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Zweiter Akt

Erste Szene

Leonie. Dora.

Leonie aus dem Schlafzimmer: Sie können fortgehen, die Einkäufe machen.

Dora von links: Gnädiges Fräulein braucht mich nicht?

Leonie: Nein.

Dora: Das Frühstück, gnädiges Fräulein?

Leonie: Ich will keines.

Draußen läutet es.

Leonie: Ich bin nicht zu sprechen.

Dora ab.

 

Zweite Szene

Leonie. Dann Bella.

Bellas Stimme draußen: Leonie ist doch da?

Leonie am Vorhang des Schlafzimmers: Deine Frau!

Fork von drinnen: Regt dich das auf?

Bella dringt ein: Was ist denn? Ich muß dich doch sprechen, Leonie.

Leonie zieht schnell Tür und Vorhang zu: Wie siehst du denn aus? Was gibt's?

Bella: Leonie, hast du meinen Mann gesehen?

Leonie: Seit wann beunruhigst du dich um deinen Mann?

Bella: Er war nachts nicht zu Hause.

Leonie: Darum kommst du zu mir? Du glaubst wohl, er ist hier?

Bella wehrt erschreckt ab.

Leonie: Sieh nach, wenn du willst.

Bella: Lächerlich. Da er schon vor uns fortging. Und Harry war bei dir.

Leonie: Also?

Bella: Ich habe doch nur Angst um dich, Leonie.

Leonie: Das ist nichts Neues, und es ist unnötig.

Bella: Aber ich habe dir nicht alles gesagt. Ich weiß, was dir droht. Mein Mann wird dich töten.

Leonie: Geh.

Bella: Es ist wahr. Schon lange weiß ich's.

Leonie: Er spricht davon mit dir? Mit dir?

Bella: Auf eine Frau wie mich nehme man keine Rücksicht, sagt er.

Leonie: Das zeigt dir doch, wie wenig er ernst zu nehmen ist.

Bella: Er ist zu allem fähig, sage ich dir.

Leonie: Wir kennen ihn nicht auf dieselbe Art, du und ich.

Bella: Leonie, in seinem Schreibtisch lag ein Brief an dich.

Leonie: Laß. Ich brauche ihn nicht erst zu sehen.

Bella: Er spricht darin von einem Fläschchen, das er dir schicken will. Ich weiß auch, wo es stand. Es steht nicht mehr dort.

Leonie: Daher deine Angst?

Bella: Mein Gott, wo ist es?

Leonie öffnet die Hand: Da.

Bella: Wie entsetzlich! Und du zeigst es mir! Du hast nicht das Recht –

Leonie einfallend: Worauf?

Bella: Auf soviel Rücksichtslosigkeit. Wir sind auch Menschen. Was würde ich für ein Leben haben.

Leonie: Dasselbe wie immer. Du würdest weiter Angst haben, dulden und den Ereignissen im Wege sein.

Bella: Ich? Du kannst nicht sagen, daß ich dich gehindert habe. Suche dir eine Freundin, die deine Freundin bleibt, nach dem, was du mir getan hast.

Leonie: Das werfe ich dir vor. Man muß abbrechen können, weitergehn, handeln. Du schleppst dich hin, und du schleppst uns hin. Du hast den Leutnant von Rüssel über dich ergehen lassen, nicht wahr?, weil dein Mann es wollte. Du läßt dich verkaufen.

Bella: Ist das nicht Opfermut genug?

Leonie: Opfermut hält auf und schadet. Er ist nicht Mut. Es hat einen Augenblick gegeben, wo ich mit Fork in die Welt hinausgegangen wäre. Du warst da, deine Freundschaft, deine Angst. Du hast mich gelähmt.

Bella: Ich habe dich gerettet. Alles wäre für dich zu Ende, und du wärest dort, wo ich bin.

Leonie: Wer sagt dir, daß ich's nicht bin. Daß ich jetzt nicht auch lügen muß, die Dinge hinnehmen, mich härmen und sie hinnehmen. Wo dein Mann ist, willst du wissen? Sie stürzt zum Vorhang.

Bella fällt ihr in den Arm: Nein! ... Was wolltest du tun. Oh, ich hasse dich!

Leonie: Endlich!

