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Dritter Akt

Schattiger Hotelgarten an einem oberitalienischen See. Das Gebäude des Hotels bildet einen stumpfen Winkel. Hinten ist der Eingang in die Bar, mit großem offenen Fenster, durch das die Konsumenten zu sehen sind; rechts läßt ein weit geöffnetes Portal das Treiben der Hall erkennen. In der Mitte vorn ein Beet mit Palmen. Links neben der Bar geht es in die Tiefe des Parkes.

 

Erste Szene

An Teetischen, die von den Kellnern abserviert werden: Vorn links: Liane. Gaßner. Herr v. Molli. Frau v. Molli. Philipp Mandl. Vorn rechts: Mistreß Paine. Conte Ronda. Hinten links, an einem Tisch: Ein junger Mann mit einer Kokotte; an einem anderen: Eine ältere Dame mit zwei jungen Männern. Hinten rechts, im Winkel des Hauses: Die dicke Dame mit ihrer Tochter. Der Barmann vor der Bar.

Herr v. Molli zu Liane: Gnä' Frau dürfen mir schon nicht abschlagen, mit uns zum Baden hinauszufahren. Meine Frau ist sonst wirklich beleidigt.

Liane: Frau v. Molli badet doch gar nicht?

Molli: Nein, aber dem durch uns verschönten Spiel der Wellen möcht sie zuschauen. Hermine langweilt sich mit mir allein. Gelt, Minerl?

Frau v. Molli: Aber ist ja nicht wahr. Ich will doch gar nicht aufs Wasser, bei dieser Hitze.

Molli: Wenn du lieber hier schwitzt, statt daß du dich draußen anwehen läßt.

Frau v. Molli: Vielleicht gibt's draußen Wind?

Liane: Vielleicht. Aber ich kann mich leider nicht anschließen. Mein Kind hat etwas Fieber.

Philipp: Gehns, Gnädige. Fieber kann man doch das nicht nennen.

Molli: Sind Sie denn gar nicht neugierig, wie sich Philipps Reize im Wasser ausnehmen?

Philipp: Ich hab ein Badekostüm von einem Schick: schwarze Seide mit lila Tupferln. Mit dem Kostüm hab ich in Ostende einen Flirt so verrückt gemacht, daß das arme Mädel fast ertrunken wäre.

Liane: Sie haben sie natürlich gerettet.

Molli: Und sie sitzengelassen.

Philipp: Ja, sie ist ins Kloster gegangen.

Liane: Ihr Kostüm scheint wirklich betörend zu sein. Aber Alice muß nun einmal das Bett hüten. Und dann erwarte ich jemand.

Philipp: Den Berton? Der ist sehr unpünktlich. Irgendwo in der Schweiz wird er hängengeblieben sein.

Gassner: Ich rechne bestimmt auf ihn.

Molli: Sie kennen ihn?

Gassner: Nein. Aber ich kenne die Wirkung, die die Ansichtskarten der gnädigen Frau üben. Jede hat nämlich ein Telegramm zur Folge, worin der Empfänger seine sofortige Ankunft anzeigt.

Liane: Und der Empfänger waren kürzlich Sie selbst.

Gassner: Ich vergesse es nicht.

Liane: Dann seien Sie nicht undankbar.

Die beiden jungen Leute: Fritz! Zwei Gin-Fizz!

Der Barman bedient sie. Geht zu der dicken Dame, mit der er plaudert.

 

Zweite Szene

Die Vorigen. Frau Huller.

Frau Huller aus der Hall, erhitzt, unsicher: Grüß Gott. Ist es denn so spät?

Molli: Wir dachten schon, gnä' Frau würden gleich bis zum Diner durchschlafen.

Philipp: Ich werde noch Tee bringen lassen? Fritz! Leise zu Frau Huller: Das kommt davon. Wenn wir noch beisammen wären, würde ich Sie geweckt haben – und wie!

Der Barman: Die gnädige Frau braucht eine Erfrischung. Etwas Kräftiges? Menthe glacée?

Frau Huller starrt ihn an: Mir fehlt doch gar nichts.

Frau v. Molli: Ich hätte auch gern so lang geschlafen, bei der Hitze. Aber man darf ja nicht.

Liane leise, zu Frau Huller: Wie schaust denn du aus, Jenny?

Frau Huller leise: War der Ataxine da?

Liane: Ich habe ihn nicht gesehn seit Mittag.

Frau Huller: Du weißt nicht, ob er abgereist ist? Wenn er nur abgereist wäre!

Liane: Was gibt's denn? Wird er unverschämt?

Frau Huller mit entsetztem Lachen: Unverschämt? Ich wäre froh.

Liane: Mich würde er nicht verlocken, ich bin nicht für das Slawische. Aber dir gefiel er.

Frau Huller schreit unterdrückt auf: Dort kommt er! Eine solche – Kaltblütigkeit! Liane, um Gottes willen, laß mich keine Sekunde mit ihm allein. Später erzähl ich dir alles.

 

Dritte Szene

Die Vorigen. Fürst Ataxine.

Ataxine kommt aus der Hall, grüßt nach allen Tischen, außer dem der dicken Dame, setzt sich neben Frau Huller: Gnädige Frau sehen wunderbar frisch und ausgeruht aus. Ich hoffe, man geht bald zum Skating?

Frau Huller weicht zurück: Ich werde nie mehr Skating laufen.

Ataxine: Schade. Denn Sie waren entzückend heute früh. Sie haben mich wahnsinnig gemacht.

Frau Huller weicht noch weiter: Sie? Sie haben einen schauerlich klaren Kopf.

Liane horcht: Ist das schon das Auto? Jemand wird nachsehen müssen, ob Berton dabei ist.

Philipp steht auf: Es ist noch wenigstens eine halbe Stunde. Immerhin, man kann nachsehen. Zu Liane: Obwohl ich mir nicht gern noch mehr Konkurrenz bei Ihnen gefallen lasse. Ab in die Hall.

Molli: Freilich. Dieser Leutnant wird auch wieder nur auf die Eroberung unserer Damen ausgehen.

Liane zu Frau v. Molli: Ihr Mann, denke ich mir, hat ihn kaum zu fürchten. Das heißt, wenn er nicht ein so guter Gatte wäre.

Molli: Ich werde immer überschätzt.

Frau v. Molli: Marineleutnant ist der Herr?

Liane: Und kommt direkt von Toulon.

Molli: Ich begreif's. Auch meine Frau und ich wären heute ganz woanders, wenn nicht die gnädige Frau wäre. Es gibt eben Personen, die um sich her eine Gesellschaft bilden, man weiß nicht wie.

Liane: Für mich, Herr v. Molli, ist das Ihre Frau.

Molli: Gnädige Frau sind unendlich liebenswürdig.

Frau v. Molli: Von mir ist doch nicht die Rede. Ich wär ja lieber schon zu Haus. Nur die Wohnung ist noch nicht imstand.

Molli: Was glauben Sie, die Amerikanerin – deutet mit einer Kopfbewegung nach Mrs. Paine –, die sich dahinten mit ihrem Conte langweilt, wie die froh wär, wenn sie in unsern Kreis hineinkönnte.

Gassner: Der Conte wäre sicher froh.

Liane: Trösten Sie sich, ich kenne ihn schon. Sieht Gaßner an. Aus Rimini. Sie sehen sich an.

Pause.

Gassner zu Molli: Was Mistreß Paine betrifft, irren Sie, glaube ich. Sie liebt den Mann wirklich.

Molli: Immer denselben? Das geht hier doch gar nicht.

Liane zu Gaßner: Lassen Sie sich von Herrn v. Molli belehren. Er nimmt uns, wie wir sind.

Gassner: Einen nehmen wie er ist, das heißt immer: es ihm leicht machen, nichts Gutes zu sein.

Liane befangen: Wenigstens schön ist Ihre Mistreß Paine.

Gassner: Ich finde sie gar nicht schön.

Liane: Die auch nicht?

Gassner: Nicht einmal Ihnen zu Gefallen, gnädige Frau.

Liane: Ich möchte wissen, welchen Geschmack Sie eigentlich haben. Vielleicht die Kleine dort? Nach der Kokotte: Sie soll von einem Pariser Vorstadttheater sein.

Gassner: Das kleine Ungeziefer?

Liane leise: Sie verleugnen Ihre Vergangenheit. Darin sind Sie also wie alle Männer.

Ataxine zu Frau Huller: Die Melodie Ihrer Hüften, beim Skating! Ihre Füße sind auf den Rollschuhen noch kleiner!

Frau Huller zu Liane: Ich bitte dich, wollten wir denn nicht diese Ausfahrt machen? Fahren wir vorher noch hinauf ins Zimmer?

Molli zu Liane: Ich bin überzeugt, daß die gnädige Frau sich schon wieder nach der Rollschuhbahn sehnt.

Liane: Man kann tatsächlich kaum noch anders leben als im Rollen. Es ist furchtbar.

Gassner: Herr v. Molli würde jetzt sagen: Es kommt darauf an, wohin man rollt.

Molli: So viel Geist hab ich ja gar nicht.

Liane zu Gaßner: Sie eigentlich auch nicht. Sie zwingen sich, ich weiß nicht, warum. Steht rasch auf, geht einige Schritte nach links.

Gassner folgt ihr sofort: Sie verlassen uns?

Liane: Sie sind schlechter Laune.

Gassner: Was käme darauf an, unter so vielen. Aber ich bin weder schlechter noch guter Laune. Man hat in dieser ewigen Geselligkeit die Empfindung, als sei man für einander gar nicht mehr vorhanden. Ihr Gesicht, Liane, wird schließlich noch aussehen wie die andern, so fremd möchten Sie es machen; und Ihre Stimme, ich meine die, die ich kenne, höre ich schon wer weiß wie lange nicht mehr.

Liane befangen: Es ist am Ende besser, wenn man einander nicht immer hört und sieht.

Gassner: Mir scheint, wir haben es im Gegenteil außerordentlich nötig, uns auszusprechen. Ich bitte Sie, gehen Sie durch das Haus in den Park, ich komme Ihnen von dieser Seite entgegen.

Liane: Auf den Gedanken könnten noch andere kommen. Nein, mein Freund, nichts Auffallendes. Wir sind nicht mehr allein, Sie müssen sich daran gewöhnen. Zurück zu den anderen: Also, wer geht mit zum Skating? Leise zu Gaßner: Bitte, bleiben Sie bei Frau v. Molli. Laut: Freilich hab ich Halbschuhe an, damit geht es schlecht. Aber wenigstens zuschauen kann man. Sie kommen doch auch, Frau v. Molli?

Frau v. Molli: Ich bin ja so müd von der Hitze.

Frau Huller springt auf. Zu Liane: Ich geh mit dir.

Ataxine die Hand auf dem Herzen: Also unerbittlich? Sie treffen mich tödlich.

