesetzt von innen. Glasfenster gab es nicht. Er mußte also unbedingt gehört werden, wenn sich noch Jemand überhaupt in der Stube befand. Er lauschte, konnte aber nicht das mindeste Geräusch vernehmen, nicht einmal einen Athemzug.

»Zykyma!« sagte er, so daß es wohl drinnen, nicht aber auch anderswo gehört werden konnte.

Es erfolgte keine Antwort.

»Tschita!«

Es hatte denselben Mißerfolg, trotzdem er diese beiden Namen mehrere Male nannte, und zwar mit so erhobener Stimme, daß eine etwaige Schläferin sicher erwacht wäre. Zudem ließ sich nach dem Ereignisse des Abends ja gar nicht denken, daß die Genannten schlafen würden. Er stieg also hinab, trug die Leiter wieder an ihre Stelle und rief die Gefährten herbei.

»Es ist Niemand oben,« berichtete er. »Jedenfalls ist man mißtrauisch geworden und hat die Frauen in anderen Räumen untergebracht. »Wir werden heute Abend wieder herkommen müssen.«

»Wie mag es nur gekommen sein, daß man Zykyma erwischt hat?«

»Wer weiß es.«

»Das sagst Du so ruhig? Ich habe eine entsetzliche Angst. Vorhin gingen so viele Leute. Wie nun, wenn man die Frauen fortgeschafft hat?«

»Wohl schwerlich! Wohin sollte man sie gebracht haben?«

»In's Wasser – ersäuft!«

»Pah! Das kommt wohl gar nicht mehr vor und dann auch nur bei einem offenbaren Beweise der Untreue, der hier aber gar nicht vorhanden ist.«

»Man könnte sie auch infolge gefaßten Mißtrauens nach dem Palaste des Paschas übersiedelt haben.«

»Das halte ich eher für möglich.«

»Dann ist es aus mit der Entführung.«

»Ich gebe die Hoffnung auch in diesem Falle nicht auf. Der brave Arabadschi, unser Verbündeter, kennt ja unsere Wohnung und wird uns Nachricht bringen.«

»Vielleicht ist er ebenso erwischt worden wie Zykyma!«

»Hm! Du hast nicht so Unrecht. Ich werde mich am Morgen, sobald es möglich ist, hier erkundigen.«

»Und dabei den Verdacht auf Dich lenken!«

»O nein; das werde ich zu verhüten wissen. Jetzt aber graut bereits der Morgen. Wir müssen uns aus dem Staube machen, wenn wir unentdeckt bleiben wollen.«

»Der Kuckuck hole die Hindernisse, welche es bei so einer Entführung giebt!« zürnte der Lord. »Es ist das gar nicht so leicht, wie ich es mir gedacht habe!«

Sie gingen an die Mauer und schlichen sich längs derselben hin bis an das Thor. Es gelang ihnen, dieses zu öffnen und draußen wieder hinter sich zu verschließen, ohne bemerkt zu werden. Dann verließen sie den Ort des heutigen, so viel verheißenden und doch so erfolglosen Abenteuers.

Erst in weiter Entfernung blieben sie stehen, um zu berathen, ob es besser sei, nach der Yacht zu gehen oder nach der Wohnung der beiden Freunde. Sie entschlossen sich für das Erstere. Eben als sie das kleine Schiff erreichten, dampfte ein Passagierboot an demselben vorüber. Es fiel ihnen nicht ein, zu vermuthen, daß die Gesuchten sich an Bord desselben befanden. Sie legten sich für kurze Zeit zur Ruhe, Normann aber mit dem Befehle an die Bedienung, ihn zeitig zu wecken.

Es war schon ziemlich weit am Morgen, als er geweckt wurde. Die beiden Andern schliefen noch. Er ließ ihnen die Botschaft zurück, wohin er jetzt gehe, und begab sich hinaus nach dem Schauplatze ihres gestrigen Erlebnisses. Es war nicht zu früh für sein Vorhaben.