Bella: Du bist herzlos. Lieben willst du? Du kannst ja nicht leiden. Komödiantin. Oh! Du hast ein höfliches Herz. Du tröstest, von oben herab, die arme Lizzi. Mich schonst du, was kostet's dich. Und du siehst uns zu, um etwas zu lernen. Fühlen wirst du nie etwas, das ist meine Rache. Vergifte dich nur: ich glaube, du kannst nicht einmal sterben. Sie weint.

Leonie: Du haßt mich. Das tut wohl ... Aber warum weinst du jetzt – da du mich haßt und – nach dem Vorhang – jenen nicht liebst?

Bella: Wie wenig du das Leben verstehst.

Leonie: Bella, du irrst. Arme Bella, ich möchte mit dir weinen. Ich kann nicht. Wer solch hartes Leben führt, verachtet das der andern. Verzeih mir.

Bella: Warum bist so hart? Ich, ich habe geliebt; sieh zu, ob ich nicht zuletzt stärker bin als du. Ich habe Robert geliebt, und habe das Verhältnis angefangen, damit er weniger im Unrecht war, und weil sich's nur so zu Hause noch leben ließ. Und ich habe ihn dir gelassen, damit ich ihn halten konnte. Denn, mag's auch bergab gehn mit uns beiden, wir sind dennoch füreinander der einzige Halt.

Leonie: Du tust mir leid. Das alles ist falsch und schmutzig.

Bella: Schmutzig ist, – nach dem Vorhang – was du soeben tun wolltest. Es war schamlos. Deine Wahrheitsliebe ist schamlos. Man muß Lügen ertragen können, aus Menschlichkeit, aus Demut. Dir ist niemand der Mühe wert, zu lügen, denn du liebst niemand. Bewahre dein Gift gut auf, es kann lange währen, bis du es brauchst. Dir kann niemand recht weh tun als du selbst. Leb wohl!

Leonie: Bleib! Das ist jetzt alles anders. Ich bin nicht mehr allein. Ich will lieben. Harry –. Warte doch, ich sage dir alles.

Bella: Sage mir nichts. Wir haben uns zuviel gesagt, wie soll man noch voreinander leben. Ab.

Leonie: Hör mich an! Allein, leise: Wenn sie doch recht hätte! Noch wahr sein dürfen, wie beim Spielen. Aber das Spielen hat aufgehört, ich hatte es vergessen. Wie furchtbar! Was sonst nichts gewesen wäre, jetzt macht es also – todeswürdig?

 

Dritte Szene

Leonie. Fork.

Fork aus dem Schlafzimmer: Nun?

Leonie: Sie ist fort. Sie war außer sich. Ich habe ihr gesagt, du seist dort. Ich wußte nicht, daß sie dich liebt.

Fork: Ich wußte es ... Du hast erwartet, ich werde zurückschrecken? Ich kenne keine Trümmer, über die hinweg ich nicht nach dir greifen würde.

Er will sie umarmen, sie befreit sich.

Leonie: Sieh doch die Dinge, wie sie sind. Zweifelst du an meinem Willen? Ich werde Harry heiraten.

Fork: Auch jetzt noch?

Leonie: Was ist denn geschehen?

Fork: Nichts. Du hast ihn mit mir betrogen. Heute abend wirst du glänzend spielen.

Leonie: Ich war noch einmal die Komödiantin ... Du hast mich nicht besessen, an dich verliere ich mich nicht. Ich bin nicht ernst mit dir, du kennst mich nicht. Er aber kennt mich.

Fork: Ich habe euch gesehen und sehne mich nicht an seine Stelle. Du wirst immer wieder zu mir flüchten. Wir werden jeder unsere Kette schleppen und uns verzweifelt trösten.

Leonie: Nein! Nein!

Fork: Nein. Denn das alles wird nicht sein. Ich lasse mich scheiden und heirate dich. Wir sind beide tief genug im Schmutz gegangen.

Leonie: Es wird noch tiefer hineingehn.

Fork: Mit dir werde ich ein anderer Mensch. Diese Kraft, die mich solange nur zerstören konnte, wird durch dich fruchtbar werden. Ich werde arbeiten, kämpfen. Ich werde aufleben.

Leonie: Ich bin keine barmherzige Schwester. Harry verlangt nicht, daß ich ihn heile. Er ist einfach und gütig. Ich will leben: leben wie die andern, ohne Probleme, ohne Wissen und Haß in der Begierde.