Frau Huller: Ich – Sie! Sie hängt sich an Liane.

Liane, Frau Huller, Molli links in den Park ab.

 

Vierte Szene

Die Vorigen ohne Liane, Frau Huller, Molli, Philipp.

Ataxine begibt sich zu Mrs. Paine und dem Conte Ronda: Meine Verehrung, schönste Frau.

Mrs. Paine: Man sieht Sie nicht mehr, Fürst. Sie haben noch andere Klienten?

Ataxine: Klienten – ist ein gewagtes Wort.

Mrs. Paine: Ich erlaube es mir. Ich erlaube mir noch mehr, Sie werden sich wundern. Setzen Sie sich doch!

Die Kokotte zu dem jungen Mann: Ich wette fünf Louis, daß dem Italiener noch heute Hörner wachsen.

Der junge Mann: Du verlierst dein Geld, mein Engel. Das ist nur der Ton, in dem man hier spricht.

Die Kokotte: Ich kenne einen bessern.

Die beiden jungen Leute am Tisch der älteren Dame wenden sich, ohne die kurzen Pfeifen aus den Zähnen zu nehmen, halb die Köpfe zu: Die Alte schläft, wir können ausreißen ... Hallo, sie rührt sich. Zu dem Barman: Fritz! Noch zwei Gin-Fizz. Sie stoßen große Rauchwolken aus.

Gassner nach gelangweiltem Schweigen, zu Frau v. Molli: Gnädige Frau haben einen so schönen Teint bei der Hitze.

Frau v. Molli: Ich bekomme rote Flecke: wenn Sie das schön finden.

Gassner: Ich will Ihnen, aus wirklicher Verehrung, gestehen, daß ich gerade an nichts dachte.

Frau v. Molli: Jedenfalls nicht an mich. Ich denke mich ja auch schon fort von hier. So dumm, wie man immer glaubt, bin ich doch gar nicht.

Gassner: Ich fühle wohl, gnädige Frau, daß das Fragwürdige dieser Umgebung Ihnen grade so peinlich zum Bewußtsein kommt wie mir.

Frau v. Molli: Mir schon. Aber ich glaubte, Ihnen als Künstler müsse das zusagen.

Gassner: Manchmal, gewiß. Aber es kommen ernstere Zeiten, wie soll ich sagen, ernstere – Gefühle.

Frau v. Molli lenkt ab: Diese Männer hier gefallen mir nicht. Der schöne Italiener dort drüben ist um die Mistreß Paine her wie ein Tiger. Bei all ihrem amerikanischen Selbstbewußtsein glaub ich doch, daß sie es gar nicht gut hat mit ihm.

Gassner: Der schmalzige Russe dient vielleicht als Erlöser? Ach! wenn es niemals wertvollere Frauen wären, um deren Seele solche Männer spielen.

Frau v. Molli: Jene dicke Dame langweilt sich sehr.

Gassner: Ja. Um die spielt wieder niemand.

Frau v. Molli: Sie hat schöne Augen, wenn sie sie auch zu stark malt.

Gassner: Und dann der Hut! Und die Farben! Und das siebzehnjährige Kind, mit dem kurzen Kleid und den dicken Beinen! Da darf natürlich kein Herr sich heranmachen, trotz den verlockendsten Blicken. Sonst spricht ja keine Dame mehr mit ihm.

Frau v. Molli: Dabei halte ich sie für eine anständige Frau: grade sie.

Gassner: Sie soll die Frau eines Mailänder Geschäftsmannes sein. Wenn der Barman grade nicht Zeit hat, sie zu unterhalten, spielt sie Ecarté mit ihrer Tochter.

Frau v. Molli: Warum führt man solch ein Leben?

Gassner: Mich dürfen Sie nicht fragen.

Frau v. Molli: Soll ich Frau Löwen fragen?

 

Fünfte Szene

Die Vorigen. Frau Huller. Philipp.

Frau Huller aus dem Park. Läßt sich auf einen Stuhl fallen: Ich kann nicht mehr.

Philipp aus der Hall: Wir bekommen eine Überraschung.

Frau Huller: Um Gottes willen, schweigen Sie.

Gassner: Der Leutnant Berton ist doch keine Überraschung.

Philipp: Berton ist noch gar nicht da. Aber –

Frau Huller fällt ein: Ich wollte Sie schon immer fragen, Philipp. Sie sind doch so gut orientiert. Warum müssen die beiden jungen Leute dort den ganzen Tag bei ihrer Mutter sitzen?

Philipp: Mutter ist gut. Der eine, der Magere, ist ihr Mann.

Frau Huller, Frau v. Molli: Oh! ... Man erfährt doch immer Neues.

Philipp: Das Neueste erraten Sie alle nicht. In der Hall steht die Polizei.

Frau Huller: O mein Gott!

Frau v. Molli: Mir scheint, Herr Mandl übertreibt schon wieder ein wenig.

Philipp: Bei Gott, Gnädige, es sieht aus, als hätten sie den Park umzingelt.

Frau Huller will davonlaufen.

Philipp: Gnädige laufen ihnen in die Arme. Angenommen, daß Sie es sind, die man sucht.

Frau Huller sinkt auf ihren Stuhl zurück.

 

Sechste Szene

Die Vorigen. Liane. Molli. Duca di Folino.

Liane und Molli kommen von hinten aus dem Park. Sie bleiben stehen und blicken zurück.

Molli: Warum mußten Sie wieder umkehren? Hier sind Leute, die uns beobachten.

Liane: Was tut es.

Molli: Gestehen Sie nur, daß es Sie auch langweilt.

Liane: Nun ja.

Duca di Folino uralt, hager, in grader Haltung, hochelegant, kommt aus der Hall, bleibt davor stehen.

Frau v. Molli: Der Duca.

Philipp: Der älteste Lebemann des Kontinents.

Gassner: Er besieht sich seine Herde.

Molli zu Liane: Sie kennen den Christoph Gaßner schon lange?

Liane: Näher erst seit dem Frühjahr.

Molli: Er ist wohl Ihr Flirt?

Liane: Wozu denn Flirt. Er ist doch ein so ernster Mensch. Wir sind befreundet.

Molli: Freundschaft! Nicht einmal zwischen Männern glaub ich dran. Bei denen steckt hinter der Freundschaft ein Geschäft.

Liane: Gaßner wird klug genug sein, sich nicht mit Ihnen zu befreunden. Sie sind ein Egoist.

Molli: Freilich glaube ich, daß die einzige uneigennützige Freundschaft zwischen einem Mann und einer Frau möglich ist. Aber zuerst müssen sie gebrannt haben und ausgekohlt sein.

Liane: Sie sehen den Zustand der Erloschenheit immer schon voraus? Welche Frau soll Ihnen das verzeihen.

Molli: Die andern nicht; aber Sie. Sie sind so klug. Ich tausche so gern mit Ihnen meine Ideen aus.

Liane: Mir scheint, Sie plädieren für sich, und bei mir?

Molli: Sie sagten es schon: ich bin ein Egoist.

Duca Di Folino begrüßt Mrs. Paine, Ataxine und den Conte Ronda.

Mrs. Paine: Sie sehen heute wieder verführerisch aus, Duca. Werden Sie denn niemals heiraten?

Duca di Folino: Ich war einmal einen Augenblick verheiratet, zehn Jahre lang, und fünfzig ist es her. Ja, ja, ich bin vierundachtzig.

Philipp: Er wirft mit Zahlen umher, wie an der Börse.

Mrs. Paine: Was tut man, Duca, um so lange zu leben? Regime? Ruhe? Dann, Fürst Ataxine, werden Sie sehr alt werden; denn ich sehe voraus, daß Ihnen Jahre der strengsten Zurückgezogenheit bevorstehen.

Ataxine: Mit Ihnen, Madame, bis unter die Erde!

Mrs. Paine: Bis unter die Erde, kann sein. Aber nicht mit mir.

Conte Ronda: Ich begreife diese Scherze nicht, und ich gestehe, daß ich es vorziehe, die Scherze, die um mich her fallen, zu begreifen.

Mrs. Paine: Einen Augenblick Geduld, mein Freund. Sie sollen alles begreifen.

Liane zu Molli: Ich verlange, daß Sie Ihre Frau in meiner Gegenwart besser behandeln.

Molli: Ist das eine Bedingung?

Liane: Freilich. Ich könnte sonst unmöglich noch mit Ihnen verkehren.

Molli: Ich kann mich nicht für zwei Frauen auf einmal interessieren.

Liane: Interessieren Sie sich also für Ihre Frau! Wozu haben Sie sie sonst geheiratet?

Molli: Weil ich nicht betrogen werden wollte.

Liane: Da haben Sie freilich richtig gewählt.

Molli: Ich habe es in meinem Leben zu oft mit betrogenen Gatten zu tun gehabt – wenn es keine betrogenen Liebhaber waren.

Liane: Ist das ein anregender Verkehr?

Molli: Ich rieche es auf zwei Kilometer, wenn sich einer heranpürscht.

Liane: An Ihre Frau?

Molli: An Sie!

Liane: Schon eifersüchtig? Auf wen?

Molli: Mir verdirbt nur die Geschmacklosigkeit dieses Philipp Mandl die Laune. Darunter hat dann meine Frau zu leiden.

Liane: Herr Mandl ist lustig. Mir gefällt er.

Molli: Soll er sich schon mit seinem Eisenblech hundertfünfzigtausend Francs jedes Jahr verdienen. Ist das ein Grund, daß er seine Seidenstrümpfe bis zum Knie hinauf sehen läßt? Mit so einer Figur?

Liane: Wie Sie sich aufregen! Wirklich wegen des armen Philipp?

Molli: Ich gebe zu, daß ich auch den Gaßner reichlich geschmacklos finde.

Liane: Ah?

Molli: Er hat eine großartige Musik geschrieben, gut. Aber er ist nicht recht gesellschaftsfähig, wie alle diese Leute, die zu viel können.

Liane: Sie geben der Gesellschaft ein schlechtes Zeugnis.

Molli: Die Gesellschaft ist, was sie ist. Niemand hat das Recht, mit fremden Ansprüchen zu kommen.

Liane: Mit Bezug auf die Frauen?

Molli: Er ist ja kindlich. Einer wirklichen Dame, die ihn zum Liebhaber nähme, müßte er sehr bald auf die Nerven fallen.

Liane: Wenn ich an den Walzer denke, den Sie komponiert haben, könnte ich eigentlich zu Ihnen als Liebhaber Vertrauen fassen.

Molli: So schlecht ist mein Walzer auch wieder nicht.

 

Siebente Szene

Die Vorigen. Der Geschäftsführer des Hotels.

Der Geschäftsführer zu Ataxine: Fürst Ataxine, wenn's beliebt.

Ataxine: Was wünschen Sie?

Der Geschäftsführer: Ich bitte Eure Hoheit, mir zu folgen.

