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V

Lohmann, Graf Ertzum und Kieselack spazierten hintereinander um den Saal. Wie sie unter der Bühne vorbeikamen, stieß Kieselack einen schrillen Pfiff aus.

»Ins Kabuff!« kommandierte er; und sie drückten sich in die Künstlergarderobe. Die dicke Frau flickte irgend etwas.

»Nu?« fragte sie. »Wo haben Sie denn gesteckt, meine Herren? Ihr Lehrer hat uns Gesellschaft geleistet.«

»Mit dem verkehren wir nicht«, erklärte Lohmann.

»Er ist aber ein feingebildeter Mann und ganz leicht um den Finger zu wickeln.«

»Wickeln Sie!«

»Oh, ich nicht, meine Herren, Sie wollen gewiß uzen. Aber ich weiß jemand –«

Sie kam nicht weiter, denn Kieselack kitzelte sie unter der Achsel. Er hatte sich überzeugt, daß die andern nicht hinsahen.

»Das dürfen Sie nicht, Kleiner«; und sie hob den Klemmer von der Nasenspitze. »Wenn Sie das öfter tun, kann Kiepert Sie mal anblasen.«

»Beißt er?« fragte Kieselack von unten; und die Frau nickte mit geheimnisvollen Falten, als beteuerte sie einem Kinde, der schwarze Mann sei eine Tatsache.

Lohmann sagte von hinten, vom Toilettentisch her, neben dem er, die Hände in den Hosentaschen, auf einem Stuhl lag: »Kieselack, du Frechmops, bist entschieden zu weit gegangen mit Unrat. Was brauchtest du ihn noch zu reizen, wie er hier rausgekommen ist. Er ist ja auch nur ein Mensch, und über seine Kräfte muß man ihm keine Gemeinheiten zumuten. Jetzt kann er uns Stank machen.«

»Ich werd ihm!« prahlte Kieselack.

Ertzum saß in der Mitte, mit den Ellenbogen auf dem Tisch; er knurrte nur, und sein blondrotes Gesicht unter einer Kuppel roter Borsten, die die Hängelampe beglänzte, blieb unverrückt nach der Tür gerichtet. Plötzlich schlug er auf den Tisch.

»Bloß noch ein einziges Mal soll sich dieses Vieh hier blicken lassen, und ich brech ihm alle Knochen entzwei!«

»Fein!« sagte Kieselack. »Dann kann er uns den Klassenaufsatz nicht wiedergeben. Meiner ist ja doch lauter Unsinn.«

Lohmann sah lächelnd zu.

»Die Kleine scheint dich wirklich unterzukriegen, Ertzum. Solche Töne findet nur wahre Liebe.«

Und da draußen der Applaus verrauschte und die Tür aufging: »Gnädiges Fräulein, man ist bereit, für Sie zum Mörder zu werden.«

»Ihre faulen Redensarten können Sie sich sparen«, erwiderte sie ungnädig. »Ich hab mit Ihrem Lehrer über Sie gesprochen, der ist auch nich gerade begeistert von Ihnen.«

»Was will denn der alte Hammel?«

»Fassen will er Sie und Wurst aus Ihnen machen, sonst nichts!«

»Fräulein Rosa«, stammelte Ertzum; er hatte, seit sie im Zimmer war, einen demütigen Rücken und einen Blick, der flehte.

»Mit Ihnen is auch nischt los«, erklärte sie ihm. »Das einfachste war doch wohl gewesen, Sie wären im Saal geblieben und hätten anständig geklatscht. Da sind gewisse Rauhbeine, die wollten mich anöden.«

Ertzum stürzte vor.

»Wo sind die Kerls! Wo sind die Kerls!«

Sie holte ihn zurück.

