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Zweites Buch

Nach einiger Zeit, als die treuen Anhänger des Königs, meines Gemahls, ihm hatten die Arglist zu erkennen gegeben, mit welcher man ihn ins Verderben stürzen wollte, indem man ihn von mir und von meinem Bruder zu entfernen suche, um ihn, wann er von allen denen getrennt sei, auf die er am meisten rechnen könne, dann zu verlassen und sich nicht weiter um ihn zu kümmern; wie denn auch der König wirklich anfing ihn zu vergessen und nicht auf ihn zu achten; brachten sie es dahin, daß er mit meinem Bruder sprechen mußte, der nach Bussys Abreise, seine Lage eben nicht gebessert fühlte, denn Guast ließ ihn täglich irgend eine neue Unwürdigkeit erfahren. Da sie es nun überlegten, daß sie beide zu einer Klasse an diesem Hofe gehörten, der eine so ungünstig angesehen als der andre, daß Guast allein alles regierte, daß sie bei ihm erbetteln mußten, was sie beim Könige erlangen wollten, daß sie mit Verachtung abgewiesen wurden, wenn sie etwas forderten, daß, wenn sie sich einen treuen Diener erwürben, er sogleich von allen Seiten angefeindet und angefochten würde, so beschlossen sie sich wieder zu vereinigen, den Hof zu verlassen, ihre Freunde und Diener zu versammeln, und dann vom Könige eine anständigere Behandlung und eine ihrem Stande angemeßnere Lage zu verlangen. Mein Bruder hatte bis dahin seine Apanage nicht erhalten können und mußte sich von einigen Pensionen zu unterhalten suchen, die nur selten, und wenn es Guast gelegen war, ausgezahlt wurden. So auch hatte der König, mein Gemahl, von seinem Gouvernement in der Guyenne gar keinen Nutzen, er durfte weder dorthin noch sonst nach einem seiner Länder. Als sie unter sich die Sache beschlossen hatten, erzählte es mir mein Bruder und bat mich, da er mit dem Könige, meinem Gemahl, nun wieder gut stände, mich doch auch wieder mit ihm auszusöhnen und alles Vergangne zu vergessen; der König, mein Gemahl, habe ihm gesagt, wie sehr er alles bereue; er sähe es jetzt ein, daß unsre Feinde schlauer gewesen wären als wir, er sei nun entschlossen mir wieder zugetan zu sein und mehr zu meiner Zufriedenheit beizutragen; er wünsche, und bäte mich, ihn zu lieben und ihn in seiner Abwesenheit in seinen Angelegenheiten zu unterstützen.

Es war beschlossen, daß mein Bruder zuerst in einem Wagen, so gut es anginge, entfliehen sollte, der König, mein Gemahl, aber sollte ihm einige Tage nachher, unter dem Vorwande einer Jagd, nachfolgen. Sie bedauerten es, mich nicht mitnehmen zu können, doch waren sie insofern ruhig über mich, daß man mir nichts Unangenehmes erzeigen könnte, sobald sie einmal draußen sein würden. Sie gaben auch bald die Beweise, wie ihre Absicht gar nicht sei Frankreich zu beunruhigen, sondern nur sich eine ihrem Stande angemessene Lage und Sicherheit zu verschaffen, denn sie waren während dieser Händel gar nicht ohne Besorgnis wegen ihres Lebens, sei es, daß dies wirklich in Gefahr war, oder daß die, welche den Fall und den Untergang unsers Hauses wünschten, sie unaufhörlich mit Warnungen und Winken der Art in Unruhe setzten, um sich es hernach zu Nutze zu machen und im Trüben zu fischen.

Auf den Abend, kurz vor dem Nachtessen des Königs, hüllte mein Bruder sich in einen fremden Mantel, und ging zu Fuß, in Begleitung eines Menschen, den niemand kannte, bis zu dem Tor St. Honoré; hier fand er seinen Kammerherrn Simié mit einem Wagen, den er von einer Dame geliehen hatte; in diesem fuhr er bis zu einigen Häusern, eine Viertel Stunde von Paris; hier erwarteten ihn Reitpferde, und einige Stunden von dort, auf dem vorher bestimmten Ort fand er zwei- bis dreihundert seiner Leute zu Pferde.

Man merkte seine Entweichung nicht vor neun Uhr des Abends. Der König und die Königin Mutter fragten mich, warum er nicht mit ihnen zu Abend gegessen? ob er etwa krank sei? Ich sagte, ich hätte ihn seit dem Nachmittag nicht gesehen; drauf schickten sie nach seinem Zimmer, um sich nach ihm zu erkundigen, er war nicht auf seinem Zimmer; sie befahlen, ihn in den Zimmern der Damen zu suchen, die er zu besuchen pflegte; man sucht im Schloß, in der Stadt, er ist nirgend zu finden. Nun wird der Lärm heiß; der König wird zornig, heftig, droht, schickt nach allen Prinzen und Herren des Hofes, gebietet ihnen zu Pferde zu steigen und ihm meinen Bruder tot oder lebendig wieder zu bringen; schreit, er gehe nur um gegen den Staat Krieg zu führen, den Staat zu zerstören, aber er würde ihm wohl weisen, was es für eine Narrheit sei, einen so mächtigen König anzugreifen! Viele der Herren lehnten diesen Auftrag ab, zeigten dem Könige die Wichtigkeit desselben; ihre Schuldigkeit sei es, ihr Leben zu geben für alles, was zum Dienste des Königs gehöre; gegen den Bruder des Königs aber könnten sie nicht gehen, weil sie wüßten, daß der König es ihnen am Ende schlechten Dank wissen würde. Er könne sicher sein, daß sein Bruder nichts unternehmen würde, was Sr. Majestät mißfallen oder seinem Staate schädlich sein könnte; ihnen dünke es gut, daß, bevor er so strenge Maßregeln gegen ihn ergreife, er zu ihm senden und ihn fragen lassen sollte, was ihn fortzugehen bewogen habe? Einige der Herren nahmen es an und machten sich bereit zu Pferde zu steigen. Sie konnten aber doch mit der möglichsten Eil erst mit Tagesanbruch fertig werden, so daß sie meinen Bruder nicht mehr einholten und unverrichteter Sache zurück kamen. Der König zeigte nach dieser Entweichung meines Bruders, dem Könige, meinem Gemahl, eben kein besseres Gesicht; er begegnete ihm auf die alte gewöhnliche Weise, das heißt, er bekümmerte sich nicht um ihn. Dies bestätigte seinen Entschluß. Nach einigen Tagen nahm er unter dem Vorwand einer Jagd die Flucht. Ich war den Morgen nach der Abreise meines Bruders ganz krank von den Tränen, welche ich die Nacht durch vergossen hatte. Das Gesicht war mir angeschwollen, und ich ward vom Fieber und von den Schmerzen einige Tage lang im Bette gehalten. Während dieser Krankheit sah ich den König, meinen Gemahl, gar nicht bei mir, es sei nun, daß er mit seiner nahen Abreise beschäftigt gewesen war, oder daß er sich in den letzten Tagen nicht von seiner Geliebten, der Frau von Sauve, entfernen wollte; genug er fand keine Zeit mich zu sehen und kam nach seiner Gewohnheit immer erst um ein oder zwei Uhr ins Schlafzimmer; da wir nun jeder in einem besondren Bette schliefen, so hörte ich ihn nicht kommen, und da er wieder, eh ich erwachte, aufstand, um sich, wie ich schon gesagt, beim Lever meiner Frau Mutter einzufinden, wo Frau von Sauve immer dabei sein mußte, so vergaß er das Versprechen, das er meinem Bruder gegeben, und reiste ab, ohne mir Lebewohl zu sagen. Doch unterließ der König nicht mich in Verdacht zu haben, als wäre ich schuld an seiner Flucht; er war rasend zornig auf mich; ohne die Königin Mutter, die ihn zurückhielt, hätte er in seinem Grimm mein Leben nicht verschont; da er aber nicht das Ärgste tun konnte, indem sie es verhinderte, befahl er, man solle mich wenigstens bewachen, damit ich dem Könige, meinem Gemahl, nicht folgte, und damit auch niemand zu mir käme, durch den ich jenem könnte Nachrichten geben lassen. Die Königin Mutter, die alles nur gern in der Güte ausrichten wollte, und froh seine erste Hitze gedämpft zu sehen, sagte ihm: sie fände das sehr gut, sie wollte aber selber zu mir gehen und mich vorbereiten, damit ich diese Behandlung nicht zu hart fände; daß diese Erbitterung nicht immer so bleiben könnte, daß alles von verschiedenen Seiten betrachtet werden könnte; diese erste wäre nun die traurige und erschreckliche; würde erst die andre herausgekehrt, die ruhiger sei und angenehmer, so würde man andern Rat pflegen. Dann würde man vielleicht meiner bedürfen; ebenso, wie es der Klugheit gemäß sei, mit seinen Freunden so umzugehen, als könnten sie einst unsre Feinde werden, so müßte man auch seine Feinde so behandeln, daß sie einst unsre Freunde werden könnten! Diese Vorstellungen brachten es bei dem Könige so weit, daß er mir nichts zu Leide tat (wie er eigentlich gern wollte); Guast erfand etwas, woran er unterdessen seinen Gift ausließ. Um mir das Unangenehmste, das sich erdenken ließ, zu erzeigen, schickte er Leute nach dem Hause des Chastelas, des Vetters der Thorigny, die sie, unter dem Vorwande sie zum Könige zu bringen, in dem Fluß ersäufen sollten, von dem das Haus nicht entfernt lag. Chastelas, der sich nichts vermutete, ließ sie frei in sein Haus ein; sogleich fingen die stärksten unter ihnen an, ihren Auftrag ohne alle Vernunft oder Schonung auszuführen, sie ergriffen die Thorigny, banden sie und sperrten sie ein. Während sie auf ihre Pferde warten mußten, bis sie ausgeruht und gefüttert hatten, sahen sie sich auf keine Weise vor, nach der Franzosen Art, und füllten sich die Hälse mit dem Besten, was im Hause war. Chastelas ließ sie machen was sie wollten auf Unkosten seiner Vorräte, um seiner Anverwandten nur Zeit gewinnen zu lassen; er dachte Zeit gewonnen, alles gewonnen, und hoffte Gott würde vielleicht das Herz des Königs lenken, daß er seinen Befehl widerrufe, um mich nicht so schmerzlich zu kränken. Chastelas durfte nichts zu ihrer Befreiung unternehmen, obgleich er Leute genug dazu hatte. Ich wußte nichts von allem dem, aber Gott wendete die Betrübnis von mir ab und sendete unerwartete Hilfe zur rechten Zeit, besser als ich hätte tun können, wenn ich etwas davon gewußt.

Einige Diener aus Chastelas' Hause waren aus Furcht vor den Trabanten geflohen, die im Hause wirtschafteten, als ob sie plündern wollten; eine Viertelstunde davon führte Gott Laferte und Avantigny, beides Kammerherrn meines Bruders, ihnen entgegen, die mit ihren Haufen, wohl zweihundert Reiter, zur Armee meines Bruders stoßen wollten. Laferte erkannte unter den Bauern einen von Chastelas' Leuten, der ganz bestürzt und betrübt war, und fragte ihn was ihm fehle? ob einer von den Soldaten ihm etwas zu Leide getan habe? Nein, sagte der Mann, die Ursache seiner Bestürzung sei, daß er seinen Herrn in Not gelassen habe, man wolle seine Anverwandte fortführen. Sogleich beschlossen Laferte und Avantigny, mir diesen großen Dienst zu leisten und die Thorigny zu befreien; sie dankten Gott, daß er ihnen eine so schöne Gelegenheit gegeben, mir ihre Ergebenheit zu bezeigen. Sie eilten mit ihren Haufen nach Chastelas' Hause und kamen grade noch zur rechten Zeit in dem Moment an, als die Soldaten eben die Thorigny auf ein Pferd binden wollten, um sie in den Fluß zu werfen. Sie ritten alle mit gezogenen Schwertern in den Hof und riefen: »Haltet ein, Schurken, geschieht ihr ein Leides, so seid ihr des Todes!« Sie haueten auf sie ein, jene flohen und ließen ihre Gefangene zurück, die vor Schrecken und Freude halb tot war. Nachdem sie Gott und ihren Befreiern gedankt, fuhr sie in dem Wagen ihrer Muhme Chastelas, von ihrem Vetter und den Haufen jener rechtlichen Männer begleitet, zu meinem Bruder, der sehr vergnügt war, eine Person, die ich so liebte, bei sich zu haben, da er mich selber nicht bei sich sehen konnte. Sie blieb die ganze Zeit der Gefahr über bei ihm, und ward so gut behandelt und gehalten als bei mir.

Während der König das schöne Geschäft mit der Thorigny verrichtete, kam die Königin Mutter, die davon nichts wußte, zu mir in mein Zimmer, wo ich mich eben ankleidete; ich wollte, obgleich noch nicht frei von Schmerzen, kränker aber noch an Seele als an Körper, diesen Tag zum erstenmal wieder mein Zimmer verlassen, um zu sehen, was auf diese Vorfälle in der Welt vorginge; denn ich war beständig in Sorge, man möchte etwas gegen meinen Bruder oder den König, meinen Gemahl, unternehmen. »Mein Kind,« redete die Königin Mutter mich an, »du hast nicht nötig dich heute anzukleiden! Ich bitte dich, sei nicht verdrießlich über das, was ich dir zu sagen habe. Du hast Einsicht genug, gewiß, du kannst es nicht tadeln, daß der König sich von deinem Bruder und deinem Gemahl für beleidigt hält; und da er die Verbindung zwischen euch dreien weiß, und dich, meine Tochter, als die Mitwisserin ihrer Flucht hält, daß er dich als Geisel zurück zu behalten beschlossen hat. Er weiß, wie sehr dein Gemahl dich liebt, und kann kein teureres Unterpfand von ihm haben als dich. Er hat aus dieser Ursache befohlen, daß du Wache haben sollst, damit du nicht von deinem Zimmer kannst. Auch geschieht es mit darum, weil die Räte dem König vorgestellt, daß, wenn du frei unter uns umher gehen dürftest, du alles, was man gegen deinen Bruder und gegen deinen Gemahl beschließen würde, ihnen wieder berichten möchtest. Ich bitte dich, nimm es nicht übel auf, wills Gott, soll es nicht lange dauern. Sei auch nicht traurig, wenn ich nicht oft zu dir komme, um dem Könige keinen Verdacht zu geben, sei aber versichert, daß man dir keine Art des Mißvergnügens zufügen soll, ich werde sicher nichts der Art zugeben, und ich werde alles anwenden, um Frieden zwischen Euren Brüdern zu stiften.« Darauf stellte ich ihr vor, wie man mir unrecht täte. Ich wollte es nicht verleugnen, sagte ich ihr, daß mein Bruder mir immer seine gerechten Ursachen zum Mißvergnügen mitgeteilt; der König, mein Gemahl, aber habe, seitdem er mir die Thorigny genommen, nicht mit mir geredet, ja er habe mich während meiner Krankheit nicht besucht und mir kein Lebewohl gesagt vor seiner Abreise. Darauf erwiderte sie: »Das sind kleine Neckereien zwischen Mann und Frau, aber man weiß wohl, daß er mit Liebesbriefchen dein Herz wieder erobern wird; und wenn er dich dann zu ihm zu kommen bittet, so gehst du hin, und eben das will mein Sohn, der König, verhindern.«

Sie verließ mich hierauf, und ich blieb einige Monate in dieser Lage, ohne daß irgend ein Mensch, nicht einmal meine vertrautesten Freunde, es wagten zu mir zu kommen. An den Höfen ist das Unglück immer einsam, das Glück hat aber ein reiches Gefolge; die besten Freunde stehen der Verfolgung bei! – Der einzige Crillon, der Brave, verachtete alle Verbote und Ungnade und besuchte mich fünf oder sechs Mal. Die Höllenhunde vor meiner Türe, die mich bewachen sollten, hatten eine solche Furcht vor ihm, daß sie ihm den Eingang nie verwehrten.

Während dem war der König, mein Gemahl, in seinen Provinzen angelangt und hatte seine Freunde und Diener versammelt. Sie zeigten ihm, wie unrecht er getan, daß er abgereist sei, ohne von mir Abschied zu nehmen; ich hätte Einsichten, sagten sie, könnte ihm sehr nützlich sein, und er müsse durchaus mich wieder zu gewinnen suchen, er sollte also, sobald die Sachen wieder friedlicher würden, es dahin bringen, daß ich wieder zu ihm käme. Er war von seiner Circe, Frau von Sauve, entfernt, also leicht zu überreden; ihre Reize hatten durch die Abwesenheit die Macht verloren. Er schrieb mir einen sehr verbindlichen Brief, worin er mich bat, alles Vergangne zu vergessen; er liebe mich und wollte es mehr als jemals beweisen, wie sehr er mich liebe. Er befahl mir auch, ihn von allem, was um mich vorging, zu benachrichtigen, besonders was meine Lage und die meines Bruders beträfe; denn sie waren von einander entfernt, obgleich sie als Freunde gemeinschaftlich handelten; mein Bruder war in der Gegend der Champagne, und mein Gemahl war in Gascogne. Diesen Brief erhielt ich während meiner Gefangenschaft, er gab meinem Herzen Trost und Erleichterung. Die Notwendigkeit, Mutter der Erfindung, half mir, daß ich von dieser Zeit an, obgleich die Wache Befehl hatte, mich nicht schreiben zu lassen, sehr oft an ihn schrieb und immer Mittel fand, meine Briefe an ihn gelangen zu lassen. Mein Bruder erfuhr meine Verhaftnehmung einige Tage nachher; er würde, aus Verdruß darüber, sicher einen schrecklichen Krieg angefangen haben, zu dem er alle Mittel besaß, denn er hatte damals eine schöne Armee, und die Völker hätten die Leiden ihrer Fürsten tragen müssen, wenn die Liebe zu seinem Vaterlande meinen Bruder nicht zurückgehalten hätte. Er schrieb an die Königin Mutter, man würde ihn zur Verzweiflung treiben, wenn man fortführe, mich so zu behandeln. Sie, aus Furcht der Krieg würde so erbittert werden, daß ihr kein Mittel bleiben würde, wieder Frieden zu stiften, zeigte dem Könige die Wichtigkeit dieses Krieges, und sie fand ihn aufgelegt, ihren Gründen Gehör zu geben; sein Zorn wurde etwas gedämpft, da er erfuhr, in welcher Gefahr er sich befände; er war vom Könige, meinem Gemahl, und den Hugenotten, die schon verschiedene gute Orte eingenommen hatten, in Gascogne, in der Dauphiné, Languedoc und Poitou angegriffen; von meinem Bruder mit einer großen Armee vom bravsten Adel Frankreichs in der Champagne. Dazu noch die Erinnerung, daß er damals, als mein Bruder entflohen war, niemand von allen den Prinzen und Herrn gegen ihn ins Feld kriegen konnte; sie fürchteten alle, den Finger zwischen zwei Mühlsteine zu stecken. Kurz, nach reiflicher Überlegung lieh der König den Vorstellungen der Königin Mutter ein geneigtes Ohr, und bat sie, sich für den Frieden zu verwenden. Sie entschloß sich sogleich zu meinem Bruder zu reisen und stellte dem Könige vor, wie notwendig es sei, daß ich mitreise; das wollte aber der König durchaus nicht zugeben, weil er mich als Geisel zurückbehalten wollte. Sie reiste also ohne mich, und ohne mir etwas davon zu sagen. Da mein Bruder sie ohne mich kommen sah, erklärte er ihr sein gerechtes Mißvergnügen, sowohl wegen der üblen Behandlung, die er bei Hofe erfahren, als wegen der Beschimpfung, die ich erhielt, da man mich gefangen hielt, und die Thorigny, um mich zu beleidigen, grausam mißhandelt hatte; er erklärte, nie etwas von Frieden anhören zu wollen, bis ich Genugtuung erhalten hätte, und er mich frei und vergnügt sähe. Mit dieser Antwort kam die Königin Mutter zurück, und sie erklärte dem Könige: daß, wenn er den Frieden wolle, so müßte sie wieder zu meinem Bruder zurückreisen, käme sie aber ohne mich, so wäre ihre Reise gewiß wieder unnütz, und das Übel würde hernach eher schlimmer als besser; ja man müßte mich sogar erst völlig zufrieden stellen, ehe sie mich hinführte, ich würde sonst dort mehr schaden als nützen. Man müßte befürchten, daß ich nicht wieder mit ihr zurückreisen, sondern zu meinem Gemahl würde gehen wollen; ich müßte also zuerst sogleich von der Wache befreit werden, und man müsse suchen mir das Geschehene vergessen zu machen. Der König fand alles gut und war mit allem zufrieden. Sie schickte sogleich nach mir, ließ mich holen und sagte: sie hätte es so weit gebracht, daß man sich zum Frieden neige; der Friede wäre das Wohl des Staates, nach welchem ich sowohl als mein Bruder immer gestrebt hätten; jetzt könnte nun ein für meinen Bruder so vorteilhafter Frieden geschlossen werden, daß er zufrieden sein und nichts mehr nach der Tyrannei des Guast oder andern schlechten Umgebungen des Königs zu fragen haben würde. Sie selber würde ich außerdem von einem tödlichen Verdruß befreien, wenn ich etwas beitragen wollte, den König und meinen Bruder auszusöhnen; sie wäre in der schmerzlichen Verlegenheit, daß jeder Sieg, einer ihrer Söhne über den andern, ihr tödliche Angst verursache; sie bat mich flehentlich, ich möchte mehr den Frieden suchen als nach Rache streben. Der König bereue die Beleidigung, die er mir angetan, sie habe ihn Tränen darüber vergießen sehen, und er würde mir jede Genugtuung geben, die ich verlange. Darauf erwiderte ich, wie ich nie mein eigenes Wohl dem Wohl meiner Brüder und des Staates vorziehe, für dessen Ruhe und Frieden ich mich gerne aufopfern wollte; ich wünschte nichts so sehr als einen guten Frieden und würde alles, was in meinem Vermögen stehe, dazu verwenden. Hierauf kam der König hinein, verschwendete unendlich viele schöne Worte und schwor mir seine Freundschaft, da er sah, daß ich weder mit Worten noch Gebärden irgend einen Verdruß über die Beleidigung, die mir widerfahren, merken ließ; ich tat es aber mehr aus Verachtung der Beleidigung als um seiner Zufriedenheit willen.

Die Zeit meiner Gefangenschaft hatte ich genützt, viel zu studieren, woran ich damals anfing einen Gefallen zu finden; dies verdankte ich aber nicht etwa dem Zufall, sondern vielmehr der göttlichen Vorsehung, die damals anfing mich mit einem so trefflichen Mittel zu beschenken, womit ich mich in dem vielen Unglück, das mir bereitet war, immer zu trösten wußte. Auch war diese Liebe zu den Studien der Weg zur wahren Andacht für mich, indem ich in dem schönen großen Buche der Natur die Wunder ihres Schöpfers zu verstehen anfing. Jede schöne Seele, welche in diesen Kenntnissen nur eine Leiter sieht, deren höchste Stufe Gott ist, wird entzückt in der Anbetung des wundervollen Lichts und in dem Geheimnis des unbegreiflichen Wesens sich verlieren; sie weiß nichts Erfreulicheres als jener Kette Homers zu folgen, diesem freudigen Inbegriff aller Wissenschaften, die von Gott selber, dem Ursprung und dem Ende aller Dinge, ausgeht und wieder zurückkehrt. Die Traurigkeit, entgegengesetzt der Freude, welche den Gedanken unsrer Handlungen immer außer uns selber sucht und setzt, weckt unsre Seele in uns, so daß sie alle ihre Kräfte sammelt, um das Böse auszustoßen und das Gute in sich aufzunehmen, immer und unaufhörlich wieder daran denkt, sich das höchste Gut zu erwählen, in welchem sie mit Sicherheit die Ruhe findet; diese Traurigkeit verschafft uns gute Anlagen, um zur Erkenntnis der Liebe zu Gott zu gelangen. Der Traurigkeit und der Einsamkeit meiner Gefangenschaft verdanke ich das Gute, gern zu studieren und mich der Andacht ergeben zu können, welches ich in dem Glanz und der Eitelkeit meines Glücks weder kannte noch zu schätzen verstand. Da nun der König, wie gesagt, kein Zeichen des Mißvergnügens an mir wahrnehmen konnte, sagte er mir: die Königin Mutter ginge zu meinem Bruder nach der Champagne, um den Frieden zu unterhandeln; er bäte mich, sie zu begleiten und ihr alle guten Dienste, die ich vermöchte, zu leisten; er wüßte wohl, daß mein Bruder mehr Vertrauen in mich als in jeden andern setze; was also Gutes aus dieser Reise entstände, würde er mir verdanken und sollte allein zu meiner Ehre gereichen. Ich versprach ihm, was ich zu leisten auch gesonnen war; denn ich wußte, daß es das Wohl meines Bruders und des Staates beförderte, wenn ich ihn zufrieden stellte.