Ataxine: Ich habe keine Geheimnisse mit Ihnen.

Der Geschäftsführer: Doch. Leise: Wollen Sie kein Aufsehen machen.

Ataxine: Was heißt das.

Der Geschäftsführer leise: Zwingen Sie mich nicht, die Beamten herauskommen zu lassen.

Mrs. Paine laut: Es ist wohl Besuch da für Seine Hoheit? Vielleicht Bekannte von ihm, die zu erfahren wünschen, wie mein Perlenkollier in seinen Koffer gelangt ist?

Frau Huller: Philipp, um Gottes willen, führen Sie mich fort. Ich kann kein Glied rühren.

Ataxine schreit: Ich bin der Fürst Ataxine!

Der Geschäftsführer besänftigend: Wir wissen, daß Sie tatsächlich der Fürst Ataxine sind.

Ataxine schreit: Und ich werde der Polizei erzählen, daß diese Dame – den Finger gegen Mrs. Paine – mich in ihrem Zimmer empfangen hat, heute nicht zum erstenmal!

Conte Ronda springt auf: Sie sind ein Schuft! Ich will ihn züchtigen, den Schuft!

Mrs. Paine sieht Ronda an: Er spricht die Wahrheit. Was tun Sie jetzt?

Conte Ronda steht starr; entfernt sich in den Park.

Der Geschäftsführer: Jetzt haben wir den Skandal! Werden Sie es mir ersetzen, Madame, wenn meine besten Gäste abreisen?

Mrs. Paine: Formulieren Sie Ihre Ansprüche!

Ataxine: Wenn ich rede, fliegt dies Hotel in die Luft! Rasch ab in die Hall.

Der Geschäftsführer: Hier ist alles möglich. Nur reden darf man nicht. Folgt Ataxine.

Die Gäste haben im Lauf dieser Szene ihre Plätze verlassen. Die beiden jungen Leute, die zu der älteren Dame gehören, sind auf die Stühle gestiegen, ebenso die Kokotte. Jetzt drängen alle, aufgeregt durcheinandersprechend, in die Hall. Hinter ihnen macht einer der Kellner ein beleidigtes Gesicht, zwei andere lachen einander zu und schlagen sich auf die Knie. Gaßner ist nach links in den Park gegangen, Liane vor allen andern ins Haus.

Philipp im Gedränge, zu der dicken Dame: Sind Sie froh, Madame, daß das nicht Ihnen passiert ist?

Die dicke Dame glückstrahlend, weil man sie anredet: Ich würde niemals einen Skandal hervorgerufen haben, mein Herr. Diese Amerikanerinnen haben keine Lebensart.

Die ältere Dame: Shocking! Shocking!

Die beiden jungen Leute tanzen Cake walk. Zum Barman: Fritz! Tanzen!

Der Barman: Wegen so einer Kleinigkeit? Der Fürst Ataxine schuldet mir fünfhundert Francs. Aber ich bin ganz ruhig. Solche Leute bezahlen uns immer.

Die Kokotte auf dem Stuhl: Oh mes aïeux! Que c'est rigolo!

Die beiden jungen Leute kneifen sie.

Der Begleiter der Kokotte drohend: Die Dame ist meine Frau!

Die beiden jungen Leute: Jetzt auch noch?

Molli zu Philipp: Sie sollten sich bei der Gelegenheit erkundigen, ob die dicke Dame ihre Tochter nicht endlich verheiraten will. Lange ist es mit den Beinen und dem kurzen Kleid nicht mehr zu machen.

Philipp zu der dicken Dame: Madame, ich verdiene hundertfünfzigtausend Francs jährlich.

Die dicke Dame: Ich höre es mit Vergnügen, mein Herr.

Frau v. Molli: Ferdinand, ich will abreisen. Wenn nur die Wohnung schon fertig wäre!

Die beiden jungen Leute vorn, in der Tür der Hall: Da ist die Polizei! Cheers!

Mrs. Paine hinten, zum Duca di Folino: Was sagen Sie, Duca? Hatten Sie das schon erlebt?

Duca di Folino: Ein wirklicher Fürst? ... Doch. Es war im Jahre –

Mrs. Paine: Finden Sie, daß ich mich kompromittiert habe?

Duca di Folino: Eine so schöne Frau kompromittiert sich nie.

Mrs. Paine: Sie wollen sagen, eine so reiche Frau?

Sie verschwinden, hinter den anderen, in der Hall. Man sieht drinnen das erregte Hin und Her.

 

Achte Szene

Frau Huller. Liane.

Frau Huller ist während der vorigen Szene wie gescheucht umhergelaufen. Von ferne beobachtet sie bebend die Vorgänge, entflieht wieder, sinkt endlich auf einen Stuhl.

Liane aus dem Hause, nähert sich Frau Huller: Jenny!

Frau Huller schreit auf.

Liane: Ich bin's. Was hast du nur?

Frau Huller: Oh! Liane! Das ist doch entsetzlich.

Liane: Was? Die Verhaftung des Fürsten Ataxine? Man hatte von so etwas doch schon gehört. Ob es nun zufällig auch einmal in der Wirklichkeit vorkommt –. Freilich, dir hatte er Eindruck gemacht.

Frau Huller entsetzt: Eindruck gemacht?

Liane: Ist das zuviel gesagt? Entschuldige.

Frau Huller: Bedenke doch: ein Dieb ist er!

Liane: Davon hat schließlich nur Mistreß Paine etwas bemerkt.

Frau Huller: Nein!

Liane: Wie denn?

Frau Huller: Nicht nur Mistreß Paine. O Liane, ich schäme mich tot.

Liane: Du auch? Heute? Daher deine Aufregung? Deine Verspätung beim Tee? Jenny, was für Sachen!

Frau Huller greift nach Lianes Hand: Jetzt läßt du mich fallen!

Liane: Aber nein. Übrigens weiß es niemand von dir.

Frau Huller: Das denkst du. Aber er wird reden! Er hat gesagt, das Hotel soll in die Luft fliegen. Sie klammert sich, heftig schluchzend, an Liane.

Liane: Beruhige dich, du Ärmste. Die Polizei wird, im Verein mit der Verwaltung des Hotels, dafür sorgen, daß es durchaus nicht in die Luft fliegt.

Frau Huller schluchzend: Wenn die Perlen der Mistreß Paine in seinem Koffer waren, hat man auch meine Brillanten darin gefunden!

Liane: Und man wird sie dir schweigend zurückgeben. Schau in deinem Zimmer nach, sicher liegen sie schon droben.

Frau Huller hört auf zu weinen. Wütend: Diese Mistreß Paine ist eine gemeine Person! Sie mußte sich doch sagen, daß ein Skandal auch noch andere mitreißen kann.

Liane lächelnd: Sie glaubte wohl, er liebe nur sie.

Frau Huller: Nur ihre Perlen, meinst du! Warum nicht auch meine Brillanten? Ein Dieb! Aber Rücksichten kennt so eine Amerikanerin nicht. Wegen ihres lumpigen Geldes kompromittiert sie alle Welt und sich selbst.

Liane: Ihr ist's gleich. Eine so reiche Frau steht über jedem Skandal.

Frau Huller: Du meinst, dem Conte Ronda wird die Sache recht sein?

Liane: Ach der! Der wiegt leicht. Ich kenne ihn.

Frau Huller rachsüchtig: Ja. Man sagt, daß ihr euch gekannt habt. Obwohl ihr beide ganz fremd tut.

Liane: Du wirst sehen, daß wir so harmlos verkehren, wie wir es immer getan haben.

Frau Huller: Ja du: du verstehst es. Aber sage mir, bitte, was du in meiner Lage getan haben würdest. Wenn der Ataxine nicht mir, sondern dir gefallen hätte.

Liane: Jetzt gefällt er mir fast. Ich bewundere ihn. Am selben Nachmittag! Zwei Frauen und zwei Kolliers!

Frau Huller: Im Ernst: hättest du nicht auch geschwiegen und deinen Schmuck verloren gegeben?

Liane: Ich begleite dich zum Lift. Du brauchst Ruhe vor dem Diner ... Du verlangst zu viel, wenn du willst, daß ich mich in deine Lage denke. Solche Dinge sind mir, glaube ich, zu fremd. Alles hier ist mir im Grunde fremd.

Frau Huller: Du läßt dir grade genug den Hof machen.

Liane: Gewiß. Es ist so unser Leben. Das hindert aber nicht, daß ich, mit meinem eigentlichen Ich, oft ganz woanders bin, auf einer wenig besuchten Hotelterrasse am Meer, zum Beispiel.

Frau Huller: Mit wem?

Sie betreten die Hall.

 

Neunte Szene

Gaßner. Der Barman.

Gassner kommt von hinten, aus dem Park, geht auf das Haus zu.

Der Barman tritt aus der Bar: Herr Doktor! Wenn ich mir erlauben dürfte –. Eine Minute nur.

Gassner: Bitte. Ist noch etwas zu bezahlen?

Der Barman: O nein ... Herr Doktor sind vorhin dem peinlichen Vorfall aus dem Wege gegangen?

Gassner: Im Park war es kühler.

Der Barman: Ohne Zweifel. Die Hitze ist dieses Jahr außerordentlich, sogar des Nachts. Sie bringt gewisse Nachteile mit sich, besonders des Nachts.

Gassner: Bei offenem Fenster schläft es sich recht gut.

Der Barman: Das ist es eben, das offene Fenster, – wenn gegenüber eine nackte Mauer liegt.

Gassner: Was wollen Sie sagen?

Der Barman: Wenn ich den Herrn Doktor nicht als einen wirklich feinen Herrn kennen würde –. Ihre Kompositionen haben ja Weltruf. Im Vertrauen gesagt, – hält die Hand vor unter den anderen Herren ist mancher, bei dem ich mich gerade so wenig über gewisse Dinge wundern würde, wie ich mich bei dem Fürsten Ataxine darüber gewundert habe. In meinem Beruf lernt man die Leute unterscheiden.

Gassner: Ich bin etwas nervös. Beeilen wir uns, bitte.

Der Barman: Sogleich, Herr Doktor. Ich wollte nur sagen, daß ich von den Angestellten des Hotels jede Nacht der letzte bin, der ins Bett kommt. Die Bar hat den längsten Betrieb, ich bin sehr angestrengt. Mein Zimmer liegt übrigens weit von dem des Herrn Doktors, in dem Pavillon rechts von der alten Garage. Sie wissen?

Gassner: Ich weiß.

Der Barman: Gestern nacht nun, wie ich über den Hof ging, sah ich auf der Mauer der Garage zwei Schatten, gerade gegenüber Ihrem Fenster, das offen stand.

Gassner sieht ihn an. Greift in die Tasche.