Am Thor angekommen, setzte er den hölzernen Klopfer in Bewegung. Ein Schwarzer kam und öffnete.

»Was willst Du?« fragte er.

»Ist Ibrahim Pascha, der Herr, schon hier?«

»Nein.«

»Wer führt hier das Regiment?«

»Der Verwalter.«

»Führe mich zu ihm!«

»Wer bist Du?«

»Ein Bote, an ihn gesandt wegen einer wichtigen Sache.«

Das half. Er durfte eintreten und wurde zu demselben finsteren Hausbeamten geführt, welcher Tschita bei ihrer Ankunft empfangen hatte.

»Wer sendet Dich?« fragte der Mann.

»Barischa, der Mädchenhändler.«

»Dieser alte Hallunke! Was will er?«

»Ich soll zunächst nach dem Bilde der Sultana Tschita fragen. Es ist noch nicht vollendet. Vielleicht wünscht der Pascha, daß es fertig gemacht werde.«

»Da mußt Du später wiederkommen. Der Pascha ist plötzlich verreist.«

»Wohin?«

»Das hat er keinem Menschen gesagt.«

»Wann kommt er wieder?«

»Wohl nicht in kurzer Zeit, denn er hat Zykyma und Tschita, seine Lieblingsfrauen, mitgenommen.«

Normann erschrak außerordentlich. Er gab sich Mühe, mehr zu erfahren, mußte aber bemerken, daß der Verwalter wirklich selbst gar nichts weiter wußte. Er ging und nahm in seiner Herzensangst an dem nächsten Orte, wo Reitthiere zu haben waren, einen Esel und ritt nach Pera, über die Brücke hinüber und zum Palaste Ibrahim Paschas, um sich auch dort, wo er sich für einen Boten eines hohen Beamten ausgab, zu erkundigen. Er erfuhr nur, daß der Pascha während der Nacht mit einem Dampfer abgereist sei. Mehr wußte man auch da nicht.

Nun erst kehrte er nach der Yacht zurück, um die schlimme Nachricht dorthin zu bringen. Er war erwartet worden. Der Lord und Wallert traten ihm entgegen und Letzterer fragte:

»Was hast Du erfahren?«

»Unglückliches. Sie sind fort.«

»Der Pascha, ja; aber doch nicht etwa auch die Frauen?«

»Alle drei: Zykyma, nebst Tschita und deren Mutter.«

»Herrgott! Welch ein Unglück!«

»Wüßte man nur, wohin der Kerl ist! Ich machte ihm nach bis an's Ende der Welt!«

»Da wissen wir Beide vielleicht Antwort. Nämlich als ich aufwachte, warst Du eben fort. Ich wußte nicht, was uns heut nöthig sein werde und ging also nach Hause, um wenigstens Geld zu holen. Da hörte ich von der Wirthin, daß am frühen Morgen ein hoher, starker und vornehmer Türke gekommen sei und diesen Brief für uns abgegeben habe. Ich öffnete ihn. Da lies! Normann las Folgendes:

»Sie theilten mir gestern mit, daß Sie irgend eine interessante Angelegenheit bei Ibrahim Pascha zu ordnen hätten. Sollte Ihr Vorhaben erfolglos gewesen sein und wünschen Sie die Adresse dieses Mannes zu erfahren, so theile ich Ihnen mit, daß er incognito nach Tunis ist, um dort unter dem Namen eines einfachen Türken aufzutreten.