Die Königin Mutter reiste mit mir nach Sens; die Konferenz sollte eine Stunde von da, bei einem Edelmanne statthaben. Den andern Morgen begaben wir uns an den bestimmten Ort; hier fanden wir meinen Bruder, begleitet von einigen Truppen und von den vornehmsten Herrn und Anführern der Katholiken und Hugenotten, bei seiner Armee; unter diesen war der Herzog Casimir und der Oberste, der, auf Vermittlung der Protestanten meinem Bruder um des Königs, meines Gemahls, willen, sechs tausend Reiter zugeführt hatte.

Einige Tage wurden mit den Friedensunterhandlungen zugebracht, weil es über verschiedene Artikel Streit gab, vorzüglich wegen der Protestanten, denen man vorteilhaftere Bedingungen einräumte als man ihnen zu halten willens war, wie man nachher wohl einsah; die Königin Mutter tat nur alles, um den Frieden zu haben, die Reiter zurück schicken und meinen Bruder von den Leuten losmachen zu können, von denen er selbst nicht wenig Lust hatte sich zu trennen, weil er immer ein sehr guter Katholik gewesen und sich der Hugenotten bloß in der Not bedient hatte. Bei diesem Friedensschluß erhielt mein Bruder seinen Anteil nach seinem Stande, worin, wie er verlangte, der meinige mit begriffen sein sollte; Herr von Beauvais, sein Abgeordneter, drang sehr darauf, daß man mir eine Verschreibung meiner Mitgift in Ländereien ausfertige; die Königin Mutter bat mich aber, es nicht zuzugeben, und versicherte mich, ich würde alles, was ich verlangte, vom Könige erhalten. Ich bat also meinen Bruder, das, was meine Angelegenheiten beträfe, nur herauszulassen, ich wollte lieber, was der König und die Königin Mutter mir geben würden, als ein freiwilliges Geschenk ansehen, dann wäre es mir um desto gewisser.

Der Frieden war geschlossen, die Sicherheiten von beiden Seiten gegeben, und die Königin Mutter bereitete sich zur Rückreise, als ich Briefe vom Könige, meinem Gemahl, erhielt, in denen er mir seine Begierde, mich wieder zu sehen, bezeigte, und mich bat, Urlaub zu nehmen und zu ihm zu reisen, sobald der Frieden geschlossen sein würde. Die Königin Mutter versagte mir den Urlaub und suchte mich durch alle ersinnliche Überredungen von diesem Vorhaben abzubringen. Sie sagte: damals als ich nach der St. Barthelemy ihren Vorschlag, meine Ehe zu trennen, nicht annehmen wollte, hätte ich ihren Beifall gehabt, weil mein Gemahl damals den katholischen Glauben angenommen hatte; nun er aber wieder zu den Hugenotten übergegangen sei, könnte sie es nicht zugeben, daß ich mich wieder mit ihm vereinige. Da ich nun aber nicht abließ, Urlaub zu begehren, sagte sie mir mit Tränen in den Augen, daß ich sie ins Verderben stürze, wenn ich nicht mit ihr zurück ginge, sie hätte es dem Könige versprochen, mich zurück zu bringen und mich dahin zu vermögen, daß ich bis zur Zurückkunft meines Bruders dort bliebe: sobald dieser wieder am Hofe sein würde, sollte ich sicher Urlaub haben. Wir kehrten wieder nach Paris zurück; der König war mit dem Frieden sehr vergnügt, doch gefielen ihm die vorteilhaften Bedingungen der Hugenotten nicht, und er war willens, unter irgend einem Vorwand den Krieg wieder mit ihnen anzufangen, sobald er nur erst meinen Bruder wieder an seinem Hofe haben würde, damit sie das, was man ihnen wider Willen zugestanden, nicht länger genießen möchten, bis er wieder von ihnen los sei. Er blieb noch einige Monate zurück und verabschiedete die Reiter nebst den übrigen, dann kam er mit dem ganzen katholischen Adel an den Hof. Der König empfing sie ehrenvoll, bezeugte seine Zufriedenheit, sie wieder zu sehen, und war auch freundlich gegen Bussy, denn Guast war tot; Gottes Gericht hatte ihn getötet, da er eben eine Schweißkur brauchte; von allen Lastern verdorben, war sein Leib lange vor seinem Tode schon der Fäulnis, sowie seine Seele den Teufeln überlassen, denen er durch Zauberei und alle Bosheiten ergeben war. Da dieses Werkzeug des Hasses und der Zwietracht erst aus der Welt war, und der König auf nichts sann, als die Hugenotten zu verderben, sich meines Bruders gegen sie bedienen wollte, damit dieser sich nicht wieder mit ihnen aussöhnen könnte; dann aber befürchtete, daß ich zum Könige, meinem Gemahl, gehen würde, bezeigte er uns alle erdenkliche Freundlichkeit und schmeichelte uns auf alle Weise, damit es uns nur an seinem Hof gefallen möchte. Zu gleicher Zeit kam Herr von Duras vom Könige, meinem Gemahl, um mich abzuholen; ich drang also sehr in ihn, mich fort zu lassen; da er mir nun den Urlaub nicht länger versagen konnte, versicherte er mir, es geschähe bloß aus Liebe zu mir, er sei überzeugt, ich sei die größte Zierde seines Hofes, er könne mir also die Erlaubnis abzureisen nur so spät als möglich gewähren; er wolle mich nach Poitiers begleiten; und mit dieser Versicherung schickte er Herrn von Duras zurück. Er verzog aber danach einige Tage in Paris, schob es immer auf, mir meinen Urlaub offen zu versagen, bis er imstande war den Hugenotten, folglich auch dem Könige, meinem Gemahl, den Krieg zu erklären. Zum Vorwande dazu ward ein Gerücht verbreitet, als beklagten sich die Katholiken über die vorteilhaften Bedingungen, die den Hugenotten beim Frieden von Sens waren eingeräumt worden; das Murren und die Unzufriedenheit der Katholiken ging so weit, daß sie an den Hof kamen, um sich zu verbünden; nach den Provinzen und den Städten sich anwerben ließen, sich unterzeichneten und viel Geräusch machten, (mit stillschweigendem Mitwissen des Königs) auch den Herzog von Guise zum Anführer verlangten. Man sprach von nichts als von dieser Ligue bei Hofe und von Paris bis nach Blois, wo der König die Stände zusammen berufen hatte. Eh sie eröffnet wurden, rief der König meinen Bruder in sein Kabinett, wo sich die Königin Mutter und einige Herrn aus dem Staatsrat befanden. Er stellte ihnen vor, von welcher Wichtigkeit diese Ligue der Katholischen für sein Ansehen und für den Staat sei, wenn sie so weit gehen sollten, sich Häupter zu erwählen und die Guisen dazu ausersähen. Ihn und meinen Bruder beträfe dies am allermeisten; die Katholiken hätten recht sich zu beklagen, Pflicht und Gewissen geböten ihm, eher die Hugenotten als die Katholiken mißvergnügt zu machen; er bat und beschwor also meinen Bruder als einen Sohn Frankreichs und guten Katholiken, daß er ihm rate und beistehe, wo es auf seine Krone und auf die katholische Religion ankäme. Dann fügte er noch hinzu: es dünke ihm gut, um dieser gefährlichen Ligue den Weg abzuschneiden, müsse man sich selber zum Oberhaupt derselben machen! Um nun seinen Eifer für den Glauben an den Tag zu legen, und jene zu verhindern, daß sie sich nicht einen andern Anführer wählten, wollte er selber sich als Chef unterzeichnen, alsdann sollte mein Bruder es tun, und nach ihm alle Fürsten und Herren sowie jeder, der in seinem Königreiche eine Würde bekleidete. Mein Bruder konnte hierauf nichts tun als seine Dienste, die er Sr. Majestät und der Aufrechthaltung des katholischen Glaubens schuldig war, anzubieten. Sobald der König sich meines Bruders versichert hatte, welches der eigentliche listige Zweck der Ligue war, ließ er alle Prinzen und Herrn seines Hofes zusammen berufen, ließ sich die Liste der Ligue bringen, unterzeichnete zuerst als Chef, hierauf folgte mein Bruder und die übrigen, die bis dahin noch nicht unterzeichnet hatten. Des andern Tages wurden die Stände eröffnet; nach dem Gutachten der Herrn Bischöfe von Lyon, von Ambrun und von Vienne und der andern am Hofe befindlichen Prälaten konnte, dem Krönungseid des Königs zufolge, kein Eid gültig sein, den er den Ketzern geleistet; jener Krönungseid erließ ihm von selbst die den Hugenotten gegebenen Versprechungen; dieses ward bei Eröffnung der Stände vorgetragen, den Hugenotten der Krieg erklärt, und Genissac, der Hugenotte, der seit wenig Tagen, als Abgeordneter des Königs, meines Gemahls, zugegen war, um meine Abreise zu beschleunigen, mit harten Drohworten zurück geschickt; der König ließ meinem Gemahl durch Genissac sagen: er habe seine Schwester einem Katholiken, und nicht einem Hugenotten gegeben, wenn der König, mein Gemahl, mich wieder haben wollte, müsse er die katholische Religion wieder annehmen.

Alle Kriegszurüstungen wurden gemacht, bei Hofe ward von nichts als vom Kriege geredet, und um meinen Bruder unwiderruflich von den Hugenotten zu trennen, machte ihn der König zum General einer Armee. Da Genissac zu mir kam und mir den harten Bescheid des Königs meldete, ging ich sogleich in das Kabinett der Königin Mutter, wo ich den König fand. Ich beklagte mich gegen ihn, daß er mich so lange getäuscht; er habe beständig mich verhindert, zum Könige, meinem Gemahl, zu gehen, indem er sich gestellt, als ginge er von Paris, um mich bis Poitiers zu begleiten, und doch habe er die entgegengesetzte Absicht. Ich stellte ihm vor, wie ich mich weder zu meiner Zufriedenheit, noch nach meinem Willen vermählt habe, sondern es wäre der Wille des König Karls, meines Bruders, der Königin Mutter und sein eigner so gewesen; nun sie mir aber einen Gemahl gegeben, könnten sie mich nicht abhalten, seinem Schicksale zu folgen; ich wollte es und würde, wofern sie mir die Erlaubnis dazu verweigerten, mich heimlich davonmachen und komme es, wie es wolle, zum Könige, meinem Gemahl, gehen, wenn auch mit Gefahr meines Lebens! Darauf antwortete mir der König: »Schwester, es ist nun nicht mehr die Zeit, mich mit diesem Urlaub zu quälen. Ich gestehe es, ich habe ihn nur darum immer aufgeschoben, um ihn zuletzt ganz versagen zu können; denn seitdem der König von Navarra wieder hugenottisch geworden, kann ich es durchaus nicht gut finden, daß Ihr zu ihm gehet. Was wir in dieser Sache tun, die Königin Mutter und ich, geschieht zu Eurem Besten. Ich will den Hugenotten den Krieg machen, und diese elende Religion durchaus vertilgen, die uns soviel Übels zufügt. Daß nun Ihr, eine Katholikin, meine Schwester, als eine Geisel in ihren Händen bleibt, wäre sehr unschicklich, und wer weiß, ob sie nicht mir zur unauslöschlichen Schmach an Eurem Leben den Schaden rächen würden, den ich ihnen zuzufügen gesonnen bin! Nein, nein, Ihr sollt nicht hingehen! Und wenn Ihr heimlich Euch davonmachet, wie Ihr eben sagtet, so dürft Ihr nur darauf rechnen, mich und die Königin Mutter als Eure unversöhnlichsten Feinde zu sehen, und daß wir unsre Feindseligkeit, so viel wir vermögen, ausüben, und Ihr dadurch die Lage Eures Gemahls eher verschlimmern als verbessern werdet.« Ich entfernte mich, äußerst mißvergnügt über diesen grausamen Ausspruch. Meine Freunde und Freundinnen und die Ersten des Hofes, deren Rat ich verlangte, stellten mir vor, daß es gar nicht schicklich für mich sein würde, an einem gegen den König, meinen Gemahl, feindlichen Hof zu leben, von dem aus man ihm den Krieg machen werde. Sie rieten mir, mich während dieses Krieges vom Hofe zu entfernen; es würde sogar ehrenvoller für mich sein, wenn ich einen Vorwand finden könnte, Frankreich zu verlassen, es sei zu einer Wallfahrt, oder um einen meiner Anverwandten zu besuchen. Die Prinzessin von la Roche sur Yon war unter denen, die ich um Rat fragte; diese wollte eben zu den Bädern nach Spa reisen. Mein Bruder war auch zugegen, er hatte Mondoucet mit eingeführt, der Agent des Königs in Flandern gewesen und kürzlich von da zurückgekommen war. Er hatte dem Könige vorgestellt, wie die Flamänder mit Unwillen die Usurpation des Spaniers gegen die Gesetze von Flandern an der Oberherrschaft und Verwaltung von Frankreich litten; wie verschiedene Herren und Bürgerschaften ihm zu verstehen gegeben haben, daß sie im Herzen gut französisch seien, und daß alles die Hände nach dem Könige von Frankreich ausstreckte. Da nun aber Mondoucet sah, daß der König seinen Wink nicht achtete, weil er nichts im Kopfe hatte als die Hugenotten, die er es fühlen lassen wollte, daß sie ihn beleidigt, indem sie meinem Bruder gegen ihn beistanden, sprach er nicht weiter mit ihm davon und wandte sich zu meinem Bruder, der mit einem wahrhaft fürstlichen Sinn keine andre als kühne, gefahrvolle Unternehmungen liebte, der mehr zum Erobern als zum Erhalten geschaffen war; dieser ging sogleich ein in diese Unternehmung, die ihn um so besser dünkte, weil keine Ungerechtigkeit darin lag, da er nur für Frankreich wieder erobern wollte, was der Spanier usurpiert hatte. Mondoucet war deshalb in den Dienst meines Bruders getreten, und dieser schickte ihn nach Flandern zurück, unter dem Vorwande, die Prinzessin la Roche sur Yon nach den Bädern von Spa zu begleiten. Da nun jeder nach einem Vorwande suchte, mich während des Krieges aus Frankreich zu schaffen, – der eine sagte, nach Lothringen, einer nach Savoyen, einer nach St. Claude, einer nach Unsrer lieben Frau zu Loretto, – sagte Mondoucet leise zu meinem Bruder: »Wenn die Königin von Navarra irgend eine Unpäßlichkeit vorschützen könnte, zu der die Bäder in Spa ratsam wären, wo die Prinzessin von la Roche sur Yon hinreisen will, das könnte für Eure Unternehmung auf Flandern von großem Nutzen sein!« Mein Bruder fand diesen Vorschlag gleich sehr gut und rief voller Freude: »O Königin, sucht nicht länger, Ihr müßt nach den Bädern von Spa mit der Prinzessin von la Roche sur Yon. Ich habe bemerkt daß Ihr oft die Rose am Arm habt; sagt nur, die Ärzte hätten es Euch schon damals verordnet, die Jahreszeit war aber damals nicht gut dazu; jetzt wäre es die Jahreszeit zu den Bädern, und Ihr bittet darum den König, Euch nun die Reise nach Spa zu erlauben.« Er erklärte sich weiter nicht vor dieser Versammlung, warum er es eigentlich wünsche, weil der Kardinal von Bourbon dabei war, den er für spanisch und für guisisch hielt; ich aber verstand es sogleich, daß es wegen der flandrischen Unternehmung geschähe, von welcher Mondoucet mit uns beiden gesprochen. Die ganze Versammlung war damit zufrieden, und die Prinzessin la Roche sur Yon, die mich sehr liebte, freute sich ungemein darüber; sie versprach mir, sich mit mir zu gleicher Zeit bei der Königin Mutter einzufinden, wenn ich mit ihr davon sprechen würde, um sie dazu zu bereden. Den andern Morgen fand ich die Königin Mutter, und ich stellte ihr vor, wie groß mein Mißvergnügen sei, den König, meinen Gemahl, im Kriege gegen den König begriffen und mich von ihm entfernt zu sehen. Es würde, so lange dieser Krieg dauere, weder ehrenvoll noch schicklich für mich sein, am Hof zu leben. Ich müßte, wenn ich bliebe, eins von den beiden Übeln erleiden, daß entweder der König, mein Gemahl, glaube, ich täte es zu meinem Vergnügen, und ich diente ihm nicht, wie ich sollte; oder daß der König Argwohn gegen mich fasse und glaube, ich entdecke alles dem Könige, meinem Gemahl. Beides wäre sehr unglücklich für mich. Sie möchte es daher doch für gut finden, daß ich mich vom Hofe entferne, um dem auszuweichen. Die Ärzte haben mir vor einiger Zeit die Bäder von Spa verordnet, wegen der Rose am Arm, ein Zufall, dem ich so oft ausgesetzt sei. Es wäre grade die Jahreszeit zu den Bädern, die Reise wäre mit ihrem Gutachten sehr schicklich, um mich in diesem Augenblick nicht allein vom Hofe, sondern auch aus Frankreich zu entfernen, um dem Könige, meinem Gemahl, zu erkennen zu geben, daß, da ich wegen des Argwohns des Königs nicht mit ihm sein könnte, ich doch auch nicht an dem Orte sein möchte, wo man Krieg gegen ihn führt. Ich hoffte, sie würde mit ihrer Einsicht die Dinge mit der Zeit so ordnen, daß der König, mein Gemahl, den Frieden und die Gnade des Königs wieder erhielte. Diese glückliche Nachricht wollte ich abwarten und dann wieder um Urlaub, zum Könige, meinem Gemahl, mich begeben zu dürfen, anhalten. Die Prinzessin la Roche sur Yon, die hier zugegen wäre, wollte mich auf der Reise nach Spa begleiten.

Die Königin Mutter billigte meinen Vorschlag, und sagte, sie wäre sehr froh, daß ich diese Maßregel ergriffen; sie habe großen Ärger über den schlechten Rat, den jene Bischöfe dem Könige gegeben, sein Wort nicht zu halten, und alles, was sie in seinem Namen versprochen und bedungen, zu vernichten; sie habe aus mehr als einer Rücksicht großen Verdruß davon; daß sie sehen müsse, wie dieser reißende Strom die besten Diener des Königs mit sich fort zöge und verderbe; denn der König hatte vier oder fünf der ältesten und angesehensten Männer aus dem Staatsrate entfernt. Was ihr aber am meisten im Sinn läge, sei eben das, was ich ihr soeben vorgestellt; daß ich nämlich immer auf eine Art unglücklich sein würde, wenn ich am Hofe lebte. Sie beredete den König, mich nach Spa reisen zu lassen; der König sprach ohne Zorn mit mir darüber und war nur zufrieden, daß ich nicht zum Könige, meinem Gemahl, reisen wollte, den er über alles haßte. Er befahl sogleich, einen Kurier an Dom Juan von Österreich zu schicken, der für den König von Spanien in Flandern regierte, ihn um die nötigen Pässe zu bitten, um frei durch die Länder reisen zu dürfen, die unter seiner Botmäßigkeit lagen; man mußte durch einen großen Teil von Flandern, um nach Spa zu kommen, welches in den Ländern des Bistums Lüttich liegt. Nach wenigen Tagen, die mein Bruder dazu anwendete, mich zu unterrichten, was ich für seine flandrische Unternehmung für ihn zu tun habe, trennten wir uns allesamt. Der König und die Königin Mutter gingen nach Poitiers, um der Armee des Herrn von Mayenne, der Brenage belagerte, näher zu sein, von da sollte diese Armee nach der Gascogne gegen den König, meinen Gemahl; mein Bruder mit seiner Armee, um Issoire und die andern Plätze zu belagern, die er alle damals einnahm; und ich nach Flandern, begleitet von der Prinzessin la Roche sur Yon, meiner Oberhofmeisterin Frau von Tournon, Frau von Mouy aus der Picardie, Frau von Castelaine von Millon, Fräulein von Atrie, Fräulein von Tournon und von sieben oder acht andern Damen. Die Männer in meiner Begleitung waren: der Kardinal von Lenoncourt, der Bischof von Langres, Herr von Mouy von Picardie, jetziger Schwiegervater eines Bruders der Königin Louise, Graf von Chaligny genannt, mein erster Haushofmeister, meine Stallmeister und andre Edelleute meines Hauses. Diese Versammlung gefiel in der Fremde allgemein sehr wohl, und die Fremden bewunderten sie und bekamen viel Achtung für Frankreich durch sie. Ich reiste in einer Sänfte mit Säulen, mit inkarnatfarbnem Sammet ausgeschlagen, der reich mit Gold und mit vielen seidnen Devisen gestickt war; die großen Fensterscheiben waren ebenfalls ganz mit sinnreichen Devisen bemalt; es waren wohl vierzig verschiedene Devisen auf die Sonne und ihre Wirkungen mit den Auflösungen in spanischer und italienischer Sprache. Meiner Sänfte folgte die der Prinzessin la Roche sur Yon und die der Frau von Tournon, meiner Oberhofmeisterin; diesen folgten zehn junge Damen mit ihrer Hofmeisterin zu Pferde und sechs Wagen, worin sich die übrigen Damen und Fräulein befanden.

Ich kam durch die Picardie, wo die Städte Befehl vom Könige hatten, mich nach Würden als seine Schwester zu empfangen, welches sie auch so ehrenvoll, als ich nur verlangen konnte, ausführten.

In Castelet, einer Festung drei Stunden von der Grenze von Cambresis, welches damals der Kirche zugehörte und unabhängig war und den König von Spanien bloß als Protektor anerkannte, sandte der Bischof von Cambray mir einen Edelmann entgegen, der sich erkundigte, wann ich von Castelet abreisen würde, damit der Bischof mir bis an die Grenze seines Landes entgegen kommen könnte. Ich fand ihn wirklich daselbst, in schöner Begleitung von vielen Frauen, welche die Kleidung und das ganze Ansehen von wahren Flamändern hatten, denn die Leute in diesem Lande sind sehr stark und dick. Der Bischof war aus dem Hause von Barlemont, einem der vornehmsten in Flandern, die aber ein spanisches Herz hatten, wie sie es auch gezeigt haben, da sie dem Juan am meisten beistanden. Er unterließ nicht, mich mit vielen Ehrenbezeugungen und nicht weniger spanischem Zeremoniell zu empfangen. Ich fand diese Stadt Cambray, obgleich nicht mit so guten Materialien erbaut als die französischen, dennoch angenehmer, weil die Straßen und Plätze eine viel bessere Proportion haben und weit besser angelegt sind; die großen sehr schönen Kirchen sind eine allgemeine Zierde aller flandrischen Städte. Was ich in Cambray am merkwürdigsten und schätzbarsten fand, war die Zitadelle, die schönste und vollendetste der Christenheit; wie sie es in der Folge, als mein Bruder sie inne hatte, den Spaniern wohl fühlen ließ. Ein rechtschaffner Mann, mit Namen Herr von Ainsi, war zu der Zeit Gouverneur darin. Herr von Ainsi war von Anstand und Bildung, und an allem, was einem vollkommen wohlerzognen Mann ziemt, unsern vorzüglichsten Hofleuten gleich, und er hatte ganz und gar nichts von dem rohen Wesen an sich, das den Flamändern natürlich zu sein scheint. Der Bischof gab uns eine Mahlzeit, und nach dem Nachtessen verschaffte er uns das Vergnügen eines Balls, zu welchem er alle Damen der Stadt eingeladen hatte. Da er selber sich nicht dabei einfand, sondern sich gleich nach dem Nachtessen wegbegeben hatte, denn er war, wie gesagt, von zeremoniellem, spanischem Gemüt, so ließ er Herrn von Ainsi, als den ansehnlichsten der Gesellschaft zurück, mich während des Balls zu unterhalten und mich nachher zur Kollation zu führen; mich dünkt, es war sehr unvorsichtig, da ihm die Zitadelle aufgetragen war. Ich rede nach der Erfahrung, die ich auf meine Unkosten gemacht habe, davon, wie man sich betragen muß, wenn man den Auftrag hat, eine Festung zu bewachen, – ich habe es mehr, als es mir lieb ist, erfahren.