Der Barman wehrt ab: Oh! So meine ich es nicht. Ich habe natürlich nur Ihren Schatten erkannt, Herr Doktor. Lächelt diskret: Der andere schien freilich der einer Dame zu sein.

Gassner: Eben darum. Er reicht eine Banknote hin, die der Barman unbesehen in die Tasche schiebt. Überzeugen Sie sich doch, ob die Sache damit erledigt ist.

Der Barman: Oh, nicht nötig. Ich fühle den Unterschied im Papier, wenn ich es zwischen den Fingern reibe. Der Herr Doktor ist sehr generös. Ich bin sicher, daß zum Beispiel der Conte Ronda für meine wohlgemeinte Warnung höchstens die Hälfte gegeben haben würde.

Gassner: Ihre gute Meinung verpflichtet mich zum Dank.

Der Barman: Freilich hat der Conte Ronda auf seine Dame nicht die gleichen Rücksichten zu nehmen –

Gassner: Wie ich auf die Dame, die Sie – nicht erkannt haben.

Der Barman: So ein Hotel wie dieses scheint überaus bequem, und dabei ist es voller Gefahren. Wenn Sie wüßten, was ich weiß –

Gassner: Ohne Ihr Wohlwollen, lieber Fritz, wäre es allerdings fast unmöglich, hier ohne Anstoß durchzukommen. Erhalten sie mir nur Ihre Freundschaft. Vielleicht nehmen wir zusammen einen Vermouth vor dem Essen?

Der Barman: Herr Doktor schmeicheln mir.

Sie treten in die Bar.

 

Zehnte Szene

Conte Ronda. Liane.

Conte Ronda geht von links her über die Bühne. In der Tür der Hall trifft er mit Liane zusammen: Gnädige Frau.

Liane erwidert seinen Gruß: Conte Ronda. Gut, daß wir uns begegnen. Ich wollte Sie bitten, sich mir möglichst wenig zu nähern. Es sind Leute hier, die darauf achten.

Conte Ronda: Ich bedaure es tief, gnädige Frau. Die Erinnerung an gewisse, so kurze Stunden des vorigen Sommers ist frisch in mir wie je.

Liane: Ich vergesse so rasch.

Conte Ronda: Nicht dies! Leugnen Sie nicht, daß es das Schicksal war, das uns damals führte.

Liane: Und wohin hat es Sie jetzt geführt?

Conte Ronda: Das war ein Irrtum. Es ist aus damit.

Liane: Und mit uns hatte es eigentlich noch gar nicht angefangen.

Conte Ronda mit Feuer: Wir hätten fortfahren sollen.

Liane: An mir würden Sie vielleicht noch schlimmere Enttäuschungen erlebt haben als an –

Conte Ronda: Sprechen Sie den Namen nicht aus! Er ist Ihres schönen Mundes unwürdig.

Liane: Im Gegenteil. Die Frau interessiert mich.

Conte Ronda rasch: Ich mache Sie mit ihr bekannt!

Liane: Wie wäre das möglich, – da Sie mich nicht kennen dürfen.

Conte Ronda: Gnädige Frau, Sie begehen eine Unklugheit. Soeben erst sprach mir der Duca di Folino von unserer Intimität in Rimini. Noch anderen Personen würde es auffallen, daß wir uns vermeiden.

Liane zweifelnd: Sie haben vielleicht recht?

Conte Ronda: Ich werde so bescheiden sein! Verschwindend in der Menge Ihrer Anbeter!

Liane: Es reizt mich, Sie so zu sehen. Auf Wiedersehen also, Conte Ronda.

Conte Ronda verneigt sich tief. Ab in die Hall.

 

Elfte Szene

Liane. Gaßner.

Liane kommt aus der Hall, geht an der Bar vorüber.

Gassner aus der Bar, folgt ihr: Gnädige Frau! Sie suchen jemand?

Liane: Es wäre wohl an der Zeit, sich zum Diner umzukleiden? Niemand ist mehr hier.

Gassner: Niemand, – da ich nicht mitzähle.

Liane: Sie sind bitter? Lieber Freund, es ist durchaus nötig, daß ich die einzige bleibe, die es merkt.

Gassner: Sie machen es mir schwer. Liane! Was haben Sie?

Liane: Nichts. Sie sehen, ich bin gekommen, weil ich Sie hier zu finden hoffte ... Ach, es ist schrecklich, wenn man einander fremd wird. Alles versinkt.

Gassner: Nicht wahr? Auch Sie leiden. Aber warum muß es sein? Habe ich mich verändert?

Liane ratlos: Nein.

Gassner: Nur Sie! Sie sind anders seit vier Tagen: genau seit der Abreise Ihres Mannes.

Liane: Vielleicht ja. Verstehen Sie das nicht?

Gassner: Ich würde Ihre Vorsicht verstehen, wenn Sie allen andern dieselbe Zurückhaltung auferlegten wie mir. Aber Sie ziehen mir öffentlich jeden vor. Ich sehe Sie kaum; kein Wort, kein Blick des Einverständnisses; – und mit diesem Herrn von Molli verschwinden Sie im Park.

Liane: Was wollen Sie. Ich fühle mich der Lage nicht ganz gewachsen. Sie sind kurz vor der Abreise meines Mannes eingetroffen, nur meinetwegen, wie jeder sehen konnte. Und Sie bleiben mit mir zurück.

Gassner: In Gesellschaft Ihrer Freunde.

Liane: Die ich erst durch Frau Huller kennengelernt habe. Die Leute wissen nichts von meinem Mann. Vielleicht glauben sie ebenso wenig an meinen Mann, wie an den der dicken Dame.

Gassner: Sie vergleichen sich –. Das übersteigt meine Fassungskraft.

Liane: Genau besehen: was unterscheidet uns. Daß man sie nur unbestimmt im Verdacht hat, mich aber bestimmt.

Gassner: Welche Frau ist hier nicht verdächtig?

Liane: Ich bin nicht unabhängig. Wissen Sie, mit wem ich grad eben gesprochen habe? Mit Ronda, dem zu schönen Conte aus Rimini. Die Beziehungen waren zu regeln; ich hatte Diplomatie nötig. Vergangenheit und Gegenwart, alles hat Zeugen. Mein Freund, wir hätten uns hier wohl nicht treffen sollen.

Gassner: Und ich, für den alle diese Leute Nebelgestalten sind. Mit meiner ganzen Seele lebe ich noch immer dort hinten, in unserm Garten an Meer.

Liane: Auch ich denke mich oft zurück. Es war schön. Es war wohl zu schön.

Gassner: Liane! Was heißt das?

Liane: Habe ich Ihnen nicht gesagt, daß ich Sie nicht zu allen Stunden gleich lieben würde?

Gassner: Aber diese vielen Stunden? Diese Tage?

Liane: Eine sonderbare, prophetische Angst befiel mich, als ich hierher kam. Die Wagenfahrt mit meinem Mann und dem Kind, aus den Bergen herab, war glücklich. Ich dachte an Sie. Am Abend dann, bestaubt und müde, wie ich in der drückenden Schwüle diesen Ort daliegen sah, fühlte ich plötzlich ganz sicher, daß ich hier alles verlieren und arm und einsam werden solle wie je.

Gassner: Aber ich bin da, und ich liebe Sie!

Liane: Ich Sie – vielleicht nicht mehr. Sie senkt den Kopf.

Gassner: Liane! Bedenken Sie, was Sie sagen!

Liane: Nicht so laut! Man geht in den Speisesaal. Bewegung in der Hall. Sie ziehen sich nach links zurück.

Gassner: Ist das die Wahrheit? Es sollte aus sein?

Liane: Ich weiß nicht.

Gassner: Sie wissen nicht. Man liebt, man hält den Sinn des Lebens und ist von ihm erfüllt. Eines Morgens wacht man auf: alles ist vergessen.

Liane: Ich habe nichts vergessen. Ich habe mich nur erinnert an das, was schon früher da war, bevor Sie kamen: das gewöhnliche Leben, die Menschen, die Pflichten.

Gassner: Sie lieben mich nicht mehr!

Liane: Doch. Nur anders.

Gassner: Weil der Ort ein anderer ist? Weil die Luft heiß ist? Weil hier Leute sind?

Liane: Quälen Sie mich nicht. Sie verstanden sonst alles. Schuld hat am Ende die große Spannung des Gefühls. Man wird so müde, daß man die Liebe verschlafen möchte.

Gassner: Liane, wir schliefen nicht heut nacht. Du willst zweifeln, willst dich mir entziehen: und deine Haut, die die Fremden nicht sehen können, trägt noch die Spuren meiner Küsse! Er greift nach ihrem Arm.

Liane macht sich los. Heftig: Lassen Sie! Sie haben kein Recht, mich an eine Nacht zu mahnen, die vorbei ist. Am Morgen schließe ich die Tür und bin frei.

Gassner: Frei? Sie sind abhängig von Ihrem Mann, Ihrer Gesellschaft, von jedem, der hier vorübergeht. Und gegen mich, gerade gegen mich behaupten Sie Ihre Freiheit!

Liane: Ich habe nichts, worüber ich verfügen kann: nur meine Liebe. Was wäre sie noch wert, wenn ich sie Ihnen verpfändet hätte. Ihre Sache ist es, sie sich täglich zu verdienen.

Gassner: Dadurch, daß ich aller Welt erlaube, Sie mir zu entfremden? Der schlechtesten Umgebung liefern Sie sich aus, ich aber bin Ihr Geliebter nur in den Viertelstunden, wenn Ihnen das Gedächtnis zurückkehrt. Ich bin Ihnen nicht gewachsen. Mir fehlt die Gabe, täglich neu und ohne Vergangenheit aufzustehn. Kein Vertrauen, keine Gewißheit – und Sie täglich sinken und sich verlieren sehen. Es ist besser, ich reise ab, bevor das letzte kommt.

Liane bestürzt: Abreisen?

Gassner: Bevor alles vom Ekel erstickt wird. Sie ahnen wohl nicht, wie ich diese vier Tage verbracht habe. Ich habe mehr erfahren, mehr verloren, als im ganzen Leben zuvor. Ich will schweigen und gehen. Er wendet sich fort.

Liane: Was ist geschehen, sprechen Sie!

Gassner: Verschonen wir uns!

Liane: Was liegt daran jetzt noch. Sie dürfen alles sagen.

Gassner: Sind Sie denn so verblendet, daß Sie es nicht wissen? Sie liebten mich noch, als Sie herkamen, und haben sich nie gesagt, daß Sie durch das Leben hier, durch Ihre Zugeständnisse an diese Menschen sich in meinen Augen erniedrigen mußten? Daß Sie auch vor sich selbst kleiner werden mußten und unfähig, unsere große Liebe zu tragen?

Liane: Eine Liebe, die nur darum groß bleibt, weil man sie nicht auf die Probe stellt? Der Aufenthalt hier war die Probe.

