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1868

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197

Theure, treu geliebte Freundin!

Seit ein paar Tagen habe ich Schnupfen und Husten, soll daher nicht viel sprechen und darf nicht in's Freie. Wenn ich unwohl bin, so ist dies für mich hier in der Stadt die einzige Zeit der Ruhe. Ich greife zur Feder, um der geliebten Freundin vor allem Dank zu sagen, wärmsten, innigsten Dank für die so liebevolle Uebersendung der Briefe und Gedichte, sowie für die überaus getroffene Photographie vom theuren Sachs; ich finde sie sprechend ähnlich und freue mich an ihrem Anblicke, der einzig Muth und Trost verleiht in dieser trüben Zeit, die ohne Ihn für mich baar des Trostes und jeden Heiles wäre; denn Sie glauben nicht wie fried- und ruhelos die Tage hier für mich dahinziehen; Tafeln, Audienzen, Anträge der Kammer, Presse etc. kurz ein immerwährendes Jagen, dem nicht zu entgehen ist, bis nicht die kalte Luft sich meiner erbarmt, wie zufällig jetzt und mir zum Ausruhen einen wohlthätigen Schnupfen sendet. Wie geht es Ihnen und dem Freund, solange habe ich keine Kunde von den Theuren erhalten, meine Seele lechzt nach Nachricht von denen, die einzig ihr theuer sind. Neulich wohnte ich der Vorstellung von »König Richard II« bei und überzeugte mich selbst wie recht Sie hatten, als Sie mir schrieben, es wäre zu viel »hineingejenkt« worden. Gott gebe, dass die Vorstellung der »Armida« eine gelungene wird und vor Allem die mit brennendem Verlangen ersehnten »Meistersinger«. Wie sehr ich eine Aufführung von »Tristan« wünsche, werden Sie durch Düfflipp erfahren haben; ich denke, es liesse sich, wenn auch mit Mühe ermöglichen. Meine Gedanken und Gefühle sind stets bei Ihnen und Unserem grossen Freunde, wenn auch die irdische Hülle sich verdammen muss, viel und lange in den Tafel- und Audienz-Säälen zu verweilen; dort wo für mich keine Freude blüht, kein wahres Heil erwächst; auch meine Mutter fährt wacker fort, mir durch ihr, oft ganz unleidliches Wesen lästig zu fallen, dann gedenke ich zum Trost der Freundin und ihrer Schwiegermutter. – Gott gebe, dass der rauhe Winter dem Wohlbefinden des geliebten Freundes nicht Eintrag thue, selig bin ich, weiss ich Ihn zufrieden u. heiter.

Mit regem Interesse las ich die für die Süddeutsche Presse bestimmten Artikel, die ich mit herzlichem Danke zurücksende. – Sicher hoffe ich, Semper werde im Frühjahr hieherkommen, damit endlich der grosse Bau begonnen werden kann, zu welchem eigentlich schon im vergangenen Jahre der Grundstein hätte gelegt werden sollen, wäre nicht die fatale Hochzeitsgeschichte dazwischen gekommen.– Dieses Jahr, ich hege die feste, sichere Zuversicht, wird ein Jahr des Segens u. des Heiles werden, das Erstrebte, Ersehnte rückt uns näher, bald wird das grosse Werk der Vollbringung nahe sein, Paradieses-Wonnen werden Uns zu theil, es wird ein Jahr (nicht wird mich die Ahnung täuschen) wie das unvergessliche, heilige Tristan-Jahr; doch den damals genossenen Kelch des Leidens, des Schmerzes möge Gottes Engel an Uns vorüberführen. – Ewig

Ihr getreuer Freund

Ludwig.

den 12. Jan. 1868 /.

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198

Treu geliebter Herr! Gütiger Freund!

Wie dankbar bin ich dem Hohen mir ein gnädiges Lebenszeichen gegeben zu haben! Ich war sehr besorgt als ich in den Zeitungen die Notiz über das Allerhöchste Uebelbefinden las, und nur die Sorge lästig zu erscheinen hatte mich davon abgehalten eine Anfrage mir zu erlauben. Nun muss ich beinahe Gott danken dass der Catarrh sich einfand! Das sind so des Lebens Tröstungen! Dem Freunde geht es Gott sei gelobt, so ziemlich; ich befürchte wohl dass wenn er es auch aus Zartgefühl nicht ausspricht, die freie Luft und die Berge Triebschen's ihm fehlen, vielleicht ist ihm aber die treue Liebe ein Ersatz, wenigstens sieht er erträglich aus, und arbeitet er fleissig an der Correktur der Biographie; morgen mache ich mich an die Abschrift und hoffe ich binnen Kurzem dem königlichen Freunde einiges zusenden zu dürfen. Kann ich es wagen um den letzten Bogen zu bitten, weil ich leider nicht mehr genau weiss, wo ich unterbrochen wurde. Wir besprachen mein Mann, der Freund und ich, die Möglichkeit der Tristanaufführung und wir wurden darüber einig dass sie mit Zeit und gutem Willen wohl herbeizuführen sei. Die Mallinger erschrak als ihr Hans neulich von der Isolde sprach, doch ich glaube wenn endlich der schwere Alp der musikalischen Welt beseitigt sein wird, dass ein andrer muthiger und thätiger Geist über die Leute wehen wird. Ich hörte von einem Tenoristen Bachmann der nächstens hier gastiren soll, an ihn hatte der Freund schon früher gedacht, er soll musikalisch sein, (was der unglückliche vom Intendanzrath so ungeschickt engagirte Nachbauer durchaus nicht ist), am Ende liesse mit ihm sich der Tristan herstellen; Kindermann würde als Kurwenal, wo viel auf die Stimme ankommt, vielleicht ganz gut sein, und Bausewein gäbe König Marke ohne Schwierigkeit. Ich bin in den letzten Tagen von meinem Besuch des Hoftheaters wenig erbaut gewesen; die Zauberflöte ging erbärmlich, und die beiden Schützen, eine alte Novität von Lortzing, empörte mich durch Plattheit und Rohheit. Perfall hat es schwer in dem verwahrlosten Institut, es ist aber unbedingt nothwendig dass er prinzipiell verfährt, sonst kann von einer Bildung des Publikums nicht die Rede sein. Viel Freude haben mir die Jäger von Iffland gemacht; wenn sie natürlich den Werken der grossen deutschen Dichter nicht das Wasser reichen, so zeigen sie doch von unmittelbarer Beobachtung der damaligen Verhältnisse und Zustände, und sind sie mir deshalb bei weitem lieber und werthvoller als ein Statthalter von Bengalen, oder ein Hans Lange, und wie all die zubereiteten Dinger heissen. Doch zu meinem Leidwesen musste ich erkennen dass unsre Schauspieler selbst das nicht mehr im Stande sind gut und mit natürlicher Wärme zu spielen! Mein Mann will den Manfred von Byron mit der Schumann'schen Musik bringen, ein Versuch welcher dem Vater in Weimar überaus glückte. Possart soll morgen kommen um über die Hauptrolle (Manfred) sich zu besprechen, wenn er nicht zu sehr von sich eingenommen ist will ich mit ihm darüber sprechen. Sein Richard II. (abgesehen von den Erfindungen des Herrn Jenke) hat mir nicht sonderlich gefallen; Schönheit, Schwung, Begeisterung des an sich glaubenden rechtsmässigen König waren abwesend, es blieb ein verzerrtes Bild von unverständlicher Bitterkeit und zerfahrenem Uebermuth. Ich sehe ohne Freude der Aufführung der Armide entgegen, erstens hat sie die Meistersinger so sehr verschoben, zweitens befürchte ich dass sie die Mallinger sehr angreift, drittens habe ich keinen Glauben an der Leitung. Gluck ist ein Problem; armer Musiker, empfindungsvoller Dramatiker, muss er von einem geistvollen Kopf erfasst und wiedergegeben werden. Ich bin vor einigen Jahren in Carlsruhe über eine Vorstellung der Armide beinahe in Verzweiflung gerathen; die Mallinger wird aber jedenfalls darin interessant sein. –

Wir freuten uns sehr durch Baron Perfall von einer Musikaufführung zu hören welche unser hoher Herr anzubefehlen geruhte. Mein Mann erwartet die näheren Bestimmungen; ich glaube dass er gerne etwas im Voraus wüsste ob sein königlicher Herr eine Symphonie von Beethoven (vielleicht die c moll), und Klavierwerke mit und ohne Orchester, nebst Wagnerschen Compositionen zu hören verlangt, damit er in jeder Beziehung sich vorbereiten dürfe. Er hat vollauf zu thun; die Musikschule nimmt ihn dermaassen in Anspruch dass ich ihn kaum sehe; die Theatergeschäfte sind ihm dagegen eine Erholung. Er jammerte neulich dass die Böswilligkeit der Menschen die grossmüthigen Absichten unsres Beschützer's gekreuzt hätten, wäre der Wille des König's vor zwei Jahren ausgeführt worden, so gäbe die Musikschule jetzt Resultate, nun heisst es Geduld und Fleiss haben, und versuchen, sich nicht abschrecken lassen. Er ist nicht übermässig entzückt von dem Gesangslehrer Härtinger der ihm aufoktroyirt wurde, doch er will abwarten und nur im geeigneten Moment sein entscheidendes Veto abgeben. – Der Freund wohnt all den Arbeiten aus der Ferne bei; einige Male hat er mich in's Theater begleitet, wo ich mich in so fern über die Münchner freute als kein Mensch ihn besonders beobachtete. Nur neulich hatte ich zu Hause einen kleinen Spass; des Montags empfange ich meine Bekannten, und schliesse die übrigen Tage meine Thüre; am vorigen Montag sassen bei mir die Frau des Professors Windscheit welcher kürzlich durch ein königliches Schreiben beehrt wurde, die Frau des Professors Braun (welchen ich einmal für die Professur am Polytechnikum zu empfehlen mir erlaubte), die Tochter Kaulbachs, eine Ministerialräthin Völk; die drei Damen plauderten wie so im allgemeinen Frauen plaudern, plötzlich trat der Freund ein, ich stellte ihn vor. Als ob der Holländer in Senta's Spinnstube eingetreten wäre entstand eine Beklommenheit, beinahe eine Angst, die Hohenschwangauer Engeln folgten aufeinander wie auf der Leiter im Traume Jakobs, endlich verschwanden die Guten, und ich setzte dem Freund auseinander dass er sich nicht einbilden müsse dass er wie der erste beste Sterbliche sich zeigen könne. – In der leidigen Fröbelschen Zeitung wo ich nunmehr nur »München Hofnachrichten« lese, sehe ich dass der theure Herr immer noch leidend ist. Trotz der Tafeln, Audienzen, Kammergeschichten u.s.w. will ich doch lieber meinen König gesund wissen; ein erfahrener Kopf behauptete dass die einzigen wahren Uebel des Lebens Krankheit und Gewissensbisse sind; es ist dies beinahe zu philosophisch gedacht, und ich für meinen Theil habe mir lange eine grosse Krankheit gewünscht die mich manchen Plagereien entziehe, doch die Meinigen (darf ich dieses Wort hier gebrauchen theurer hoher Freund? Ich darf es, nicht wahr?) will ich gesund wissen, durchaus wohl, wenn ich auch das Leben zu gut kenne um sie mir jemals durchaus froh denken zu können! Und so weit bin ich schon dass die Erfüllung der schwersten Pflicht mir leicht fällt im Vergleich zu der Umgebung der Leichtesten. Und so wäre ich denn zum Capitel der Mütter (nicht derjenigen welche Faust im zweiten Theile schaudern machen!) angelangt. Wie gütig liebevoll dass der freundlichste Herr meiner bei gewissen Gelegenheiten gedenkt, ach Gott! ich verstehe Ihn und Seine Lage vollkommen, und die Geduld wünsche ich dem Theuren nicht, die eine ermüdend lehrreiche Erfahrung mir beigebracht hat, nachdem ich so ungestüm in das Leben getreten bin wie man es nur träumen kann. Nun muss ich aber einen Gedanken verrathen der mir öfters beigekommen ist: ich habe zuweilen gewünscht in die Nähe der Königin-Mutter zu kommen, sei es als Vorleserin oder unter irgend welcher Form; ich weiss nicht warum ich mir einbilde dass die hohe Frau für uns könnte gewonnen werden, und dass dadurch vielleicht manche Noth und Quälerei für unsren Herrn aufhören würde. Dass ich Seine Mutter trotz allem und allem lieben und ehren muss, wird der theure Freund wohl begreifen. Auch liegt viel Güte in dem Gesicht der Königin – es mag recht thörig sein, ich bilde mir ein dass ich Ihr vieles und manches begreiflich machen könnte. So hätte ich gebeichtet – – ich hoffe auf Absolution! Zu Hause muss ich nun immer predigen, es will manchmal gar nicht gehen, dann helfen die Kleinen die alles in das Kindliche wohl auch Lärmende herabziehen und wir gelangen dann zum sogenannten »faulen Frieden«! Mein Mann ist nämlich nicht übermässig mit Geduld von seinem Stern ausgestattet worden; doch bis jetzt geht es, und der häusliche Karren wie der Kunstwagen, trotz manchem Stoss, sie kommen gut vorwärts. Der heilige Thomas nennt die Vorsicht den Kutscher der andren Cardinal Tugenden, ich will betreffs des Wagens in Perfall einen ähnlichen Kutscher sehen, und alles was mir nicht ganz recht geschieht auf Rechnung der Vorsicht legen; und betreffs des häuslichen Karren will ich der Kutscher Vorsicht sein.

Soeben erhalte ich lieben Brief Semper's den ich mir erlaube beizulegen. Wir sind ihm gegenüber in einer schlimmen Lage; bereits Mitte Dezember sagte Rath Düfflipp die Sache sei geordnet, nun soll ein Brief verloren gegangen sein, ich verstehe das Ganze nicht, und möchte nur gern wissen was unser Herr befiehlt, damit wir nicht einem bedeutenden Menschen wie Semper gegenüber den Anschein hätten als ob wir mit ihm spielten. Wenn mein hoher Freund es nicht an der Zeit findet Semper zu berufen, so ist Sein Wille für uns jetzt wie in alle Zeiten, das einzig Maassgebende; will aber der Herr dass Semper berufen werde, so wäre es mir lieb wenn Rath Düfflipp dies auch so genau erführe dass er nicht ein Schreiben verzögre dass Semper so lange erwartet. Den Brief Semper's habe ich einzig und allein dem hohen Herrn und theuren Freunde mitgetheilt, selbst dem Meister habe ich ihn nicht gezeigt. Bevor ich Semper antworte würde ich wohl gern durch Rath Düfflipp erfahren haben wie diese Angelegenheit betrieben wird, allein dies wie alles; das Geringfügigste wie das Grösste lege ich vertrauensvoll in meines Königs theure Hand! Er schalte und walte!

Gottes Segen über den geliebten Herrn; der Kranz der Treue schwingt sich zur Krone, und beide verschlungen bilden den Stern der leuchtet in die Nacht!

Cosima von Bülow-Liszt

17ten Januar 1868 /.

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199

Theuerste Freundin!

Seit einiger Zeit bin ich, fast muss ich sagen »leider« wieder vollkommen wohl, denn mit diesem Wohlsein bin ich der Serie der Tafeln, Audienzen, Bällen, Ministervorträgen etc. aufs neue erbarmungslos verfallen. Vor Allem muss ich der geliebten Freundin sagen, dass Ihr letzter Brief mich hoch erfreut und tief gerührt hat; meinen wärmsten Dank für die neuen Beweise treuer Liebe und Freundschaft. Dass Sich die theure Freundin auf die Aufführung der »Armide« nicht gefreut hat, betrübte mich, mir gefiel das Werk ausserordentlich gut, wohl erinnere ich mich, dass der Freund im letztvergangenen Mai sich sehr anerkennend über diese alte Oper geäussert hat. Einen harten Tag hatte ich am vorigen Mittwoch durchzumachen, ich hatte die Qualen eines Hofballes zu bestehen, noch stehen mir manche verhasste Festlichkeiten in diesem Winter bevor. O Gott, erlebe ich einen Augenblick der Freude, des Genusses, so hab' ich ihn einzig dem Quell meines Lebens, Unserm theuren Freunde zu verdanken. Ich führe mir »Tristan u. Isolde« vor das geistige Auge, gedenke im voraus der Wonnen, welche die »Meistersinger« Uns bringen werden – und selig und zufrieden bin ich und vergesse die trostlose Alltagswelt, die mich umgibt. Oefters frug mich die Freundin, ob ich an meiner Mutter, meinem Bruder denn keine theilnehmenden Seelen habe, aber dem ist nicht so, sie lieben mich, was auch ich thue, aber von einem tieferen Verständniss, einem Einklang der Seelen kann da nicht die Rede sein, die Pfade auf denen mein Bruder wandelt sind von Weihe und Erhabenheit himmelweit verschieden.

