Guy de Maupassant
Vater Milon und andere Erzählungen
Guy de Maupassant

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Eine Leidenschaft

Das Meer lag ruhig und glänzend, wie ein Spiegel, von der andringenden Flutwelle kaum gekräuselt. Die ganze Bevölkerung stand auf dem Hafendamm und sah dem Einlaufen der Schiffe zu.

Sie waren schon weithin sichtbar und zahlreich, große Dampfer mit der Rauchfeder am Schornstein, und Segelschiffe, von kleinen Schleppdampfern gezogen und mit nackten Masten gen Himmel starrend, wie entlaubte Bäume.

Sie kamen von allen vier Winden in die enge Mündung des Hafens eingelaufen, der diese Ungetüme alle verschlang, während sie stöhnten und kreischten und zischten und Dampfströme ausspieen, als wären sie außer Atem.

Zwei junge Offiziere promenierten grüßend und wieder gegrüßt und zuweilen stehen bleibend, um zu plaudern, auf der menschenbedeckten Mole.

Plötzlich drückte der größere von ihnen, Paul d'Henricel, den Arm seines Kameraden Jean Renoldi und flüsterte: »Schau, da ist auch Frau Poinçot; sieh nur genau hin, ich versichre dich, sie wirft dir Blicke zu . . .«

Die Genannte kam am Arm ihres Gatten, eines reichen Schiffsrheders, ihnen entgegen. Sie war gegen Vierzig, aber noch sehr stattlich, ein wenig stark, aber gerade infolge ihrer üppigen Fülle noch so frisch wie eine Zwanzigjährige. Ihre Bekannten nannten sie wegen ihres stolzen Auftretens, ihrer großen schwarzen Augen und der ganzen Vornehmheit ihres Wesens die Göttin. Sie war stets unbescholten geblieben. Nie hatte ein Verdacht ihren Wandel gestreift. Sie wurde als Vorbild einer ehrbaren und einfachen Frau hingestellt, und kein Mann hätte gewagt, an sie zu denken; so hoch stand sie.

Und nun versicherte Paul d'Henricel seinem Freunde Renoldi seit einem Monat, daß ihm Frau Poinçot zärtlich Blicke zuwürfe, und war nicht davon abzubringen. »Ich versichere dir«, sagte er, »daß ich mich nicht täusche. Ich sehe es deutlich, sie liebt dich. Sie liebt dich leidenschaftlich, wie ein keusches Weib, das nie geliebt hat. Vierzig Jahre sind ein gefährliches Alter für die anständigen Frauen, wenn sie Herz und Sinne haben. Sie werden thöricht und machen Thorheiten . . . Sie ist getroffen, mein Freund, wie ein verwundeter Vogel. Sie fällt, sie fällt – dir in die Arme. Sieh nur, sieh!«

Die stattliche Frau rauschte hinter ihren beiden zwölf- und fünfzehnjährigen Töchtern vorüber und erblaßte plötzlich, als sie den Offizier erblickte. Sie sah ihn glühend an, mit starrem Blick, und schien nichts mehr um sich zu sehen, weder ihren Mann, noch ihre Kinder, noch die Menschenmenge. Sie erwiderte den Gruß der jungen Leute, ohne ihren heißen Blick zu senken. Es war ein Blick von so lodernder Glut, daß der Leutnant Renoldi endlich zu begreifen begann.

»Ich wußte es ja«, triumphierte sein Freund. »Hast du's diesmal gesehen? Wetter! Das ist noch ein schöner Bissen!«


Aber Renoldi wollte nichts von derartigen Liebschaften wissen. Er suchte die Liebe nicht und sehnte sich vor allem nach einem ruhigen Leben. Im übrigen begnügte er sich mit Gelegenheits-Liebschaften, wie sie einem jungen Manne stets begegnen. Denn ihm waren all die Sentimentalitäten eines solchen Verhältnisses, all die Zärtlichkeitsbeweise und Rücksichten, die eine verwöhnte Dame fordert, ein Greuel. Die Kette, die ein solches Abenteuer immer knüpft, und mag sie noch so leicht sein, flößte ihm Angst ein. Er sagte sich: Nach einem Monat hab' ich es über und über satt, und ich muß anstandshalber sechs Monate aushalten. Zudem war ihm ein Bruch mit den obligaten Scenen und Vorwürfen, dem Sich-Anklammern des verlassenen Weibes entsetzlich.