Gassner: Wer leben will, nimmt nicht Gift. Eine Frau, die sich ihrem wahren Dasein erhalten will, ruft nicht sogenannte Verehrer von allen Seiten herbei, spielt nicht, flirtet nicht, läßt sich nicht ruchlos abnutzen und ins Leere zerfließen ... Ich bin nicht eifersüchtig.

Liane: Ich weiß es wohl.

Gassner: Auf keinen. Denn von keinem werden Sie je empfangen, was wir erlebt haben. Aber ich kann nicht hindern, daß ich die Männer, die herandrängen, die eine schlechte Ehe wittern und ihren Vorteil dabei suchen, immer um Sie her fühle, wie eine unsaubere Atmosphäre, die Sie entweiht.

Liane: Wenn Sie wüßten, wie wenig mir das sogar ehedem war. Aber weiter.

Gassner: Ein Hotel, wo ein verhafteter Hochstapler kompromittierte Frauen zurückläßt, erachten Sie als würdigen Aufenthalt? Es beschämt Sie nicht, daß Sie die Diskretion eines früheren Liebhabers erschmeicheln müssen?

Liane empört sich: Er war nicht mein Liebhaber!

Gassner: Und ich selbst war noch soeben genötigt, einen Angestellten des Hotels zum Schweigen zu verpflichten. Sie wären vielleicht verloren gewesen.

Liane: Mein Gott!

Gassner: Sie, die Frau, die mir über allem stand, angewiesen auf die Gnade von Mitwissern, Abenteurern, schlechtem, billigem Menschenpack! Merken Sie es denn nicht? Den Dunst all der kleinen, widrigen Sinnlichkeit um uns her? Er dringt, sooft wir uns in den Korridoren zueinander stehlen, durch alle Türspalten. Auch zu uns dringt er ein. Das Verbotene, Unanständige und Seichte aller dieser Umarmungen mischt sich auch in unsere.

Liane: Hätten Sie recht? Wie furchtbar!

Gassner: Ich will es nicht. Ich habe Sie zu sehr geliebt. Ich reise ab, jetzt, da ich noch stark genug dazu bin.

Liane: Nicht im Zorn! Wir würden zu sehr bereuen. Lassen Sie mir doch Zeit! Ich kann nicht von heut auf morgen meine ganze Existenz umstürzen.

Gassner: Ich verlange, daß Sie mit allem brechen. Keine brieflichen Freundschaften mehr, kein Spiel mit Begierden. Ich bin nicht wie Ihr Gatte, der sich mit den Pausen begnügt, in denen Sie sich langweilen.

Liane erkennend: Wie Sie hart sind! Sie waren sonst gütig. Ich habe es wohl nicht verdient. Ich bin Ihre Liebe nicht wert. Sie werden mich vergessen.

Gassner ergreift ihre Hände: Ich will dich nicht verlieren!

 

Zwölfte Szene

Die Vorigen. Die beiden jungen Leute.

Die beiden jungen Leute kommen aus der Hall. Sie sind im Abendanzug und rauchen kurze Pfeifen. Sie beginnen freundschaftlich zu boxen und drängen sich in die Bar.

Liane und Gassner haben sich in den Schutz der Palmen zurückgezogen.

Liane: Was soll jetzt werden?

Gassner: Du wirst mein sein, in Wahrheit mein: das wird werden. Ich bin hart, aber es ist zu deinem Besten. Du sollst dich wiederfinden. Dein besseres Ich ist bei mir.

Liane: Man kommt vom Diner zurück. Laß mich hinaufgehen. Ich werde heute abend nicht mehr erscheinen.

Gassner: Ich soll dich nicht mehr sehen? Dann werde ich glauben, daß du dich gegen mich entschieden hast.

Liane weich, traurig: Nein, nein.

Gassner: Dann laß mich nicht allein!

Liane: Es wäre klüger von dir, wenn du mir erlaubtest, droben zu bleiben.

Gassner: Du liebst mich noch?

Liane: Ja.

Gassner: Wie früher?

Liane: Ich weiß nicht. Schmerzlich: Ich werde dich wohl immer lieben ... Leb wohl. Ich gehe von der anderen Seite ins Haus. Folge mir nicht. Ab nach hinten in den Park, der jetzt ganz dunkel ist. Vorne Dämmerung.

Gassner sieht Liane nach. Langsam ab in die Hall.

Pause.

Vor der Hall entzündet sich eine Bogenlampe, im Palmenbeet bunte Lämpchen. Hall und Bar erhellen sich stärker.

 

Dreizehnte Szene

Die beiden jungen Leute. Die ältere Dame. Dann der Barman – aus der Bar. Die dicke Dame, ihre Tochter, Philipp, die Kokotte, ihr Begleiter aus der Hall. Alle in Abendtoilette.

Die ältere Dame aus der Hall: Hierher, boys! Daß ihr mir nicht mit den Leuten sprecht. Alle sind shocking.

Die beiden jungen Leute: Fritz! Zwei Gin-Fizz. Sie nehmen mit der älteren Dame an einem der Tische Platz.

Der Barman bedient sie.

Philipp: eine sehr dicke Zigarre im stark geröteten Gesicht, eingehängt zwischen der dicken Dame und der Kokotte: Heil dem Fürsten Ataxine, der unsere Bekanntschaft vermittelt hat! So etwas bringt die Menschen einander näher. Zur Kokotte: Geh, Schatzerl, jetzt trinken wir einen Schampus.

Der Begleiter der Kokotte zu Philipp: Mein Herr, Sie irren sich.

Die Kokotte zu Philipp: Ja, mein Herr, Sie irren sich. Denn bei mir gibt es keine Perlenkolliers. Wenn Sie es machen möchten wie der Fürst Ataxine, wenden Sie sich an die anständigen Frauen.

Philipp zur dicken Dame: Also Sie, Madame. Sie haben hier die schönsten Kolliers, täglich ein anderes. Außerdem haben Sie eine Tochter, sie wird einmal so üppig werden wie Sie. Es ist herrlich.

Die dicke Dame: Sie ist zu verheiraten, mein Herr.

Philipp: Ich sollte einmal ein Mädel heiraten und habe zur Bedingung gemacht, daß ich zuerst die Mutter bekam.

Die dicke Dame: Jolanda, hol mir meinen Fächer aus der Hall!

Die Tochter ab.

Die Kokotte zu Philipp: Sie haben Mut, mein Herr. Aber werden Sie die Konsequenzen tragen können?

Philipp: Sie, Madame, wiegen leichter. Übrigens verdiene ich hundertfünfzigtausend Francs im Jahr. Nun?

Die Kokotte flüstert ihm etwas zu.

Philipp: Abgemacht.

Der Begleiter der Kokotte zu ihr: Du führst dich auf!

Die Kokotte faßt ihn unter das Kinn: Abscheulich. Denn ich bleibe meinem kleinen Dummkopf treu. Ich muß mich hier doch auszeichnen.

 

Vierzehnte Szene

Die Vorigen. Frau Huller. Frau v. Molli. Molli. Duca di Folino. Später Gaßner. Alle in Abendtoilette. Während dieser Szene wird von den Kellnern Kaffee serviert.

Frau Huller zu Frau v. Molli: Um Gottes willen, der Duca hat ja vergessen, seinen Smoking anzuziehen. Er hat ein Lüsterjäckchen an, das geht doch nicht, es wird einen Skandal geben.

Frau v. Molli: Einen Skandal, weil der alte Mann bei seiner Toilette nicht mehr an alles denkt? Ich glaube, wir haben einen andern Skandal im Hotel.

Frau Huller bestürzt: Ach ja.

Molli zum Duca di Folino: Also Ihre Meinung, Duca! Wer ist die zweite Dame?

Frau v. Molli: Das ist doch nur Klatsch, Ferdinand.

Frau Huller eifrig: O nein, man sagt es, auch unter den Angestellten. Bei der zweiten Dame soll es sich um ein Brillantenkollier handeln.

Duca di Folino: Von einem Fürsten Ataxine möchte ich glauben, daß er sich zuerst in die Damen verliebt hat und erst dann in die Kolliers.

Die dicke Dame, ihre Tochter, die Kokotte, Frau v. Molli um den Duca di Folino her: Welche Dame, Duca?

Frau Huller angstvoll: Oh! Duca!

Die Kokotte zu Philipp: Was für Angst sie haben! Ich werde erklären, daß ich es war, – wenn man mir dafür das Kollier gibt.

Gaßner ist aus der Hall gekommen, bleibt davor stehen.

 

Fünfzehnte Szene

Die Vorigen. Liane.

Liane erscheint, nur von Gaßner bemerkt, in der Tür der Hall. Gassner ihr entgegen, küßt ihr die Hand: Wie geht es Alice?

Liane: Sie schläft nicht. Sie rief nach mir, aber ich bin davongelaufen.

Gassner: Wie danke ich Ihnen!

Liane: Denn es ist etwas geschehen. Ich habe in meinem Zimmer ein Kollier gefunden, das Frau Huller gehört.

Gassner: Woher kommt es?

Liane: Aus dem Koffer des Fürsten Ataxine.

Gassner: Ich begreife nicht.

Liane: Er hat sie bestohlen, gerade wie die Mrs. Paine.

Gassner: Und unter denselben Umständen?

Liane: Ich glaube ... Sie hat wohl nicht den Mut gehabt, sich der Direktion als Eigentümerin des Kolliers vorzustellen und hat lieber meinen Namen genannt.

Gassner: Aber das ist niederträchtig!

Liane: Sagen wir leichtfertig. Sie ist schwach. Sie ist ja nicht so reich wie Mrs. Paine, die darf sich freilich Unanständigkeiten bis zu jedem Betrag erlauben.

Gassner: Sie werden den Umgang mit dieser gefährlichen Person sofort abbrechen, nicht wahr?

Liane: Im Gegenteil, ich muß mich enger mit ihr befreunden, und Sie auch.

Gassner: Welche unerträgliche Abhängigkeit! Liane! Sie tun mir leid. Sehen Sie nicht, wohin dies alles Sie führt?

Liane: Wir leben unter Menschen.

Gassner: Ich will Sie nicht plötzlich herausreißen. Sie sollen in keine Einöde mit mir. Ich bin nicht so hart, wie Sie glauben. Ich verstehe Sie.

Liane: Sie verstehen mich?

Gassner: Haben Sie denn kein Vertrauen mehr?

Liane: Ich hoffe, Sie geben es mir zurück.

Gassner: Ich kämpfe um Sie! Ich werde Sie retten!

Liane: Retten? Verwechseln Sie mich denn mit Frau Huller? Schüttelt den Kopf. Als sei ich eine Fremde.

Tanzmusik aus dem Innern des Hotels.

Die Kokotte läuft ins Haus.

Ihr Begleiter folgt ihr.

Die dicke Dame und ihre Tochter brechen auf.

Die beiden jungen Leute aus der Bar, hinterher.