Das Andenken an meinen Bruder verließ mich keinen Augenblick, denn er war mir über alles lieb und wert. Da ich mich nun der Vorschriften, die er mir gegeben, erinnerte, sah ich ein, daß dies eine sehr schöne Gelegenheit zu einem Dienst in den flandrischen Angelegenheiten sei. Diese Stadt Cambray war gleichsam der Schlüssel zu Flandern; ich ließ sie daher nicht ungenützt vorübergehen und wandte allen Verstand, den Gott mir gegeben, dazu an, Herrn von Ainsi für Frankreich und für meinen Bruder geneigt zu machen. Gott gab, daß es mir gelang. Herrn von Ainsi gefielen meine Reden; er beschloß, so lange als möglich bei mir zu sein, und mich zu begleiten, solange ich in Flandern sein würde. Er forderte Urlaub bei seinem Oberherrn, um mich bis Namur begleiten zu dürfen, wo Dom Juan von Österreich mich erwartete, und gab vor, er wünsche die Feierlichkeiten dieses Empfangs zu sehen. Der hispanisierte Flamänder war so unklug, ihm Urlaub zu geben. Während dieser Reise, die zehn bis zwölf Tage dauerte, redete er so oft mit mir als es anging. Er entdeckte mir offen sein ganz französisches Herz; daß er sich sehne, einen so hohen Prinzen als meinen Bruder zum Herrn und Meister zu haben, und daß er die Unterwürfigkeit gegen seinen Bischof und dessen Oberherrschaft verachte, der zwar ein Regent, aber doch nur ein Edelmann war, wie Herr von Ainsi selber, und ihm an Eigenschaften des Geistes und des Körpers sehr untergeordnet.

Von Cambray aus hielt ich Nachtlager in Valenciennes; ein flandrisches Land, wo Graf von Lalain, sein Bruder, Herr von Montigny, und eine Menge andrer Edelleute, zwei bis drei hundert an der Zahl, mir entgegen kamen, um mich am Ausgang der Länder von Cambresis, so weit der Bischof von Cambray mich begleitet hatte, zu empfangen. Valenciennes steht an Macht zwar Cambray nach, aber nicht an der Zierde der schönen Plätze und schönen Kirchen. Die Springbrunnen und die Uhren, welche mit dem, den Deutschen eignen Kunstfleiß gemacht waren, veranlaßten bei unsern Franzosen keine geringe Bewunderung; denn sie hatten vorher nie gehört, wie Uhren mit verschiednen Stimmen eine angenehme Musik aufführen, wie von eben so viel Personen, wie es jetzt in dem kleinen Schloß, in der Vorstadt St. Germain, zu hören ist. Die Stadt stand unter dem Gouvernement des Grafen Lalain, er bewirtete daselbst die Herrn und Edelleute aus meinem Gefolge; die Damen aber zu bewirten, verschob er bis Mons, wo seine Gemahlin, seine Schwägerin Frau von Avrec, nebst den vorzüglichsten, artigsten Damen mich erwarteten; der Graf und sein Gefolge führten mich den andern Tag ihnen zu. Er nannte sich einen Anverwandten des Königs, meines Gemahls, und war ein Mann von großem Ansehen und Macht; die spanische Herrschaft war ihm beständig verhaßt gewesen wegen der Hinrichtung des Grafen Egmont, seines nahen Verwandten; obgleich er sein Gouvernement erhalten hatte, ohne sich in das Bündnis des Prinzen von Oranien oder der Hugenotten eingelassen zu haben, weil er ein eifriger Katholik war, so wollte er doch weder Dom Juan jemals sehen, noch erlauben, daß er, oder irgend einer von der spanischen Partei, in die Länder seines Gouvernements komme. Dom Juan durfte ihn nie mit Gewalt dazu zwingen, weil er fürchtete, es möchten sich, wenn er angriffe, die verbündeten Katholiken in Flandern, welche man die vereinigten Staaten nennet, mit denen des Prinzen von Oranien und der Hugenotten vereinigen, welches seitdem auch diejenigen wohl erfahren haben, die für den König von Spanien waren. Graf Lalain konnte mir also bei seiner Art zu denken nicht genug seine Freude über meine Gegenwart bezeigen; er hätte seinem natürlichen Herrn und Fürsten nicht mehr Ehre, mehr Freude und Zuneigung erweisen können. Als ich zu Mons in dem Hause des Grafen ankam, wo man mir eine Wohnung bestimmt hatte, fand ich seine Gemahlin auf dem Vorhofe mit wohl achtzig oder hundert Damen aus der Stadt und des Landes, von denen ich empfangen wurde, nicht wie eine fremde, sondern wie ihre regierende Fürstin. Die Flamänderinnen sind von Natur zutraulich, freundlich und fröhlich; und da die Gräfin Lalain mit dieser Gemütsart vielen und erhabenen Verstand vereinigte, (sie war sowohl hierin als nicht weniger von Ansehen und Betragen ihrer Cousine sehr ähnlich,) so war ich gleich gewiß, mit ihr eine recht genaue Freundschaft stiften zu können; diese Freundschaft war für die Absichten meines Bruders sehr günstig, denn sie hatte großen Einfluß auf ihren Gemahl und vermochte alles über ihn.

Zur Zeit des Nachtessens hatten wir ein großes Gastmahl und nachher Ball; solange ich in Mons blieb, war es alle Tage so, und ich blieb länger dort, als ich erst wollte; denn ich war erst willens, den andern Morgen wieder abzureisen, aber diese artige Frau beredete mich, eine ganze Woche bei ihnen zuzubringen; anfangs wollte ich es nicht, aus Besorgnis ihnen beschwerlich zu sein, aber weder sie noch ihr Gemahl hörten auf, deshalb in mich zu dringen, bis ich endlich nachgab; und auch am Ende der Woche ließen sie mich ungern fort. Ich lebte in großer Vertraulichkeit mit der Gräfin Lalain; sie blieb bei mir, wenn ich mich zu Bette legte, in später Nacht, und wäre gern immer länger geblieben; dies ist von einer Dame ihres Standes etwas Außerordentliches und zeigt eine überaus große Güte des Herzens und ein ungezwungenes natürliches Wesen an. Sie säugte auch ihren kleinen Sohn selber; als sie den andern Tag, bei der Mittagstafel, neben mir saß, wo man in diesem Lande sich mit der größten Freimütigkeit mitzuteilen pflegt, mein ganzer Sinn aber nur darauf gerichtet war, wie ich die Absichten meines Bruders befördern möchte, brachte man ihr ihren kleinen Sohn, damit sie ihm zu trinken gebe. Sie war sehr geputzt, und ganz bedeckt von Schmuck und reicher Stickerei; sie hatte eine spanische Robille an, von Goldstoff mit schwarzem Grunde, worauf Streifen von Stickerei mit goldner und silberner Cantille; ein kleines Wamms von weißem Silberstoff mit goldner Stickerei und mit großen diamantnen Knöpfen zugeknöpft; diesen Anzug fand ich sehr passend für eine säugende Frau. Sie legte das Kind, das auch in sehr reichen Windeln lag, zwischen uns beiden auf die Tafel, knöpfte ganz frei ihr Wamms auf und gab dem Kinde die Brust. Bei einer andern hätte man dies vielleicht unschicklich finden können, sie tat es aber, wie alles was sie tat, mit so viel Anmut und Naivheit, daß sie eben so viel Beifall erhielt als die Gesellschaft Vergnügen. Nach aufgehobener Tafel fing der Ball in demselben Saale an, der sehr groß und schön war. Da wir neben einander saßen, sagte ich ihr: »Obgleich das Vergnügen, welches ich in dieser Gesellschaft fühle, zu den größten gehört, die ich je gekannt, so wünschte ich fast, es nie gekannt zu haben, wegen des Unmuts, wenn ich sie nun verlassen muß mit der Überzeugung, daß das Schicksal uns wohl die Freude, uns wieder zu sehen, versagen wird. Es ist ein Unglück für mich, daß wir dem Himmel nicht ein gemeinschaftliches Vaterland verdanken!« Ich fing dies Gespräch mit ihr an, um sie hinein zu ziehen, weil es den Absichten meines Bruders dienlich war. Sie antwortete mir: »Dies Land war vormals französisch, bei Gericht wird auch die französische Sprache noch gebraucht, und aus den Herzen der meisten unter uns ist die natürliche Neigung zu Frankreich nicht gewichen. Ich wenigstens trage nichts so sehr am Herzen, seitdem ich Euch zu sehen das Glück habe. Ehedem waren wir dem Hause Österreich zugetan; seit der Hinrichtung der Grafen Egmont, Horn, des Barons Montigny und der andern damals hingerichteten Herrn, die alle unsre nahen Anverwandten und verwandt mit dem größten Teil des Adels dieses Landes waren, ist uns nichts so sehr verhaßt als diese spanische Herrschaft, und wir wünschen eifrig, uns von ihrer Tyrannei zu befreien. Wir wissen es aber noch nicht anzufangen, denn das Land ist uneinig, wegen der verschiedenen Religionsparteien. Wären wir vereint, wir hätten die Spanier bald hinausgetrieben, so einzeln aber sind wir nicht mächtig genug. Wollte Gott, es gefiele dem Könige von Frankreich, Eurem Bruder, das Land wieder zu erobern, das von alters her schon sein ist! Mit offnen Armen würden wir ihn empfangen!« Sie sagte das zwar wie aus dem Stegreif, aber es war wohl vorher bedacht, Hilfe bei Frankreich zu suchen. Da ich nun so den Weg zu meinen Absichten gebahnt fand, sagte ich ihr: »Mein Bruder, der König von Frankreich, ist nicht gesonnen, einen Krieg in der Fremde zu unternehmen, da er in seinem eignen Reich den Krieg mit den Hugenotten führt, er ist also an jeder auswärtigen Unternehmung verhindert. Aber mein Bruder, der Herzog von Alençon, der an Tapferkeit, Einsicht und Gütigkeit keinem meiner königlichen Ahnen und Brüder etwas nachgibt, könnte sich eher zu dieser Unternehmung verstehen, und er besitzt nicht weniger Mittel euch zu helfen als mein Bruder, der König von Frankreich. Er ist in den Waffen erzogen und als einer der besten Heerführer unsrer Zeit geschätzt. Er kommandiert auch in diesem Augenblick eine Armee des Königs gegen die Hugenotten; seitdem ich weg bin, hat er eine sehr starke Festung Issoire und noch einige andre eingenommen. Keinen andren Fürsten könntet ihr zur Hilfe rufen, der euch so nützlich wäre, denn er ist euch benachbart, und das große Frankreich steht ihm zu Gebote, woher er alle Mittel und Kriegsbedürfnisse mit Leichtigkeit ziehen kann. Seid versichert, wenn der Graf, Euer Gemahl, ihm diese Gefälligkeit erzeigt, daß er jeden Teil an seinem Glücke nehmen soll, den er selber nur verlangt; denn mein Bruder ist sanft, nicht undankbar, und nichts ist ihm angenehmer, als für einen guten Dienst oder eine Gefälligkeit erkenntlich sein zu können. Er liebt und verehrt die tapfern und ehrliebenden Männer; auch sind die Besten Frankreichs in seinem Dienste. Man wird, glaube ich, in Frankreich bald einen Frieden mit den Hugenotten machen, es ist möglich, daß ich ihn bei meiner Zurückkunft schon geschlossen finde; ist nun der Graf, Euer Gemahl, mit Euch gleichen Sinnes, so berichte er mir, ob ich meinen Bruder dazu bewegen soll; ich bin gewiß, dies Land, und vorzüglich Euer Haus, wird sich sehr wohl dabei befinden. Erhält mein Bruder durch Eure Vermittlung die Oberherrschaft des Landes, so werdet Ihr mich sicher sehr oft hier sehen; denn die Liebe zwischen uns beiden ist so groß, als sie nur immer zwischen Bruder und Schwester stattfinden kann.«

Sie bezeigte mir ihre Zufriedenheit über diese Eröffnung und sagte, sie hätte nicht bloß von ungefähr so zu mir geredet; sondern, da sie sich mit meiner Liebe beehrt gesehen, hätte sie beschlossen, mich nicht fortreisen zu lassen, ohne mir ihre Lage zu entdecken und ohne mich zu bitten, daß ich ihnen von Seiten Frankreichs Hilfe schaffe, um sie von der Furcht zu befreien, sich entweder in ewige Kriege verwickelt oder unter der spanischen Tyrannei gebeugt zu sehen. Sie bat mich hierauf um Erlaubnis, ihrem Gemahle alles mitteilen zu dürfen, was wir zusammen gesprochen, damit sie beide den andern Tag das weitere mit mir verabreden könnten; worin ich natürlich gleich willigte. Wir brachten den ganzen Nachmittag mit dergleichen Gesprächen zu, die ich zu meinen Absichten dienlich glaubte, woran sie auch viel Vergnügen fand. Nach geendigtem Ball gingen wir in die Vesper, zu den Stiftsdamen; ein Nonnenorden, den wir in Frankreich nicht haben. Es sind Fräulein, die man als Kinder hineingibt, um sie hernach vorteilhafter zu verheiraten und daselbst bleiben zu lassen, bis sie in dem Alter dazu sind. Sie haben kein gemeinsames Schlafzimmer, sondern abgesonderte Häuser, jedoch alle in demselben Bezirk, wie die Stiftsherren. In jedem Hause wohnen drei, vier, bis sechs junge Fräulein, mit einer Alten; diese sind diejenigen, die nicht geheiratet haben, so wie auch die Äbtissin nicht heiratet. Die Nonnenkleider tragen sie bloß in der Kirche, des Morgens während des Gottesdienstes und nachmittags in der Vesper. Nach geendigtem Gottesdienste kleiden sie sich wieder um, und ziehen sich wie junge Mädchen an und gehen frei, wie die andern, zu den Bällen und Lustbarkeiten; sie kleiden sich folglich viermal täglich um. Sie kamen alle Tage zu uns zum Ball und zum Gastmahl und tanzten gewöhnlich mit.

Der Gräfin Lalain ward die Zeit lang, eh sie mit ihrem Gemahl von dem glücklichen Anfang ihrer Geschäfte reden konnte; sie tat es aber noch in derselben Nacht und führte den Morgen drauf ihren Gemahl zu mir. Dieser hielt mir eine lange Rede über die gerechten Ursachen, die er habe, sich von dem spanischen Joche zu befreien. Er glaubte hiebei nichts gegen seinen rechtmäßigen Fürsten zu unternehmen, denn er wußte, daß die Herrschaft über Flandern dem Könige von Frankreich zukomme. Er zeigte mir die Mittel, die er in Händen hatte, meinem Bruder die Oberherrschaft in Flandern zu verschaffen, denn das ganze Hennegau, welches sich beinah bis an Brüssel erstreckt, war ihm ergeben. Er war nur wegen des Cambresis besorgt, das zwischen Flandern und Hennegau liegt, und meinte, es wäre gut, den Herrn von Ainsi zu gewinnen, der noch bei uns war. Ich wollte es dem Grafen nicht sagen, daß ich schon das Wort des Herrn von Ainsi hatte, sondern bat ihn, sich selber um ihn zu bemühen, er könnte es, als sein Nachbar und sein Freund, füglicher tun als ich. Nachher beschlossen wir, nachdem ich ihm die Versicherung gegeben, wie sehr er auf das Zutrauen und die Liebe meines Bruders rechnen dürfe, an dessen Glück er, seinem ausgezeichneten Verdienst gemäß, allen Anteil nehmen würde; wir beschlossen, daß ich, bei meiner Zurückkunft, mich zu Lafere aufhalten sollte, wo mein Bruder und Herr von Montigny, Bruder des Grafen Lalain, hinkommen und die Sache zusammen verabreden sollten; ich tat alles, um ihn in seinen Vorsätzen zu befestigen, und die Gräfin war nicht weniger tätig dabei als ich.

Den Tag, als ich mich von dieser schönen Gesellschaft zu Mons trennen mußte, waren wir alle, sowohl ich als die flamändischen Damen und besonders die Gräfin Lalain sehr traurig. Sie hatte mir ihre ganze Freundschaft geschenkt, und ich mußte es ihr zusagen, auf der Rückreise wieder durch Mons zu kommen. Ich gab ihr ein Schmuckkästchen, und ihrem Gemahl einen Orden und Ordenskette von Edelsteinen, von großem Wert; jene aber schätzten es mehr, weil es aus den Händen einer Person kam, die sie sehr liebten, als wegen des Werts. Alle Damen blieben dort, nur Frau von Harrach ging mit nach Namur, wo ich übernachtete. Ihr Gemahl und ihr Schwager, der Herzog von Arscot, wohnten daselbst seit dem Frieden zwischen dem Könige von Spanien und den Staaten von Flandern. Obgleich sie zu der flandrischen Partei gehörten, war doch der Herzog von Arscot, zur Zeit als er in Flandern und in England war, einer der allergalantesten Hofleute am Hofe des Königs Philipp; auch gefiel er sich nirgend als an den Höfen und bei den Großen. Graf Lalain und der übrige Adel begleiteten mich, soweit sie konnten, an zwei Stunden weit außerhalb seines Gouvernements und bis man das Gefolge des Dom Juan erblickte; dann nahm er Abschied, denn sie wollten sich, wie gesagt, nicht sehen. Herr von Ainsi allein ging weiter mit, weil sein Herr, der Bischof von Cambray, von der spanischen Partei war. Kurz darauf, nachdem jener schöne Haufe mich verlassen, traf ich Dom Juan von Österreich, begleitet von gewaltig viel Lakaien, aber nur von zwanzig oder dreißigen zu Pferde. Mit ihm waren der Herzog von Arscot, Herr von Harrach, Marquis von Varambon und der junge Balançon, Gouverneur der Grafschaft Burgund, für den König von Spanien; alle diese waren, als höfliche feine Männer, mit Post gekommen, um sich da auf meinem Wege zu finden. Unter den Dienern des Dom Juan war keiner von bedeutendem Namen und Ansehen als ein Ludwig von Gonzaga, der sich für einen Verwandten des Herzogs von Mantua ausgab. Die übrigen waren geringe Leute von schlechtem Ansehen; kein Adliger von Flandern war darunter. Dom Juan stieg vom Pferde, um mich in meiner Sänfte zu begrüßen; sie war ganz offen, und die Vorhänge von allen Seiten aufgezogen. Ich grüßte nach französischer Sitte sowohl ihn als den Herzog von Arscot und Herrn von Harrach. Nach einigen höflichen Worten stieg er wieder zu Pferde und unterhielt sich beständig mit mir, bis wir an die Stadt kamen, welche wir erst sehr spät erreichten, weil die Damen in Mons mich sehr lange aufgehalten hatten. Sogar schon in der Sänfte sitzend, mußte ich dennoch wohl noch eine Stunde ihnen die Devisen alle daran erklären, an welchen sie außerordentlich viel Vergnügen fanden. Es war aber, wie denn die Spanier darin wirklich Meister sind, in Namur alles so schön angeordnet und die Stadt so erleuchtet, daß man von dem Schein der vielen Lichter in den Fenstern und in den Boutiken einen neuen Tag leuchten zu sehen glaubte. Denselben Abend ließ Dom Juan mich und die Meinigen in unsern Zimmern speisen, in der Meinung, daß es nicht vernünftig sei, uns nach einer langen beschwerlichen Reise mit einem Gastmahle zu bemühen. Das Haus, welches er mich bewohnen ließ, war zu meinem Empfang eigentlich eingerichtet; man hatte Mittel gefunden, einen großen schönen Saal und ein vollständiges Appartement für mich mit den dazu gehörigen Zimmern, Vorzimmern, Kabinetten und Salons einzurichten, alle mit den schönsten und kostbarsten Möblen versehen, die ich je gesehen. Die Tapeten waren alle von Samt oder Atlas, zwischen großen Säulen von Silberstoff, mit reicher Stickerei von dicken Schnüren und Leisten von goldner Stickerei, welche sich auf die schönste und reichste Weise von der Welt hervorhoben; an diesen Säulen waren die Bildnisse großer Männer, in antiker Kleidung, mit derselben Stickerei. Der Herr Kardinal von Lenoncourt, der einen wißbegierigen sinnreichen Geist besaß, war vertraut worden mit dem Herzog von Arscot, der, wie ich schon gesagt, ein alter Hofmann war, von höflichen feinen Sitten, und gewiß die ganze Zierde des Gefolges des Dom Juan. Als er nun, während wir uns da aufhielten, die kostbaren und vortrefflichen Möbeln betrachtete, sagte er ihm: »Mich dünken diese Möblen schicklicher für einen großen König als für einen jungen Prinzen, wie Sennor Dom Juan.« Darauf antwortete der Herzog von Arscot: »Auch sind sie durch einen Zufall hier, und weder aus Pracht noch mit Absicht. Die Stoffe sind dem Prinzen von einem Pascha des Großsultans übersendet, dessen Kinder er in dem berühmten Siege gegen die Türken zu Gefangenen gemacht hatte. Da nun Sennor Dom Juan so edelmütig war, sie ihm, ohne Ranzion zu verlangen, wiederzuschicken, so hat ihm der Pascha ein Geschenk gemacht von vielen goldnen und silbernen Stoffen; er erhielt sie gerade, als er in Mailand war, wo man dergleichen am besten zu benutzen weiß. Er ließ dort diese Tapeten davon machen, und zum Andenken der ruhmvollen Gelegenheit, die sie ihm verschaffte, ließ er an den Bettvorhängen und den Tapeten des Zimmers, welches die Königin bewohnt, die Seeschlachten in Stickerei arbeiten, welche seinen glorreichen Sieg über die Türken, in jener berühmten Schlacht bei Lepante, vorstellt.«

Den Morgen ließ Dom Juan uns eine Messe hören, nach spanischer Weise, mit der vollen Musik von Geigen und Hörnern; von da gingen wir zum Mittagmahl in den großen Saal. Er und ich saßen allein an einem Tisch; drei Schritte von uns stand die große Tafel, woran die andren Damen und Herrn saßen. Dom Juan ließ sich von Ludwig von Gonzaga knieend bedienen. Nach der Tafel war Ball, der den ganzen Abend durch währte. Dom Juan unterhielt mich und sagte mir oft, er bewundre meine Ähnlichkeit mit seiner Gebieterin, der seligen Königin, meiner Schwester, welche er sehr verehrte. Er bezeigte mir und meinem Gefolge durch alle ersinnliche Höflichkeit und Ehrenbezeugungen seine Freude, mich bei sich zu sehen. Die Fahrzeuge, mit welchen ich über die Maas bis nach Lüttich fahren sollte, wurden nicht fertig; ich mußte also den andern Tag noch verweilen; den Vormittag brachten wir wie den ersten zu; den Nachmittag setzten wir uns in ein sehr schönes Fahrzeug auf dem Fluß, umringt von andern Fahrzeugen, auf denen sich Musiker mit Oboen, Geigen und Hörnern befanden. Wir fuhren nach einer Insel, wo Dom Juan, in einem Saal von Epheu umgeben, ein Gastmahl hatte zubereiten lassen; rings umher waren Lauben, worin Musik von Oboen und andern Instrumenten während der Mahlzeit ertönte. Nach aufgehobener Tafel und nach dem Ball, der einige Stunden währte, kehrten wir in demselben Fahrzeuge, welches uns hingebracht und Dom Juan zu meiner Reise hatte machen lassen, wieder zurück. Den andern Morgen bei der Abreise begleitete mich Dom Juan bis an das Fahrzeug. Nach einem ehrenvollen höflichen Abschied ließ er mir Herrn und Frau von Harrach zurück, mich bis Huy zu begleiten, die erste Stadt des Bistums Lüttich, wo ich die Nacht bleiben wollte. Herr von Ainsi blieb noch nach Dom Juan in dem Fahrzeuge, dann nahm er traurig Abschied von mir und unter den heiligsten Versicherungen, mir und meinem Bruder, ewig ergeben zu sein. Er hatte nicht Urlaub mich weiter zu begleiten.

Das neidische verräterische Geschick ertrug länger nicht den Ruhm, der mich auf dieser Reise begleitete: es verkündete mir durch zwei traurige Vorbedeutungen das Übel, das ihr Neid mir bei meiner Zurückkunft bereitete. Die erste war, daß, sobald das Fahrzeug anfing, sich vom Ufer zu entfernen, Fräulein Tournon, die Tochter meiner Oberhofmeisterin, von einem so heftigen Übel befallen ward, daß sie vor entsetzlichem Schmerz laut aufschreien mußte. Sie fühlte einen heftigen Druck auf dem Herzen; die Ärzte vermochten durch kein Mittel weder ihn zu lindern, noch konnten sie ihren Tod verhindern; wenige Tage nach meiner Ankunft in Lüttich starb sie. Ich werde ihre traurige Geschichte gehörigen Orts erzählen, denn sie ist merkwürdig. Die zweite üble Vorbedeutung war, daß, als wir zu Huy ankamen, einer Stadt, welche am Abhang eines Berges liegt, ein reißender Strom vom Berge herunter den Fluß plötzlich so anschwellen machte in dem Augenblick, als unser Fahrzeug landete, daß wir kaum Zeit hatten, in vollem Lauf die Anhöhe zu gewinnen. Das Wasser folgte uns auf dem Fuße nach, alle Straßen überschwemmend, und war mit uns zu gleicher Zeit in der für uns bestimmten Wohnung, in der am höchsten gelegenen Straße. Wir mußten uns denselben Abend mit dem behelfen, was der Herr vom Hause uns geben konnte; es war nicht möglich, weder meine Leute, noch meine Kleider aus dem Fahrzeuge holen zu lassen, noch weniger konnte man etwas aus der ganz überschwemmten Stadt holen; sie wurde nicht weniger wunderbar von dieser Sündflut befreit, als sie davon ergriffen worden war; denn mit Anbruch des Tages hatte sich das Wasser wieder zurückgezogen und in sein gewöhnliches Bett begeben.

