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Siebentes Kapitel

Der Räuber am Marterpfahl. – George in der Höhle. – Des Falken Verwegenheit. – Marie's Entführung. – Die Belagerung.

Gemächlich lagerten die Räuber in ihrer Höhle, die sie glücklich am verflossenen Abend erreicht, ohne einen hindernden Aufenthalt gefunden zu haben; weder Jean und Sonnenstrahl noch die Comantschen waren im Stande gewesen die Flüchtlinge einzuholen; so nah jedoch waren sie den letzteren auf den Hacken gewesen, daß an dem letzten Rastort der Räuber noch die Kohlen glühten, als die Comantschen anlangten und ihre erschöpften Rosse durch die schweren Peitschen zur furchtbarsten Eile aufstachelten.

Schon konnten sie deutlich den kleinen Trupp der Räuber erkennen, von denen einer bei der wahnsinnigen Flucht stürzte und im Augenblick Gefangener der Verfolger war. Dies war aber auch Alles, was diese erreichten, denn plötzlich waren die Räuber verschwunden; in der Meinung, sie hätten sich zum Verzweiflungskampf in einer Bergschlucht aufgestellt, jagten die Comantschen herbei, doch kaum bogen die ersten um einen Berg, als von dessen Gipfel eine Salve krachte: die Räuber hatten ihr Felsennest erreicht.

Die aus beträchtlicher Höhe herab gesandten Kugeln hatten zwar keinen der Indianer getödet, wohl aber neun, wenn auch leicht verwundet, unter diesen den Falken.

Des Comantschenführers Wuth, daß die Räuber im letzten Augenblick noch entwischt, war grenzenlos, und das reichlich von seiner Schulter niederrieselnde Blut schien nicht geeignet den kochenden Ingrimm zu dämpfen, der ihn verzehrte; in blinder Hast wollte er schon den Befehl zum Sturm auf die treffliche Stellung der Räuber geben, als es George endlich gelang, den Alten zur Vernunft zu bringen.

Wieder Herr seiner Leidenschaft, dachte der Falke nicht mehr daran, seine Krieger unnütz zu opfern, er wußte, – nicht Gewalt, nur List konnte ihn zum Ziele bringen und er begnügte sich vorläufig, einen dichten Cordon um die Feste der Räuber zu ziehen und jede Verbindung mit diesen unmöglich zu machen; dann entsandte er zehn auserlesene Comantschen, die Umgegend zu durchforschen und womöglich frisches Fleisch herbeizuschaffen; so ruhig nun auch die verschiedenen Anordnungen von ihm gegeben wurden, so schrecklich wild, so blutdürstig war doch sein Blick, so oft er an dem gefangenen Räuber vorbeischritt.

Weit außer Schußweite schlug der Falke das Lager auf, vor diesem dehnte sich eine liebliche, von Hügeln begrenzte Grasfläche aus, hinter welcher sich amphitheatralisch die gewaltige Felsmasse erhob, in der die Räuber hausten. Donnernd stürzte von der Höhe ein gewaltiger Chataract ins Thal, verlor sich in dem zerklüfteten Gestein und wand sich dann als murmelnder Bach nach der Prairie, das Gebüsch bespülend, welches den Comantschen als Lager diente. –

Glühend erhob sich die Sonne und bestrahlte diesen herrlichen Platz, der jetzt in friedlicher Ruhe lag. Nichts deutete darauf hin, daß die menschlichen Leidenschaften ihn zu einem Ort des Kampfes, des Grauens machen werde, denn die einzelnen Wachen der Räuber schienen eher Bewunderer des prachtvollen Bildes, als Beobachter eines wilden, schlauen Feindes zu sein; doch die Menschen, die hier sich gegenüber standen, hatten keine Augen für die Wunder Gottes, sie trachteten nur nach Blut und strengten all ihre Sinne an, sich gegenseitig zu schaden, zu verderben!

Dies bewies deutlich der Schuß, der plötzlich donnernd durchs Thal hallte und die Räuber aus ihrer gemächlichen Ruhe aufschreckte.

Einer ihrer Wachtposten hatte sich durch die Indianer täuschen lassen, die gänzlich hinter Felsblöcken verborgen, die Belagerten nicht aus dem Auge verloren. Vorwitzig verließ der Räuber seinen Posten und kletterte unvorsichtig immer tiefer herab, um zu sehen, wo die Comantschen sich eigentlich aufhielten. Jetzt hatte er einen Felsvorsprung erreicht, weit beugte er sich in das Thal herab, als plötzlich der scharfe Krach einer Rifle ertönte und der Räuber hochaufsprang; doch bald sank er taumelnd nieder, convulsivisch suchten seine Hände nach einem Halt, aber die schwindende Kraft öffnete die Finger und kopfüber stürzte der Unglückliche von dem Felsen herab; zwei-, dreimal schlug der Körper klatschend an vorspringendes Gestein, ehe er den Grund erreichte und kaum hatte er ihn berührt, als ein Comantsche wie ein Pfeil hervorschoß und dem noch zuckenden Körper den Scalp entriß.

Dämonisch erscholl der Comantschen Siegesgeheul, als sie die Räuber am Rande ihrer Höhlenfeste gruppirt auf das Schauspiel mit begreiflicher Wuth niederstarren sahen, das sie nicht zu hindern vermochten. Wohl krachten jetzt auch die Büchsen der Banditen, doch die Distance war zu groß, keine der Kugeln erreichte den Comantschen, der höhnisch lachend die Arme über die Brust gekreuzt mehrere Minuten dem Feuer Trotz bot, dann schwang er drohend die blutige Trophäe über seinem Haupte und verschwand in den Büschen.

Doch noch ein anderes grausiges Schauspiel harrte der Räuber, welches ihnen nicht allein den Haß der Indianer verdeutlichen sollte, sondern der Falke hegte auch die Hoffnung, durch dasselbe die Wuth der Belagerten dermaßen zu reizen, daß sie sich zu einem Ausfall verlocken ließen. Mittag war vorüber, als ein auf der Grasfläche vereinzelt stehender junger Baum seiner Krone beraubt und dann von der Rinde entblöst – zum Marterpfahl umgestaltet wurde. Alles dies ward mit möglichster Ostentation gethan, um die Aufmerksamkeit der Räuber zu erwecken und als man gewahrt, daß dies gelungen, wurde der Gefangene herbeigeschleppt und an den Pfahl gebunden; seine fieberhaft gerötheten Augen schweiften angstvoll über die Comantschenkrieger, doch keinen Strahl des Erbarmens fand er in deren finsteren Bronzegesichtern und mit einem entsetzlichen Wehruf schloß der Unglückliche die Augen, während Reisigbündel auf Reisigbündel um ihn gehäuft wurden.

Auf George's Bitten unterblieben die gewöhnlich angewandten Martern des Eintreibens von Holzsplittern zwischen die Nägel, das Ausraufen der Haare und andere Grausamkeiten, doch ließen es sich die Comantschen nicht nehmen, des gefangenen Banditen Muth fürchterlich zu prüfen.