Er ging darum Frau Poinçot aus den Wege.

Eines Abends jedoch wollte es der Zufall, daß er beim Diner ihr Tischnachbar wurde. Er fühlte den glühenden Blick seiner Nachbarin unaufhörlich auf seiner Haut, auf seinen Augen und bis in die Seele hinein; ihre Hände begegneten sich zufällig und drückten sich fast wider Willen: Das war schon der Anfang zur Liebschaft.

Dann sah er sie wieder, immer wider Willen. Er fühlte, daß sie ihn liebte, und das rührte ihn; ein selbstgefälliges Mitleid mit der glühenden Leidenschaft dieses Weibes überkam ihn. Er ließ sich also anbeten und war einfach galant, in der Hoffnung, daß es dabei sein Bewenden haben würde.

Aber eines Tages gab sie ihm ein Stelldichein, um ihn zu sehen und ungestört mit ihm plaudern zu können, wie sie sagte. Sie fiel ihm ohnmächtig in die Arme und er war wohl oder übel genötigt, ihr Liebhaber zu werden.


Das währte so sechs Monate. Sie liebte ihn unsinnig, atemlos. Im Banne dieser fanatischen Leidenschaft dachte sie an nichts mehr; alles gab sie ihm hin, Leib und Seele, Ruf, Ansehen und Glück. Alles hatte sie in die Flamme ihres Herzens geworfen, wie man vor Zeiten alles, was einem teuer war, auf den flammenden Holzstoß warf, wenn man opferte.

Er war der Sache längst überdrüssig und bedauerte lebhaft, daß sein hübsches Gesicht ihm zu so leichtem Siege verholfen hatte; aber er sah sich gebunden, festgehalten, gefangen. – Bei jeder Gelegenheit sagte sie ihm: »Ich habe dir alles gegeben, was willst du noch?« Er hatte dann große Lust, zu antworten: »Aber ich habe dich um nichts gebeten, und ich bitte dich, wieder zurückzunehmen, was du mir gegeben hast.« Jeden Abend kam sie zu ihm; es kümmerte sie nicht, ob sie gesehen wurde, ob sie sich kompromittierte und verloren wäre; und jedesmal liebte sie ihn heißer. Sie warf sich ihm in die Arme, umschlang ihn leidenschaftlich und verschmachtete schier in verzückten Küssen, die ihn schauderhaft langweilten. Er sagte dann mit müder Stimme: »Komm, sei vernünftig!« Sie antwortete nur: »Ich liebe dich« und setzte sich zu seinen Füßen, um lange in anbetender Haltung vor ihm zu verharren. Bei diesem beharrlichen Anstarren verging ihm schließlich die Laune und er suchte sie aufzurichten. »Komm«, sagte er, »setz' dich; plaudern wir etwas.« Aber sie murmelte beständig: »Nein, laß mich!« und blieb verzückt sitzen.

Eines Tages sagte er zu seinem Freunde d'Henricel: »Weißt du, nächstens schlage ich sie. Ich bin es satt, ich will nicht mehr. Die Sache muß ein Ende nehmen und das schleunig!« Und dann setzte er ruhiger hinzu: »Was rätst du mir zu thun?« – »Brich!« riet jener. Aber Renoldi zuckte die Achseln. »Du sagst das so leicht hin. Glaubst du, das wäre so leicht, mit einer Frau zu brechen, die einen mit Aufmerksamkeiten verfolgt, mit Zuvorkommenheit martert, mit Zärtlichkeit quält, deren einzige Sorge ist, dir zu gefallen, und deren einziges Unrecht ist, daß sie sich dir an den Hals geworfen hat . . .«

Aber da kam eines Morgens die frohe Botschaft, daß das Regiment seine Garnison wechseln sollte, und Renoldi hüpfte vor Freude. Er war gerettet, gerettet ohne Scenen und Aufregung, gerettet! . . . Es handelte sich nur noch darum, zwei Monate Geduld zu haben! . . . Gerettet! . . .

