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1866

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21

Theurer König!

Hoher Herr! Gnadenvoller Gebieter! Hehrer Fürst!

Um die zwölfte Stunde schaute ich durch das Fenster in die Weite, hörte die Glocken schwer den Beginn des Jahres melden, und theilte einen stillen Wunsch zwischen dem Freund in der Fremde, und dem Könige im fernen Schloss! Im Freunde liebe ich alles alles was seit dem Anfange der Zeiten verfolgt worden ist, in Euerer Majestät erhabenen Wesen verehre ich das Königthum, dieser idealste Gedanke der Menschheit, diese Offenbarung Gottes. Die spanische Vorstellung des Königthums, den Meisten jetzt so fremd und selbst abstossend, sie blüht in mir und wurzelt tief; bei den Spaniern musste ihr schöner Glaube, ihr unbedingter Gehorsam meist blind sein, in mir sind sie Hellsicht! Ich weiss es, theurer, gnädiger Herr, berufen und geweiht sind Sie, wie keiner; Euere Majestät verzeihen mir wohl dieses so auszusprechen? In Betracht der Prüfung die Wir (Euere Majestät gestatten mir dieses nachzusprechen) ertragen, der schwierigen gar ernsten Zeit, der Maaslosigkeit der Parteienwelt, und des frechen offenen Spiel der Interessen, ist es mir eine Nothwendigkeit diese Gefühle Euerer Majestät, auszudrücken, und sie mir damit so recht klar und bestimmt von der Seele aus, vor dem Verstande zu führen. Ja hehrer, huldreicher Herr, alles alles sind Sie.

In dem wirren Treiben, in dem wüsten und heuchlerischen Kampfe sind Euere Majestät die einzige Hoffnung, die einzige Stütze, nicht nur für uns, sondern für Alles Gute im ganzen Lande, ich habe fast gesagt im ganzen Deutschland. Ich empfinde dieses so sicher und fest, dass ich Euerer Majestät, gar nicht zu sagen vermag, wie ich auf jeden Schritt Euerer Majestät den Segen Gottes herabflehen möchte, und wie ich nur eins wünsche dass Euere Majestät in dem Wissen dass Euere Majestät, eine heilige Hoffnung für jeden betrübten Guten sind, einigen Trost in den schweren Stunden finden möchten.

Als ich meinen Brief an Euerer Majestät abgesandt hatte kam eine Depesche vom Freunde, welche mich beruhigte. Gestern erhielt ich die telegraphische Nachricht dass er nach Paris abgereist wäre »Zustand erträglich« stand darin. Endlich heute kam ein kurzer Brief, der mir meldet dass er mir nur wenig und selten jetzt schreiben wird, » da er in sorgenvoller Entschliessung für die Gestaltung seiner letzten Lebenslage begriffen sei«. Er scheint seine Reise nach Paris sehr plötzlich beschlossen zu haben, da er in diesem Brief (vom 30ten datirt) gar nichts erwähnt. Es ist mir nicht unlieb ihn aus Genf zu wissen, wo es jetzt so kalt sein soll, doch grade Paris hat mich erschrocken; ich liebe die Stadt nicht, trotzdem ich dort erzogen bin; es ist so geräuschvoll, so bunt, so hässlich glänzend. Doch muss er wohl irgend eine Veranlassung gehabt haben um so rasch dorthin sich zu begeben. Ach! ich weiss wohl, Allergnädigster Herr, dass wir jetzt ihn hier nicht wiedersehen können, in dieser tollen Wuth, in diesem unsinnigen hin und her Schreien. Auch können Sich Euere Majestät meinen Schreck gar nicht vorstellen als ich heute früh in den N Nachrichten die Einladung des Dr. Wittstein an alle Freunde und Verehrer Richard Wagner's fand, um den Componisten bei seiner Rückkehr nach München einen würdigen Empfang zu bereiten! Gott diese Zeitungen! Ich muss nun auch auf das Blatt zurückkommen welches Euere Majestät, allergnädigst von mir verlangten. Dass ich den Aufsatz in den N N nicht geschrieben, brauche ich Euerer Majestät, wohl nicht zu versichern; was das Einholen des Geschenkes Euerer Majestät an den Freunde betrifft, ist der Sachverhalt folgender: Mein Mann war abwesend, der Freund war unwohl als ihm gemeldet wurde dass ihm das Königliche Geschenk nicht zugeschickt werden konnte, er hatte Niemanden hier dem er sich vertrauen konnte. In dem Gedanken dass die Sache eine leichte werden würde, und dass ich nur mit ein paar Banknoten mich zu beladen hätte, bat ich den Freund mir zu erlauben diese Sache abzumachen, wie ich ja wohl auch öfters zu meinem Banquier gegangen sei. In meiner grossen Naivität ging ich mit meiner ältesten Tochter ruhig zur K. Casse. Unaussprechlich war mein Erstaunen als mir dort angekündigt wurde, ich würde kein Papier-Geld bekommen, und nur baares hartes Geld! Ich wusste nicht was thun – doch lag mir daran den Freund nicht in dem unfreundlichen Lokal eintreten zu lassen, auch sollte er den anderen Tag nach Wien reisen, ich überwand die Noth, überlegend dass kein Fremder hereingetreten war, verliess mich auf die Discretion und ein gewisses Ehrgefühl welches niemals erlaubt eine Frau in die Oeffentlichkeit zu ziehen, und fuhr die Summe in zwei Wagen zu dem Freunde hin. Ihm graute förmlich vor der Sache, er dankte und tadelte mich fast, dann bewunderte er meinen Muth und sagte es läge wie eine Last auf ihm dass meine Freundschaft für ihn, mich in einer solchen Lage gebracht hätte. Ich lächelte und sagte »es sei ja nun vorbei«. Als mein Mann zurückkam erzählte ich ihm mein erstes Abenteuer, er lächelte sagte mir ein andermal besonnener zu sein. Keiner von uns hat geahnt dass ein für die Leute so gleichgiltige Episode verrathen werden würde, jetzt hat es mich nicht gewundert, und ich musste nur froh sein dass das für die nicht Eingeweihten so unverständliche Factum nicht absonderlich commentirt wurde. Euerer Majestät musste ich und konnte ich den Hergang mittheilen.

Ich habe Herrn Lutz gebeten zu mir zu kommen; ich will ihn noch über einiges befragen bevor ich an Frau von Schnorr schreibe. Sobald der Herr Minister meinen Mann zu sich rufen wird, versteht es sich von selbst dass dieser zu Verfügung steht. Trotz allen möglichen Tamino's und Mimes, trotz Feigen und Schlechten hege ich doch Hoffnung zu diesem reorganisirten Conservatorium. Euere Majestät haben wohl durch Herrn Lutz erfahren, dass zu jeder Zeit Herr von Bülow alles aufgeben wird, Euerer Majestät dienen zu dürfen, und dass dies ihm nie ein Opfer sein wird, seine Thätigkeit ist hier, alles übrige nur nebensächliches, denn die Wünsche Euerer Majestät sind ja die heiligsten Interessen unsrer Kunst. Ist gerade die Zeit der Rückkehr, Euerer Majestät, genehm, dann vereinigt sich das Wichtige mit dem Unwichtigen in glücklichster Weise.

Euere Majestät darf ich nun nicht länger belästigen. Mit dem inniggerührten Danke des Mutterherzens erlaube ich mir Euerer Majestät, zu sagen dass es meinem Kinde besser geht. In diesem Augenblicke fällt mir das Liebesmahl der Apostel ein. Hörten Euere Majestät von dem begeisterten Erfolg welches dieses Werk vom Freund hier in München kürzlich hatte? Leider hatte ich nichts von dessen Aufführung erfahren, doch hat mich die Begeisterung gefreut.

Noch einmal gestatten mir Euere Majestät Segen und Wünsche Euerer Majestät zu Füssen zu legen, und mich ewig zu nennen

Euerer Majestät

treu gehorsamste Dienerin

Cosima von Bülow-Liszt

1ten Januar 1866

*

22

Theure, hochverehrte Frau!

Vor Allem spreche ich Ihnen meinen herzlichsten Dank aus für den lieben, theuren Brief. – »Der Freund in Paris« mit Verwunderung, Erstaunen vernahm ich diese Kunde. – Wird Er die neuen Instrumente dort bestellen wollen, deren Er in Seiner neuesten Schöpfung bedarf!? – O erhielte ich bald einen Brief von Ihm, schon lange schrieb Er mir nicht. – Ich beschwöre Sie, theilen Sie mir mit, ob der Theure etwas bedarf, worin ich Ihm helfen kann! – Nie, nie darf Er Mangel leiden, eher will ich sterben. – Immer düstrer, unheilschwangerer ziehen sich die Wolken hier zusammen, ach könnte der Einzige bald wiederkehren, die Zukunft scheint finster drohend, die Hoffnung auf Rückkehr beginnt zu schwinden. –

Lange halte ich es nicht aus, von Ihm getrennt zu leben, dieß sage ich Ihnen, ich leide fürchterlich! – Könnte ich Ihm die Last des Daseins in ungastlicher Ferne ertragen helfen, Ihm dem Inbegriff der Wonne, in irgend etwas nützen durch meine Gegenwart bei Ihm, mit Freuden verlasse ich jetzt Land u. Leute u. folge Ihm! – Denn die Stimme in meinem Innern ruft laut u. mächtig: »Deine erste u. heiligste Pflicht ist, Ihn für den du geboren, auf ewig erkoren bist, zu lieben, Ihm zu helfen wie du kannst, Ihm zugethan zu sein in unverbrüchlicher Treue!« – Dieß ist keine vorübergehende, jugendliche Schwärmerei, dieß ist das innere Gebot, nach welchem meine Seele handeln will u. muß; ja, so ist es, bei Gott! bei dem fürchterlich Wahren! – O theure Freundin ich leide, leide unsäglich viel. – Allein fühle ich mich nun, allein auf dem Königsthrone, umstrahlt von fürstlichem Glanze, dessen Feuer nicht wärmt, unbegriffen von meinen Unterthanen, gänzlich verkannt in meiner glühenden Begeisterung u. Freundestreue zu Ihm! Ihm! – Ich brachte es über mich Ihn zu entfernen, ich mußte, der Tag er wollte es, ja ich konnte nicht anders; doch nun da ich in einigen Monden mich sehne, Ihn wieder bei mir zu sehen, nun soll es unmöglich gemacht werden, das ertrag' ich nicht, zu Ihm will ich, wenn ich Ihm im fernen Lande etwas sein kann (o ich bitte theilen Sie mir es mit) ja zu Ihm, oder – sterben! – Ja – sterben. – O schaudern Sie nicht vor dem Gedanken daran zurück, thun Sie dieß nicht. – Mit Ihm u. bei Ihm leben – doch ohne Ihn ist des Lebens Werth u. Inhalt für mich verschwunden – dann hinüber, hinüber. –

O Sie können meinen Schmerz ermessen, er ist nicht zu schildern. – O tiefstes Weh! – Wenn die Wurzel der Eiche erkrankt, wenn ihre Säfte vertrocknen, wie kann sie freudig u. stolz sich erheben im frisch-ergrünenden Blätterschmucke? – O ich habe gehofft, gehofft, den Schmerz habe ich dadurch bezwingen können, doch nun erglänzt das Feindesgestirn, es reißt mich gewaltsam vom Freunde, schleudert mich qualvoller Zukunft entgegen, nimmt mir mein Hoffen, mein Leben, mein Alles! – Soll ich da nicht vergehen müssen vor Jammer!? – Nochmals ersuche ich Sie, hochverehrte Frau, freundlichst u. dringend fragen Sie Ihn worin ich Ihm nützlich sein kann, ob ich Ihm das Dasein erleichtere, wenn ich bei Ihm bin, denn ich weiß, o allgütiger Gott ich weiß Er liebt mich auch, u. kann ich Ihm nichts sein, dann weiß ich was zu thun, dann fort von den Menschen, in deren Mitte ich länger nicht verweilen kann, dann Welt »leb wohl auf immer!«

Wie mir jetzt zu Muthe, war mir noch nie! – O es ist so wohlthuend eine Seele zu wissen, der man das Herz ausschütten kann, eine unter Millionen. – Ich sehne mich nach einem Briefe von Ihnen. – Gott schütze und segne den Freund und Sie, Heil u. Segen Ihnen Beiden! – O die Menschen, die Menschen, rasch u. unbesonnen im Urtheil u. nichts, nichts begreifend. – Dieß ist ein trauriger Brief, in trüber Stimmung, wie ich noch keinen schrieb; u. doch zögere ich nicht, ihn abzusenden, eine unsichtbare Macht treibt mich dazu. – Herzliche Grüße von

Ihrem

sehr geneigten

Ludwig, dessen Seele betrübt ist bis

zum Tode! –

am 2. Jan. 1866

*

23

Mein theurer, mein angebeteter Herr!

König! Beschützer! Schirm!

Engel der Hoffnung!

Schluchzend beantworte ich den theuren himmlischen Brief, den ich als Heiligthum bewahre und der mir sagt von der schönsten Seele die jemals erblühte! Ich hatte erfahren dass unser theurer Herr betrübt sei; furchtbar bekümmerte es mich, ich wollte schreiben, ich wollte Trost, Muth, Hoffnung in liebevoller Demuth zurufen, nun kommen die theuren herzzerreissenden Zeilen – wie soll ich danken wie könnt ich es je, preisen will ich meinen Herrn und König, preisen und – – trösten! Ja Theurer, gnaden voller göttlicher Herr, ich darf Sie trösten! Die Zeit jetzt ist schwer, trüb, fast aussichtslos, doch ist es nur ein Schein; nicht unverstanden sind Euere Majestät, von den Unterthanen, nein das Volk liebt seinen erhabenen König und baut auf ihn in Freud und Leid. Es hat im grossen ganzen die wunderbare Liebe unseres Herrn zu dem Freunde verstanden und bewundert. Furchtbar sind die Schwierigkeiten die fast bei jedem Schritt anwachsen, die wahrste reinste Liebe giebt mir den Blick sie zu ermessen, doch weiss ich – ich weiss es sicher – dass der königliche Held berufen ist sie zu überwinden, wie vieles ist schon gethan, wie kurz die Zeit! Nur eines nicht theurer hehrer königlicher Freund, nur nicht diese Trauer. Strahlt das Antlitz unseres Herrn inmitten der Qualen und Sorgen, wie sind wir da alle alle geborgen, doch ist die tiefe erhabene Seele betrübt, was soll aus uns, was aus dem Volke werden? Dies ist das Einzige unerträgliche – alles übrige mein Herr und König, ist Leiden des Tages, Prüfungen die uns stählen, dieser Kummer aber entseelt uns die wir Sie lieben, lieben bis zum Tod! Könnt ich Euerer Majestät sagen wie ich sie empfunden habe diese Oede im fürstlichen Glanze, wie ich mit Schauder mir das riesige Schloss vorgestellt habe mit seiner Pracht, und Euere Majestät allein darin, ich hatte nur den einen Gedanken zu dem Hehren Geprüften zu laufen – ich that es nicht, habe aber Tag und Nacht den Gott angerufen der keine Thräne verschmäht! O mein Herr! alles sind Sie uns – alles dem Freunde, dem Sie Retter waren. Der freudige Stolz auf Ihre erhabene That verlasse Euere Majestät niemals – sie ist der erste Ring einer wunderbaren Kette gewesen – was jetzt hier sich ansammelt ist nichts, nichts, nichts. Es kann den Freund noch einige Zeit fern halten, um so schöner und ruhiger wird später seine Rückkehr sein. Gott! ob der Freund glücklich wäre wenn der Hehre zu ihm käme! Theurer einziger Schirm! Sie sind ja die Seele unsres Bundes gewesen. Vielleicht lässt es sich gegen Frühjahr machen dass Euere Majestät ihn wenn auch nicht hier im Lande, wiedersehen.

Doch grosser, geweihter, auserkorener Herr und Held, leben leben, siegen, prangen! Dies das Schicksal des Königs den alle anrufend lieben. O Herr! Was sollte aus dem guten, was aus jeder heiligen Sache werden, wenn Euere Majestät nicht mehr hoffen. Das schönste Loos, das schwerste aber hehrste, es ist Euerer Majestät beschieden – ach! vergessen Euere Majestät nie dass Sie allen Guten Schutz und Schirm, Trost und Hoffnung sind!

Ich hatte heute keinen Brief – so bald ich etwas vom Freunde höre erlaube ich mir es Euerer Majestät, mitzutheilen! Was habe ich nur geschrieben? Wird der hehre königliche Freund, nur ahnungsweise daraus ersehen wie tief ich mitempfinde? Wird er – wenn auch nur einen geringen Trost daraus schöpfen? Könnt' ich Euere Majestät sehen, könnt ich zu jeder trüben Stunde Euerer Majestät beistehen, und immer zurufen dass der Engel des Lichts nicht trauern darf, dass Parzival nicht verzweifeln kann, dass Lohengrin nur strahlen soll, dass Siegfried die Braut erwecken wird! Wüsst' ich nur einen Menschen, nur einen, in der grossen Stadt, im furchtbaren Schloss welcher meinen König und Herrn nur zuweilen das warme tiefe Wort sagen könnte, dass der Seele so noth thut! Doch schweigt die Welt, so spricht Gott – er der Erlöser »der betrübt war bis zum Tode«, er wird für die Engelsseele meines Herrn, erhabensten Trost, nie gespendeten Segen haben. Vom Kreuze wird der Gott-Mensch dem geprüften Engel-König, sagen was nie Menschen gehört, was nie Menschen hören! ...

Darf ich in Demuth bitten mir das theure Vertrauen zu bewahren? Soll ich noch sagen dass ich mich geheiligt und geweiht dadurch fühle? Soll ich Euerer Majestät schwören dass ich jeder Freude, jedem Frieden, jeder Hoffnung jubelnd entsagte um ein Glückstrahl in der geliebten Seele meines Herrn zu wissen? ...

Theurer theurer Herr, Hort des Guten, Trost des Bedrückten, Geweihter König, Hoffnung des Volkes, ach! seien Sie wiederum strahlend und siegesbewusst, dass wir nicht verzagen und trauern! Geduldig, einsichtig, klug wollen wir sein, doch stark fest und innerlich sicher. Gott! Dass Euere Majestät so leiden, das ist das Schrecklichste, das ist die furchtbare Tragik. Theurer, theurer Herr!

Gewiss werde ich es meinem Gebieter augenblicklich melden wenn der Freund an irgend etwas mangeln sollte, bis jetzt Gott sei Lob und Dank, geht es ihm nicht schlecht. Hat Herr Lutz mein gestriges Gespräch Euerer Majestät mitgetheilt? Ich fürchte fast er hat mich nicht verstanden denn ich sprach sehr frei und zugleich ganz ergeben.

Ich wollte, ich musste augenblicklich erwiedern, meine eigenen Kinder hätte ich nicht ansehen können bevor ich dem theuren Herrn, dem königlichen erhabenen Freunde, nicht gesagt hätte dass ich alles alles verstehe, mit dem Hehren leide, aber auch hoffe, hoffe bis zur Freude!

Die getreue Dienerin streut auf jedem Schritt ihres Königs und Herrn, Liebe und Segen und erstirbt als Euerer Majestät

gehorsamste

Cosima von Bülow-Liszt

3. Januar 1866.

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24

Theurer erhabener König!

Gnadenvoller gütiger Herr!

Es wurde meinem Boten gestern gesagt, dass Euere Majestät, krank seien, tief betrübt, verliess gestern mein Gedanke Euere Majestät nicht, und ich frug mich nun immer wie nur Euerer Majestät, die leiseste kleine Freude zu machen wäre! Mein Mann der sah wie ich traurig und geängstigt war, und dem ich sagte dass ich für die Welt und den Himmel Euerer Majestät, einen heiteren Augenblick wissen möchte, frug mich ob das Manuscript des Siegfrieds, welches der Freund ihm vor Jahren gegeben, und welches unser Kleinod war, von Euerer Majestät, wohl gnädig aufgenommen werden würde? Hier lege ich es Euerer Majestät zu Füssen – ein Zeichen unsrer Gefühle, ein Mal ernster Zeiten! Euere Majestät werden es wohl gütigst empfangen?...

Mein Mann hatte heute einen Brief vom Freund, aus Genf; mit Paris scheint es eine telegraphische Confusion gewesen zu sein. Es geht ihm nicht schlecht, doch scheint seine Stimmung trüb. Hier gehen nun die Aufregungen hin und her, ich sende hiermit einige Zeilen, die von einer beispiellosen Anmassung zeigen! Von der andren Seite veranstaltet der unbegreifliche Dr. Wittstein eine Sammlung um dem Freund einen silbernen Lorbeerkranz darzureichen, dessen Blätter die Namen der Verehrer des Meisters tragen würden. Ein Kinderspiel, ohne Tragweite welches mich aber rührt. Angesicht der unglaublichen, namen- und schamlosen Verleumdungen, welche über den Freund verbreitet worden sind, ist die allgemeine Stimmung wirklich ein Wunder. In jeder Stadt drücken sie es nun frei aus: sie wünschen dass er zurückkommt, und freuen sich in diesem Wunsche, sich mit ihrem geliebten Könige einig zu finden. Freilich erbittern diese Kundgebungen noch den Hass der Feinde, doch bieten sie die natürliche Grundlage um diesen Hass zu besiegen, ist auch mehr Zeit dazu erforderlich als anfänglich gedacht war. Darum werde ich dem Freunde nichts von dem schreiben, was mir Herr Lutz mittheilte; diese Herren sehen und kennen sehr viel, können aber von ihrer Stelle aus die Lage nicht übersehen; das Mächtige erachten sie als das Unüberwindliche, während nur eines unüberwindlich ist – das Gerechtigkeitsgefühl, und das regt sich jetzt, und wird immer stärker werden im Lande Bayerns. Meine Hoffnung ist gross, so bang auch die jetzigen Tage sind, sie führen langsam, schwer, aber sicher zu der Lösung. Erführe ich nur bald dass Euere Majestät wieder das schöne siegbewusste Vertrauen gewonnen haben, wüsst ich nur bald dass Euere Majestät, wieder gesund sind. Ich sehe heute mit strahlendem Blicke in die Zukunft, denn das ist gewiss, Gott hat nicht die schönste königliche Seele geschaffen nur dass sie in Trauer und Betrübnis leide, sie wird strahlen wie die Sonne, beglückt beglückend!