Alle Vorbereitungen zu dem düsteren Drama waren getroffen, George schulterte seine Büchse und verschwand in den Felsenschluchten, um nicht Zeuge einer Handlung zu sein, die er nicht hindern konnte und mochte. Nein, er mochte es nicht, ihm dünkte es nur gerechte Vergeltung, daß der Räuber, der alle Stadien des Verbrechens, durchlaufen, eines qualvollen Todes sterben müsse. Edel und groß war sicher des jungen Mannes Herz und empfänglich für das Gute, das Erhabene; doch seine Erziehung, die bittere Schule des Lebens, hatten ihn unerbittlich streng gegen die Fehler Anderer gemacht, weil er es gegen sich selbst im höchsten Grade war; und ihm, der einem vermeintlichen Mangel an Vorsicht seinerseits das eigne junge Liebesglück zum Opfer, zur Sühne brachte, ihm, der kühn Blut und Leben wagte, um Marie wieder zu befreien, ihm, der unter Kämpfen, Gefahren und Blutvergießen aufgewachsen, ihm konnte das einfache schnelle Erschießen des Gefangenen nicht als Strafe für dessen verbrecherische Laufbahn erscheinen, weil, ja ihm selbst täglich der bleierne Todesbote das brave Herz durchbohren konnte. Einen letzten Blick warf er noch auf die Comantschen, welche heulend ihre Waffen schwangen und im wilden Reigen, dem Scalptanz, den Gefesselten umsprangen. Plötzlich hielten die entsetzlichen Tänzer auf ein Zeichen des Falken inne, und harrten wie eherne Statuen bis die Reihe an sie kommen würde, ihre Geschicklichkeit zu zeigen; der Messerwurf sollte die Folter eröffnen.

Einer nach dem anderen traten die Krieger zwanzig Schritt vor ihr Opfer, wogen,, das blinkende Messer eine Secunde in der Hand und schleuderten es dann mit merkwürdiger Sicherheit nach dem Räuber, sorgfältig bemüht, nicht etwa denselben zu verwunden, sondern nur die Klinge in nächster Nähe des nackten Körpers in den Baum zu treiben; trotzdem wurde er öfters getroffen und das Blut rieselte aus vielen leichten Wunden an dem Unglücklichen nieder und sein Angstgebrüll zerriß die Luft. Nun griffen die Comantschen nach den Streitäxten und in kurzen Zwischenräumen fuhren die blinkenden Tomahawks krachend in den Stamm, bald große Holzsplitter abreißend, bald auf's neue den rothen Lebensquell weckend.

Der Bandit, von Blut überströmt, war fast seiner Sinne beraubt. Bald Gebete, bald Flüche flogen über seine zuckenden Lippen, bald höhnte er mit grausem Spott die Comantschen, bald wandte er sich an sie mit Bitten um Erbarmung, um Erlösung.

Doch jeder Funke menschlicher Gefühle schien in den Herzen der Comantschen erloschen zu sein und Hohn und Spott war ihre einzige Antwort; nun vertauschten sie ihre Tomahawks gegen die Büchsen und sandten Schutz auf Schuß nach dem Körper, der ihnen nun wirklich als Zielscheibe diente. Entsetzlich litt der Räuber durch einige alte Krieger, die kaltblütig auf die Stirn oder Augen des Unglücklichen anschlugen, Minuten lang denselben auf den Schuß warten ließen, den Schuß, der ihn endlich von seinen Qualen befreien sollte und wenn er mit seinen blutunterlaufenen Augen so lange in die drohenden Rohre gestarrt, daß Thränen seine Blicke umflirrten, dann gaben die Schützen ihren Rifles eine andere Wendung und der zerrissene, verstümmelte Körper erbebte unter einer neuen Verletzung.

Fast drei Viertel Stunden mochte die Marter gedauert haben, für indianische Begriffe eine ganz außerordentlich kurze Frist und doch wie lang, wie erschrecklich lang mußte sie dem Gequälten geworden sein, der kein anderes Lebenszeichen mehr von sich gab, als das krampfhafte Zucken, das seinen Körper erschütterte. Des Falken Hoffnung hatte sich nicht erfüllt, die Räuber auf ihrer Höhe waren stumme Zuschauer geblieben und hatten keinen Versuch gemacht, ihren Kameraden zu befreien.

Einen unbeschreiblich verächtlichen Blick warf der Comantschenführer nach der Gruppe der Banditen, dann wandte er sich an seine Krieger und rief mit seiner klangvollen Stimme:

»Haltet ein! der Wüstenräuber ist eine Memme, ein feiger Coyote, der nicht werth, daß Comantschenkrieger sich mit ihm abmühen. Zündet den Holzstoß an und laßt die Flammen sein schurkisches Gebein verzehren!«

Augenblicklich wurden die Reisigbündel angezündet, ein dichter Qualm stieg empor, bald züngelten einzelne Flämmchen durch den Rauch und plötzlich loderte das Feuer mit Macht auf und erstickte mehr und mehr die Mark und Bein erschütternden Schreie des Gepeinigten, ein letzter, gellender Ruf, und der gräßliche Akt war zu Ende. Der Verbrecher hatte furchtbar gebüßt und sein himmlischer Richter war ihm vielleicht milder, als die irdischen. – –

George hatte gleich bei seiner Ankunft an diesem Orte die Absicht gehabt, die Umgegend zu durchstreifen, um vielleicht eine Spur von dem Mulatten und Sonnenstrahl zu finden, von denen er sicher überzeugt war, daß selbe sich in der Nähe aufhalten würden; doch hütete er sich wohl, seine Muthmaßung den Comantschen mitzutheilen, da diese sonst sicherlich nach den Versteckten geforscht und einmal entdeckt, schnellen Prozeß mit ihnen gemacht hätten. Dies lag aber durchaus nicht in Georges Absicht, er hegte eine dunkele Ahnung, daß seine unfreiwilligen Bundesgenossen sicherlich nicht ohne Aussicht auf Erfolg ihr verzweifeltes Unternehmen begonnen hätten und daß sie auf diese oder jene Weise ihm nützlich sein könnten.

Nun hatte er bei einer seiner Streifereien eine höhlenartige Schlucht entdeckt, die er jetzt gründlich zu durchsuchen sich anschickte. Feuerzeug, Kienspähne und Zunder in Leder gehüllt, trug er in seinem Jagdhemd, Pistole und das entblößte Messer stacken zum augenblicklichen Gebrauch in seinem Gürtel und die treue Büchse in der Faust schlug George muthig die wilden Brombeergebüsche auseinander, welche den Eingang in die von ihm entdeckte Schlucht verbargen.

Zwischen zwei schroffen, feuchten Felswänden wand sich der schmale Pfad dahin, bis er plötzlich in der Erde zu versinken schien; so wenig einladend der Eingang in die Höhle war, folgte doch George ohne Zaudern, da er deutlich Fußspuren in dem weichen Schlammboden bemerkte. Im Unklaren, wie tief die Höhle liege, schlang er den Lasso um einen vorspringenden Stein und ließ sich muthig in die finstere Öffnung hinab, aber der Lasso rutschte über den nachgebenden Stein und George stürzte in die Tiefe; doch glücklich kam er auf die Füße und befand sich nun bis an die Knie in eiskaltem Wasser, während seine Hand an einen starken Pfahl stieß, der sich bei näherer Besichtigung, oder besser gesagt Befühlung als ein etwa vierzehn Fuß langer Baumstamm erwies, dem man die Zweige abgeschlagen, doch deren Ansätze etwa einen halben Fuß lang gelassen und so eine Leiter zum Aus- und Einsteigen geschaffen hatte.

»Ich bin im Bau des Fuchses!« murmelte er vergnügt, »nun Vorsicht Freund George, sonst könntest du leicht den schönen Himmel zum letzten Mal gesehen haben!«

Behutsam schritt nun der kühne Mann die Höhle entlang, jetzt schwand auch der letzte Schimmer Licht, welches spärlich durch den Eingang fiel und Grabesnacht umfing den Verwegenen. Doch nicht Furcht hemmte seine Schritte, er wartete nur, bis seine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt und schritt dann unverdrossen weiter; schon nach wenig Secunden schlug er aber mit so fürchterlicher Gewalt an die sich plötzlich senkende Decke, daß das Blut von seiner Stirn rieselte und die Büchse seiner Hand entfiel, welche sofort in das Wasser sank, in dem George noch immer fortschritt. Ein leiser Fluch schlüpfte über seine Lippen, als er die treue Waffe nach langem Umhertappen dem nassen Bade entzogen und zum ferneren Gebrauch untauglich fand.