Als sie am Abend zu ihm kam, war sie noch aufgeregter, als sonst. Sie hatte die Schreckenskunde vernommen. Ohne ihren Hut abzuthun, ergriff sie seine Hände und preßte sie fieberhaft, indem sie ihm fest in's Auge blickte und mit bebender, entschlossener Stimme sagte: »Ich weiß, du willst fortgehen. Die Nachricht brach mir anfangs das Herz; nun aber weiß ich, was ich zu thun habe. Ich zögere nicht mehr. Ich will dir den größten Beweis meiner Liebe bringen, den ein Weib bringen kann: ich folge dir. Um deinetwillen verlasse ich Mann, Kinder, Familie. Ich richte mich zu Grunde, aber ich bin glücklich. Mir ist, als gäbe ich mich dir von neuem zu eigen. Es ist das letzte und größte Opfer. Ich bin dein für immer!«

Es lief ihm eiskalt über den Rücken, als er das hörte. Eine dumpfe, ingrimmige, ohnmächtige Wut überkam ihn. Trotzdem hielt er an sich und wies ihr Opfer mit sanfter Stimme zurück. Er suchte sie zu beschwichtigen, sie zur Vernunft zu bringen und ihr ihre Thorheit auszureden. Sie hörte mit verächtlich aufgeworfener Lippe zu und blickte ihm mit ihren schwarzen Augen in's Gesicht, ohne etwas zu antworten. Als er geendigt hatte, sagte sie nur: »Du bist also so feige, ein Weib zu verführen und es dann bei der ersten besten Laune zu verlassen!«

Renoldi wurde bleich und fing wieder mit Vernunftgründen an. Er stellte ihr die unausbleiblichen Folgen dieser Handlungsweise bis zu ihrem Tode vor Augen; er machte ihr klar, daß sie ihr Lebensglück zerstörte, daß die Welt für sie verschlossen wäre . . . Aber sie antwortete beharrlich: »Was thut das, wenn man sich liebt?«

Da brauste er schließlich auf. »Nun wohl, ich will nicht! Nein! Verstehst du, ich will nicht, ich verbiete es dir!« Und sein Herz quoll von dem lange genährten Widerwillen über. »Ei zum Himmel, es ist jetzt lange genug, daß du mich gegen meinen Willen liebst. Es fehlte noch, dich mitzunehmen. Ich danke schön!«

Sie antwortete nichts, aber über ihr leichenfahles Gesicht zog ein langsames und schmerzliches Zucken, als ob alle Muskeln und Nerven sich krümmten. Sie ging, ohne Lebewohl zu sagen.

In derselben Nacht vergiftete sie sich. Eine Woche lang hielt man sie für verloren. Und in der Stadt steckte man die Köpfe zusammen, beklagte sie und entschuldigte ihren Fehltritt mit der Macht ihrer Leidenschaft; denn alle bis auf Äußerste gesteigerten Gefühle, die den Menschen zum Heroismus hinreißen, werden immer verziehen, wenn sie an sich auch verwerflich sind. Ein Weib, das in den Tod geht, ist sozusagen keine Ehebrecherin mehr. Und so entstand denn allgemach eine allgemeine Erbitterung gegen den Leutnant Renoldi, der sich weigerte, sie wieder zu sehen, und ein einmütiges Gefühl der Mißbilligung.

Man erzählte sich, daß er sie verlassen, verraten und geschlagen hätte. Selbst sein Oberst empfand Mitleid mit der Selbstmörderin und ließ ein paar Worte des Tadels in eine Unterredung mit seinem Untergebenen einfließen. Paul d'Henricel kam zu seinem Freunde und sagte: »Aber zum Henker, mein Lieber, man läßt ein Weib doch nicht in den Tod gehen. Das ist nicht anständig . . .«

Renoldi war erbittert und hieß seinen Freund schweigen. Der aber ließ das Wort Infamie fallen; es kam zum Duell und Renoldi wurde zur allgemeinen Zufriedenheit verwundet. Er mußte lange das Bett hüten.