O ich weiss es gnädiger huldreicher Herr! Dass die Liebe Euerer Majestät zum Freunde keine »jugendliche Schwärmerei ist«, ich habe ihren tiefen Sinn wohl erkannt, weiss ich doch auch dass meine wahrsten Empfindungen, die welche mein ganzes Leben bemeistern, Eingebungen der ersten Jugend waren. Selbst als Kind wusst ich dass der Vater litt den ich nur in Glanz und Rausch des Sieges zu sehen gewohnt war, ich wusste es und empfand das Leiden mit ihm, geheimnissvoll, unausgesprochen, kindlich zugleich und ewig. Ich weiss was ich fühlte als der Vater den Freund zu uns Kindern brachte, es ist bestimmend für mein ganzes Leben geblieben! Wie könnt ich da flach und frivol wie die Menschen die nichts empfinden, beurtheilen, wie könnt ich ihn hier nicht erkennen, den unlösbaren Bund der verschwisterten Seelen, welche das Schicksal zu trennen scheint, die Liebe aber ewig vereint!

Euere Majestät verzeihen dass ich mit einem Vertrauen spreche, welches ich vielleicht zu keinem Wesen auf dieser Erde so empfinde. Darf ich nochmals um gnädige Annahme der kleinen Gabe meines Mannes bitten? Hätten Euere Majestät, nur einen flüchtigen Augenblick Freude daran so wäre erfüllt der wärmste Wunsch von

Euerer Majestät

treu gehorsamsten Dienerin

Cosima von Bülow-Liszt

4ten Januar 1866.

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25

Theure, hochverehrte Frau!

Ihre theuren Zeilen thaten mir unaussprechlich wohl. – Sie haben lindernden Balsam in die brennende Fiebergluth meiner Wunde gegossen, haben wunderbar stärkenden Trost mir gespendet; warmen, innigen Dank hiefür aus treuer Freundesseele. – Ich will die Hoffnung nicht sinken lassen; denn wenn diese gänzlich schwände, dann sind sie auf immer dahin die Tage der himmlischen Freude, des strahlenden Sonnenglanzes. –

Also im Frühjahr vielleicht?! – Wenn die Winterstürme dem Wonnemond gewichen sind, wenn in mildem Lichte wieder der Lenz uns leuchtet; dann vielleicht! – Dann muß Er wieder in Sein Häuschen ziehen, vielleicht ermöglicht es ein gütiger Gott, vielleicht legt sich dann das Wogen der Menge; dann keine Trennung mehr, sie wäre mein sicherer Tod. – O wie danke ich Ihnen, theure Freundin für das tiefe Mitgefühl das Sie für mein Leiden im Herzen tragen. – Ach Gott wie wird es Ihm jetzt ergehen, wie einsam, wie verlassen wird Er sich fühlen in der kalten, öden Weltstadt. –

Ich werde Fr. v. Schnorr den Titel einer Kammersängerin verleihen mit einem jährl. Gehalte von 2000 fl. – Den Glaspalast will ich gründlich untersuchen u. das nöthige verbessern lassen, das große Werk muß reifen. – Neulich fuhr ich über die Isarhöhen, die Sonne sandte ihre verklärenden Strahlen herab, da trat mir das Bild des Festbaues in all seiner hehren Pracht mit all seinen überirdischen Wonnen vor das innere Auge – – – Rheingold! Rheingold! – – – ertönte es in mir! Es ziehen die unsterblichen Werke des Freundes dem Geiste vorüber. – – Ja ich will hoffen! – Die schönen Träume sie müssen herabsteigen auf die Erde, müssen. O Gott, laß' mich sie seh'n wie ich sie sah, wie ich sie sah, sei'n sie mir nah!

Wie wird es Unsrem Helden ergehen, wo weilt wohl Siegfried?! –

Mein Sekretär meldete mir von Ihrem Gespräch, mit Bewunderung hat ihn Ihre freie u. offene Sprache erfüllt. – Jener Artikel ist wahrhaft schändlich; o wüßten die Leute den wahren Sachverhalt, sie würden Sie, hochverehrte Frau bewundern, wie ich es thue; denn Heldenmuth hat Sie den Schritt dem theuren Freunde zu Liebe wagen lassen. – Ich sende Ihnen hier eine Photographie nach einem Bilde, welches Ille demnächst vollenden wird. – O, es drängt mich Ihnen nochmals auszusprechen wie vom Herzen ich Ihnen dankbar bin für die Trostesworte die Sie auf so wahrhaft rührende Weise mir gespendet haben.–

In diesem Augenblicke erhalte ich Ihre theuern Zeilen. – O das Geschenk, ich wage kaum es anzunehmen; ich kann vollkommen ermessen wie werth das unschätzbare Kleinod Ihrem theuren Gemahl war, o sagen Sie ihm, ich bitte Sie darum, daß mich dieß Zeichen der reinsten Liebe u. Freundschaft tief rührt, übergroß ist meine Freude darüber, Dank, tausend Dank dafür! – Gott nehme Ihn stets in Seinen heiligen Schutz, Gott möge ihm ein freudevolles, ein glückliches Leben verleihen! – Der Freund nicht in Paris, mir ist dadurch ein Stein vom Herzen. – Ich muß schließen. Aus ganzer Seele dankt Ihnen u. Herrn v. Bülow nochmals

Ihr sehr geneigter Ludwig

am 4. Jan. 1866

Ich bin wieder vollkommen hergestellt. –

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26

Erhabener König!

Gnadenvoller Herr! Theurer Gebieter!

Ich hatte mir vorgenommen Eurer Majestät, heute nur ein kleines Bild der Gedanken zu entwerfen, welche nach dem letzten gnädigen Schreiben des huldvollen königlichen Freundes, in mir Einsame, doch stets Wachsame, aufgestiegen sind. Ich wollte sie als innigste Form meines Dankes Euerer Majestät, zu Füssen legen, die Träume, die Hoffnungen, die Wahrnehmungen, wohl auch die Sorgen, die sich um einen einzigen Gegenstand wie cristallisirt haben, in den Tagen des langen Sinnens. Da kam Herr Lutz zu mir; nun muss ich mir wohl die Freude versagen, und nur um Erlaubniss bitten praktische Dinge, Euerer Majestät, unterthänigst vorzulegen. Vor allem erlaube ich mir den Punkt zu berühren der mich wahrhaft erschreckt hat. Was Euere Majestät, die Gnade hatten mir durch Herrn Lutz sagen zu lassen, habe ich nicht recht verstanden, wohl vernahm ich aber, dass es sich um eine Indiscretion handelte, und dass mir Herr Lutz Vorsicht wenn auch nicht gerade rieth, doch empfehlen wollte. Ich gedachte mit einiger Angst, des Besuches welcher ungefähr vor einem Jahre, Herr von Pfistermeister dem Freunde abstattete, und in welchem er ihm rieth nur in den gehörigen Ausdrücken von Euerer Majestät, zu reden! Unser Entsetzen damals, des Freundes Wuth und Empörung gegen den Rath, welcher das Schlimmste ruhig als Thatsache annahm, sind mir lebhaft in dem Sinn geblieben, und auch die Folgen des seltsamen Auftreten.

Ist hier wiederum etwas im Werke? Ich weiss es nicht, und bleibe entschlossen und ergeben. Ich habe es leider erfahren, dass Briefe aufgebrochen werden; keinem habe ich von meiner Reise nach Genf ein Wort gesagt, und sie steht in einer Zeitung besprochen, so dass ich wahrscheinlich an der Erfüllung dessen was ich als meine Pflicht betrachte, verhindert sein werde. Einen Brief Euerer Majestät, habe ich mir erlaubt meinem Vater mitzutheilen – es ist der in welchem Euere Majestät, die Gnade hatten die Widmung der h. Elisabeth anzunehmen – das letzte Allergnädigste Schreiben, übersand ich dem Freunde, sonst hat kein Auge, nicht einmal das meines Mannes, in dieses mein Heiligthum geblickt. Wer erforscht, wer erräth, wer verräth die Dinge? Ist es selbst der Mühe werth es zu ergründen? Bei der Pressfreiheit die in Bayern herrscht, wird auf das geradewohl geredet, verrathen was verschwiegen bleiben sollte, verleumdet wo man ehrfürchten müsste, bewusst und unbewusst Lügen und Wahrheiten durcheinander in dem grossen Abgrund der Publicität geworfen. Durch die Anonymität gewinnt der elendeste Zeitungschreiber das Recht ohne Gefahr alle möglichen Personen in die Öffentlichkeit zu ziehen, er redet auf das geradewohl, manchmal trifft er es, er hört mancherlei in der Stadt, manchmal bedient man sich seiner und sagt ihm eine halbe Indiscretion, damit der Getroffene Angst bekäme, zuweilen hat er Glück, und sein geradewohl ist ein Errathen. Doch eben weil dieses Treiben so durcheinander, so bunt, für den Beboachter so erschreckend ist, verliert es an Wichtigkeit. Das Publikum verschlingt alles, vergisst es bald auch, und wäre z. B. jetzt sehr in Noth wenn man es befrage was es denn eigentlich von Wagner denke, über welchen es so vieles, und zwar ganz intimes, seit einem Jahre gelesen hat. Die Schuld lässt sich immer auf Diejenigen zurückziehen welche diese Anarchie hervorrufen und organisiren. Euere Majestät vergeben diese Digression, ich habe wirklich nicht aus Herrn Lutz' Aussagen entnehmen können ob die Angelegenheit von Wichtigkeit sei oder nicht. Täusche ich mich nicht so ist die Absicht da etwas hervorzurufen, der Anlass scheint mir aber fehl gewählt. Nun gehe ich zu den anderen Allergnädigsten Aufträgen über. Herr von Bülow macht sich Ehre und Freude daraus Tannhäuser oder Lohengrin im Mai oder im Juni zur Aufführung zu bringen. Mein Mann ist der Ansicht dass Lohengrin mit Niemann eher möglich ist, als Tannhäuser, ist es Euerer Majestät genehm, so würde damit begonnen werden, vielleicht würde Frau von Schnorr die Ortrud übernehmen, sie hat sie wundervoll in Carlsruhe dargestellt. Darf ich mir nun erlauben Euere Majestät, auf einen Punkte aufmerksam zu machen? Es werden meinem Manne, jetzt in der Abwesenheit des Freundes, viele Schwierigkeiten in dem Wege gelegt werden, er bittet Euere Majestät, ihn mit der nöthigen Autorität ausrüsten zu wollen, damit er das überwinde was er nicht fürchtet. Der Titel eines Hofcapellmeisters Euerer Majestät, welchen der Freund im vorigen Jahre für ihn verlangte, ist jetzt weil zu den Functionen, die er mit freudigem Stolze übernimmt, gehörig, fast nothwendig, wenn er der Disciplin begegnen soll die im musikalischen Staate eben so erforderlich ist als im politischen. Euere Majestät, sehen besser ein als ich es erklären könnte, dass es sich nicht hier um Titelsucht handelt, sondern um die Möglichkeit eines raschen und erfolgreichen Eingreifens. Dieser Titel der nur ein Name sein soll, durchaus keinen Anspruch irgend welcher Art erhebt, sichert meinem Manne den Gehorsam der Mitglieder der Capelle und der Sänger, opponirt ihn Keinem als Concurrenten – namentlich wenn er den Zusatz in ausserordentlichen Diensten bekäme, wie ihn z. B. der in Petersburg lebende Clavierspieler Dreyschock vom Grossherzog von Darmstadt erhalten hat. Sollten Euere Majestät, einen anderen Weg wissen um die nöthige Autorität für meinen Mann zu beschaffen, so brauche ich wohl nicht zu sagen, dass dieser Weg für uns der bessere ist, und seitens meines Mannes kein Wunsch mehr vorhanden ist. In drei bis vier Tagen reist mein Mann nun ab, da es ihm Euere Majestät, allergnädigst gestatten, er bedauert dass Herr von Koch ihm noch nichts auf seinen Brief vom 20ten December erwiedert hat.

Heute schrieb der Freund meinem Manne aus Genf »Ueber meine Zukunft, Lieber, kann ich natürlich noch gar nichts Gewisses sagen, nämlich in Betreff meines späteren Aufenthaltes. Für jetzt bin ich froh, erträglich untergebracht zu sein: Der Aufnahme der Arbeit steht nichts im Wege, als mein etwas zerstreuter Kopf. Doch ist Sehnsucht und Wille gross. An meiner Thür ist ein für Allemal Consigne gegeben Niemand, sei wer es sei, vorzulassen. So wollen wir sehen was wir durch Erinnern und Vergessen zwingen!

Ich sehe Dir zu, mit vollständigem Wohlgefallen an Allem, was Du thust. Thu was Du willst, mir dünkt alles gut, und froh bin ich Dich wirken zu sehen!« – – Wegen Frau von Schnorr, wegen dem schönen Bilde, wegen der gnädigen Annahme des Manuscriptes, wie hätte ich da zu danken und preisen? Erlauben mir Euere Majestät, bald den eigentlichen Dankbriefe zu senden, und die beiden sich bekämpfenden Welten (durch Euere Majestät aber zur schönsten Vereinigung gebracht) die reale und die ideale, brieflich zu trennen, und mich für heute nur noch unterthänigst zu nennen

Euerer Majestät,

treu gehorsamste Dienerin

Cosima von Bülow-Liszt.

7ten Januar 1866.

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27

Theure, hochverehrte Frau!

In aller Eile einige Zeilen; denn es ist spät. –

Ach Gott erhielte ich nur einige Zeilen von der Hand des Theuren geschrieben, sie beseligten mich. – Ich muß Ihn bald sehen; sonst gehe ich zu Grunde. – Hätten Wir es im vorigen, wonnevollen Sommer ahnen können, welche Schmerzenstage Unsrer harren. – O Gott deine Hand ist schwer. –

Herrliche Aussicht den »Lohengrin« im Sommer vorgeführt zu sehen, vielleicht findet sich doch noch ein würdiger Darsteller des »Tannhäuser«. – Ich ersuche Sie dringend, hochverehrte Freundin Herrn v. Bülow nochmals sagen zu wollen, wie mich das herrliche Geschenk entzückt. – Es ist ein unschätzbar theures Kleinod; Gott bereite dem theuren Geber so viel Glück, so reichen Freuden, als er mir mit dem wundervollen Geschenke bereitet hat. –

Was Herrn Lutz betrifft, so scheint er meinen Auftrag nicht in allen Punkten ganz richtig begriffen zu haben. – – – –

Morgen werde ich das hl. Abendmahl empfangen, ich bitte Sie, gedenken Sie meiner im Gebete. –

Grüßen Sie den geliebten Freund innig von mir, o könnte ich zu Ihm; ich halte es nicht mehr aus.

Mit herzlichen Grüßen

Ihr

sehr geneigter Ludwig.

7. Jan. 1866. –

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28

Erhabener König!

Hoher Herr! Theurer Gebieter!

Belästige ich den königlichen, hohen Freunde, nicht, wenn ich mit einigen Zeilen, mich Ihm wiederum nahe? Es ist heute wie so ein Stillstands-Tag, nichts habe ich vernommen, um nichts habe ich zu flehen, nichts habe ich zu übermitteln; Nachrichten vom Freunde, dem fernen Theuren, und Worte des Dankes, ist Alles was dieser Brief zu enthalten hat. Wie freudig schreibe ich ihn, wird der gütigste Beschützer ihn auch gnädig aufnehmen? Ich wage es zu hoffen.

Da meine Gesundheit mir nicht gestattete gestern in die Kirche zu gehen, habe ich zu Hause vor dem kleinen Auferstehungsbilde gekniet und gebetet, einzig und allein für meinen Herrn, dass Ihm, dem Engelgleichen, der Kelch des Lebens nicht zu bitter würde, dass Er wollen dürfe was Er wünsche, dass des Herzen's hohen Drang, nicht, wie die Pflanze in zu engem Gefässe bewahrt, nicht auf sich zurückgestossen würde! Ich flehte und verlangte innständig, und doch sicher, ich weiss es, Euere Majestät, sind zu höchstem Glücke, zu des König's heilig hehrer Freude bestimmt!

Dass die Aussage von Herrn Lutz auf theilweisem Unverständnisse beruht hat mich beruhigt, dürft' ich wohl den gnädigen, gütigen, Herrn, bitten, mir zu sagen ob und wie ich gefehlt, was ich zu thun, was zu lassen hätte? Nichts bin ich mir bewusst, doch dankbar nähme ich die Ermahnung von der theuren hohen Hand, entgegen; ich quäle mich nun umher mit Einbildungen, Gedanken, Vorstellungen, Richtiges natürlich finde ich nicht. Wird mich der gnadenvolle Herr gütig, wenn auch streng, aufklären wollen?...

Von Frau von Schnorr hatte ich noch keine Nachricht; wie danke ich Euerer Majestät, für diese Ernennung! Wie schön, wie erfreut es einem jeden der zugleich weiss was die hohe Kunst bedeutet, und wie sie in Deutschland betrachtet, behandelt wird. Ich weiss kaum etwas das mich mehr gefreut hätte als diese ehrenvolle grossmüthige Auszeichnung einer Künstlerin, dessen ernstes Streben und Können, sie an einer brillanten Laufbahn verhindert hat, und dessen letzte und grösste Leistung Isolde war. Dank, theurer gnadenvoller Herr, tiefgefühlten ewigen Dank! Ich erfuhr zufällig dass Don Juan und Iphigenie nach der Wagner'schen Bearbeitungen einstudirt werden, das ist wirklich wunderschön; nirgends werden jetzt diese prächtigen Arbeiten benutzt, und alle die, welche die grossen deutschen Meister in Wahrheit verehren, werden sich daran erfreuen. Wie müssen es die geistig Edelgesinnten Euerer Majestät, danken, diese Reihe ernster Aufführungen befohlen zu haben, wie erhob mich neulich die Vorstellung der Jungfrau von Orléans, trotz vielem mangelhaften in der Darstellung, trotz vieler Kürzungen (mir fehlte z. B. die Stelle sehr die Johanna im Prolog über den König spricht, und die ich mir so oft in letzten Tagen gesagt habe), wie mächtig war der Eindruck! Ich habe es wohl empfunden dass in den Tagen des Leides, einzig die erhabenen Geister mit ihrem ernsten tiefen Worte, nicht schmerzen, alles übrige, indem es zerstreut, beängstigt bis zum Wahnsinn, sie vertiefen uns in uns selbst, zeigen unser Weh' uns in ihrem verklärenden Spiegel; beim Anblick der schweigsamen Heldin weinte ich, doch ich war befreit. Womit ermüde ich nun Euere Majestät? Ich habe mir vorgenommen den Freund zuletzt zu besprechen, und jedes Einzelne reisst mich nun hin. Noch will ich mir einige Worte des Dankes für das Schöne Blatt von III erlauben, eine Ähnlichkeit auf dem Mittelbild freute mich sehr, nur hätte ich gewünscht dass Lohengrin diese Züge bekommen hätte! Die photographischen Abbildungen der Zumbusch'schen Statuetten erfreuten mich sehr, wie gütig von Euerer Majestät sie mir gesendet haben! Sie werden auch dem talentvollen tüchtigen Bildhauer, der schon Euerer Majestät, so vieles verdankt, sehr nützlich sein, sie verbreiten sein Name und seine Werke.