Fork: Du meinst, ich bin der Mann, mir meine rechtmäßige Gefährtin nehmen zu lassen? Lieber sollst du nicht mehr leben.

Leonie: Du willst, daß ich sterbe? Ich hätte Lust.

Sie gibt sich in seinen Arm.

Fork: Siehst du, daß du mir nicht entkommst?

Leonie: Du würdest mich töten? Ich glaube dir nicht.

Fork: Ich habe dir das Gift gegeben.

Leonie: Aber nachher: Was wird aus dir?

Fork: Ich frage nicht danach.

Leonie: Du fragst nie, was kommt: darum bist du stark. Zeige mir, daß du mich mehr liebst als er, der mich nur quält: töte mich.

Fork: Damit ich dich lieben kann, mußt du leben.

Leonie: Sieh, du verstehst mich nicht. Ich bin am Ende. Ich wollte aufhören zu spielen und leben, im Ernst leben. Ich wußte nicht, daß man, um zu leben, lügen muß. Sei du der einzige, dem ich mich im Ernst gebe, und der mich ernst nimmt. Töte mich.

Fork: Unnütz, dich mir zu geben; ich habe dich.

Leonie: Wenn ich sterbe: in der letzten Minute wirst du in meinen Augen sehen, auf meinen Lippen schmecken, daß du der einzige bist, den ich je geliebt habe.

Fork: Wozu. Du liegst mir im Arm; nach andern Schauern sehn ich mich nicht.

Leonie gießt Wasser in ein Glas. Sie hält das Fläschchen darüber. Sie schiebt ihm das Glas hin: Flöß es mir ein, zwing mich, es zu trinken. Ich bin feige; ich bin so schrecklich allein, das macht feige. Sei bei mir, laß mich dich fühlen, bis ins Nichts.

Fork: Du bist krank. Du mochtest sterben, wenn ich dich verloren hatte. Die Dinge haben sich geändert.

Leonie: Ich schwöre dir, daß du mich verloren hast, wenn ich nicht dies Glas leere.

Fork: Leere es, wenn du kannst.

Leonie: Nie mehr, solange ich lebe, wirst du mich besitzen. Nur sterbend bin ich dein ... Du willst nicht? Du läßt mich allein? Ich muß es selbst tun? Nimmt das Glas, stellt es wieder hin. Ich kann nicht. Tu's für mich; ich bettele, hörst du nicht? So übermenschlich wird kein Mann je geliebt worden sein.

Fork: Du wirst mich nicht um dich betrügen.

Leonie: Also ich. Sie trinkt schnell.

Fork greift nach ihr: Um des Himmels willen! Er entreißt ihr das leere Glas, sieht ihr ins Gesicht: Wie ist dir?

Leonie: Gut. Es war nur Wasser. Kein Tropfen Gift war darin. Du hattest also Angst, wie jeder andere. Du verlierst mich lieber, als daß du mich rettest und mit mir untergehst. Das ist der Desperado ... Aber ich schwöre dir, du hast viel versäumt. Wenn du mir dies Wasser gereicht hättest, ich wäre dein gewesen.

Fork: Komödiantin!

Leonie: Wie du mich verstehst... Geh da hinein – nach dem Schlafzimmer. Halte dich still, ich rufe mein Mädchen. Ich will ausgehen.

Fork: Wohin?

Leonie: Meine Rolle der Merson bringen.

Fork: Die Clarissa?

Leonie: Ich werde nicht mehr auftreten. Von heute ab bin ich nur mehr Harry Seilers Frau. Du sollst sehen, ob ich dich fürchte. Wenn ich fort bin, wirst du geräuschlos das Haus verlassen. Sie läutet.

Fork ab.

 

Vierte Szene

Leonie. Dora.

Leonie: Ich will ausgehen, ich ziehe mich nicht um. Den Mantel, bitte.

Dora: Einen großen Hut, gnädiges Fräulein?

Leonie: Einen Beguin – da ich nicht frisiert bin.

Dora ab ins Schlafzimmer.

Leonie: Wenn Herr Seiler kommt, bitten Sie ihn, mich zu erwarten. Ab.

 

Fünfte Szene

Fork. Dann Harry.

Fork im Mantel aus dem Speisezimmer, irrt unruhig umher, öffnet Schiebladen, geht ins Schlafzimmer, man hört ihn poltern. Wie er zurückkehrt, tritt Harry ein.