Duca di Folino hastet ihnen nach.

 

Sechzehnte Szene

Die Vorigen ohne die Kokotte, ihren Begleiter, die dicke Dame, ihre Tochter, die beiden jungen Leute. Dann Mrs. Paine. Conte Ronda.

Molli zu Liane hinüber: Gnädige Frau, die Valse brune!

Liane: Schon tanzen?

Vorstellung.

Mrs. Paine und Conte Ronda kommen aus der Hall.

Mrs. Paine begrüßt Liane: Madame Löwen, Ronda hat mir gesagt, daß Sie mich kennen möchten. Ich habe es mir auch gewünscht.

Liane: Ich bin entzückt. Dies sind meine Freunde, Herr und Frau v. Molli, Frau Huller, Herr Christoph Gaßner, Herr Philipp Mandl. Die Herren kennen den Conte Ronda?

Begrüßung.

Conte Ronda zu Liane: Wir haben uns nämlich ausgesöhnt. Das mit Ataxine war nur eine blague.

Liane: Das behauptete schon jemand.

Frau Huller: Ich! Ich habe gleich gesagt, einem Fürsten Ataxine seien solche Sachen nicht zuzutrauen.

Mrs. Paine sieht Ronda zärtlich an: Manchmal muß man zu gewaltsamen Mitteln greifen.

Liane: Aber den armen Ataxine haben Sie also unschuldig verhaften lassen.

Conte Ronda: Er ist schon wieder in Freiheit.

Mrs. Paine: Und er mag seine Forderung formulieren.

Philipp: Das muß gefeiert werden. Fritz! Er bestellt beim Barman. Es wird Sekt gebracht.

Molli: Auf unsern abwesenden Freund Ataxine! Man stößt an.

Liane zu Mrs. Paine: Ich wüßte so gern, warum der Conte Ronda Ihnen gefällt, und warum der Fürst Ataxine.

Mrs. Paine: Ihnen gefallen niemals zwei gleichzeitig?

Liane: Es ist vorgekommen. Aber den einen liebte ich; – und grade dann umgibt man sich mit andern, die uns nur gefallen. Am Ende ist es Selbsterhaltung. Wir müssen uns teilen können. Zu Gaßner: Nicht wahr, Herr Gaßner?

Gassner hart: Ich sage, ganz oder gar nicht.

Liane bestürzt: Wenn das ginge.

Philipp: Ich wäre bescheidener als Herr Gaßner.

Liane leise, geringschätzig: Das glaube ich.

Pause.

Mrs. Paine: Der, den Sie lieben, ist sicher der Herr v. Molli.

Liane: Warum glauben Sie das? Er gefällt mir, besser als anfangs. Obwohl er ein kleines wenig mauvais genre ist.

Mrs. Paine: Der Vater seiner Frau hat sechzig Millionen.

Liane: Um Gottes willen!

Mrs. Paine: Es ist doch einer der Gerings von Minneapolis.

Liane: Und Herr v. Molli sagt niemandem ein Wort davon. Ich hätte ihm soviel Diskretion nicht zugetraut.

Mrs. Paine: Es war vielleicht Absicht? Denn jetzt wird er Ihnen immer besser gefallen.

Liane: Aber nicht, weil er Geld hat, bitte.

Mrs. Paine: Doch. Er wird Ihnen ja nichts davon geben. Aber auch von den adligen Namen unserer Liebhaber haben wir nichts; und doch ist es so angenehm.

Liane: Ja, das macht auch mir etwas aus. Ronda und Ataxine parfümieren sich beide die Augenbrauen, reiten Polo und schmeicheln in jeder Weise unseren snobistischen Instinkten.

Mrs. Paine: Oh! Bin ich ein Snob?

Liane: Jedenfalls ich.

Philipp: Jetzt sollte man auf den See hinausfahren.

Frau v. Molli: Das ist freilich das einzige Mittel, sich wenigstens einmal auszukühlen.

Philipp: Für morgen habe ich ein Motorboot reservieren lassen. Die Damen werden mir die Ehre geben?

Mrs. Paine: Ich reise morgen ab.

Frau Huller zögernd: Ich – vielleicht auch.

Liane: Darüber reden wir noch. Zu Philipp: Dann bleiben Ihnen nur Frau v. Molli und ich. Wer begleitet uns?

Molli: Wenn die Damen mich mitnehmen.

Philipp: Sehr gut. Das Boot hat vier Plätze. Wir werden die berühmten Villen besichtigen. Wir können draußen frühstücken und zum Diner zurück sein.

Liane plötzlich ernst und suchend: Die Villen? Sind wir nicht alle zusammen zu profan für ihre mysteriösen Lorbeergänge und Marmorhallen? Allein wäre jeder von uns besser geeignet.

Molli leise: Man kann das Recht, sie zu zweien zu besuchen, erwerben, gnädige Frau.

Liane: Mit Ihrer Hilfe? Kaum. Sie würden das satt bekommen. Sieht Gaßner an. Denn ich wäre imstande, mich ein Jahr oder noch länger in solch einen menschensicheren Park zurückzuziehen.

Frau Huller: Freilich. Du warst doch erst kürzlich einen Monat lang verschollen.

Liane: Gerade so möchte ich es wieder haben. Zu der Gesellschaft: Hier sagen wir uns doch immer dasselbe, das ist so anstrengend. Frau v. Molli und Herr Gaßner erleichtern es sich und sagen gar nichts. Sie steht auf.

Molli: Verzeihen Sie, wenn es uns nicht gelungen ist, Sie zu amüsieren. Mir fallen schon noch neue Witze ein.

Liane: Also, gehen wir tanzen!

Alle in die Hall ab, außer Liane und Gaßner.

 

Siebzehnte Szene

Liane. Gaßner.

Gassner vor der Hall, zu Liane: Gnädige Frau, eine Botschaft für Sie. Reicht ihr ein Papier: Es betrifft Alice.

Liane: Was denn? Zu Herrn v. Molli: Gehen Sie voraus, ich komme.

Gassner: Lassen Sie, es war ein Vorwand. Mit verhaltener Erregung: Hüten Sie sich, Sie gehen zu weit!

Liane: Beherrschen Sie sich, ich bitte Sie! Was haben Sie schon wieder?

Gassner: Um so schlimmer, wenn Sie es nicht wissen. Ihre Vorsicht wird allmählich zur beleidigenden Nichtachtung. Sie lassen sich zu einer Bootfahrt einladen, die den ganzen Tag dauern soll, und mich schließen Sie aus.

Liane: Ich schließe Sie aus? Das Boot hat nur vier Plätze. Sollte ich Herrn v. Molli verbieten, seine Frau zu begleiten?

Gassner: Sie hätten ablehnen können.

Liane: Meine Zusage zurücknehmen, im Augenblick da ich erfuhr, daß Sie nicht dabei sein würden? Seien Sie doch vernünftig!

Gassner: Nicht einmal von einer Frau, die ich hier nur als Freund besucht hätte, würde ich das hingenommen haben. Ich wäre ohne Erklärung sofort abgereist.

Liane: Wieder eine Szene. Sie selbst mit Ihrem Benehmen, das jedem auffällt, treiben mich immer tiefer hinein unter diese Leute.

Gassner: Wenn Sie nicht für den Vorfall selbst verantwortlich sind, bleiben Sie es doch für die Taktlosigkeit Ihrer Freunde.

Liane: Ich sehe keine Taktlosigkeit.

Gassner: Der Herr sollte sie schon sehen. Ich würde ihm die Augen öffnen.

Liane: Ein Skandal?

Gassner: Wenn es sich um irgendeine andere Frau handelte. Bei Ihnen bin ich wehrlos, und Sie mißbrauchen die Lage.

Liane: Sie reden manchmal, als seien Sie verwirrt.

Gassner: An Sie bin ich gefesselt. Seien Sie ganz sicher, daß ich sonst abreisen würde.

Liane: Ich glaube es Ihnen. Sie sagen es nicht das erstemal. Drohen Sie mir lieber nicht zu oft damit.

 

Achtzehnte Szene

Die Vorigen. Die dicke Dame. Ihre Tochter. Die beiden jungen Leute.

Die dicke Dame und ihre Tochter kommen aus der Hall, gehen in die Bar.

Die beiden jungen Leute hinter ihnen: Sie ist jünger als die Alte. Sogar die Mutter ist jünger. Sie sehen sich um: Die Alte schläft in der Hall! Zu der dicken Dame: Madame, sollen wir Ihnen etwas anbieten?

Die dicke Dame: Sie sind sehr liebenswürdig, meine Herren.

Die beiden jungen Leute: Fritz! Vier Gin-Fizz!

 

Neunzehnte Szene

Die Vorigen. Nacheinander Frau Huller, Mrs. Paine, Molli, Philipp, Conte Ronda, Frau v. Molli.

Molli mit Lianes Mantel: Gnädige Frau sind nicht zum Tanzen gekommen.

Liane: Ich bin nicht dazu aufgelegt.

Frau Huller: Seit wann?

Liane: Vielleicht seit du beschlossen hast, abzureisen.

Philipp aus der Hall. Zu Liane: Gnädige Frau schuldeten mir noch einen Walzer. Das ist nicht recht.

Liane: Immer dies Schuldeneintreiben! Was würden Sie erst sagen, wenn ich morgen Ihre Bootfahrt nun doch nicht mitmachte?

Philipp: Ich wäre in Verzweiflung. Soll ich denn mit Herrn und Frau v. Molli allein fahren?

Liane: Ich bitte Sie darum. Ich muß durchaus einmal einen Tag für mich haben.

Molli: Gnädige Frau haben Ihren Mantel nötig.

Liane: Daß Sie das wissen! Und woher haben Sie ihn überhaupt?

Molli: Sie hatten ihn heute nachmittag in der Garderobe abgegeben.

Liane: Das wußten Sie noch? Sie sind wirklich sehr brauchbar.

Molli: Ich bin für Damen ein bequemer Freund.

Liane: Ja. Aber ich bin leider so unpraktisch, daß ich mir das Leben immer möglichst unbequem einrichte. Plötzlich habe ich dann keinen andern Gedanken mehr, als alles loszuwerden. Wissen Sie, meine Freunde behalte ich niemals lange.

Conte Ronda ist mit Mrs. Paine und Frau v. Molli aus der Hall gekommen: Aber Ihre Freunde verstehen zu warten.

Frau v. Molli: Mit solchen Neigungen muß man unglücklich sein.

Frau Huller zu Gaßner: Und unglücklich machen.

Liane: Man kommt darüber hinweg. Ich bin so egoistisch.

Gassner leise, zu Liane: Ich lasse mich nicht länger mißhandeln. Wollen Sie, daß ich gehe?

Molli zu Gaßner: Sie haben der Frau Löwen wohl die Laune verdorben! Erlauben Sie mir die Bemerkung, daß Sie bei Frauen eine ganz falsche Methode haben.

