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Aus der Notiz der französischen Herausgeber, nebst einigen Zusätzen aus der Lebensbeschreibung von Mongez

Margaretha von Valois ward im Jahre 1552 am 14. Mai geboren; ihr Vater, Heinrich II., hatte eben die drei Bistümer, Metz, Toul und Verdun, erobert. Einige französische Schriftsteller haben diese Epoche als eine der ruhmwürdigsten der französischen Monarchie angeführt; hätten sie die Kette von Übeln, welche für die Nation aus ihr entsprang, in Betracht zu ziehen gewürdigt, so möchte sich ihr Enthusiasmus wohl abgekühlt haben. Aus den Denkmälern lernen wir, daß die Vereinigung von Metz, Toul und Verdun ihren Wert hundertfach sowohl durch den Anwachs der öffentlichen Schuldenlast als durch die Verwüstung mehrerer Provinzen und durch die Ströme Bluts bezahlt, die bis zum Frieden von Château-Cambresis nicht zu fließen aufhörten.

Margaretha war das achte Kind Heinrichs II. mit Katharina von Medizis; einen Sohn und zwei Töchter ungerechnet, die als Kinder starben, waren es der Dauphin, nachmals Franz II., Karl IX., Heinrich III., der Herzog von Anjou, der 1584 starb, Elisabeth, Gemahlin Philipps II. von Spanien, und Klaudia, Gemahlin des Herzogs von Lothringen, welche dem Hause Valois einen dauernden Besitz der Krone Frankreichs versprachen. Aber von allen diesen Nachkommen erreichte Margaretha allein das fünfzigste Jahr ihres Lebens; keiner von denen, welche die Krone Karls des Großen trugen, hinterließ rechtmäßige Erben, und das Reich fiel Heinrich IV. zu, der bei seiner Geburt siebzehn Häupter fand, die zwischen ihm und der Krone standen.

Die ersten Jahre ihres Lebens brachte Margaretha im Schloß von St. Germain-en-Laye zu, wo sie mit großer Sorgfalt erzogen ward; ihre Talente sowohl als ihre Lernbegierde entsprachen dieser sorgfältigen Erziehung. Die Königin Johanna d'Albret, Mutter Heinrichs IV., ausgenommen, gab es keine Prinzessin ihrer Zeit, die so ausgebreitete Kenntnisse besessen hätte. Mit ihr wurden zu St. Germain ihre beiden Schwestern Elisabeth und Klaudia erzogen und die Königin Maria Stuart. Zwischen dem Schicksale dieser Fürstin und dem der Margaretha ist eine gewisse Ähnlichkeit, welche schon in ihrer Kindheit und in ihrer ersten Erziehung sichtbar ist. Ihre gemeinschaftliche Erzieherin war Frau von Courton, eine sehr tugendhafte, verdienstvolle Frau, die bei sieben Königinnen dasselbe ehrenvolle Amt bekleidet hatte.

Ein Jahr nach Margaretha ward Heinrich von Bourbon, Prinz von Navarra, geboren. Als er vier Jahre alt war, führte ihn der König von Navarra, sein Vater, nach Amiens, wo er ihn Heinrich II. vorstellte; er war so artig und so munter, daß der König Heinrich beschloß, ihn mit dem Dauphin Franz zusammen erziehen zu lassen. Er umarmte und liebkoste ihn und fragte ihn, ob er sein Sohn sein wolle? Der kleine Prinz antwortete in seiner Béarnschen Landessprache, indem er auf den König von Navarra zeigte: »Quet es lo seigne Pay«; dieser ist mein Herr Vater! Heinrich II. fand Vergnügen an seiner Art zu sprechen und sagte: »Nun, wenn du nicht mein Sohn sein willst, möchtest du denn wohl mein Schwiegersohn werden?« »O bè!« Oh ja! rief der Prinz lebhaft. Und von da an ward zwischen den beiden Höfen die Vermählung der Margaretha und des Prinzen von Navarra beschlossen; unter glücklichen Vorbedeutungen, wie man damals glaubte.