Der Freund bleibt also in Genf; die » Artichauts« – schreibt er – sind eine grosse Villa, mit mesquiner, bloss auf den Anschein berechneter Einrichtung. Während der üblen Jahreszeit leide ich sehr: Thüre u. s. w. sind schändlich verwahrt – Jedoch – es war eine Zuflucht: ich bin hier ungestört, wie aus der Welt. Ich bewohne unter diesen schweren Umständen im Obren Stock ein Schlafzimmer, und im unteren ein Arbeitszimmer, an dessen Seite ich jedoch den ganzen Tag über den Salon heizen lassen muss, weil es sonst auch in meinem kleineren Zimmer nicht warm werden würde. Die Aussicht ist wunderbar, unmittelbar den Montblanc vor mir, den ich von meinem Claviersitz aus erschaue.« Seine Gesundheit scheint, Gott sei Dank, erträglich, nur scheint die Kälte ihn zu peinigen »Nun lache!« schreibt er »Ich kann nicht mehr schreiben, mein Arm ist von Rheumatismen gelähmt und die arme Hand schmerzt mich wie im Krampf – Ach! Die Unruhe war gross! Ich bin alt – alt! Leider aber weiss ich, dass ich noch lange zu leben habe, denn sonst könnt ich diese Verschwendung von Jahren nicht begreifen: ich weiss auch, dass ich noch reich werden muss, denn sonst könnt ich diese wahnsinnigen Kosten der verlorenen Jahre nicht begreifen. An Parzival – kann ich noch nicht schreiben! Täglich erscheint es mir anders was ich Ihm zu sagen habe. Ich werde immer unsicherer mit mir über diesen Punkt. Endlich – werde ich doch das Rechte finden. Sag' Ihm das!... Vielleicht schicke ich Dir morgen das von mir sorgfältig corrigirte und amendirte Manuscript der Biographie zurück, damit Du in der Trennungszeit Dir mit der schönen Reinschrift hilfst.« Sobald dieses hier sein wird, werde ich mich für Euere Majestät, an die Arbeit mit höchster Freude machen! Nun wage ich es meinem König und Herrn, eine Mittheilung zu machen, die Keiner, Keiner jemals empfangen würde, ich befrage den fernen theuren Freunde nicht, wer weiss ob ich in seinem Sinne handle, doch ich erfülle meine Pflicht. »Liebe! ich glaube nicht dass ich nach München zurückkehre« fängt er den Satz an, in welchem er mir meldet dass er Auftrag gegeben hat ihm in Südfrankreich ein zurückgezogenes Häuschen zu miethen, wohin er gedenkt im Frühjahr zu ziehen, wo ich ihn mit den Kindern besuchen soll. Er hat sich, angesicht der Zweifel die ich ihm ausgedrückt habe, schnell gefasst, was sollen Wir? Theurer hoher Herr! Irre ich nicht so ist jetzt noch Zeit und Möglichkeit ihn zurückzurufen. Späterhin fürchte ich sind die Schwierigkeiten nur durch die Zeit mächtiger geworden, und ist er – von Müdigkeit und Prüfung, nur zu Einem zu bringen – zur gänzlichen Entsagung. (Euere Majestät verstehen wohl gütig was ich unter jetzt verstehe). Wo ich hinhöre ist nur eine Stimme; die ruhigsten Leute gerathen in Eifer wenn sie von seiner Verfolgung sprechen, die feindlichst gesinnten, sie empfinden Beschämung über ihre schwere Schuld. König, Herr, Beschützer, Freund! Ich fürchte die Zeit steht hier den Bösen bei, sie verändern sich nicht, einzig kann hier der königliche Wille das Gute schaffen. Ich sehe es an dem elenden Treiben, an den fortdauernden Verleumdungen, an dem frechen Gebahren der Triumphirenden, an der Sicherheit ihres Lügengewebes, die Geduld, die Vorsicht, die Hoffnung, helfen Uns hier, fürchte ich nicht. Einzig und allein die That, sie kann wie einmal schon, zum zweiten male retten. Dass ich diese Sprache mit keinem führe, dass ich verschwiegener als das Grab bin und bleibe, das weiss mein theurer Herr! Dem feurigen unvernünftigen Dr. Wittstein liess ich z. b. durch einen Dritten sagen, er möge die Oeffentlichkeit vermeiden, seinen silbernen Lorbeerkranz in Gottes Namen wenn er es nicht lassen könnte, verfertigen, doch alles privatim, lautlos, ohne Gerede von Rückkehr und Empfang. Meinem Könige aber muss ich und darf ich wohl die tiefst innerlichsten Gefühle sagen. Die Worte vom Freunde haben mich erschreckt: plötzlich bin ich von der Region der sicheren Hoffnung, des ruhigen Glaubens, des leidenden aber festen Erwartens in die Wirklichkeit gestürzt worden. »Er hatte Recht« sagte mir die Stimme die nicht trügt »Ist es unsrem Helden unsrem König, nicht möglich ihn in der zuerst festgesetzten Zeit zurückzurufen, so kommt er nie wieder. Dann – fahre hin Du Welt Du Oede, fahre hin glaube und hoffen «. So schallte es in mir, ich wusste nicht mehr was ich dem Freunde erwiedern sollte, ob ihn in seinem Plan bestärken, »ich gebe den Gedanken nicht auf Dich in München wiederzusehen«, schrieb ich. Wäre es möglich dass die Welt zwischen dem König dem Einzigen, und dem Künstler dem Grössten, siegreich sich stellte? ... Zum erstenmale haben sie sich nicht begegnen, nein vereinigen können, die beiden heiligen Mächte, dürfte es nicht sein? Ich schaudre zurück vor dem Gedanken, das Herz bebt, denn das Volk trägt hier keine Schuld, passiv, selbst nicht bethört, sieht es zu, seinen herrlichen König liebt es, den Künstler bewundert es, es leidet über den unbegriffenen Vorgang, mischt sich auch thörig, kindisch, doch ehrlich hinein, alles das ist eitel, vergebens. Wer ist sie denn diese furchtbare Macht die König, Dichter, Volk überflügelt? Soll ich sie Schicksal nennen, oder Welt, oder Dämon? Doch wohin gerathe ich? – – Der königliche gnadenvolle, huldreiche Freund, wird mir vergeben, verzeihen auch dass ich ihm sagte was keiner ausser mir weiss, des Freundes Plan.

Nochmals empfehle ich alles in dem langen Schreiben gesagte, der Gnade und Nachsicht meines Königs, und indem ich auf sie baue nenne ich mich in Demuth

Euerer Majestät

treu gehorsamste Dienerin

Cosima von Bülow-Liszt

9 Janvier 1866./

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29

Theure, hochverehrte Frau!

In den gegenwärtigen Tagen ist meine Zeit so sehr in Anspruch genommen, daß ich nur wenig u. kurz schreiben kann. – Sie wünschen Näheres über jenen Punkt zu erfahren, den Lutz zu besprechen hatte. – Daß Sie, hochverehrte Frau, meine Briefe Niemanden zeigen, das weiß ich bestimmt; doch habe ich erfahren, daß öfters ein Theil des Inhaltes meiner Briefe an den Freund u. an Sie bekannt wurde; natürlich ist mir dieß sehr fatal, denn mehr als je ist jetzt die größte Vorsicht vonnöthen. – Mir scheint in den Worten des Freundes an Sie, ein versteckter Groll zu liegen, o Gott, was gäbe ich darum Ihn jetzt schon zurückrufen zu können! – – Schreiben Sie Ihm, theure, hochverehrte Frau, ich ersuche Sie dringend darum, Er möge doch ja nicht an einen Aufenthalt im südl. Frankreich denken! – Ich gebe die Hoffnung nicht auf, im nächsten Frühsommer den Theuren wieder hier zu wissen. – Jetzt ist die Erbitterung gegen Ihn sehr heftig. Er wäre hier nicht sicher, diese hehre Vereinigung zweier hoher Mächte von welchen Sie mir so schön schreiben, Sie wird, Sie muß zu stande kommen. – Eher sterb' ich. – Wie schmerzlich ist es mir, den Wahnsinn der blinden Menge (den ich verachte), doch nicht ganz unberücksichtigt lassen zu können. – Wie haben mich neulich die Worte der »Jungfrau« ergriffen: »Wie dort die Sonne untergeht in ihrer Klarheit, so unausbleiblich kommt der Tag der »Wahrheit«! – Ich will es vollbringen, Gott wird mich schützen. – Väterlich wird die Prüfung sein, die Gott Uns sendet. –

Tief gerührt bin ich durch Ihre Worte, welche ich in Ihrem theuren Briefe las u. welche sich auf meinen Communionstag beziehen. – Wie erfreut mich die Aussicht, bald in der Biographie des herrlichen Freundes lesen zu können; daß Sie sich der Mühe des Abschreibens so gütig unterziehen wollen, ist wirklich zu gütig von Ihnen, theure, hochverehrte Frau! – Mit bekannten Gesinnungen

Ihr

sehr geneigter

Ludwig.

den 10. Jan. 1866 –

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30

Hochverehrte Freundin!

Heute erhielt ich einen langen und ausführlichen Brief vom Freunde:

Ich theile Ihnen einen Theil desselben mit. – Wollen Sie die Güte haben, ihn zu lesen! – Ach schwer, furchtbar schwer ist es das zu thun u. auszuführen, was Er von mir verlangt. –

Gräßliches Loos von Ihm, dem Theuren, Einzigen getrennt leben zu müssen; und ist es denn wirklich so unumgänglich nothwendig. – Ist es denn für Ihn so ganz unmöglich hier die ersehnte Ruhe endlich zu finden!? – O schwarze, düstre Zukunft! –

Ludwig.

11. Jan. 1866. –

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31

Mein theurer Herr und Gebieter!

König, Beschützer, hehrer, huldreicher Freund!

Als ich heute früh meinem königlichen Herrn, den Brief des Freundes übersandte hatte ich wohl einiges zu sagen, doch ich schwieg, wohl wissend dass der Eindruck derart sein würde, dass Euere Majestät nicht anderem, wie gewöhnlich, gnadenvolles Gehör schenken würden. Mit furchtbarer Ergriffenheit habe ich die Zeilen nun gelesen, die mein hoher königlicher Freund, mir mitzutheilen die Güte hat. Ich ermesse die Leiden meines Herrn, und erkenne auch – dass der Freund das Rechte oder vielmehr das Einzige wählt. Die Menschen, die den Freund verfolgt haben, die neuerdings sich erkühnen konnten das heilige Geheimniss der Briefe zu stehlen und zu verrathen, um dadurch ein ihnen verhassten und doch immer gefürchteten Verkehr unmöglich zu machen, diese Menschen die das ganze Tagebuch des Freundes haben in Zeitungen besprechen lassen, sie werden die Ruhe des Freundes hier stets untergraben. Bei jeder Enthüllung treff ich auf sie – das Volk, die Menge, die sind gleichgiltig oder gutgesinnt. Und doch sollen Wir es aufgeben ihn jemals hier wiederzusehen? Ich habe ihm gestern geschrieben in der Schweiz zu verweilen bis zum Herbst, im Frühjahr würde ich ihn besuchen; dann würden wir zusammen heimkehren. Doch ich fürchte er ist entschlossen, er hat keine Launen, was er thut geschieht in höchster Noth, zu letzter Rettung. Mein theurer theurer Herr, könnt ich allein den Becher austrinken! Fest nehme ich den Gedanken meiner jetzigen Reise wieder auf, ich gab sie auf, weil trotzdem ich einzig und allein meinem königlichen Herrn davon gesagt hatte, sie in den Zeitungen hämisch besprochen worden war, doch jetzt gilt es vielleicht zu helfen. Ich will ihn mündlich bitten dort in der Schweiz bis die Meistersinger beendet sind, zu verweilen, und dann, ach! ja, dann hier zurückzukehren, dann ist vielleicht vieles geändert und gebessert, dann ist seine Rückkehr kein politischer Akt mehr, dann wagt es auch Keiner an der grossen Freundschaft zu rühren! Diese Hoffnung regt sich noch still in mir! Ich weiss kaum was ich schreibe, wie meine Hand zittert, beben mir die Gedanken, und wie mein Herz hämmert, schlagen sich die Gefühle durcheinander.

Vom königlichen Freunde möcht ich erbitten mir sagen zu wollen ob mein Plan Ihm dem Hohen, wie Hoffnung wie Möglichkeit erscheint?

Kein Wort füge ich hinzu. – Den Segen Gottes rufe ich herab aus tiefstem Weh' auf das hohe theure Haupt, und mit der Macht die bitterstem Leide innewohnt segne ich es, segne es, dass aus grösster Noth hehrstes Glück erblühe!

In ewiger Dankbarkeit und Demuth

Cosima von Bülow-Liszt

11ten Januar 1866. /

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32

Mein Herr und König!

Dank! Innigen ewigen Dank! Nichts weiteres kann ich schreiben als Heil dem König, Segen dem hohen erhabenen Freund und Treu bis zum Tode

12ten Januar 1866.

Cosima von Bülow-Liszt

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33

Hochverehrte Freundin!

Herzlichen Dank für Ihre freundlichen Zeilen! – Sie haben einen Hoffnungsstrahl in meiner Seele angezündet. – Ich bitte Sie dringend, theilen Sie mir mit, ob Sie meinen, daß jetzt noch zu hoffen ist, jetzt, nach Empfang des gestrigen Telegramm's?! O gebe es Gott! Vielleicht ändert sich die Zeit, der Hehre kömmt zurück und lebt hier glücklich u. ungestört. – Glauben Sie, daß Er nun »Siegfried« vor der Hand aufgiebt u. jetzt an den »Meistersingern« fortarbeitet? denkt Er an »Parcival«! – Ach, ich muß schließen! – Mit herzlichen Grüßen

Ihr

sehr geneigter

Ludwig.

13. Jan. 1866.

P.S.

Unmöglich kann ich glauben, daß jenes, vom theuren Freunde als Schicksalsspruch bezeichnete, in der That die wahre, unwiderrufliche Stimme d. Schicksals ist. – Sollte Uns ein Gott deßhalb zusammengeführt haben, um Uns nach kurzer Frist gewaltsam auseinander zu reißen?! – Soll der hehre Festbau nie wirklich nie sich erheben?! –

Meine letzte Hoffnung ist auf Ihre persönliche Zusammenkunft mit Ihm gerichtet. – Soll es dem Theuren denn hier niemals wohl ergehen? Kann Er die hiesigen Vorgänge denn nie vergessen?! – Auch Seine Werke soll ich lange nicht mehr mir vorführen lassen! – Soll ich wirklich entsagen, täuscht Er sich nicht in Seinem durch schmerzliche Entsagung zu gewinnenden Glücke? –

Ludwig.

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34

Mein König und Herr!

Mein erhabener hehrer Freund!

Hoher Beschützer!

Seit gestern rolle ich meine Gedanken wie den mythischen Stein, immer berg auf, berg ab, gar wenig kommt bei der Qual heraus! Ich begreife den Freund ganz, und bewundre ihn indem ich ihn begreife, er hat recht und sieht klar, Dinge und Menschen wie sie sind, und bei alledem stimme ich ihm nicht vollständig bei. Er kann und darf nicht mehr wünschen zurückzukehren, ich sehe es ein, doch darf er gezwungen werden sich hier glücklich zu fühlen. Er muss auf die Entsagung gerathen, doch dünkt es mich, dass dieser sein Rath nicht zu befolgen ist. Ich schrieb ihm: man darf der Ruhe, dem Wohlsein, dem Glänze, der Pracht entsagen, dem Geliebten nicht, das scheint mir falsch; vor allem bat ich ihn sich jetzt nicht zu entschliessen, in seinem letzten Brief sagte er mir »binnen 14 Tage«, und ich erschrak! Auch sprach ich ihm mein Bedauern aus wegen der vollständigen Unterlassung der Kunstpläne, sie sind ja doch auch ein Akt des Regierens und können nicht so davon getrennt werden. Ich erwarte seine Antwort auf meinen Brief, um mir zu erlauben mit meinem gnadenvollen Herrn, zu erwägen ob mein Besuch in Genf jetzt von Nutzen sein könnte, oder ob er so entschlossen ist dass Wir dem »Schicksalsspruch« Uns zu ergeben hätten. Anbetracht der Möglichkeit seiner Rückkehr darf ich Euere Majestät, wohl zu fragen mir gestatten, ob hier wirklich eingreifende wenn nicht ausgedehnte Veränderungen, dem königlichen Herrn, statthaft erscheinen? Leider, leider, sind sie unerlässlich, doch bedürfen sie der Zeit, vielleicht ist der kommende Herbst noch zu früh? Vielleicht hat der Freund doch recht, indem er einige Jahre Euere Majestät, ganz freie Zeit zu lassen wünscht. Mir ist jetzt indem ich dieses schreibe als ob einzig und allein Euere Majestät, dieses wohl ermessen und bestimmen können. Wie die Dinge jetzt sind kann der Freund, darf er nicht zurückkehren, wer aber kann sie ändern ausser der Geweihte, und wer kann das wie und wann bestimmen, wenn nicht mein König, mein gnadenreicher Herr?

Ich werde die Bücher von Frantz bestellen, und sie Euerer Majestät unterthänigst zusenden. Einige Worte hätte ich dem theuren Herrn, gerne noch betreffs Genelli und den Nibelungen-Cartons gesagt, doch ist es mir als ob Euere Majestät, jetzt kaum mir gestatten würden darüber zu sprechen. Die Depesche hat mich mehr erschüttert noch vielleicht als der Brief – ich kenne diese hohen Stimmungen des Freundes, und ich fürchte – – doch nein ich hoffe! Keiner kann helfen ausser Unser Herr, darum aber auch kann keiner in Wahrheit schaden.

Das höchste Vertrauen das der huldreiche königliche Freund mir gezeigt, wie sollt ich je es meinem hohen Herrn danken können? ... Ich entschwebe der Welt und ihrem gewöhnlichen Gebahren, flüchte mich in der tiefsten Tiefe meiner Seele; in diesem Abgrund von Leiden und Liebe erhebt sich mächtig das dankende Loblied, und was mir so eben Ohnmacht und Unvermögen erschien, schallt nun kühn und gewaltig segnend empor! ...

Ewig

Euerer Majestät

getreue Ergebene Dienerin

Cosima von Bülow-Liszt

13ten Januar 1866

*

35

Erhabener König!

Gnadenreicher hoher Herr und Gebieter!

Euere Majestät, hatten die Gnade mir den Befehl ertheilen zu lassen, Euerer Majestät, Bericht zu erstatten; wenn ich erst heute die hohe Ehre habe diesem Befehle nachzugehen, so sind die schwankenden Stimmungen daran Schuld, in welchen ich über des Freundes Loos und Lage gerathen bin. Traurig, düster umflort, sind seine letzten Briefe, seine Gesundheit ist durch die schlechte Wohnung und das harte Klima angegriffen, sein armer Hund Pohl stirbt ihm ab, ein geringfügiges Ereigniss für den Glücklichen, ein schweres Leid für den Einsamen der Keinen hat, keinen sieht, verlassen und verleumdet es als Schuld büssen muss, dass er gross ist! Bedenke ich der wahnsinnigen Opfer die der Freund gebracht hat um zur Ruhe zu gelangen, bedenke ich dass diese endlich hier Erreichte, nicht dauerhaft bei ihm weilen darf, so entsteht in mir das furchtbare Bild des »Neid der Götter«, und empfinde ich ihn wieder nahen, den entsetzlichen Wunsch, der sich einst in grauenvollen Stunden in meine Seele schlich: er möge die müden Augen diesem Lichte schliessen dass ihm nur Elend beleuchte! O Gott vergebe mir dass ich dieses niederschrieb!

Viel habe ich gebeten, ihm alles möglichst gut dargestellt, ihm Hoffnung auf die Zukunft gemacht: »Nun kommt es mir eigentlich nur auf den König an« schrieb er am 13ten. »Gestern spätestens muss Er meinen Brief erhalten haben. Heute früh liess ich ein Telegramm an Ihn abgehen: gern hätte ich eine Antwort von Ihm erhalten, die mir Seine Stimmung gezeigt hätte; noch nichts ist gekommen, es ist spät Abends, ich bin in Sorge. Ersähe ich genau dass ich Ihm wahrhaft nützlich im grossen bedeutenden Sinne sein könnte, dann müsste ich meine Ruhe darein geben! Aber spätestens zu Ostern müsste ich dann wieder im ›Schiff‹ sein können« (Schiff nannten wir sein Haus Briennerstrasse). Ach daran ist ja aber gar nicht zu denken, das siehst Du ja doch wohl ein. Somit ergieb' Dich: ich glaub – ich versuch's mit Toulon Arles oder Avignon. Somit warte ich nur die Königliche Antwort ab. Nun noch ein wenig plaudern . Der Auftrag an Perfall wegen Nibelungeninstrumente klingt sehr ermuthigend: »Die Botschaft höre ich wohl, allein mir fehlt der Glaube« . Hans' Eifer ist höchlich zu loben, wenn auch – alles verloren ist. (Nun erfahre ich durch meinen Mann dass baron Perfall Euerer Majestät selbst noch keinen Vortrag über diese Rheingoldinstrumente gehalten hat!...) Vom 14ten: »Am Nachmittag kam Dein Brief versöhnlich für München. Wirklich habe ich heute etwas mit den Meistersingern mich beschäftigt. Ich lachte laut als ich mir sagte »Nun wirst Du wieder hineinkommen und schnell wird's heissen, sieh' Dich nach Wohnung um: zieh aus hier kannst Du nicht bleiben! Auch – Gott weiss was, ich hüte mich noch – : Morgen seh' ich nicht in die Meistersinger. Hätte ich nicht den zweiten Akt vom Siegfried fertig gehabt, und wäre nicht gestimmt gewesen den 3ten zu schreiben, so hätte ich vielleicht ruhig im Schiff bleiben können. Am besten wäre es doch ich machte mich nächste Woche nach Toulon auf: hier in diesem Hause könnte ich nur mit Ungeheuern Opfern bleiben; dort unten am Meere bilde ich mir ein wird es etwas dauerhafteres geben. Hättest Du mich nicht wieder schwankend gemacht, auf was hoffen? ... Ich habe keinen Grund zur Freude.« In einem früheren Brief schrieb er (vom 12ten) »Du hättest Dir manches dort leichter machen können wenn meine Richtung von Dir und Hans mehr wäre befolgt worden. Meine Loosung war nichts, nichts unternehmen. Nun zieht sich das Ding elend und nichtig hin, und es wird doch aus nichts, auch nicht aus Lohengrin etwas – ich glaube nicht einmal an die h. Elisabeth. Oh! hättet Ihr Euch sofort ganz abgeschlossen, Niemand gesehen, Niemand gesprochen, Nur Einem geantwortet – Parzival!« Ich antwortete und auf meine Antwort bekam ich gestern folgende Zeilen: »Liebe, ich verstehe Dich in Betreff des Hans und der von Dir für ihn gewünschte Thätigkeit in München: auch – stimme ich Dir nun bei! Also ganz nach Deinem Dafürhalten und nach Hans' Wunsch und Willen. Das von mir bisher gewünschte völlige Suspendiren aller Kunstunternehmungen, hatte einen idealen Sinn, der wie ich wohl sehe keine wahre Berechtigung hat, namentlich der Schwäche und Halbheit der Zustände gegenüber – wie Du sehr richtig bemerkst. Da ich gewiss nicht wieder nach München komme, trete ich überhaupt ja zu den dortigen Unternehmungen in ein ganz andres Verhältniss: gewiss sogar es soll mich freuen, Hans etwas dort zu Stande bringen zu sehen. Nur wünschte ich wenigstens dass Hans voller und mächtiger Oberkapellmeister würde: dieses Eine wäre doch vielleicht möglich – Doch das sind ja alles fromme Wünsche! Liebe, ich bin nicht wohl!« Auf diese letzten Zeilen schrieb ich ihm, endlich selbst entmuthigt, er möge nun gehen, und seine arme Ruhe sich einrichten so gut er könne. Ich sähe nun die beiden Porges wie Schatten gehen die so muthig hoffnungsvoll gekommen wären – nicht ein Wort des Zuredens könnt ich ihnen sagen, stumm und traurig hätte ich von ihnen Abschied genommen, die hier auf Conservatorium und Zeitung bauend sich angesiedelt, und nun verwundert sich nach Wien wenden. »In den nächsten Tagen schrieb der Freund noch, gedenke ich nach Toulon zu verreisen. Jedenfalls wünsche ich Kenntniss von Allem zu haben. Ich werde Dich zur rechten Zeit benachrichtigen«. Da mein Mann morgen abreist werde ich mich vielleicht aufmachen, nicht um dem Freund zuzureden, sondern um ihn noch einmal zu sehen und ihm der Treue Gruss zu bringen bevor er so weit zieht. Meine Seele ist düsteren Ahnungen preisgegeben.