All diese Widerwärtigkeiten schwächten aber keineswegs George's Eifer, Gott bewahre; er dachte an nichts, weniger, als an's Umkehren und die Büchse in einer Nische des Felsens verbergend, schlich er weiter, die Hände bald vor, bald über sich streckend, bald mit den Füßen den Boden sondirend; sein Eigensinn, von dem er nicht wenig besaß, war erwacht und mit fest zusammengebissenen Zähnen wand er sich durch den immer niedriger werdenden Pfad.

,,Vorwärts!« murmelte er entschlossen. »Vorwärts! hier sind Andere gegangen, folglich werde ich es auch können. Alle Wetter, wenn ich nur wagen könnte Licht zu machen, habe mich wieder tüchtig an's Knie gestoßen!«

Und vorwärts schritt er, bis über die Knie in dem eiskalten Wasser; bald zeigte sich aber eine neue Schwierigkeit: die Höhle theilte sich in mehrere Gänge, wie er durch die umhertastenden Hände gewahr geworden und mißmuthig brummte er:

»Was nun? Umkehren? Pah, fällt mir nicht ein! Licht machen? Das geht nicht, also vorwärts und da ich im Zweifel bin, ob ich mich links oder rechts wenden soll, so thue ich keins von beiden, und gehe gerade aus!«

Wieder begann er seinen beschwerlichen Marsch und schon nach wenig Minuten sah er seine Beharrlichkeit belohnt, denn in einiger Ferne schimmerte ein schwacher Lichtstrahl, das Wasser wurde seichter und bald trat sein Fuß auf festes Gestein, während der Gang breiter und höher wurde und merklich zu steigen begann.

Mit Wollust sog er schon reinere Luft statt des moderigen Dunstes, den er bis jetzt geathmet und schneller schritt er aus, als deutlich das helle Wiehern eines Rosses an sein Ohr schlug.

Ueberrascht blieb er stehen, er hatte sicher geglaubt, des Mulatten Schlupfwinkel erreicht zu haben, doch war es ja unmöglich, ein Pferd hier herunter zu bringen – oder hatte die Höhle mehrere Ausgänge?

Eiliger durchmaß Georg den Raum, er sah kaum, daß der Weg steiler und steiler ward, daß die Höhle sich zu weiten tempelartigen Hallen ausdehnte, er sah nur, daß zwanzig Schritte von ihm entfernt das helle, freundliche Tageslicht durch ein hohes Felsenthor hereinbrach. Vorsichtig nahte er sich dem Ausgang und fast wäre ihm ein Schrei der Ueberraschung entschlüpft, denn mit grenzenlosem Staunen blickte er auf die erste Terrasse des Berges, den die Räuber bewohnten – und vor ihm, in einem Bergkessel, den freundliches Grün schmückte, weideten die Pferde und Kühe der Banditen, während zwei derselben in geringer Entfernung an dem mit starken Bohlen verwahrten Hauptausgang lehnten, welcher den thalabwärts führenden Weg schloß. Dieser Weg aber, von allen Seiten leicht zu beschießen und jeder Deckung entbehrend, dieser Weg war es, den die Comantschen hätten stürmen müssen, wenn nicht ein glücklicher Zufall George das Ausfall- und Rückzugspförtlein finden ließ, das von der Natur zu gut versteckt und vertheidigt schien, als daß die Räuber hätten denken sollen, auch dies zu verwahren.

George jubelte innerlich, daß ohne Blutvergießen ein so bedeutender Vortheil zu erringen war, und sein scharfes Auge erkannte nur zu deutlich, wie wenig Krieger genügen würden, um von hier aus die Räuber so in Schach zu halten, daß diese an Flucht unmöglich denken, ja kaum wagen dürften, den Kopf aus ihrer Höhle zu stecken, während die Comantschen sichere, fast unerreichbare Verstecke hinter den überhängenden Felsen finden konnten.

Mit seinem Erfolge im höchsten Grade zufrieden, begann George den Rückweg, der jedoch schwieriger, als er sich gedacht; denn aus dem hellen Licht in die Dunkelheit tretend, fanden seine tastenden Hände wohl zehn verschiedene Höhlengänge, aber – welcher war nun der rechte?

Unentschlossen stand er und zermarterte sein Hirn, einen Ausweg zu finden, vergeblich – es blieb, ihm nichts übrig, als auf gut Glück den ersten besten Pfad zu wählen. – Da schlugen Stimmen an sein Ohr, und sich schnell nach dem Geräusch wendend erkannte er einen schwachen, sich nähernden Fackelschein. Wie der Blitz schoß George in einen der Gänge und lauschte athemlos, das Messer in dem Munde, in jeder Hand eine gespannte Pistole.

Näher und naher kamen die Schritte und bald sah George – um die Ecke sich vorbeugend – zwei dunkele Gestalten, die sichtlich etwas Schweres trugen, und kaum war der junge Mann in seinem Versteck wieder verschwunden, als zwei Räuber erschienen und einen erlegten Hirsch auf die Erde warfen.

»Bei San Iago, ist das ein Weg!« rief der Eine, sich wie ein dem Wasser entstiegener Hund schüttelnd, daß die abgeworfenen Wassertropfen bis in George's Gesicht flogen.

»Ja 'sist ein verteufelter Weg,« entgegnete der Andere. »Doch sage ich Dir, Cornejo, vielleicht werden wir noch Gott danken können, daß wir ihn haben, ich ahne –»

»Ach was!« unterbrach ihn der Cornejo Genannte, »laß doch um der Jungfrau Willen Deine Traumgesichte, faß an! der Bursche hier ist feist und wird merkwürdig gut schmecken, nachdem seit vielen Tagen kein Bissen frisches Fleisch über unsere Lippen gekommen. Also angefaßt!«

Beide ergriffen wieder ihre Beute und entfernten sich, doch hörte noch George die Worte:

»Freilich wird er gut schmecken, Cornejo, aber sag mir Freund, wo wäre dies schöne Stück Wild, wenn wir nicht den Weg hätten? Du weißt so gut wie ich, daß die Hallunken, die wir zurückließen, nichts gethan als gefaullenzt, daß unsere getrockneten Vorräthe nur noch gering, unsere Fleischkammer leer und wenn wir diesen gesegneten Weg nicht hätten –« die ferneren Worte schlugen nur noch undeutlich an des Lauschenden Ohr, doch hatte George genug gehört, um sich das Weitere zu denken, und eilig machte er sich nun auf den Weg, welchen ihn die zwei Räuber gezeigt. Bei der nächsten Biegung desselben entzündete er einen der Kienspähne und eilte nun rascher dahin. Grausig war der Weg, welchen die, wegen der Moderluft nur schwach brennende Fackel beleuchtete. Ekelhaftes Gewürm, Schlangen und Eidechsen schossen über die schlüpfrigen Steine und Fledermäuse umschwirrten das Licht, welches sie aus ihrer Ruhe aufgeschreckt. Doch George kannte weder Furcht noch Grausen, eilig setzte er seinen Weg fort, durchwatete das Wasser, fand glücklich seine Büchse und erreichte endlich tiefaufathmend am Ende der Schlucht den als Leiter dienenden Stamm; wie eine Katze schwang er sich an selbem empor und stand nun wieder auf der Erde.