Mit Semper ist es vor der Hand leider nichts, nichtsdestoweniger aber gedenke ich noch in diesem Frühjahre den Bau Unsres Theaters sicher zu beginnen. So viel man in dieser kurzen Zeit ersehen kann, benimmt sich Perfall auf seinem neuen Posten ganz wacker. O »Tristan«, »Tristan«! dieses Werk in diesem Jahre und ich will alle Leiden und trauervollen Stunden vergessen und ohne Murren mein oft so schweres Kreuz tragen; o ich muss bald wieder in diesem Gedichte, diesen wonnevollen Tönen mich versenken, darin aufgehen können, es ist mir so nothwendig wie dem Gefangenen die Freiheit, wie dem Verschmachtenden der labende Quell. –

Ich bitte Sie dringend, den Freund zu bestimmen sich bald von Bernhard malen zu lassen für mein neu eingerichtetes Schreibcabinet; er würde mir durch diese Freundlichkeit eine grosse Freude bereiten.

Nun muss ich schliessen, Mitternacht rückt heran.

Dass ich viel und oft der theuersten Freunde gedenke, mit meinen Segenswünschen Sie umschwebe, habe ich nicht nöthig erst zu versichern, Sie wissen, dass ich Ihm mein Leben geweiht habe und dass es mit jeder Faser meines Selbst der heiligen Sache angehört, für die einzig ich lebe und sterben will.

Treu und ewig liebend

Ihr

Ludwig.

den 26. Jan. 1868

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200

Treu geliebter Herr!

Theurer königlicher Freund!

Mit Freude (trotz des »leider«) habe ich die Besserung unsres Herrn begrüsst, und meinen wärmsten Dank für die gütige Meldung dieser Besserung lege ich dem hohen Freunde zu Füssen. Dieser Freude verdanke ich es einzig, dass ich über die ernste beinahe traurige Stimmung, welche mir aus den Mittheilungen des gütigen Schreibens, wie auch aus den augenblicklichen Lage der Dinge, mir erwachsen ist, bemeistern konnte. Die stete Einsamkeit und Oede inmitten der Unruhe, welche der theure Freund mir klagt, und dessen erschreckende Wahrhaftigkeit in dem nothwendigen Aufgeben der Semperschen Berufung sich abspiegelt, raubt meiner Seele beinahe jede Hoffnung. Ich habe selbst Rath Düfflipp beschworen um Gottes Willen nicht unsre musikalischen Angelegenheiten durch die unzeitige Berufung Semper's, in Gefahr zu bringen; allein dass es so steht, dass man immer mit Angst und Sorge um Dasjenige zu sein hat, was längst fest stehen sollte, ist betrübend. Wenn ich ohne Theilnahme der Aufführung der Armide entgegen sah, so galt dies nicht dem edlen Werke, sondern der Verzögerung der Meistersinger (zwei volle Monate!), welche daraus entstand, und auch der Verwickelung der Lage welche das längere Verbleiben Lachner's mit sich brachte. So lange Lachner's Entlassung nicht vollzogen ist, ist an einer Organisation des Theaters nicht zu denken, und ist mein Mann zur vollständigsten und traurigsten Unthätigkeit gezwungen. Mit Trauer sehen wir dem alten Gang der Dinge zu, und fragen uns, wenn dies so weiter geht, was wir denn eigentlich zu sagen hätten. Weder die Aufstellung des Orchesters, noch die Feststellung eines ordentlichen Repertoires, noch die Einführung einer künstlerischen Disciplin, ist möglich, so lange der Mensch an der Spitze des Orchesters bleibt der alle musikalischen Zustände in München dermaassen hat versumpfen lassen. Weil die Armide der Vorwand war um ihn weiter hier hausen zu lassen, darum hatte ich ihre einstweilige Zurücksetzung gewünscht, da mir mehr an dem Gang des Ganzen als an einem einzelnen Abend gelegen ist; auch wusste ich wie wenig künstlerisch diese Aufführung sein würde. Wer in Dresden die Armide nach des Freundes Einrichtung gesehen hat, kann kaum glauben dass es dasselbe Werk sei. Nicht eine Nüance im Orchester und in den Chören zeigte von einem Eingehen in die Intentionen des Schöpfer's, und die sinnlose Breite welche den Ballets gegeben wurde nahm für mich den Hauptdramatischen Stellen, ihre Wirkung. Dass das Werk immer einen grossartigen Eindruck machen muss, ist gewiss, es bleibt eine der seltensten Erscheinungen in der Oper, und meine Bedenken gingen blos auf das Zeitgemässe der Aufführung, und auf die im Voraus gewusste künstlerische Rohheit derselben, (ich erlaube mir blos an den Soldaten-Chor im ersten Akt zu erinnern, welcher in ein und derselben Stärke heruntergesungen wurde, deswegen auch gänzlich ohne Wirkung blieb). Dass der hohe Herr trotz aller Mängel das Werk in seiner edlen Schönheit erkannt hat, ist ein neuer Beweis wie sicher Sein erhabener Geist das Werk erfasst, unbeirrt durch die Nebel mit welchen die Unfähigkeit der Menschen es umhüllen. Gäbe Gott dass mit der Jessonda die Wartens-Zeit vorüber sei! Ich glaube nicht dass die Künstler-Ehre es zuliess dass wir länger zusehen, wie z. B. die Meistersinger-Proben immer unmöglich gemacht werden, und wie jeder höhere Geist mit Gewalt zurückgehalten wird. Ein jedes Wirken nach aussen hat mein Mann mit Freude und Stolz aufgegeben, der ehrenvollen Aufforderung nach Paris zu kommen um den Lohengrin zu dirigiren, hat er entsagt, lediglich um sich hier der ihm so theuren Aufgabe gänzlich zu widmen, wie soll ihm dabei zu Muthe sein wenn er sich als ganz überflüssig betrachten muss? Was soll ich ihm sagen indem ich ihn zur Geduld und Hoffnung ermuntre, da ich mit einer Art von Trostlosigkeit es gewahr werde, dass überall in Deutschland Lohengrin, Tannhäuser, der Holländer auf dem Repertoire stehen, dass überall man sich um die Meistersinger bemüht, und dass hier an der Stätte wo einzig der Freund eine unbeschreibliche hehre Liebe, und ein göttliches Eingehen auf seine schöpferischen Gedanken fand, hier immer alles wie durch böse Dämonen gelähmt ist? Ja theurer Herr, die Armida hat mich unsäglich traurig gemacht, und daran ist gewiss Meister Gluck, nicht Schuld. Verzeihung mein hoher unvergleichlicher Freund, wenn ich einseitig erscheine; Unsre Sache kann ich nicht einen Augenblick aus dem Auge verlieren, dass dem so ist daran ist der theure Hohe Schuld, eine Schuld welche in meiner Seele Sein erhabenstes göttlichstes Verdienst ist! –

Ich habe noch nichts vom Freunde gesagt; seine Gesundheit ist Gott sei Dank befriedigender als wie ich zum letzten Male schrieb. Er wird wahrscheinlich in der nächsten Zeit nach Paris reisen, um die armen Leute dort nicht gänzlich im Stich zu lassen die es so gut und ernst mit der Sache meinen; wie ihm dabei zu Muthe ist kann sich unser Beschirmer denken! Seine Stimmung bleibt unter den Umständen hier eine gedrückte. Eine einzige Freude und Trost hat er an dem Verkehr mit dem Fürsten Hohenlohe der natürlich von jeder politischen Bedeutung frei, ihm die Befriedigung gewährt einem Charakter und einem gebildeten Menschen begegnet zu sein. Vor allem aber beglückt ihn die wahrhaftige Treue und liebevolle Ehrfurcht die der Fürst zu seinem Herrn hegt! Dass der theure Hohe mit Baron Perfall zufrieden ist thut mir in der Seele wohl; ich sagte ihm neulich dass – angenommen dass die Hauptfrage bald erledigt sei – er eher mit der Oper ordentlich in Stand sein würde als mit dem Schauspiel. Wir wussten gar nicht wer die Astarte im Manfred geben sollte, und für Liebhaber-Rollen hat er nur den unglückseligen Rohde, der mich von den besten Stücken fern hält. Bachmann hat mir sehr gefallen; hoffentlich kann er den Walther singen; Vogel ist doch für diese Rolle unmöglich. Ein guter Opernregisseur (Hallwachs) wird uns empfohlen, im Schauspiel thäte es noch mehr Noth, denn die Bearbeitungen des Herrn Jenke sind geradeswegs haarsträubend. Nun Rom ist nicht an einem Tag erbaut worden, und indem ich dem Quell aller unsrer Hoffnungen schreibe, hat sich nach und nach die Seele erheitert! Der Freund sehnt sich nach Tribschen zurück, weil er in der Siegfried Partitur das Vergessen suchen möchte, ich halte ihn auf, und sage ihm das Alles wird, ja bereits ist.

Nichts anderes hätte ich dem gütigen Gnädigen zu melden, alle unsere Segnungen fasse ich in einem Gruss der Treue und des Dankes zusammen, und lege denselben zu den Füssen des König's, indem ich die theure hohe Hand küsse.

Cosima von Bülow-Liszt

29ten Januar 1868 /.

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201

Mein gnädiger, gütiger, theurer Herr!

Es möge es der König vergeben wenn ich unaufgefordert mich an Ihn wende, ich thäte es nicht, handelte es sich nicht um eine Angelegenheit, die, ich weiss es, dem hohen theuren Herrn, an das Herz geht: Sempers Berufung. Rath Düfflipp hatte mir neulich gesagt dass wenn der Fürst Hohenlohe dieselbe in die Hand nähme, sie leicht zu Stande zu bringen wäre, und Semper als Staatsdiener bei weitem nicht die Opposition finden würde als wie Semper als Hofdiener. Ich schrieb dem Freund: da er mit dem Fürsten auf so gutem Fusse stehe, soll er schriftlich die Sache mit ihm anknüpfen, der Freund befürchtete durch einen Schritt in dieser Angelegenheit zu Misverständnissen Veranlassungen zu geben, und bat mich mit dem Fürsten zu sprechen. Da ich den Herrn Staatsminister gar nicht kenne, trug ich Bedenken mich ihm zu nähern, da er am Ende nicht gern mit einer Unbekannten (noch dazu einer Frau) eine Sache von dieser Wichtigkeit würde verhandeln wollen. Ich liess einen Freund und Vertrauten des Fürsten, einen durchaus zuverlässigen Menschen, zu mir kommen und besprach mit ihm, die augenblickliche Lage der Dinge, die jetzige Stellung des Fürsten und seinen Einfluss auf die andren Ministerien, namentlich auf Herrn von Schlör welcher (wenn Semper wie abgemacht Vorstand oder Rektor des Polytechnikums werden soll), das entscheidende Wort zu sagen hat. Er versicherte der Fürst würde mit Wärme für Semper eintreten, bei der schwierigen Stellung die Schlör gerade jetzt der ultramontanen Partei gegenüber hat, würde aber einzig von Gewicht sein, wenn in einer der Ministerconferenzen die Majestät des Königs sich herabliesse direkt und bestimmt Ihre Allerhöchste Ansicht von Semper's Bedeutung Kund zu geben, und dem Minister Schlör allergnädigst zu empfehlen den ersten Architekten Deutschlands zum Vorstand oder Rektor zu wählen.

Ist Semper durch das Ministerium berufen, dann schweigt die Böswilligkeit, und mit der Zeit, wenn der König es für rathsam befindet, würde der Bau begonnen, von welchem gar nicht zu sprechen gewiss das Allerweiseste ist.

Ich musste dies meinem gnädigen Freund mittheilen, denn es schien mir vernünftig gedacht, und Unsere Sache befördernd.

Eines hörte ich noch dass ich nur in gewiss thörigster – Angst mir erlaube niederzuschreiben. Es wurde von dem letzten Sieg der Ultramontanen gesprochen, und gesagt dass der Prinz Ludwig welcher mit seiner Gemahlin binnen Kurzem heimkehren wird, als Partei-Chef zurückkehre, gleichsam als Hort der Feinde des Königs. Da ich dies von vielen vielen Seiten vernahm, kann ich es nicht verschweigen; und sage es hier, indem ich für die kindische Besorgniss von tiefstem Herzen um gnädige Nachsicht bitte.

Dem Schreiben füge ich nur noch bei, dass ich gute Nachrichten vom Freunde habe, und dass hier sich alles zum Besten wendet.

Nur noch die innigsten Segenswünsche dem hohen theuren Herrn, und die Versicherung der ewigen Treue Seiner dankenden Dienerin und Freundin

Cosima von Bülow-Liszt

München den 17ten Februar 1868 /.

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202

Theuerste Freundin!

In diesem Augenblicke erhielt ich Ihren lieben Brief, für den ich herzlich danke. Vollkommen billige ich Ihre Ansicht, Semper betreffend und werde meine Meinung über seine Bedeutung Hohenlohe und Schlör kund geben, denn täglich denke ich an Semper's Berufung, immerwährend schwebt mir Unsre grosse Aufgabe vor Augen, stets bin ich im Geiste mit den treu und innig geliebten Freunden vereint, dies können Sie versichert sein.

Denken Sie nur, geliebte Freundin, mir war von Anfang an die Verbindung des Prinzen Ludwig mit einer Erzherzogin von Oesterreich zuwider, auch mich peinigt die Ahnung, sie werde, ob mit eigenem Verschulden oder nicht, an die Spitze der ultramontanen Parthei gestellt werden, jener elenden Parthei, der kein Mittel zu schlecht ist, um ihre gottverfluchten Zwecke zu erreichen; fest glaube ich, sie werde in die Fussstapfen der verstorbenen Prinzessin Luitpold treten, die meinem Vater stets Sorgen bereitet hat; viel gäbe ich darum, könnte ich jene Verbindung hintertreiben, es wird wahrlich kein Heil daraus erwachsen. – Seit 10 Tagen kann ich das Zimmer nicht verlassen, ich muss mich sehr schonen, denn aus dem Gelenkschmerz am Fusse könnte leicht die Gliederkrankheit entstehen, ein furchtbares Uebel, das meine Mutter stets noch peinigt; doch geht es jetzt Gottlob etwas besser. – Tausend Segensgrüsse aus tiefstem Seelengrunde dem geliebten Freunde, Heil und Segen der theuren Freundin!

Bis zum Tod liebend und treu ohne Wanken

Ihr

treuer Ludwig.

den 17. Febr. 1868.

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203

Mein gnädig gütig theurer Freund!

Tausend Tausend Segensdank! ... Der Himmel wird den Seinigen schützen!

Ewig treu, ewig dankend, ewig dienend, ewig segnend!

Cosima von Bülow-Liszt

Montag /. [2.3.1868]

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204

Theurer gnädiger Freund!

Gelobt und gepriesen die Genesung des Gütigen! Ich war in Sorge und Angst. Wie huldreich hold von meinem Herrn, mir das Zeichen der Besserung gegeben zu haben! Ich schicke es sofort dem Freunde der wohl ist, und in drei bis vier Wochen wohl wieder hier eintreffen wird. Mich traf der Gruss des hohen Freundes, beim Lesen einer kleinen Notiz beschäftigt die ich in mein Modeblatt fand und die mich erfreute. Ich widerstehe nicht dem Gedanken die Kleinigkeit mitzutheilen, es that mir wohl ein edles Wort in einer Zeitung zu finden.

Ich verstehe dass der Freund beinahe die Krankheit preist; jetzt ist die Zeit des Opfers wo der König gleichsam allgegenwärtig sein soll, denn Er ist Halt und Hort für Alles; die wilde Zeit kann nur in der Erscheinung des Königs den Halt bekommen. O fiele die Aufgabe dem gütigen Herrn nicht allzuschwer!

Ewig dankend, treu liebend und dienend entsendet die Freundin die wärmsten Segenswünsche

Cosima von Bülow-Liszt

4ten März 1868 /.