Nun erlaube ich mir Euere Majestät, noch einen Punkt aus dem Briefe mitzutheilen, weil ich glaube dass ich Euerer Majestät Wunsch hierin erfülle. »Da die Räthe des Königs nicht begreifen dass es unrecht sei mich aus dem Lande zu schicken, und mir nicht zugleich das mir zukommende dort, wohin ich nicht zu meinen Vergnügen gegangen bin, von sich aus selbst anzuweisen, sondern für meine Subsidien mich auf Chicanen angewiesen sein lassen, welche für Fälle ganz andrer Art ersonnen sind, so habe ich nichts dazu zu sagen. Nach den schändlichen Unkosten der mir so frevelhaft auferlegten Verweisung fragt doch kein Mensch, ein Glück dass durch des König's Gnaden ich mir jetzt helfen kann, – denn ich muss es wohl!« Die Herren verlangen nämlich eine notarielle Vollmacht mit Zeugniss von der Gesandschaft; nun ist der Freund dort ganz fremd, kennt und sieht keinen, versteht von geschäftlichen Dingen nichts, was blieb ihm da übrig als den Gehalt den man auf seine Unterschrift meinem Mann nicht bezahlen wollte, liegen lassen? ... Nun muss ich einer letzten Indiscretion gedenken die verübt. Frau v. Schnorr schreibt mir: »Von competenter Seite erfahre ich dass Seine Majestät der König Wagner wohl rückberufen möchte, dass Wagner aber nicht zurückkommen wolle.« Ich allergnädigster Herr, bin zu tief getroffen um zu sprechen, dass Euere Majestät es keinem gesagt haben weiss ich auch! So reiht sich den ein Ring an den andren in der eisernen Kette die uns gefesselt hält, und die wie der Hohn von Derjenigen ist von Der ich einst geträumt.

Da ich erfahren habe dass Euere Majestät, Genelli nicht zu beschäftigen geruhen, hab ich eigentlich nur noch um Vergebung zu bitten ihn genannt zu haben. Es geschah' nicht ohne Bedacht, Rahl in Wien ist gestorben, der Grossmeister Cornelius ist zu alt, Genelli und Kaulbach sind die Einzigen die einen grossen Gedanken produktiv auffassen können. Der letzte Teil Carton von Kaulbach ist wieder ein Unicum; da nun die hiesigen Maler nicht in's Auge gefasst werden sollten blieb nur Genelli. Wohl weiss ich dass zu einer Zeit wo die bildende Kunst hier blühte, Genelli – vielleicht gar durch eigenes Verschulden – unbeschäftigt blieb und fast verhungerte, doch verlangten Euere Majestät, einen Künstlernamen und keine Bedenken von mir, darum nannte ich ihn. Auch sind zwei Bilder von ihm (Aquarelle) vor längster Zeit, von grösstem Einfluss auf Wagner's Entwickelung gewesen, ja es sind die einzigen Bilder welche einen eigentlichen lebendigen Eindruck auf ihn gemacht haben, sie haben manches in seinen Werken – was die Antike betrifft bestimmt. Was ich über Genelli's Kunst zu sagen hatte, und in wie ferne er sich für diese Bestellung wohl eignen würde, glaube ich nach dem Beschluss Euerer Majestät zu verschweigen zu haben, indem ich mich nochmals entschuldige es so schlecht getroffen zu haben.

Ich schliesse nun den langen Bericht, und bitte Euere Majestät, unterthänigst mir zu verzeihen wenn ich die gütige Geduld Euerer Majestät, durch zu eingehende Mittheilungen gemisbraucht habe, und mir zu vergönnen mich mit ewigen Dank zu nennen

Euerer Majestät

treugehorsamste Dienerin

Cosima von Bülow-Liszt

München am 18ten Januar 1866./

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36

Theure, hochverehrte Frau!

Tausend Dank für Ihre freundlichen Briefe, die mir auf's neue klar beweisen, wie wahrhaft gut Sie es mit mir meinen. – Ach, ich kann Ihnen unmöglich schildern, mit welchem großen u. tiefen Schmerze mich Ihr letzter Brief erfüllte! – Nein, nein, wenn die Welt Ihm, dem einzigen Freunde, noch so feindlich gesinnt ist, Ihm noch soviel Weh bereitet, so wollen Wir doch Seinen Tod nicht wünschen, der Gedanke könnte mich rasend machen, ohne Ihn wäre das Leben leer, inhaltslos, die Erde ein traurig-ödes Grab. – Hier, (ich bleibe dabei) wird Er einzig die Ruhe, nach welcher Er rastlos strebt, finden können. – Wohl haben Sie recht, theure, hochverehrte Frau, es sind viele Änderungen dringend nothwendig, doch ist der Zeitpunkt hiezu noch nicht gekommen! – Wann werden Sie den innig Geliebten besuchen? – Mein Glaube ist fest, ist unerschütterlich an Ihn, das Heil den Erlöser der Welt, an den theuersten d. Menschen, das Gewitter wird sich verziehen, die Wolkenschatten weichen, und umso glänzender, und herrlicher wird Seine Sonne Uns strahlen! – Jene Geldfrage werde ich mit Freuden nach Seinem Wunsche erledigen. – Der Geliebte scheint mir vollständig entmuthigt zu sein; ich finde, Er hat durchaus keinen genügenden Grund hiefür. –

Nun über Genelli. – Ich ertheilte ihm den Auftrag einen Carton aus den »Nibelungen« zu zeichnen, er bat mich aber denselben zurück zu nehmen; wie mir scheint, so hat er, ebensowenig wie Kaulbach Lust, Scenen aus einer » Oper« zu entwerfen. – Elende Menschheit; verriegelt u. vernagelt! –

O Wir leben in entsetzlichen Zeiten u. doch verläßt mich nicht mein Glaube, mein Hoffen. – Der Neid der Götter soll »Ihm« nichts anhaben können, Wir wollen kämpfen, kämpfen. – – Wir müssen, ja müssen endlich doch siegen; es ist ja gar nicht anders möglich, es gäbe ja dann nichts Heiliges mehr, kein Gott wäre je sonst. – O diese Liebe zu Ihm sie gibt Kraft zu Allem, sie hat den Knaben beseligt, den Jüngling begeistert, sie wird den Mann zur Thatkraft stärken u. hat es schon gethan; sie donnert die Unverständigen in den Staub mit Riesengewalt, Sie werden es sehen. – Heil Ihnen, Theure, und Dank, auch Ihr Glaube ist » ewig«. – Innige Grüße aus treuem Herzen von

Ihrem

sehr geneigten

Ludwig.

am 19. Jan. 1866. –

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37

Erhabener König!

Theurer, gnadenreicher Herr und Gebieter!

Aus höchster Höhe kam mir Trost, vom entfernten Gral vernahm ich die Botschaft, der hehrste Freund sandte Muth mir und neue Hoffnung!

Der Brief den ich heute vom Freund erhielt zeugt von gleicher Stimmung; »was soll ich thun? – schreibt er unter andern, – ich bin gedrängt. Wo ich zu Ostern bin, muss ich bleiben können. Ein Sommer in Genf ist unter den Verhältnissen unerschwingbar – So muss ich denn noch einmal mit mir berathen, um zu dem letzten, am Ende doch wieder einigermaassen erschütterten Entschlusse zu kommen. Es muss aus mir kommen: ich fühle das! Niemand kann mir rathen: nur Einer könnte helfen.«

Ich gedenke nun schweigsam vielleicht Montag zu verreisen, selbst ohne dem Freund mich angemeldet zu haben; was soll und darf ich ihm von meinem König und Herren melden?

Wie gütig und gnädig von Euerer Majestät, mir den Grund anzugeben der allerdings Genelli unmöglich macht. Ich habe sie wohl an diesem Zug erkannt die Hoffahrt der Maler die auf eine glänzende Vergangenheit gestützt sich als die Patrizier der Kunst betrachten, und auf die armen Musiker von der Höhe ihrer durch Jahrhunderte angesehenen (wenn auch zuweilen kümmerlichen) Stellung herabblicken; sie gönnen es auch der Musik nicht, der armen in allen ihren Helden von der Welt Verfolgten, dass sie einen Beschützer fand, denn die Zeit ist vorüber wo der herrliche da Vinci zugleich Dichter Musiker und Maler war! Nebenbei ist vielleicht Genelli ein Bedenken über sein »Können« gekommen! Als der Hochselige Vater Euerer Majestät, ihm den Auftrag gab ein Sujet aus der Geschichte Bayern's zu malen erklärte er seine Unfähigkeit dazu; er hat sich in die Antike so hineingelebt dass ihm andere Gegenstände fast wildfremd sind, dieses wollte ich noch bei meiner Empfehlung hinzufügen. Hätten Euere Majestät, Abneigung gegen Wislicenus auch in Weimar, der nicht die Meisterschaft Genelli's besitzt, doch Schwung und Poesie in seinen Compositionen entfaltet? Sollten Euere Majestät einst Musse dazu haben, würde ich mir erlauben von einem jungen französischen Talente zu reden, das ich zwar nicht persönlich kenne, von dem ich aber weiss dass er Wagner bewundert und verehrt. Kaulbach bat mich zweimal um den Nibelungenring, sollte er wirklich so wenig Divination für das Schöne haben? Wäre es Euerer Majestät genehm wenn ich, ganz unoffiziell bei Frau v. Kaulbach anfrüge ob ihr Mann wohl gerne zu dem Gedichte Bilder schaffen würde?... Wie richtig durchschauen aber Euere Majestät, die Engherzigen Gehirnlosen Specialisten! »Oper«! ... – ...

Nochmals lese ich die theuren verheissungsvollen Zeilen, mit welchen mein Herr und Gebieter, den schönen Brief beschliesst. Wie ich an eine ewigen Liebe glaube, glaube ich an Sie, gottgesandter, geweihter, hehrer König – theurer Freund!

Nie hat mein Glauben gewankt, nun tritt wieder die Hoffnung leichten sanften schwebenden Schrittes zu mir! Segen, Segen, dreifacher Segen ob Euerer Majestät, heiliges Haupt!

Euerer Majestät

treu gehorsamste Dienerin

Cosima von Bülow

20. Januar 1866

Darf ich mir gestatten noch eine Zeile hinzuzufügen? So eben erfahre ich dass Semper wegen seinen Plänen besorgt ist, erlauben mir Euere Majestät, wohl anzufragen ob dieselben in den Allerhöchsten Händen gelangt sind? Und dieser Frage darf ich vielleicht meinen tief innersten Dank beifügen, wegen der allergnädigsten Erledigung der Gehaltes-Angelegenheit!

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38

Theure, hochverehrte Frau!

Mit Jubel las ich heute Ihren theuren Brief, aus welchem neue Hoffnung strahlt, mit Entzücken erfüllten mich die Zeilen aus dem Briefe des Geliebten, welche Sie mir mitzutheilen die Güte hatten. – Da lese ich nun das Telegramm; soll jeder Hoffnungsschein verglimmen; nein, nein, das ist unmöglich. – Ich glaube fest, daß in einigen Monaten (wie ich schon neulich schrieb, etwa im Mai) der Theure zurückkommen kann; aber vor dieser Zeit kann Er, davon bin ich fest überzeugt, hier die Ruhe nicht finden, denn die Verhältnisse haben sich zu traurig u. ungünstig für Ihn gestaltet. – Jetzt Schweigen, sich nichts von dem sehnlichen Wunsche merken lassen, dieß halte ich für das Beste; dann gedenke ich kühn u. unerschrocken zu handeln, dann die That! – Also Er ist fest entschlossen nicht zurückzukehren! Er sucht, was Er in der Fremde, in der Ferne sicher nicht findet! Es bleibt also bei ewiger Trennung, bei entsetzlicher Entsagung, die doch nichts hilft! – O Gott, Gott das ist fürchterlich! – Werden Sie, hochverehrte Frau doch am Montag zu Ihm eilen? O ich glaube Sie thäten wohl daran, können Ihn zurückhalten von Schritten, die sicher weder zu Seinem Frieden noch zu Seinem Glück beitragen. – O ich bitte Sie, grüßen Sie den Theuren, den Einzigen aus tiefster Seele von mir, sagen Sie ihm, Er möge den Freund, der Ihm geboren ist, nicht ganz vergessen; ich preise Ihn, flehe Heil herab auf Sein geliebtes Haupt. –

Wenn Sie die Güte haben wollen, Fr. v. Kaulbach in unoffizieller Weise zu fragen, ob ihr Gemahl gerne Kartons aus den »Nibelungen« zeichnen würde, so würde mir dieß sehr angenehm sein; – ich erfuhr neulich, er würde mit Freuden Kartons aus der Edda entwerfen; jedoch nicht nach Wagner's Angaben, nicht nach Seinen Nibelungen; – vielleicht ist Kaulbach zu bekehren; doch nicht wahrscheinlich. – Semper's Pläne sind nicht an mich gelangt. – Wäre doch der Winter endlich vorüber; ach mir ist als könnte Vieles anders werden, wenn Ostern vorbei wenn der Wunder- der Wonnemond strahlt! – Herzlichen Gruß aus dem Grunde der Seele von

Ihrem

sehr geneigten

Ludwig.

den 20. Jan. 1866. –

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39

Erhabener König!

Theurer Herr und Beschützer!

Ich hatte dem Freunde telegraphisch gemeldet dass ich ihn zu besuchen gedenke, – hier seine Antwort! ... In dem heute empfangenen Briefe schreibt er dass Feuer in dem einzig heizbaren Kamin seiner Wohnung ausgebrochen ist, dass er nun fort muss, so drängt denn das Verhängniss auf ihn und Uns ein, düstere Ahnung beklemmt mir das Herz. Euere Majestät werden, nach des Freundes Aussage morgen einen Brief von ihm empfangen.

In dunkler wie in strahlender Zeit ewig treu, verbleibe ich Euerer Majestät

Ergebene, Gehorsame Cosima von Bülow-Liszt

21 Januar 1866./

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40

Hochverehrte Freundin!

In tiefem Kummer, in herzzernagender Sorge wende ich mich an die traute Freundes Seele. – Heute erhielt ich den verheißenen Brief des geliebten Freundes, den ich Ihnen hier zum Lesen sende. – Ich sehe aus demselben aufs neue, daß Er urtheilt, ohne die Verhältnisse von denen Er spricht, genau u. bestimmt zu kennen. – In Vielem möchte ich Ihn mit Tasso vergleichen, der auch ein künstliches feindliches Truggewebe zu erblicken wähnt, das sich drohend über seinem Haupte zusammen gezogen hat; in Manchem auch, ich gebe es zu, mag der Theure recht haben, doch nicht in Allem, nicht in Allem! – Er spricht von Lerchenfelds Entlassung; ich that recht ihn in Ungnade fallen zu lassen; denn sein Vergehen hat es verdient. – Pfordtens und Pfistermeisters Entlassung wäre ein in jeder Beziehung unkluger Schritt von mir, wenigstens für den Augenblick. – Ich sehe klar voraus, nirgends wird u. kann der Freund die ersehnte Ruhe finden, wenn nicht hier. – Vieles wird sich in einigen Monaten klären, deßhalb thue ich recht schweigend zu warten. – Theure, hochverehrte Frau, ich beschwöre Sie veranlassen Sie den Geliebten die Rückkehr-Gedanken nicht aufzugeben, ach Gott, Er muß kommen, nirgends kann Er Schaffensmuße finden; ich bitte Sie dringend bewegen Sie den Geliebten zur Rückkehr im Mai. – Lassen Sie nicht nach in Ihn zu dringen, um Seiner Ruhe, Seines Glückes willen, beschwöre ich. – O jetzt ist es ja noch Zeit, jetzt kann ein gütiger Gott den Entschluß in Seiner Seele wenden; jetzt ist Sein hiesiges Haus noch nicht verkauft. Gräßlich u. herzzerreissend ist das, was Er über jene Wahrsagerin sagt. – Nein, nein, Er darf nicht arm u. elend werden, o rathen Sie, helfen Sie! – Ach lebte Er doch nur einzig Seinen Werken, so Vieles wäre dann anders. – Er martert Seine Phantasie durch Vorspiegelung aller nur erdenklichen Cabalen, die nicht (oft nicht) gegen ihn gesponnen werden. – O Ruhe, du Gott! – Daß Er so gänzlich in einer andern Welt leben muß! – Auch an Seine Arbeit kann Er jetzt nicht denken. – Hier habe Ruhe Er gefunden, hier ruh' Sein Schiff in sichrem Port! Traurig, sehr trüb ist meine Stimmung! – Wir dürfen nicht geschieden sein, Sie werden es einsehen; Wir gehören Uns an! Heil d. Trauten, dem Einzigen. –

Ludwig,

den 22. Jan. 1866

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41

Erhabener König!

Theurer huldreicher Herr!

Mein gnadenvoller Freund!

Wüsst ich nicht dass ich das höchste Vertrauen mit den Gefühlen der Demuth und Treue in mir aufnehme auf die es so herrlich baut, ich wüsste gar nicht wie ich danken sollte. So nehme ich es hin das göttliche Geschenk, erwiedern kann ich es nicht, doch unentweiht, heilig bewahre ich es in der Seele, und es macht mich selber seiner würdig.

Mit wahrem Schrecken habe ich den grossen Brief des Freundes an Euere Majestät, gelesen, ach! möchte er doch all' die Namen und die Personen vergessen, und nur eins wissen dass sein königlicher Freund ihn liebt und beschützt! Doch freilich bringt sein jetziges Elend ihm alle die traurigen Verhältnisse nah!, er kann es nicht verstehen dass er von Euerer Majestät, so wunderbar geliebt, doch scheiden musste, und das Einzige worauf es ihm ankommt die Ruhe, den »neidischen Göttern« preisgegeben sehen musste. Wohl ist er mit Tasso zu vergleichen der als Dichter in dem einzelnen ihn betreffenden Fall, das ganze Elend der Welt erblickt; allein ist Tasso im Unrecht, und muss man nicht im Moment wo er einsam verlassen und doch schuldlos da steht, die Welt verabscheuen die das Genie zur Excentricität verdammt? »Lebte er nur einzig seinen Werken« sagt mir mein Herr und König! Ach! wie oft habe ich das gefühlt! Darf ich Euerer Majestät gestehen, dass ich den Freund regelmässig schalt als ich ihn beim »Tagebuch« fand, und doch wie herrlich sind diese Blätter! Allein sie haben Unheil über ihn gebracht, und ich empfand es im Voraus. Montag telegraphirte er im Moment der Abreise, Gestern schon von Toulon, wo er aber nur einige Stunden sich aufzuhalten gedenkt. Ach Gott! Diese Irrfahrt! Die einzige Möglichkeit seiner Rückkehr ist nun dass er nichts findet, und wie traurig ist sie; wo soll er die Zeit bis im Mai verbringen? Heute empfing ich einen Brief den er mir noch Sonntag abend in Genf geschrieben hat: »Morgen früh 6 Uhr reise ich hier ab. Der Plan bleibt wie er Dir mitgetheilt war. Dass ich gestern noch einen schlimmen Abend und eine sehr – sehr schlaflose Nacht hatte, kannst Du Dir denken. Dein Entschluss, mich plötzlich zu besuchen, kam wie eine freudige – Schreckensbombe herein gebraust. – Es war hart mir diess eben jetzt geboten zu sehen!... Nach Deiner vorangegangenen Depesche konnte Dein plötzlicher Besuch nur ein Versuch sein – mich von meinem Entschluss abzuhalten! Hätte ich geschwankt, war alles verloren. Ich fühlte dann lieber gleich da und wehmüthig alles acceptiren um nach München zurückzukehren. Kein Wort wäre dann mehr zu reden gewesen; jeder Wiederstand meinerseits nur Ziererei. Ich musste die Durchführung meines Entschlusses mit der Härte Deinen Besuch abzulehnen, erkaufen. Nun ist's geschehen.« Nun wiederholt er nochmals warum die Genfer Niederlassung unmöglich sei und schliesst: »Dann will ich aber am ersten März da sein wo ich bleiben kann, um ganz zu bleiben. Eine provisorische Niederlassung, wie? Und das Münchener Haus dazu! Siehst Du nicht ein, dass dieses geräumt, aufgegeben und verkauft werden muss? Und dann ich will nicht mehr dorthin zurückkehren: alle Nerven zucken und schmerzen mir wenn ich daran denke. Ich will aus der Welt sein, ich will dort sein, wo ich bleiben kann – Dass ich's kann verdanke ich doch immer einzig dieser wunderbaren Liebe Parzivals!...«

Dass Euere Majestät, vieles was der Freund jetzt ausspricht als selbstquälende Phantasien erscheint, wohl ist es erklärlich. Doch wie soll der Theure, seine Lage begreifen, wie soll er klar darin sehen, muss er nicht nothwendig annehmen dass eine Welt sich gegen ihn verschworen hat?