»Ah, Licht und Luft!« rief er entzückt, »wie schön seid ihr, und wie wenig achtet man eurer!« Eine kurze Ruhe nur gönnte er seinen zerschundenen Gliedern, dann eilte er zu den Comantschen, die ruhig in ihrem Lager saßen und gleichmüthig mit einander plauderten; das Häuflein Asche draußen auf der Prairie um den verkohlten Baumstumpf war das einzige Zeichen des furchtbaren Actes indianischer Rache. –

Staunen erregte George's zerrissene, mit Schmutz überzogene Kleidung, sein mit blutigen Striemen und Beulen bedecktes Gesicht, Staunen die Erzählung seiner verwegenen Wanderung und seiner wichtigen Entdeckung.

Enthusiastisch priesen die rothen Krieger den Muth ihres weißen Bruders und fünfzehn der besten Schützen folgten ihm freudig, um sich in den Besitz des Kessels zu setzen, wenn die Dunkelheit eingebrochen sei, auch der Falke schloß sich diesem Truppe nach einigem Zögern an.

Höher schlug das Herz der auserlesenen Comantschen, als sie dem voranschreitenden George in die dunkel gähnende Oeffnung folgten, und oft wurden Ausrufe der Bewunderung laut, wenn die Schwierigkeiten des Weges ihnen vergegenwärtigten, welche Kühnheit dazu gehöre, allein, im Finstern das Wagniß zu unternehmen, das ihnen schon groß und gefährlich genug dünkte, obgleich sie in starker Zahl und mit Fackeln versehen dahinschritten.

Als George das Ende des Wassers erreicht, ließ er die Fackeln auslöschen und zu größter Vorsicht gemahnend schritt man im Dunkeln weiter, nach etwa zehn Minuten erreichte man das Ende des Höhlenganges und machte Halt; dann schritten Einige, lautlos wie Schatten, nach dem Felsenthor, durch welches das milde Licht des Mondes fiel. Eine athemlose Pause und leise erklang das Zirpen einer Grille, auf welches Zeichen auch die Zurückgebliebenen vorsichtig an den Wänden hinschlichen und sich – die Büchsen im Anschlag – zu beiden Seiten des Höhleneinganges aufstellten.

Voll strahlte der Mond auf die grüne Fläche, deutlich konnte man die Pferde und Kühe im Grase liegen sehen und dort in jener Ecke schlummerten friedlich zwei Wachen der Räuber.

Da lösten sich vom Felsen zwei dunkele Schatten ab und verschwanden im hohen Grase, dessen Halme leise rauschten, wohl hoben die Pferde schnaubend ihre Köpfe, doch bald herrschte wieder tiefste Stille, beruhigt sanken die Thiere ins Gras und die sorglosen Schläfer rührten sich nicht. Plötzlich zuckten zwei Klingen blitzartig durch die Luft, ein gurgelndes Geräusch machte noch einmal die Thiere aufschauen, ihre scharfen Geruchsnerven ließen sie frisches Blut wittern, und einer der Hengste sprang wiehernd empor.

Doch sein heller Ruf drang nicht bis zur Höhle der Räuber; keine ihrer weiter aufwärts postirten Wachen forschte nach der Unruhe der Thiere, und nach kurzer Pause huschten zwei Comantschen zu ihren lauschenden Kameraden, denen sie triumphirend die frisch erbeuteten Scalpe der erstochenen Banditen wiesen.

Nur eine Person lauschte von der Höhe des Felsennestes nach dem Tumult dort unten; es war Marie, die, wie fast allnächtlich, die dumpfe Höhle geflohen und sich ihr einfaches Lager in der reinen Luft bereitet, welche erquickend und ihre heißen Schläfe kühlend über das kleine Plateau strich.

Was das arme Mädchen in den Tagen, die sie nun schon hier in dieser Hölle auf Erden verweilte, gelitten hatte, war deutlich auf ihren wachsbleichen Zügen ausgeprägt, aus denen die sonst so feurigen Augen matt und trübe hervorschimmerten. Tag für Tag saß sie auf einem Felsblock und starrte in's Thal, blickte auf die Comantschen, auf George, dem treuesten aller Freunde, dem sie so nah – und doch so fern.

Oft hatte das Rauschen des Wasserfalles sie mächtig angezogen, in seinen kühlen Fluthen Ruhe zu finden, doch die Hoffnung und das Gottvertrauen waren noch nicht von ihr gewichen und kräftig hatte sie jeden unchristlichen Gedanken bis jetzt niedergekämpft.

Doch Don Manuel's und Preston's Bemühungen um ihre Gunst, welche sie mit Entrüstung von sich gewiesen und mit denen sie trotzdem immer lästiger bestürmt wurde, hatten endlich ihren Muth gebeugt; und als am verflossenen Abend der Räuber ihr kaltblütig erklärte, daß sie binnen zwei Tagen zwischen ihm und dem Mormonen gewählt haben müsse, daß sie – das herrliche Geschöpf Gottes mit dem guten, feinfühlenden Herzen – nach dieser Frist sonst durch den Fall der Würfel als Beute des Einen bestimmt werden solle, da brach sie mit lautem Wehruf zusammen.

Aus ihrer schweren Ohnmacht erwacht, fand sie sich auf ihrem Lager; doch die Luft des niederen Felsengemaches drückte sie nieder, leise schlüpfte sie auf das freiliegende Plateau vor der Höhle und sog begierig die frische Luft ein.

Die reizende, vom Vollmond phantastisch beleuchtete Landschaft brachte nach und nach Ruhe und Hoffnung in ihre Brust zurück, und mit diesen erwachte auf's Neue ihre Energie; da streifte ihr unstäter Blick das Feuer der Comantschen, und blitzschnell tauchte in ihrem Innern der Gedanke auf, selbst einen Fluchtversuch zu wagen. Wie dieser auszuführen, war ihr freilich noch völlig unklar, doch glaubte sie schon viel gewonnen zu haben, wenn sie Nachts den Kessel erreichen könnte, in dem die Thiere sich aufhielten; von dort, war sie der Meinung, ohne Schwierigkeit in's Freie gelangen zu können.

Dieser Gedanke erfüllte ihre Seele mit frischer Spannkraft, verschwunden war die trostlose Apathie, und mit einem entzückenden Lächeln sprang das schöne Mädchen auf, das Terrain näher zu besichtigen. Bald hatte sie erkannt, daß es unmöglich sei, den durch mächtige Verhaue geschützten, schneckenartigen Weg von der Höhle bis in den Kessel hinabzusteigen, ohne von den Wachen bemerkt und angehalten zu werden, aber dort an jener Ecke wand sich ein steiler Felsriß hinab, an dessen oberem Ende eine Balsamtanne ihre dunkeln Aeste ausbreitete, dort war es vielleicht möglich, mittels langer Seile sich hinabzulassen. Den Stamm umfassend, beugte sich Marie über den Felsen, doch entsetzt schloß sie die Augen, denn fast hundert Fuß tief war hier der Abgrund; bitterlich weinend schlug das schöne Mädchen die Hände vor das Gesicht – da war es ihr, als ob ein Steinchen in ihren Schooß fiele und ein leises – Sst – schlug an ihr Ohr.