Er ward also zu Vincennes mit dem Dauphin erzogen und alsdann nach dem Kollegium von Navarra geführt, wo er seine erste Jugend mit dem Herzog von Anjou und dem Prinzen von Joinville, nachmaligem Herzog von Guise, verlebte. Alle drei hießen Heinrich und erhielten dieselbe Erziehung; ihr Leben aber ward in der Folge von sehr verschiedenen und außerordentlichen Begebenheiten angefüllt, die einzig in der Geschichte von Frankreich bleiben.

Die vergiftete Luft des Hofes, an dem Margaretha zu leben bestimmt war, mußte jede Sorgfalt der tugendhaften Erzieherin vernichten. Dieser Hof, Katharina von Medizis an seiner Spitze, war bekanntlich die Bühne der Verderbtheit, die Schule aller Laster und jedes Verbrechens. Wahr ist es, daß dieses Übel seinen Ursprung schon früher, unter der Regierung Franz I., genommen hatte. Franz I., der mit dem Beinamen eines Vaters der Wissenschaften beehrt wurde, hatte durch sein Beispiel die Männer an seinem Hofe gewöhnt, keine Achtung für die guten Sitten zu haben. Als Katharina von Medizis an diesen Hof kam, fand sie das Laster regierend an der Seite des Throns unter dem Namen der Herzogin von Estampes. Der schlauen Italienerin konnte es nicht entgehen, daß man dem Götzen des Tages schmeicheln müsse, um dem Monarchen zu gefallen, und sie machte diese Regel zur Grundlage ihres Betragens; bald fand sie Gelegenheit, sie bei einem Gegenstande anzuwenden, der ihr weit näher anging. Ihr Gemahl, der Dauphin Heinrich, erklärte sich öffentlich als Ritter der Diana von Poitiers; die geschmeidige Katharina teilte sogleich die Gunst ihres Gemahls mit ihr. Heinrich II. wechselte, während seines ganzen Lebens, zwischen seiner Gemahlin und seiner Geliebten; aber nach seinem Tode rächte Katharina sich und verschaffte ihrer Nebenbuhlerin die Überzeugung, daß man ihr nicht ungestraft das Herz des Gemahls rauben durfte.

Katharina verstand es sehr wohl, die Macht der Schönheit geltend zu machen, und diese war eine der geheimen Triebfedern ihrer Reichsverwaltung. Es ist bekannt, daß sie nie anders als umringt von einer glänzenden Schar aufblühender Schönheiten erschien, welche gewöhnlich die Schwadron der Königin-Mutter genannt wurden. Der strenge Admiral Coligny sagte darüber mit Recht: Keine verlorne Schlacht ist so verderblich als der Einfluß dieser Schönheiten! Dies Mittel der Verderbnis wandte Katharina dann sehr oft zur Ausführung ihrer Projekte an.

Nachdem die guten Sitten zugrunde gerichtet waren, fehlte nichts mehr, jeden Grundsatz von Ehre und Rechtlichkeit bei den Franzosen zu vernichten, als sie in die Lehren Machiavels einzuweihen. Früher schon hatte Ludwig XI. diese abscheuliche Lehre wirklich in Ausübung gebracht; sein Nachfolger aber, der den Namen Vater des Volks wohl verdiente, weil er nur durch die Gesetze regierte, war die Ursache, daß man die Regierung jenes Tiberius und aller seinesgleichen bald vergaß. Ludwig XII., Gemahl der Anna von Bretagne, führte die Franzosen wieder zur Ehre an und gab ihnen den freien Sinn und die edlen, feinen Sitten ihrer Ahnherren wieder. Katharina von Medizis war es aufbehalten, das Werk Ludwigs XI. wieder zu erneuen. So wie er, führte sie die Kunst, die Menschen zu regieren, einzig darauf zurück, sie zu veruneinigen; diesem Grundsatze ordnete sie alles andere unter; Heuchelei, Lügen und Meineid wurden in Frankreich einheimisch; die Nation, in den Verbrechen sogar inkonsequent und leichtsinnig, ergriff sehr bald die Frevel aller Art, als die üblichen Mittel etwas zu erreichen.