»Sein Sie so gut! Machen Sie Krach! Dann flieg ich noch heut abend hier raus. Können Sie mir vielleicht Ihr Palais zur Verfügung stellen, Herr Graf?«

»Sie sind ungerecht, gnädiges Fräulein«, sagte Lohmann. »Er ist erst heute wieder Ihretwegen bei seinem Vormund, Konsul Breetpoot, gewesen. Aber dieser Bürger hat keinen Sinn für die große Leidenschaft, er gibt kein Geld her. Ertzum möchte Ihnen, soviel an ihm liegt, alles zu Füßen breiten: seinen Namen, eine glänzende Zukunft, ein Vermögen. Er ist weiß Gott von hinreichend einfachem Geiste, um das zu tun. Darum gerade, gnädiges Fräulein, wäre es unrecht von Ihnen, wenn Sie seine so sympathische Einfachheit mißbrauchen wollten. Schonen Sie ihn!«

»Ich werd wohl allein wissen, was ich zu tun hab, Sie Baffze ... Und wenn Ihr Freund keine solche Schnauze hat wie Sie, denn hat er darum bloß noch mehr Aussicht, daß er bei mir –«

»Das Ziel der Klasse erreicht«, ergänzte Kieselack.

»Sie kenn ich, Sie sind einer von den Heimlichen«; und sie trat Lohmann näher. »Hier tun Sie, als ob die Welt Sie kaltließe, und hinterrücks bedichten Sie einen in dreckiger Weise.«

Lohmann lachte verlegen.

»Sie sind überhaupt der letzte, dem ich 'n irgendwie triftigen Grund geben werd zu der Annahme, ich könnt in die Wochen kommen. Verstehn Sie mich? Der letzte.«

»Also gut. Der letzte. Ich warte so lange«, sagte Lohmann gelangweilt; und indes sie ihm den Rücken drehte, streckte er die Beine von sich und richtete das Gesicht gegen die Decke. Er saß hier ja ohne persönliches Interesse und nur als ironischer Zuschauer. Ihm konnte doch die Person gleich sein. Um sein, Lohmanns, Herz stand es wahrhaftig viel zu ernst, viel ernster, als man je erfahren würde ... Er machte sich einen Panzer aus Spott ...

Das Klavier hatte sich ausgeruht.

»Rosa, Ihr Lieblingswalzer!« sagte die dicke Frau.

»Wer will tanzen?« fragte Rosa. Sie wippte schon, und sie lächelte Ertzum zu. Aber Kieselack kam dem breiten Junker zuvor. Er legte Hand an Rosa, wie zu einem Gassenjungenstreich, drehte sie heimtückisch sachte herum und schleifte plötzlich ganz weit aus. Sie fiel fast hin. Dabei streckte er ihr die Zunge aus und kniff sie, von allen ungesehen, auf der Rückseite. Sie erschrak und sagte ärgerlich und zärtlich: »Wenn du Ekel das noch mal tust, sag ich es ihm, und er verhaut dich.«

»Das laß bleiben!« riet Kieselack ihr wispernd. »Sonst sag ich ihm auch was.«

Sie lachten, ohne die Mienen zu verziehen. Ertzum sah ihnen zu, verstörten Blicks, das blondrote Gesicht voller Schweißtropfen.

Inzwischen hatte Lohmann die dicke Frau aufgefordert. Rosa ließ Kieselack stehen und sah Lohmann zu, der gut tanzte. Die dicke Frau ward unter seinen Händen ganz leicht. Als es ihm genug schien, verbeugte er sich gnädig und kehrte, ohne Rosa zu bemerken, an seinen Platz zurück. Sie folgte ihm.

»Tanzen kann man meinswegen mit Ihnen. Wenn Sie auch sonst zu nischt zu brauchen sind.«

Er zuckte die Achseln, drückte seine Gleichgültigkeit noch durch einen der schauspielerhaften Faltenwürfe seines Gesichts aus und erhob sich. Sie walzte lange, schwelgerisch und hingegeben.