Das Herz in ihrer Brust setzte die Schläge aus, als gleich darauf eine sanfte Stimme sie beim Namen nannte, und da sie überrascht emporfahren wollte, mit ernster Betonung flüsterte:

»Meine Schwester sei vorsichtig, daß sie nicht den Freund in's Verderben stürzt, der sie zu retten kam!«

Wie von Geisterhand gezogen, glitt Marie nach der Edeltanne, und ein Schrei wäre sicher ihren Lippen entfahren, wenn nicht eine Hand sich fest auf ihren Mund gepreßt hätte; denn unter ihr, über dem grausigen Abgrunde, nur mit einer Hand sich haltend hing die schlanke Gestalt eines Mannes, dessen Gesicht im Dunkel der Zweige verborgen war.

»Wer bist Du. Verwegener?« hauchte Marie nach langem Ringen, »wer bist Du und was willst Du von mir?« Und glühende Bewunderung durchzitterte ihr Herz, Freudenthränen entströmten ihrem Auge, als jener antwortete:

»Kennt meine Schwester ihren Comantschenbruder, den Falken, nicht mehr? Was ich will? Uah, was anders, als Dich befreien? Komm, die Zeit drängt!«

»Du braver, tapferer Krieger!« schluchzte Marie »Der Lohn des großen Geistes wird Dir Deinen Edelmuth vergelten; wie aber willst Du mich befreien?«

»Hast Du Muth, hast Du Vertrauen zu mir?« frug statt aller Antwort der Falke; denn es war wirklich der kühne Comantschenkrieger, dessen scharfes Auge die Felsenspalte entdeckt, als er nach der gelungenen Ueberrumpelung der beiden Räuber den Felsenkessel durchspähete. Augenblicklich ließ er ein halbes Dutzend Lasso's zusammenknüpfen, nahm die dadurch hergestellte an Hundertzwanzig Fuß lange Leine über die Schulter, entledigte sich seiner Waffen bis auf Messer und Streitaxt und begann keck in der Spalte emporzuklimmen.

George's heroischer Muth mochte allerdings wohl zuerst dem Falken Anlaß gegeben haben, seinen Kriegern zu zeigen, daß er dem weißen Jäger an Kühnheit nicht nachstehe, doch war der Comantsche viel zu edel, um etwa mit Neid und Mißgunst erfüllt zu sein; er glaubte auch wirklich vielleicht bis zur Höhe des Plateaus gelangen zu können, um sich einen genauen Ueberblick der feindlichen Stellung zu verschaffen, sicher hatte aber der gewandte Kletterer nicht geahnt, daß ihm das Aufsteigen so leicht werden würde, wie es in der That der Fall war. Die Felsspalte bot so viel Ruheplätze für Hand und Fuß, daß es der hin und wieder fest eingewurzelten Nadelhölzer gar nicht bedurft hätte, mit deren Hilfe der Falke sich äußerst gemächlich emporschwang; trotzdem verband er, nur dem Impuls einer instinctiven Vorsicht folgend, welche ihm zur zweiten Natur geworden, die einzelnen Stämme mit den Lasso's und stellte sich so eine Strickleiter her, an der er, vielleicht verwundet, rasch herabgleiten konnte.

Höher und höher stieg der Verwegene; jetzt hing er wie eine Schwalbe am oberen Ende und sein erster Blick, den er auf das Plateau warf, traf Marie's Gestalt, die er augenblicklich erkannte und wie oben erwähnt ansprach, nachdem in seinem kühnen Geist sofort die Idee aufgestiegen war die Recognoscirung in eine Entführung zu verwandeln. – –

»Hast Du Muth, hast Du Vertrauen zu mir?« frug der Falke nach einer kleinen Pause dringender. »Nur kurze Zeit ist uns vielleicht vergönnt; laß sie uns nützen, ehe es zu spät!«

»Ich will Alles wagen diesem schrecklichen Ort und einer noch schrecklicheren Zukunft zu entgehen!« entgegnete Marie entschlossen. »Doch sprich, mein Freund, welchen Weg gedenkst Du einzuschlagen?«

Schaudernd bebte sie zurück, als der Comantsche stumm nach dem schwindeligen Pfad deutete, den er gekommen war.

Er schien die Angst des jungen Mädchens zu fühlen, denn er ermuthigte sie mit herzlicher Stimme.

»Meine Schwester banne jede Furcht aus ihrem Herzen. Sicher tragen Dich meine Arme hinab; der Weg ist nicht so schlimm, als er aussieht, und weiter unten könnte jedes Kind ihn hinabsteigen. Doch meine Schwester eile sich, die Nebel sinken in's Thal, es ist die günstigste Zeit für uns, die grauen Dünste werden uns etwaigen Späheraugen verbergen, bald aber müssen die Nebel der Sonne weichen; dann ist's zur Flucht zu spät und der Falke muß sterben; denn nie kehrt er ohne Dich zu seinen Freunden dort unten zurück!«

Demüthig beugte Marie das Knie vor Gott und flehte um den Beistand des Lenkers der Welten im inbrünstigen Gebet. Gestärkt erhob sie sich, reichte dem Comantschen die Hand und sprach einfach:

»Ich bin bereit mein Bruder!«

Ein freudiges »Hugh!« war dessen einzige Antwort, schnell schnitt er das überflüssige Lassoende ab, machte aus demselben einen starken Gurt unter Marie's Arme und deren Gestalt wie eine Feder aufhebend, fuhr er mit dem Kopf und dem rechten Arm durch die festen Riemen. – Ein leises: Te-wa roo teh-peneta Ein indianischer schwer zu übersetzender Ermunterungsruf, der etwa soviel wie unser »Mit Gott« bedeutet, wörtlicher – der große Geist sei über uns. – – und das gefährliche Niedersteigen begann.

Nun ist es aber an und für sich bedeutend schwieriger, eine steile Fläche herabzusteigen, als zu erklimmen, wie viel schwieriger aber, wenn in dem einen Arm ein kräftiger Mensch getragen werden muß und das Blut rascher von der Angst bewegt wird, eine Kugel in die Rippen zu bekommen.

Doch Marie's schmiegsamer Körper schien anfänglich den Falken nur wenig zu belästigen, mit unerschütterlichem Gleichmuth ließ er sich hinabgleiten, sorgfältig bedacht, die doppelte Last gleichmäßig auf den Lasso und die vorspringenden Steine zu vertheilen, welche seinen Füßen als Stützen dienten, zugleich mit rührender Achtsamkeit Marie's Körper vor dem Anprallen an dem spitzigen Gestein schützend, indem er die eigenen Gliedmaßen den scharfen Kanten preisgab. Endlich schienen aber auch seine Kräfte zu schwinden, nur mühsam rang sich der Athem aus der röchelnden Brust, und dichte Schweißtropfen perlten auf seiner Stirn; Knie, Ellenbogen, ja fast jedes Gelenk war beschunden, und die rechte Hand trug blutige Spuren, welche der Lasso beim Durchgleiten zurückgelassen.

Eine größere Tanne, die sich aus dem Felsenrisse hervordrängte, bot da einen willkommenen Ruhepunkt, als der Comantsche fast kaum mehr im Stande war, sich vor dem Niederstürzen zu bewahren; einen prüfenden Blick warf er von hier in die Tiefe und leuchtendes Entzücken strahlte aus seinem dunkeln Auge, als er gewahrte, daß er kaum zwanzig Fuß von der Erde entfernt sei; rasch wollte er Marie die frohe Kunde mittheilen, doch das arme Mädchen hing ohnmächtig in seinen Armen, die Aufregung der letzten Stunde war für ihre überreizten Nerven zu stark gewesen.