Ich bin so trübgemuth dass wie neulich der Sekretair Euerer Majestät, nur den Namen des Freundes nannte, ich aller Vernunft und aller Würde zum Hohne in Thränen ausbrach! Ich kann kaum Menschen sehen und fürchte wer mich nach dem Theuren fragt. – Ich habe es gewagt durch Herrn Lutz eine unterthänige Bitte an Euerer Majestät zukommen zu lassen, die gnädige Gewährung derselben, für welche ich tief innigst danke, theilte ich Frau Porges mit, und erlaubte mir hinzuzufügen (da sie um nichts gebeten hatten) dass käme dereinst das Conservatorium zu Stande wir ihrer gedenken würden. Hoffentlich genehmigen Euere Majestät, dieses Wort, ich mochte die guten Leute die in redlich fleissiger Absicht herübergekommen sind, nicht ohne weiteres und mit einer blossen Entschädigung ziehen lassen.

Da ich erfahren habe dass Euere Majestät den Befehl ertheilt haben die h. Elisabeth im k. Hof und Nationaltheater aufzuführen, habe ich an Baron Perfall geschrieben, für eine fest geschlossene Dekoration besser noch für eine den Ton reflektirende Schallwand zu sorgen. Ich weiss dass dieser Umstand meist vernachlässigt wird und dann grosse Noth verursacht. Den Vortrag des Prof. Eckart will ich suchen mir zu verschaffen. Semper's Pläne aber, wie soll ich zu diesen gelangen wenn sie mit dem Freund seine Sachen eingepackt sind? Ist seine Rückkehr als Möglichkeit von ihm dahingestellt will ich alles aufmachen lassen, bis dahin aber, ist es nicht besser die Sachen ruhig stehen zu lassen? Was Euere Majestät, hierüber bestimmen, ich werde es unbedingt befolgen, ohne selbst den Freund zu befragen, von dem ich nicht weiss wo er weilt, und der mich telegraphisch kaum recht verstehen würde, da er gewiss selbst nicht weiss wo die Pläne geblieben sind; nach seiner Abreise ist erst gepackt worden.

Ich glaube, mein theurer gnädiger Herr, alles beantwortet zu haben; sollt ich etwas unterlassen haben, wollen Euere Majestät, die grosse Güte haben es mir zu vergeben, anbetracht der Noth in der mein Herz jetzt gebannt ist. Sorgenvoll hinkt mein Gedanke dem armen »hold unsel'gen Manne« nach, und mit Mühe bring ich ihn auf Anderes!

Dass aus diesem Leiden Uns erblühe Heil, erflehe ich von den himmlischen Mächten; dass Unsrem einzigen freundlichsten Freunde, unserem hohen Beschützer, Unserem geliebten Könige, Glück erblühe, gäbe ich freudig Ruhe und Leben hin!

Euerer Majestät

Getreue, Ergebene, Gehorsame

Cosima von Bülow-Liszt

24ten Januar 1866/.

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42

Hochverehrte Freundin!

In aller Eile einige Zeilen. – Zuvörderst herzlichen Dank für Ihren theuren Brief. – Ich halte es vorläufig für gerathener, Sempers Pläne nicht zu suchen. – So gerne läse ich die Beschreibung des im Venusberge aufzuführenden Tanzes; ich weiß er hat nichts gemein mit dem nichtigen Treiben des banalen Balletes. – An Einem liegt mir unendlich viel. – Halten Sie es wirklich für ganz unmöglich, daß der Freund sich je bereit erklärt, je wieder hieher zurück zu kehren? – Versprechen Sie mir feierlich, Alles aufzubieten, um Ihn hiezu zu bewegen!? – Sie schreiben Ihm (wie Sie mir mittheilten) Sie hielten es für recht u. erlaubt, auf äußere Pracht u. irdischen Glanz zu verzichten; doch nicht für erlaubt u. billig, dem Geliebten zu entsagen. – Er will, ich soll Ihm Genugthuung verschaffen durch Entfernung einiger Personen: die einzige Genugthuung die ich Ihm geben kann u. darf ist, daß ich den Theuren in kurzer Zeit wieder hieher berufe, trotz aller Stürme u. Kämpfe. –

Haben Sie Nachrichten von Ihm u. Herrn v. Bülow? – Kann ich sicher auf »Tannhäuser« u. »Lohengrin« für d. Sommer zählen, ich baue fest darauf. – Gott stärke Uns, es sind fürchterliche Zeiten! – Ist kein Manuskript von Jesus v. Nazareth od. Seinen andren, rein dramatischen Werken zu haben?! – Ach könnte ich wieder etwas v. Ihm geschriebenes lesen; ich sehne mich, wie der Hirsch nach der Wasserquelle darnach; wie der Gefangene nach Freiheit! –

Und doch, trotz allen Elendes, trotz der fürchterlichsten Qualen werden Wir siegen; ich weiß es; aber der Freund soll nicht Alles zerstören, Er soll ruhig Seinen Werken leben, nicht verzweifeln; ach ich begreife wohl, Seinen Kummer, Sein Streben nach Ruhe, Alles Alles soll Ihm tausendfach vergolten werden; die Liebe, die himmlisch-erhabene, sie rettet, sie strahlt in Leidensnächten, bereitet einst Wonnen, verscheucht jegliches Weh! –

Mit herzlichen Grüßen

Ihr

sehr geneigter

Ludwig.

am 26. Jan. 1866.

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43

Erhabener König!

Gütiger Herr, gnadenvoller Gebieter!

Nur mit wenigen Worten vermag ich es heute Euerer Majestät, zu danken – trübe Botschaften stürzen schaarweise auf mich ein. Zuletzt erfuhr ich den plötzlichen Tod der Frau des Freundes; und mir blieb es nun bestimmt ihm diese Nachricht mitzutheilen! Er ist krank im Hotel in Marseille, ganz einsam und fremd, doch musste ich schreiben ... Ich erhielt einen Brief aus Toulon, dort hatte es ihm nicht gefallen, er suchte nun weiter, o! der Irrfahrt! »Heute – schreibt er (Dienstag abend) – wirst Du meinen Notenpapierbrief erhalten haben. Himmel, jetzt ein Zauberschlag, Ruhe und sanftes dauerndes Geleis – aus die Meistersinger was sollten die uns gute Laune machen. Da sollst Du mich an der Arbeit lachen hören. Das thu' ich, weinen oder lachen. – Das ist auch mein ganzes Geheimniss«. Immer beharrt er bei der Unmöglichkeit zurückzukehren. Mein theurer Herr und König, was kann ich nun thun? Alles habe ich gesagt, der Freund hört nicht auf mich, und von der andren Seite seh ich die Unmöglichkeit die Veränderungen eintreten zu lassen, die ihm die einzige Garantie seiner Ruhe sind, doch ich will nicht verzweifeln. Ich las heute früh dass die Deputationen nun ankommen – Darf ich den – huldreichen Freund bitten sie gnädig zu empfangen? Dass mich die Leute und ihr Programm wenig kümmern und mühen, dass ich nur um Einen im Bayernlande besorgt bin – soll ich das entschuldigend hinzufügen? Als ich erfuhr dass mein König und Herr, durch seine Güte alles bei dem neulichen Empfang begeistert und entzückt hätte, könnt ich mich eines Gefühles des Neides gegen diese Allen nicht erwähren, dann ward ich aber bald gehoben durch das Bewusstsein dass ich sie noch weit tiefer kenne diese Güte die gepriesene!

Kaulbach unterbrach mich mit seinem Besuche; seine Frau hat ihm meine Anfrage übermittelt. Mit seiner ganzen Kunst steht er Euerer Majestät zu Diensten und wird mit grosser Freude zu dem »Ring des Nibelungen« die Cartons schaffen. Nur möchte er die Wahl der Situationen frei haben, weil ihm manches nicht gut für die Malerei darstellbar scheint; wenn es Euere Majestät so bestimmen möchte er mit mir die Gegenstände immer besprechen, damit ich dann Euerer Majestät, darüber referat unterthänigst abgäbe. Er wird sehr gern an diese Arbeit gehen, und dieser kleine Erfolg hat mich gefreut. Mein Mann hat zweimal mit grossem Erfolg in Würzburg gespielt, heute ist er in Stuttgart wo er auch Conzerte giebt – nächsten Donnerstag beginnen hier die Proben zu der h. Elisabeth. Er hatte den Brief noch nicht erhalten in welchem ich ihm den Allerhöchsten Auftrag mittheilte.

Ich erlaube mir Euerer Majestät, die Beschreibung des Tannhäuser-Ballets zu übersenden, und den Anfang der Copie der begonnenen Biographie, unterthänigst zu Füssen zu legen. Was kommt nicht alles zwischen dieser friedlichen Arbeit und ihre Vollendung? Ergeben neige ich das Haupt, und will ohne Murren bis zur Neige ihn leeren den bittren Kelch!

»Siegfried« ist also auch vollendet! Wie bin ich Euerer Majestät, dankbar für das Bildchen! Als ich neulich den Wintergarten Euerer Majestät besuchte, dachte ich mir unwillkürlich die fünf Statuetten hinzu, ich sehe nicht gerne Bäume ohne Sculptur, und mag Sculpturen nicht in andrer Umgebung sehen als inmitten grüner Pflanzen, und so stellte ich in meiner Phantasie Siegfried Tannhäuser Lohengrin, Holländer und Tristan auf! Dass ich so Kindisches zu schreiben wage, vergeben mir gütig Euere Majestät? Ich schliesse mit des Freundes letzten Worten: »Eine sonderbare Bevölkerung in so einer Stadt. Die jungen Frauen sind bereits sehr auffallend durch sanfte südliche Art. Das beginnt doch schon in Lyon, L. Napoleon baut auch hier. Lyon erkannt ich kaum wieder (und das war das beste daran). O Biographie! – Nun aber sich denken dass diese Pracht und Lebendigkeit nichts, gar nichts ist, wie essen, trinken, sich kleiden, wohnen und vermehren. So was muss man einmal wieder recht inne werden, um dahinter zu kommen, was im Grunde genommen die kleinsten deutschen Nester zu bedeuten haben! – (Wollen wir einmal wieder »Tagebuch« schreiben?) Nun! Nicht verzweifeln! Ich sag's mir selber! Ich hab's beschlossen und ich gehe bis aufs Aeusserste. Welche Genugthuung mir werden sollte, kann ich nur mit jedem Tag weniger ermessen! Aber wir, wir wollen hoffen! Halte Dich nur brav, wanke nicht in den guten Vorsätzen.«

Noch bleibt mir um Vergebung zu bitten wegen meiner schlechten Schrift; seit einigen Tagen aber, zittert mir die Hand fast unaufhörlich, Euere Majestät werden gütige Nachsicht ertheilen

Euerer Majestät

treu gehorsamsten Dienerin

Cosima von Bülow-Liszt

27ten Januar 1866 ./

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44

Theure, hochverehrte Frau!

Ach, welche Nachricht, Seine Gattin ist gestorben! – O Gott helfe Ihm, stärke Ihn im Schmerze. – Wie danke ich Ihnen für die Copie Seiner Biographie! Wie poetisch, wie tief gedacht u. empfunden ist die Schreibung des Tanzes u. der Bilder im Venusberge; mit großem Interesse las ich die Schrift; wie würde es mich freuen könnte ich einmal eine Abschrift davon erlangen, etwa durch die Hand eines Kanzleischreibers, wenn es Ihnen recht ist. – Wie freut mich das, was Sie über Kaulbachs Entschluß mir mit zu theilen die Güte haben; den darauf bezüglichen Auftrag gedenke ich ihm später zu ertheilen, da ich zuvörderst einige bildliche Darstellungen aus Schiller'schen Werken von seiner Hand wünsche. –

Heute erhielt ich beiliegendes Telegramm von dem geliebten Freunde. Ich erblicke darin einen Hoffnungsschimmer! – Es wird noch Alles herrlich enden. – Glauben Sie nicht auch, daß Hoffnung u. Muth aus demselben zu schöpfen sind? – Bis jetzt sind nur »Lohengrin« u. »Tristan« in Marmor ausgeführt. –

Wie freue ich mich auf die Aufführung der hl. Elisabeth! – Mit festem Willen kann gewiß »Tannhäuser« nach der neuen, wundervollen Bearbeitung im Sommer zur Darstellung gebracht werden. – Nun muß ich schließen, meine Zeit ist immer sehr in Anspruch genommen. – Es drängt mich, Ihnen, hochverehrte Frau, nochmals zu sagen, wie unaussprechlich mich der Theil der Biographie des Geliebten erfreut, innigen Dank dafür aus ganzer Seele von Ihrem

geneigten

Ludwig.

am 27. Jan. 1866. –

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45

Erhabener König!

Gnadenvoller Herr und Gebieter!

Mit tiefem Danke sende ich die Depesche zurück die ich in demselben Sinne auffasse als Euere Majestät. Ich ersehe aus ihr dass der Freund die Todesnachricht vielleicht noch gar nicht empfangen wird. Dann bring ich sie ihm vielleicht nach Genf um die Erschütterung zu lindern, und um zugleich deutlich zu erkennen was des Freundes letzte Absicht ist.

Wenn es Euerer Majestät, genehm ist will ich den Plan des Ballets selbst abschreiben sobald meine Hand etwas sicherer ist.

In treuester unterthänigster Gesinnung habe ich die Ehre zu verbleiben

Euerer Majestät

gehorsamste Dienerin

Cosima von Bülow-Liszt

27ten Januar 1866/.

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46

Hochverehrte Freundin!

Freundlichst ersuche ich Sie, dem Theuren beiliegenden Brief von mir übergeben zu wollen, im Falle Sie Ihn besuchen; o wie wird es Ihm wohlthun, Sie zu sehen! –

Ich kann Ihnen gar nicht genug sagen, wie mich die Biographie entzückt, die ich Ihrer Güte verdanke! – O wenn der Freund sie recht bald fortsetzen wollte! – Für die lieben Zeilen von gestern Abend Ihnen vom Herzen dankend, bleibe ich stets, hochverehrte Frau,

Ihr

sehr geneigter

Ludwig.

am 28. Jan. 1866

O gelangte mein Brief bald in die Hände des Theuren! –

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47

Meinen herzlichen Dank für die freundliche Übersendung des Telegramms. – Werden Sie den Theuren bald wiedersehen? –

Ludwig.

[29. Jan. 1866]

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48

Erhabener König!

Theurer gnadenvoller Herr!

Ich habe mir erlaubt, die gestern Abend erhaltene Depesche, Euerer Majestät, mitzutheilen, nach welcher ich nun vorläufig nicht verreisen werde, da ich aus ihr ersehe dass der Freund gefasst ist; ein so eben angekommener Brief bestärkt mich in diesem Entschlüsse; der Freund ist »betäubt« doch ruhig. Soll ich nun den Brief meines gnädigsten Herrn, durch die Post senden? Ich harre des Allerhöchsten Befehles.

Tief danke ich Euerer Majestät, die Abschrift der Biographie so gnädig aufgenommen zu haben – ungefähr noch die Hälfte habe ich zu schreiben, und ich hoffe sie im Beginn der nächsten Woche meinem Herrn, zu Füssen legen zu dürfen. Ich erlaubte mir den Anfang vorauszusenden, weil Euere Majestät den Wunsch aussprachen, bald etwas vom Freunde zu lesen zu bekommen. Leider meldet mir der Theure, dass er keine Sylbe daran schreiben will, bis ich wiederum mit ihm arbeiten kann. (Er hat sie mir nämlich dictirt).

Dem Freunde habe ich auch einige Zeilen von Professor Echter bezüglich des Cartons zu Tristan und Isolde zu übermitteln. Ich erlaubte mir neulich betreffs des letzten Walkyren Bildes im Nibelungen Cyclus eine Bemerkung zu machen welche hoffentlich die Genehmigung Euerer Majestät, finden wird. Das Schild war nämlich wie von ungefähr auf den Schooss der schlafenden Brünhild gelegt, ich bat Professor Echter, welcher alle möglichen triftige malerische Einwendungen machte, sie damit zu bedecken. Neulich meldete er mir dass er es doch nach meiner Angabe zu Stande gebracht hätte, und dass es sich sehr schön ausnehme, sagte mir auch zugleich dass der Zutritt zu dem Nibelungen-Gang dem Publikum versagt sei. Habe ich gegen dem Gebote gehandelt indem ich wie früher öfters mit dem Freunde die Bilder angesehen, unkundig des Befehles, so bitte ich Euere Majestät, mir gütig zu vergeben, sollten aber Euere Majestät, mir gnädig gestatten wollen, zuweilen die mir so lieb gewordenen Compositionen in ihrem Fortgang zu verfolgen, so wäre ich dadurch tief erfreut. Allein dieser Zusatz soll nur zur Begleitung und Erklärung meiner Entschuldigung dienen. Mein gütiger Herr, mein gnadenreicher König und huldvoller Freund, gestattet wir wohl stets, Ihm ewige Treue zu geloben, und mich zu nennen

Euerer Majestät

treu gehorsamste Dienerin

Cosima von Bülow-Liszt

29ten Januar 1866/.

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49

Sehr beschäftigt, komme ich nur dazu, wenige Worte zu schreiben. Es wäre mir sehr angenehm, wenn Sie meinen Brief an den Freund durch die Post besorgen lassen wollen. – Mit herzlichen Grüßen

Ludwig.

[29. Jan. 1866]

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50

Theure, hochverehrte Frau!

Hier sende ich Ihnen eine Schrift, die ich heute erhielt; ach wie hat sie mich ergriffen; welch traurig-fürchterliche Allegorie, welch ein trübes Bild das Er entwerfen wollte. – O käme Er wieder der ersehnte Freund! –

Sie drückten mir neulich den Wunsch aus, hie u. da von dem Fortschritte sich selbst überzeugen zu wollen, den Echter's Bilder machen; es ist mir ganz recht, wenn Sie dieselben manchmal in Augenschein nehmen wollen. –

Es drängt mich Ihnen auszusprechen, daß es mir wirklich vom Herzen leid ist, Ihren freundlichen Wunsch bezüglich des Empfanges jener Deputation nicht erfüllen zu können; aber wichtige politische Erwägungen bestimmten mich, dieselbe nicht selbst zu sehen. –

Haben Sie keine Nachrichten vom theuren Freunde? – Er kann meinem Flehen im letzten Briefe nicht widerstehen, Er wird – Er muß kommen. – Mit freundlichen Grüßen

Ihr

sehr geneigter

Ludwig.

am 31. Jan. 1866. –

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51

Erhabener König!

Theurer hoher Herr!

Beschützer und Gebieter!

Meinen innigsten Dank lege ich dem königlichen huldvoll vertrauenden Freunde zu Füssen! ... Auch ich hatte heute einen Brief, und gestern eine Depesche die ich mir gestatte Euerer Majestät, mitzutheilen. Der Brief sagt der Freund wolle acht Tage still stehen und die Augen schliessen. »Nach acht Tagen vollen Stillstandes will ich mich wieder mittheilen. Wohl genese ich noch einmal und komme zur Ruhe. Jetzt kann ich nicht mehr, kann nicht mehr, und die mindeste Berührung schmerzt mich. – Nichts nichts will ich mehr sehen, nichts mehr wissen! Ich muss eine kurze Zeit taub und blind sein. – Nun sorge für Dich! Mache es gleich mir, wir gehen wahnsinnig zu Grund, wenn das so fortfährt. – Einmal noch mögen sich die Nerven beruhigen! Wohl gelingt es, und dann – künstlich sehr künstlich leben, – »Mit der Natur« hat es bei mir ein Ende. Du verstehst mich, das ist mein Trost. Ich ›hoffe‹ – wenn volle Beruhigung möglich ist.«

Wie ergriff mich das Roland-blatt. O! himmlischer Gott, gebe dass alle Erfahrung lüge, alles Wissen eitel und nichtig sei, dass einzig wahr und mächtig Unsre Liebe bleibe! ...

Wie dank ich meinem Herrn, gnädig verstanden zu haben wie ich die Bitte, (»den Wunsch«) demüthig ausgesprochen habe. Darf ich erklärend entschuldigend hinzufügen dass ich es gern sah' dass die Leute die erhabene Person des Königs von allem trennten und nur auf Sie bauten, nur Sie anriefen. Ich weiss sehr wohl dass es nicht in der Politik so hergeht dass man Peter und Paul befragt wie es ihnen wohl behagt, auch fiel es mir nicht ein dass auf das sogenannte Programm Rücksicht genommen werden könnte, nur schien es mir als ob der gnädige Empfang nichts anderes bedeute als: »Ihr gehöret zu Meinem Volke, ihr kommt zu mir her, unkundig der Möglichkeiten und Unmöglichkeiten des regierenden Lebens, als Vater empfang ich Euch gnädig und freundlich, als König befehle ich Euch euch zu beruhigen und Euch nicht in Dinge zu mischen die ihr nicht kennt und die meines heiligen Amtes sind.« Dies für mich der Sinn des Empfanges, mir schien er beruhigender Natur sein zu müssen. Allein was Euere Majestät thun ist wohlgethan, und wenn ich darauf zurückkomme so ist es um meinem theuren hohen Herrn, meine Entschuldigung zu Füssen zu legen.