»Haben Sie genug?« fragte er endlich höflich. Und als sie erwachte: »Nun, dann –«

»Hab ich 'nen Durst!« rief sie, außer Atem. »Herr Graf, geben Sie mir was zu trinken, oder ich fall um.«

»Er steht selbst nicht sicher«, bemerkte Lohmann. »Er sieht ja aus wie der besoffene Mond.«

Ertzum keuchte, als ob die ganze Zeit nur er das Mädchen herumgedreht hätte. Er senkte eine Flasche, die ihm in der Hand zitterte und aus der nur noch ein Rest floß. Darauf sah er Rosa ratlos an. Sie lachte. Die dicke Frau sagte: »Ihr Herr Lehrer hat, scheint's, 'n guten Zug.«

Ertzum begriff; ein Schwindeln ging sichtbar durch seine Augen. Er erfaßte plötzlich die leere Flasche am Hals wie eine Keule.

»Nanu«, machte Rosa. Und nach einem Augenblick, währenddessen sie ihn beurteilt hatte: »Mein Taschentuch liegt unterm Tisch. Holen Sie's mal raus, ja?«

Ertzum bückte sich, steckte den Kopf unter den Tisch, wollte hingreifen. Aber seine Knie bogen sich; er kroch, und das Mädchen sah ihm zu, auf das Tuch los, nahm es mit den Zähnen vom Boden, kehrte auf den Händen unter den Tischrand zurück. Da blieb er und hielt die Augen geschlossen, erschlafft von dem fettigen, fad parfümierten Geschmack des grauweißen Fetzens, worin Schminke abgewischt war. So stand nun, gleich vor seinen geschlossenen Lidern und unerreichbar, das Weib, von dem er Tag und Nacht träumte, an das er glaubte, für das er sein Leben gelassen hätte! Und weil sie arm war und er sie noch nicht zu sich emporziehen durfte, mußte sie ihre Reinheit Gefahren aussetzen und mit schmutzigen Leuten verkehren, sogar mit Unrat. Es war ein furchtbares, einziges Geschick.

Nachdem sie ihr Werk bewundert hatte, nahm sie ihm das Tuch aus dem Gebiß und sagte: »So is scheen, mein Hundchen.«

»Fabelhaft«, bemerkte Lohmann.

Und Kieselack, der einen weit abgenagten Fingernagel an den Mund führte, mit einem Senkblick von einem seiner Kameraden zum andern: »Bild't euch man nix ein. Ihr erreicht ja doch nicht rechtzeitig das Ziel der Klasse.«

Dann blinzelte er Rosa Fröhlich zu. Er selbst hatte es schon erreicht.

Lohmann sagte: »Zehneinhalb. Ertzum, dein Pastor kommt vom Bier, du mußt in die Klappe.«

Kieselack hatte Rosa etwas zugeraunt, schäkerhaft und drohend. Wie die beiden andern aufbrachen, war er verschwunden.

Die Freunde gingen dem Stadttor zu.

»Ich kann dich hinausbegleiten«, erklärte Lohmann. »Meine Alten sind auf dem Ball bei Konsul Breetpoot. Wie findest du das, daß unsereiner nicht eingeladen wird? Da tanzen nun schon die Gänse, mit denen ich Tanzstunde gehabt habe.«

Ertzum schüttelte stürmisch den Kopf.

»Solch ein Weib ist doch nicht dabei! Letzte Sommerferien war ich auf unserm Familientag mit allen Ertzumschen Mädschen und soundso vielen angeheirateten Püggelkrooks, Ahlefeldts, Katzenellenbogens ...«

»Und so weiter.«

»Aber meinst du, das eine das gehabt hätte?«

»Was denn?«

»Na das. Du weißt schon. Sie hat auch, was ein Weib ganz besonders haben muß, nämlich sozusagen Seele.«

Ertzum sagte »sozusagen«, weil das Wort Seele ihm Scham machte.

»Und dann ihr Taschentuch«, ergänzte Lohmann. »So eins hat keine Püggelkrook.«

Ertzum begriff langsam die Anspielung. Er trachtete die dumpfen Instinkte, die ihm vorhin einen so sonderbaren Auftritt bereitet hatten, mühselig ans Licht zu ziehen.