Augenblicklich vergaß der wackere Indianer die eigene Schwäche; er achtete nicht, daß die kaum verharrschte Wunde an seiner Schulter sich wieder geöffnet und seine Muskeln zum Aeußersten anspannend, erreichte er glücklich den Boden des Felskessels; hier aber wäre er sicher zusammengestürzt, wenn sich ihm nicht die starken Arme seiner Krieger entgegengestreckt und ihn mit seiner Bürde aufgefangen hätten. Schnell wurde der Lasso von seiner Schulter geschnitten, einer der Comantschen nahm Marie in seine Arme, zwei andere erfaßten den bewußtlosen Falken, und in wenig Minuten erreichten Alle die Grotte, in welcher George mit dem Rest der Krieger sich aufhielt.

Diese harrten mit ängstlicher Spannung der Rückkehr ihres Führers, und endlich hatte George, durch dessen langes Ausbleiben beunruhigt, drei der Comantschen ausgesandt, um zu sehen ob der Falke vielleicht Beistand bedürfe. Zur rechten Zeit erreichten die drei Indianer den Felsenspalt und langten eben mit den Geretteten in der Grotte an, als George, von räthselhafter Unruhe getrieben, dieselbe verlassen wollte.

Dieser sah wohl in dem dichten, fast greifbaren Nebel dunkele Gestalten sich nahen, doch war er nicht im Stande deren Züge zu erkennen, bis die drei Comantschen ihren Führer und Marie dicht vor seinen Füßen, auf schnell zusammengeraffte Decken, niedersinken ließen.

Wer vermöchte wohl das Staunen der Gruppe, welche die beiden leblosen Körper umstand, zu schildern; da schlug Marie die Augen auf und nicht im Stande, in der herrschenden Dämmerung die Gesichtszüge der Umstehenden zu erkennen, seufzte sie schwer:

»Ach mein Gott, ich habe nur geträumt, so schrecklich und doch so schön!«

»Nein, nein Marie!« das haben Sie nicht! rief George bewegt, indem helle Thränen über seine gebräunten Wangen rannen. »Ermannen Sie sich! Sie sind von zahlreichen Freunden umgeben; das Geschick hat aufgehört Sie zu verfolgen, die Tage des Kummers sind vorüber – Marie – mein Gott, – was ist Ihnen? Schnell Comantsche, hole Wasser herbei, das arme Kind ist wieder ohnmächtig!«

Der rasche Wechsel ihres Geschickes, die Angst, die sie während ihrer verwegenen Entführung ausgestanden, die selige Freude, ihren Peinigern wirklich entrissen zu sein, stürmten zu heftig auf Marie's Geist; doch ein liebliches Lächeln lag auf ihrem bleichen Gesicht und in wenig Minuten hatte sie ihr Bewußtsein völlig wieder erlangt.

Ihr erster Blick traf die leuchtenden Augen des Falken, welcher sich gleichfalls von seiner Ohnmacht erholt hatte und mit triumphirenden Mienen auf das Mädchen blickte, das sein Muth, seine Kraft gerettet. Augenblicklich sprang Marie empor, reichte dem Comantschen beide Hände und sprach innig bewegt:

»Falke! Eueren Muth kann ein Weib gar nicht verstehen, aber Euere Treue, die begreife ich, nachdem Ihr Eueren Edelmuth in so großartiger Weise gezeigt; ich fühle mich zu schwach, um nur zu versuchen, Euch meinen Dank auszusprechen, Worte vermögen ja auch nicht meine Gefühle zu schildern, aber stets werde ich Euch das herzlichste Andenken bewahren und kein Tag wird vergehen, an dem ich nicht für Euer Wohl zu dem großen Geist gebetet!«

»Uah!« meine Schwester spricht süße Worte, schmunzelte der Falke, »doch nicht ich verdiene Deinen Dank allein, er gebührt vor Allem Deinem weißen Bruder!«

»Ah! George! mein treuer Freund!« rief Marie, indem helle Thränen in ihrem Auge erglänzten »Ihr edeles Herz wird mir nicht zürnen, daß ich dem wackeren Falken den ersten Dank spendete. Gott möge Ihnen lohnen, daß Sie mich armes Mädchen nicht verlassen und Ihr Alle, Ihr braven Comantschen, nehmt meinen innigen Dank für Euere unerschütterliche Treue!«

Jedem der sichtlich bewegten Krieger reichte Marie die Hand, für Jeden hatte sie ein freundliches, dankendes Wort, dann wandte sie sich an George und sprach wehmüthig: »Und nun mein Freund, laßt uns diese kalte unfreundliche Höhle verlassen! Seht, die Sonne hat über die Nebel gesiegt, o möge dies ein günstiges Zeichen für unsere Zukunft sein!« –

Nach kurzer Pause erwiederte George sanft:

»Marie, daß Sie sich von diesem Ort des Schreckens hinweg wünschen ist natürlich, ebenso natürlich, daß Sie sich sehnen baldmöglichst mit William vereinigt zu sein. Ich begreife das, und Ihr Wunsch ist leicht zu erfüllen; noch heute sollen zwanzig Krieger sich bereit halten, Sie zu begleiten, unter deren Schutz sind Sie sicher, denn wir weilen bereits an der Grenze des Comantschengebietes!«

»Ja, aber mein Gott!« rief Marie erstaunt, »ich sehe ja gar nicht so viele Krieger!«

»Noch über vierzig Krieger lagern unten im Thal!«

»Und Sie George? Wollen Sie mich nicht begleiten?«

»Wenn Sie es wünschen – ja! Aber besser ist's, ich bleibe hier! Ein glücklicher Zufall hat uns schon halb das Räubernest in unsere Hand gegeben, es muß fallen! Die Banditen müssen ihre Strafe endlich erhalten, doch will ich, daß sie menschlich büßen sollen, deshalb möchte ich zurückbleiben, um die Comantschen etwas im Zaume zu halten!«

»Aber mein Gott, auch mein Onkel weilt ja unter den Räubern!« schluchzte das arme Mädchen, und schaudernd barg sie ihr Thränen überströmtes Gesicht in den Händen, als George mit harter Stimme ihr antwortete:

»Ihr Onkel sagen Sie? O geben Sie dem Schurken nicht den edelen Namen, der Liebe und Schutz bedingt; er selbst hat die heiligen Bande des Blutes freventlich zerrissen, – Ströme von Blut sind in Folge seiner nichtswürdigen Pläne geflossen, und Niemand kann sagen, wenn das Kriegsbeil wieder zwischen den Apachen und den Comantschen vergraben wird, welche in diesem Augenblick ihre besten Kräfte im wilden Streite opfern. Preston ist jetzt nichts weiter, als Bundesgenosse der Räuber, ist selbst Bandit geworden, – ihn trifft gleiche Strafe wie jene. Diese Räuberbande zu vertilgen, die durch begangene Schandthaten und Verbrechen aufgehört hat ein Recht zu haben, wie Menschen behandelt zu werden, diese Bande zu vertilgen ist eine heilige Pflicht, die wir der Menschheit schuldig.«

»Den Raubthieren gleich haben jene dort oben gewüthet, haben Sünde auf Sünde gehäuft und Gnade und Erbarmen waren ihnen fremd. Nun treffe sie ohne Gnade und Erbarmen das fürchterliche Gesetz der Wüste: Auge um Auge – Blut um Blut!«

Die wilde Energie, welche bei diesen Worten aus George's Augen sprach – schnitt jede Einwendung ab, doch bald erhellten sich seine düsteren Züge und sich zu Marie niederbeugend, fuhr er mit weicherer Stimme fort:

»Ihrem guten Herzen ziemt es, Thränen zu vergießen über die Thaten jenes Menschen; vielleicht sind die klaren Tropfen im Stande die Flecken von dem sündigen Herzen zu waschen, in dem dasselbe Blut, wie in dem Ihren fließt; ja weinen Sie, weinen und beten Sie, dem Manne aber lassen Sie die blutige Pflicht. – Sie selbst tödten die Mosquite, welche Ihre Hand verletzt – und was hat das kleine Thier anderes gethan, als seinen Naturtrieb befriedigt? Hat es mit Bewußtsein Ihnen Schmerz machen wollen? Nein, es hat nur dem innern Triebe unbewußt gefolgt; aber die dort oben sind, oder waren, Menschen wie wir. Mit fühlendem Herzen in der Brust, begabt zu unterscheiden, was gut und was böse, haben ihre sündigen Begierden allein sie zum Abschaum der Menschheit gemacht, deren Namen sie schänden. – Doch beruhigen Sie sich,« brach er seine Rede plötzlich ab »denken Sie an Ihre eigenen Worte: die so herrlich aufgehende Sonne sei das Zeichen, daß die Finsterniß des Unglückes für immer von Ihnen weiche!« –

Langsam schritt George nach diesen Worten zu dem Felsenthor und blickte sinnend ins Freie; so eben hob die Sonne majestätisch ihr glühendes Haupt über die Berge, deren Kuppen in rosigem Licht aus den leichten, zerfließenden Nebeln hevorschimmerten. Wie eine Cascade von Brillanten sprühten die Wasser des Chataractes im prachtvollsten Farbenspiel und rings brachten die gefiederten Sänger dem neuen Tag ihre Jubelgrüße dar.

Auch im Lager der Räuber war es lebendig; gähnend traten die wilden Burschen ins Freie, blickten gleichgültig über die erwachende Natur und ermunterten hie und da die mit der Bereitung des Frühstücks beschäftigten Frauen durch rohe Flüche.

Doch der Trotz, der naturwüchsige Frohsinn der Räuber hatte einem unheimlich stillen Wesen Platz gemacht; kein Scherz tönte von den Lippen, als sie sich schweigend um die brodelnden Kessel niederließen und finster blitzten ihre Augen, als der Hauptmann, gefolgt von dem Mormonen, aus einem der Nebengänge trat und flüchtig seine Kameraden grüßte; ein dumpfes Murmeln derselben war die einzige Antwort.

Der Hauptmann lehnte träumerisch an der Felsenwand und starrte auf die weite Prairie; er, fühlte, daß die Bande der Disciplin, des aufopfernden, blinden Gehorsams sich zu lockern begann; er wußte, daß die Räuber nur noch zu ihm hielten, weil sie vielleicht hofften, sein Genie könne noch einen Ausweg finden, wo sie nur sicheren Untergang sahen. Nach langem Kampfe wandte er sich endlich und sein Ruf schaarte die Banditen um sich; während Preston sich anschickte sein mageres Frühmal einzunehmen, begann Don Manuel mit Pathos:

»Kameraden! Jahrelang sind wir vereinigt, treu vereinigt gewesen, unser einträgliches Geschäft zu betreiben; wir haben reiche Ernten gehalten und die Schatzkammer dieses Felsens birgt Reichthümer, wie Ihr selbst nicht ahnt. Muthvoll haben wir viele Gefahren, viele schweren Stunden bestanden, doch Nichts war im Stande, meine Liebe zu Euch und Euer Vertrauen zu mir zu erschüttern, und jetzt ist Euer Muth auf einmal gesunken? Kleinmüthig bebt Ihr, weil Euer Lager eine Heerde heulender Schakals umtanzt. Blickt hinab auf die mächtigen Felsmassen, die schon so lange uns Schutz gaben; sie sind noch dieselben und lachend könntet Ihr zusehen, wie Euere Feinde sich die Köpfe einrennten, wenn Ihr Euch gleich geblieben wäret; doch Ihr seid nicht mehr die kühnen Männer, die mit mir so oft jeder Gefahr gelacht, Ihr seid wankelmüthig geworden, weil die Rationen etwas schmal geworden und Ihr erinnert Euch nicht, daß ich noch stets einen Ausweg gefunden, wenn Ihr Euch schon verloren wähntet.«

»Ihr wißt, der unterirdische Weg ist frei. – Ihr wollt fliehen? Gut – es sei! Geht, geht, laßt feig die unermeßlichen Schätze im Stich, an denen wir so lange gesammelt; geht, Euer nacktes Leben zu retten, da Ihr nicht standhaft genug seid, Ungemach zu ertragen. – Ich aber bleibe; allein will ich den Feinden trotzen und gelingt es mir nicht, unsere Schätze für sie unerreichbar zu bergen, dringen sie ein in unser Felsennest – Höll' und Verdammniß! dann sprenge ich mich mit den jubelnden Teufeln in die Luft, damit mir Niemand die Beleidigung in's Gesicht schleudern darf – ich sei ein Feigling, weil ich der Anführer von Memmen war!«

Mehrere Secunden lang standen die Räuber unter der Wucht dieser Schmähungen wie betäubt; sie fühlten wieder die unbegreifliche Macht, die Ueberlegenheit ihres Anführers, der mit sicherem Griff die rechte Saite in ihren Herzen berührt – den Geiz und den Muth!«

Nachdem sie einige Zeit unter einander geflüstert, trat einer von ihnen als Sprecher vor und erklärte im Namen seiner Kameraden, daß sie auch fernerhin treu und ohne Murren zu ihm, ihrem Anführer, halten und seine Befehle, wie früher, blindlings befolgen würden.

»Recht so, recht so!« rief befriedigt Don Manuel. »Nun aber einen Festtag für heute! Cornejo, Alvarez! Ihr glücklichen Schützen von gestern, geht hinunter und schießt eins der Rinder über den Haufen; – könnt bei dieser Gelegenheit die beiden Schlingels aufwecken, die in heilloser Unverschämtheit dort unten noch immer schlafen. Erst schafft aber einen Schlauch Mezcal herbei!«

Mit Gewalt mußte er das höhnische Lächeln unterdrücken, das in seinen Mienen zuckte, als die Räuber bei der Hoffnung auf eine kleine Schwelgerei in ein stürmisches Hurrah ausbrachen.

Der Hauptmann aber trat zu dem Mormonen, sah ihn lange in die stechenden Augen und hauchte dann:

»Preston, die Frist ist um!«

»So ist es,« entgegnete dieser grimmig lachend, »und bei Gott – Niemand von uns kann sagen, wen meine schöne Nichte am meisten haßt!«

Ein trüber Schatten flog bei diesen Worten über des Spaniers ausdrucksreiches Gesicht und wild knirrschte er:

»Verdammt, daß Ihr die Wahrheit sprecht! Ach wie hätte ich das Mädchen lieben wollen; mit einer Gluth, einer Innigkeit; die vielleicht auch ihr kaltes Herz einmal erwärmt!« Fast träumerisch fuhr er fort: »Ach, ich wäre an ihrer Seite wieder ein besserer Mensch geworden, abgeschlossen von der Welt – –»

»Hättet Ihr zarte Schäferspiele aufgeführt!« fiel ihm Preston noch lachend in's Wort. »Schade, schade Sennor Waktehno; daß Ihr von diesem Stillleben noch ziemlich weit entfernt; wir sind jetzt zwar auch abgeschlossen von der Welt, aber in sehr ungemüthlicher Weise. Jetzt aber laßt die Narrenspossen; die Frist ist um – herbei mit den Würfeln – zum Spiel, zum Spiel Freund Manuel! Seht, das Bräutchen nutzt die Zeit, es pflegt noch der Ruhe; laßt uns nicht thörigter als sie sein; vielleicht wird der Verlierende bald der Erbe des Gewinners, vielleicht können wir –«

»Schweigt!« herrschte der Spanier so wild und drohend, daß dem Anderen das Wort auf der frechen Zunge erstarb. »Schweigt, Ihr seid eine Bestie; doch Ihr habt meinen Schwur – zum Spiel denn, zum Spiel!«

Auf einen Wink brachte ein Räuber dem Hauptmann zwei Würfel; lange wog der Letztere die beiden elenden Knochenstücke in der Hand, die Ehre und Glück einem edelen Weibe absprechen sollten, dann schob er sie dem Mormonen hin und rief:

»Werft, Preston, werft! Ich bin es jetzt nicht im Stande!«

Heftig schüttelte dieser die Würfel in der Hand, ehe er sie auf den Tisch fallen ließ – es waren zwölf Augen. Bleich, bebend ergriff jetzt der Räuber die Würfel, mechanisch öffnete er die Hand, doch neues Leben durchzuckte ihn, jauchzend sprang er empor; – auch er hatte zwei Sechsen geworfen!