So war der herrschende Geist an Karl IX. Hof, als alle Augen auf Margaretha gerichtet waren, deren Reize sich eben zu entfalten anfingen. Wenn ihr in ihrem Porträt nicht geschmeichelt wurde, so hat in der Tat die Natur wohl nie ein schöneres Geschöpf geformt. Sie hatte etwas Erhabenes und wahrhaft Königliches in ihrem ganzen Wesen; sehr lebhafte Farben, sehr schöne, schwarze Haare, und mit einem sanften, liebeschmachtenden Blick, mit einem reichen, vollen Wuchs und einem majestätischen Gang verband sie die Kunst, sich auf das vorteilhafteste und geschmackvollste zu kleiden, und ein sehr anmutiges Wesen, eine gewisse einschmeichelnde Gabe, jedem zu gefallen, die man wohl fühlt, aber nicht zu beschreiben vermag. Mit ihrer Schönheit, ihrer Anmut, mit ihrem Geist und ihrem Gefühl hätte Margaretha auch die strenge Tugend einer Heiligen verbinden müssen, um den schädlichen Einflüssen des bösen Beispiels und den Täuschungen der Verführung entgehen zu können. Kaum war sie in der Welt aufgetreten, so war sie auch schon in den Schlingen der Eitelkeit eingefangen; sie wollte gefallen, ohne bestimmt zu wissen wem; sie war Kokette, ohne sich weiter etwas dabei zu denken. Unbesonnenheiten dieser Art gaben ihren Verläumdern Veranlassung, die Zusammenkunft in Bajonne als die Epoche ihrer ersten Liebeshändel mit dem jungen d'Entragues und mit Charins anzugeben. Le Divorce Satirique, la Confession de Sancy und le Baron de Focneste, setzen diese Liebesgeschichten der Margaretha zu jener Zeit. Wir zeigen diese Quellen an, als die einzigen, die diese Sagen enthalten, damit man weiß, welches Zutrauen man ihnen schenken darf; denn sie gehören zu den Haufen Satiren und Libellen aller Art, welche sowohl die unzufriedenen Katholiken als die unzufriedenen Protestanten gegen Margaretha und gegen alles, was Heinrich IV. angehörte, verbreiteten; auch berechtigt uns ihre zu große Jugend, jene Aussage zu bezweifeln; Margaretha war damals noch nicht dreizehn Jahre alt. Man suchte sie in der Folge durch solche beschimpfende Anklagen zu unterdrücken, um sie durch eine völlige Verunglimpfung von dem Throne auszuschließen, zu dem sie berechtigt war. Es gibt keine verunehrendere Verleumdung, als ihren nachmaligen Unordnungen einen solchen frühreifen Ursprung zuzuschreiben. Das Stillschweigen der Geschichte über diese Beschuldigung ist ein Zeugnis dagegen. Man darf das Privatleben der Margaretha erst vier Jahre nach der Zusammenkunft zu Bajonne in Betracht ziehen; von dieser Zeit erst erhielt sie an Karls IX. Hof eine politische Existenz. Bis dahin drehten sich ihre Beschäftigungen oder vielmehr ihre Ergötzlichkeiten in einem beständigen Kreis von Spielen, Jagd und Putz, und sie war völlig unbekannt mit den Ränken der Hofintrige, obgleich sie wie im Mittelpunkte derselben lebte. Ihr Bruder, der Herzog von Anjou, welcher nachmals unter dem Namen Heinrich III. regierte, übernahm es, sie darin einzuführen. Es war ihm wichtig, einen Agenten bei Katharina zu haben, auf dessen Anhänglichkeit er rechnen dürfte, während er sich abwesend und an der Spitze der Armeen befand. Zu dieser Rolle nun hatte er seine Schwester Margaretha ausersehen, und diese ward der Kanal der Korrespondenz zwischen ihm und seiner Mutter. Wer mit der Geschichte jener Zeit nicht unbekannt ist, wird wissen, was Margaretha in dieser Schule lernen konnte; obgleich die Lehrzeit nur sehr kurz war, so sehen wir doch an dem nachmaligen Betragen der Schülerin, welche Fortschritte sie unter den beiden Vorstehern ihrer politischen Erziehung machte.


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