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205

Mein theurer Freund und Herr!

Rath Düfflipp war heute bei mir und besprach die vom König beabsichtigte Grundsteinlegung zum Festbau! So schwer es mir fällt, so unbeschreiblich schmerzlich es mir ist, ich glaube dem hohen Gnädigen sagen zu müssen, dass dieses Jahr, bei der herrschenden Stimmung des Landes, es mir nicht räthlich erscheint an ein solches Unternehmen zu gehen. Es ist wahr, theurer geliebter Herr, nichts könnte Ihrer Regierung einen solch edlen Glanz verleihen als dieser Bau, er wird der schönste und der Bedeutendste sein, den Deutschland – ja Europa wird von diesem Jahrhundert aufzuweisen haben, »er wird ein Pendant zum Kölner Dom«, meinte Kaulbach neulich, ein stolzes Merkmal von dem was die deutsche Kunst vermag, sein. Allein in der Zeit in welcher wir leben, und vielleicht in Bayern ganz besonders, muss der Fürst gleichsam mit seinem Volke ein solches Werk beginnen, es darf ein so grosser Gedanke nicht wie die augenblickliche Laune eines Höchstgestellten aussehen, dies lähmt von Vornherein das Unternehmen, und hintertreibt seine guten Folgen. Noch ist der König, mein Herr und gütigster Freund, misverstanden, ungekannt. Sein Volk weiss von ihm nichts als das was eine Zeitlang elende Diener zu verbreiten für gut befunden hatten; folglich ist kein Glauben an dem was Er unternimmt vorhanden. O entschlösse sich der König eine Zeitlang der Zurückgezogenheit zu entsagen, geruhte Er durch grosse anscheinende Theilnahme an dem öffentlichen Treiben Seinem Volke Sich zu bekunden, dann wäre bald, gar bald der Festbau möglich. Jetzt ist alles dagegen, Aristokratie, Bourgeoisie, Volk; sie sagen sich nicht wie segensreich für die Kunst im Allgemeinen, für Gewerbe und Industrie ein solcher Bau ist, weil sie sich nichts günstiges zu sagen vermögen, und sehen bloss in dieser grossartigen Absicht, eine phantastische Chimäre durch welche ein weit besser anzuwendendes Capital vergeudet wird. Ist der König gekannt (gekannt ist in diesem Fall gleichbedeutend mit geliebt), dann steht alles andres. Die materiellen Bedingungen sind das, die politischen Constellationen deuten auf Frieden, einzig wird noch erfordert die zeitweilige Ueberwindung von Abneigungen, die leider nur zu erklärlich mir erscheinen. Doch mein theuerster freundlichster Herr, es handelt sich hier um etwas Grosses, unvergleichliches. Der Tag wo der König mit der Akklamirenden Liebe Seines Volkes zu dem Festbau den Stein legen würde, würde wohl die Ueberwindung vergelten welche die lästige Erfüllung der äusseren Seiten der königlichen Pflichten gekostet hat. Jetzt, wie es steht, muss ich bitten, und der Freund bittet mit mir, nicht auf die Grundsteinlegung bestehen zu wollen. Noch ist der König zu vereinsamt. Mein höchster Trost ist, dass Er alles in der Hand hat; ich kenne die Umtriebe der Schändlichen welche darauf bauen dass der Herr sich so abschliesst, sich freuen dass Er nach und nach Seinem Volke immer fremder, unkenntlicher wird, ich kenne diese Umtriebe und weiss wie gefahrdrohend sie sind, – viele viele Nächte habe ich in Kummer und Sorge hierüber verbracht – doch ich weiss ebenso sicher dass ein fester Entschluss des Königs dem durch blosses sich zeigen, ein Ende zu machen, genügt um dass Unser Schiff mit vollen Segeln auf dem beruhigten Meere schreiten dürfe. Ich glaube dass der König jetzt nichts Erhabenes, Grosses, unternehmen kann, weil kein Glauben herrscht; gewinnt es mein hoher theurer Freund über Sein edles Selbst, den Menschen Sich zuzuwenden, und trotz ihrer so häufig abstossenden erschreckenden Gemeinheit die Sonne des Königthums voll und warm auf sie scheinen zu lassen, dann, dann o mein theurer Fürst, ist Unsre goldne Zeit da.

Um Semper thut mir diese Entscheidung weh; dürfte ich dem Hohen die Bitte zu Füssen legen, dass der Minister Schlör nicht ein Professorat sondern das Rektorat des Polytechnikum's ihm antrüge; ich wünschte es nicht wenn ich nicht wüsste dass ich hiermit dieser Schule das Beste gönnte. Somit würde auch Semper eine kleine Entschädigung für die schmerzliche Enttäuschung welche ihm die vorläufig unterlassene Bestellung des Baues gewähren wird. Ist er einmal hier, kann er hier als Rektor wirken und eingreifen, beliebt es dem König durch Uebergabe der Bauangelegenheiten des Landes, durch ihn die sämmtlichen Kunstzustände zu heben, hat der König mein theuerster Herr durch gnädigste Herablassung und gütige Theilnehmung sich wie Goethe ausdrückt das Ererbte erworben um es zu besitzen, dann mein Herr, und zwar vielleicht binnen ein paar Monaten, ist Unser Tempel zu erbauen, und werden die Menschen wissen was es heisst.

Jetzt entsagen wir mit gedrücktem Herzen; dem vielen Vollbrachten, fehlt der Freudenstrahl, mein König und Herr, zu Füssen liege ich vor Ihnen, ich weiss wie schwer Sie es haben, ich kenne die Welt, ich kenne Sie, die eine bejammre ich um sie nicht zu verachten, und Sie liebe ich, und doch vermag ich es Sie Hoher, Theurer, um das Opfer zu bitten. Es gilt die Krone in ihrem heiligen Ansehen zu wahren, es gilt die Kunst zu krönen, ich die Freundin die mit Jubel ihr Leben für den König geben würde, bittet um das Opfer!

Dass ich so feurig spreche giebt mir der fürchterliche Gedanke ein dass der König es nicht vermag einen so edlen Willen wie diese Grundsteinlegung zu vollbringen. Jedoch so unmöglich es mir jetzt erscheint, so möglich erachte ich es in der nächsten durch königliches Opfer geheiligte Zeit. Dieser in Liebe und Dank entgegensehend grüsst in unwandelbarer unaussprechlicher Treue die Freundin

Cosima von Bülow-Liszt

7ten März 1868 /.

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206

Theuerste Freundin!

In aller Eile einige Zeilen, es ist schon spät, einen recht genussreichen Abend hat mir Herr v. Bülow bereitet, durch sein wundervolles, unvergleichliches Spiel, auch hat es mich sehr gefreut ihn endlich wieder eingehender zu sprechen. Glückselig bin ich, den Freund hier zu wissen, ich bitte Sie Ihm in aller Liebe einen milden, gelinden Vorwurf zu machen, dass Er vermuthen konnte, Sein letzter Brief würde mich mit »Ueberdruss« erfüllen, wie kann Er nur dies im entferntesten für möglich halten! Beginnt auch Er, der Einzige, Seinen treuen Parcival zu verkennen, wehe wehe! wenn es dahin kommen sollte, dies habe ich nicht verdient. O böse Ferne, »Freundesfeindin«!

Wenn Er meint, ich könnte die Beweise Seiner Liebe mit Ueberdruss aufnehmen, so muss Er ja glauben, ich liebte Ihn nicht; hätte die Freundin Seinen letzten Brief an mich gelesen – Sie würde – – sich wundern!

Doch nichts mehr davon, ich begrüsse Ihn jauchzend und rufe Ihm ein herzliches »Willkommen« zu.

Bis zum Tod

Ihr

getreuer Freund Ludwig.

18. März 1868

Meinen innigsten Dank für die gütige Uebersendung der Blätter der Biographie!

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207

Theuerster Herr, gütiger königlicher Freund!

Es war um Mitternacht als mein Mann mit strahlendem Gesicht, und den duftenden Königsgruss in der Hand in die Stube trat, und wie berauscht mir sagte dieser Tag sei der schönste seines Münchner Lebens, er fühle sich stolz im Dienste dieses Herrn zu stehen. Ich kann wohl sagen dass ich ihn niemals so begeistert freudig hoffnungsvoll gesehen habe, und wie ein Traum aus Jugend Zeit, wie ein Märchen von fernsten Landen, erzählte er mir, und erzählte immer wieder. Es war früh am Morgen als ich noch nicht ausgefragt, er noch nicht auserzählt hatte. Nun duftet meine Stube und ich denke des holden Herrn, der meinem durchaus sonst nicht zu überschwenglicher Schwärmerei geneigten Mann, erschienen ist wie einer jener Fürsten aus den wunderbaren indischen Sagen. Könnte ich doch den blühend duftenden Zeugen des gestrigen Abends Ewigkeit verleihen! – In meiner Seele sollen sie ewig blühen und tausendfachen Dank aus ihnen entkeimen. –

Während dort oben sich dieses ereignete, empfing ich hier den unerwartet ankommenden Freund. Er sieht leidend aus, ich glaube er hat eine schwere Zeit durchlebt, in Sorge und Angst um das Einzige dass ihn bekümmert! Ich hoffe die Wolken vertheilen sich, und die Sonne strahlt wieder auf die hehre Stirne. Ich glaube kaum dass er vor der Aufführung der Meistersinger sich an den Siegfried wird machen können. Es liegt zu viel Beschäftigung hier vor, die ihn vom Schaffen abbringt. Jedoch gleich nach der Generalprobe will er Triebschen wieder aufsuchen und dann die Hauptschöpfung seines Lebens vornehmen.

Nun schneit es wieder draussen, und das Wetter begünstigt die Genesung des theuren Hohen, nicht; doch höre ich dass das Aussehen unseres Herrn jede Besorgniss verscheucht, o dürfte ich bitten, inständigst und ehrerbietigst, die Acht um die eigene heilige Person nicht gänzlich zu verschmähen? – –

Ich habe geahnt wie der Freund schreiben würde, denn er ist in der letzten Zeit den trostlosesten Vorstellungen preisgegeben gewesen, seine ganze Liebe ist ihm zu einer Wehklage geworden, die Sorge um den hehren Freund hat ihn wie gealtert. Er empfiehlt sich in unwandelbarer Treue und Hingebung der Huld seines Herrn, und ich entsende die Strahlen des dankenden Blicks, das Wollen der Liebeerfüllten Seele, den Duft der schönsten Herzensblüthen dem herrlichsten Freund, dem freundlichsten Herrn!

Cosima von Bülow-Liszt

18ten März 1868 /.

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208

Treu geliebte Freundin!

Es drängt mich Ihnen für Ihren letzten Brief, der mich innig gefreut hat, meinen wärmsten Dank zu sagen, auch des Freundes letzter Brief goss tiefen Frieden in meine Seele und erfüllt mich mit jauchzender Begeisterung, mit jubelndem Entzücken; ich lege ihn bei. Einen harten Tag habe ich heute verlebt, ein grässliches Zahnweh hat mich gefoltert, das durch Chloroform etwas gemildert wurde; ich bin des körperlichen Schmerzes seit langem fast entwöhnt gewesen, da ich mich sonst stets so wohl und kräftig fühle. O der Tag, der Tag! gibt's eine Noth gibt's eine Pein, die er nicht weckt mit seinem Schein?! –

Wie freue ich mich auf den Mai! Auf das herrliche Werk das mit seinen Wonnen Uns beseligen wird! O ein erster Schritt ist vorwärts gethan! Wie vieles sind Wir dem erstrebten Ziele näher, o Gott wie furchtbar, wie namenlos traurig war die Zeit, in welcher dieses Werk geboren wurde! Viel ist überstanden, wohl Uns! Begeisterte Grüsse sende ich dem grossen Freunde, Heil und Segen rufe ich Ihnen, geliebte Freundin und Herrn von Bülow zu! Ewig

Ihr

treuer Ludwig.

am 22. März 1868 /.

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209

Mein theurer Herr und Freund!

Innigen Dank für die gütige Mittheilung der Eigenen und des Freundes Stimmung, Gott wahre sie so hoch und hehr! Mir ist längst alles gewöhnliche Empfinden geschwunden und ich schaue nur nach den beiden Höhen ob da die Sonne scheint, oder ob schweres Gewölk sie mir trübt. Jetzt ist ja die Sonne da, wie will ich sie anbeten!

Ich sende mit Dank den Brief des Freundes zurück, und dazu die indischen Sagen von Holtzmann; leider fehlt mir die Sakonntala; das grosse Gedicht Rámàyana ist vollständig nun französisch erschienen, und ich besitze keines von den seltenen neunbändigen Exemplaren.

Hoffentlich sind die argen Zahnschmerzen überwunden; ich befürchte es giebt keinen wirklich geschickten Zahnarzt in München, den sonst ist dieses Leiden eigentlich zu verhüten, durch preventiv Maassregeln. –

Mit einer eigenthümlichen Art von Befriedigung – welche mit der eigentlichen Freude nicht das Mindeste gemein hat – habe ich gelesen dass der König so überaus gnädig und Menschenfreundlich gewesen ist. Gott segne diese Selbstüberwindung und lasse sie fruchten! – Der Freund und unser ganzes Haus mit all seinen guten Genien, Laren und Penaten entsenden Segnungen und holde Grüsse.

Cosima von Bülow-Liszt

24ten März 1868 /.

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210

Treu geliebte Freundin!

Seit langer Zeit empfand ich keine so innige und grosse Freude als gestern, da ich Ihr liebes, sinniges Geschenk erhielt. Die theure Gabe rührt mich tief; meinen wärmsten tiefgefühltesten Dank spreche ich Ihnen aus von Grund des Herzens. O Meistersinger! wie lange muss ich noch auf euch warten. Meine Geduld ist auf das äusserste gespannt. Das war ein heiterer Winter für mich! o Gott! ich muss endlich wieder Musik hören, sonst halte ich es nicht aus.

Am 1. Mai wünsche ich das Conzert im Residenztheater zu hören. Hoffentlich fällt des Freundes Brief gut aus, viel liegt mir an dessen Gelingen, bitte, grüssen Sie Ihn auf's herzlichste von mir.

Nun muss ich schliessen, nochmals tausend Dank für die liebe, liebe Gabe. Bis zum Tod

Ihr

getreuer Freund

Ludwig.

den 20. April 1868 /.

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211

Mein theurer Herr und gnädiger Freund!

Vor der Abfahrt nach Berg erlaube ich mir die letzten 40 Seiten der Biographie dem König zu Füssen zu legen, und zugleich mit dieser Uebergabe den tiefempfundenen Dank für alle Gnade und Güte die uns diesen Winter zu Theil wurden, auszusprechen.

Nächsten Dienstag fahre ich nach Tribschen um Kinder und Schwiegermutter dort zu installiren, in einigen Tagen bin ich wieder zurück. Gern erführ ich ob der hohe Freund befiehlt dass der 22te Mai hier gefeiert werde, damit ich danach meine kleinen Vorkehrungen träfe.

Das letzte Residenzconcert, die heutige Aufführung der h. Elisabeth sind neue Blüthen in dem Kranz des Dankes. Ein schwarzer Punkt ist an Unsrem Himmel – Semper! Ich kann gar nicht mehr daran denken ohne ein schmerzliches Zucken. Vielleicht war es aber gut, so unschön es sich ausnimmt, dass es für jetzt so kam. Ich kann mir nur gar nicht vorstellen dass aus sich allein heraus Semper sich so unklug und ungehörig benommen!

Nun beschütze Gott die Schritte Unsres hohen theuren Herrn! Möge Ihm die Uebersiedelung Freude und Erholung gewähren! – Ich empfing vor einigen Tagen »Erinnerungen an Ludwig Schnorr« vom Freunde; sie erscheinen demnächst in der Brendelschen Zeitung. Darf ich mir wohl erlauben den vom Freund aufgesetzten Catalog seiner Schriften (zu einer Gesammtausgabe) zur hohen Einsicht mitzutheilen?

Dem König meinem Herrn in Dank und Liebe die Hand küssend, dem theuren Freunde die schönsten Tage wünschend, zeichne ich in ewiger Treue

Cosima von Bülow-Liszt

München 10ten Mai 1868

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212

Mein theurer Herr und gnädiger Freund!