Mit wüthendem Fluche warf Preston noch einmal, doch noch hatte er die gefallenen Augen nicht zählen können, als der Spanier seinen breitrandigen Filz über den Tisch deckte.

»Was soll der Unsinn?« frug der Mormone heftig und lachte grell auf, als Jener mit zitternder Stimme bat:

»Preston, was wollt Ihr haben, wenn Ihr des Mädchens entsagt? Genügen Euch tausend Dollars?«

»Nein!«

»Ich biete zweitausend!«

»Nein! Ereifert Euch nicht! Ich bin kein solcher Thor, Euer lumpiges Gold für diesen reinsten Demant zu nehmen: was nützt mir das Geld, wo ich mein Leben nicht einmal zu retten vermag? Ich bin etwas weniger leichtgläubig, als Euere Kumpane dort und weiß, daß ein Entrinnen unmöglich, und ich dächte, Ihr hättet bei Gott Gelegenheit gehabt zu erkennen, daß die Comantschen durchaus nicht zu verachtende Krieger sind; das haben sie am Biberbach mit verdammt verständlicher Schrift auf die Köpfe der Apachen geschrieben, und was ihren Muth, ihre Schlauheit betrifft. – –«

Mehrere rasch hintereinander abgefeuerte Schüsse, welche der nur zu gut bekannte Schlachtschrei der Comantschen übertönte, schnitt dem Mormonen das Wort ab.

Entsetzt sprangen die Räuber, Preston und Don Manuel, nach der Brüstung des Plateau's um zu sehen, was dieser Höllenlärm zu bedeuten; kaum zeigten sich aber ihre Köpfe über den Steinen, als ihnen eine zweite Salve entgegenkrachte. Drei der Banditen sanken todt zu Boden, die anderen sprangen eilends zurück und nur der Hauptmann stand wie ein Bild aus Stein und starrte hinab in den Berg-Kessel, aus dem die Comantschen ein stetes Feuer nach jedem lebenden Gegenstande unterhielten, der sich ihren Falkenaugen blosstellte; mit Gewalt rissen die Räuber ihren Anführer von seinem ungeschützten Platz, und im selben Augenblicke fuhren mehrere Kugeln krachend in den Baumstamm, an dem Don Manuel gelehnt! – –

Die Comantschen hatten kaltblütig gewartet, bis ihnen Gelegenheit geboten würde, einen der sorglos niedersteigenden Räuber zu erschießen und ganz richtig gerechnet, daß der Lärm ihrer Schüsse die Banditen aus deren Höhle locken und ihrem Feuer blosstellen würde; als nun Cornejo und Alvarez herabkletterten, um die Befehle ihres Hauptmanns zu vollziehen, schossen nur sechs der Indianer auf die beiden Unglücklichen; die Uebrigen warteten, mit den Büchsen im Anschlag, auf das Erscheinen der aufgeschreckten Räuber, und begrüßten diese mit ihren Kugeln.

Die Banditen jedoch, nachdem sie einmal die ganze Größe ihrer Gefahr erkannt, waren wieder ganz die verwegenen Gesellen, deren Kühnheit und Gewandtheit ihnen einen so furchtbaren Ruf verschafft. Keine Klage, kein Murren wurde laut, obgleich Jeder erkannte, daß nicht allein ihr Rückzugsweg, sondern auch ihre Pferde und die Rinder, welche für den höchsten Nothfall ihnen zum Unterhalt dienen sollten, in der Gewalt der Feinde. Sie wußten, sie waren rettungslos verloren, hinter ihnen streckte der Hunger bereits seine Krallen aus, vor ihnen, durch Bäume und Felsen versteckt, lauerten die unerbittlichen Indianer und erwiederten Schuß auf Schuß das Feuer der Banditen. –

Nachdem Don Manuel mit gewohnter Kaltblütigkeit seine Leute möglichst vortheilhaft postirt, rief er Preston, der gleichfalls nach der Büchse gegriffen hatte, und eilte mit diesem nach der Höhle, nach dem Tisch, auf welchem noch immer verdeckt die Würfel lagen.

»Preston!« begann der Spanier mit fieberhaft erregter Stimme: »Preston, noch einmal, laßt mich Euch den Wurf abkaufen!«

»Seid Ihr toll?« höhnte der Mormone: »in wenig Stunden fahren wir Alle zur Hölle! Vorher aber – vorher Sennor Waktehno – will ich einmal in vollen Zügen das Glück trinken, das ich mit meinem Leben erkaufen muß!« Und den Hut von dem Tisch schleudernd rief er triumphirend: »Der Donner der Schüsse soll mir das Brautlied singen! Seht her, der Preis ist mein.« Er hatte wieder zwölf Augen geworfen.

»Noch nicht!« knirrschte Don Manuel. »Noch nicht, ich kann zum zweiten Mal Euch gleichkommen! Aber noch einmal: tretet zurück! Noch giebt es einen Ausweg aus diesem Felsengrab! Lacht nicht so spöttisch, es ist so. – Was wollt denn Ihr?« unterbrach er sich plötzlich, als zwei der Frauen mit allen Zeichen der höchsten Angst an ihn herantraten und, nicht im Stande nur eine Silbe hervorzubringen, bittend ihre Hände zu dem Spanier erhoben.

»Was wollt Ihr! so sprecht doch in des Teufels Namen!« herrschte der Hauptmann wild und packte eine der Frauen heftig an der Schulter. »Nun, alte Hexe, was ist's?«

»Sennor, die gefangene Jungfrau ist verschwunden!« hauchte die Alte, sich unter dem schmerzhaften Drucke windend, – doch kaum warm diese Worte ihr entflohen, als der Räuber sie mit einem gotteslästerlichen Fluche so heftig an den Felsen schleuderte, daß sie leblos – blutüberströmt zusammensank.

Der Schrei, der entsetzliche Mark und Bein erschütternde Wehruf, den der Tiger ausstößt, wenn er heimkommt in sein Lager und seine Jungen geraubt findet, er ist melodisch gegen das teuflische Brüllen, mit welchem Waktehno, gefolgt von Preston, in die Höhle stürzte. Doch vergeblich durchforschten sie jeden Winkel der verschiedenen Gänge, keine Spur war von Marie zu finden, und als sie wieder nach dem Plateau zueilten, kam ihnen einer der Räuber entgegen, um dem Hauptmann zu melden, daß er in der Felsspalte den Lasso eines Comantschen gefunden, es war der, mittelst welchem Marie entführt worden war!


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