Fork: Sie wundern sich, mich hier zu sehen?

Harry: Allerdings.

Fork: Auch ich erwarte die Rückkehr des gnädigen Fräuleins.

Pause. Sie bewegen sich, einer links, der andere rechts, hin und her.

Fork stehenbleibend: Ich bin nämlich gekommen, um Leonie zu warnen. Ich habe von Intrigen erfahren, die bezwecken, ihr die Rolle wegzunehmen.

Harry: Die Rolle der Clarissa? Nach dem Erfolg von gestern?

Fork: Es ist rätselhaft, von wem die Machinationen ausgehn. Den Nutzen würde die Merson haben.

Harry: Aber das ist unmöglich! Sie würde sofort ihre Entlassung nehmen. Es wäre das Ende von allem.

Fork: Sie sprechen wie ein wahrer Theaterfreund, der den Verlust der Hallmann nicht verschmerzen könnte.

Harry: Ich bin ihr Verlobter.

Fork: Ich wollte Sie daran erinnern.

Harry: Sie wird den Antrag nach Wien annehmen. Ich bin hier gebunden ... Ich finde es sonderbar, daß Sie mich veranlassen, Ihnen meine Motive zu geben.

Fork: Sie wissen vielleicht, ich bin ein alter Bekannter Leonies.

Harry: Ich weiß es.

Pause. Sie messen sich.

Harry: Es gibt nichts, was sie mir nicht gesagt hätte.

Fork: Sehr achtbar von beiden Seiten. Aber würde diese Sachlage Sie nicht verpflichten, die Heirat, wie soll ich sagen, mit mehr Überzeugung zu betreiben?

Harry: Was erlauben Sie sich?

Fork: Ich habe Grund zu der Befürchtung, daß Leonie die Dinge zu ernst, gefährlich ernst nimmt. Sie sahen vorhin, daß ich suchte.

Harry: Es hat mich befremdet.

Fork: Sie werden es sogleich erklärlich finden. Ich weiß seit einiger Zeit, daß Leonie über Gift verfügt.

Harry: Unmöglich.

Fork: Sie hatten davon keine Ahnung.

Harry: Natürlich nicht.

Fork: Natürlich nicht ... Aber sie kann sogleich zurück sein. Nützen wir die Zeit. Er kramt.

Harry stürzt umher: Woher hat sie's? Welcher Verbrecher –

Fork: Vielleicht derselbe, der es dem armen Sainthal gegeben hat. Auch da, nicht wahr? sind wir beide ohne die geringste Vermutung.

Harry zuckt auf: Mein Gott, was tun ... Ich suche im Schlafzimmer.

Fork: Unnütz, ich habe nachgesehen. Sie wird es bei sich tragen.

Harry: Ich bin töricht, mich erschrecken zu lassen. Ich kenne Leonie besser als Sie. Nie wird sie mir das antun.

Fork: Eine schöne Zuversicht.

Harry: Man nimmt doch nicht Gift ... Sie gefällt sich in tragischen Situationen. Sie spielt. Sie ist eine Komödiantin.

Fork: Sie haben den Scharfblick des Liebenden.

Harry: Sie wollen sagen, daß Sie sie besser geliebt haben?

Fork: Unglücklicher! Ich sage, daß sie mich liebt, nur mich. Wollen Sie sehen? Da sind Karten, die sie mir aus Paris geschrieben hat, in derselben Stunde, da Sie sie zu haben glaubten.

Harry: Das ist nicht wahr!

Fork: Wenn sie stirbt, tut sie es aus Leidenschaft für mich. Sie wird nicht einmal fragen, ob es für Sie ein Schmerz ist oder eine Erleichterung.

Harry: Verleumder!

Fork: Und sie wird es Ihnen sagen, wenn Sie den Mut haben, zu fragen. Wollen Sie es wissen? Ich habe nicht erst heute früh dies Haus betreten. Ich bin hier, weil ich es gestern nacht nicht verlassen habe.

Harry krümmt sich, wirft die Arme, stürzt vor: Elender Mensch!

Fork stößt ihn fort: Sehen Sie nicht, daß ich danach lechze, Sie vor meiner Pistole zu haben? Außer sich: Was kann ich Ihnen denn noch sagen?