Gassner mit erhobener Stimme: Ich erlaube Ihnen keine Bemerkung, die Frau Löwen angeht.

Molli: Sie meinen?

Gassner: Das, was ich sage. Ich verbiete Ihnen Ihre Taktlosigkeiten, von denen dies nicht die erste ist.

Molli: Aber Sie sind ja plump!

Die dicke Dame, ihre Tochter, der Barman neugierig aus der Bar.

Die beiden jungen Leute aus der Bar: Es wird schon wieder lustig. Sie stoßen die Damen vorwärts.

Gassner: Plump oder nicht, ich wiederhole meine Züchtigung, bis Sie sie empfinden.

Molli: Herr Gaßner!

Liane zwischen sie: Friede, meine Herren! Wegen solcher Albernheit! Sie machen sich und mich lächerlich. Zu Gaßner: Kommen Sie! Geht mit ihm nach links.

Philipp, Conte Ronda reden auf Molli ein: Ein Mißverständnis. Ohne Gaßners Aufregung hätte niemand darauf geachtet.

Die ältere Dame aus der Hall: Come here, boys! Oh! shocking! Sie treibt die beiden jungen Leute vor sich her in die Hall.

Die dicke Dame, ihre Tochter, der Barman ziehen sich in die Bar zurück.

Gassner: Ich war am Ende meiner Kraft. Geschehe jetzt, was will.

Liane: Es wird nichts weiter geschehen, als daß Sie hier auf mich warten werden. Dies muß offenbar ein Ende nehmen.

Gassner: Ich wünsche nichts weiter mehr. Nach links in den Park ab.

Liane zu der Gesellschaft zurück: Ich bin müde. Man hat heute zu viel Interessantes erlebt, es wird Zeit, auszuruhen.

 

Zwanzigste Szene

Die Vorigen ohne Gaßner.

Philipp: Schlafen gehen? Und ich bin noch immer nicht verlobt. Ich hatte es mir heute fest vorgenommen.

Frau Huller: Die dicke Dame?

Frau v. Molli: Dann schon lieber ihre Tochter.

Molli: Aber ins Haus kommt sie mir nicht. Zu Liane: Und Sie? Ich hatte doch recht mit dem Gaßner. Sie brauchen einen Mann, der Sie richtig behandelt.

Liane: Den habe ich schon.

Molli: Noch nicht.

Liane: Doch. Meinen Mann.

Molli: Ach so. Der ist nie da.

Liane: Das ist wohl die richtige Art, mich zu behandeln.

Molli: Hören Sie: ich bin nicht der Mann, der sich verrückt machen läßt, wie der arme naive Gaßner.

Liane: Es fällt mir nicht ein, Sie mit ihm zu vergleichen.

Molli: Ich denke in der Liebe so klar wie Sie. Ich weiß, daß ich Ihnen gefalle.

Liane: Schlechthin gefallen, nein. Aber schon besser als anfangs.

Molli: Dann ziehen Sie die Konsequenzen.

Liane: Warum. Ich bevorzuge das Ergebnislose.

Molli: Sie begehen schweres Unrecht – an meiner Frau. Ich würde sie schlecht behandeln.

Liane: Das ist wohl die sonderbarste Drohung, die ich noch zu hören bekommen habe.

Molli: Aber Sie werden sie beherzigen.

Liane: Sie sind komisch. Jetzt sind Sie glücklicherweise nur noch komisch.

Philipp zu Liane: Wir haben einen Beschluß gefaßt.

Frau Huller zu Liane: Ja, du läßt dich scheiden und heiratest den Herrn Mandl. Ihr seid doch geschaffen für einander.

Liane: Darüber ließe sich reden.

Mrs. Paine: Bravo!

Philipp: Also zunächst Brüderschaft trinken! Er reicht Liane das Glas. Lianerl!

Liane ausgelassen: Wenn wir schon einen Flirt gehabt hätten, würdest du meinen richtigen Kosenamen kennen.

Frau Huller: Jetzt ein Hochzeitszug durch den Park! Herr Gaßner ist uns schon voraus.

Liane hält plötzlich an, macht sich los: Ich kann nicht mehr. Ich bin todmüde. Gute Nacht.

Philipp hält sie zurück: Oho! Und wenn ich es befehle?

Liane: Sind Sie ein so unbequemer Gatte? Dann kann ich Sie nicht brauchen.

Frau Huller: Hierbleiben! Weiterspielen!

Liane: Mein krankes Kind schläft vielleicht noch immer nicht. Das ist der Ernst.

Mrs. Paine: Es ist doch zu spät, um noch ernst zu werden?

Frau v. Molli: Wir sollten wohl wirklich schlafen gehen.

Molli: Ich begleite die Damen zum Lift.

Philipp: Ich verlasse meine Gemahlin nicht.

Liane: Am Lift enden Ihre Gattenrechte. Adieu, meine Herren.

Verabschiedung. Liane, Frau Huller, Frau v. Molli, Mrs. Paine, Molli, Philipp, Ronda ab in die Hall.

 

Einundzwanzigste Szene

Die dicke Dame. Ihre Tochter. Der Barman. Dann der Duca di Folino.

Die dicke Dame in der Bar: Endlich sind die betrunkenen Leute fort. Das will die gute Gesellschaft sein.

Der Barman: Man muß sie zu behandeln wissen, dann läßt sich mit ihnen leben.

Die dicke Dame: Sie haben wohl sehr viel Welterfahrung?

Der Barman: Im Winter bin ich in Nizza, im Sommer hier. Da trifft man immer dieselben Typen. Die Welt ist klein, und die Halbwelt auch.

Die dicke Dame: Jolanda, meine Handschuhe sind draußen liegen geblieben, hole sie.

Die Tochter nach vorn.

Duca di Folino kommt aus der Hall, setzt sich an einen Tisch links.

Die dicke Dame fächelt sich, girrt: Sie, Fritz, sind hier eigentlich der schönste Mann.

Der Barman mit Überzeugung: Sie, Madame, sind unbedingt die schönste Frau.

Die dicke Dame: Schlafen Sie nicht in dem Pavillon hinter der Garage?

Der Barman: Ja. Aber ich schlafe schlecht, denn die Wände sind dort nur aus Holz, man hört jedes Geräusch.

Die dicke Dame seufzt: Mich stört meine kleine Jolanda, die im Schlaf spricht und immer will, daß die Tür zwischen unseren Zimmern offen bleibt.

Der Barman: So geht manches nicht, was man sich wünschte.

Die Tochter der dicken Dame kehrt zurück, kommt fächelnd und äugelnd an dem Tisch vorüber, wo der Duca di Folino sitzt.

Duca di Folino: Signorina, guten Abend. Waren Sie es nicht, die heute die Arie der Musetta sang?

Die Tochter: Oh! Haben Sie mich gehört? Ich kann ja nicht singen.

Duca di Folino: Gerade darum. Es klang so jung. Er steht auf, betastet ihren Arm. Sie gefallen mir. Mit ihr in die Bar. Madame, Sie haben eine reizende Tochter, sie gefällt mir.

Der Barman diskret nach vorn, serviert einen Tisch ab.

Die dicke Dame: Ihr Sohn würde uns sicher auch gefallen. Sie haben doch einen Sohn?

Duca di Folino: Er ist Ballettänzer.

Die dicke Dame: Der junge Herzog?

Duca di Folino: Herzog ist er nicht. Seine Mutter war auch beim Ballett. Das heißt, jetzt wird er wohl nicht mehr tanzen. Ich höre seit – dreißig Jahren nichts mehr von ihm ... Aber ich wollte nicht von meinem Sohn sprechen, sondern von mir. Mir gefällt Ihre Tochter.

Die dicke Dame: Sie sind noch sehr stattlich. Jolanda bekommt eine schöne Mitgift.

Duca di Folino: So meine ich es nicht. Daß Sie mich immer mit meinem Sohn verwechseln. Ich bin doch kein Ballettänzer.

Die dicke Dame mit Würde: Wir verstehen uns nicht. Komm Jolanda!

Beide ab in die Hall.

 

Zweiundzwanzigste Szene

Duca di Folino. Gaßner. Der Barman.

Duca di Folino aus der Bar: Sieh da, Herr Gaßner. Ich fürchtete schon, ich würde ganz allein bleiben. Zum Schluß bin ich immer allein.

Gassner von links: Worüber beklagen Sie sich. Es ist das beste.

Duca di Folino: Sie waren im Park. Vielleicht bei den Grotten? Ich – war dabei, als die Bilder aufgestellt wurden, vor – ah, ich weiß nicht mehr.

Gassner: In der letzten Grotte steht eine schöne Nymphe; sie muß von einem Schüler des Canova sein.

Duca di Folino: Ja; aber es ist keine Nymphe. Es ist die Marchesa Astrello.

Gassner: Ich erinnere mich; dieser Besitz gehörte einmal den Astrello. Sie verkehrten hier schon damals?

Duca di Folino: Ja, bis die Marchesa starb. Sie wollte sich im See ertränken, weil ich sie verlassen hatte. Man zog sie heraus; und bevor sie starb, hatte sie noch Zeit, im Fieber alles auszuplaudern. Dann schlug ich mich mit dem Marchese, und er fiel. Solche Sachen gingen damals noch tragisch aus, es war eine andere Mode. Aber heute wären auch ohne mich beide schon tot.

Gassner: Und – dann haben Sie es über sich vermocht, wieder hierher zurückzukehren?

Duca di Folino: Als die Engländer die Villa gekauft hatten, ward es hier sogar sehr lustig. Auch die Frau des Engländers liebte mich; aber das machte weder ihr noch anderen viel aus. Sie verschwanden; und dann ward Villa Astrello ein Hotel. Aus alter Gewohnheit komme ich jedes Jahr und habe hier noch vieles erlebt.

Gassner: Ich bewundere Ihre Nerven. Der Schatten der Marchesa Astrello ist Ihnen niemals begegnet?

Duca di Folino: Unter all den Schatten, die ich hier im Laufe der Zeit zurückgelassen habe, würde ich ihn wohl gar nicht erkennen.

Gassner: Sie brauchen ja nicht zu bereuen. Eine Frau, die sich so sehr hingab, daß sie daran starb, war glücklicher als eine – sieht am Hause hinauf –, die sich aus Furcht und Schwäche an die Welt verliert. Aber mir scheint, ein wenig Dankbarkeit –?

Duca di Folino: Wofür? Nur solange man noch jung ist, hat man die Eitelkeit, den Frauen für ihre Liebe dankbar zu sein. Heute weiß ich: die Leidenschaftlichen und die, die sich bloß mit mir vergnügten, sie hatten alle nur das eine Ziel, ungestört vierundachtzig Jahre alt zu werden. Aber nur ich bin es geworden, ich habe alle besiegt. Freilich, zum Schluß ist man allein. Er sinkt am Tisch zusammen, er sinnt.