Ihr Freund
Oskar Steinbach

»Dieser geheimnißvolle Deutsche! Er also weiß es und theilt es uns mit! Ist er allwissend?«

»Fast scheint es so. Wollen wir ihm vertrauen?«

»Natürlich. Uebrigens werde ich sofort nach dem alten Kutschu Piati gehen, wo wir uns nach ihm beim Pferdeverleiher Halef erkundigen sollen! Dann wird sich finden, was zu thun ist.«

»Was zu thun ist?« meinte der Brite. »Das ist doch sehr einfach. Wollt Ihr Eure Mädels haben?«

»Natürlich, natürlich!«

»Und ich die Mutter! Ich gebe sie nicht her. Master Wallert, laufen Sie nach Ihrer Wohnung und holen Sie Alles, was Sie Beide besitzen. Sie, Master Normann, gehen zum Pferdeverleiher, um sich nach diesem Master Steinbach zu erkundigen. Ich werde indessen Kohlen einnehmen lassen.«

»Wollen Sie fort?«

»Das wird sich finden. Laufen Sie nur!«

Die Beiden, welche sich in einer wirklich fieberhaften Aufregung befanden, gehorchten ihm. Normann nahm abermals einen Miethesel und ritt nach Kutschu Piati, wo er das Haus des Pferdeverleihers bald erfragte. Er fand ihn daheim und fragte nach Steinbach.

»Heißen Sie Normann oder Wallert?« erkundigte sich der Gefragte.

»Normann.«

»Ich habe Sie erwartet.«

»Wieso?«

»Oskar Steinbach Effendi sagte mir, daß vielleicht einer der beiden Genannten kommen werde, um sich nach ihm zu erkundigen. Ich soll Ihnen Auskunft geben.«

»Das ist mir sehr lieb. Ich wünsche nämlich seine Wohnung zu erfahren.«

»Die dürfte ich Ihnen auf keinen Fall mittheilen. Uebrigens befindet er sich nicht mehr in Stambul. Er ist heute früh abgereist.«

»Donner! Wohin?«

»Weiß es nicht.«

»Etwa Egypten?«

»Nein. Dorthin, nach Alexandrien, hat er telegraphirt, daß er sich nach einer anderen Gegend begiebt. Ich kann und darf weiter nichts sagen, soll Sie aber ersuchen, ganz nach den Zeilen zu handeln, die er Ihnen geschrieben hat. Sie enthalten die Wahrheit. Er ist gut unterrichtet.«

»Danke!«

Damit schoß er zur Thür hinaus und ritt an das Wasser zurück. Er theilte dem Engländer mit, was er erfahren hatte. Bald kam auch Wallert mit einigen Lastträgern, welche die Habseligkeiten der Freunde brachten.

»Haben Sie Ihre Pässe bei sich?« fragte der Lord.

»Sie sind hier bei den Effecten,« antwortete Wallert.

»Tragen Sie diese Papiere schnell zu Ihrem politischen Vertreter, um sie nach Tunis visiren zu lassen!«

»Alle Wetter! Wollen Sie da hinüber?«

»Das versteht sich. Auch ich werde zum englischen Gesandten gehen. Der Capitain ist bereits nach dem Hafenamt, um die Schiffspapiere in Ordnung zu bringen. Nach Verlauf von drei Stunden geht es fort.«

Und als die Freunde einander fragend anblickten, fügte er hinzu:

»Na, vorwärts! Nur nicht gezaudert! Ich will den Pascha haben! Ich muß wissen, woher er die Uhr hat und ich will auch über den Russen Er – Or – Ur – –«

»Orjeltschasta.«

»Ja, Orjeltschasta ein Mehreres erfahren. Hier ist uns die Entführung aus dem Serail mißglückt; drüben in Tunis aber soll sie uns gelingen, so wahr ich Lord Eagle-nest heiße. Also flott, Masters flott!«

Nach drei Stunden dampfte die Yacht ab. Auf dem Verdecke stand zwischen den beiden Deutschen der Lord, jetzt wieder in seinem grauschwarz karrirten Anzuge. Er zeigte die zuversichtliche Miene eines Mannes, welcher überzeugt ist, daß das, was er beabsichtigt, unbedingt gelingen werde. –

*


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