Baron Perfall war heute bei mir meldete dass Intendanzrath Schmidt wegen des Repertoires der Aufführung der h. Elisabeth Schwierigkeiten in den Weg lege, und meinte es wäre besser wenn sie während des Urlaubes von Fräulein Stehle (Mitte März) standfände. Wollen Euere Majestät, die grosse Gnade haben den Befehl dem Intendanzrath ertheilen zu lassen damit die Aufführung zu der von Euerer Majestät gnädigst bestimmten Zeit, von sich gehe? ... Von Prof. Eckart erfuhr ich endlich heute die Adresse und schrieb ihm sogleich wegen des Vortrages. Es dauert immer alles so lang; um das geringfügigste zu erreichen, wie viel Zeit wird erheischt! Mich kümmert's nur wenn ich einen Wunsch Euerer Majestät, zu erfüllen habe.

Wie freut es mich die Nibelungen-Bilder von Zeit zu Zeit ansehen zu dürfen, – mein wahres Leben baut sich um diese Werke auf, entsetzlich fremd und gleichgiltig wird mir jetzt alles was mit dem Freund nicht in Bezug steht.

In einigen Tagen hoffe ich Euerer Majestät die beiden Copien zu Füssen legen zu können, und vielleicht zeigen sich bis dahin freundliche Zeichen an dem Himmel. Wie sich das Schicksal gestalte, mit tief gebeugtem oder hocherhobenen Haupte, verbleibe ich treu bis zum Tode

Euerer Majestät

dankbarst gehorsamste Dienerin

Cosima von Bülow-Liszt

[31. Januar 1866]

Gestatten mir Euere Majestät wohl gnädigst, beizufügen, dass ich so eben erfahre, dass mein Vater im März in Paris der Aufführung seiner Grossen ( Graner) Messe und mehrerer seiner Symphonischen Dichtungen beiwohnen wird, und meinem Manne wenn es Euere Majestät gnädigst erlauben, dort auf diese Zeit zu sich ruft?

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52

Erhabener König!

Theurer, gütiger Herr und Beschützer!

Meinen wärmsten Dank lege ich Euerer Majestät, zu Füssen: das schöne Blatt nach dem prächtigen Tellcarton gewährt mir täglich neue reiche Freude, wie sie eben nur aus der Kunst entspringt. Zugleich mit meinem Dank erlaube ich die Abschriften Euerer Majestät, dar zu bringen; wie dankbar bin ich meinem gnädigen Herrn, auch dafür dass ich diese kleine Arbeit übernehmen durfte. Mit der Copie der Biographie sind mir all die schönen Stunden wieder erstanden, in denen ich das einzige Werk mit dem Freunde begonnen habe. Gestern und Heute hatte ich Briefe; darf ich Euerer Majestät, einiges so daraus mittheilen? »Heute liess ich den Pohl ausgraben: es war schrecklich! O Buddha! Cakyamuni! Seit acht Tage lag das schöne Thier mit den grossen ernsten Augen, in der blossen ganz feuchten Erde! Dieses Jammerwrack anzusehen! Mir vergingen die Sinne. Ich hatte ihm eine Kiste zimmern lassen; diese war nun mit Heu ausgefüllt: sein Halsband legte ich ihm um, die Pelzdecke dazu: dann schliessen und verwahren. Unter einer schönen Baumgruppe unweit vom Hause haben wir ihn nun in ein ordentliches Grab gesenkt. Einen Grabstein von Jurafels »Seinem Pohl R.W.« habe ich heute bestellt. – O dieser Buddhablick in das furchtbare Wesen der Dinge. So sah ich ihn immer schon, den armen Hund, wenn Du den Lebenden lästig fandest: ich sah ihn schon halb verwesend und war so nachsichtig freundlich gegen den noch lebenden. In Dresden ist alles gut und ehrbezeigungsvoll hergegangen. O dürfte ich schweigen, ewig nur noch schweigen! Genug ich sehe Ruhe vor mir. Was soll ich Dir heut noch schreiben? Von Echter u.s.w. ein ander Mal! Jetzt habe ich meine ausbedungenen acht Tage, da verzeihst Du mir selbst, wie soll ich es nennen? – Zerstreutheit – Nicht haften? – Oberflächlichkeit? – Hehrsten Gruss an Parzival. Er gnade mir auf Seinen Feuerbrief eine kurze Geduld; ich werde dann vernünftig schreiben. Es ist und bleibt – ein Wunder! Von Roland's Tod theilte ich Ihm etwas aus Marseille mit. Ein elendes französisches (Eisenbahn)buch, hatte mir diesen Tod wieder vergegenwärtigt. Er hat mich ungeheuer erfüllt. Ach! »Sage« meine Meisterin: die ist doch die einzige wahre Dichterin; ich hatte immer Recht!« –

Gestern sprach er zu mir »Da bin ich wieder am Stehschreibtisch! ... Mein alles Beherrschendes ist jetzt eine unbeschreibliche Müdigkeit: ich bin müde zu allem und Jedem. Vielleicht rettet mich dieser Zustand. – Ich sehe zwei Monate vor mir, welche ich an demselben Ort – hier – wirklich verbleiben kann. Was ich in diesen zwei Monaten für das Heil meiner Seele thun kann was mich für jetzt einnimmt. An weiter will ich jetzt nicht denken: ich kann es nicht, – es hat ein Ende! Zwei Monate noch habe ich hier gemiethet. Zwei Monate lang hat Niemand ein Recht mich zu verjagen: – mir dünkt das ganze Leben sei mein in diesem beglückenden Gefühl! Gieb Dich mit mir dieser trostreichen Gewissheit hin! – Nach Dresden habe ich sofort von Marseille den Auftrag gegeben meiner Frau die Ehren und Rücksichten zu erweisen, als ob sie glücklich an der Seite des von ihr beglückten Mannes geschieden sei. – Ich bin so zerstreut dass ich heute den Verband – statt um den kranken – um den gesunden Finger legte, und erst nach Stunden durch den Schmerz auf den Irrthum aufmerksam wurde. Sonderbare Verwechslung.«

Mir ist es als ob die Stimmung des Freundes tröstlicher wäre, Segen und Friede über ihn!

Euere Majestät, hatten die Gnade nach den Werken des Vaters zu fragen – haben Euere Majestät, vielleicht die Aufsätze in der Neuen Zeitschrift für Musik? Wenn nicht würde ich mir erlauben mit der Allerhöchsten Genehmigung unsere Bände Euerer Majestät, zu zu senden. Auch die Symphonischen Dichtungen mit den Vorworten, falls es mein gnädiger Herr, wünscht.

Morgen abend kehrt mein Mann zurück, seine Reise war erfolgreich, hoffentlich gestaltet alles Schöne hier sich nicht zu schwer und wird es ihm ermöglicht sein Euerer Majestät, zu dienen wie er es wünscht. Noch bleibt mir Euere Majestät, um Vergebung zu bitten dass die Abschriften nicht schriftlich so gut ausgefallen sind wie ich es mir vorgenommen hatte. Die grosse jetzige Unsicherheit meiner Hand ist daran Schuld, und mir lag daran Euere Majestät, nicht länger warten zu lassen.

In ewiger Treue verbleibe ich

Euerer Majestät

unterthänigst gehorsamste Dienerin:

Cosima von Bülow-Liszt

München 3ten Februar 1866/.

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53

Theure, hochverehrte Frau!

Welch eine Freude verdanke ich Ihnen wieder! – Mit Entzücken lese ich in der Lebensgeschichte des geliebten Freundes! – Aus tiefstem Seelengrunde spreche ich Ihnen meinen wärmsten u. innigsten Dank aus für die neuen Freuden, die Sie mir bereitet haben! – Wie rührend, wie tief ergreifend ist Alles, was Sie mir aus den Briefen des Theuren so freundlich mittheilen! – O ich hoffe, ich hoffe! – Lebhaft träumte ich in der verwichenen Nacht von dem Freunde u. von Ihnen, hochverehrte Frau: Wir fuhren auf d. Vierwaldstädtersee, der Freund erzählte von Seinen Plänen u. sprach über seine Werke! – Es war ein erhebender Traum! – Wenn Sie die Güte haben wollen mir einiges der Schriften Ihres hochverehrten Vaters zu senden, so wird mich dieß innig freuen, etwa in einigen Tagen, da ich jetzt noch in der Biographie lese. – Ich freue mich von Herzen darüber, daß Herrn v. Bülow's Reise von großem Erfolge gekrönt ward! – Welche hehren, reinen Kunstgenüsse stehen ihm bevor, in Paris an der Seite seines Schwiegervaters d. Aufführung dessen herrlicher Schöpfungen beiwohnen zu können! –

Neulich kaufte ich ein Portrait Unsres unvergeßlichen Schnorr als »Lohengrin«; ich gedenke dasselbe seiner Gattin zu senden; vorgestern wurden es 5 Jahre, seit ich »Lohengrin« zum ersten Male hörte; – der Eindruck ist ewig unauslöschlich in mir! – Ich flehe inständig, ich bitte! – helfen Sie mir den Freund zu bewegen, hieher zu kommen, um nie wieder zu scheiden; dann kommen die ersehnten, wonnevollen Tage endlich; dann ist der Himmel mit Seinen Wonnen auf Erden. – Nur in Ihm ist das wahre Leben, die heilige Freude, die reine, mit jedem Tage kommt mir das Treiben der profanen Welt flacher, nichtiger vor, u. wächst meine Sehnsucht nach Ihm, dem einzigen Freunde, dem reinen, gottgeweihten Priester der wahren, beseligenden Kunst! – Heil Ihm u. Ihnen, von Herzen grüßt Sie, für Alles nochmals innig dankend

Ihr

sehr geneigter

Ludwig

am 4. Febr. 1866

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Hochverehrte Freundin!

Sie hatten die Güte mir den Brief des Freundes zu senden; ich lege ihn hier bei; denn ich glaube, er wird Sie mit Freude erfüllen. – Ein lichter Hoffnungsstrahl winkt Uns daraus entgegen, Uns Muth u. Vertrauen zurufend; – und dieser Strahl, bei Gott, er soll zur mächtigen Flamme, zur allbeseligenden werden! O welch ein Glück ist es Ihn! lieben zu können; den Größten aller Sterblichen, Ihn zu lieben u. zu verstehen. – Ich athme in dieser Liebe Himmelswonnen mitten im öden Treiben des Erdenlebens. –

Glauben Sie, daß Er jetzt wieder am Siegfried arbeitet, o bringen Sie den Theuren dazu, ich beschwöre Sie, hochverehrte Frau! –

Ja Er wird kommen, wird Besitz ergreifen von dem was Sein ist, o Wir werden Wonnen athmen, die nur Gott verleiht; – freuen Sie sich mit mir, theure Freundin! –

Die Indigenats-Frage ist weit schwieriger zu erledigen, als es scheinen könnte; doch auch dieß muß geschehen. Für Ihn bin ich auf der Erde, Ihm muß ich das Leben nach Kräften zu erleichtern suchen, für Ihn streiten mit Heldenkühnheit, u. wenn nun der entsetzliche Tag einst kommen wird, an dem die Erde den Wonnevollen verliert, dann will auch ich fort von ihr, der leeren, sinnlosen Erde, dann will ich zu Ihm, dann vereinigen sich Unsre Seelen auf ewig, dann will ich fort u. wäre ich noch in der Blüthe der Jahre. – Ich kann Ihnen gar nicht genug sagen, wie mir innig wohl zu Muthe ist, wenn ich Ihnen schreibe; denn ich weiß auch Sie hängen mit derselben unerschütterlichen, treuen Freundesliebe an dem Theuren! – Grüßen Sie, ich ersuche Sie darum, Herrn v. Bülow aus ganzer Seele von mir, o ich bin ihm auf immer dankbar; Er ja hat viel, sehr viel dazu beigetragen, zu den hehrsten Stunden, den ewig unvergeßlichen, den schönsten meines Lebens; o Gott segne ihn u. beschütze Ihr ganzes Haus; aus treuem Freundesherzen kommt dieser Wunsch, sagen Sie ihm dieß; theure, hochverehrte Frau – würde der Freund doch nach Vollendung der Nibelungen an d. Meistersinger gehen, dann an d. Umarbeitung des »Holländers« von welcher Er mir sprach. – O wann naht »Parcival«.

Ich würde mich innig freuen, könnte ich im Laufe dieses Winters mehrere der Werke Ihres großen Vaters kennen lernen; alles geht so schwer! –

Tausend Grüße von

Ihrem

sehr geneigten Ludwig.

am 6. Febr. 1866.

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Erhabener König!

Theurer gnadenreicher Herr!

»Wunderbarer« hehrer Freund!

Die frohe Botschaft, dankend lege ich sie Meinem Herrn zu Füssen, ach! ich wusste es wohl dass die finstre Nacht weichen würde, und dass die »Sonne Hohenschwangau's« uns wieder strahlen würde! O Parzival!! ... Mit dem Schreiben dass Euere Majestät, mir so gütig mitheilen empfing ich einige Zeilen des Freundes, er sagte er hätte sich gerade den Stift zu den Meistersinger zugespitzt als ein Telegramm von Monsalvat gekommen, auf welches er hätte antworten müssen. Er empfindet den Lenz – so blitzt denn alles nach Hoffnung – und man sagt ja dass die Hoffnung sich erwirbt was sie muthig erwartet. Der Traum den der hohe Freund mir mittheilte, es ist mir zuweilen als ob er sich erfüllen müsste, allein in welchen Welten? Doch kehrt der Theure zurück, werden seine Werke in das doppelte Leben gerufen, dann ist es ja da das goldne Zeitalter, was bliebe Uns da zu wünschen übrig, ist der einzige wunderbare Bund für die Ewigkeiten geschlossen? Plötzlich ist es mir als ob ich nicht gelitten hätte, auch nicht mehr leiden könnte. O Heil dem »Wunderbaren«!

Wie rührend gütig von Euerer Majestät Frau von Schnorr das Bild unsres unvergesslichen Tristan's zu schenken, und wie hat mich diese zarte Gnade erfreut! Theurer Herr ist der grossen schönsten Seele etwas wohl wenn sie sich mir in erhabensten Vertrauen mittheilt – was soll mein Herz denn sagen, das früher so Verzagte jetzt so Hoffnungsreiche? Dreifacher Segen unsrem Hort! ...

Tief gerührt dankt Euerer Majestät, Herr von Bülow aus treuestem Herzen. Die h. Elisabeth ist nun auf den 24ten festgesetzt, es sollte zuerst der 28te bestimmt werden, doch dachte mein Mann dass Euere Majestät vielleicht eine Wiederholung wünschen würden, und dass hierzu vielleicht dieser freie Tag zu benutzen wäre. Zwei Chorproben haben schon stattgefunden und er ist recht zufrieden. Wegen dem Lohengrin hat er mit dem Intendanzrath Schmidt Rücksprache genommen, und folgendermaassen bestimmt:

Lohengrin – Niemann

Telramund – Beck (aus Wien, der berühmte Holländer)

der König – Dr. Schmidt (gleichfalls aus Wien)

Elsa? (Ist Frl. Stehle Euerer Majestät genehm? Es müsste für sie vieles punktirt werden. Frl. Deinet würde so singen wie es steht, allein ihre Stimme ist nicht sympathisch: soll sich Herr von Bülow nach auswärts umsehen?)

Ortrud – / Frau von Schnorr.

Anbei sende ich die Aufsätze meines Vaters und die Biographie Chopin's die ich leider nur französisch besitze. Euere Majestät entschuldigen gütigst das armselige Ansehen der Bücher mit denen wir viel gelebt haben. Da ich Euere Majestät nicht mit einem unmässigen Pack Musikalien belästigen will, erlaube ich mir die Vorworte der Symphonischen Dichtungen abzuschreiben. In Bälde lege ich sie Euerer Majestät zu Füssen. Ich beschwöre meinen Herrn und Gebieter, mir nicht dafür zu danken, diese schönen leider zu kleinen Arbeiten sind für mich der schönste Lohn des Lebens. Sie lassen mir das Schöne nicht nur als Traum sondern als Wirklichkeit empfinden, fast bilde ich mir ein wenn ich an der bescheidenen Aufgabe gehe, dass ich mit am grossen Werke theilnehme!

Jeden Tag schreibe ich dem Freunde und jeden Tag er mir, wie freudig kundgebe ich ihm heute meine Stimmung. Der Theure, nichts sieht er, nichts erfährt er, von nichts will er wissen ausser von seinem Retter, und von mir. Sollten Euere Majestät noch den Wunsch hegen eine oder mehrere von den Symphonischen Dichtungen zu hören, so sagt Herr von Bülow dass nichts leichter ist als dieselben zur Aufführung zu bringen, er kann sich die Orchesterstimmen leicht verschaffen und mit zwei drei Proben könnte er eine Aufführung zu Stande bringen.

Senta und Elisabeth beten jeden Abend für den »König von Bayern« der wie ein Gott durch die Kinderphantasie schwebt, der unschuldigen Bitte gesellt sich der leidengeweihte Hoffnungsbeschwingte Segen der Mutter.

Euerer Majestät

treu gehorsamste Dienerin

Cosima von Bülow-Liszt

7ten Februar 1866/.

Euere Majestät, verzeihen gnädigst wenn ich noch hinzufüge was ich soeben erfahre, nämlich dass viele Fremde zu der Aufführung der h. Elisabeth herüberkommen, und mit wahrem Jubel München als die Stätte des Schönen wiederum begrüssen. Am 9ten Februar waren es fünf Jahre dass Euere Majestät, zuerst Lohengrin sahen! Heilig Lustrum! Und am 1ten war es ein Jahr dass der Freund das Conzert im Residenztheater dirigirte. Das Orchester erschrak als er auf dem Rand des Podiums stand, meinte er müsste fallen, »meine Herren ich bin daran gewohnt am Rand des Abgrunds zu stehen« erwiederte er wir lachten alle, ich mit beklommenem Herzen denn schwere Zeiten waren im Anzug, doch wie herrlich dass man nun alles dies besprechen und belächeln darf!

In ewiger Treue und Dank

C

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56

Erhabener König!

Theurer gnadenreicher Herr!

Ich erlaube mir die mir gütigst anvertraute Abschrift der »Vorworte«, Euerer Majestät zu Füssen zu legen, indem ich auf dem Titelblatt mit einem x diejenigen Werke bezeichnet habe von welchen die Stimmen leicht und balde zu haben wären, von welchen also die Aufführung rasch ermöglicht werden kann. Zu der Dante-Symphonie sende ich unterthänigst ein Vorwort R. Pohl's welches aber von meinem Vater inspirirt ist.

Tannhäuser macht meinem Manne Noth, es fehlt der Held, er schrieb heute dem Intendanzrath um ein Misverständniss zu heben nach welchem der Herr Schmid annahm dass mein Mann die Gesangskräfte bereits engagirt hätte.

Die Chorproben der h. Elisabeth haben meinen Mann recht befriedigt, die nächste Woche ist Faschingspause, da geht er an seine erste Klaviersoirée zum besten der Abgebrannten. Wegen der Zwischen-Aktsmusik gab Herr von Bülow baron Perfall einige Winke, wie z. b. zum Macbeth eine recht gute Ouvertüre zu diesem Stück von Spohr zu machen, gleichfalls zur Jungfrau von Orleans eine von Moscheles; wäre es Euerer Majestät genehm so wollte er gern aus der Klavier Litteratur (die reichste) einiges heraussuchen je nach den Stücken und es baron Perfall angeben damit dieser die Instrumentirung bestelle.

Das Gespräch mit Herrn Lutz neulich hat mich tief betrübt – zur Kunst der »heiteren«, da ist die einzige Zuflucht! Der Freund empfindet es wohl »preisen wir den Engel und sein Gebot« schreibt er mir, »der es mir möglich machte einzig Dichter und Künstler zu sein.« Ich glaube jetzt weilt er bei den Meistersingern.

Ich wage es nicht Euere Majestät länger aufzuhalten, meine Stimmung ist trüb – wohl ist die Trauer daran Schuld die ich um meine Grossmutter trage. Sie hat meine Kindheit beschirmt, und war mir das erste Beispiel eines Glaubens ohne Wanken, einer Hingebung sonder Schranken. Weit von ihrem Sohn und mir ist sie nun dahin, und obgleich ich die Toden nicht beklage und ihr Alter hoch war, empfinde ich es schmerzlich!

Euerer Majestät

treu gehorsamste Dienerin

Cosima von Bülow-Liszt

10ten Februar 1866 ./

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Theure, hochverehrte Frau!

Endlich komme ich dazu, Ihre freundlichen Zeilen zu beantworten u. für das gütigst Übersandte Ihnen meinen herzlichsten Dank auszudrücken. – Große Freude haben Sie mir dadurch bereitet; mit großem Interesse werde ich die theuren Schriften lesen. –

Mit dem innigsten Bedauern erfahre ich soeben das Hinscheiden Ihrer Großmutter, seien Sie versichert, hochverehrte Freundin, daß mich diese Kunde tief betrübt, ganz kann ich ermessen, was Sie an ihr verloren, aus ganzer Seele kann ich Ihren Schmerz mitfühlen; nehmen Sie diese Versicherung freundlich entgegen! – Gott sende Ihnen Trost u. Linderung des tiefen Seelenleides! –

Sie schreiben mir, die Unterredung mit Herrn Lutz hätte Sie betrübt; ja wohl Sie haben recht, schwer ist das Erdenleben, wohl denen die einzig ihren Idealen leben können! – Was die Deputation betrifft, so muß ich wiederholen, daß ich täglich mehr einsehe, daß ich recht hatte, dieselbe nicht zu empfangen, glauben Sie mir. –

Heute telegraphirte ich dem Freunde, ich wäre bereit, Seine Wünsche in Betreff des Hauses u. des Gehaltes zu erfüllen; jedoch böte die Indigenatsfrage große Schwierigkeiten. – Darauf erhielt ich beiliegende Depesche. – Ich hoffe fest u. zuversichtlich! – seien Sie von mir überzeugt, hochverehrte, theure Freundin, daß ich was nur irgend möglich ist, aufbieten werde, um dem Geliebten die ersehnte Ruhe zu verschaffen. – Vertrauen Sie dem sorgenden Freunde! – Dieß Jahr muß ein gottvolles werden. –

Auf Tannhäuser zähle ich sicher; warum kann Niemann den Helden nicht darstellen, wenn er als Lohengrin für Uns auftritt? – Fester Wille ermöglicht Alles! Alles. – Herrn v. Bülow sende ich meine besten Grüße u. danke ihm im voraus von Herzen für die Mühe der er sich bei dem Einstudieren der: »Hl. Elisabeth« unterzieht. – Was Sie neulich über Ihre beiden Kleinen schrieben, hat mich tief gerührt; Gott schütze sie u. lasse sie aufwachsen zur Freude, zum wahren Glücke ihrer theuren Eltern! –

Aus ganzer Seele sendet Ihnen, hochverehrte Frau einen innigen Freundesgruß

Ihr

sehr geneigter Ludwig

am 10. Febr. 1866.–

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Erhabener König!