Herr und Frau von Harrach kehrten wieder nach Namur zurück, zu Dom Juan, und ich begab mich wieder in mein Fahrzeug, um noch denselben Abend in Lüttich zu sein. Der Bischof von Lüttich empfing mich ehrenvoll und gab alle Beweise des guten Willens, die man von einer höflichen und wohlwollenden Person erwarten darf. Er war ein sehr tugendhafter, gütiger und verständiger Herr; er sprach sehr gut Französisch, seine Person war angenehm, seine Sitten edel und prachtliebend, und er war ein liebenswürdiger Gesellschafter. In seinem Gefolge waren einige Domherrn, und das ganze Kapitel, lauter Herzoge, Grafen und großer Herrn Söhne aus Deutschland; denn das Bistum Lüttich ist ein eigner Staat für sich von nicht geringem Umfange, mit vielen ansehnlichen Städten versehen, und besitzt große Einkünfte. Aus den Domherrn, die alle von Adel sein und ein Jahr daselbst gewohnt haben müssen, wird jedesmal der Bischof gewählt. Die Stadt ist fast wie Lyon, aber größer; die Maas fließt mitten durch; sie ist sehr gut gebauet, jedes Domherrn Haus ist ein schöner Palast; lange und breite Straßen; große Plätze mit schönen Springbrunnen, die mit so vielem Marmor verziert sind, den sie ganz nah dabei haben, daß sie ganz von Marmor erbaut scheinen; die Uhren mit deutscher Künstlichkeit verfertigt, mit ihrem verschiedenen musikalischen Glockenspiel, als ob es ebenso viele menschliche Stimmen wären.

Der Bischof empfing mich, als ich aus dem Fahrzeug ans Land stieg, und führte mich in seinen herrlichen Palast, den er verlassen hatte, um ihn mir ganz einzuräumen. Für ein Haus in der Stadt ist es schöner und bequemer eingerichtet, als ich vorher je gesehen hatte; denn es sind mehrere Gärten mit schönen Springbrunnen dabei und Galerien mit so vielen vortrefflichen Gemälden und so reich mit Vergoldungen und Marmor verziert, wie man nichts Köstlicheres und Prachtvolleres sehen kann.

Da die Quellen von Spa nur drei oder vier Stunden von dort liegen und sich nur ein kleines Dorf von einigen elenden Häusern dabei befindet, so rieten die Ärzte der Prinzessin la Roche sur Yon, sich das Wasser nach Lüttich kommen zu lassen; wenn man es nur bei Nacht, ehe die Sonne aufgegangen, bringen läßt, so behält es dieselbe Kraft und Eigenschaft als an der Quelle. Ich war sehr froh, daß wir nun in ein so bequemes Haus und in so guter Gesellschaft bleiben durften. Außer der Gesellschaft Sr. Gnaden, (so wird der Bischof von Lüttich genannt, eben wie man einen König »Sr. Majestät,« oder einen Prinzen »Sr. Hoheit« nennt;) kamen noch auf das Gerücht, daß ich mich dort befände, verschiedene Herrschaften aus Deutschland hin, um mich zu sehen, untern andern die Gräfin Aremberg, dieselbe, welche die Ehre hatte, die Königin Elisabeth nach Mezières zu begleiten, als sie mit dem Könige Karl, meinem Bruder, vermählt ward, und hernach begleitete sie meine älteste Schwester zum Könige von Spanien, ihrem Gemahl; eine Dame, die von der Kaiserin, vom Kaiser und von allen christlichen Fürsten sehr geschätzt ward. Ihre Schwester die Frau Landgräfin, Frau von Aremberg ihre Tochter, Graf Aremberg ihr Sohn, ein rechtschaffner artiger Mann, das wahre Bild seines Vaters, der damals meinem Bruder, dem König Karl, die Hilfe aus Spanien brachte, wobei er sich so viel Ehre und guten Ruf erwarb. Die Freude, sie ankommen zu sehen, ward durch den unglücklichen Tod des Fräulein Tournon sehr getrübt, deren merkwürdige Geschichte ich hier nicht übergehen kann, und ihr zu Gefallen muß ich hier eine Abschweifung in meiner Erzählung machen.

Die älteste Tochter meiner Oberhofmeisterin, der Frau von Tournon, hatte Herrn von Balançon geheiratet, Gouverneur für den König von Spanien von der Grafschaft Burgund. Sie bat ihre Mutter, ihr die jüngere Schwester, Fräulein von Tournon, mitzugeben, damit sie ihr in ihrem Hause beistehen und ihr Gesellschaft leisten möchte, da sie von allen ihren Verwandten entfernt ward und in die Fremde mußte. Die Mutter gab es zu, sie blieb einige Jahre dort und wußte sich sehr angenehm und beliebt zu machen, obgleich sie eben nicht schön war, aber ihre Schönheit bestand in ihren liebenswürdigen Eigenschaften, ihrer Tugend und anmutigem Wesen. Der Marquis von Varambon wohnte mit seinem Bruder, Herrn von Balançon, in einem Hause mit ihr, er war damals zur Kirche bestimmt; er faßte aber eine heftige Liebe zur Fräulein von Tournon und wollte sich mit ihr vermählen; er hatte sein Gelübde noch nicht abgelegt. Er erklärte dieses ihren und seinen Anverwandten; von ihrer Seite fand man nichts dagegen, aber Herr von Balançon, der es für sich von größerm Nutzen hielt, wenn sein Bruder Geistlicher würde, widersetzte sich mit dem größten Eigensinn der Heirat. Frau von Tournon, eine verständige, vorsichtige Frau, findet sich beleidigt und nimmt ihre Tochter wieder von ihrer Schwester, der Frau von Balançon, fort und wieder zu sich. Sie war eine etwas harte, zornmütige Frau und begegnete ihrer Tochter ohne Schonung, obgleich sie doch schon erwachsen war und eine sanftere Behandlung wohl verdiente. Nie hatte Fräulein Tournon trockne Augen; ihre Mutter schalt sie und schrie unaufhörlich mit ihr; gleichwohl tat sie nie etwas, das Tadel verdiente, aber es war einmal die natürliche strenge Gemütsart ihrer Mutter. Da sie nun sehr wünschte, von dieser Tyrannei befreit zu werden, freute sie sich, als sie hörte, ich würde nach Flandern reisen, denn sie dachte gleich, daß der Marquis von Varambon sich einfinden würde, wie es auch wirklich geschah. Da er nun damals den geistlichen Stand dennoch völlig verlassen und also imstande war, sie zu heiraten, hoffte sie, er würde bei ihrer Mutter um sie anhalten. Zu Namur fanden sich auch, wie ich schon gesagt, der Marquis von Varambon und der jüngste Balançon ein. Der jüngste Balançon, der bei weitem nicht so liebenswürdig war als sein Bruder, redete Fräulein Tournon an, bemühte sich um sie, aber der Marquis von Varambon tat, solange wir in Namur waren, als hätte er sie nie gekannt. Sie strengte gewaltsam alle ihre Kräfte an, um ihn merken zu lassen, was sie fühle, aber ihr Herz war von Angst, Verdruß und Schmerz gepreßt, und in dem Augenblick, als er das Schiff verließ, wo er Abschied von uns genommen, fühlte sie sich so angegriffen und zerstört, daß sie ohne heftiges Schreien und ohne die tödlichsten Schmerzen nicht mehr atmen konnte. Es war kein einziger Grund zu ihrer Krankheit vorhanden als dieser innere Schmerz; ihre Jugend kämpfte noch einige Tage mit dem Tode, aber dieser siegte und raubte sie mir und ihrer Mutter, die nicht mehr als ich über diesen Verlust trauern konnte; ihre Mutter liebte sie sehr, obgleich sie ihr hart begegnete. Ihre Beerdigung geschah so ehrenvoll als möglich, denn sie war aus einem großen Hause und gehörte eigentlich der Königin Mutter. Viere von meinen Edelleuten erhielten Befehl, ihre Leiche zu Grabe zu tragen; einer von ihnen war la Boessiere, der sie leidenschaftlich geliebt hatte, ohne es ihr jemals zu sagen; er kannte ihre strenge Tugend, und seine Geburt war der ihrigen nicht gleich. Dieser nun trug ihre sterbliche Hülle; selber den Tod tragend durch ihren Tod, so wie er ehemals ihn schon erlitt durch seine Liebe!

Der strafbare Marquis von Varambon bereute einige Tage nach meiner Abreise von Namur seine Grausamkeit. Seine Liebe, o wunderbares Schicksal! die in der Gegenwart erloschen war, entzündete in der Abwesenheit sich aufs neue! Er entschließt sich, zurückzureisen und bei ihrer Mutter um sie anzuhalten, vertrauend seinem guten Glück, denn alle Frauen liebten ihn, von denen er geliebt zu sein wünschte, wie er dann auch seit kurzem eine große Dame, gegen den Willen ihrer Eltern, geheiratet; und hoffte mit Gewißheit, seine Gebieterin würde ihm verzeihen; er wiederholte sich die italienischen Worte: che la forza d'amore non risguarda al delitto. Er bat Dom Juan, ihm einen Auftrag an mich zu geben, reiste eiligst zurück und kam in demselben Moment zu Lüttich an, als man den Leib der Unglücklichen, Schuldlosen in der Glorie ihrer Jungfräulichkeit durch die große Straße zur Kirche trug, um ihn in die Erde zu senken. Das Gedränge des Leichenzugs versperrt ihm den Weg, er schaut hin, was es sein mag, erblickt von weitem, mitten unter einem zahlreichen Haufen von Leuten in Trauerkleidern, ein weißes Leichentuch mit Blumenkränzen bedeckt. Ein Bürger antwortet ihm auf seine Fragen, es würde jemand begraben; er wird neugieriger, drängt sich bis zu dem Vordersten des Leichenzugs und hört mit immer steigender Unruhe nicht auf zu fragen, bis er es erfährt, wer es sei. O tödlicher Bericht! So rächte sich die Liebe an der undankbaren Treulosigkeit und ließ ihn fühlen, was seine Geliebte bei seinem strafbaren Vergessen gefühlt hatte; den Pfeil des Todes! »Es ist die Leiche des Fräulein von Tournon!« wird ihm zugerufen, und ohnmächtig sinkt er vom Pferde. Man bringt ihn für tot in ein Haus; zu spät war es, sich im Leben mit ihr zu vereinigen, nun wollte er es im Tode tun. Seine Seele verließ seinen Körper, um ihre Seele jenseits des Lebens zu suchen und ihre Verzeihung zu erflehen; dann kehrte sie wieder zu ihm zurück, damit er länger ihren Verlust fühle, er wäre sonst für seine Treulosigkeit nicht hart genug bestraft gewesen.

Nach dieser traurigen Pflicht wollte ich, um dieser fremden Versammlung keine Langeweile zu verursachen, mich meiner Traurigkeit über den Verlust des liebenswürdigen Mädchens nicht überlassen, ich ging also täglich, von dem Bischof (Sr. Gnaden genannt), von seinen Domherrn und von den fremden Herren und Damen begleitet, in unterschiedliche Häuser und Gärten spazieren, deren es in dieser Stadt, und auch umher, sehr schöne gibt. Die Gesellschaft kam jeden Morgen und holte mich zu diesen Spaziergängen ab, wobei ich das Spawasser trank, denn man muß dabei spazieren gehen. Mein Bruder war zwar der Arzt, auf dessen Verordnung ich es trank, gleichwohl tat es doch sehr gute Wirkung; denn ich habe nachher sechs oder sieben Jahre nichts von der Rose am Arm gespürt. Nachher brachten wir den ganzen Tag zusammen zu; des Mittags war jedesmal irgendwo ein Gastmahl, nach diesem ein Ball; hernach gingen wir in irgendein Frauenkloster zur Vesper; nach dem Abendessen war wieder entweder Ball, oder wir fuhren aufs Wasser mit Musik. So vergingen sechs Wochen; das ist die bestimmte Zeit, den Spabrunnen zu trinken, es war auch der Prinzessin la Roche sur Yon so verordnet. Da wir eben nach Frankreich zurückreisen wollten, kam Frau von Harrach an, die zu ihrem Mann nach Lothringen wollte. Sie gab uns Nachricht von den Veränderungen, welche in Namur sowohl als in dem ganzen Lande seit meiner Durchreise sich zugetragen. Als Dom Juan aus meinem Schiff und zu Pferde gestiegen war, nahm er unter dem Vorwand, auf die Jagd zu gehen, den Weg vor dem Schloß von Namur vorbei, welches noch nicht in seinen Händen war. Er tat, als wollte er es bei dieser Gelegenheit besehen, ritt hinein, bemächtigte sich desselben und ließ die Besatzung der Staaten abziehen, gegen seine Abrede mit den Staaten. Außerdem hatte er sich des Herzogs von Arscot, des Herrn und der Frau von Harrach bemächtigt; auf dringendes Bitten hatte er die beiden erstern wieder freigelassen; Frau von Harrach aber mußte bis dahin als Geisel bei ihm zurückbleiben, damit jene nichts gegen ihn unternehmen möchten. Das ganze Land wäre in Krieg und Brand; es seien drei Parteien da; die Partei der Staaten, das heißt, der flandrischen Katholiken; die des Prinzen von Oranien und der Hugenotten, welche zusammen nur eine machten, und die spanische unter Dom Juan. Nun war ich so verwickelt, daß ich notwendig durch eine oder die andre durch mußte. Mein Bruder hatte mir einen Edelmann namens Lescart geschickt, durch diesen schrieb er mir: er habe, seitdem ich den Hof verlassen, dem Könige mit der ihm anvertrauten Armee große Dienste geleistet; alle Städte, die er ihm anzugreifen befohlen, habe er genommen, die Hugenotten aus allen Provinzen, welche ihm angewiesen worden, verjagt; dann wäre er an den Hof nach Poitiers zurückgekommen, wo sich der König während der Belagerung von Brouage aufgehalten, um in der Nähe der Armee des Herzogs von Mayenne zu sein, damit er ihm desto schneller mit allem Notwendigen zu Hilfe kommen könnte. »Der Hof«, schrieb er, »ist ja stündlich verändert, wie ein Proteus, ich habe ihn bei meiner Ankunft ganz umgewandelt gefunden; man war so kalt gegen mich, als hätte ich gar nichts im Dienste des Königs ausgerichtet. Der König, der vor dem Auszuge sehr freundlich mit Bussy gewesen, ist jetzt ebenso vom Neide verfolgt und so übel angesehen als zu Guast seiner Zeit; doch hat Bussy dem Könige treu gedient, mit seinen Freunden wie mit seiner eigenen Person, denn er hat, als Issoire bestürmt wurde, seinen Bruder dabei verloren. Täglich beleidigt man uns. Die Mignons des Königs haben mir einige der rechtlichsten Männer unter meinen Leuten abwendig gemacht, nämlich Maugiron, la Valette, Mauleon, Livarrot und noch einige; sie haben meinen Dienst verlassen und sind zum Könige gegangen.« Er wisse aus guter Hand, setzte er noch hinzu, daß der König es bereue, ihm den Zug nach Flandern erlaubt zu haben; mir aber suche man aus Haß gegen ihn auf meiner Rückreise einen bösen Streich zu spielen; entweder durch die Spanier, indem man sie warnte, ich unterhandle in Flandern für ihn; oder durch die Hugenotten, damit sie an mir das Unrecht rächen sollten, das er ihnen getan, indem er ihr Feind wurde, nachdem sie ihn unterstützt hatten. Alles das machte mir nicht wenig Sorge; nicht allein ich mußte durch eine von beiden Parteien, sondern auch die vornehmsten meiner Reisegesellschaft waren entweder den Spaniern oder den Hugenotten zugetan. Der Herr Kardinal von Lenoncourt war im Verdacht, die Hugenotten zu begünstigen, und Herr Descarts, Bruder des Bischofs von Lisieux, war oft im Verdacht, im Herzen spanisch zu sein. In dieser Verwirrung konnte ich mich niemand anvertrauen als der Prinzessin la Roche sur Yon und der Frau von Tournon; diese sahen die Gefahr, in welcher wir uns befanden, wohl ein; wir hatten fünf oder sechs Tagereisen bis zu Lafere, während welchen wir immer in der Gewalt des einen oder des andern waren. Mit Tränen in den Augen sagten sie: Gott allein vermöchte es, uns aus dieser Gefahr zu erretten; ich sollte mich ihm wohl empfehlen und tun, was er mir zu tun eingeben würde; was sie beide beträfe, sie wollten sich alles gefallen lassen, wenn ich nur gerettet würde; sie wären zu den stärksten Tagereisen bereit, obgleich die eine krank und die andre sehr alt war. Ich redete mit dem Bischof von Lüttich darüber, dieser half mir wie ein wahrer Vater. Er gab mir seinen Haushofmeister mit, seine Pferde, die mich, soweit ich es verlangte, bringen sollten. Da ich notwendig einen Paß vom Prinzen von Oranien haben mußte, so schickte ich Mondoucet zu ihm, der mit ihm vertraut war und ein wenig zu dieser Religion hinneigte; er kam aber nicht wieder. Ich erwartete ihn zwei, drei Tage und glaube, ich hätte bis heute auf ihn warten können. Da der Herr Kardinal von Lenoncourt und der Ritter Salviati, mein Oberstallmeister, die zu derselben Kabale gehörten, mir unaufhörlich rieten, nicht ohne Paß zu reisen, und ich argwohnte, man könnte mir unterdessen noch etwas Schlimmeres entgegenstellen, entschloß ich mich den andern Morgen in der Frühe abzureisen. Da sie sahen, daß man mich unter dem Vorwande des Passes nicht länger zurückhalten konnte, ließ mein Schatzmeister, gleichfalls ein heimlicher Hugenotte, dem Ritter Salviati sagen, es wäre kein Geld da, die Gastwirte zu bezahlen; dies war durchaus eine Lüge, denn als ich zu Lafere angekommen war, verlangte ich meine Rechnungen noch zu sehen, und da fand es sich, daß, außer dem nötigen Reisegelde, noch Geld genug da war, meinen Haushalt sechs Wochen lang zu führen. Sie ließen meine Pferde anhalten und fügten zu der Gefahr noch diese Verunglimpfung hinzu. Die Prinzessin la Roche sur Yon ertrug diese Niederträchtigkeit länger nicht, sie lieh mir in dieser Verlegenheit das nötige Geld, und jene blieben verwirrt. Nachdem ich dem Bischof von Lüttich einen Diamanten, drei tausend Taler an Wert, und seinen Dienern Ringe oder goldne Ketten geschenkt hatte, reiste ich ab und kam noch denselben Tag bis Huy; ohne einen andern Paß als meine Hoffnung auf die Hilfe Gottes. Huy gehörte, wie ich schon bemerkt, zu den Ländern des Bischofs von Lüttich; dennoch war es in vollem Aufruhr und Rebellion (so wie keine der Provinzen von der allgemeinen Revolution in den Niederlanden verschont blieb,) und wollte seinen Bischof nicht anerkennen, weil er neutral blieb, und jene zur Partei der Staaten gehörten; sie wollten also den Haushofmeister des Bischofs, der mit uns war, nicht anerkennen; sie waren noch in Alarm darüber, daß Dom Juan sich bei meiner Durchreise Namurs bemächtigt hatte; sobald wir also in unsre Wohnung eingekehrt waren, zogen sie die Sturmglocke, schleppten die Artillerie in die Straßen und pflanzten sie gegen meine Haustüre, sperrten die Gassen, damit wir nicht zusammenkommen konnten und hielten uns so die ganze Nacht in Schrecken, ohne daß es möglich war, mit einem von ihnen zu sprechen, denn es war nichts als gemeines Volk, grobe, unvernünftige Leute. Den Morgen ließen sie uns reisen, hatten aber die ganze Straße mit Bewaffneten besetzt.