Ich bitte den Freund diese Zeilen und ein Blatt dass ich zum 25ten August bestimmt hatte, heute unsrem Beschützer zu Füssen zu legen; mir will es dünken dass ich vor allem am 22ten Mai Sie, theurer hoher Herr, zu feiern hätte, und als ob meine bescheidene Gabe an diesem Tage den Er zum frohen geschaffen hat, huldreicher noch in Empfang genommen werden würde. Es ist Triebschen wo der König, wo Parcival vor zwei Jahren weilte; möge der hehre Freund es manchmal mit Wohlgefallen betrachten –!

Das Schönste aus meiner wie aus der Weltenseele bringt der Freund, Sie theurer Hoher, und Er segne ich und preise ich in allen Zeiten!

Cosima von Bülow-Liszt

München 22ten Mai 1868 /.

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213

Innig geliebte, einzige Freundin!

Diese Zeilen schreibe ich in einer meiner trautesten, am schönsten gelegenen Gebirgshütten zwischen dem Kochel- und Walchensee, heilige Stille umgibt mich, die Wonnesterne leuchten, so ernst und erhaben umlagern mich die Berge, die ein sichrer Hort sind der Freiheit von den beengenden Fesseln des armseligen Erdenlebens; vor mir hängt das photographische Abbild des Ille'schen Bildes »Nürnberg und die Meistersinger«, Dass ich in diesen seligen Tagen springen möchte vor Wonne, Sie begreifen es, Niemand als Sie und der Freund fühlen und verstehen es, wenn ich Ihnen zujuble ich bin glücklich, bin überselig! Nun kömmt er immer näher und näher der Tag des Heiles, der Erfüllung. O was mussten Wir durchleben, was erleiden, welche bittern Erfahrungen machen, bis Wir endlich einlaufen konnten in den sichern Port des Friedens, der ewigen, ungetrübten Freude. Wie wohl erinnere ich mich Ihrer Briefe, die Sie von Triebschen aus vor 2 Jahren an mich sandten und mir Nachricht gaben vom fernen Freund, als Er Unser gegenwärtiges Werk schuf, das war eine Zeit der Kämpfe und Stürme, doch sie konnten nicht bestehen, das Licht, das ewig Wahre, Heilige hat gesiegt und im Staube liegt das finstre Werk unsrer Feinde, die ein Gott bekehren möge! –

Eine unaussprechliche Freude haben Sie mir, theure Freundin, mit dem Bilde meines geliebten Triebschen bereitet, wie liebevoll, wie sinnig von Ihnen gerade am 22. Mai es mir zu senden, Dank, Dank für alle Beweise Ihrer Liebe und Freundschaft, die mir so wohlthuend ist und mich wahrhaft glücklich macht. Der 22. Mai das war wieder ein Festtag für mich und doch mitten im seligen Frohlocken über das traute Beisammensein mit dem Freunde war es mir, als hätte ich Ihnen abzubitten wegen der Stunden, die ich Ihn der geliebten Freundin entzogen habe, hätten Sie dem Theuren nach Starnberg das Geleite gegeben, hätten Wir zu drei in seliger Gemeinschaft das Fest, (für mich das herrlichste, segensreichste des ganzen Jahrs) feiern können. Wie werde ich mich am Freitag mit Euch Ihr Geliebten vereint fühlen, wenn sie mir ertönen die hehren Klänge und mit Wonneschauern die Brust erfüllen.

Recht erquickt hat mich die neuliche Aufführung des »Fliegenden Holländers«, Beck ist was Spiel und Gesang betrifft unübertefflich, doch finde ich z. B. Kindermann's Stimme viel wohlklingender, Frl. Stehle entbehrte wie immer in der Parthie der Senta der so nothwendigen Ruhe, der scenische Theil bei Darstellung des Schlusstheiles war, wie ich fand, sehr mangelhaft. – Nächstes Jahr um diese Zeit: »Rheingold«, o es ist wie ein himmlischer Traum, von Gott gesandt, Heil Uns! Grüssen Sie Herrn v. Bülow vielmals von mir, stets gedenke ich noch mit Freuden der in trautem Gespräche vor einigen Monden mit ihm verlebten Stunden, es waren dies für mich Lichtpunkte in dem sonst traurig u. freudenarm dahin gegangenen letzten Winter. Nun rufe ich Ihnen ein herzliches Lebewohl zu, theure Freundin. Auf Wiedervereinigung in den geweihten Tönen der Meistersinger; dort weht die Luft, der Himmelsäther, den Wir gemeinsam athmen, der stärkende, allbelebende.

Dem Freunde entsende ich die Schwüre der innigsten Liebe u. Treue, die Grüsse der glühendsten Begeisterung. – Selig durch Unsre Liebe in Leiden u. Lust

Ihr treuer Freund

Ludwig.

Herzogenstand den 16. Juni 1868.

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214

Mein theuerster Herr und huldvoller Freund!

Diese Zeilen sollen den Hohen in dem Raum innigst begrüssen und bewillkommen, in welchem die Wunderklänge des Einzigen Uns öfter schon selig vereinten! Ihnen Gnadenreicher, danken wir die Entstehung und ich möchte sagen die Menschwerdung des göttlichen Werkes. Ihnen geliebter Herr, ewigen, unaussprechlichen, unaufhörlichen Dank!

Wohl entsann ich mir der Zeiten wo ich über das Fortschreiten der Meistersinger, dem hohen Freund, Nachricht geben konnte, jetzt wo ich die so gut gekannten Töne erklingen hörte! Der Freund gedachte dieser Zeiten auch und frug mich heute, wem sonst auf der weiten Welt, in welcher sein Name doch so häufig erschallt, wem sonst wir nur einen Laut über dies wunderbare Blühen und Wachsen, hätten vernehmen lassen? Keinem! Und damit sei gegen die Welt der er so hold mit den Meistersingern gleichsam den Abschiedsgruss spendet, nichts gesagt, viel aber für Unseren Bund! Gott segne Sie, mein hoher Herr!

Die Aufführung wird dem gnädigen Freund – selbst blos als Aufführung betrachtet viel Freude bringen. Es ist unglaublich was der Geist hier gewirkt hat. Darsteller die man früher nicht anders als unbedeutend bezeichnen konnte, sind zu wahrer Wärme und Schönheit gediehen. Wir hatten gestern einen glorreichen Tag; am Morgen die zwei ersten Akte, Abends der dritte; sie wurden ohne Unterbrechungen vorgenommen und überwältigten Alles; am Schluss sprach der Freund in seiner Weise – die sich eben nicht wiedergeben lässt – seinen Dank oder vielmehr seine Freude dem Gesammtpersonal aus; bedeutungsvoll hat er den Sinn einer solchen Aufführung erleuchtet und die sämmtlich dabei Betheiligten erhoben und geadelt, indem er erklärte den Künstlern sei es vorbehalten die gesunkene Kunst zu heben. Porges und ich wir entsannen uns der Worte genügend, um dass Ersterer sie aufsetzen und einer Zeitung übergeben könnte, dessen Redakteur seltsamer Weise, die ganze Tragweite der an Umfang kleinen Anrede, wie es scheint, empfunden hat. Es ist eigentlich gar nicht zu ersehen was solch ein Werk für einen Einfluss haben kann; mir ist es als ob mit ihm eigentlich die wahre Schule begänne, und als ob man gar nicht ermessen könne nach welchen Seiten alle, dieser Baum Zweige treiben würde. Der augenblickliche Lohn den der Freund darin fand leblose oder eingeschläferte Wesen zu wecken und zu erheben, ist schon von unermesslichem Werth. Ihnen mein König und Freund bleibt der schöne Beruf dem Augenblick die Dauer zu geben – heil Ihnen Theurer Hoher, dass Sie es wollen!

Die Meistersinger sind ganz und gar ein Triebschner Werk, und so hat sich denn der Triebschner »Richter« darin ausgezeichnet. Ein prachtvoller Mensch den alle lieben, und – was mehr sagen will – fürchten. Sehr kräftig und verständig ist auch dem Freund zur Seite gestanden, der neue Regisseur Hallwachs, der, wie ich meine, eine vortreffliche Aquisition für das Theater wäre. Und überall war guter Wille und Begeisterung – es sind dies die Zeiten wo dem gewöhnlichen bleischweren und stachelichen Leben Halt geboten wird, und man so willig hofft und glaubt!

An das Rheingold – kann dies der hohe Freund sich denken? – ist mir zu denken beinahe unmöglich. Den Ring des Nibelungen kann ich mir nur mit einer unglaublichen Blüthe all der äusseren Umstände und mit dem Festbau träumen – doch wohin verliere ich mich? – Die Meistersinger sind da, Glück auf zum Meistersingen!

Inmitten unsrer Freude erklang ein Klagelaut; von Paris aus wandte sich ein armer Schriftsteller an den Freund; dieser erkundigte sich und erfuhr nur gutes und trauriges! Das Schicksal des armen Roche – des ersten sympathischen Wesen's dass er gleich bei der Ankunft am Bahnhof in Paris traf, und der im bittersten Elend gestorben, kam ihm augenblicklich düster in den Sinn; er will das Seinige thun um ein wenig zu helfen, und lässt durch mich unterthänigst anfragen ob der hohe Beschützer gewillt wäre Seine Gnade auch bis dorthin zu erstrecken, wo einzig der Name Richard Wagner's als Stern der Hoffnung noch leuchtet? Ich erlaube mir die zwei Briefe beizulegen.

Wie dank ich es dem König die Abbildung von Triebschen in Gnade aufgenommen zu haben! Ja der 22. Mai ist Unser Tag! Der einzige Tag an welchen ich juble darüber dass die Welten geschaffen die ihn erzeugten. Wie gütig, mein theurer Freund, dass Sie meiner gedachten und meines Entbehren's, während ich mich doch so wahrhaft freute die Zwei-Einigen vereint zu wissen!

Nichts mehr habe ich zu melden, gnädiger Freund, auch fürchte ich fast dass mein Erguss zu lange wurde für diesen Augenblick der Erwartung. Mein Mann küsst die gnädig dargereichte königliche Hand, und ich entsende in einem Segensgruss, dem Herrn, meine ganze Liebe, dem Freund meinen tiefsten Dank!

Cosima von Bülow-Liszt

Donnerstag 18ten Juni 1868 /.

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215

Mein gnädigster Freund und theuerster Herr,

Dass ich bis heute geschwiegen, hat der Hohe wohl huldreich mitempfunden! Mir geht es wie dem guten Sachs, ich gebe mich den höchsten Empfindungen nur einsam in der tiefsten Seele hin; etwas auszusprechen ist mir unmöglich, mir ist es als ob ein Wort mein Tod, oder viel ärger noch, der Tod meiner Entzückung wäre. Ich glaube dass nur ein glorreiches Schaffen – wie dem Freund es zu eigen – die Sprache solcher Eindrücke ist. Seitdem ich beim Anhören der Meistersinger den Freund bei Ihnen, mein geliebter König und Herr, sah – seitdem fand ich keine Worte Ihnen zu senden. Das Bild des Freundes kam, ein wundervoller Alpenblüthen Gruss kam – ich wusste mir nicht zu helfen; dem guten Rath drückte ich den pflichtschuldigen gleichsam offiziellen Dank aus, und einzig baute meine Seele auf die Seele meines hohen Herrn, um die stumme Sprache zu verstehen die Ihn beständig segnet und preist – Sprache in welcher vielleicht die Sterne einander begrüssen im Sphärenreigen! – Und indem ich Ihnen mein königlicher Freund, dieses ausspreche, bin ich auch beinahe zu Ende – was könnte ich hinzufügen? Wie Ihnen Herrlicher, beschreiben wie mir ward? »Im Traum war ich und thör'ger als ein Kind, machtlos der Macht der Wunder preisgegeben!« Der Himmel gebe mein theurer Herr, dass Sie die hohe Stimmung die Sie Höchster, hervorgezaubert, Sich gleich mir wahren durften, und dass keine Widerwärtigkeiten dieselbe verwischt haben!

Das Bild ist nun der Genius loci meines Raums, mein Penat; das was mich begrüsst und bewillkommt wenn ich heimkehre, und das was mich segnet wenn ich fortziehe, zugleich Schmuck und Pfeiler des Heerdes. Der Freund erzählte mir, wie es einst in Zürich in sein Haus brannte, habe er sich schnell überlegt was er retten soll, und einzig habe er die Siegfriedpartitur genommen, ich wüste – falls Loge sich einen Scherz um unser Haus machte – was ich retten würde, »das Angedenken klar und fest«, der holden Meistersinger-Tagen.

Mir ist als ob wir nebst Unsren Freuden, noch einen grossen Sieg erfochten hätten, von allen Seiten kommen Beglückwünschungen, und Freuden. Heute schickt unter andrem, die Berliner Presse zwei Kritiker, der Eine bucklig, der andre blind, es wäre doch recht zu verwundern wenn sie die neue Welt gerade und klar erblickten – ich fürchte es fällt sehr schief und dunkel aus. – Vom Freund hatte ich nicht so gute Nachrichten als ich gehofft; er hat Fieber und ist schwach. Mir war es lieb dass er sofort nach der ersten Aufführung ging; die Krone des Lebens war erreicht, nun durfte er einzig noch die Bergeskronen schauen, und ich hatte mir gedacht dass der plötzliche Wechsel ihm gut bekommen würde, allein er ist leidend. Hoffentlich hilft das gute Wetter wenn wir dieses bald wiedersehen. –

Ich hörte von einer Parade gestern, wenn der theure Herr, sich nur nicht beim abscheulichen Wetter erkältet hat; ich war förmlich ärgerlich und ungeduldig als ich die Militairmusiken alle hörte, indem ich der Plage gedachte welche dabei für unsren hohen Freund, herauskam.

Die Vorstellung der Meistersinger ist doch wunderbar schön geworden, Betz scheint mir ganz unübertrefflich, und die Mallinger reizend, Nachbauer, wenn auch noch etwas befangen im Spiel, singt wenigstens seine Partie glänzend, und ich wüsste nirgends einen besseren David als Schlosser. Und die Chöre, wie naturwahr und lebendig, vergass man doch durchaus dass man im Theater war, »wie fern es schwebt, doch ist's als ob man's mit erlebt.« Alle Fremden – die Franzosen zumal – waren ganz ausser sich, und behaupteten nichts annähernd so vollendetes gesehen zu haben. Alle Dekorationen, die ganze Scenerie, prachtvoll; und es war eine Freude dieses Zusammenwirken der Kräfte, und diesen Eifer und beseelten Willen zu erleben!

Nun ist die Zeit vorüber aber nicht vorbei; unter höchstem theuersten Schutze wird sie sich erneuen. Preis und Segen Unsrem Herrn, und innigsten Seelengruss der dankenden Freundin, der beglückten Dienerin in ewiger Liebe und Treue!

Cosima von Bülow-Liszt

München 5ten July 1868 /.

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216

Innigst geliebte Freundin!

Sie sind ein Engel. Ihr letzter Brief hat mir dies aufs neue bewiesen, nehmen Sie meinen wärmsten Dank für denselben entgegen und die Versicherung, dass Sie mir mit demselben eine recht grosse und innige Freude bereitet haben. Brauche ich Ihnen zu sagen, dass mich die Meistersinger hingerissen haben, dass ich nach jeder Aufführung entzückter war und die Flammen der Begeisterung für dieses gottvolle Werk mächtiger in mir schlugen? – Zu den schönsten Stunden meines Lebens zähle ich die, an der Seite des theuren Freundes, des unsterblichen, grossen Meisters während der ersten Aufführung Seines herrlichen Werkes verlebten! Unvergesslich werden sie mir ewig bleiben, gleich wie jene Reise nach Triebschen, an die ich immer mit der innigsten Freude denke.