»Du mußt nicht denken«, sagte er, »daß ich so was ohne Absicht tue. Ich will ihr gradezu zeigen, daß sie trotz ihrer niedrigen Abkunft über mir steht, und daß ich sie ernstlich zu mir emporziehen will.«

»Sie steht ja über dir.«

Ertzum wunderte sich selbst über diesen Widerspruch. Er stotterte: »Du sollst sehen, was ich tun werde! ... Der Hund, der Unrat, kommt mir kein zweites Mal lebendig in ihre Garderobe.«

»Ich fürchte, er möchte es uns grade so verleiden, wie wir ihm.«

»Er soll es nur wagen.«

»Ein feiger Kerl ist er ja nur.«

Sie waren dennoch in Sorge; aber sie sprachen nicht mehr davon.

Sie gingen zwischen den leeren Wiesen hin, auf denen im Sommer das Volksfest spielte. Ertzum, von weiter Nacht und Sternen leichtergemacht, fand in seinem Sinn glänzende Auswege in die Freiheit, heraus aus diesem Bürgernest und aus der staubigen Anstalt, wo sein großer ländlicher Körper in lächerlichen Fesseln saß. Denn er war dessen jetzt, seit er liebte, gewahr geworden: daß er sich lächerlich ausnahm auf der Schulbank, an einer falschen Antwort stotternd, den Stiernacken geduckt, hilflos, weil der hochschulterige Schwächling auf dem Katheder ihn giftig anschielte und dazu pfauchte. Alle seine Muskeln, von denen man hier Zahmheit verlangte, sehnten sich danach, belastet zu werden, drängten ihn, mit einem Schwert und einem Dreschflegel um sich zu hauen, ein Weib über seinen Kopf zu schwingen, einen Bullen am Horn zu packen. Seine Sinne gierten nach riechbaren Bauernmeinungen, nach greifbaren Begriffen, auf festem Boden tief unter der dünnen klassischen Geistigkeit, worin ihm der Atem ausging; nach der Berührung mit der nackten schwarzen Erde, die ein Jäger an seinen Sohlen fortträgt, und mit der Luft, die einem galoppierenden Reiter ums Gesicht schlägt; nach dem Lärm gefüllter Schenken und zusammengekoppelter Hunde, nach dem Brodem eines herbstlichen Waldes und eines feuchten Pferdes, das Kot fallen läßt ... Vor drei Jahren hatte daheim eine Kuhmagd, die er gegen einen starken Viehjungen verteidigt hatte, ihm damit gedankt, daß sie ihn ins Heu geworfen hatte. Durch diese Dirn hindurch fühlte er heute die Chanteuse Rosa Fröhlich. Sie weckte in ihm einen weiten grauen Himmel mit einer Menge heftiger Laute und Gerüche. Sie weckte alles, was seine eigene Seele war. Darum tat er ihr die Ehre an, dies für ihre Seele zu halten, ihr viel, viel Seele beizulegen und sie sehr hochzustellen

 

Die beiden Schüler erreichten die Villa des Pastors Thelander. Sie hatte zwei Balkons, in der Mitte des ersten und des zweiten Stocks, zwischen Mauerpfeilern mit knorrigen Reben herum.

»Dein Pastor ist schon zu Haus«, sagte Lohmann und zeigte auf ein Licht im ersten Stock. Sie kamen näher; das Licht ging aus.

Ertzum sah verdrossen und schon wieder besiegt nach dem angelehnten Fenster im obern Stock, zu dem er hinauf mußte. Dahinter roch es, aus seinen Kleidern und seinen Büchern heraus, schon wieder nach der Klasse. Die Luft der Klasse verfolgte ihn Tag und Nacht ... Er tat einen Sprung voll plumpen Zorns, kletterte die Reben hinauf, machte halt auf dem Geländer des ersten Balkons und sah sich noch einmal sein Fenster an.

»Lange mach ich das nicht mehr mit«, sagte er hinunter. Dann stieg er weiter, stieß mit dem Fuß das Fenster auf und ließ sich hinein.