Theurer gnadenreicher Gebieter!

Mit tiefem Dankgefühle empfing ich in meinem Herzen die Worte des Seelenfreundes, und bewahre den hehren Trost darin auf! ...

Die Depesche sende ich unterthänig zurück und freue mich ihrer. Ich hatte gestern kein Brief vom Freund, doppelt willkommen und begrüsst ward mir die gütige Botschaft meines Herrn! Heute schrieb der Freund, er ist ruhiger friedlicher Stimmung, der Frühling ist ihm schon so nahe gekommen dass er einen ganzen Vormittag im Garten weilen konnte. Nur sehnt er sich nach Musik; diese Sehnsucht war so mächtig dass er nahe daran war in Paris sich bei der berühmten Quartette Gesellschaft Morin et Chevillard ein Quartett zu bestellen und hinzureisen.

Wie dankbar bin ich Euerer Majestät die Haus- und Gehalts-Angelegenheit gnädigst in Allerhöchster Hand genommen zu haben! Aus dem Gespräch mit Herrn Lutz hat ich bereits entnommen dass der Indigenats-Frage wohl unüberwindliche Schwierigkeiten in dem Weg sich legen würden. Dies und auch ein Einblick in das von Uns gekannte »Misverständniss« betrübte mich. Die Deputationen habe ich nur besprochen um durch meine Worte vielleicht von Weitem etwas zu hören zu bekommen was Euere Majestät vielleicht in dieser Sache dem Sekrétair mitzutheilen geruht hätten. Dass Euere Majestät sie nicht empfingen genügt mir um vollständig gewiss zu sein dass sie nicht zu empfangen waren. Auch wie mein Mann mir sofort schrieb und sagte, wird man Gevatter Schneider und Schuster um ihre Regierungsansichten nicht befragen. Es mag in meiner durchaus immer zu Vermittlung gestimmten Gesinnung gelegen haben, dass ich so zaghaft die Sache beurtheilte, doch wie bereits unterthänig gesagt, es genügte dass Euere Majestät handelten um dass ich der Gewissheit mich übergab dass ich irrte.

Gegen Niemann hatte ich dieses eine Bedenken, dass er sich in Paris schlecht benommen hat, im Moment der Handlung feig, während der Arbeit träg und störrisch war. Er wollte z. b. zwei Takte nicht zu seiner gewohnten Partie lernen; doch Euere Majestät sagen mit Recht, kann er Uns den Lohengrin singen so muss es wohl auch mit dem Tannhäuser gehen können. Da käme es darauf an dass Intendanzrath Schmidt dem Sänger schriebe es wäre hier nicht auf eine Niemann'sche Rolle abgesehen, sondern auf die wahre vollständige Darstellung des Tannhäusers. Vielleicht ist dann seine künstlerische Trägheit und Unehre zu überwinden.

Mein Mann legt seinen ehrerbietigsten Dank Euerer Majestät zu Füssen; er ist nun wie zur Tristan-Zeit in sein Element, die musikalische Arbeit. Da ist ihm nie zuviel, ja nie genug; und ich freue mich der heiteren Laune die der sonst Ernste wohl auch zuweilen von dem Lauf der Dinge Erbitterte, durch die schönen Aufgaben immer erhält: Den Kleinen sagte ich gestern noch spät Abends als sie wach wurden, dass der »König von Bayern« sie gesegnet hätte, da wurde ich gefragt ob man den »König von Bayern« wie das Christkind zu Weihnachten sähe!

Ich habe dem Oberappelsrath Lutz angegeben wo die Zigeuner und ihre Musik von meinem Vater zu haben wären. Noch wollte ich Euere Majestät unterthänigst fragen ob ich den Katalog der sonstigen grösseren musikalischen Werke meines Vaters, Euerer Majestät, abschreiben sollte.

Im Vertrauen ohne Schranken, im Glauben ohne Wanken, in Treue sonder Wandel, in unaussprechlichstem Dank, durch Freud und Leid, Hoffen und Verzagen segne ich den hersten Freund, und nenne ich mich

Euerer Majestät

unterthänigst gehorsamste Dienerin

Cosima von Bülow-Liszt

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Erhabener König!

Gnadenreicher gütiger Herr!

Ich würde es nicht wagen schon heute Euerer Majestät, meinen Dank zu Füssen zu legen, wenn nicht ein Brief des Freundes angekommen wäre aus welchem ich mich gedrängt fühle Euerer Majestät, manches mitzutheilen. Vorerst also: Dank mein König und Herr! Ich war gerade am vorgestrigen Tage im Atelier Zumbusch's gewesen, und hatte mich des Siegfrieds gefreut, der durch einige Aenderungen sehr gewonnen hat, freier strahlender geworden ist; mit innigem Vergnügen gehe ich daran mein Schreibstübchen mit allen Blättern die ich der Güte meines Herrn verdanke, auszuschmücken.

Der Freund schreibt also heute: »Der Gedanke dass meine Zurückberufung Ihm grosse Leiden verursache ist mir unerträglich. Vor allem – möchte ich nur wissen was in der Welt mich verhindern dürfte, welcher andrer Erlaubniss ich nöthig hätte, wenn ich heute nach München gehen wollte? Dass hier daher doch alles sich nur um Stimmungen und Ansichten handelt, die mir oder dem König zu eigen sind, das muss doch jeder einsehen. Sagen Ihm z. b. die verschiedenen Feinde »wenn W. zurückkehrt, müssen wir um unsre Entlassungen einkommen« da dieselben nun einmal aus verschiedenen Gründen nicht entlassen werden können, bleibt dem König doch nichts weiteres zu sagen als »ja, verwehren Sie es ihm wenn Sie es können; ich kann's nicht, da gar nichts rechtgiltiges vorliegt.« Was hat der »Wunderbare« denn eigentlich zu kämpfen? Gewiss es sind diese schreckliche Nörgeleien an denen Du ja auch so sehr leidest. Er ist so gross, er glaubt sich opfern zu müssen – um Gottes Willen! Möge Er doch nur ruhig, ruhig bleiben, kein Wort von mir sagen, nichts fordern; ich bleibe ja herzlich gern fort! Nur mit dem Haus muss ich eine Aenderung treffen: das ist wahr; ich muss wissen ob es mein ist oder nicht, weil ich darnach mein Weiteres zu verfügen habe. –

Gern hörte ich Deines Vaters Elisabeth. Ich würde ohne alle Umstände dazu nach München kommen, gebe es eine Möglichkeit, unbemerkt in dem grossen Theater mich einzufinden. Vielleicht wüsste Parzival ein Mittel! –

Da ich, wenn ich sofort und vollständig mich von München wende, fand, den Wunderfreund zur Verzweifelung zu bringen, sagte ich: »Ich will bleiben sogar erst recht ganz und gar bei Dir sein!« Macht diess Ihm nun mehr Noth als mein Fortgehen – nun so muss ich fortgehen. Ich kann meine Liebe Ihm nicht anders bekunden, als dass ich Ihn völlig zu meinem Herren mache.

Was dabei nicht zu Stande kommt – nun das sollte nicht sein. – Wir können nicht anders. Und trotzdem es mir nicht wohl ist, fühle ich mich in diesem grossen Punkte doch ruhig und sicher wie in Abraham's Schooss. Ich hab mich der Liebe übergeben, und empfange nun Glück wie Unglück als liebes Schicksal. Glaub – des König's und Deine Leiden das sind meine wahren eigenen Leiden; dass ich durch Unruhe, Heimathlosigkeit, Elendigkeit aller Art gequält bin wird zum grossen Schmerz erst durch das Gefühl, mit dem Bekenntniss dieses Elendes Euch trostlos zu bedrücken – Gott wie leicht, wie unglaublich leicht hätte es der grosse Wunderbare, wenn er nur in Einem Tag von unsrer Stelle aus sich die Welt ansehen könnte!«

Auch geht es dem Theuren nicht wohl, der Arzt den er berief sagte ihm er würde diesen Zustand der Aufgeregtheit nicht mehr lange aushalten können. Nun wage ich eine Bitte an meinen theuren Herrn... Der Freund schrieb von einem grossen Neufundländer Hund der es ihm angethan hätte, der dem gleich den er einst aus Riga nach Paris mitgenommen hatte, und den er dort verlor. Er kaufte ihn nicht des hohen Preises wegen (500 francs). »Hätt ich ihn gekauft begleitete mich doch wieder etwas beim Ausgehen, ich bin so einsam«, schrieb er gestern. Ich erwarte vom Rhein ein Wachtelhündchen dass ich dort für ihn angeschafft habe, konnte ihm auch den grossen Neufundländer nicht geben, aus demselben Grund den er anführt – sollte ich indem ich Euerer Majestät, dieses mittheile gegen den Wunsch Euerer Majestät handeln, so bitte ich Euere Majestät, um gnädige Vergebung.

Die Semperschen Pläne und die andren Aufsätze meines Vaters habe ich Euerer Majestät, unterthänigst zugesendet. Herr von Bülow erzählte mir gestern dass die Chöre mit grösster Freude die h. Elisabeth singen. Er selbst bearbeitet jetzt in den Mussestunden eine Ouvertüre und einen Marsch zu Julius Caesar, und sagte mir dass wenn dereinst Euere Majestät das Schakespearsche Stück mit Zwischenakts-Musik zu sehen wünschten er sich eine Freude daraus machen würde die fehlenden Stücke dazu zu komponiren. – Ferne Zeiten!

Nichts weiteres hätte ich zu melden glaube ich; es bleibt mir nur noch mich zu entschuldigen dass ich so oft es wage meinen königlichen Herrn zu behelligen und mit ewigem Dankgefühle mich zu zeichnen

Euerer Majestät

treu gehorsamste Dienerin

Cosima von Bülow-Liszt

15ten Februar 1866./

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Theure, hochverehrte Frau!

Aus Herzensgrund danke ich Ihnen für zwei so liebe Briefe u. das so freundlich Übersandte. – Wie schön sind die Vorreden zu den Werken Ihres unsterblichen Vaters! – Wie freue ich mich auf die Aufführungen einiger seiner Werke! – Muth u. feste Zuversicht thuen noth, um im gegebenen Augenblicke nicht zu verzweifeln! – Drohende Wetterwolken ziehen sich zusammen, der Donner rollt, getrübt wird die Aussicht in das Weite! – Aber ich zage nicht, ich unterliege nicht, vertrauen Sie dem Freunde! – Im Wonnemond muß der Theuerste der Menschen wieder hier ruhig u. ungestört weilen können, früher ist Ruhe hier unmöglich für Ihn zu finden. Er hat sich der »Liebe!« übergeben, wie rührend spricht Er darüber, die Liebe wird Ihn schützen, dessen sei Er versichert; fürchterlich ist es mir dem theuren Freunde, dem Einzigen rathen zu müssen, gegenwärtig nicht zu kommen; aber in einigen Monaten können Wir die »Hl. Elisabeth« widerholen lassen; ach Gott! ein Dämon scheint hier die Menschen ergriffen zu haben; ich weiß es sicher, leider muß ich es sagen, unberechenbar würden die Folgen für Ihn u. mich sein, wäre der Einzige jetzt hier! – Klar jedoch sehe ich es voraus, jede, selbst von Unsren kühnsten Hoffnungen wird herrlich sich erfüllen! Ja Er traue dem liebenden Freunde, Er wird siegen, die Feinde vernichten! –

Hochverehrte Freundin, wollen Sie die Güte haben alles für den Ankauf des besprochenen, großen Hundes Nöthige zu besorgen? – Wie dankbar bin ich Ihnen dafür, mir Seinen Wunsch mitgetheilt zu haben; ach könnte ich Ihn immer erfreuen! – Ich ersuche Sie dringend, bestimmen Sie den Geliebten, dazu, ja nicht Sein hiesiges Haus, das Sein Eigen ist, zu verkaufen, ich zähle darauf, daß Er in demselben noch viele glückliche, sorgenfreie Tage verlebe. –

Wie interessant sind Sempers Pläne; – auf Herrn v. Bülow's Composition zu Julius Cäsar freue ich mich sehr. – Componirt der Freund denn nicht an Seinem Siegfried, Unsrem theuren Helden? – Nun muß ich schließen, ich bitte Sie grüßen Sie den geliebten Trauten herzlich von mir; bald werde ich Ihm schreiben. – Gedenken Sie freundlich Ihres betrübten, leidenden

Ludwigs.

am 16. Febr. 1866. –

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Erhabener König!

Theurer gütiger Herr! Mein hehrer huldreicher Freund!

Mit des Himmels Hilfe nehme ich an dass die Stimmung in welcher unser theures »Wunder« mir schrieb, nun verflüchtigt verschwunden ist. Der Gedanke des leidenden Engels ist kaum zu ertragen – dass wir leiden, Gott wir sind dazu geboren, ich weiss es nicht anders, und habe seit dem Jugendtag an welchem ich mir den Ausdruck des Antlitz meines Vaters deuten konnte, nicht viel mehr von Freudigkeit gewusst; doch unser Erlöser, unser Beschützer, unser König, unser »Wunderfreund«, darf nicht »leidend« und »betrübt« sein. Von wo soll uns denn die Freude kommen, wenn sie uns nicht von dem Angesicht des Theuren strahlt? Wie können wir Den trösten Der uns als Glückspender nahte? O mein theurer Herr, Sie, nur Sie, müssen beglückt sein – sonst hat wirklich alles sein Ende erreicht, und die Dämmerung ist da.

Ich erlaube mir Euerer Majestät, einige Aufsätze Herrn von Bülow's unterthänigst zu senden, sie sind meist polemischer Art. Der Kampf war ausgebrochen, schändlich ward mein Vater, ward der Freund, von der Kritik behandelt, Hans trat auf, gebrauchte seine Feder wie sein Schwert, und auf die Gefahr hin sich auf ewig seinen Weg unmöglich zu machen, vertheidigte er und griff rücksichtslos an. Ich lächelte indem ich all die Sachen wieder ansah, namentlich die Broschüre die ich mir erlaube diesen Zeilen beizulegen. Als Hans die Worte ausgesprochen hatte, wurden wir in Berlin von unsren sämmtlichen musikalischen Bekannten verlassen, der Hof verstummte, mein Mann wurde nicht mehr eingeladen. Sechs Wochen darauf gab er ein zweites Orchesterconcert, bat den Vater dieselben Ideale zu dirigiren, und diesmal war es ein Triumph für unsre Sache. Später wurde die Gesellschaft der Musikfreunde gegründet, mein Mann hatte sich mittlerweile seinen Ruf als Klavierspieler gemacht, man wusste dass er weder beugte noch biegte, noch konnte man ihn brechen, die Presse verstummte über ihn, zeigte seine Concerte nicht an, lobte weder noch tadelte, das Publikum aber fand sich ein und er wurde wieder am preussischen Hof zu Gnaden gelassen. Der Autor der kleinen Broschüre ist ein in Berlin bekannter Roman Schriftsteller Adolph Mitzelburg. Als ich sie ansah gedachte ich der zehn kampfreichen Jahren, der ersten Aufführung Lohengrin's, der wüthenden lächerlichen Angriffe und doch des grossen Erfolges!

Die erste hiesige Soirée Herrn von Bülow's zum Besten der Abgebrannten ist sehr gut von Statten gegangen, er hatte ein verständnissvolles warmes Auditorium und fühlte sich gut aufgelegt und munter. Der Freund schreibt, ach! betrübt betrübend!... »Sind Hans' Proben der h. Elisabeth schon anhörbar für Dich? Dass ich nun von diesem Werke Gott weiss wann erst etwas kennen lernen werde! Ich bin und bleibe im Exil. Mich dauert dieser schöne Winter auf unbeschreiblich wehmütige Weise: ich fürchte er – und was er bringen konnte – ist nie zu ersetzen!

»Was soll ich Dir schreiben? ich bin leer und hohl: da ist nichts zu berichten was Du nicht schon wüsstest. Mein Kopf ist und bleibt zerstreut; lange Ketten wie sonst haften nicht mehr drin. Mit mir hätte man es anders machen sollen! –

Die langen warmen Bäder schwächen mich sehr, auch machen sie mich sehr empfänglich für Erkältung. Mein Kopf schmerzt mich heute sehr – ich werde aufhören müssen. Dir sollte ich so etwas nicht klagen, denn Du bist die Kämpfe gegen solche Schwächen des Befinden's mit treuestem Muthe gewohnt. Aber – glaub mir! – ich bin doch älter wie Du und mein Leben neigt stark abwärts – trotz allen Horoskopen! – Doch da das Wunderpaar das mein Stern mich finden liess, mir so treu hält, muss ich wohl mich zusammenraffen. Ich thu's, ich verspreche Dir's, das kannst Du auch dem Wunderfreunde sagen«. Ach! käme er nur zurück; ich kann es kaum begreifen dass ein Mensch es wagt Euerer Majestät gegenüber ein Wort gegen seine Rückkehr fallen zu lassen! Doch was ist begreiflich von dem das geschieht im Guten und im Bösen? Die gestrige Epistel Paulus musst ich auf Uns deuten, Gott gäbe nur dass unser Leiden der Wahrheit und unsrer Religion diene! Der Freund schrieb vorgestern: »Neulich las ich in der Allgemeinen Z. einen Musikbericht aus Paris. Verwunderung über die seltsame Erscheinung des wachsenden – selbst populären Gefallen's – an der deutschen Musik, bei immer deutlicher ausgesprochenem frivolen Versinken der Gesellschaft in der grössten Plattheit. Das Problem ist ganz gut empfunden. Könnte ich dictiren ich würde die Lösung geben. Die römische Welt ward ihrer längst bestehenden Nichtigkeit und Sündhaftigkeit an dem Christenthum bewusst: die neuere Welt soll es an der deutschen Musik werden. Das ist die neue Religion wenngleich sie von der Masse eben so confus und platt nur verstanden wird, wie das Christenthum von Jenen. An dieser Musik wird die Nichtigkeit des Uebrigen eben erkenntlich: zum Theil vielleicht auch vermehrt, weil es gar nicht möglich ist, auf dem anderen Wege – dieser gegenüber – noch naiv zu bleiben und zu produziren. Vor dem Bekanntwerden mit der Deutschen Musik war in Paris Rossini und Auber möglich; jetzt sind's nur noch Meyerbeer und Offenbach. Die Naiven werden durch jenes Gorgonenhaupt alle confus, Sich confundire sie am Meisten.«

Dass seine schweizerische Dienerin ihm den grossen Hund mittlerweile geschenkt hat, erzählte wohl der Freund Euerer Majestät, selbst. Ich danke nun meinem Herrn, dass Er mir gnädigst gestattete den Wunsch des Freundes mitzutheilen. »O liebe Cosima – endigt der letzte Brief – wir wollen Ihn lieben, Ihm treu bleiben von ganzem Herzen, vielleicht erfüllt sich der Traum vom Vierwaldstädtersee! Ich habe mich Ihm ganz ergeben und habe keinen Willen ausser dem Seinigen.«

Wie freue ich mich über die Wahl der Symphonischen Dichtungen!... Gestern erklärte ich Herrn Lutz einiges und gab ein Verzeichnis mit. Mancherlei möchte ich Euerer Majestät, von unserem hiesigen – meist mit Erfolg gekrönten Trachten und Treiben sagen, doch will ich die Zeit Euerer Majestät, nicht über Gebühr in Anspruch nehmen. Nur eines erlaube ich mir noch zuzufügen: Herr von Bülow schlug gestern baron Perfall vor die h. Elisabeth zum Besten des Chorpersonales zu geben; ich fürchte der gute ängstliche Baron wagt es nicht diesen Vorschlag Euerer Majestät, vorzubringen, so thue ich es denn indem ich weiss dass mein Herr und König mir dieses gnädigst wohl gestattet.

Ohne Furcht, weil stets mit heiligster Ehrfurcht erfüllt, vertraue ich alles dem höchsten Beschützer; dass jede Beschliessung von mir in Demuth empfangen wird, sage ich meinem König und Herrn nicht, denn wie sollt ich das Gefühl betheuern aus welchem mein jetziges Leben sich webt? ...

Mit ewigem unaussprechlichem Dank und unsagbarster Treue verbleibe ich

Euerer Majestät

Gehorsamste Dienerin

Cosima von Bülow-Liszt

19ten Februar 1866./.

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62

Hochverehrte Freundin!