Als treuer Freund fühlte ich mich vor 2 Jahren verpflichtet, Ihnen jenen Brief der Frau v. Schnorr mitzutheilen, worin sie sich erfrecht, die schamlosesten Verleumdungen gegen Sie und den Freund auszustossen, als treuer Freund glaube ich auch jetzt nicht Ihnen verschweigen zu dürfen, dass ich aus ganz zuverlässiger Quelle weiss, dass ein Mann, der bisher immer von Wagner als ein treuer, aufrichtiger Freund angesehen wurde, dieselben nichtswürdigen Verleumdungen gegen Sie und den Freund aufbrachte; dieser Mann ist Röckl. Sie werden begreifen, dass es mir hart ankam, Ihnen dies mitzutheilen, aber ich hätte mir, der es so gut mit Ihnen meint, immer Vorwürfe machen müssen, wenn ich Ihnen dies nicht eröffnet hätte, ich bitte Sie, sich vor diesem Menschen in Acht zu nehmen und auch den Freund vor ihm zu warnen. O diese niederträchtige Verleumdung! Sie können sich denken, wie wehe es dem treuen Parcival thut, wenn er hören muss, dass seine theuersten Freunde beständig das Ziel der Bosheit und Hinterlist sind. O die Menschen! die falschen Freunde, von Röckl hätte der Freund sich dies sicher nicht erwartet. Es liebt die Welt das Strahlende zu schwärzen, und das Erhab'ne in den Staub zu zieh'n, doch fürchte nicht, es gibt noch schöne Herzen, die für das Hohe, Herrliche entglüh'n; sehr wahr hat Schiller hier gesprochen; fürchten Sie nicht die Feinde, ihre Macht erlahmt, ihre Waffen zerschellen an dem festen, unerschütterlichen Glauben des Königs, Ihres Freundes.

Seien Sie mir gegrüsst auf das Herzlichste und versichert, dass meine Liebe zu Ihnen und dem Freund ohne Grenzen ist, keine Verleumdung kann ihr schaden. –

Treu bis in jene Welten und glücklich durch Wotans u. Brünnhildens Liebe ewig

Ihr

aufrichtig liebender Freund

Ludwig.

Hohenschwangau den 12. Juli 1868

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217

Mein gnädiger Herr und theurer Freund!

Es wäre mir unmöglich dieses Jahr zu schliessen und das neue zu beginnen, ohne Ihnen, mein König, den Gruss des Dankes, den Segen der Liebe, zu Füssen zu legen. Gleich geheimnissvoll liegt hinter uns, das vergangene, vor uns, das kommende Jahr – wer wäre so vermessen so baldige Deutung dem Guten wie dem Schlimmen das ihn befallen, zu geben, wer so kühn die Erreichung dieses oder jenes Ziel sich zuzusagen? Ueber dieser Dunkelheit herrscht einzig die Leuchte der Liebe; nach welcher Seite auch die Fackel gewendet wird, das Licht hebt sich empor und steigt gen Himmel – sagt ein indisches Sprichwort. Wie auch die Fackel meines Lebens gerungen, gewunden oder geschwungen wird, hoch und rein wird die Flamme der Liebe zu Ihnen mein freundlicher Herr, schimmern, und erhellte diese Flamme nur noch das eigene Herz! Haben Sie doch ihn geliebt, dem ich mein Leben geweiht, und den Glauben gehegt, der meine Seele verklärt. So gedenke ich denn Ihrer, mein hoher Freund, in Liebe und Dank, in der Fremde wo ich jetzt weile. Nach einem kurzen Aufenthalt in München (Oktober und November), stellte es sich für mich wie für meine Umgebung, heraus, dass ich dort nicht zur Genesung kommen würde; ich glaube nicht zu irren wenn ich die Ursachen der stetig sich mehrenden Schwächung meines ganzen Wesens, in moralische Eindrücke, suche. Seitdem ich nach München vor nun bald zwei Jahren zurückgekehrt bin, habe ich mit dem Uebel nach Kräften gekämpft, immer mehr sich erneuernde böse Eindrücke haben mich aber in solcher physische wie moralische Kraft- und Muthlosigkeit versetzt, dass ich es nicht wagte die Strassen anzusehen, dass ich alle Menschen scheute, und die Kunst selbst, die Theure, mied. Der Gedanke der Böswilligkeit der ich in München preisgegeben ward, die ich nichts persönliches je gewollt, und nur das Unrecht das Werk für welches wir berufen worden, in meinem Herzen wie in meinem Wort hoch zu halten begehrte, dieser Gedanke wich in der mir feindseligen Stadt keiner versöhnlicheren Stimmung, und der Körper erlag endlich auch der Entkräftung der Seele. In diesem Zustand fand mich eine Verwandte, dessen Besuch als Hilfe angesprochen worden war, sie lud mich zu sich ein, und ich verliess München mit den zwei jüngsten Kindern. Nun lebe ich in vollständigster Zurückgezogenheit, und komme langsam zu Kräften. Nach und Nach verschwinden die Schatten die mich so tief gedrückt, und mein erstes Aufathmen weht Ihnen gnadenvoller Herr, Segenswünsche zu. Einzig lebt mir im Herzen das Gedenken jenes Abends wo neben Ihnen der Freund weilte, und über Uns alle schwebend, die geheimnissvolle Freude seines Gesanges, der jede Erdengrösse sich beugt, und dessen heilige Gewalt Uns erhebt zur Geisterwürde. Und sie soll ewig und einzig in unsren Herzen leben, diese Erinnerung! Was wir sonst erfahren sei vergessen; was wir geträumt – – eben ein Traum; denn die Götter wie die Menschen unternehmen vergebens was das Schicksal ihnen versagt, arbeiten noch so viel Liebe, Hoffen, Glaube, ja Macht und Genius, an dem Werk, sagt das Schicksal nein, so müssen all' die Göttlichen sich neigen. So sei denn in Ergebenheit als goldner heiliger Traum tief in der Seele verwahrt, was zur Wirklichkeit nicht taugte, und dieser goldene Traum, mein königlicher Freund, sei das unlösbare Band über welches das Schicksal selbst keine Macht hat, das Uns vereinigt. Vom Freunde haben Sie, theuerster Herr, wohl auch gute Nachrichten; mir ist es eine wahre Wohlthat ihn in der Einsamkeit zu wissen, er taugt nicht für diese Welt, und diese Welt nicht für ihn. Seine »Erinnerung an Rossini« hat mir grosse Freude bereitet, mir ist als ob seine Darstellungsweise stets lapidarischer, schärfer und drastischer, würde. Und wie bedeutend ist es dass er der Einzige war der ein edles hohes Wort über Rossini ausgesprochen hatte. Der Himmel erhalte ihn Uns wohl und froh, die Welt kann zu beidem nicht viel beitragen. Wie ich höre gehen die Meistersinger-Aufführungen den gewohnten trägen deutschen Gang, man eilt mit Weile, doch sollen sie Anfangs des kommenden Jahres sowohl in Karlsruhe als Dresden stattfinden. Berlin und Wien hinken nach, das ist so die Sitte im guten deutschen Reiche. Unterdessen ist Rienzi über die Alpen gezogen, gleich den deutschen Kaisern ruft ihn das Schicksal dorthin. Die Uebersetzung soll schön ausgefallen sein, und jedenfalls thun die Italiener daran Recht wenn sie ihren Wagnerkultus chronologisch systematisch mit Rienzi beginnen. In der Presse sind diesen Herbst eine Reihe von Aufsätze über den Freund erschienen, welche so bedeutend als begeistert sind. Sie sind von einer Dame geschrieben (Mme. Judith Mendès), welche als einzigen Anhalt wie es scheint, nur die französische Uebersetzung der vier Dichtungen, und die Einleitung dazu, gehabt hatte, und welche nichtsdestoweniger einen tiefen schönen Blick in das künstlerische Wesen des Meisters, gethan hat. Nur die Meistersinger – (da ihr keine Uebersetzung vorlag, sie auch keiner Vorstellung derselben beiwohnen konnte), hat sie gröblich misverstanden. Von München höre ich viel Erfreuliches, ich meine damit die Thätigkeit meines Mannes; Schule, Concerte und Theateraufführungen, scheinen zur allgemeinen Befriedigung zu gedeihen. Dies ist für mich eine wahre Genugthuung, und ich will gern dafür gelitten haben. Hoffentlich findet der Beschützer dieses künstlerischen Strebens, einige Freude daran, und sieht Seine Gnade durch freundliches ernstes Wirken, belohnt. Vor allem aber erführe ich gern wie die Stimmung und wie das Befinden des geliebten Herrn, jetzt sind. Lange musste ich jede gütige Mittheilung entbehren, da mein leidender Zustand mich unfähig machte sie zu erbitten, so wie dafür zu danken. Ich hatte mir vorgenommen die der Biographie im Sommer neu entstandenen Blätter, für das Weihnachten des hohen Freundes, abzuschreiben, allein ich vermochte es nicht, da ich die meiste Zeit liegen muss. Sollte wirklich in dieser Freudennacht der hohe Herr mein Gedenken vermisst haben, so möge Er sich sagen dass kein Christbaum so hell gebrannt hat, als der Dank im Herzen der Freundin.

Nun bitte ich nur noch um Nachsicht für diese Zeilen, denn das Schreiben fällt mir schwer, und ist mir eigentlich verboten. Ich wende mich an den Freund mit der Bitte diesen Neujahr's Segenwunsch zu übermitteln, damit derselbe in Gnade aufgenommen werde, von dem huldreichen Freunde. Würde ich im Laufe der Zeit mit einem gnädigen Worte beglückt werden sollen, so bitte ich unterthänigst dasselbe meinem Manne zusenden lassen zu wollen, welcher meine Adresse immer wissen wird. Da ich noch nicht weiss wohin ich zur Kur geschickt werde, weiss ich auch nicht wie lange ich hier verweile.

So leben Sie denn wohl und hoch mein gnädiger Freund, nehmen Sie huldvoll auf, die Wünsche die sich zum Schlusse noch in des Dichter's Wort, wie im verklärenden Gewand, einhüllen, um sich Ihnen zu nahen:

Mit königlichen Gütern segne Dich
Die Göttin! Sie gewähre Sieg und Ruhm
Und Reichthum und das Wohl der Deinigen
Und jedes frommen Wunsches Fülle Dir!
Dass, der Du über Viele sorgend herrschest,
Du auch vor Vielen seltnes Glück geniessest.

Cosima von Bülow-Liszt

27ten December 1868 /.

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218

Der unvollständige Brief lautet:

Innig geliebte Freundin!

Längst hatte ich mir vorgenommen Ihnen zu schreiben, stets ward ich bis jetzt daran verhindert, erst kürzlich wieder durch ein langwieriges Unwohlsein, Es drängt mich, vor Allem der treu geliebten Freundin meinen wärmsten, gerührtesten Dank für Ihren so liebevollen, theuren Brief u. die guten Wünsche zum neuen Jahre auszusprechen. Aus tiefster Seele rufe ich Ihnen Heil u. Segen zu. So Gott will, wird es für Uns ein viel bedeutendes, Glück spendendes werden. »Tristan« das von mir so schmerzlich lang vermißte Werk wird es Uns bringen, u. das ersehnte »Rheingold«, im Spätherbste sogar die Walküre, was Sie noch nicht wissen werden. Meine Freude über die gegründete Aussicht auf ein glückliches Zustandekommen kann ich Ihnen nicht schildern, Sie begreifen, Sie fühlen sie mit diese Glückseligkeit, die mich Himmels Wonnen athmen läßt, ich weiß es. O kommen Sie zur Aufführung dieser Himmels Werke, kommen Sie, bitte bitte versprechen Sie es mir in Ihrem nächsten Briefe, den ich sehr bald erwarte vergessen Sie was Sie hier leiden mußten, mir zu Liebe, vergessen, (ich) vergeben Sie o Sie strafen mich sonst mit, u. dieß verdiene ich nicht, auch werden Sie gar nicht wissen, wie treu u. innig ich an Ihnen hänge, denn nach dem Freunde sind Sie mir das theuerste, verehrungswürdigste Wesen auf Erden.

Entziehen Sie mir Ihre Freundschaft nicht, ich flehe dringend darum, die ersten Theile aus dem »Ring des Nibelungen« werden gegeben u. der Schöpfer dieses Riesenwerkes, der Gott meines Lebens kommt nicht, die Freundin bleibt fern u. weiß nicht wie mich dieß foltert und schmerzt. Tief hat es mich erschüttert als ich hören mußte, daß Sie leiden, zu Gott hoffe ich, daß Sie Sich nun wohler, gestärkter fühlen; bitte, bitte erfreuen Sie mich durch baldiges u. fortgesetztes Schreiben. Sie wissen, wie einsam ich hier u. wie unter Fremden leben, den Umgang mit einer geistlosen Mutter, faden Umgebung auszuhalten habe u. werden freundlichst ermessen wie bitter das ist, Sie werden es einsehen, wie trostreich, u. freudebringend in solcher Lage der Gedanke ist, Freunde zu haben, wenn auch leider in der Ferne, die theilnehmend sich zeigend, mitleidend u. mit sich freuend. Einen ausführlichen, mich tief erquickenden Brief erhielt ich jüngst vom Freunde, Siegfrieds Vollendung erfüllt mich mit namenlosem Jubel, den Sie begreifen, o Sie sind die Einzige von der ich weiß, hierin verstanden zu werden, ach ich bin inmitten von eitlen Tages-Knechten, die ewig nur irre werden können an mir, wie stolz u. freudig stimmt sie mich die Weihe des Todes, die ich empfing; wer des Todes-nacht liebend erschaut, wem sie ihr tiefstes Geheimniß vertraut – – – ein solcher kann nie heimisch werden auf Erden, (soll ich die Jahre zählen, die hier mir bleiben noch!) Nach Vollendung des »Parzifal« (Sieger?) wird das Geschick des Einzigen erfüllt sein dann nimmt es Uns auf das weite Reich der Weltennacht, uns drei selig erlöste, dort wo die Sonne sich uns birgt, dort wo ein Wissen nur Uns eigen; göttlich ew'ges Urvergessen,

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219

26ten März 1869

Treu geliebter König, gütiger Freund!

Charfreitag feiert heute die Welt, und in der stillen Einsamkeit in welcher ich den Erlösungstag begehe, drängen die Erinnerungen sich mächtig heran und winden sich zu einem Gruss! Den erlösten Blüthen Parzival's könnte ich die Gefühle vergleichen die ich Ihnen mein hoher Freund, stumm und feierlich entsende, und wohl niemals habe ich den hehren Tag in so weihevoller Stimmung verlebt. Möchten Sie den Gruss empfangen, und heute mächtiger und beseligender als je, die Vereinigung empfinden, von welcher Sie so schön und liebevoll mir sagen. Mir ist ein Friede geworden wie ich ihn mir nur als abgeschiedener Geist erhofft hatte; alles was ich gelitten erscheint mir wie im Traum, und selig gewahre ich dass ich das Eine auf ewig mir gewann. So danke ich denn der Gottheit und bete sie an, die mich bis hierher durch schweren Weg geleitet, damit ich erkenne wie hoch beglückt ich sei. Mir ist es, mein Freund, als hätte ich das Leben gänzlich überwunden und als könnten die zu erwartenden Schmerzen nur noch wie Streiflichter an meinem Herzen vorübergleiten, nicht aber hineindringen – da herrscht die heilige Nacht!