Den Abend kamen wir nach Dinan, hier hatten sie zum Unglück denselben Tag ihre Burgemeisterwahl gehabt; alles schmauste, alles war betrunken, es war ein wahres Chaos. Unsern Zustand zu verschlimmern, war der Haushofmeister des Bischofs ihnen verhaßt, der ehemals ihnen den Krieg gemacht hatte. Diese Stadt ist, wenn sie nüchtern ist, für die Partei der Staaten; regiert aber Bachus darin, so kennt sie weder sich selbst noch andre. Sobald sie mein großes Gefolge in der Vorstadt ankommen sahen, gerieten sie in Schrecken. Sie verließen die Flaschen, griffen zu den Waffen, und statt uns die Tore zu öffnen laufen sie in der größten Unordnung hin und verschließen sie. Ich hatte einen Edelmann mit dem Fourier und dem Quartiermeister vorausgeschickt, sie um die Erlaubnis zu bitten, durchreisen zu dürfen; aber als ich ankam, standen sie noch da, schrieen unter einander, und keiner verstand den andern. Endlich stehe ich in meiner Sänfte auf, nehme meine Maske herunter, und winke den Ansehnlichsten unter ihnen zu mir; als er heran kam, bat ich ihn, doch Stillschweigen zu gebieten, damit ich gehört werden könnte. Dies geschah denn nach vieler Mühe, und ich machte ihnen begreiflich, wer ich sei, und warum ich reise; daß, weit gefehlt, ihnen durch meine Ankunft irgend ein Übel zu verursachen, wollte ich vielmehr ihnen nicht einmal Anlaß zum Argwohn geben; ich ersuchte sie darum, nur mich und meine Frauen, nebst so wenigen von meinen Leuten, als sie selber mir erlauben würden, auf diese Nacht in die Stadt zu lassen; das übrige Gefolge könnte in der Vorstadt bleiben. Sie waren gleich mit diesem Vorschlag zufrieden und gestatteten ihn mir. Ich ging also mit den Ansehnlichsten aus meinen Haufen in die Stadt, unter ihnen der Haushofmeister des Bischofs von Lüttich, der zum Unglück erkannt ward, als ich von diesem betrunknen und bewaffneten Volk begleitet, mich nach meinem Quartier begab; nun schimpften sie ihn und wollten den guten alten Mann totschießen; es war ein achtzigjähriger, ehrwürdiger Greis mit einem weißen, bis auf den Gürtel reichenden Bart. Ich ließ ihn in das Haus, und die Trunkenbolde feuerten ihre Gewehre unaufhörlich gegen die Mauer ab, die bloß von Lehm war. Ich fragte nach dem Wirt vom Hause; zum Glücke war er gegenwärtig. Ich bat ihn sich an das Fenster zu stellen und es dahin zu bringen, daß ich mit den Angesehensten reden könne. Nachdem er lange vom Fenster hinunter geschrieen hatte, kamen die Burgemeister zu mir herauf, aber so betrunken, daß sie nicht wußten, was sie sprachen, noch was sie wollten. Ich gab ihnen die Versicherung, ich hätte nicht gewußt, daß dieser Haushofmeister ihr Feind sei; zeigte ihnen, von welcher Wichtigkeit es sei, eine Person von meinem Range zu beleidigen, eine Freundin der vornehmsten Herrn der Staaten; ich sei gewiß, Graf Lalain und alle andren Chefs würden die Aufnahme, welche ich hier fände, sehr übel nehmen. Bei dem Namen Graf Lalain waren sie gleich ganz verwandelt; sie hatten mehr Respekt für diesen Namen, als für die Namen aller Könige, denen ich angehörte. Der älteste unter ihnen fragte mich stammelnd und lächelnd: ob ich denn eine Freundin des Grafen Lalain sei? Da ich sogleich merkte, daß seine Verwandtschaft mir mehr hier hülfe, als die Verwandtschaft aller Potentaten der Christenheit, sagte ich: jawohl ich bin seine Freundin und seine Verwandte! Nun machten sie mir große Reverenzen, reichten mir die Hand und erzeigten mir so viel Höflichkeiten als vorher Grobheiten, baten mich um Verzeihung und versprachen mir den guten alten Haushofmeister in Frieden mit mir ziehen zu lassen. Den Morgen drauf, als ich eben zur Messe gehen wollte, kam Dubois an, der Agent des Königs bei Dom Juan, der sehr spanisch gesinnt war. Er gab mir vor, Briefe vom Könige zu haben, worin er ihm Befehl erteilte, mich abzuholen und mich sicher zurück zu geleiten; zu dem Ende habe er Dom Juan gebeten, ihm Barlemont und einen Haufen Leute zu Pferde zu geben, um mich zu eskortieren und mich sicher nach Namur zu bringen; ich mußte also die aus der Stadt Dinan ersuchen, daß sie Herrn von Barlemont, der ein Eingeborner sei, und seinen Haufen Reiter in die Stadt lassen möchten, damit sie mich begleiten könnten. Dies hatte nun einen doppelten Endzweck; erstlich wollte er sich für Dom Juan der Stadt bemeistern, und zweitens sollte ich in die Hände der Spanier fallen. Ich war in großer Verlegenheit, und da ich sie dem Kardinal von Lenoncourt mitteilte, der so wenig Lust hatte als ich, den Spaniern in die Hände zu fallen, beschlossen wir, von denen aus der Stadt zu erfahren, ob wir nicht einen andern Weg nehmen könnten, auf welchem wir dem Haufen des Herrn von Barlemont auswichen. Ich übergab dem Herrn Kardinal von Lenoncourt den kleinen Agenten Dubois, damit er ihn aufhalte; während dessen ging ich in ein andres Zimmer, wo ich die aus der Stadt zu mir kommen ließ und ihnen zu verstehen gab, daß sie verloren wären, wenn sie Herrn von Barlemont mit seinen Reitern einließen, weil er sich der Stadt für Dom Juan bemächtigen wollte; ich riet ihnen, sich zu bewaffnen, sich am Tore bereit zu halten und sehen zu lassen, daß sie wohl unterrichtet und gerüstet seien und sich nicht überrumpeln ließen; Herrn von Barlemont sollten sie einlassen, sonst aber niemand. Da der Wein von Tags vorher verdampft war, fanden sie meine Gründe gut, hatten Zutrauen zu mir und boten mir ihre Dienste und ihr Leben an. Sie gaben mir einen Wegweiser, der mich einen Weg führen sollte, auf welchem ich den Fluß zwischen mir und den Truppen des Dom Juan haben und diese so weit zurück lassen würde, daß sie mich nicht mehr erreichen könnten, da ich immer durch Städte kommen würde, die den Staaten angehören. Nachdem ich dies mit ihnen abgeredet, schickte ich sie hin, Herrn von Barlemont allein hinein kommen zu lassen. Sobald dieser in der Stadt war, wollte er sie bereden, auch seinen Truppen freien Einzug zu verstatten; darüber wurden sie aber so aufgebracht, daß wenig fehlte, sie hätten ihn umgebracht; sie kündigten ihm an, daß, wofern er sie nicht würde der Stadt aus dem Gesichte ziehen lassen, sie ihr Geschütz gegen sie richten wollten. Das verlangten sie, um mir Zeit zu verschaffen über den Fluß zu gehen, ehe dieser Haufe mich einholen könnte. Herr von Barlemont und der Agent Dubois wendeten nun alles an, mich zu bereden, daß ich nach Namur gehen sollte, wo Dom Juan mich erwarte. Ich stellte mich, als willigte ich ein, und nachdem ich Messe gehört und eine kurze Mittagsmahlzeit zu mir genommen hatte, verließ ich mein Quartier, begleitet von zwei bis dreihundert bewaffneten Männern aus der Stadt, und indem ich immerwährend mich mit Herrn von Barlemont und dem Agenten Dubois unterhielt, nahm ich den Weg gerade nach dem Tore gegen den Fluß zu, welches dem Wege nach Namur, wo sich des Herrn von Barlemont Reiter befanden, gerade entgegengesetzt war; da jene es merkten, erinnerten sie mich und sagten, ich ginge nicht recht; ich führte sie aber, beständig redend, immer weiter, bis ich an das Tor kam; dann ging ich von einem guten Teil derer aus der Stadt begleitet, hinaus; verdoppelte meine Schritte gegen den Fluß, stieg in das Schiff und ließ eiligst die Meinigen mit einsteigen. Herr von Barlemont und der Agent Dubois standen am Ufer und schrieen: »Ihr seid unrecht! das ist nicht der Wille des Königs, er will, daß Ihr nach Namur gehen sollt!« Trotz dem Schreien fuhren wir schnell hinüber, und während man die Sänften und Pferde hinüber schaffte, hielten die aus der Stadt, in der Absicht mir Zeit gewinnen zu lassen, Herrn von Barlemont und den Agenten Dubois mit Klagen und Zänkereien auf, machten ihnen Vorwürfe in ihrer platten Mundart über Dom Juans Unrecht, den Frieden und seine Treue gegen die Staaten gebrochen zu haben, und über den alten Zank wegen Graf Egmonts Hinrichtung, unter immerwährender Drohung, auf die Truppen zu feuern, so bald sie sich noch an der Stadt sehen ließen. So erhielt ich Zeit mich zu entfernen, von Gott und jenem Führer geleitet, den mir die Leute aus Dinan mitgegeben hatten.

Dieselbe Nacht blieb ich in einem festen Schloß, Fleurines genannt; es gehörte einem Edelmann von der Partei der Staaten, den ich bei dem Grafen Lalain gesehen. Zum Unglück war aber dieser Edelmann gerade nicht zu Hause; es war niemand da als seine Frau. Da wir in den offen stehenden Vorhof hinein kamen, geriet sie in Schrecken, floh nach ihrem festen Turm, ließ die Brücke aufziehen und war entschlossen, uns unter keinem Vorwande einzulassen. Inzwischen ließen sich dreihundert Edelleute, auf einer Anhöhe etwa tausend Schritte davon erblicken; Dom Juan hatte sie geschickt, uns den Weg abzuschneiden und sich des Schlosses Fleurines zu bemächtigen. Da sie uns in den Vorhof hinein gehen sahen, vermuteten sie, wir wären mit in den Turm gelassen, und blieben auf der Anhöhe stehen, um uns am andern Morgen bei der Abreise zu fangen. Wir standen in dem Hof, der bloß von einer schlechten Mauer umgeben und mit einer schlechten Tür befestigt war, die man ohne alle Mühe hätte einstoßen können, und kapitulierten mit der Dame im Schloß, die aber unerbittlich blieb, und befanden uns in der größten Not, als durch die Gnade Gottes, der Herr von Fleurines mit hereinbrechender Nacht ankam. Er ließ uns sogleich in das Schloß ein und zürnte mit seiner Frau wegen ihrer unvernünftigen Unhöflichkeit. Herr von Lalain hatte uns den Herrn von Fleurines geschickt, um mich sicher durch die Städte der Staaten zu schaffen, da er selber die Armee, deren Chef er war, nicht verlassen konnte, um mich zu begleiten. Es war ein großes Glück für uns; Herr von Fleurines erbot sich, mich bis nach Frankreich zu begleiten; wir wurden also durch alle Städte, welche wir durch kamen, die den Staaten zugehörten, ruhig und mit gebührender Achtung empfangen. Die einzige Unannehmlichkeit hatte ich nun noch, daß ich nicht durch Mons konnte, wie ich es der Gräfin Lalain versprochen hatte; ich konnte nicht weiter als bis nach Nivelles kommen, das noch sieben starke Stunden von Mons liegt; wegen des damals sehr hitzigen Krieges, konnten wir uns also nicht sehen, auch den Grafen Lalain nicht, der mit seiner Armee bei Antwerpen stand. Ich schrieb der Gräfin von Nivelles aus; sobald sie wußte, daß ich dort war, schickte sie mir einen der angesehensten Edelleute, die zurück geblieben waren, um mich bis an die französische Grenze zu begleiten; denn ich hatte noch durch ganz Cambresis zu reisen, das halb spanisch und halb für die Staaten war; in dieser Begleitung ging ich bis nach dem Schloß Cambresis, wo ich blieb, und jene wieder zur Gräfin Lalain zurückgingen; ich überschickte ihr mit ihnen, als ein Andenken, sich meiner zu erinnern, eins meiner Kleider, welches sie bei meiner Anwesenheit zu Mons sehr schön gefunden; es war von schwarzem Atlas, von schwerer reicher Stickerei ganz bedeckt, es hatte acht bis neunhundert Taler gekostet.

Im Schloß Cambresis erhielt ich Nachricht, daß einige Haufen Hugenotten mich zwischen der flandrischen und französischen Grenze angreifen wollten; ich teilte diese Nachricht nur wenigen mit und war nach einer Stunde zum Aufbruch bereit; als ich aber nach den Sänften und Pferden schickte, machte es der Ritter Salviati wie zu Lüttich. Da ich nun seine Absicht einsah, ließ ich meine Sänfte im Stich, setzte mich zu Pferde, die, welche zuerst fertig waren, folgten mir, so daß ich um zehn Uhr des Morgens im Chastelet anlangte, und war allein mit Gottes Hilfe allen Fallstricken und Hinterlisten meiner Feinde entgangen. Von da ging ich nach Lafere, hier wollte ich bis zum Friedensschlusse bleiben. Daselbst fand ich einen Kourier von meinem Bruder, der mich zu erwarten Befehl hatte, um die Nachricht davon aufs eiligste meinem Bruder zu überbringen. Er schrieb mir, der Frieden wäre gemacht, und der König auf dem Wege nach Paris. Was ihn selber beträfe, so würde seine Lage immer unangenehmer; es gäbe keine Art von Mißhandlung und Beleidigung, die er und die Seinigen nicht zu erdulden hätten, und täglich erregte man neue Zänkereien gegen Bussy und seine Leute. Er erwarte also meine Ankunft zu Lafere mit Ungeduld, weil er dort zu mir kommen wollte. Ich schickte ihm sogleich seinen Kourier zurück; sobald er die Nachricht erhielt, schickte er Bussy und sein ganzes Haus nach Angers, nahm nur fünfzehn oder zwanzig Leute mit sich zur Begleitung und kam mit Postpferden zu mir nach Lafere. Es war eine der größten Freuden für mich, die ich je empfunden, eine Person, die ich so sehr liebte und ehrte, bei mir zu sehen. Ich gab mir alle ersinnliche Mühe, ihm seinen Aufenthalt bei mir so angenehm als möglich zu machen, er war auch so vergnügt darüber, daß er gern wie St. Peter gesagt hätte: Laßt uns hier Hütten bauen, wenn der wahrhaft königliche Heldenmut seiner Seele ihn nicht zu größeren Dingen aufforderte. Das ruhige Leben an unserem Hof dünkte ihn, nach jenem welches er verlassen, so angenehm, daß er sich nicht enthalten konnte, immer auszurufen: »O meine Königin, wie schön ist es hier bei Euch! Mein Gott, diese Gesellschaft ist ein Paradies, voll von Freude und Vergnügen; wo ich herkomme, ist die Hölle voller Furien und Qualen!« Zwei Monate brachten wir so in diesem glücklichen Zustande zu, uns schienen sie zwei kurze Tage; während denen erstattete ich ihm Bericht von dem, was ich in Flandern für ihn getan. Er fand es ratsam, daß Graf von Montigny, Bruder des Grafen Lalain, kommen und mit ihm die übrigen Maßregeln nehmen sollte, auch um sich einer dem andern die gehörigen Sicherheiten zu geben. Graf von Montigny kam also mit vier oder fünf der Angesehensten aus dem Hennegau; einer von ihnen hatte einen Brief von Herrn von Ainsi an meinen Bruder, worin er ihm seine Dienste aufs neue anbot und ihm die Zitadelle von Cambray zusicherte. Graf von Montigny brachte ihm die Versicherung vom Grafen Lalain, Hennegau und Artois in seine Hände zu geben, worin sich mehrere ansehnliche Städte befinden. Nachdem mein Bruder diese Anerbietungen und Versicherungen erhalten, schickte er die Herren zurück, nachdem er ihnen goldne Medaillen geschenkt, worauf mein Brustbild und das seinige abgebildet war, und nachdem er ihnen aufs neue die Versicherung alles dessen, was sie von ihm zu hoffen, gegeben hatte. Sie gingen nun, alles zu seinem Empfang vorzubereiten, in ihr Land und er an den Hof zurück, wo er versuchen wollte, was er von dem Könige zu dieser Unternehmung erlangen könnte, weil er seine Macht in Bereitschaft halten wollte, um in kurzer Zeit hingehen zu können.

Ich meinerseits wollte meine Reise nach der Gascogne antreten; da alles dazu in Bereitschaft war, ging ich nach Paris. Eine Tagereise von Paris kam mein Bruder mir entgegen; und der König, die Königin Mutter, die Königin Louise und der ganze Hof erzeigten mir die Ehre, mir bis zu St. Denis, wo ich zu Mittag speisen wollte, entgegen zu kommen. Sie empfingen mich ehrenvoll und mit Freundlichkeit, und es gefiel ihnen, mich von der Pracht und den Festlichkeiten in Lüttich erzählen zu hören, nebst den Abenteuern meiner Rückreise. Unter diesen angenehmen Unterhaltungen kamen wir, in den Wagen der Königin Mutter nach Paris. Nach dem Souper und dem Ball nahte ich mich dem Könige und der Königin Mutter und bat sie, mir zu erlauben, daß ich mich zu dem Könige, meinem Gemahl, begeben dürfe; da der Frieden nun geschlossen sei, könnte ihnen diese Bitte auf keine Weise irgend einen Verdacht geben, es wäre aber nicht schicklich und mir sehr nachteilig, wenn ich nicht zu ihm ginge. Sie bezeigten beide ihre Zufriedenheit mit meinem Verlangen und gaben mir ihre Einwilligung. Die Königin Mutter sagte, sie wolle mich begleiten, weil auch sie notwendig und in Geschäften des Königs hinzureisen habe. Auch sagte sie dem Könige, er müsse mir die Mittel zu dieser Reise geben; welches er auch sogleich bewilligte. Da ich nun nichts zurück lassen wollte, was mich wieder an den Hof rufen könnte, denn mir konnte an demselben, wenn mein Bruder nicht da war, nichts gefallen, und diesen sah ich alle Anstalten treffen, um nach Flandern zu gehen, bat ich die Königin Mutter, sich dessen zu erinnern, was sie mir bei dem Frieden mit meinem Bruder versprochen: daß sie mir nämlich, wenn ich nach der Gascogne gehen würde, eine Verschreibung über die Ländereien meiner Mitgabe ausfertigen wollte. Sie erinnerte sich dessen, der König fand es billig und versprach mir, sie solle ausgefertigt werden. Ich bat ihn, daß es bald geschehen möchte, weil ich, wenn es ihm gefiele, mit Anfang des künftigen Monats abzureisen gedächte. Es ward beschlossen, aber auf die gewöhnliche Weise des Hofs; das heißt: anstatt mich schnell abzufertigen, wie ich alle Tage darum bat und flehte, ließen sie fünf bis sechs Monate hinziehen. Meinem Bruder, der seine Reise nach Flandern gern befördern wollte, geschah dasselbe. Er stellte dem Könige vor, wie es zum Ruhm und zur Vergrößerung Frankreichs geschähe, wie es ein vortreffliches Mittel sei, den innern Krieg zu verhindern, wenn man allen unruhigen und Neuerungen liebenden Köpfen einen Weg nach Flandern öffne, wo sie ihren Rausch verdampfen und des Kriegs überdrüssig werden könnten; so auch, daß diese Unternehmung, ebenso wie Piemont, eine Schule in den Waffen für den französischen Adel werden und wieder Montlucs und Brissons, Termes und Bellegardes erwecken könnte, die dann, so wie diese großen Feldherrn, die sich in dem Piemontesischen Kriege gebildet, einst dem Könige und dem Vaterlande glorreich dienen würden. Alle diese Vorstellungen waren schön und wahr, aber sie hatten nicht genug Gewicht, um den Neid aufzuwiegen, der sich der Vergrößerung meines Bruders entgegensetzte. Täglich schuf man neue Verhinderungen sein Unternehmen rückgängig zu machen, während er und Bussy und seine andren Diener tausend Mißhandlungen erfahren mußten. Bussy ward verschiedene Mal angegriffen, bald von Quelus, bald von Grammont, in der Nacht wie am Tage und zu jeder Stunde, weil man immer hoffte, mein Bruder würde sich einmal dabei hervormachen. Dies geschah zwar ohne des Königs Vorwissen, aber Maugiron, der ihn damals ganz besaß, trug meinem Bruder, weil er seinen Dienst verlassen, und sich einbildete, er würde sich deshalb rächen, (so wie gewöhnlich, wer beleidigt, nie verzeiht) einen solchen Haß nach, daß er ihn auf jede Weise zu verderben trachtete; er trotzte ihm und begegnete ihm ohne allen Respekt; jung, unverständig und aufgeblasen von der Gunst des Königs, hielt er sich jede Unverschämtheit für erlaubt. Er hatte sich mit Quelus, St. Luc, St. Maigrie, Grammont, Mauleon, Livarrot und einigen andern jungen Leuten, die der König begünstigte, verbunden, und der ganze Hof folgte ihnen, wie es gewöhnlich von den Hofschranzen geschieht, die bloß der Gunst nachgehen. Sie taten also alles, was ihnen in den Kopf kam, es mochte auch sein was es wollte, so daß kein Tag verging, wo es nicht Streit mit Bussy gab, dessen Mut aber niemanden wich. Mein Bruder, der wohl einsah, daß alles dies seine Reise nach Flandern nicht beförderte, und er den König lieber besänftigen als aufbringen wollte, damit er seiner Unternehmung günstig bleiben möchte; da er überdies auch meinte, Bussy besser außerhalb zur Übung seiner Truppen brauchen zu können, schickte er ihn fort, die nötigen Befehle zu geben. Dennoch hörte die Verfolgung meines Bruders nicht auf, obgleich Bussy fort war; man sah nun wohl ein, daß, obgleich seine großen Eigenschaften den jungen Günstlingen des Königs vielen Neid einflößten, dennoch die Hauptursache des Hasses gegen ihn war, daß er meinem Bruder so treu diente, denn seit er fort war, trotzten sie und höhnten meinen Bruder so sichtbar und mit einer solchen Verachtung, daß es niemand übersehen konnte. Obgleich nun mein Bruder sehr vorsichtig und geduldig von Natur war und auch entschlossen alles zu dulden, um nur seine flandrische Unternehmung zustande zu bringen, weil er dadurch hoffte, allem dem auf einmal zu entgehen und dergleichen nie wieder unterworfen zu sein, so waren ihm diese Verfolgungen und Mißhandlungen dennoch äußerst verdrießlich, und er schämte sich ihrer, da er sehen mußte, daß man aus Haß gegen ihn allen seinen Dienern zu schaden suchte; denn man hatte in dieser Zeit Herrn von la Chastre einen wichtigen Prozeß gegen Frau von Sennetaire verlieren lassen, weil er kürzlich in Diensten meines Bruders getreten war. Der König hatte sich von Maugiron und St. Luc, die Freunde der Frau von Sennetaire waren, so einnehmen lassen, daß er selber den Prozeß für sie gegen la Chastre führte; der, wie man leicht denken kann, sehr beleidigt darüber war und meinem Bruder seinen gerechten Schmerz teilen ließ.

Während denselben Tagen war die Hochzeit von St. Luc. Mein Bruder wollte nicht dabei sein und ersuchte mich, es auch nicht zu tun. Die Königin Mutter, der die ungebändigte Ausgelassenheit dieser jungen Leute auch sehr verdrießlich war, und die befürchtete, daß man den ganzen Tag in Lärmen und Ausschweifungen zubringen würde, und daß man für meinen Bruder, weil er nicht von der Partie sein wollte, irgend eine andre anstellen möchte, die ihm verderblich werden könnte, erhielt Erlaubnis vom Könige diesen Hochzeittag in St. Maur zu Mittag zu speisen, nebst mir und meinem Bruder. Wir kamen den Abend von St. Maur zurück, wo die Königin Mutter meinem Bruder so viel predigte, bis er endlich einwilligte, bei dem Ball zu erscheinen, um dem Könige gefällig zu sein. Statt dieses hätte Gutes wirken sollen, ward es nur noch schlimmer dadurch. Maugiron und andre von seiner Clique verspotteten ihn dergestalt und führten solche Stachelreden gegen ihn, daß wohl ein Geringerer als er darüber in Zorn geraten wäre. Unter andern: er habe sich vergeblich bemüht, sich umzukleiden, kein Mensch habe den Nachmittag etwas an ihm auszusetzen gefunden; er wäre bei Nacht gekommen, weil er im Finstern am besten aussähe, und mehr dergleichen, mit denen sie seine Häßlichkeit und seinen kleinen Wuchs verspotteten. Man richtete nämlich alle diese Reden ganz laut an die Braut, die neben ihm saß, so daß er jedes Wort hören mußte. Mein Bruder, der es nicht vergaß, daß man ihn nur dahin bringen wollte, zu antworten, um ihn dann mit dem Könige zu entzweien, stand auf und ging fort, ohne ein Wort zu sagen, aber ganz außer sich vor Zorn und Verdruß. Er überlegte mit Herrn von la Chastre, was er tun solle, und beschloß auf die Jagd zu gehen auf einige Tage, um durch seine Abwesenheit den Haß der jungen Leute abkühlen zu lassen, damit er nur vom Könige erlange was er brauchte zu seinem Zuge nach Flandern. Er eilte zur Königin Mutter, die eben im Auskleiden begriffen war, erzählte ihr was auf dem Balle vorgegangen, worüber sie sich sehr ärgerte, und teilte ihr seinen Entschluß mit, sich auf einige Tage zu entfernen. Die Königin billigt dies, verspricht, ihm die Erlaubnis des Königs zu schaffen und in seiner Abwesenheit sein Geschäft zu betreiben, was die flandrische Angelegenheit betraf. Herr von Villequier war zugegen, diesem befiehlt sie zum Könige zu gehen und ihm den Wunsch meines Bruders vorzutragen, daß er ihm nämlich erlauben mochte, einige Tage auf die Jagd zu gehen, um die Streitigkeiten zwischen ihm und den jungen Leuten zu stillen. Mein Bruder geht nach seinem Zimmer zurück, hält seinen Urlaub schon so gut als ausgefertigt und brachte mit seinen Leuten alles in Ordnung, um den Morgen nach St. Germain auf die Hirschjagd zu gehen; befiehlt seinem Oberjägermeister die Hunde in Bereitschaft zu halten und legt sich mit dem Vorsatze nieder, den andern Morgen recht früh aufzustehen und sich durch das Vergnügen der Jagd von allen diesen Verdrießlichkeiten des Hofes etwas zu erholen. Unterdessen war Herr von Villequier auf Befehl der Königin Mutter zum Könige gegangen, um Urlaub für ihn zu fordern, welchen der König auch sogleich bewilligte. Da aber Herr von Villequier sich entfernte, und er allein blieb mit seinen Räten Rehabeams, mit seinen jungen Günstlingen, machten sie ihm diese Entfernung verdächtig und jagten ihm eine solche Furcht ein, daß er durch ihre Schuld eine der größten Torheiten beging, die zu unsrer Zeit geschehen; nämlich die, meinen Bruder und seine vornehmste Dienerschaft gefangen zu nehmen. Unvernünftig ward es beschlossen, aber weit unvernünftiger noch ausgeführt; denn der König ging noch in der Nacht, in größter Eil, zur Königin Mutter, ganz bewegt, als ob ein allgemeiner Aufruhr, oder der Feind vor dem Tore wäre, und rief: »Wie, gnädige Frau, woran denkt Ihr, daß Ihr begehrt, ich solle meinen Bruder gehen lassen? Seht Ihr denn die Gefahr, die der Staat dabei läuft, nicht ein? Unter dieser Jagdpartie steckt ganz gewiß irgend ein gefährliches Unternehmen. Er und alle seine Leute sollen festgenommen werden, und ich will alle seine Schränke durchsuchen lassen; sicher entdecken wir große Dinge, ich bin ganz gewiß.« Herr von Lesse, Hauptmann von der Garde und einige schottische Schützen waren mit ihm … Die Königin Mutter, fürchtend er könne in dieser Übereilung dem Leben meines Bruders gefährlich werden, bat ihn, mitgehen zu dürfen; und so entkleidet als sie war und sich einen Schlafrock, so gut es anging, überwerfend, ging sie mit ihm hinauf in meines Bruders Zimmer. Der König pochte stark an die Türe und rief, man solle aufmachen, er sei es! Mein Bruder erwachte und da er nichts befürchtete, befahl er seinem Kammerdiener Cange, die Türe zu öffnen. Der König kam wütend herein und rief scheltend: »Nie hörst du auf, etwas gegen den Staat zu unternehmen, aber ich werde es dir weisen, daß dies eben so viel heißt, als seinen König angreifen!« Darauf befahl er den Schützen die Schränke hinaus zu tragen und die Kammerdiener aus dem Zimmer zu führen. Er selbst durchsuchte das Bett, um nachzusehen, ob keine Papiere darin verborgen wären. Mein Bruder, der denselben Abend einen Brief von der Frau von Seuve erhalten hatte, hielt ihn fest in der Hand, um ihn nicht sehen zu lassen. Der König wollte ihn mit Gewalt entreißen, er wehrte sich aber und bat mit aufgehobenen Händen, diesen Brief nicht sehen zu wollen; desto größer ward nur die Begierde des Königs, ihn zu sehen; er glaubte, dies Papier würde hinreichen, meinem Bruder den Prozeß zu machen; er mußte ihn herausgeben. Der König öffnet ihn in Gegenwart der Königin Mutter und – sie gerieten eben so in Verwirrung als Cato, da er den Cäsar gezwungen, das Papier vorzuzeigen, das ihm überbracht worden war, und er behauptete, es müsse etwas der Republik Wichtiges betreffen, und es dann ein Liebesbrief von der Schwester dieses Cato an diesen Cäsar war!