Pause.

Der Barman: Die Herren befehlen noch etwas? Ich würde mir sonst erlauben, die Bar zu schließen.

Duca di Folino: Schließen Sie. Man wird wieder einmal schlafen müssen.

Der Barman schließt die Bar, dreht das Licht ab: Gute Nacht, meine Herren. Ab in die Hall.

Pause.

Duca di Folino: Wenn auch Sie noch nicht schlafen wollen, wie wär es, wenn wir bis zu den Grotten gingen und – er lacht meckernd – der Marchesa Astrello einen nächtlichen Besuch machten?

 

Dreiundzwanzigste Szene

Gaßner. Duca di Folino. Liane. Über den Bäumen links geht der Mond auf. Sein Licht fällt auf die Fassade des Hauses.

Liane aus der Hall. Sie bleibt in der Tür stehen, das Mondlicht liegt auf ihr.

Duca di Folino erschrickt: Da ist sie!

Liane vortretend: Wer?

Duca di Folino: Ach so. Ich glaubte, Sie suchten mich.

Liane schroff: Sie? Ich suche Herrn Gaßner.

Duca di Folino: Wenn ich störe –

Liane: Ja. Sie stören.

Duca di Folino: Es ist gut, Madame, daß Sie mit einem Gentleman zu tun haben.

Liane: Und wenn Sie keiner wären!

Duca di Folino: Es ist gut. Verbeugt sich. Ab in die Hall.

 

Vierundzwanzigste Szene

Liane. Gaßner.

Liane und Gassner warten, sehen sich an.

Gassner kalt: Sie lernen es spät, der Welt zu trotzen.

Liane zornig: Zu spät. In der Abschiedsstunde.

Gassner: Auch ich weiß, daß es aus ist. Als ich freiwillig gehen wollte, heute nachmittag, durfte ich nicht. Sie mußten mich fortjagen.

Liane: Sagen Sie mir auch das noch! So gehen wir auseinander.

Gassner: Sie haben mir alles angetan, was ich durch einen Menschen erleiden konnte.

Liane: Sie mir noch mehr, als ich jetzt weiß. Ich werde davon zehren, bis ich alt bin.

Gassner: Was weiter. Wir waren, schon bevor wir uns trafen, nicht glücklich.

Liane: Jetzt aber sind wir unglücklich.

Gassner: Wer ist schuld? Sie hatten mir gesagt, daß Sie mich nicht mehr liebten. Sie haben wohl über sich selbst hinausverlangt, als Sie mich lieben wollten. Es ist Ihnen mißlungen, und nichts bleibt zurück als der trockene und ängstliche Egoismus einer eleganten Frau.

Liane: Besinnen Sie sich!

Gassner: Auf das Leben hier! Diesen Hexenkessel von Verrat, List, Spiel mit Qualen! Mochte ich leiden, wenn es Ihnen nur gelang, jeden Verdacht zu vermeiden. Immer auf der Höhe der Situation, und nie, nie, ein selbstvergessener Drang des Herzens!

Liane: Sie wissen es nicht!

Gassner: Sie sind enttäuscht: Sie! Weil ich mich als nicht mondän genug herausgestellt habe? Nicht gewandt genug im gesellschaftsfähigen Ehebruch? Weil ich die Geliebte meines Lebens gesucht habe, wo es sich doch nur um nächtliche Rendezvous und Diskretion bei Tage handelte?

Liane: Daß Sie eine solche Frau lieben konnten!

Gassner außer sich: Meinen Sie, ich werfe es mir nicht vor? Was war ich hier? Frühere Liebhaber, künftige, und dazwischen ich: das war meine Rolle.

Liane: Jetzt gehe ich. Sie wendet sich ab.

Gassner reißt sie zurück: Nicht jetzt! Hätten Sie mich heute nachmittag gehen lassen! Ich hatte noch nicht gelitten, was ich jetzt gelitten habe. Solange man nur glücklich war miteinander, ist noch in den Tiefen des Herzens genug Gleichgültigkeit, daß man sich trennen kann. Erst das Leiden schmiedet fest! Ich kann dich nicht lassen.

Liane: Sie müssen.

Gassner: Das alles sind Mißverständnisse. Wir wollen vergessen! Wir wollen einander um so stärker lieben!

Liane: Nach dem, was ich Ihnen zugefügt habe? Wären Sie so feig?

Gassner: Löschen wir das alles doch aus! Auch ich habe Fehler begangen, ich weiß. Seien Sie doch gütig!

Liane: Ich bin nicht gütig.

Gassner: Nur von mir haben Sie es verlangt!

Liane: Ich ertrage so vieles im Leben schwer. Dies würde mich zerstören. Es hat schon angefangen, mich zu zerstören.

Gassner: Ich war von Sinnen!

Liane: Sie haben mir Worte gesagt, die aus Ihrer tiefsten Natur kamen: Worte eines fremden Mannes an irgendeine gewöhnliche Frau, die sich schlecht aufführt. Früher hätten solche Gedanken Sie entsetzt. Sie liebten mich, weil Sie mich fein fanden. Ich bin es nämlich wirklich. Wenn man es erst sagen muß, ist es wertlos.

Gassner: Hätten Sie mich je wissen lassen, daß Sie auch hier noch im Innern zu mir standen!

Liane: Sie haben nicht hören wollen. Heute noch, in allen Schrecken dieses Tages, an dem ich Sie verloren habe: als ich Ihnen sagte, daß ich die Gärten am See mit Ihnen allein besuchen wollte, und ich dachte dabei, mit Ihnen darin leben ...

Gassner: Wie soll ich das jetzt noch glauben.

Liane: Ja. Es ist so weit, daß wir uns nicht mehr glauben. Einst wußten Sie, auch wenn ich schwieg. Sie zuerst haben vergessen.

Gassner senkt den Kopf.

Liane weicher, langsam: Es war uns wohl unmöglich, glücklich zu werden. Wir verdienten alle beide solche große Liebe nicht. Wir können beide zu wenig opfern, drum muß jeder an sich selbst schwer tragen.

Gassner: Wir wußten doch, daß das menschliche Vermögen, zu fühlen, nur zu fühlen, schwach und schwankend sei. Es wäre klüger und redlicher gewesen, von einer so großen Liebe nur zu träumen.

Das Mondlicht hat die Fassade des Hauses langsam verlassen und ist auf die linke Hälfte der Bühne hinübergerückt. Sie stehen jetzt darin. Liane: In diesen letzten Tagen habe ich mich manchmal gefragt, ob es denn nötig ist, glücklich zu sein.

Gassner: Wir haben uns doch geliebt.

Liane: Wir werden uns immer lieben.

Gassner: Du sagst es? Noch jetzt? Dann verzeihst Du mir?

Liane mit Leidenschaft: Das alles ist nun ausgelöscht!

Gassner reißt sie an sich.

Liane: Christl!

Gassner: Lani!

Umarmung.

Gassner: Es ist nicht aus, ich habe dich nicht verloren! Du bist mein wie je, und für immer. Oh! es konnte ja nicht anders sein. Unsere Träume, unsere Zukunftspläne, alles wird sich nun doch verwirklichen. Ich werde in deiner Stadt wohnen. Ich werde nie mehr eifersüchtig sein auf deine Welt. Ich lasse dich ihr; wenn du es willst, befreunde ich mich mit ihr. Ganz geduldig warte ich, bis es an meine Tür klopft. Ich öffne: da bist du, da ist das Glück. Dann gibt es nur noch dich und mich.

Liane: Kind! Liebes, unvernünftiges Kind!

Gassner: Warum unvernünftig? Läßt sich denn nicht lernen aus unseren Erfahrungen? Du wirst nie mehr leiden, ich verspreche es dir. Du hast ein Recht auf das wolkenlose Glück. Süße Frau!

Liane: Nenne mich nicht mehr so, ich bin es nicht mehr. Wir haben durch einander zu viel erkannt; wie sollten wir noch diese unwissenden Liebesworte sprechen. Das ist aus.

Gassner: Wegen eines einzigen Mißverständnisses? Wegen eines Anfalls von Wahnsinn? Du verstößt mich?

Liane: Du weißt wohl, es war kein Mißverständnis. Du würdest fortan dich zwingen, mich so zu ertragen wie ich bin, nur um mich zu verlieren, da du in diese Liebe so wundervolle Hoffnungen gesetzt hast. Das, Lieber, wäre Sentimentalität und Schwäche.

Gassner: Du, du bist zu wenig sentimental.

Liane: Ich fürchte mich davor, daß ich dich behandeln könnte wie die anderen, und du würdest es dir gefallen lassen. Das darf nicht sein. Ach, was ist nun aus unserer schönen Liebe geworden. Lieber, lieber Christoph!

Gassner: Du kannst nicht zurückkehren? Es kann nicht werden wie früher? Man muß wollen. Nachsicht und Verzicht sind es, die die Menschen beieinander halten.

Liane: Nicht uns; du weißt es wohl. Du wirst mich immer lieben und ich dich immer. Aber vielleicht sehen wir uns niemals wieder.

Gassner: O schweig!

Liane: Ich werde vielleicht in einem deiner Konzerte sitzen, ohne daß du es weißt.

Gassner: Ich werde es wissen!

Liane: Wenn deine neue Oper aufgeführt ist, werde ich dir ein paar Zeilen schreiben: das wird alles sein. Es ist schrecklich.

Gassner: Arme Liane!

Liane: Ja, beklage mich!

Gassner: Unsere Wochen am Meer, diese Herrlichkeit des Himmels: das war doch!

Liane: Ja, das war. Ich habe dich unerhört geliebt. Nachher habe ich mich mit Schrecken gefragt, ob ich damals mein Kind noch liebte.

Gassner: Das alles soll nun bloß der Reue dienen um ewig Verlorenes! Der Scham über eine große Niederlage!

Liane: Man wird sich nur noch des Guten erinnern. Das ist das allertraurigste. Adieu, Lieber. Sie wendet sich ab.

Gassner: Ich werde es vielleicht später begreifen. Heute bin ich fassungslos. Geh nicht! Noch nicht!

Liane: Einmal mußte es doch sein: jetzt oder in Jahren. Nein, wir werden nicht ganz unglücklich sein. Denn, jeder in der Welt allein, werden wir doch von einander wissen. Sie reicht ihm die Hand. Wenn ich morgen früh herunterkomme, wirst du nicht mehr da sein.

Gassner: Ich werde nicht mehr da sein. Er küßt ihr die Hand, er will sie an sich ziehen.

Liane macht sich los: Nicht mehr ... Leb wohl. Schnell bis unter die Tür der Hall. Dort wendet sie sich zurück.

Gassner will vorstürzen.

Liane legt den Finger auf die Lippen. Ab.

Vorhang.


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