So grüsse ich Sie, mein Herr und Freund, so fühle ich mich mit Ihnen vereint, so erwidere ich dankend Ihre Güte, so segne ich Sie aus tiefster Seele! Indem ich die Sonne langsam sinken sehe, und die erwartungsvolle Stille der Erlösungsharrenden Natur gewahre, schweben Ihr und des Freundes Bild vor meiner Seele, und fühlt die Verklärte dass sie diese ewig halten wird. – – –

(Mittwoch 7ten April, auf Tribschen)

Beinahe vierzehn Tage sind verstrichen seitdem ich die vorigen Zeilen niederschrieb, und nun befinde ich mich auf Tribschen! Unwohlsein verhinderte mich daran fortzufahren, und ich muss um Vergebung bitten dass ich so spät erst den gütigen herrlichen Brief meines königlichen Freundes beantworte. Ich bin zwar immer matt und schwach, doch hier fühle ich mich wohl, aller körperlichen Noth zum Trotz. Auch bricht der Frühling mächtig lieblich herein, und mit der Mutter Erda wacht nun die Tochter Brünnhilde auf. Leider ist seit einigen Tagen der Freund nicht mehr so wohl und munter als im Anfang. Den Grund hiervon wage ich kaum mit ihm selbst zu erörtern, denn ich kenne ihn nur zu gut. Der trefflich tüchtige Richter kam auf zwei Tage hierher, und die bevorstehende Aufführung des Rheingoldes wurde somit besprochen. Mit diesem ist alles gesagt; der stumme Kummer und der nagende Gram der uns befiel ist nicht zu beschreiben. Doch möchten Sie, mein theurer Herr, mich nicht misverstehen; wenn es auch unmöglich ist dass der Freund ohne Betrübniss sein Werk zerstückelt dahin giebt, und den Traum seines ganzen Leben der Welt aufopfert, wie der griechische Held seine Tochter dahin gab, so erblicken wir doch in Ihnen, Gütiger, die Gottheit die das geopferte Kind mild und gnädig aufnahm und ihm einzigen Schutz und erhebende Rettung sicherte. Hoffentlich erfolgt die Aufführung nach des Freundes Angaben, so dass Sie mein König wirkliche Freude davon haben. Dürfte ich mir aber einen Wunsch in dieser Beziehung gestatten, so wäre es der: dass Tristan und Isolde auf das nächste Jahr zurückgelegt würde, damit die sämmtlichen Kräfte auf die Hauptaufgabe die bei Gott! – schwierig genug ist, sich concentriren könnten. Auch ist wirklich nicht von dem Ehepaar Vogel, so fleissig es auch sei, zu erwarten, dass es den geringsten Anforderungen in Bezug auf dieses Werk, dessen ganze dramatische Last auf die zwei Haupt-Figuren ruht, genüge leistet. Es dürfte dieser Versuch vor allem den Theuren sehr verstimmen, dann das Publikum sehr stutzig machen, und schliesslich das Gesammtpersonal das nicht genüg Muth und Frische für die Lösung der durch das Rheingold gestellten Aufgabe erhalten kann, tief herabstimmen. –

(8ten April). Ich musste mich gestern wieder unterbrechen, und bitte daher den hohen Freund, mir gnädig zu gestatten eine Art Tagebuch zu senden, denn es bleibt mir noch versagt anhaltend schreiben zu dürfen. Ich erlaube mir heute drei Depeschen beizulegen welche den Erfolg des Rienzi in Paris melden, und gestern ankamen. Die dritte, von Pasdeloup, hat die Kürze die einem Sieg-bewussten General geziemt, mich dünkt dass Friedrich der Grosse ungefähr in dieser Weise eine gewonnene Schlacht gemeldet hätte. Scherz bei Seite, der gute Pasdeloup hat viel Noth und Mühe mit vieler Beharrlichkeit ausgestanden, und mit Recht hat ihm gestern der Freund zu dem Erfolg gratulirt. Der 7te April scheint ein Wagner-Tag gewesen zu sein, denn in Berlin wurde – während in Paris Rienzi – Lohengrin und mit »kolossalem Erfolg« wie eine Depesche lautete, gegeben. Gar seltsam berühren mich in dem beschaulichen Leben dass ich führe, die erfreulichen Kunden; wie ein ferner freundlicher Klang vernehme ich sie; gern höre ich ihm zu, möchte aber nicht sehen von wo er kommt, noch wie er sich in der Nähe ausnimmt. – Dr. Hallwachs meldet sich nun auch für heute, in diesem Besuch erkennt der Freund dankend und gerührt, ein neues Zeichen der unvergleichlichen Huld seines Herrn. Mich freut es dass er so bald kommt, damit nach dieser für den Freund doch immer angreifenden Conferenz, er sich ausruhen und alles alles vergessen könne. Dann erst wird er seinem schöpferischen Sinnen wiedergegeben werden können. Unterdessen gehe ich heute meine zwei ältesten Kinder in Zürich zu empfangen und kehre dann Abends zurück, um hier zu weilen so lang es geht, und dem Freunde helfen und beistehen so viel ich kann. – Da Sie so gnädig sind mein Freund und Herr, mich auf zu fordern den Aufführungen beizuwohnen, so glaube ich sagen zu müssen dass ich wahrscheinlich dies nicht werde können. Ich bin noch sehr leidend, und durch meine physische Schwäche so Welt- und Menschen-Scheu geworden dass selbst der Besuch des guten Richter's hier, den ich als einen ausgezeichneten Menschen kenne, und wirklich schätze und liebe, mir zu einer Art von Pein wurde. Ich habe meinen Vater auf seiner jetzigen Reise nicht gesehen, und einzig verkehre ich noch mit der Welt durch und für meine Kinder. Dass ich dabei keinen Groll irgend welcher Art hege, und namentlich auch gegen München keine Bitterkeit empfinde, kann ich Sie, mein gnädiger Freund, versichern. Ich bin der festen Ueberzeugung dass einem Jeden sein Maass Leiden zugemessen ist das er abzutragen hat, und dass dieses Maass durch seine Natur, seine Eigenschaften, die guten wie die bösen, bedingt ist. Wie kindisch und thörig wollte ich München der Prüfungen wegen die ich darin erlitten, hassen, da diese Prüfungen selbst mir theuer und heilig geworden sind, indem sie mich meines Glückes und meines Glaubens so recht bewusst machten, und das was ich wie »ererbt« hatte »erwerben« liessen, damit ich es recht besässe. Will ich meinen Stern an bestimmten Orten binden, muss ich nicht sein freundlichstes Strahlen gerade mit München zusammenhalten? Dort war es dass ich Sie mein hoher Freund, erkannte und liebte, dass ich in der tiefsten Tiefe des Freundes Seele schaute, um nimmer diesen Anblick zu verlieren, wie auch die Stürme kommen mögen; dort zum erstenmal hörte ich sein Sang – denn all überall ward es mir entstellt –, dort endlich habe ich gross und hold gehofft! Und dass ich es Ihnen sage, mein theurer lieber Herr, ich betrachte die Hoffnung als den schönsten Lohn des Glaubens. Sie ist unser Glück, und das verlorene Paradies ist eigentlich das erreichte. Wir sind nicht hienieden um zu geniessen, wir haben zu entbehren, dreifach glücklich derjenige dem es gewährt wird zu hoffen. Aus der Hoffnung erwächst ihm der Muth, und wenn dieser ihm auch nicht die vollkommene Verwirklichung seines Glaubens erkämpft, so erobert es doch dem Guten ein Stückchen Erde mehr, und ihn selbst hat es besser gemacht. Aus dem Muth der Unternehmung entspringt der Muth der Entsagung, und in der Erinnerung wird die goldene Hoffnung zum seligen Traum. »Alle Kronen sind Träume«, sagt der grosse Spanier. So mein theurer Herr, ist meine Stimmung, sie ist nicht traurig, o nein! nur friedlich und still ist sie, und keinem Wesen ausser Ihnen freundlichster Herr, möchte ich sie sagen. – Dabei aber höre ich es gern und freudig dass Sie Unermüdlicher, heiter rüstig bleiben. Der Freund theilte mir mit dass die Regierungsangelegenheiten weniger peinlich und widerwärtig nach und nach werden, und diess war mir eine Labung. Das Gefühl ein höchstes heiligstes Amt zu bekleiden hebt gewiss über alle Widrigkeiten empor; nur bin ich betrübt dass die Umgebung stets so wenig dem theuren Freunde zusagt! Von je hatte mir der Ausdruck von grosser Güte im Antlitz der Königin tiefe Sympathie eingeflösst, denn dieser Ausdruck ist gar selten auf Frauengesichter zu erkennen; nun will es aber die Unzulänglichkeit alles Daseins nicht, dass zu dieser seltensten höchsten Gabe, sie auch die Gaben vereinige die Ihnen mein theurer Herr wohl thäten. Es ist gar betrübend, und ich muss Sie mir denn immer einsam denken; Ihre edlen Thaten müssen denn Ihre Gesellschafter seien, und diese werden treu bleiben, das weiss ich.

Von Semper kann ich nichts melden, da seit dem vorigen Winter wir ausser allem Zusammenhang mit ihm sind. Ich habe nur erfahren dass er glaubt der Freund habe ihn und seinen Bau aufgeopfert, was ich ihm kaum verdenken kann, da die besondere Lage es dem Freunde wie mir gebot, kein Wort der Erklärung zu geben und schweigend sich das Schicksal erfüllen lassen. Früher wäre es mir unendlich schmerzlich gewesen, mit einem Menschen, dem ich wie Semper eine ganz ausnahmsweise und unvergleichliche Bedeutung zuerkenne, auseinanderzukommen, jetzt aber sehe ich über diese Art Trübseligkeiten hinweg, und erlerne die Weisheit dieser Fügung; wie ich jetzt weiss dass es gut war dass der Freund aus Bayern ging, weiss ich auch dass es gut ist dass unser stolzer Gedanke nicht ausgeführt ward. Kommt es mir aber zu – die ich als Frau nichts vermag als glauben und lieben – den Lauf der Dinge in dieser Weise hinzunehmen, so gebührt es Ihnen mein königlicher Herr, so zu denken und zu empfinden wie Sie es thun, und mit Ihrer inneren Kraft und durch Ihre äussere Macht, diesem Lauf Einhalt zu thun. Und seien Sie herrlicher Freund, tausendfach gepriesen dass Sie ungebeugt muthig das Gute wollen, und die göttliche Sendung im reinen Herzen bewusst bleiben! – (9ten April) – Zum dritten Male musste ich die Feder aus der Hand legen, und inzwischen holte ich meine Kinder ab, die ich jetzt am frühen Frühlingsmorgen sich im Garten sonnen und tummeln sehe. Dass Ihr gütiges liebevolles Herz meiner Kinder gedachte, mein hoher Herr, erfüllt mich mit unsäglichem Dank. Wie könnt ich Ihnen nur diesen Dank aussprechen, und überhaupt auf Alles Grosse und Unvergleichliche was der letzte Brief mir brachte, erwidern? Ich kann einzig Ihnen sagen dass ich wohl und zu jeder erhabenen Stunde empfinde, die Vereinigung von der sie Theurer, sprechen, und dass ich die leuchtende Bahn erkenne auf welcher Wir – anscheinend so geschieden – vereint wandeln, der Freund schaffend, Sie Hoher bethätigend – ich erkennend und ergeben. Und so hätten wir das Glück und kennten es und wüssten es wohl zu schätzen; das Glück eines Bundes den Menschen unbekannt, den Menschen unbegreiflich und – – unerreichbar!

Den Freund traf ich gestern Abend bei der Heimkehr noch recht angegriffen, doch war er mit seiner Conferenz mit dem Regisseur, und namentlich auch mit dem Machinisten Herrn Brand sehr zufrieden. Er hat mit Letzterem alles bis in das kleinste Detail besprochen, und ist von dessen Ernst und wirklichem Verständniss der Aufgabe in angenehmster Weise überrascht gewesen. Die Vorschläge die ihm Herr Brand gemacht hat, hat er alle angenommen, und der Freund ist überzeugt dass wenn diesem die ganze Ausführung übertragen wird, dieselbe seinen Wünschen gemäss sein wird. Noch soll ich des Freundes besondren warmen Dank für die Auszeichnung die seinem Verleger Herrn Schott zu Theil wurde, er erkannte darin ein erneutes Zeichen der ihn immer ergreifenden und belebenden Gnade seines Schutzherrn. – Es ist jetzt wundervoll hier, alles treibt und webt und summt, und wenn der Freund ganz wohl ist sind die Tage göttlich. Während er am Morgen arbeitet bin ich bei den Kindern, die Mittagszeit verbringen wir alle vereint, und Abends wenn die Kleinen schlafen, liest er mir vor. Wir haben jetzt Platon begonnen, und befinden uns gar wohl in dieser fremden herrlichen Welt der Schönheit.

Vom Vater hörte ich nur Erfreuliches; er hat sich in Weimar wo das Grossherzogliche Paar ihm eine liebevolle Aufnahme und ein behagliches Heim gütig bereitet hatte, sehr wohl befunden. Jetzt ist er auf der Rückreise begriffe nachdem er in Wien der Aufführung der h. Elisabeth beigewohnt hat. – Ich bin sehr begierig zu erfahren welchen Eindruck die Schumann'schen Werke auf den hohen Freund gemacht haben. Mich dünkt »Paradies und Peri« bei weitem das befriedigenste Werk dieses sehr begabten, wenn auch zu keiner Freiheit gelangten Musikers. Auch scheint es mir sehr richtig dass vom »Faust« bloss der Schluss gemacht wird, welcher schön und wirksam ist, während das Ganze als ein wahres Monstrum von Unbehülflichkeit, Geschmacklosigkeit und musikalischer Schwerfälligkeit mir gilt. – Die Iphigenie nach des Freundes Bearbeitung habe ich leider nie gehört, ich kann mir aber wohl vorstellen welchen Eindruck sie in dieser belebenden Form hervorruft, da ich mich des seltsamen Gemisch von Unbehagen und Rührung entsinne, das ich empfand, als ich in Berlin sie in ihrer ursprünglichen Gestalt kennen lernte.

Es freut mich wirklich und innig dass Porges' Arbeiten sich weiter bewähren; der gute Mensch ist theils durch eigene Schuld, theils durch äussere Schicksale in eine etwas vereinsamte Lage gekommen, und es ist ihm schwer zu helfen. Doch habe ich ihn in schweren Zeiten, als einen wirklich guten und seltenen Menschen kennengelernt, und ich wüsste nur Wenige die eine so wahre und lebendige Kenntniss von des Freundes Gedanken in sich gepflegt haben. – Dagegen hörte ich mit Betrübniss von unaufhörlichen Nöthen und Hindernisse welche meinem Mann durch Intrigen aller Art stets bereitet werden; er tröstet sich in den Gedanken an seinem König, durch und für welchen er einzig die Kraft behält inmitten einer engherzigen unredlichen Umgebung das Gute und Nützliche zu fördern. Es scheint dass ein Jeder der diess will ein grosses Aergerniss für den bequemen Haufen ist, er muss sich eben des Goetheschen Wortes entsinnen welches diejenigen die etwas zu bedeuten haben ermahnt wie Quälgeister zu sein, nimmer abzulassen und den Helden nach zu ahmen welche Homer kühn mit den Schmeissfliegen vergleicht. Das Leben Goethe's ist mir in den letzten Tagen ein Quell von wahrer Erhebung gewesen, es ist leider durch den englischen Schriftsteller Lewes in der jetzt beliebten witzelnden »amüsanten« Weise dargestellt; trotzdem treten die Thatsachen doch strahlend hervor, und ich kenne nichts rührenderes und befriedigenderes als das Beschauen und Begreifen eines solchen Wesen's. Vor allem erkenne ich in diesen Seelen die kindliche Unschuld; diese ist es die sie der schuldigen, einzig durch Convention erträglich gemachten Welt, unbegreiflich macht, und dieses Unbegreifen erzeugt wieder als Wechsel-Wirkung die Steifheit oder Schroffheit in der Erscheinung des grossen Wesen. Sehr ehrwürdig ist mir Karl August der an seinen Freunde eigentlich noch mehr glaubte und in ihm vertraute, als dass er ihn verstand, und wie herrlich nehmen sich die ernsten dichterischen Ermahnungen welche im vollen Bewusstsein ihrer beiderseitigen Grösse, Goethe seinem Freunde gab! Hoffentlich wird das vom König bestellte Standbild Goethe's gut; es ist trotz der Schönheit des Gegenstandes eine schwere Aufgabe. – Dass die neue Büste geglückt ist, ist ja herrlich, denn ich gestehe dass die bisherigen Abbildungen unsres Herrn mir nicht genügt haben. Wie gerne sähe ich auch ein schönes Oelbild, allein die Künstler sind gar wenige die dieses würdig schaffen könnten.

Nun seien wie immer die Götter gepriesen für alles was sie uns bereiten, Gutes und Uebles, das Gute weil wir es geniessen was auch daraus folgt, das Ueble weil wir nicht wissen zu welchem Heil es uns gedeihen kann. Mit diesem etwas heidnisch heiteren Satz der Ergebenheit, scheide ich heute, mein gütiger Herr, nachdem ich mit Charfreitag's Gedanken begonnen. Diess sei Ihnen, theurer Herr, das Zeugniss dass jede Stimmung willig zu Ihnen ihren Flug nimmt, und dass keine Wonne und kein Weh in meiner Seele sich nicht im Einklang mit der Liebe zu Ihnen zu erheben vermöge, welche in der Liebe zum Freund zum Firmament meines Lebens geworden ist!

Cosima von Bülow-Liszt

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220

Mein gnädiger Freund und theurer Herr!