Die Scham, sich so betrogen zu haben, verstärkte nur noch den Zorn des Königs; ohne meinen Bruder nur anhören zu wollen, der zu wissen verlangte, wessen man ihn beschuldige und warum man ihn so behandle, übergab er ihn der Aufsicht des Herrn von Lesse und der Schotten, mit dem Befehl niemanden zu ihm zu lassen. Dies geschah ungefähr um ein Uhr in der Nacht. Mein Bruder war mehr um meinetwillen besorgt, als um sich selber, denn er glaubte, man hätte es mir eben so gemacht, und ein so heftiger und ungerechter Anfang könne nicht anders als ein sehr schreckliches Ende beabsichtigen. Da er nun sah, daß Herrn von Lesse bei diesem Unfuge die Tränen in den Augen standen, und er doch nicht offen mit ihm reden konnte, wegen der schottischen Schützen, fragte er ihn bloß, wie es denn mit mir stände? Herr von Lesse antwortete, ich wisse noch von nichts. Darauf erwiderte mein Bruder: »Meine Schwester frei zu wissen, vermindert meinen Schmerz sehr. Dennoch bin ich gewiß, sie wird lieber die Gefangenschaft mit mir teilen, als ohne mich frei sein wollen.« Darauf bat er ihn, zur Königin Mutter zu gehen und sie zu bitten, sie möchte von dem Könige erlangen, daß ich mit ihm verhaftet würde; es ward ihm verstattet. Diesen festen Glauben an meine Freundschaft habe ich immer unter allen den großen Verbindlichkeiten, die ich gegen ihn hatte, oben angesetzt, er war mir immer der größte Beweis seiner Liebe. Sobald er die Erlaubnis hatte – es war mit Anbruch des Tages – bat er Herrn von Lesse, einen der schottischen Schützen zu mir zu schicken, der mir die traurige Botschaft bringe und mich ersuche zu ihm zu kommen. Der Schütze trat in mein Zimmer, ich schlief ruhig und wußte von nichts; er zog meinen Bettvorhang auf und rief in der schottischen Mundart: »Guten Morgen, gnädige Frau, Euer Herr Bruder läßt Euch ersuchen, zu ihm zu kommen!« Ich war noch halb im Schlafe und glaubte zu träumen; da ich ihn erkannte, fragte ich ihn, ob er nicht ein Schottländer sei von der Garde? Er sagte ja. »Was ist denn das,« fragte ich weiter, »hat mein Bruder keinen andern Boten zu mir zu senden als Euch?« »Nein!« erwiderte er, »man hat ihm seine Leute genommen,« und darauf erzählte er mir, was in dieser Nacht sich zugetragen, und daß mein Bruder Erlaubnis erlangt habe, daß ich mit ihm verhaftet würde. Da der abgesandte Schütze meine Betrübnis sah, nahte er sich mir und sagte leise: »Grämt Euch nicht, ich weiß Mittel Euren Herrn Bruder zu retten, und ich werde sie auch anwenden, daran zweifelt nicht, aber ich muß dann freilich mit ihm davon gehen!« Ich sagte ihm jede Belohnung zu, die er nur verlangen konnte, kleidete mich vollends an und ging mit ihm ganz allein nach meines Bruders Zimmer. Ich mußte durch den Hof gehen, der voller Leute war, die sonst immer rannten, mich nur zu sehen und zu verehren; nun aber Fortuna mir den Rücken wandte, taten sie auch, als sähen sie mich nicht.

Meinen Bruder fand ich unverändert, mit seiner gewöhnlichen Standhaftigkeit und Gemütsruhe. Er umarmte mich, mehr heiter als niedergeschlagen: »Ich bitte dich, meine Königin,« sagte er, »weine nicht; deine Betrübnis ist das einzige, was mich betrübt, denn meine unschuldigen geraden Absichten lassen mich die Anklagen meiner Feinde nicht befürchten. Wollen die Grausamen mir so ungerecht an mein Leben, so werden sie sich mehr schaden als mir, denn ich habe Mut und Entschlossenheit genug, den Tod zu verachten; den Tod fürchte ich wahrlich am allerwenigsten, denn mein Leben war bis jetzt nur ein Gewebe von Schmerz und Leiden; die Freuden dieser Welt habe ich nie gekannt, es kann mir auch nicht schwer werden, sie zu verlassen. Ich befürchte aber, da sie mir ohne eine offenbare Ungerechtigkeit den Tod nicht geben können, so werden sie mich im Gefängnis schmachten lassen; doch auch hier kann ich ihre Tyrannei verachten, wenn du mich durch deine Gegenwart unterstützen willst.« Meine Tränen flossen nur noch stärker bei diesen seinen Reden; laut sagte ich ihm: »Mein Leben und mein Schicksal sind ewig an das deinige gebunden, Gott allein vermag es zu verhindern, daß ich dir nicht in jeder Lage deines Lebens beistehe. Sollte man dich etwa fortführen und mir nicht erlauben dir zu folgen, so nehme ich mir in deiner Gegenwart das Leben.« Einige Stunden vergingen mit solchen Gesprächen, wir suchten die Ursache zu ergründen, die den König so sehr gegen ihn aufgebracht haben konnte, aber wir fanden durchaus keine in uns. Unterdessen war es um die Zeit geworden, daß die Schloßtore geöffnet wurden; ein unvorsichtiger junger Mensch, der Bussy gehörte, wollte hinein gehen, die Wache erkennt ihn, hält ihn an, und fragt ihn, wo er hin wolle? Er erschrickt und sagt, er wolle zu seinem Herrn. Diese Antwort ward dem Könige hinterbracht, und man argwohnt nun, daß Bussy im Louvre sei. Mein Bruder hatte ihn den Nachmittag von St. Maur mit hinein gebracht, um mit ihm über die flandrischen Angelegenheiten zu sprechen, denn er dachte da noch nicht den Hof so schnell zu verlassen, als er nachher auf dem Ball sich entschloß zu tun. Archant, Hauptmann von der Garde, bekam Befehl vom Könige, Bussy zu suchen und sowohl ihn, als auch Simier zu verhaften, wann er sie fände. Archant tat es ungern, denn er war ein vertrauter Freund von Bussy und nannte ihn Sohn, jener nannte ihn Vater. Er ging hinauf nach Simiers Zimmer und nahm ihn in Verhaft; da er wohl vermutete, daß Bussy irgendwo da verborgen sein müsse, suchte er nur sehr überhin und war froh, als er ihn nicht fand. Bussy war im Bette versteckt und sah, daß er allein im Zimmer bleiben würde, wenn Archant den Simier fortführte; er fürchtete, man würde einem andern den Auftrag geben, ihn zu suchen, bei dem er nicht so gut aufgehoben wäre; es war ihm lieber, unter der Aufsicht von Archant zu bleiben, den er als einen braven Mann und als seinen Freund kannte; wie er nun immer von lustigem, aufgewecktem Gemüt war, dem weder Gefahr noch Überraschung jemals Furcht einflößen konnten, steckte er den Kopf zwischen den Bettvorhängen hervor, als Archant mit Simier eben vor dem Bette vorbei gehen und hinausgehen wollte: »Nun Vater,« rief er hervor, »geht Ihr fort ohne mich? Glaubt Ihr, daß ich nicht so gut bin, wie der Schlingel Simier?« – »Ach mein Sohn,« sagte Archant, »wollte Gott, du wärst nicht hier, meinen Arm wollte ich drum geben!« – »Vater,« sagte Bussy, »es ist ein Zeichen, daß es gut mit meiner Sache steht.« Damit stand er auf und ging mit ihnen, Simier verspottend, der vor Furcht zitterte. Archant gab ihnen Wache in ein Zimmer; Herrn von la Chastre führte er hernach nach der Bastille. Herr von Lesse, der die Wache bei meinem Bruder hatte, war ein guter alter Mann; war Hofmeister des Königs, meines Gemahls, gewesen und liebte mich, wie seine eigene Tochter. Da er nun die Ungerechtigkeit dieses Verfahrens einsah und die schlechten Ratgeber des Königs verdammte, entschloß er sich, meinen Bruder zu befreien. Um mich von seinem Vorhaben zu unterrichten, ließ er die schottischen Schützen hinaus gehen, auf der Treppe vor meines Bruders Zimmer; zwei ausgenommen, auf welche er sich verlassen konnte, dann zog er mich bei Seite und sagte: »Kein rechtschaffner Franzose, dem nicht das Herz blutet, wenn er sieht, was wir sehen müssen. Ich war ein Diener des Königs, Eures Herrn Vaters, und opfere mein Leben für seine Kinder. Hoffentlich behalte ich die Wache bei Eurem Herrn Bruder, man mag ihn hinbringen, wo man wolle; gebt ihm die Versicherung, daß ich ihn rette, und sollte es auch mein Leben kosten; verlaßt Euch darauf; aber sprechen wollen wir nicht mehr darüber, man könnte Argwohn fassen.« Die Versicherung tröstete mich, und ich ward etwas heitrer. Drauf sagte ich meinem Bruder, daß wir unmöglich länger so ohne Untersuchung bleiben könnten; wir müßten doch wissen, wessen man uns beschuldige! Nur Bösewichter könne man so behandeln. Ich bat Herrn von Lesse, dem Könige zu sagen, weil er nicht zugeben wollte, daß die Königin Mutter herauf käme, daß es ihm gefallen möge, uns durch einen der Seinigen wissen zu lassen, warum wir in Verhaft wären. Herr von Combaut, der Anführer des geheimen Rats der Jungen, ward uns herauf geschickt; dieser sprach mit seiner gewöhnlichen Gravität, er sei abgesandt, sich zu erkundigen, was wir von dem Könige zu wissen verlangten. Wir wünschen jemand vom Könige zu sprechen, antworteten wir ihm, um die Ursache unseres Verhafts zu erfahren, da wir sie uns gar nicht denken können. Darauf erwiderte er ganz gravitätisch: »Die Götter und die Könige muß man nie um ihre Ursachen fragen; was sie tun, ist gut und gerecht!« Man kann doch, antworteten wir ihm, gegen uns nicht wie in der Inquisition verfahren, wo die Angeklagten erraten müssen, was ihr Verbrechen sei. – Wir konnten aber nichts von ihm herauskriegen, als, er würde sich für uns verwenden und uns so viel als möglich zu Diensten sein! Mein Bruder fing an zu lachen, ich aber war in Traurigkeit versunken, meinen Bruder, den ich mehr als mich selber liebte, in Gefahr zu sehen; und ich hielt mich nur mit Mühe zurück, ihm nicht alles zu sagen, was er verdiente. Während er dem Könige seinen Rapport brachte, ließ die Königin Mutter alle alten Räte, den Herrn Kanzler, die Prinzen, Herrn und Marschälle von Frankreich in ihr Zimmer zusammenrufen; sie war, wie leicht zu ermessen, in äußerster Betrübnis, da sie als eine sehr einsichtsvolle Frau wohl voraussehen konnte, daß diese heftigen Maßregeln ohne Urteil noch Recht dem ganzen Reiche Unglück bringen könnten, wenn mein Bruder nicht von Natur viel zu sanftmütig gewesen wäre. Die Herrn Räte waren alle erstaunt und erschrocken über das, was vorgegangen, und alle waren einstimmig der Meinung, die Königin Mutter müsse sich dem widersetzen und dem Könige das Unrecht, das er an sich selber täte, vorstellen. Was geschehen, sei nicht ungeschehen zu machen, man müsse es aber wieder auf das beste gut zu machen suchen.

Die Königin Mutter ging sogleich, begleitet von allen Räten zum Könige und zeigten ihm die Wichtigkeit der Sache. Dem Könige gingen die Augen auf über den verderblichen Rat jener jungen Leute; er nahm den Rat der alten wieder an und bat die Königin Mutter, doch alles wieder ins gehörige Gleis zu bringen, daß mein Bruder das Geschehene vergesse und es den jungen Leuten nicht weiter nachtrage; auch sollten Bussy und Quelus sich wieder versöhnen. Die Wache wurde meinem Bruder sogleich abgenommen, und die Königin Mutter kam zu ihm auf sein Zimmer. »Dankt Gott,« sagte sie zu ihm, »daß er Euch aus dieser großen Gefahr errettet, ich habe jetzt den Moment erlebt, in welchem ich an Eurem Leben verzweifelte. Da Ihr aber nun seht, daß der König nicht allein sich über wahrhafte Dinge, sondern auch über Einbildungen erzürnt; und wenn er einmal seinen Sinn auf etwas gesetzt, er weder meinen noch sonst irgend jemandes Rat annimmt, sondern tut, was ihm einfällt, so entschließe dich, in allen Dingen, nach seinem Willen zu bequemen, und zum Könige zu gehen, ohne beleidigt zu scheinen oder dich der Beleidigung zu erinnern.« Wir antworteten ihr, wir hätten allerdings große Ursache Gott zu danken, daß er uns gegen diese ungerechte Willkür beschützt habe. Nächst Gott verdankten wir diese Rettung ihr am meisten; der Rang meines Bruders aber erlaube nicht, daß man ihn so ohne Ursache verhafte und ohne Rechtfertigung oder Genugtuung wieder befreie. Darauf die Königin erwiderte: »Es ist nun einmal geschehen, und geschehene Dinge kann Gott selber nicht ungeschehen machen; die Unordnung bei der Gefangennehmung soll aber, durch das Ehrenvolle der Befreiung, wieder gut gemacht werden; du wirst jede Genugtuung erhalten, die du selber verlangst. Du mußt nur den König in allen Stücken befriedigen und mit Ehrerbietung und Zuneigung mit ihm sprechen. Außerdem mußt du aber noch suchen, Bussy und Quelus zu versöhnen, damit kein Streit zwischen ihnen bleibe; denn der vorzüglichste Beweggrund von allem dem Übel ist, daß der alte Bussy, der würdige Vater des würdigen Sohns, das Gutachten des Königs verlangt hat, seinem Sohn sekundieren zu dürfen, so wie auch der alte Quelus dem seinigen; sie viere wollten den Streit unter sich ausfechten, ohne den Hof weiter damit zu beunruhigen oder vielen andern Leuten Mühe zu machen.«

Mein Bruder meinte hierauf, Bussy würde, um nur aus dem Verhafte zu kommen, alles tun, was man von ihm verlangen werde, besonders wenn er sähe, daß keine Hoffnung, sich zu schlagen, vorhanden sei. Drauf ging die Königin Mutter hinunter und brachte es beim Könige dahin, daß die Befreiung ehrenvoll geschähe. Zu dem Ende begab er sich nach dem Zimmer der Königin Mutter, nebst seinem ganzen Staatsrat, und allen Prinzen und Herrn; ich und mein Bruder wurden durch Herrn von Villequier herunter gerufen. Da wir durch die Säle und Vorsäle gingen, fanden wir viele Leute versammelt, die uns mit Tränen in den Augen ansahen und Gott dankten für unsre Befreiung. Als wir zu Sr. Majestät in die Versammlung traten, sagte der König zu meinem Bruder: Er ersuche ihn, nichts übel zu nehmen von dem, was geschehen und sich nicht beleidigt zu glauben; sein Eifer für die Ruhe des Staats habe ihn dazu verleitet, er solle überzeugt sein, daß er ihn nicht habe kränken wollen. Darauf sagte mein Bruder, es wäre seine Schuldigkeit, alles gut zu finden, was Sr. Majestät gefiele; nur flehe er Sr. Majestät an, zu bedenken, daß seine Treue und Ergebenheit keine solche Begegnung verdiene; er schreibe dieses aber seinem unglücklichen Schicksal zu und wäre zufrieden, wenn nur Sr. Majestät seine Unschuld einsehen wollten. Hierauf sagte der König, es bliebe ihm kein Zweifel mehr, und er ersuche ihn, mehr als jemals von seiner Freundschaft überzeugt zu sein. Nun führte die Königin Mutter sie beide zusammen, und sie umarmten sich.

Der König befahl hierauf, daß man Bussy herein führe, um ihn mit Quelus auszusöhnen, und daß man Simier und la Chastre in Freiheit setze. Bussy trat mit der ihm allein eignen schönen Manier herein. »Ich verlange,« sagte der König, »daß Ihr Euch sogleich mit Quelus aussöhnet und daß von diesem Streite nicht wieder die Rede sei,« und befahl ihm, Quelus zu umarmen. »Sire, wenn Ihr es befehlt, ich bin ganz bereit, ihn zu küssen,« und mit diesen Worten umarmte er ihn mit einem komischen Gestus à la Pantolone, worüber die ganze Versammlung, obgleich sie noch von der vorhergehenden Szene bewegt und erschreckt war, sich des Lachens nicht erwehren konnte. Viele der Gescheitesten sahen ein, daß mein Bruder mit einer so leichten Genugtuung nicht zufrieden sein könne. –

Der König und die Königin nahten sich mir und sagten, ich müsse das meinige dazu tun, daß mein Bruder sich nichts mehr erinnere, was ihm Gelegenheit geben könne, sich von dem Gehorsam des Königs zu entfernen. Mein Bruder, antwortete ich, ist so vernünftig und seiner Pflicht so ganz ergeben, daß er weder von mir, noch von irgend jemand anders dazu angefeuert zu werden braucht; er würde auch von mir nie einen andern Rat erhalten, als der seiner Pflicht und ihrem Willen gemäß sei.

Es war drei Uhr nachmittags; kein Mensch hatte daran gedacht zu Mittag zu essen. Die Königin Mutter wünschte, wir möchten alle an einer Tafel speisen; dann befahl sie mir und meinem Bruder den Anzug zu wechseln (denn der unsrige war der traurigen Lage angemessen) und uns zum Souper und Ball beim Könige anzuschicken. Es ward ihr gehorcht, soweit es sich tun ließ, nämlich in Kleidern und Schmuck; dem Gesicht aber, diesem Spiegel der Seele, konnten wir den gerechten Unwillen und das Mißvergnügen über diese Tragikomödie nicht nehmen. Ritter von Sevre, den die Königin Mutter meinem Bruder gegeben hatte, um bei ihm in der Kammer zu schlafen, besaß ein dreistes freies Wesen und eine gute Art, alles, was er sagen wollte, zu sagen; er glich darin den cynischen Philosophen. Die Königin Mutter, die sich gern mit ihm unterhielt, fragte ihn bei dieser Gelegenheit, was er davon hielte? »Es ist«, sagte er, »zum Ernst zu wenig und zum Scherz zu viel!« Dann sagte er mir leise, daß sie es nicht hören konnte: »Ich glaube nimmermehr, daß dies schon der letzte Akt des Spiels war; dieser Mensch (mein Bruder nämlich) würde mich sehr betrügen, wenn er hier stehen bliebe.«

Da nun das Übel zwar von außen, aber noch innerlich gar nicht gehoben war, und die jungen Leute, des Königs Günstlinge, den Sinn meines Bruders nach dem ihrigen beurteilten, weil sie nicht wissen konnten, was Pflicht und Liebe zum Vaterlande über einen Fürsten, wie er, vermögen, überredeten sie den König (um seinen Vorteil immer mit dem ihrigen zu vermengen), mein Bruder würde diese Beschimpfung nie vergessen können und würde sicher suchen sich zu rächen. Der König, ohne sich im geringsten zu erinnern, in welchen Irrtum diese Menschen ihn verleitet hatten, ließ sich den Augenblick wieder hinreißen und gab den Hauptleuten von der Garde Befehl, genau Acht auf die Tore des Schlosses zu geben, damit mein Bruder nicht hinausginge, und daß seine Leute jeden Abend aus dem Louvre sich entfernen und niemand bei ihm bleiben solle, als die zu seiner Garderobe gehörten und in seinem Zimmer schliefen. Da mein Bruder sich nun so behandelt und der Willkür dieser Brauseköpfe sich so ganz hingegeben sah, befürchtete er noch Ärgeres; seine Gefahr und der Verdruß waren ihm noch frisch im Gedächtnis, er beschloß also, den Hof zu verlassen und seinen Zug nach Flandern bei sich in seiner Provinz zu ordnen und zu betreiben. Er teilte mir seinen Entschluß mit, und ich billigte ihn, denn es war zu seiner Sicherheit notwendig, und weder der König noch der Staat verloren etwas dabei. Da er nun nicht aus dem Louvre konnte, denn die Tore wurden so genau bewacht, daß man sogar jedem Ein- und Ausgehenden scharf ins Gesicht sah, so blieb kein andres Mittel, als sich aus meinem Fenster hinunter zu lassen, welches aus dem zweiten Stock in den Graben ging. Er bat mich, den nötigen Strick zu verschaffen, ich schickte also noch denselben Tag einen Burschen, auf den ich mich verlassen konnte, mit einem zerrissenen Bettsack hinaus, unter dem Vorwand, ihn zurecht machen zu lassen. Nach einigen Stunden brachte er ihn wieder, der Strick lag darinnen.