»Träume sanft«, sagte Lohmann, mit mildem Spott, und kehrte um, ohne das Knirschen seiner Schritte zu vertuschen. Pastor Thelander, der sein Licht löschte, um nichts merken zu müssen, war nicht der Mann, Lärm zu schlagen wegen des nächtlichen Ausganges eines Grafen Ertzum, für den jährlich viertausend Mark Pension bezahlt wurden ... Und kaum aus dem Vorgarten heraus, war Lohmann wieder bei Dora.

So gab nun Dora ihren großen Ball. Sie lachte in dieser Minute hinter ihrem Fächer ihr fremdes, schmachtend grausames Kreolinnenlachen. Assessor Knust lachte vielleicht mit; vielleicht entschied es sich heute für Knust. Denn mit Leutnant von Gierschke schien es aus zu sein ... Lohmann zog den Hals ein, drückte die Zähne in die Unterlippe und lauschte drauf, wie er litt ...

Er liebte Frau Konsul Breetpoot, eine dreißigjährige Frau. Seit vor drei Wintern die Tanzstunde einmal in ihrem Hause gewesen war, liebte er sie. Sie hatte ihm einen Orden angesteckt – o nur, weil sie seinen Eltern zu schmeicheln wünschte; er wußte es. Er sah sie seither durch Türspalten, bei großen Festen in seinem Elternhaus, zu denen er keinen Zutritt hatte – sah sie mit ihren Liebhabern: er! Jeden Augenblick konnte die Tür aufgestoßen werden, dann hätte er dagestanden, zerstört, schmerzzerrissen; alles wäre verraten. Und für diesen Fall war Lohmann fest entschlossen, sein Leben zu beschließen. Eine alte Flinte, mit der er auf dem Kornspeicher nach Ratten jagte, lag bereit ...

Er bekundete eine väterliche Freundschaft für ihren jungen Sohn, einen Quartaner, dem er seine alten Aufsätze zum Abschreiben gab. Er liebte ihr Kind! Einmal, als er zugunsten Breetpoots in eine Prügelei der Jungen eingegriffen hatte, war ihm auf mehreren Lippen ein fragwürdiges Lächeln begegnet. Der Flintenlauf kehrte sich schon seiner Brust zu ... Nein, niemand wußte es; und Lohmann durfte sie weiter erleben und sich vorspielen, die wilde Keuschheit, die wollüstigen Bitternisse, die schüchterne, eitle, trostreiche Weltverachtung seiner siebzehn Jahre; und die Verse, die er in Nächten auf die Rückseite eines alten Ballordens kritzelte ...

Von ihm also, der ganz durchseucht war mit harmvoller Empfindung, verlangte ein Mädchen wie diese Rosa Fröhlich, er solle sich von ihr zur Liebe angereizt fühlen. Es ließ sich nicht leicht etwas Ironischeres denken. Er machte Verse, auch auf sie – nun ja. Der Gegenstand war doch gleichgültig für die Kunst. Wenn sie meinte, daß das etwas beweise ... Sie tat beleidigt, er lachte ihr ins Gesicht, das machte sie natürlich erst recht auf ihn versessen. Er beabsichtigte das wahrhaftig nicht; er war einigermaßen entfernt davon, die Chanteuse des Blauen Engels um ihre Liebe zu bitten. Es mußte dort im Saal Matrosen und Kommis geben, die für eine Summe zwischen drei und zehn Mark von ihr beglückt worden waren ...

Vielleicht fühlte er sich dennoch geschmeichelt? Warum leugnen. Es gab Stunden, wo er dieses Mädchen zu seinen Füßen zu sehen wünschte, wo er sie begehrte, um sie zu demütigen, um ihren Liebkosungen den Geschmack düstern Lasters zu geben – und durch solch Laster seine eigene Liebe zu beschmutzen, in der auf den Knien bettelnden Dirne sie, Dora Breetpoot selbst, zu erniedrigen und dann vor ihr hinzusinken und köstlich zu weinen!

Von diesen Gedanken durchbebt, ging Lohmann in die Kaiserstraße vor das erleuchtete Haus des Konsuls Breetpoot und erwartete unter den über die Fenster gleitenden Schatten den einen.


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