Als ich gestern meinen Brief abschickte worin ich flüchtig der Lage meines Mannes gedachte, hatte ich noch keine eingehenden Nachrichten über dieselbe. Heute lautet sein Bericht so trübgemuth, und fühlt er sich in seiner Thätigkeit durch Feigheit und Tücke dermaassen gehemmt, dass ohne ihm ein Wort zu sagen, ich mich an Sie mein Herr und König, wende. Es wäre schrecklich wenn dieses letzte Band zerrissen würde, und darauf sehen es die Intrigen ab. Durch die Abwesenheit des Freundes fühlten sich die Bösen gestärkt und meinen sie würden wohl bald mit dem Stellvertreter fertig werden. Dass Lachner bloss wieder auf ein Jahr pensionirt wurde, erhält alles in dem ewigen halben Zustand der die Guten entmuthigt und die Schlechten frech macht. Mein Mann schreibt dass um sich recht unabhängig zu zeigen, Baron Perfall stets in allen Fragen den schlechtest gesinnten Mitgliedern des Theater's Recht giebt und nach Willkür ohne jemals, wie es verabredet war, meinen Mann zu fragen, Dinge wie die folgenden anordnet: dem Sänger Vogel der für die Partie des Tristan (an welcher Schnorr sechs Jahre arbeitete) bestimmt worden war, eine ganz neue Rolle zum Einstudiren giebt, die beiden Hauptsängerinnen auf einmal beurlaubte, den guten Richter auf Entdeckungsreisen schickte während der Char und Osterwoche, wo die Kirche die Theater schliesst, endlich niemals den Muth hat die vereinzelnten böswilligen Orchestermitglieder an ihre Pflicht gegen ihren Vorgesetzten zu mahnen und nöthigenfalls fortzuschicken. Nun wären alle Quälereien und Nichtswürdigkeiten ziemlich gleich gültig, wenn nicht jede erspriessliche Wirksamkeit gehemmt und unmöglich gemacht würde. Ich weiss sehr gut dass die Leute alle, Perfall und die andren, so tückisch jetzt sind, weil sie vermeinen dass Bülow ohne Verbindung mit dem König ist. Darum schreibe ich heute und bitte unterthänigst um einen königlichen Befehl an den Intendanten dass er sich mit Herrn von Bülow über alles zu verständigen habe, und die Untergesetzten des Kapellmeisters in der nöthigen Zucht zu erhalten, widrigenfalls sie zu entfernen habe. – Ich bitte darum, und bitte auch nicht; ist mir der Gedanke fürchterlich dass dieser letzte Zusammenhang mit Unsren einstigen Hoffnungen zur Freude aller Elenden auch zerrissen wird, und mein Mann sich auch still und ergeben entfernt, so weiss ich doch dass das Schicksal sich erfüllen muss. Wie es aber steht wollte ich Ihnen sagen mein Herr und König, Ihr Wille, Ihr Wissen, Ihr Können mein hoher Freund, ist das Einzige worauf zu bauen. Möchten die Menschen nur nicht immer in Zweifel gerathen wohin dieses Einzige gerichtet ist – dann wäre auch des vielen Ueblen ein Ende, doch schweige ich jetzt und lege in Liebe und Treue diese letzte Entscheidung unseres Schicksals nach Aussen in Ihren gütigen Händen.

Ewig des theuersten Herrn Dienerin

Cosima von Bülow-Liszt

Tribschen 10ten April 1869 /.

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221

Allergnädigster Herr und König,

gütiger theurer Freund!

Auf den Bericht den mein Mann ihm gab dass er nunmehr alle Tage die Proben von Tristan und Isolde leite, welches Werk Gott weiss wie wirklich am 20ten Juni zur Aufführung kommen würde, an welchen Termin er nun aber auch vollständig über diese Arbeit fertig sein würde, erwiderte gestern der Freund: »als Kapellmeister von Ehre erwarte ich von Dir dass Du eher Deine Entlassung einreichst als ein Werk wie Tristan mit unzulänglichen Kräften der Schmach einer solchen Mutilation preisgiebst. Denn ich kann der Intendanz nichts sagen.«

Ihnen mein allergnädigster Herr, dies zu melden, hielt ich für meine heilige Pflicht, ich thu' es ohne des Freundes Wissen und also mit schwerem Herzen. O möchten Sie in gnadenvoller Erwägung die Meldung ziehen, und die Aufführung des Werkes untersagen, bevor mein Mann sich in die schwere Nöthigung sieht den Schöpfer desselben, sein Recht widerfahren zu lassen und meine traurigste Befürchtung in Erfüllung geht!

Es küsst die königliche Hand

die ewig treue und dankende Dienerin

Cosima von Bülow-Liszt

3ten Juni 1869 /.

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222

Erhabener Herr, einziger Schutz,

Huldvoller gnädiger Freund!

Musste mir in vergangenen prüfungsreichen Jahren, das Schweigen als einzig mir geziemend und zukommend erscheinen, so bricht heute, wie mit Naturgewalt die Sprache hervor, und wie die Hervorquillende kein Hemmniss duldet, und den Dank laut anschwellen lassen will, so finde ich jetzt keine Kraft um sie zu fesseln. Darf ich nun wohl hoffen dass der königliche Herr es gütig begreifen wird wollen, warum ich einstens schwieg und nun spreche? Darf ich auf dieselbe gnädige Anhörung meiner armen Worte – das Einzige das ich darzubringen vermag – bauen? Die gütige Forderung der Bilder ermuthigt mich zu Hoffen und Glauben – hier, erhabener Beschützer, sind die Abbilder Derjenigen die Sie unermüdlich beschirmt, die Sie unwandelbar lieben! Wie könnte ich es aussprechen was Ihre Gnade, gütiger Herr, uns gewesen ist? Denn dabei ermesse ich auch wie schwer es dem Hohen, gemacht wird, diese Gnade auszustrahlen! Seitdem das Bayreuther Unternehmen begonnen wurde, erkenne ich es immer deutlicher wie einsam der Freund wandelt, wie wenige ihn begreifen, wie wenige den Muth haben ihm zu folgen; bei jeder herben Erfahrung, gedachte ich des erhabenen Beschützers, und verstand, wie unsäglich erschwert, das Amt, das Er in heiliger Begeisterung übernahm, Ihm wird, und so tief traurig bin ich von der Erkenntniss geworden, dass mein Dank, so heiss und so voll, nur mit Thränen, nicht mehr mit Freudestrahlen hervorquillt. Möchte aber die Freude die mir, zu klar Sehende, gebricht, in unseres Herrn Herzen über die eigenste neueste That, strahlen, dann wird sie, dann aber auch einzig, als Widerstrahl in Herz und Auge, die Müden, sich wieder entzünden. Es wäre für den Freund wohl ein schöner Stolz gewesen, das Werk, das einzig durch die Huld des König's geschaffen werden konnte, durch den Antheil der Nation, seinem Herrn als huldigender Ausdruck des Dankes vorführen zu dürfen – – ein solcher Stolz ist dem Genius auf Erden nicht gestattet, der Gott der im Busen wohnt, darf nach Aussen nichts bewegen, und so bleibt einzig der Stolz dem Einen, Unvergleichlichen, Alles zu verdanken. Soll ich es unserem gnadenvollen Freund, gestehen? Ich bin verwundert darüber, dass die Theilnahme der Nation es selbst nur so weit gebracht hat, das Haus zu konstruiren! Denn wer bekümmert sich denn unter dem Haufen, der beinahe allabendlich Lohengrin, Tannhäuser, besucht und beklatscht, um deren Schöpfer und seine Ideale? Wer versteht es, dass er mit seinen Erfolgen und seinem Ruhm nicht befriedigt ist? Wer findet darin nicht eigentlich Arroganz oder eine Verirrung? Einer versteht es fast einzig – – Dieser sei gepriesen in alle Zeiten! ... Und doch so wenig ich an das jetzige Verständniss der Meisten zu glauben habe, bin ich doch überzeugt dass wenn die Aufführungen stattgefunden haben, die Wirkung davon eine unermessliche sein wird. Der blosse Eintritt in dem Zuschauerraum stimmt erhaben, und was niemals durch ästhetische Vorträge zu Stande gebracht würde – auch nicht durch sonstige Bildungsmittel – wird das blosse Betreten des Raumes bewirken. Nicht Bildung, wie man es so oft für das Publikum verlangen hört, wohl aber Stimmung wird da erzeugt, und ich weiss, es werden dort auf Augenblicke die Menschen alle höher denken und besser fühlen. Wird diess einst erreicht, erleben wir es dass das Unbeschreibliche Ereigniss wird, dann wird des Dankes Lohn dem Einen lachen, den jetzt manches Weh segnet! – Indem ich von der Vereinsamung des Genius spreche möchte ich doch denen nicht unrecht thun, die in rührendster Weise ihm folgen, doch sind es die Ohnmächtigen; alles was irgend wie eine Macht bedeutet, Adelige – Gelehrten –, Kaufmännische – Welt, alles das ist stumm oder selbst hämisch, zu unserem Mahl, wie zu dem des Evangelium, kommen die Armen und Krüppel, und doch ist es wie das des Gleichnisses, ein königliches, und ist ihm vielleicht auch bestimmt das ewige Mahl zu werden. Möge der König die Geduld nicht verlieren, möge Er der »Mildinger« bleiben – wie in alten Zeiten die Könige hiessen – der Er war und ist! – Ich kann das Grundstück nicht betreten, darauf unser Haus nun steht, ohne des Gütigen zu gedenken; ohne eigentlich Sinn für Besitz begabt, und bevor ich dem Freunde begegnet, eigentlich ohne Heimath und ohne Familienzusammenhang, fühlte ich mich von je losgelöst von Allem was mich umgab, und einzig stumpf-tragend; nun ist mir Alles geworden; was ihn liebt dazu gehöre ich, seine Heimath ist die meinige, und wenn ich auch in Bezug auf das Haus nicht recht den Sinn des Eigenthums empfinde, so begrüsse ich es doch stets mit Dankesfreude als die Stätte darin »Parcival« und so Gott will auch die »Sieger« erblühen werden. Es hat uns Glück gebracht, mein hoher Herr, dass wir den Ludwigstag zu unserer Trauung erkoren; alles ist gediehen, die Kinderchen blühen und wachsen (wie Nürnberg!), die Götterdämmerung – o könnte ich zu wissen geben wie herrlich sie ist! – ist vollendet, und Alles hat sich sanft ausgeglichen, so dass ich wirklich nun sprechen darf. Der Abschied von Tribschen war schmerzlich, es ist wahr, denn es war mir dort als ob Alles gegen die Schutzmauer der Berge abprallte, und als ob ihr Reigen einen Zauberkreis um uns baute, doch wir haben das liebliche Bayreuth sehr lieb gewonnen, von ganzem Herzen sind wir Bayern geworden, und was die Bergeswipfel in Tribschen mir waren, das wird auf dem stillen Grundstück der Gedanke an die königliche Gnade sein. Ebenso eingesponnen werden wir dort leben, und nur als Pflegerin des heiligen Feuers des Genius, und der Unschuld der Kindheit mich betrachtend, bleibt mein Dasein hier wie dort so geschieden von den Zeitwogen, dass ich von der Wirklichkeit von Allem was hiermit in Zusammenhang steht, kein Gefühl mehr habe.

Vergässe ich aber Alles, was war und ist, ein Gedenken würde mir bleiben, das, einer Gnade und eines Genius die mit einer Wift zusammengewoben waren, welche nicht zerrissen werden durfte, in einer Welt die wie aus Stücken, Scheiben, und zerrissenen Fäden einer anderen Weltharmonie, zu bestehen scheint. In diesem Sinnen und Gedenken lege ich dem Könige, dem Beschützer, dem Helfer, dem Freund, unsrer Aller Liebe demüthig zu Füssen, ewig verbleibend

Euerer Majestät

dankbare unterthänige Dienerin

Cosima Wagner
geb. Liszt

Bayreuth 21ten Februar 1874

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223

Allerdurchlauchtigster großmächtigster König!

Allergnädigster König und Herr!

Euere Majestät werden es gnädig vergeben wollen, wenn ich in der Noth des Herzens auf nichts zu bauen weiß als auf die Huld des gnadenreichen Schirmherrn, der seit Jahren das geliebteste Haupt beschützt.

Mir fehlt der Muth, meinem Mann jetzt, inmitten von »Amfortas«-Klage, jene Klage zu Gehör zu bringen, welche gar mißstimmend und niederdrückend die Erste verstummen lassen müßte. Wird es der allergnädigste Herr, übel mir anrechnen wollen, dass ich, muthlos für das eine, dennoch den Muth behielt diese Zeilen, die ich soeben erhielt, Ihm, dem Huldvollen zu Füssen zu legen? Auch dieser Muth hätte mir gefehlt, wenn ich nicht von der Hoffnung beseelt wäre, er würde gnädig beurtheilt werden, ja mit dem tiefdringenden Strahl des königlichen Mit-Leidens, welcher das Leben das Dichters des »Parsifal« durchglüth, gebilligt werden!

Ich bitte Euere königliche Majestät unterthänigst, von den Zeilen, die ich mir erlaube dem allergnädigsten Herrn ehrfurchtsvoll zu unterbreiten, Kenntnis nehmen zu wollen und, wenn diese die allergnädigste Zustimmung von Euerer Majestät zu gewinnen so glücklich sind, den Befehl ertheilen zu wollen, welcher die Deckung des Defizits ermöglicht.

Möchte ich die Ungnade meines allergnädigsten Herrn nicht durch einen Schritt auf mich ziehen, den ich in den ehrerbietigsten dankbarsten Gefühlen wagte, in welchen ich für immer ersterbe als

Euerer Majestät

unterthänigste Dienerin

Cosima Wagner-Liszt

Bayreuth 26ten Januar 1878

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224

Hochverehrte Frau und Freundin!

Es ist meinem Herzen Bedürfniss, Ihnen es hier auszusprechen, wie sehr es mich mit Freude erfüllt hat, dass Sie in jener in Ihrem mir so werthen Briefe erwähnten Angelegenheit Sich an mich persönlich gewandt haben. Sogleich nach Empfang Ihres Schreibens habe ich die von Ihnen gewünschte Weisung an meinen Hofsekretär ergehen lassen, welcher mit Feustel und Perfall sich sofort in's Benehmen setzen wird, damit die Deckung des Deficits in der erwähnten Weise unfehlbar erfolge.

Es war mir sehr lieb aus Ihrem theuren Briefe zu ersehen, dass Sie dem so innig verehrten Meister und Freunde keine Mittheilung über jene pekuniäre Angelegenheit gemacht haben, Ihm dessen Genius Seine höchste Offenbarung zu verkünden im Begriffe ist, diese fatale Alltagssorge hätte Ihn nothwendiger Weise aus der begeisterungsvollen, schaffensfreudigen Stimmung reissen müssen. Ich bitte Sie, hochverehrte Frau und Freundin, versichert zu sein, dass ich stets wahrhaft glücklich bin, wenn sich mir Gelegenheit bietet, Ihnen und Ihm einen Freundes-Dienst zu erweisen. O grüssen Sie Ihn auf das innigste von mir aus den Tiefen der Seele! Der reichste Segen von Oben sei immerdar mit Ihnen und Ihrem Hause! In unwandelbar treuer Anhänglichkeit bleibe ich, hochverehrte Frau, jederzeit

Ihr aufrichtiger Freund Ludwig.

Linderhof den 27. Jan. 1878

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225

Allerdurchlauchtigster König,

Grossmächtigster König und Herr!

Geruhen Euere Majestät, mir gnädig zu gestatten, in ehrfurchtsvoller Dankbarkeit hinzuzufügen:

Huldvollster, Wohlthatspendender, königlicher Freund!

In früheren Tagen ging von den Königen von Frankreich die Sage, dass wer sie erblickte, von jeder Krankheit genas! Als ich nun in unaussprechlicher Rührung die Zeilen las, mit welchen Euere Majestät mich beglückten, gedachte ich dieser Sage und zugleich einer Wirklichkeit von über dreizehn Jahren in welcher jedes Mal dass ich dem königlichen Herrn mich genaht, mir Trost und Heilung der Uebel geworden, welche weit schmerzlicher sind als die Körperlichen. Eine lange Kette von Gnaden entrollte sich vor mir bei diesem Sinnen: erinnerte ich mich mit welchem Zagen und welcher Scheu ich Euere Majestät stets angerufen, und es gleichsam nur von der tiefsten inneren Stimme angetrieben, that, welche mich auf den Einzigen wies, da Alles uns fremd blieb, entsann ich mich der Güte und Gnade mit welcher dieses Zagen, diese Scheu geahnt, der zarten Huld mit welcher sie gebannt; blickte ich auf das Leben welches diese Kette in holden Fesseln umschliesst, von dem ersten Augenblicke an, bis zu dem Schreiben welches mir hehr das Unwandelbare der Gnade in Worten erkennen liess, die weit mehr beglücken noch, als selbst die von irdischem Druck befreiendeste That – so offenbarte sich mir das Göttliche des Schutzes in welchem wir gegeben; ich erschaute seine Kraft und seine Milde, welche auch mir die schwersten Prüfungen wie böse bald verwehte Träume empfinden lehrte; und die Ergriffenheit des Dankes ergoss sich in jene demuthsvoll andächtige Stimmung, die dem Menschen sich erschliesst, der es zu erkennen hat, wie hoch sein Glück über seinem Werthe steht!