Diesen Abend speiste die Königin Mutter allein mit mir in dem kleinen Saal, der König speiste nicht zu Nacht, weil es ein Fasttag war. Mein Bruder, obgleich sonst ein Muster der Geduld und Mäßigkeit, war den Abend in der größten Ungeduld; er kam, als ich von der Tafel aufstand, zu mir und bat mich leise, zu eilen, daß ich auf mein Zimmer käme, er wolle mir gleich dahin folgen. Herr von Matignon, damals noch nicht Marschall, ein feiner gefährlicher Normanne, der meinen Bruder nicht liebte, war vielleicht von irgend einem Plauderer benachrichtigt worden, vielleicht hatte er auch etwas gemutmaßt an der Art wie mein Bruder zu mir sprach, dieser sagte zur Königin Mutter, als sie nach ihrem Zimmer ging, so daß ich fast alles hören konnte, denn ich stand neben ihr und gab auf alles, was vorging, genau Acht, so wie man in einer solchen Lage und auf dem Punkt frei zu werden, bewegt von Furcht und Hoffnung, immer tut. Er wüßte, sagte er, ganz gewiß, daß mein Bruder entfliehe, er stände dafür, daß er den andern Tag nicht zu finden sein würde; sie möchte also dafür sorgen. Ich sah ihre Bestürzung bei dieser Nachricht und fürchtete nun noch mehr entdeckt zu werden. Als wir in ihr Kabinett kamen, zog sie mich bei Seite und sagte: »Weißt du, was Matignon mir gesagt hat?« »Ich verstand ihn nicht, gnädige Frau,« antwortete ich, »aber ich sah wohl, daß es etwas war, das Euch verdrießlich war.« »Ja so ist es,« sagte sie sehr laut, »denn du weißt, ich habe beim Könige dafür gut gesagt, dein Bruder würde nicht entfliehen; und nun sagte Matignon, er wisse bestimmt, er würde morgen fort sein.« Hier fand ich mich nun zwischen den beiden Fällen, entweder meinem Bruder die Treue zu brechen und sein Leben in Gefahr zu bringen oder eine Unwahrheit zu bekräftigen (welches ich nie getan hätte, um tausendmal dem Tod zu entgehen). Ich befand mich in so großer Verlegenheit, daß, ohne die Hilfe Gottes, ich mich schon allein durch mein Ansehen verraten haben würde, ohne auch nur ein Wort zu sprechen. Da aber Gott die gute Absicht unterstützte und durch seine göttliche Güte so auf mich wirkte, daß ich, um meinen Bruder zu retten, eine Miene anzunehmen wußte und meine Worte so setzen konnte, daß die Königin nichts verstand, als was ich wollte, und so weder meinem Freunde noch meinem Gewissen durch einen falschen Eid zu nahe trat. Ich sagte ihr also, ob sie nicht wisse, daß Herr von Matignon ein boshafter Klatscher sei, der meinen Bruder hasse, und dem es leid sei, uns alle so einig zu sehen? Wenn mein Bruder fortginge, wollte ich mit meinem Leben für ihn haften; da er mir nie etwas verschwiegen, so würde er mir, wenn es seine Absicht wäre, auch wohl dieses entdeckt haben, und wenn dem so sei, so stände ich mit meinem Leben für ihn. Ich durfte das wohl sagen, denn war nur erst mein Bruder gerettet; so durfte man mir nichts zu Leide tun, und im schlimmsten Falle, wären wir auch entdeckt worden, so wollte ich lieber mein eignes Leben zum Pfande setzen als das meines Bruders in Gefahr bringen oder meine Seele durch einen falschen Eid belasten. Sie, die nicht tief auf den eigentlichen Sinn meiner Worte drang, sagte: »Bedenke was du sprichst; du sollst mir für ihn haften; du sollst mit deinem Leben für ihn haften.« Ich antwortete lächelnd: »Das wäre alles was ich verlangte.« Darauf wünschte ich ihr gute Nacht und ging auf mein Zimmer. Ich zog mich eilends aus und legte mich zu Bette, um meine Hofdamen los zu sein. Als ich mit meinen Kammerfrauen allein war, kam mein Bruder mit Simier und Cange; ich stand wieder auf, wir befestigten den Strick an einem Stock, und nachdem wir erst nachgesehen, ob auch niemand in dem Graben versteckt sei, ließen wir ohne andre Hilfe als der drei Kammerfrauen und des Burschen, der den Strick geschafft hatte, erst meinen Bruder hinab, welcher scherzte und lachte und nicht die geringste Furcht zeigte, obgleich es beträchtlich hoch war; dann Simier, der zitterte und sich vor Furcht kaum halten konnte, und zuletzt Cange, seinen Kammerdiener. Gott geleitete meinen Bruder glücklich nach der Abtei St. Genoveva, wo Bussy ihn erwartete; dieser hatte mit Bewilligung des Abts eine Öffnung in der Mauer gemacht, durch welche er aus der Stadt kam. Draußen fand er Pferde bereit, mit welchen er ohne Unfall nach Angers kam. Als wir zuletzt Cange hinunter ließen, erhob sich ein Mensch aus dem Graben und lief nach der Seite des Ballhauses auf dem Wege nach der Schloßwache zu. Ich, die während dieser Begebenheiten nie etwas für mich, sondern nur immer für die Sicherheit meines Bruders gefürchtet hatte, ward halb ohnmächtig vor Schrecken; denn ich fürchtete, Herr von Matignon habe diesen Menschen dorthin gesteckt, um uns zu belauschen; da ich nun gewiß glaubte, mein Bruder würde gefangen werden, geriet ich so in Verzweiflung, wie der nur eine Vorstellung davon haben kann, der etwas Ähnliches erfahren. In diesem Zustande des Entsetzens nahmen meine Frauen, die mehr als ich auf meine wie auf ihre eigne Sicherheit bedacht waren, den Strick und warfen ihn ins Feuer, damit er nicht gefunden würde, wenn zum Unglück jener Mensch im Graben bestellt gewesen wäre, uns zu verraten. Der Strick war so lang und stark, und verursachte ein solches Feuer, daß die Flamme aus dem Schornstein hinaus schlug. Die wachthabenden Schützen wurden das Feuer gewahr, kamen herauf, pochten gewaltig an der Türe und verlangten, man solle sogleich aufmachen. Ob ich nun gleich in diesem Augenblick meinte, mein Bruder sei gefangen und wir wären beide verloren, so behielt ich doch durch die Gnade Gottes und seiner großen Allmacht, auf die ich stets gehofft und die mich in allen Gefahren beschützte, eine solche Gegenwart des Geistes, daß ich, da der Strick nur erst zur Hälfte verbrannt war, zu meinen Frauen sagte, sie sollten ganz leise an die Türe gehen und ganz leise, als ob ich schliefe, fragen, was sie verlangten? Die Schützen antworteten ihnen, es brenne ein Schornstein aus einem Kamine, sie wollten das Feuer löschen. Darauf sagten meine Frauen, es hätte nichts zu bedeuten, sie würden es selber wohl löschen, sie sollten nur wieder gehen und mich nicht aufwecken. Da gingen sie fort. Um zwei Uhr des Morgens, nachdem dieser Lärm vorüber war, kam Herr von Lesse und forderte mich vor den König und die Königin Mutter, um Rechenschaft zu geben von der Flucht meines Bruders. Der Abt vom Kloster der heiligen Genoveva hatte mit Bewilligung meines Bruders, als er weit genug entfernt war, nicht eingeholt werden zu können, ihnen alles entdeckt, um nicht mit verwickelt zu werden. Er erzählte dem Könige, mein Bruder habe ihn in seinem Kloster überfallen und ihn so lange eingeschlossen, bis die Öffnung gemacht gewesen, er habe also Sr. Majestät nicht eher die Nachricht bringen können.

Herr von Lesse fand mich zu Bette; ich stand sogleich auf und nahm meinen Schlafrock um. Eine von meinen Frauen, erschrocken und unvorsichtig, hielt mich bei dem Schlafrocke fest und rief weinend: »Ihr werdet niemals wieder kommen!« Herr von Lesse stieß sie zurück und sagte: »Hätte diese Frau das in Gegenwart eines andern getan, der Euch weniger treu und ergeben ist, als ich, so könnte es Euch in Not bringen; aber fürchtet nichts und danket Gott, denn Euer Herr Bruder ist in Sicherheit!« Diese Worte waren mir eine heilsame Stärkung, deren ich wohl bedurfte, um den Zorn, die Drohungen des Königs zu ertragen. Ich fand ihn am Bette der Königin Mutter und in erschrecklicher Wut, die er mich, denke ich, auch genug würde haben fühlen lassen, wenn er nicht von meines Bruders Abwesenheit sowohl als von der Gegenwart der Königin Mutter davon wäre abgehalten worden. Sie riefen mir beide entgegen, ich hätte gesagt, mein Bruder würde nicht entfliehen, und ich hätte mich für ihn verbürgt! Ich sagte, das sei wahr, aber er habe mich ebenso wohl als sie betrogen; doch noch jetzt stände ich mit meinem Leben dafür, daß seine Entfernung dem Könige keinen Nachteil bringen würde, und daß er nur von seinem Hause aus die nötigen Vorkehrungen zu seiner Reise nach Flandern machen wollte. Der König ward einigermaßen davon besänftigt und ließ mich zurück auf mein Zimmer gehen. Er erhielt auch bald Nachrichten von meinem Bruder, welche ihm die Versicherungen, die ich gegeben, bestätigten. Die Anklagen hörten nun zwar auf, aber nicht die Unzufriedenheit; denn obgleich er sich stellte, als wollte er ihm zu seinem Zuge nach Flandern hilfreich sein, tat er im Gegenteil unter der Hand alles, um ihm Hindernisse in den Weg zu legen.

Drittes Buch

Ich bat nun den König stündlich um die Erlaubnis, zum Könige, meinem Gemahl, reisen zu dürfen. Er sah wohl ein, daß er mir diese nicht versagen durfte, doch wollte er mich nicht unzufrieden von sich lassen; außerdem wünschte er auch sehr, mich mit meinem Bruder zu entzweien; er machte sich mir also durch tausend Gefälligkeiten verbindlich und gab mir, dem Versprechen der Königin Mutter gemäß, die Verschreibung meiner Mitgift in Ländereien und außerdem noch das Ernennungsrecht der Ämter und Pfründen; dann auch die gewöhnliche Pension der Töchter vom Hause Frankreich und noch eine besondre Pension aus des Königs Schatulle. Jeden Morgen gab er sich die Mühe, mich zu besuchen und mir vorzustellen, wie sehr nützlich mir seine Freundschaft sein könnte. Die Liebe meines Bruders würde mich verderben, die seinige aber mich glücklich machen; und mehr dergleichen Sachen, die ungefähr dahin führten. Meine Treue gegen meinen Bruder war unerschütterlich, und ich antwortete dem Könige nie anders, als daß ich nur wünschte, meinen Bruder in seiner Gunst zu sehen; ich würde bei meinem Gemahl immer seinen Befehlen gehorchen und immer mich bemühen, auch ihn im Gehorsam des Königs zu erhalten.

Die Königin Mutter wollte meinen Bruder noch einmal zu Alençon sehen, ehe er nach Flandern ginge. Ich bat den König um Urlaub, sie begleiten zu dürfen, um Abschied von ihm zu nehmen. Er erteilte ihn mir, obwohl ungern. Als wir von Alençon zurückkamen, hielt ich wieder um die Erlaubnis an, reisen zu dürfen. Die Königin Mutter mußte auch in Geschäften des Königs nach der Gascogne reisen, es ward also beschlossen, daß ich mit ihr reisen solle. Der König begleitete uns nach seinem Dolinville. Nachdem er uns einige Tage dort bewirtet hatte, nahmen wir von ihm Abschied, und in kurzer Zeit befanden wir uns in der Guyenne. Sobald wir in die Staaten des Königs, meines Gemahls, gekommen waren, wurden uns allenthalben feierliche Einzüge gehalten. Der König, mein Gemahl, kam der Königin Mutter bis La Reolle entgegen, er konnte nicht weiter kommen, weil man in den protestantischen Ländern noch voll Mißtrauen war. Er hatte ein schönes Gefolge von allen den Herrn und Edelleuten von der Religion der Gascogner und auch von einigen Katholiken.

Die Königin Mutter dachte nur sich eine kurze Zeit dort aufzuhalten, aber es fügte manches sich so, von seiten der Hugenotten sowohl, als von seiten der Katholischen, daß sie sich gezwungen sah, länger als achtzehn Monate dort zu bleiben. Sie ward verdrießlich darüber und war einigemal geneigt zu glauben, man hielte sie absichtlich so lange auf, um ihre Hoffräulein desto länger dort zu behalten, denn der König, mein Gemahl, hatte sich in Dayelle verliebt, und Herr von Turenne in la Vergne; dies aber verhinderte doch nicht, daß mir der König, mein Gemahl, mit aller Freundlichkeit und Achtung begegnete, die ich nur wünschen konnte. Er hatte mir gleich bei meiner Ankunft erzählt, welche Ränke man während seines Aufenthalts am Hofe angewendet, um uns zu entzweien; er sah auch den wahren Grund und die Absicht davon wohl ein, um nämlich meinen Bruder von ihm zu trennen; er bezeigte große Freude, wieder mit mir zusammen zu sein. Solange die Königin Mutter in der Guyenne war, befanden wir uns in einer recht angenehmen, glücklichen Lage; während dem nahm sie auf Bitte meines Gemahls dem Marquis von Villars die Stelle als Leutnant des Königs und gab sie dem Marschall von Biron. Darauf begab sie sich nach Languedoc; wir begleiteten sie bis Casteleaudarry; dort nahmen wir von ihr Abschied und gingen zurück nach Pau in Bearn. Ich hatte keinen katholischen Gottesdienst daselbst; man erlaubte mir bloß, in einer kleinen Kapelle, die nicht mehr als drei oder vier Schritte lang war, Messe lesen zu lassen; es war so eng darin, daß es von uns sieben oder acht ganz voll war. Während die Messe gelesen wurde, zog man die Zugbrücke des Schlosses auf, weil man befürchtete, die Katholiken, die im Lande waren und keinen Gottesdienst halten durften, würden sich hinzu drängen, sie zu hören, denn sie waren sehr begierig nach dem heiligen Amte, das sie schon seit so langer Zeit entbehren mußten. Von diesem heiligen Verlangen getrieben, fanden die Einwohner zu Pau, an einem Pfingsttage, Gelegenheit, eh man noch die Brücke aufzog, in das Schloß und in die Kapelle zu schleichen; sie wurden bis gegen das Ende der Messe nicht daselbst entdeckt; da aber einige von meinen Leuten die Türe aufmachten, um hinaus zu gehen, wurden einige Hugenotten, die an der Türe spionierten, jene gewahr und klagten es an Pin, Sekretär meines Gemahls, der sehr für ihn eingenommen war. Da er viel Ansehen im Hause und alle Geschäfte zu führen hatte, welche die Hugenotten betrafen, ließ er die Katholiken mit einer Wache, von der Garde des Königs, meines Gemahls, abholen und sie in ein Gefängnis werfen, wo sie lange bleiben und noch eine starke Geldbuße zahlen mußten. Ich empfand diese üble Behandlung tief in der Seele, da ich gar nicht dergleichen erwarten durfte. Ich beklagte mich bei dem König, meinem Gemahl, und bat ihn, diese armen Katholiken frei zu geben, die keine so harte Bestrafung verdienten, weil sie, die so lange ihres Gottesdienstes beraubt waren, meine Gegenwart zu benutzen suchten, um an einem der großen Festtage Messe zu hören. Pin mischte sich unberufen hinein, und nahm das Wort, gegen die schuldige Ehrfurcht für seinen Herrn, und ohne diesem Raum zum antworten zu lassen. Ich möchte, sagte er, dem Könige, meinem Gemahl, mit dergleichen den Kopf nicht zerbrechen, denn jene hätten diese Strafe verdient, ich möchte auch sagen, was ich wollte, und meinen Worten zu Gefallen geschähe ihnen weder mehr noch weniger; ich könnte zufrieden sein, daß mir erlaubt würde, für mich eine Messe lesen zu lassen und für jeden meiner Leute, die ich mit hinein nähme. Diese Worte beleidigten mich erstaunlich von einem Menschen seines Standes, und ich flehte den König, meinen Gemahl, an, daß er, wenn ich so glücklich wäre, einigen Teil an seiner Gunst zu besitzen, sie mir zu erkennen gebe, indem er die unwürdige Behandlung dieses geringen Menschen ahnde und mir Genugtuung verschaffe. Der König, da er sah, daß ich mich so ereiferte und mit Recht, ließ ihn hinausgehen aus meinen Augen, und sagte zu mir, er wäre sehr böse über die Unschicklichkeit des Pin; der Eifer für seine Religion habe ihn zu weit geführt, und ich sollte jede Genugtuung, die ich verlange, erhalten. Über die verhafteten Katholiken würde er mit seinen Räten überlegen, was man tun könnte, um mich zufrieden zu stellen. Nachdem er so zu mir geredet, ging er in sein Kabinett und sprach mit Pin, der ihn wieder ganz umkehrte, so daß er aus Furcht, ich möchte dessen Abschied verlangen, mich vermied und mir sehr kalt begegnete. Da ich nun aber eigensinnig darauf bestand, daß er zwischen mir und Pin wählen müsse, sagten ihm alle Anwesenden, denen Pins Anmaßung verhaßt war, er möchte mich nicht wegen eines solchen Menschen, der mich beleidigte, mißvergnügt lassen; der König und die Königin Mutter würden es ihm sehr übel nehmen, wenn sie es erführen. Dadurch ward er gezwungen, ihm den Abschied zu geben; aber er hörte nicht auf, mir darüber übel zu wollen und böse auf mich zu sein, wozu ihn, wie er nachmals mir gestand, Herr von Pibrac verleitete, der doppelzüngig zu mir sagte, ich dürfe nicht zugeben, daß ein so geringer Mensch mir trotze, und ich müßte ihn auf jeden Fall fortschicken lassen; und zu meinem Gemahl: es ginge gar nicht an, daß ich ihn eines Mannes beraube, der ihm so notwendig sei. Aber Herr von Pibrac tat dies nur, um mich dahin zu bringen, daß ich wieder nach Frankreich zurückginge, wohin sein Stand als Präsident und Rat im königlichen Staatsrat ihn rief.

Was meine Lage noch verschlimmerte, war, daß der König, mein Gemahl, seitdem Dayelle fort war, sich um Rebours bewarb. Ein boshaftes Mädchen, die mir nicht wohl wollte und mir alles Böse tat, was sie vermochte. In diesen Widerwärtigkeiten, da ich zu Gott allein meine Zuflucht nahm, erbarmte er sich meiner Tränen und gab, daß wir von dem kleinen Pau weggingen, wo, zum guten Glück für mich, Rebours krank zurückblieb. Da der König, mein Gemahl, sie aus den Augen verlor, dachte er nicht mehr an sie und ließ sich mit Fosseuse ein, die damals schöner war und ganz gut, noch ganz ein Kind. Auf unserer Reise nach Montauban kamen wir durch eine kleine Stadt, Eause genannt; in der Nacht ward mein Gemahl daselbst krank, an einem anhaltenden Fieber mit starkem Kopfweh begleitet; diese Krankheit dauerte siebzehn Tage, während denen er weder Nacht noch Tag Ruhe hatte, man mußte ihn immer aus einem Bette in das andre schaffen. Ich wartete ihn selbst auf das sorgfältigste und entfernte mich während der ganzen Zeit, ohne mich umzukleiden, nicht einen Augenblick von ihm. Meine Dienste wurden ihm endlich lieb, und er rühmte sie gegen jedermann, besonders gegen Herrn von Turenne, der mir als Anverwandter den Dienst leistete und ihn wieder so mit mir aussöhnte, daß ich besser als je bei ihm stand. Diese Glückseligkeit währte die vier bis fünf Jahre, welche ich in der Gascogne mit ihm zubrachte, wo wir die meiste Zeit zu Nerac lebten. Unser Hof war so schön und angenehm, daß wir den französischen nicht beneiden durften. Die Prinzessin von Navarra war da, die seitdem den Herzog von Bar meinen Neffen geheiratet; ich und eine große Anzahl Damen und Fräulein; der König, mein Gemahl, hatte ein auserlesenes Gefolge von Herrn und Edelleuten, so artigen und rechtlichen Leuten, als ich jemals am französischen Hofe gesehen; es war kein Mangel an ihnen, außer daß sie das Unglück hatten, Hugenotten zu sein. Man sprach aber gar nicht über die Verschiedenheit der Religion. Der König und seine Schwester gingen mit ihrem Gefolge von der einen Seite zur Predigt, und ich mit dem meinigen von der andern Seite zur Messe in eine Kapelle im Park, in welchem wir uns, wenn ich heraus kam, vereinigten, um entweder hier, oder in einem sehr schönen Garten spazieren zu gehen, mit langen Alleen von hohen Lorbeerbäumen und Cypressen; oder auch in dem Park, den ich hatte machen lassen, worin Alleen von dreitausend Schritten, längs dem Ufer des Flusses hingingen. Den Rest des Tages brachten wir in allen Arten von anständigen Lustbarkeiten zu. Nach dem Mittagsessen und am Abend war gewöhnlich Ball. Während dieser ganzen Zeit machte der König die Aufwartung an Fosseuse, die sich so tugendhaft und ehrliebend betrug, daß, wenn sie sich immer so verhalten hätte, sie sicher nicht in das Unglück geraten wäre, welches denn wieder die Schuld von so vielen andern war, die sie selbst und auch mich betrafen.

Das Schicksal neidete uns das glückliche Leben, in welchem wir ruhig und einig seine Macht zu verachten schienen, als ob wir seiner Unbeständigkeit nicht unterworfen wären, und erregte, um uns wieder zu zerstören, einen neuen Krieg zwischen dem Könige, meinem Gemahl, und den Katholiken, der damit anfing, daß der König, mein Gemahl, und der Marschall von Biron, der auf Verlangen der Hugenotten Leutnant des Königs in der Guyenne geworden war, sich so entzweiten, daß ich sie niemals, aller angewandten Mühe ungeachtet, wieder hätte versöhnen können. Sie hatten ewigen Argwohn und Streitigkeiten gegen und mit einander, beklagten sich gegenseitig beim Könige; mein Gemahl verlangte, man sollte den Marschall von Biron wieder zurück rufen; und der Herr Marschall, der meinen Gemahl und alle von seiner Religion anklagte, daß sie allerlei gegen den Friedenstraktat unternähmen. Dieser Anfang der Uneinigkeit wuchs nach und nach höher zu meinem größten Leidwesen. Der Marschall von Biron riet dem Könige, er solle selber nach der Guyenne kommen, damit seine Gegenwart die Ordnung wieder herstelle. Da das die Hugenotten erfuhren, fürchteten sie, der König möchte sich ihrer Städte bemeistern und sie verjagen; sie beschlossen also, die Waffen zu ergreifen. Nichts hatte ich wohl mehr zu fürchten als diesen Krieg, da ich einmal mit in die Schicksale des Königs, meines Gemahls, verwickelt war, also gegen die Partei des Königs und meiner Religion sein mußte. Ich suchte meinen Gemahl und seine Räte davon abzubringen; ich zeigte ihnen, wie wenig vorteilhaft der Krieg ihnen sein könnte, da sie einen Chef wie den Marschall von Biron gegen sich hatten, einen so großen General, und der so gern gegen sie aufgebracht war, daß er sie gewiß niemals verschonen würde, wie viele andre getan. Würde der König einmal seine ganze Macht dazu anwenden, sie alle zu vertilgen, so würden sie ihr nicht widerstehen. – Ihre Furcht, der König möchte nach der Guyenne kommen, die Hoffnungen, in Ansehung ihrer Unternehmungen auf die meisten Städte der Gascogne und des Languedoc spornten sie so, daß ich sie, obgleich der König, mein Gemahl, viel Vertrauen zu mir hatte und die vornehmsten der Hugenotten mir Einsicht genug zutrauten, dennoch nie überzeugen konnte, was sie hernach auf ihre eigenen Unkosten erfuhren. Man mußte nun den Sturm ruhig vorüberziehen lassen, der sich aber bald legte, als sie jene Erfahrungen machten. Lange vorher hatte ich den König und die Königin-Mutter oft genug ermahnt, dem Übel zu steuern und dem Könige, meinem Gemahl, einiges nachzugeben; aber nie hatten sie darauf geachtet; sie schienen es im Gegenteil nicht ungern zu sehen, daß es so weit kam. Der Marschall von Biron überredete sie, er habe Mittel, die Hugenotten so tief herunter zu bringen, als er wolle. Mein Rat ward nicht geachtet, die Erbitterungen wurden immer heftiger, und man griff zu den Waffen. Die von der sogenannten reformierten Partei hatten sich aber in Ansehung ihrer Macht sehr verrechnet, sie waren nicht so stark als der Marschall von Biron, und alle ihre Unternehmungen mißglückten, außer daß sie Cahors einnahmen, obgleich mit einem starken Verlust. Herrn von Vezies, der darin lag, hatten sie zwei Tage lang bekämpft, und sich Straße nach Straße, Haus für Haus errungen. Hiebei zeigte der König, mein Gemahl, seine Tapferkeit und Einsicht nicht allein wie ein Fürst seines Standes, sondern wie ein erfahrner, kühner Heerführer. Die Einnahme von Cahors schwächte sie aber vielmehr, statt sie zu stärken. Der Marschall von Biron nahm seine Zeit wahr und behauptete das Feld, indem er alle kleinen Städte, welche mit Hugenotten besetzt waren, nahm und alles, was sich darin befand, über die Klinge springen ließ. Ich teilte gleich vom Anfang des Krieges an das Schicksal des Königs, meines Gemahls, ich hielt es für meine Pflicht, da er mich mit seinem Zutrauen beehrte; aber mit nicht geringen Leiden, weil der Vorteil der einen wie der andern Partei immer mit meinem Nachteil verbunden war. Denn siegten die Hugenotten, so geschah es auf Unkosten meiner Religion, deren Erhaltung ich doch mehr als mein eignes Leben wert hielt; siegten die Katholiken, so war es auf Unkosten des Königs, meines Gemahls. Ich war aber durch meine Pflicht sowohl als durch seine Freundschaft und sein Zutrauen bei ihm zu bleiben verbunden; ich schrieb daher dem Könige und der Königin-Mutter die Lage der Dinge, da sie nicht auf meine Warnungen geachtet. Ich ersuchte sie, wenn sie auch in Rücksicht auf mich die beiden Feuer, zwischen welchen ich mich befände, nicht tilgen wollten, daß es ihnen doch gefallen möchte, dem Marschall von Biron zu befehlen, daß er Nerac neutral behandeln sollte, wo ich mich aufhielt, und auf drei Meilen den Krieg davon entfernt halte. Dasselbe würde ich von meinem Gemahl, in Ansehung seiner Truppen, fordern. Es ward mir unter der Bedingung bewilligt, wenn der König, mein Gemahl, nicht in Nerac sei; die Neutralität wäre aufgehoben, sobald er sich daselbst aufhielte. Diese Bedingungen wurden von beiden Seiten so ehrerbietig als ich nur verlangen konnte, erfüllt; doch konnten sie den König, meinen Gemahl, nicht abhalten, oft nach Nerac zu kommen, wo er mich und seine Schwester traf; denn er war gern in Gesellschaft von Frauen und liebte besonders noch die Fosseuse sehr, über die ich aber niemals zu klagen Ursache hatte. Da der König, mein Gemahl, nun sah, daß ich nichts mehr wünschte, als ihm gefällig zu sein, lebte er in aufrichtiger brüderlicher Freundschaft mit mir.