Harry plötzlich beruhigt: Nichts, was die Gefühle ändern könnte, die ich schon vor dieser Stunde für Sie hatte. Ich verachte Sie: Sie und die übeltäterische Leidenschaft, die Sie erregen.

Fork: Sie sind's, Sie, der sie tötet!

Harry: Wovon reden Sie. Was wissen Sie von unserer Liebe. Sie haben nie ein Herz geöffnet gesehen.

Fork: O ja! Ihres. Denn gestern abend stand ich hinter dem Vorhang dort. Ich habe zugesehen, wie Sie sie mordeten.

Harry: Und ob Sie sich hundertmal einschleichen, Sie werden nie erfahren, was Zärtlichkeit ist, die versteht und wohltut.

Fork: Ich habe Besseres zu tun. Ich habe die Frau zu retten, die Ihre Zärtlichkeit umbringt.

Harry: Ich bemitleide Sie.

Fork: Sie beneiden mich. Und Sie sind zu feige, sich mir zu stellen.

Harry: Vielleicht wird es im Gegenteil Feigheit sein, wenn ich mich Ihnen stelle. Aber ich will es tun.

Fork: Endlich.

 

Sechste Szene

Die Vorigen. Leonie.

Leonie: Was gibt's? Harry! Du willst dich schlagen. Ich erlaube es nicht. Rasch auf ihn zu: Versprich mir -

Harry: Laß, bitte. Zu Fork: Ich veranlasse das Weitere.

Fork verbeugt sich vor Leonie. Ab.

 

Siebente Szene

Leonie. Harry.

Leonie: Du darfst nicht! Ich will nicht!

Harry: Beruhige dich, Leonie.

Leonie: Wie darfst du dein Leben wagen: gehört es denn nicht mir? Und in solchem Augenblick!

Harry: In welchem Augenblick?

Leonie: Was hat er dir gesagt?

Harry: Nichts. Haltlose Verleumdungen.

Leonie: Was ... Schweige doch nicht! Mein Gott! ... Sag mir die Wahrheit, sei aufrichtig dies eine Mal. Warum stehen hier die Kästen offen. Was habt ihr getan. Was weißt du. Nimmt seine Hände. Ich soll dich getötet haben? Ich?

Harry: Liebe Leonie.

Leonie: Sprich! So sprich doch!

Harry: Liebe Leonie ... Mir ist, als hätte ich dich noch niemals recht geliebt. Jetzt erst liebe ich dich.

Leonie: Darum willst du mich allein lassen?

Harry: Ich habe viele Fehler begangen; ich war schwach, vielleicht, ja sicher würdest du unglücklich sein. Dennoch mag ich ohne dich nicht leben ... Es kann ja sein, daß ich ihn forträume und dich befreie.

Leonie: Ja! Befreie mich!

Harry: Siehst du? Du hast es zu sehr nötig. Du würdest bereuen, wenn es geschähe ... Es ist auch wahrscheinlicher, daß ich selbst verschwinde; und damit wäre dir besser geholfen. Ich werde dir für immer das Zeichen meiner Liebe eingedrückt haben, indem ich sterbe.

Leonie: Du sprichst im Fieber. Wir schlagen uns beide gegen Phantome, wir schließen uns ein mit dem Tod und lassen uns von ihm anstarren. Aber draußen die Welt lebt doch weiter, die ganze Welt. Können wir nicht hinaus? Das Leben ist einfach; man kommt über alles hinweg. Wer sind wir? Dürfen wir denn nur unter den Augen des Todes lieben und eine Minute glücklich sein?

Harry: Nicht wahr? Wir sind glücklich? Leonie, es ist wunderschön, ich kann dir plötzlich alles sagen. Alles ist leicht und gut. Ich bin besser als sonst. Ich bin nicht tapfer, ich hätte mich wohl nie getötet. Jetzt ist die Not mir abgenommen; ich lasse es geschehen; es ist das einzige, was ich tun kann für dich.

Leonie: Nein!

Harry: Leonie, in dieser Stunde. Wiederhole doch dein Nein ... Nicht wahr? Du schweigst.

Leonie abseits: Mein Gott, will ich denn, daß er stirbt?

Harry sieht sich nach ihr um. Langsam ab.

Leonie aufschreckend: Harry! Ihm nach: Harry, ich bin verloren. Wir wollen leben. Das alles ist Komödie. Wir wollen leben.

Vorhang.

 


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