»Ein Licht zu erleuchten die Heiden« ... Am Feste des Dankes, an dem Tage wo Lichter gesegnet werden, kam der Strahl von Euerer Majestät Worte zu mir, zu Lichtmess wo auch das Volk, Erde und Himmel nach einem günstigen Zeichen fragt; aber noch zu einem anderen inneren Feste kamen die Theuren, und weihten durch ihren Strahl dessen Licht: die Skizze des ersten Aktes von »Parsifal« ward beendet – ich frug mich wie ich dem angebeteten Schöpfer durch irgend eine kleine Freude das Aufjauchzen meiner Seele bei diesem Errungenen kund geben könne, und fand mich ohnmächtig: da leuchteten die hehren königlichen Worte, der herrlichste Lohn entstrahlte ihnen, wie auch das glücklichste Zeichen für ein künftiges Schaffen! Dem Spender dieser Worte können einzig die Töne einst lohnen, welche ohne Seine erhabene Liebe der Welt nie erklungen hätten; und wenn Er dann die Stimme hören wird, welche, als »Parsifal« von Gurnemanz entlassen ist, nach dem leeren Räume vom »mitleidvoll Wissenden« weissagt, auch die Stimmen vernehmen, welche die Seligkeit im Glauben am Schluss noch ein Mal verkünden, dann wird der Königliche die Weihefeier erleben, der geheimnissvollen tiefsten Gefühlen, die an Ihn den Erhabenen, uns fesseln.

Euere Majestät, werden es mir gnädig vergeben, dass ich es mir gestattete meinen Dankgefühlen also Ausdruck zu geben: die Gnade, mit welcher Euere Majestät, das Schwerste, das Bitten, zu einer unsäglichen Freude umwandelten, nicht durch Gewähren blos, nein vor Allem durch die zart erhabenen Zeichen von huldvoller Theilnahme, diese Gnade wird auch dem Überschwenglichen Danke es nachsehen, dass er sich nicht kurz fasste. In dieser Hoffnung bitte ich Euere Majestät, mir zu gestatten, mich heute zu nennen und immerdar, in den heiligsten Gefühlen von Dank, Liebe, und Ehrfurcht,

Euerer Majestät, unterthänigste Dienerin

Cosima Wagner-Liszt

Bayreuth 3ten Februar 1878

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226

Hochverehrte Frau! Theuere Freundin!

Unmöglich ist es mir, Ihnen den tiefen Schmerz zu schildern, der meine Seele erfüllt über den furchtbaren, unersetzlichen Verlust den Wir erlitten haben. Welch entsetzlicher Schicksalsschlag der Sie und die armen Kinder, uns Alle, die Freunde und zahlreichen Bewunderer des grossen, unvergesslichen Freundes und Meisters, des erhabensten Geistes getroffen hat. Ach, das Er Uns so frühe entrissen wurde, wer hätte es denken können! Seien Sie versichert, theure, hochverehrte Freundin, dass ich den herben Schmerz über den ach so schrecklich frühen Heimgang des geliebten Verklärten mit Ihnen in tiefster Seele mitempfinde, ihn mit Ihnen und den lieben Kindern theile, als unwandelbar treuer Freund. –

O möge der Allmächtige Ihnen Kraft verleihen, die entsetzliche Prüfung zu ertragen und Sie erhalten für Ihre Kinder, die so nöthig der Mutter bedürfen. Der arme Siegfried. Ach wie hatte Sein Vater sich gefreut, ihn heranzubilden, seine Erziehung zu überwachen, um ihm getrost dereinst Sein erhabenes, geistiges Erbe, die Pflege Seiner unsterblichen Werke übertragen zu können.

O sagen Sie ihnen Allen wie ihr Leid mir zu Herzen geht und ich mit ihnen trauere.

Wie tief beklage ich auch Liszt, Ihren grossen Vater, der so felsenfest treu an dem Verklärten gehangen ist; so treu Ihm beistand in Leid und Freud!

Gott sei mit Ihnen! Ihm ist wohl, Er hat ausgelitten!

Wie liebe ich Sie um der starken Liebe willen, die Sie so unerschütterlich treu Ihm, dem Unvergesslichen geweiht und Ihm das Leben dadurch verschönt und zu einem glücklichen gestaltet haben.

In herzlicher Anhänglichkeit immerdar Ihr und der theuren Ihrigen

unwandelbar treuer Freund

Ludwig.

München den 16. Febr. 1883.

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227

Theure, hochverehrte Freundin!

Ihrem mir sehr willkommenen Briefe habe ich mit lebhaftem Interesse entnommen, dass Sie auch während des Sommers 1886 Aufführungen in Bayreuth zu veranstalten beabsichtigen und hiefür »Parsifal« und »Tristan« ausersehen haben. Wie sehr an diesem Vorhaben Ihre pietätvolle Hingabe an das künstlerische Vermächtniss Ihres unsterblichen Gatten, meines grossen, unvergesslichen Freundes, Antheil hat, ist mir wohlbekannt und ich kann daher Ihrem Entschlusse nur meine vollste Billigung geben. – Sind es doch gerade jene beiden Tonwerke, in denen sich zugleich mit dem »Ringe des Nibelungen« das schöpferische Genie Richard Wagners in hervorragendster Weise ausprägt und die sich daher vor Allen dazu eignen, an der durch das Wirken des Meisters vor anderen geweihten Stätte zur Darstellung gebracht zu werden. – Ich zweifle nicht, dass den nächstjährigen Aufführungen, durch die Sorgfalt, mit welcher Sie dieselben vorbereiten, ein schöner Erfolg gesichert ist und dass sie sich den früheren Festspielen würdig anreihen werden. In dieser sicheren Hoffnung willfahre ich gerne Ihrer Bitte um Uebernahme des Protektorates über Ihr edles und schönes Unternehmen. Mit dieser Mittheilung verbinde ich die Versicherung wahrer Verehrung und verbleibe stets, theure Freundin, Sie ersuchend Ihre lieben Kinder recht herzlich von mir zu grüssen, mit unwandelbar treuen Gesinnungen

Ihr aufrichtiger Freund

Ludwig.

Schachen den 21. Sept. 1885.

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228

Allerdurchlauchtigster Grossmächtigster Koenig!

Allergnädigster König und Herr!

Euerer Majestät den Ausdruck meines Dankes in Worten zu Füssen zu legen – dazu fühle ich mich ohnmächtig! Wollen Euere Majestät, es mir huldvoll gestatten, diesen Ausdruck einzig durch das Buch zu finden, welches ich unterthänigst heute darbringe!

Der allergnädigste Herr wird manches Blatt darin wiederfinden, das ich vor nun zwanzig Jahren das Glück hatte – Ihn dreifach dabei segnend! – für den König abzuschreiben! Indem ich sie, – diese Gedanken, – dem treuesten Wahrer derselben, zustelle, weiss ich gut dass ich ihrem eigentlichsten Eigner sie zurückgebe. Denn – wie hätte dieser Strom seinen Lauf bis zur unendlichen Mündung nehmen können, wenn nicht, allem Widerwärtigen zum Trutz, der Schutz sich aufgethan hätte, den als Wunder zu preisen und anzubeten, das Herz, auch im Ersterben, nie aufhören kann?

Meinem schweigendem Danke füge ich einige Worte der Erklärungen bei, indem ich hoffe die huldvolle Ermuthung dazu, welche ich in den so unendlich gütigen königlichen Zeilen finde, nicht irrig aufgefasst zu haben.

Indem ich »Tristan und Isolde« wählte, um nebst »Parsifal«, hier im künftigen Jahre aufgeführt zu werden, wurde ich von dem geheimen Zusammenhange geleitet, welcher die beiden Werke verbindet, und welche in der allerersten Skizze zu dem 3ten Akte von Tristan also lautet:

»Tristan auf dem Krankenlager im Schlossgarten. Zinne zur Seite. Aus dem Schlummer erwachend ruft nach dem Knappen, den er auf der Zinne wähnt, ob er noch nichts sähe. Der ist noch nicht da. Auf seinem Rufe kommt er endlich. Vorwürfe. Entschuldigungen. Ein Pilger sei zu bewirthen gewesen. – Sonst und jetzt. Tristan's Ungeduld. Der Knappe sehe noch nichts. Tristan's Bedenken. Zweifel. Gesang aus der Tiefe sich entfernend. Was es sei? Knappe erzählt vom Pilger – Parzival. Tiefer Eindruck. Liebe als Qual.

Meine Mutter starb, als sie mich gebar, nun ich lebe sterbe ich daran geboren worden zu sein. Warum das? – Refrain Parzival's – vom Hirten wiederholt – die ganze Welt nichts wie ungestilltes Sehnen.' wie soll es denn je sich stillen – Parzival's Refrain.«

Parsifal ist also die Antwort auf die furchtbare Frage des Tristan, welche der Liebestod – versöhnend – einzig für die Liebenden, nicht aber für die Welt, zu seligem Schweigen bringt. Diess war der innere Grund zu der Wahl welche sich nun der allerhöchsten Zustimmung erfreuen darf. Ein äusserlicher Grund bestand darin, dass der scenische Aufwand ein verhältnissmässig geringer ist. Die Dekorationen werden im Wesentlichen denen des Hoftheater's Euerer Majestät, ähneln; nur im dritten Akte erlaube ich mir das Burgthor etwas vorrücken zu lassen, damit der Kampf an Deutlichkeit gewinne.

Darf ich nun, das Zweite, mein Leben Ausfüllende, welches Euere Majestät, huldreich erwähnen, berühren? Darf ich mich durch die königliche Gnade ermächtigt betrachten, und dadurch aufgefordert fühlen, von meinen – darob die allerhöchsten Grüsse beglückten – Kindern zu sprechen? .. Sollte ich hierin auch irren, so bittet mein, nur im Fühlen nicht schwankendes, in jeder Aeusserung aber unbeschreiblich zagendes, banges Wesen, um Vergebung!

Nach schwerer, lebensgefährlicher Krankheit hat sich Siegfried – Dank Gott – so weit erholt, dass er das Gymnasium wieder besuchen kann. Nicht leichten Herzen's liess ich ihn die Schule überhaupt betreten, in welcher so wenig Lebendiges angetroffen wird, und in welcher der Sinn für das Grosse eher – will mich dünken – abgestumpft als gekräftigt wird. Doch war mir der Umgang mit gleichaltrigen Knaben von Wichtigkeit, und für seine Jugend suchte ich eine Gegengewicht zu dem Ernste Wahnfried's. Auch behagt er sich wohl dabei, und lernt willig, muss aber freilich für's erste seiner Hauptneigung (zur Architektur), welche sich durch sehr sorgfältig und fleissig ausgeführte Zeichnungen von eigens ausgedachten Plänen zu Kirchen und Kapellen auffallend kund giebt, entsagen. Ich befrage mich wohl immer und immer was das Bessere sei, das Gymnasium ihn ganz absolviren zu lassen, oder, zur Ausbildung seiner besonderen Anlage ihn in einem Jahre in ein Polytechnikum zu geben. Gott wird mich nicht verlassen! Dieses ist hier meine einzige Leuchte auf dem Pfade. – In Isolden's und Eva's Loos hat keine Veränderung stattgefunden, sie bleiben bei mir, und stehen mir durch ihre Liebe und ihr reines lauteres Wesen in Allem bei. Mein ältestes Kind dagegen, hatte manche Prüfung zu überstehen. Ihre Verlobung des vorigen Jahres, war mir selbst als ein Zeichen des Himmels erschienen, dass sie unserer Bayreuther Sache zu dienen berufen sei. Ich schätzte sie darum glücklich, und glaubte eine Kraft gefunden zu haben, welcher ich vertrauensvoll die Leitung der Spiele übergeben könne, bis Siegfried dieselbe antrete; alles erwies sich anders, und nach trüben Erfahrungen, glaubte ich mein Kind – so jung noch und lebenskräftig – der Ergebung und Resignation geweiht. Auch dieses kam anders, und nun ist sie einem Manne versprochen, welcher alle Eigenschaften des Herzens und des Geistes mir zu haben dünkt, welche einer Frau es ermöglichen mit freiem und freundlichem Sinne die Ehe heilig zu halten, und edel durchzuführen. Dr. Heinrich Thode giebt – als Kunstgelehrter, ein Buch jetzt heraus – Franz von Assisi – von welchem es mich innig rühren und wundern musste, dass sein Hauptgedanke ein völliger Beitrag zu unserer Weltanschauung bildet. Inmitten des tiefsten Respektes vor Allem was heute mit dem Worte »historischen« bezeichnet wird, unterstützt mit allem Gelehrten-Apparat, erhebt sich folgender mit Historie und Wissenschaft gar Weniges gemeinsam habender Gedanke: »Die Renaissance-Kunst verdankt sich nicht den Ausgrabungen, noch dem Einflüsse der Antike, sondern dem Eindrucke von einem grossen – heiligen – Wesen, in welchem das Leben, Leiden und Sterben unseres Heilandes, lebte, litt und starb.« – Dem Manne, der aus sich heraus also blicken und empfinden konnte, habe ich gern das Haus geöffnet das kein »Fremder« betreten möchte, und mein Kind anvertraut! .. Eine Kunstzeitschrift giebt er heraus, welche zum Zweck hat, weniger bekannte Bilder der alten Meister zu verbreiten, und auch Material zur Begründung einer neuen Kunstgeschichte zu beschaffen. Euere Majestät wollen es mir nicht als Misbrauch der allerhöchsten Güte deuten, wenn ich – auf Gestattung der unterthänigsten Uebersendung harrend – die Blätter des »Kunstfreundes«, und die bescheidenen Abbildungen meiner guten Kinder, bei dem Sekretär des König's deponire, um Gnade bittend für Alles, für Schweigen und für Worte, für Thun und für lassen. Unter Letzterem begreife ich auch die Angelegenheit des »Lohengrin« in Paris, von welcher es mir wohl dünken möchte, als ob ich Euerer Majestät, Rechenschaft über sie schuldig wäre, welche aber so wenig meinem Herzen entspricht, und so vieles des Krum gerade sein Lassens, an sich haben wird, dass ich sie nicht für würdig erachten kann, Euerer Majestät, vorgelegt zu werden, wenn sie mich auch sehr sorgen muss, und hauptsächlich wenn sie das Werk betrifft, welches selbst ein Wunder, das Wunder bewirkte das in ewiger Dankbarkeit in mir fortlebt!

Allergnädigster Herr! Hiermit bin ich zum Schlusse angelangt, diess ist mir Anfang und Ende, und so erlaube ich mir nur noch beizufügen dass ich dem Buche welches ich mit tiefster Demuth Euerer Majestät zu Füssen lege, eine Arbeit des Baron Wolzogen' darüber, der Sendung an den Kabinetssekretär des König's zugeselle. Ich ersuchte genannten Herrn darum, und gab ihm die nöthigen Data dazu.

Mit der Inbrunst mit welcher ich von Gott die Ertödtung jeder Eigensucht in mir erflehe, damit der Geist dem ich zu dienen habe, allmächtig in mir walte und das bewirke wofür ich wohl noch hier gebannt bin; mit der Inbrunst mit welcher ich das zeitliche Wohl mit dem ewigen Heil für meine armen Kinder zu wahren trachte, erbitte ich Gottes Segen, auf das geweihte Haupt des Königs, und in dieser Andacht, entsende ich den Alles umfassenden Gruss von

Euerer Majestät

in Dankbarkeit ersterbenden, unterthänigsten Dienerin C Wagner

Wahnfried 27ten September 1885


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