Einmal blieb er mit seinem ganzen Gefolge drei Tage in Nerac; er konnte sich gar nicht entschließen, den ihm so angenehmen Aufenthalt zu verlassen. Der Marschall von Biron ward von seinen Kundschaftern davon unterrichtet, stellte sich, als wollte er mit seiner Armee nur nahe vorbeiziehen, um sich bei einer Überfahrt des Flusses mit Herrn Cornusson, Seneschall von Toulouse, zu vereinigen, der ihm Truppen zuführte, und anstatt wirklich dahin zu ziehen, wandte er sich gegen Nerac und stand plötzlich eines Morgens um neun Uhr mit seiner Armee vor den Toren von Nerac. Der König, mein Gemahl, der den Abend vorher schon die Nachricht von der Ankunft des Herrn von Cornusson gehabt hatte, wollte ihre Vereinigung verhindern und jeden besonders schlagen; an Macht fehlte es ihm nicht dazu, denn er hatte damals Herrn von Rochefoucaut mit dem ganzen Adel von Xainctonge und an achthundert Schützen zu Pferde, die er ihm zugeführt hatte; er war also mit Anbruch des Tages ausgezogen und meinte, sie bei der Mündung des Flusses anzutreffen. Er war aber nicht genau berichtet; Herr von Cornusson war schon den Abend vorher über den Fluß gegangen, er kehrte also nach Nerac zurück, und während er in ein Tor hinein zog, hörte er, daß der Marschall von Biron vor dem andern stand, in völliger Schlachtordnung. Es war den Tag übles Wetter, es regnete so stark, daß die Büchsenschützen nicht dienen konnten. Dem ungeachtet warf der König, mein Gemahl, einen Teil seiner Truppen in die Weinberge, um den Marschall von Biron vom Vordringen abzuhalten. Der Marschall konnte auch wegen des Regens an dem Tage nichts weiter anfangen, als daß er in seiner Ordnung fest stehen blieb, sein Geschütz bedeckte, bis sie feuern konnten, und unterdessen einige absendete, die verlangten eine Lanze zu brechen zur Ehre der Damen; dann ließ er plötzlich seine Truppen sich teilen und warf einige Kugeln in die Stadt, von denen eine das Schloß traf; worauf er sich zurückzog und mir einen Trompeter sandte mit Entschuldigungen für ihn. Wenn ich allein gewesen wäre, ließ er mir sagen, würde er dergleichen um keinen Preis unternommen haben, der König, mein Gemahl, wäre aber, wie ich wohl wisse, nicht mit in die Neutralität begriffen, und er habe Befehl von dem Könige, ihn anzugreifen, wo er ihn anträfe. Der Marschall von Biron hatte mir sonst bei allen Gelegenheiten alle Achtung bezeigt und mir Beweise seiner Freundschaft gegeben; denn er hatte mir während des Krieges Briefe uneröffnet zugeschickt, die ihm in die Hände gefallen waren, und alle, die zu mir gehörten, behandelte er mit Achtung und Schonung. Ich gab seinem Trompeter zur Antwort: ich wisse sehr wohl, daß der Herr Marschall nur nach Kriegsgesetzen und nach den Befehlen des Königs gehandelt habe; ein verständiger Mann aber wie er könnte sehr wohl beides tun, ohne seinen Freunden zu nahe zu treten; er hätte wohl der Gegenwart meines Gemahls mich können erfreuen lassen, diesen könnte er zu Nerac nicht angreifen, ohne zugleich mich anzugreifen; ich fände mich sehr dadurch beleidigt und würde mich beim Könige darüber beklagen.

Der Krieg dauerte noch eine Zeitlang, und die Hugenotten zogen den kürzern; dies half mir, den König, meinen Gemahl, zum Frieden zu bereden. Ich schrieb oft an den König und die Königin-Mutter darüber, aber diese wollten nichts davon hören, sie verließen sich auf das Glück des Marschalls von Biron. Zu derselben Zeit, als dieser Krieg losbrach, ward die Stadt Cambray, die sich seit meiner Abreise von Frankreich, durch die Vermittlung des Herrn von Ainsi, meinem Bruder ergeben hatte, von den Spaniern belagert. Mein Bruder erhielt diese Nachricht bei sich zu Plessis la Tour. Er war kürzlich von seinem ersten flandrischen Zuge zurückgekommen; die Städte Mons, Valenciennes und andre unter dem Gouvernement des Grafen Lalain stehende hatten sich ihm ergeben; Graf Lalain hatte offen die Partei meines Bruders genommen und ihn in allen Ländern, die unter ihm standen, als Oberherrn anerkennen lassen; er wollte nun dem Herrn von Ainsi in Cambray zur Hilfe kommen und ließ schnell Leute anwerben, um mit ihnen hinzueilen. Er konnte nicht schnell genug bereit sein, er ließ also Herrn von Balagny sich hineinwerfen, um die Belagerung so lange auszuhalten, bis er mit seiner Armee käme, sie aufzuheben. Als er nun damit eben beschäftigt war, kam dieser Hugenotten-Krieg dazwischen; die neuen Truppen verließen meinen Bruder, um dem Könige nach der Gascogne zu folgen; so daß jener keine Hoffnung behielt, Cambray zur Hilfe kommen zu können; mit Cambray ging ihm alles verloren, was er in dem Lande besessen hatte; und was am schlimmsten war, Herr von Balagny und alle, die mit ihm in Cambray eingeschlossen waren. Es verdroß ihn sehr, und da er sehr viel Urteilskraft besaß und es ihm bei seinen Unfällen niemals an einem Auswege fehlte, so sah er gleich ein, daß das einzige Mittel für ihn sei, Frieden in Frankreich zu stiften. Sein Mut fand nie Schwierigkeiten in seinen Unternehmungen. Er sandte sogleich einen Edelmann zum Könige und ließ um die Erlaubnis zu Friedensunterhandlungen anhalten. Er unternahm es selber, damit nicht etwa ein andrer Bevollmächtigter die Sache so in die Länge zöge, bis er Cambray nicht mehr zur Hilfe kommen könnte; Herr von Balagny hatte ihm geschrieben, daß er nicht länger als sechs Monat Zeit habe, wenn er ihm noch zur Hilfe kommen wollte; länger könnte er das Volk in der Stadt nicht zurückhalten, sich zu ergeben, wegen des Mangels an Lebensmitteln. Gott stand meinem Bruder in seinen Absichten bei; der König nahm seinen Vorschlag zu Friedensunterhandlungen an; er glaubte dadurch ihn von Flandern abzuhalten, woran er niemals einen rechten Gefallen gefunden hatte. Er gab ihm förmlichen Auftrag und Vollmacht zum Frieden und sandte ihm zur Unterstützung die Herrn von Villeroy und von Bellievre. Es gelang meinem Bruder ganz vollkommen, er kam nach der Gascogne und machte Frieden, sowohl zur Zufriedenheit der Katholiken als der Protestanten. Sein Verfahren war so ganz vernünftig, daß er sich die Liebe und das Lob aller erwarb. Sieben Monate dauerte das Geschäft, die ihm lang genug dünkten wegen seiner Begierde, Cambray zu entsetzen, obgleich die Freude, mit uns zusammenzusein, ihm seine Sorgen erleichterte. Er erwarb sich bei dieser Gelegenheit den Marschall von Biron, der es übernahm, seine Armee nach Flandern zu führen; dem Könige, meinem Gemahl, zu Gefallen nahm er den Marschall fort und schickte den Marschall von Matignon nach der Guyenne. Vor seiner Abreise wünschte mein Bruder, noch den König, meinen Gemahl, mit dem Marschall von Biron auszusöhnen; er sollte mich wegen dessen, was bei Nerac vorgefallen war, bei der nächsten Unterredung um Verzeihung bitten; mir befahl er, ihn tüchtig und mit derben Worten auszuschelten. Diesem leidenschaftlichen Befehl meines Bruders gehorchte ich mit der in solchen Dingen gehörigen Schonung, er hätte vielleicht es sonst eines Tags bereuen können, denn er hatte von seinem Beistande viel zu hoffen. Mein Bruder kehrte, begleitet vom Marschall von Biron, nach Frankreich zurück. Diese Unruhen zur Zufriedenheit aller Parteien gestillt zu haben, häufte nicht weniger Ehre und Ruhm auf ihn als alle Siege, die seine Waffen erfochten. Seine Armee ward stärker und schöner als je. Aber wird nicht das Glück und der Ruhm immer vom Neide verfolgt? Der König fand kein Wohlgefallen an dem Ruhm meines Bruders, ebensowenig als daran, daß er sieben Monate in der Gascogne mit mir zusammengewesen war. Um seinem Zorn eine Ursache zu geben, bildete er sich ein, ich hätte diesen Krieg gestiftet und meinen Gemahl dazu verleitet, (der aber wohl das Gegenteil bezeugen kann,) um meinem Bruder den Ruhm zu verschaffen, Frieden gestiftet zu haben. Wäre es auf mich angekommen, er hätte diesen mit geringerer Mühe und weniger Zeitverlust haben können; seine Angelegenheiten in Flandern und Cambray hatten keinen Nutzen von diesem Aufenthalt. Doch wie? Verblenden Haß und Neid die Augen doch so, daß man nie die Dinge sieht, wie sie sind! Auf diesem Grund baute der König einen tödlichen Haß gegen mich; er suchte alle alten Erinnerungen wieder zusammen, wie ich in allen Angelegenheiten, sowohl während seines Aufenthalts in Polen als nachher, immer die Partei meines Bruders genommen hatte; und beschwor meinen Untergang. Das Schicksal begünstigte seinen Haß; denn während den sieben Monaten, die mein Bruder sich in der Gascogne aufhielt, wollte es das Unglück, daß er sich in die Fosseuse verliebte, die von meinem Gemahl geliebt ward. Dieser glaubte, ich begünstige die Absichten meines Bruders, und war noch dran, deswegen böse auf mich zu sein. Da ich es merkte, ließ ich nicht nach mit Bitten bei meinem Bruder und stellte ihm vor, wie vielen Verdruß er mir zuzöge; er, der mehr meine Zufriedenheit suchte als die seinige, bezwang seine Leidenschaft und redete nicht mehr mit ihr. Von dieser Seite hatte ich dem Übel so vorgebeugt; das gehässige Geschick läßt sich aber auf den ersten Wurf nicht abschrecken; es legte mir eine andre, weit gefährlichere Schlinge. Die Fosseuse liebte den König, sie hatte ihm aber noch keine andre Vertraulichkeit zugestanden, als die Sittsamkeit erlaubt; um ihm jetzt ihre ungeteilte Liebe zu beweisen und ihn von seiner Eifersucht wegen der Liebe meines Bruders zu heilen, gab sie sich ihm ganz und ohne alle Zurückhaltung hin, und zum Unglück ward sie schwanger. Da sie sich in diesen Umständen sah, veränderte sie ihr Betragen ganz gegen mich. Statt daß sie sonst offen und zutraulich gegen mich war und mir bei meinem Gemahl alle ersinnlichen guten Dienste leistete, verbarg sie sich nun gegen mich und suchte mir nun ebenso schädlich zu werden, als sie mir zuerst nützte. Sie hatte sich des Königs, meines Gemahls, so bemeistert, daß er in kurzer Zeit sich sehr gegen mich veränderte. Er entfremdete sich von mir, vermied mich, und meine Gegenwart war ihm nicht mehr so angenehm als in den glücklichen Jahren, die ich mit ihm in der Gascogne zubrachte, während denen die Fosseuse sich ehrbar betragen.

Nachdem mein Bruder nach geschlossenem Frieden nach Frankreich gegangen, um seine Armee zu bilden, und wir nach Nerac zurückgekehrt waren, so setzte die Fosseuse, als wir kaum dort anlangten, dem Könige, meinem Gemahl, in den Kopf, er solle nach den Bädern von Aigues-caudes, im Bearnschen mit ihr gehen; es sei nun um ihre Schwangerschaft zu verbergen oder sich deren zu entledigen. Ich ersuchte meinen Gemahl, ihn nicht nach Aigues-caudes begleiten zu dürfen, er wisse wohl, daß ich wegen der Mißhandlung zu Pau geschworen habe, nicht eher wieder nach dem Bearn zu gehen, bis die katholische Religion daselbst herrsche. Er drang sehr in mich, mitzureisen, und erzürnte sich, als ich mich standhaft dessen weigerte. Endlich sagte er, sein Mädchen, (so nannte er die Fosseuse,) müsse wegen ihrer Magenkrankheit hinreisen. Ich hätte nichts dagegen, daß er hinreise, erwiderte ich. Es schickte sich nicht, meinte er, ohne mich zu reisen, es gäbe nur Gelegenheit, Böses zu denken, wo keins wäre. Darauf ward er sehr zornig auf mich, weil ich demungeachtet nicht mitwollte. Ich brachte es aber doch so weit, daß er sich zufrieden gab und mit ihr allein reiste, begleitet von der Hofmeisterin und von zweien ihrer Gespielinnen, der Rebours und der Villesavin; ich erwartete ihre Zurückkunft zu Baviere. Von der Rebours bekam ich täglich Nachrichten, daß die Fosseuse mir schlechte Dienste erzeige, daß sie mich immer verleumde und sich einbilde, wenn sie einen Sohn bekommen sollte und mich loswerden könnte, würde sie die Gemahlin des Königs werden; zu dem Ende wolle sie mich nach Pau bringen lassen; sie habe auch den König, meinen Gemahl, schon dazu beredet, mich bei meiner Zurückkunft von Baviere hinzuschicken, und das mit Gewalt, wenn ich nicht im guten wollte. Die Rebours war ein verderbtes falsches Mädchen, die nichts wünschte als die Fosseuse zu verdrängen, um sich wieder in die Gunst meines Gemahls einzuschleichen; aber ihre Nachrichten betrübten mich dennoch sehr, wie man wohl denken kann; ich erwartete jedoch, voll Vertrauen auf die Güte Gottes und meines Gemahls, seine Ankunft standhaft zu Baviere; ich vergoß so viel Tränen, als sie Tropfen des Gesundheitswassers tranken, obgleich der ganze katholische Adel der Gegend in meinem Gefolge war und sich alle ersinnliche Mühe gab, mich meinen Schmerz vergessen zu machen. Nachdem vier oder fünf Wochen verflossen waren, kam der König, mein Gemahl, Fosseuse und ihre Begleiterinnen wieder. Da er von einigen Herren, die mit mir waren, erfuhr, in welcher Angst ich wäre, nach Pau zu müssen, drang er nicht weiter sehr in mich darum, er sagte bloß, er hätte sehr gewünscht, daß ich es gern tun möchte. Da er nun aber aus meiner Antwort sowohl, als aus meinen Tränen sah, daß ich lieber sterben wolle, als nach Pau gehen, änderte er seine Absicht, und wir gingen nach Nerac zurück. Dort erfuhr ich, daß man ganz öffentlich und nicht allein an unserm Hof, sondern im ganzen Lande, von der Schwangerschaft der Fosseuse redete; ich entschloß mich also mit ihr selber davon zu sprechen, damit wir Mittel ausfinden möchten, dem öffentlichen Gerede ein Ende zu machen; ich nahm sie also zu mir in mein Kabinett, wo ich ihr sagte: »Obgleich Ihr Euch seit einiger Zeit von mir entfernt habt, und man mich versichert, daß Ihr mir bei dem Könige, meinem Gemahl, lauter Böses erzeigt, so erlaubt es mir doch nicht meine ehemalige Freundschaft für Euch und die achtungswürdigen Personen Eure Angehörigen, daß ich Euch verließe und Euch nicht in Eurem Unglück beistehen wollte. Ich bitte Euch, nichts zu leugnen und nicht Eure Ehre mit der meinigen zugrunde zu richten. Seid versichert, ich werde Euch wie eine Mutter helfen. Ich kann unter dem Vorwande der Pest, die, wie ihr wißt, in diesem Lande und sogar in unsrer Stadt wütet, mich entfernen und nach Mas Agenois gehen, ein ganz entlegenes Haus des Königs, meines Gemahls. Ich werde kein stärkeres Gefolge mit mir nehmen, als Ihr selber wollt. Unterdessen wird der König, mein Gemahl, in einer andern Gegend auf die Jagd gehen, und ich rühre mich von dort nicht weg, bis Ihr befreit seid. So können wir dem Lärm ein Ende machen, der mir nicht weniger verdrießlich ist, als Euch.« Sie nun, anstatt es mir zu danken, sagte mit der ungeheuersten Impertinenz: »Alle die, welche das behaupten, würde sie Lügen strafen. Sie wisse wohl, daß ich sie seit einiger Zeit nicht liebe und bloß einen Vorwand suche, sie zu verderben.« Sie schrie so laut dabei, da ich doch sanft und leise mit ihr geredet hatte, ging voller Wut aus meinem Kabinett und klagte es dem Könige, meinem Gemahl. Dieser geriet in Zorn auf mich, daß ich seinem Mädchen dergleichen sagte, behauptete auch, sie würde alle die Lügen strafen, die sich über sie aufhielten und war lange Zeit ganz böse mit mir, bis endlich nach einigen Monaten ihre Stunde kam. Sie schlief in dem Hoffräulein-Zimmer; des Morgens früh bekam sie heftige Schmerzen; sie ließ meinen Arzt holen und bat ihn, den König, meinen Gemahl, von ihrem Zustande zu benachrichtigen. Der Arzt kam in unser Schlafzimmer, wo wir, wie immer, in abgesonderten Betten schliefen und gab meinem Gemahl diese Nachricht. Nun war er in großer Verlegenheit und wußte nicht, was zu tun. Denn er fürchtete, sie möchte verraten oder schlecht bedient werden; er liebte sie sehr. Endlich entschloß er sich, mir alles zu entdecken und mich um Hilfe für sie zu bitten, er wußte wohl, daß er mich immer bereit finden würde, ihm zu dienen, was auch vorhergegangen sein mochte. Er zog meine Bettvorhänge auf und sagte: »Meine Liebe, ich muß jetzt Euch etwas gestehen, das ich bis jetzt immer verleugnet hatte. Ich bitte, vergebt mir, denkt nicht mehr an das, was ich bisher darüber gesagt; steht mir zu Gefallen gleich auf und sucht der Fosseuse zu helfen, sie ist sehr übel dran. Ich bin gewiß, Ihr werdet Euch in ihrem jetzigen Zustande alles Vergangenen nicht mehr erinnern wollen. Ihr wißt, wie sehr ich sie liebe, ich bitte Euch also recht sehr, tut mir den Gefallen.« Darauf antwortete ich: Ich ehrte ihn zu sehr, um durch ihn beleidigt werden zu können; ich wollte zu ihr gehen und sie wie meine eigne Tochter versorgen; er sollte unterdessen auf die Jagd gehen und den ganzen Hof mitnehmen, damit man nichts erführe.

Ich ließ sogleich die Fosseuse aus dem Hoffräulein-Zimmer fortnehmen und in ein entlegnes Zimmer bringen, schickte ihr meinen Arzt, Frauen zu ihrer Bedienung und ließ ihr aufs sorgfältigste Hilfe leisten. Gott gab, daß sie nur eine Tochter gebar, die auch nicht lebte. Nach der Entbindung brachte man sie wieder in das Hoffräulein-Zimmer. Aller angewandten Vorsicht ungeachtet konnte man dennoch nicht verhindern, daß das Gerücht davon nicht augenblicklich im ganzen Palast herumkam. Der König, mein Gemahl, ging gleich nach der Jagd zu ihr, wie er gewöhnlich tat; sie bat ihn, daß ich sie besuchen möchte (nach meiner Gewohnheit, die Hoffräulein zu besuchen, wenn sie krank waren), weil sie meinte das Gerücht dadurch zu unterdrücken. Der König, mein Gemahl, kam zu mir und fand mich im Bette liegend. Ich war müde vom ungewöhnlich frühen Aufstehen und von der Mühe, die ich gehabt hatte. Er bat mich, doch aufzustehen und zu ihr zu gehen; ich wollte aber nicht und sagte ihm: ich wäre zu ihr gegangen, als sie meiner Hilfe bedurfte, jetzt aber könnte sie mich nicht weiter brauchen; ich würde, wenn ich jetzt hinginge, viel eher verraten, was es eigentlich sei, als daß ich es verberge; und auf mich würde die ganze Welt mit Fingern zeigen. Darüber ward er sehr aufgebracht, und dies verdroß mich nicht wenig, denn ich glaubte, nach dem, was ich den Morgen getan, eine andre Vergeltung verdient zu haben. Die Fosseuse setzte ihn oft in solche Laune gegen mich.

Der König, dem nichts verborgen blieb, was in den Häusern der Großen seines Reichs vorging, war besonders begierig, alles zu erfahren, was sich an unserm Hof zutrug; er trug noch immer dasselbe Verlangen sich an mir zu rächen, das er ehemals gefaßt, bei Gelegenheit, als mein Bruder, wie ich schon erwähnt, bei seinem Friedensgeschäft sich so viel Ruhm erwarb. Er sah es als ein treffliches Mittel an, mich so elend zu machen, als er mich zu sehen wünschte, wenn er mich vom Könige, meinem Gemahl, entfernen könnte; er hoffte, die Entfernung würde wie die Öffnungen der mazedonischen Schlachtordnung wirken. Zu dem Ende ließ er mir durch die Königin Mutter schreiben: sie wünsche mich wieder zu sehen; ich wäre beinah sechs Jahre von ihr entfernt, dies wäre lange genug; es wäre nun Zeit, daß ich den Hof wieder besuchte, es würde für die Angelegenheiten meines Gemahls, wie für die meinigen, sehr nützlich sein. Sie wisse, der König sei begierig mich wieder zu sehen, wenn es mir also an Mitteln zur Reise etwa fehlen sollte, würde er sie mir geben. Der König schrieb mir das nämliche und schickte Manniquet, seinen Haushofmeister, zu mir, mich zu überreden, denn ich hatte mich in der ganzen Zeit, die ich in der Gascogne zugebracht hatte, nicht entschließen können, den französischen Hof zu besuchen; jetzt fand er mich eher geneigt hierzu, wegen meines Verdrusses mit der Fosseuse, von welchem ich den Hof benachrichtigt hatte. Der König und die Königin Mutter schrieben mir zwei-, dreimal hintereinander und ließen mir 1500 Taler auszahlen, damit mich die Reisekosten nicht abhalten möchten. Die Königin Mutter schrieb, sie würde mir bis Xainctonge entgegenkommen; sollte etwa mein Gemahl mich bis dorthin begleiten, so würde sie alsdann mit ihm sprechen und ihm die Zusicherung vom Willen des Königs geben. Er wünschte nämlich sehr, ihn wieder aus der Gascogne zu ziehen und ihn wieder unter denselben Bedingungen als ehemals an dem französischen Hof zu sehen. Auch trieb der Marschall von Matignon meinen Gemahl sehr dazu an, weil er Lust hatte, allein in der Gascogne zu bleiben. All dieser schöne Schein des Wohlwollens täuschte mich nicht über das, was man von dem Hof zu erwarten hatte; ich war zu gut von der Vergangenheit belehrt. Ich beschloß aber von diesem Anerbieten Nutzen zu ziehen und nur auf einige Monate hin zu reisen, um unsre Angelegenheiten in Ordnung zu bringen. Ich glaubte auch, es würde die Liebe meines Gemahls zur Fosseuse etwas stören, denn ich nahm sie mit, und wenn er sie nicht mehr sähe, würde er sich vielleicht mit einer andern einlassen, die weniger feindlich gegen mich gesinnt wäre. Es kostete mir viel Mühe, ehe ich vom Könige, meinem Gemahl, Urlaub zu dieser Reise bekam, denn es tat ihm leid, sich von der Fosseuse zu trennen. Er begegnete mir besser und wünschte sehr, ich möchte die Lust verlieren, nach Frankreich zu reisen; ich hatte es aber in meinen Briefen dem Könige und der Königin Mutter schon zugesagt und die angewiesenen Summen zur Reise schon gehoben. Mein Unglück zog mich also hin, trotzdem daß ich damals höchst ungern reiste, weil der König, mein Gemahl, eben anfing, mir freundlicher zu begegnen.

Hier endigen die Memoiren der Königin Margaretha.


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