Als sie es erfuhr, liebte sie ihn noch mehr, denn sie glaubte, er hätte sich ihretwegen geschlagen. Da sie ihr Zimmer indeß nicht verlassen durfte, sah sie ihn vor dem Aufbruch des Regiments nicht wieder.

Er war schon drei Monate in Lille, als er eines Morgens den Besuch einer jungen Frau bekam. Es war die Schwester seiner früheren Geliebten.

Frau Poinçot hatte lange schwer gelitten und war von einer Verzweiflung befallen, gegen die sie nicht ankämpfen konnte. Jetzt war sie dem Tode nahe. Sie war hoffnungslos aufgegeben und wollte ihn nur noch eine Minute sehen, ehe sie die Augen schloß.

Trennung und Zeit hatten den Verdruß und Zorn des jungen Mannes gelindert; er war gerührt und weinte. Noch am selben Tage reiste er nach Le Havre.

Sie schien in den letzten Zügen zu liegen. Man ließ ihn allein am Bette der Sterbenden, die er ohne seine Schuld getötet hatte. Eine furchtbare Reue schüttelte ihn. Schluchzend küßte er sie mit sanften, glühenden Lippen, wie nie zuvor, und stammelte: »Nein, du sollst nicht sterben. Du sollst wieder genesen. Wir werden wieder zusammen sein. Immer . . .«

»Ist's wahr?« lispelte sie. »Liebst du mich noch?« Und in seiner Verzweiflung schwur und versprach er, sie zu erwarten, wenn sie genesen sein würde. Er empfand das tiefste Mitleid mit ihr und küßte die abgemagerten Hände der armen Frau, deren Herz unregelmäßig schlug.

Am nächsten Tage war er wieder in seiner Garnison. Sechs Wochen später kam sie nach. Sie war nicht wiederzuerkennen, so war sie gealtert, und verliebter denn je.

In seiner Ratlosigkeit nahm er sie wieder zu sich und sie lebten zusammen, als wären sie durch das Gesetz vereint. Aber derselbe Oberst, den es damals empört hatte, daß er sie verlassen, entrüstete sich jetzt über diese wilde Ehe; so etwas wäre mit dem Vorbilde, das ein Offizier im Regiment geben sollte, unvereinbar. Erst erteilte er seinem Untergebenen einen Verweis, dann wurde er wütend, und Renoldi reichte seinen Abschied ein.

Sie lebten nun in einer Villa am Mittelmeer, dem klassischen Meer der Verliebten.

Drei Jahre gingen so hin; Renoldi war gebeugt, besiegt, erlegen, an diese hartnäckige Zärtlichkeit gewöhnt. Sie hatte jetzt weißes Haar.

Er hielt sich für einen verlorenen, vernichteten Menschen. Alle Aussichten schienen ihm dahin, die Karriere verpfuscht, alle Freude benommen, alle Befriedigung versagt.

Eines Morgens bekam er eine Karte mit der Aufschrift: »Josef Poinçot, Rheder, Le Havre.« – Der Mann! Der Mann, der nichts gesagt hatte, weil er wohl auch einsah, daß gegen den verzweifelten Eigensinn der Weiberliebe nichts zu machen sei. Was wollte er?

Er wartete im Garten und weigerte sich, in die Villa zu kommen. Er grüßte höflich, wollte sich aber nicht einmal auf eine Gartenbank setzen und begann deutlich und langsam zu sprechen:

– Mein Herr, ich bin nicht hierher gekommen, um Ihnen Vorwürfe zu machen. Ich weiß zu gut, wie die Dinge gekommen sind. Ich bin . . . wir sind . . . einer Art von Verhängnis unterlegen. Ich hätte Sie hier in ihrem Wohnsitz nicht belästigt, wenn die Verhältnisse es nicht erheischten. Ich habe zwei Töchter, mein Herr. Die eine liebt einen jungen Mann, der ihre Liebe erwidert. Aber seine Familie widersetzt sich der Heirat. Es ist wegen der Lage, in der sich die . . . die Mutter der Kinder befindet . . . Ich hege weder Zorn noch Rachsucht gegen sie, aber ich bete meine Kinder an, mein Herr. Ich komme also, um meine . . . meine Frau von Ihnen zurückzufordern; ich hoffe, sie wird heute darein willigen, in mein . . . ihr Haus zurückzukehren. Was mich betrifft, so werde ich den Schein zu erhalten wissen, daß ich ihr wegen meiner Töchter verziehen habe.

Renoldi glaubte sich in den Himmel versetzt. Ein Freudentaumel durchfuhr ihn; es war ihm wie einem Verurteilten, der begnadigt wird.

– Aber natürlich, mein Herr, stotterte er. Ich selbst . . . glauben Sie mir . . . ohne Zweifel . . . es ist gerechtfertigt, nur zu gerechtfertigt . . .

Am liebsten hätte er die Hände des Mannes ergriffen, ihn in seine Arme geschlossen und auf beide Backen geküßt.

– Treten Sie doch näher, bat er. Im Salon ist es doch besser. Ich werde sie gleich rufen.

Diesmal weigerte sich Herr Poinçot nicht länger und setzte sich.

Renoldi hüpfte die Stufen herauf; vor der Thür seiner Geliebten sammelte er sich und trat ernst herein. »Du wirst unten erwartet,« sagte er. »Es ist wegen Deiner Töchter.« Sie richtete sich auf. »Wegen meiner Töchter? Was ist denn mit ihnen? Sie sind doch nicht gestorben?«

– Nein, erwiderte er, aber sie sind in einer ernsten Lage, aus der du sie allein erlösen kannst. Sie hörte nicht mehr hin und ging schnell herunter, während er auf einen Sessel sank und mit pochendem Herzen wartete.

Er wartete lange, lange. Dann, als heftige Stimmen durch die Decke bis zu ihm herauf drangen, entschloß er sich, herunterzugehen.

Frau Poinçot stand aufrecht im Zimmer und wollte eben gehen; ihr Gatte hielt sie am Kleide fest und sagte eindringlich: »Aber verstehen Sie doch, Sie vernichten das Glück Ihrer Töchter, unserer Kinder!«

Aber sie antwortete hartnäckig: »Ich will nicht zu Ihnen zurück!« Renoldi erkannte sofort die Gefahr, trat niedergeschlagen näher und stotterte: »Was, sie will nicht?« Da drehte sie sich um und sagte, indem sie ihn in einer Anwandlung von Scham vor dem rechten Gatten nicht mehr zu dutzen wagte: »Wissen Sie, was er von mir verlangt? Zurückkommen soll ich in sein Haus!« Dabei lachte sie höhnisch und mit verächtlicher Miene gegen den Mann, der sie kniefällig bat.

Da sprach Renoldi mit der Entschlossenheit eines verzweifelten Spielers, der alles auf die letzte Karte setzt. Er trat für die armen Mädchen ein, für den Gatten, für sich. Als er innehielt, um nach neuen Beweggründen zu suchen, lispelte Herr Poinçot, der mit seiner Weisheit auch zu Ende war, indem er sie aus alter Gewohnheit plötzlich wieder dutzte:

– Komm, Delphine, denke an deine Kinder!

Sie warf ihnen beiden einen Blick souveräner Verachtung zu, riß sich los und war mit einem Satz auf der Treppe.

– Ihr seid zwei elende Gesellen! rief sie ihnen von oben aus zu.

Als sie wieder allein waren, blickten sie sich einen Augenblick gebrochen und niedergeschlagen an. Dann hob Herr Poinçot seinen hingefallenen Hut auf, klopfte sich das vom Kniefall bestaubte Beinkleid ab, und Renoldi begleitete ihn nach der Thür.

»Wir sind beide sehr unglücklich, mein Herr!« sagte er draußen mit verzweifelter Gebärde, grüßte, setzte seinen Hut auf und ging mit kummervollen Schritten.

 


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