Vom ganzen Herzen danke ich Ihnen für die theuren Mittheilungen u. die Beilagen, in denen ich vieles las, was mich lebhaft interessirte. – Hier lege ich einen Brief vom Theuren bei, den ich gestern beantwortete. – Ich bat Ihn alles Vertrauen in den treuen Freund zu setzen, der siegesbewußt der Zukunft entgegentritt; ja, ruhig müssen Wir 2 Monate noch vorüberziehen lassen, um Seines Friedens willen; dann aber will ich Ihn bitten, wieder zu kehren! nun bin ich heiter u. freudig gestimmt; klar sehe ich Alles vor mir liegen, deutlich gestaltet sich das Kommende vor dem geistigen Auge, ja wir werden Alles erreichen! – Gott gibt Seinen Segen! – Er behütet Uns! –

Wie rührend, wie tief ergreifend, in die Seele dringend ist Alles was Sie mir von Ihm sagen, wie göttlich die Ausdrücke Seiner Liebe! – »O heil'ger Liebe ew'ge Macht!« –

O wie freue ich mich auf die »Hl. Elisabeth«, welch reiner, edler Kunstgenuß wird dieß werden! – Wäre doch die Winterszeit schon um, o ich gebe die Hoffnung nicht auf, dieses Jahr wird ein wunderbar-wonnevolles werden. – Glauben Sie ja nicht, mich durch Mittheilungen zu ermüden, Alles was Sie mir sagen, ist mir theuer, freut mich innig u. fesselt mich lebhaft. – Nun muß ich schließen; es ist schon sehr spät. – Viele herzliche Grüße sendet Ihnen u. Herrn v. Bülow

Ihr

sehr geneigter

Ludwig.

am 19. Febr. 1866. –

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63

Erhabener König!

Gnadenreicher Herr! Theurer Hehrer Beschützer!

Einige Worte des Dankes erlaube ich mir Euerer Majestät zu Füssen zu legen, des ewigen unergründlichen Dankes! Der gestrige Abend ist in unsrem Sturmbewegtem Leben wie ein Leuchtthurm vom Siegesengel gepflanzt worden, wir werden in den trüben Stunden darauf blicken und nie verzagen – heil unsrem Beschützer, unsrem Schirm, heil meinem Gottgesandten Freund!

Von Unsrem fernen Theuren erhielt ich trübe Worte, er ist wieder auf dem Punkt obdachlos zu sein, das Haus steht nur bis mitte März zu seiner Verfügung, soeben besprach ich mit meinem Mann meine Abreise nach der Wiederholung der h. Elisabeth, um nur irgendwie dem Einsamen mit Rath und vielleicht mit That zu helfen. Ich bin in grosser Sorge denn seine Dienerin schrieb mir er sei krank. Doch hat er den ersten Akt der Meistersinger vollendet!.

Von Herrn Lutz empfing ich ein wahres Mene Tekel Phares, bezüglich des »Benefizes« der h. Elisabeth: »Euere Majestät hätten die Ueberzeugung dass diese Allergnädigste Bewilligung manche Inkonvenienz im Gefolge haben werde, und hegten den Wunsch dass es möglich sein möchte solche Consequenzen zu vermeiden.« Ich ersehe daraus dass es ungeschickt von mir war Euere Majestät, durch Herrn Lutz danken zu lassen, und bitte unterthänigst um Vergebung; ich that es weil mir die gnädige Botschaft durch Herrn Lutz überbracht wurde, und weil ich in Wahrheit immer fürchte die Zeit Euerer Majestät zu sehr in Anspruch zu nehmen. Ich habe keine Idee welcher Art die erwähnten Inconvenienzen sein könnten, doch wäre ich trostlos wenn Euerer Majestät Unannehmlichkeiten aus einer Bitte entstehen sollten, die ich nur daraufhin gewagt habe dass mein Herr und König mir gnädigst manches gestattet, indem ich nie verlange, nie erwarte, nie wünsche, nur alles vertraue und alles verstehe, und von meinem Herrn willkommen heisse. Ich hatte mich schon gefreut als ich in den Zeitungen bezüglich des » Benfizes« las, dass das väterliche Herz des Intendanten für das Chorpersonal gesorgt hätte. Gäbe Gott dass keine weiteren unangenehme Folgen für meinen Herrn und König daraus entstehen – hätte ich nur nichts gesagt! Inzwischen dieser Zeilen kommt wiederum eine Notiz von Herrn Lutz und erklärt mir das Unbegriffene – sie verlangen nun alle Benefizen, die thörichten Leute! Da ich lieber alles dulden möchte als Euerer Majestät den Schatten einer üblen Stimmung verursachen, bin ich wirklich betrübt, und weiss mir nicht anders zu helfen als indem ich um gütige Vergebung bei meinem Herrn nachsuche.

Die gestrige Aufführung war schöner noch als die in Pest, wo die Orchesterkräfte nicht so bedeutend gewesen, und nicht die nöthigen Proben vorangegangen waren, ich kann gar nicht beschreiben wie mir zu Muthe war als die seligen Töne klangen, und in welchen Gefühlen ich im Geiste auf meinen Herrn, auf unsren Beschützer hinaufblickte. O theurer Herr! ...

Mein Vater dessen Dante jetzt in Rom aufgeführt wird und welcher dann nach Paris reist, bittet um die gnädige Erlaubniss von dort aus seinen Dank Euerer Majestät schriftlich aussprechen zu dürfen, ich will ihm eben schreiben um ihm zu melden wie herrlich es hier gestern war!

Der Segen aller Edlen, Guten ruhe auf das geweihte Haupt meines Herrn; Er wandle in Frieden und Freuden und gnade stets den Treuen die Ihm zu eigen wurden durch das Wunder dass Er wirkte!

Euerer Majestät

treu gehorsamste Dienerin

Cosima von Bülow-Liszt

26ten Februar 1866./

*

64

Theure, hochverehrte Frau!

Käme doch endlich der Donnerstag heran, wie freue ich mich auf die zweite Aufführung der »Hl. Elisabeth« – o es ist ein herrliches, ein tief ergreifendes Werk! –

Ohne Herrn v. Bülow's meisterhafte Leitung hätten Wir kaum den Schatten dieses edlen Tonwerkes erblicken können; wie dankbar bin ich ihm für die liebevolle Sorgfalt mit der er das Oratorium einstudierte u. dirigirte! –

Höchst betrübend ist der Brief des Freundes. – Kann Ihm denn meine treue u. unerschütterliche Liebe so wenig Ersatz bieten für die hier erlittenen Qualen?! – Er trägt selbst dazu bei sich aufzureiben u. Sein Nervensystem noch mehr zu erschüttern! – Flüchtete Er sich doch endlich in Seine Welten; dort fände Er die ersehnte Ruhe; ach Gott wann wird »Siegfried« endlich vollendet werden. – Auf diese Weise wird »Parcival« nie erstehen können. – Ja, ich will streiten, denn laut ruft die Stimme im Innern mir zu: Wir siegen! Die Feinde werden zu Schanden, u. hier, auf dem unfruchtbar scheinenden Boden, wird Unser großes Werk blühen u. gedeihen! – Ihre Anwesenheit bei Ihm, hochverehrte Freundin, wird viel vermögen! – Ich fürchte die düster erscheinenden Wolken nicht, die Uns drohen wollen! – Die Strahlen des ewigen, des heiligen Lichtes werden die Dunkelheit durchbrechen! –

Wie freue ich mich auf die Aufführungen der andern gewünschten Werke Ihres unsterblichen Vaters, sowie auf die Symphonien von Beethoven! – O Allgewalt der heiligen Tonkunst! Wohl hat Wagner recht, sie mit einem Engel zu vergleichen! –

Unerträglich ist es mir denken zu müssen, daß der einzig geliebte, theure Freund leidend ist u. in so gedrückter Stimmung sich befindet, dem muß abgeholfen werden; Er, ist nicht zu erfolglosem Dulden bestimmt; Er muß Seine Siege erleben! Er muß! –

In dem Briefe des Freundes lagen 2 Kreuzer wie können diese hineingekommen sein! – Gott möge die Fülle Seines Segens auf das theure Haupt Ihres Vaters ergießen, dieß ist der sehnliche Wunsch

Ihres

sehr geneigten

Ludwig's.

am 26. Febr. – 1866

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65

Erhabener König!

Theurer gnadenreicher Herr!

Mit trauererfülltem Herzen sende ich den gnädig mitgetheilten Brief zurück; ich empfinde es – es hat für den Freund die elfte Stunde geschlagen, er ist nicht mehr jung, hat er bis jetzt widerstanden, die menschliche Natur hat ihre Grenzen, ich sehe er reibt sich auf – o theurer Herr, wie können Wir helfen? Bedenke ich dass ende März er kein Obdach mehr hat, und in den Gasthäuser herumirren muss, schaudert mir. Wo sollen die freien musikalischen Gedanken in dieser Unstetheit kommen? ist es nicht die ganze Kunst die in der Person des grössten Dichters im Spiele ist? Kann er im April nicht nach München zurück, wäre es nicht möglich in irgend einem Theile des Reiches ein Asyl zu schaffen – zwei Zimmer in einem unbewohnten Schlosse? Im Mai könnte er wiederkehren. O ich will ihn überreden hier zu bleiben, ja ich glaube, dass hier alles noch zu Stande kommt, ich glaube von ganzer Seele, und hoffe. Wir auch, Wir haben Zeit, doch er der arme müde theure Mann, er hat sein schweres Leben hinter sich, er hat nicht mehr Tage Monate oder gar Jahre zu vergeuden, so vereinsamt traurig von allem Geliebten geschieden, wie soll ihm die Freude der Arbeit kommen? Doch ist er bei seinen Meistersingern und hoffte ich er würde Heiterkeit daraus schöpfen, allein seine Stimmung bleibt bitter. Am Abend der h. Elisabeth telegraphirte ich ihm, entsand ihm die Klänge der Heiligen, er antwortete die Botschaft hätte ihn wehmüthig gestimmt. Was haben die Menschen mit diesem Winter wieder an ihm begangen – furchtbarste Noth und Sorge pocht mir im Herzen.

Ich wusste dass das Werk (die h. Elisabeth) Euerer Majestät lieb und Werth sein würde, doch freute ich mich tief es aus dem Munde Euerer Majestät selbst zu hören; Herr von Bülow empfindet des Künstler's reine Glück etwas grosses und schönes zu Stande gebracht zu haben, doch wer ruft all' dies Schöne und Grosse in das Leben, wer begeistert Uns, und hilft uns, und macht aus unsrer Pflicht unsre hehrste Freude? Theurer Herr gnadenvoller huldreicher König, wie können wir Euerer Majestät danken? Sehr freut sich mein Mann auf die andren Aufführungen und lässt durch mich Euerer Majestät unterthänigst melden, dass er nichts auf der Welt wüsste dass er nicht heitersten Sinnes aufgeben würde um hier seine Pflicht zu erfüllen! Kein Unternehmen kann jemals ihm so am Herzen liegen als die schönen Aufgaben die ihm hier durch die Gnade Unsres Beschützers wurden.

Herrn Lutz fühlte ich mich berechtigt einiges zu erklären und über unsre Stellung und unsre Ansichten über Kunst und Künstler manches mitzutheilen – da ich des festen Glaubens bin dass nach und nach Alles hier sich künstlerisch umgestalten wird und Wir hier eine fruchtbaren Boden uns machen werden, liegt mir daran bei jeder Gelegenheit recht zu betonen, was wir sind, was wir gewollt, was wir erstreben. Darum freute ich mich dass gerade am Jahrestag der schändlichen Artikel gegen den Freund und seine »Genossen« diesmal erklärt wurde: München könnte auf Herrn von Bülow stolz sein! Bezüglich der unziemlichen Notiz über mich welche der Freund in dem Brief an Euerer Majestät erwähnt, hat mein Mann einen förmlichen Briefwechsel mit dem Redakteur des Blattes angebahnt, und ihm dargestellt welch odioses Misverständnisse die sogenannten ultramontanen Blätter begangen hätten indem sie den Freund in noch nie dagewesener Weise verfolgt hätten. Der »hochwürdige Herr« antwortete in gutem Tone und, wer weiss, es ist möglich das dem steten Bemühen und dem festen unermüdlichen Eifer manches gelingt. Allein der Freund will von alledem nicht viel wissen, er empfindet nur die Bosheit und Schlechtigkeit, und ist zu müde um daran sich zu freuen, wenn dieselben im Zaun gehalten werden. Nach Ruhe schreit seine arme Seele – ach fände er sie bald!

Wie die zwei Kreuzer in dem Briefe gekommen sind, ist mir in der That unbegreiflich – unter andrem kommen auch meine Briefe öfters bei dem Freunde chargirt an während ich hier nie chargire; doch will ich die zwei Kreuzer zu dem »Glücksgulden« legen den der Freund nach der Tristan Generalprobe uns allen gab (Schnorr's und uns). Herr Zumbusch war eben bei mir und meldete dass er den »Walther« herauszumeisseln hätte, ich freute mich sehr darüber und will nun dem Freunde es mittheilen. Neulich fand ich Kaulbach ganz beglückt durch den Besuch Euerer Majestät; wer sollte nicht dem Himmel danken uns diesen Gebieter geschenkt zu haben? »Ein Wunder ist geschehen!«

Ich erlaubte mir gestern meinem Herrn und König das Buch der h. Elisabeth durch Herrn Lutz zu übersenden, und muss vielmals und unterthänigst um Vergebung bitten dass es so zerlesen ist; meine Bücher sind schon viel gewandert und ich habe sie alle eher studirt noch als gelesen, so dass ihr Aussehen gar kläglich nun ist.

Indem ich von meinem theuren Herrn die gewohnte gnädige Nachsicht und Güte erbitte verbleibe ich mit ewigem Dankgefühle

Euerer Majestät

treu gehorsamste Dienerin

Cosima von Bülow-Liszt

27. Januar 1866/.

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66

Hochverehrte Freundin!

Obwohl es schon spät ist, so muß ich doch dem Drange meines Herzens folgen u. noch heute einige Zeilen an Sie richten. – Ich sende ein Telegramm des geliebten Freundes. – Ja ich will thun, was nur irgend in meiner Macht ist, um Ihm einen ruhigen Wohnsitz vorläufig anzubieten. – Bald werde ich die hiezu erforderliche Entscheidung treffen! – Im Mai muß ein neues Leben beginnen! – Nie soll der Freund trauern u. verzagen, o könnte ich doch Alles für Ihn leiden! – Wie freut es mich zu hören, daß auch Sie die Hoffnung stets nähren, hier werde Alles in Erfüllung gehen! –

Für die Übersendung der Lebensgeschichte der »Hl. Elisabeth« meinen freundlichsten Dank. – »Heilig die Reine, die nun vereint, göttlicher Schaar vor dem Ewigen steht« – diese Worte möchte man ausrufen nach dem Schlusse des Werkes, diese Wort, welche der Chor der Pilger nach dem Verscheiden jener anderen Elisabeth in Begeisterung anstimmt. –

Ich beauftragte Zumbusch die Statuette »Walther's« zu entwerfen, da doch dieser in Wagner's Dichtung der eigentliche Held ist, meiner Ansicht nach u. nicht der obgleich historische Hans Sachs! –

Herzlichst grüßt Sie, hochverehrte Frau u. Herrn v. Bülow

Ihr

sehr geneigter

Ludwig.

27. Febr. 1866. – Abends. –

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67

Erhabener König!

Theurer Herr! Gnadenreicher huldvoller Freund!

Ich übersandte heute früh Euerer Majestät, einen Brief meines Vaters, ich erlaube mir jetzt das Telegramm des Freundes unterthänig zu übermitteln, und zugleich in Ehrfurcht eine Bitte an meinem Herrn und König zu stellen. Ich hatte dem Freund geschrieben ich wollte kommen, nächsten Freitag verreisen, nun bin ich so unwohl dass mein Mann darauf besteht das ich bis nach seiner dritten Soirée (6ten März) abwarte – könnte ich wohl bis zum 7ten dem Freunde eine bestimmte Nachricht bringen? Eine Anfrage wage ich noch an den theuren Herrn, ob es Euerer Majestät genehm wäre wenn die Musikaufführungen vom Ende März erst anfingen? Ich sehe der Freund freut sich so auf meinen Besuch dass ich ihn nicht zu lange warten lassen möchte, doch schiene es mir wiederum nicht recht wenn ich hier den Thaten nicht beiwohnte. Darf ich es wagen Euere Majestät zu bitten hier zu richten, und mir zu sagen was ich thun soll, ich will danach handeln, bleiben oder gehen, versäumen oder miterleben je nachdem mein Herr es über mich bestimmt. Heute Abend schreibe ich dem Freunde und werde ihm die gütigen hoffnungsschwangeren Worte des Beschützers mittheilen.

O gewiss ist Walther der Held der Meistersinger, zu ihm steht Sachs in dem Verhältniss wie Wotan zu Siegfried; dies ist sehr kühn gesagt und ich würde es so zu keinem aussprechen – wer fände wohl in dem Schuster-Poeten den Gott den Wagner in ihn legte? – allein unser »Wunder« weiss ja alles viel besser und kühner als ich es nur ahne.

In dankender innigst tiefster Treue verharre ich als

Euerer Majestät

unterthänigst gehorsamste Dienerin

Cosima von Bülow-Liszt

28. Februar 1866 /.

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68

Erhabener König!

Theurer Herr, Gnadenvoller Beschützer!

Mit einigen Worten wage ich es Euere Majestät, noch zu belästigen. Nach dem Gespräch dass ich gestern mit Herrn Lutz hatte will es mir fast scheinen, als ob eine Unterredung meinerseits mit Herrn v. d. Pforten, nicht unnütz sein dürfte, doch will ich den Minister Euerer Majestät nicht darum angehen bevor ich nicht weiss ob Euere Majestät diesen Schritt billigen. Sollte mein Herr und König, mein gütiger huldvoller Freund, nichts gutes von einer solchen Unterredung erwarten, so würde ich sofort davon abstehen, mit der unterthänigen Bitte mir die in Ehrfurcht gemachte Anfrage zu verzeihen.

Schön war die gestrige Aufführung der h. Elisabeth; mich störte der leere Saal wenig – es wäre vielleicht besser gewesen wenn Intendanzrath Schmidt den Abonnenten einmal dieses Werk gegönnt hätte – so aber wurde es zum »Hofconzert« wie mir Herr von Bülow ganz vergnügt sagte.

Soeben schrieb ich dem Freunde dass ich am 7ten früh von hier abreise, Gott gäbe dass mein Aufenthalt bei ihm, ihm Ruhe und Trost gewähre!

In ewig regem Dankgefühle zeichne ich mich ehrfurchtsvoll und treu

Euerer Majestät

unterthänig gehorsamste Dienerin

Cosima von Bülow-Liszt

2ten März 1866 /.

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69

Mein theurer Herr!

Mein König! Mein Beschützer!

Dank, innigsten Dank für die Gnade! So eben sandte ich einige Zeilen, ich will jetzt nur melden dass ich binnen 14 Tagen hier zurück sein werde und dann die Aufführungen ungestört von sich gehen soll – wie dankbar bin ich Euerer Majestät! Die Musteraufführungen können noch vor Juni zu Stande gebracht werden. Ach! träfe ich nur den Freund oder brächte ihn in guter Stimmung! Ich erwarte noch den Befehl meines Herrn wegen der Audienz – ist es besser dass ich davon ablasse, gern, o wie gern und freudig gehorche ich dem Einzigen Beschützer!

Ewig treu, ewig dankend, ewig preisend verharre ich

Euerer Majestät

gehorsamste Dienerin

Cosima von Bülow-Liszt

2. März 1866.

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70

Hochverehrte Freundin!

Welch hehre Freude brachte der gestrige Abend! – Dießmal war der Genuß dieses herrlichen Kunstwerkes ein reiner u. ungetrübter für mich. –

Nun zu dem Einzigen! – Wie innig wird des Theuren Freude sein, wenn die Freundin Ihn besucht. – Kaum habe ich nöthig, Ihnen zu sagen, daß ich bis zu Ihrer Zurückkunft mit Freuden mit der Vorführung jener andern Werke warten werde. – Wann etwa wird dieselbe erfolgen.–

Hoffentlich wird es Ihrer liebevollen Sorgfalt gelingen, einen ruhigen, angenehmen Wohnort für den Freund ausfindig zu machen, in dem Er ungestört bis zum Mai verweilen kann. – Bis dahin, hoffe ich fest, werden alle Schwierigkeiten, die hemmend jetzt noch den Weg umlagern, beseitigt werden können. – Unmöglich wäre es, ja ganz unerträglich für mich, jetzt noch einen Wonnemond ohne Ihn zuzubringen, Seinen Geburtstag ohne Ihn zu sehen, verleben zu müssen. – Wie wird es mit Unsren Musteraufführungen im Juni aussehen! – Ich denke, Alles wird nach Wunsch zu ermöglichen sein! – O meine Seele sehnt sich, sich aufs neue in jene wundervollen Werke einleben zu können. –

Heil und Segen Herrn von Bülow u. Ihren Kindern, möge Gottes Segen auf ihnen ruhen, stets sie begleiten. – Von ganzem Herzen grüßt Sie,

Ihr

sehr geneigter

Ludwig.

am 2. März 1866. –

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71

Theure, hochverehrte Frau!

Vollkommen einverstanden bin ich mit Ihrer Absicht, den Minister Pfordten zu sprechen. – Groß ist meine Freude über diesen Entschluß von Ihrer Seite. – Gott gebe, daß es Ihnen gelingen möge, jenes Mannes Eigensinn u. unverantwortliche Schroffheit in der Wagner-Frage zu brechen. – O dieß wäre in der That herrlich, ja ich möchte es ein Wunder nennen, daß Sie an ihm wirken. – Die Tage der Zukunft wären golden! – »Gott möge Sie geleiten u. hüten Ihren Schritt« rufe ich aus vollster Brust mit den Brabantern aus!

Traurig ist der Gedanke »Tristan und Isolde« nicht mehr aufgeführt zu sehen. – Wie wäre es, wenn etwa in einem Jahre Niemann den »Tristan« sänge, ich halte ihn nicht unfähig zur Darstellung dieser Rolle, wenn er auch den hehren Helden nicht wieder zu geben vermag, den Unser Schnorr so meisterhaft darstellte; vielleicht wäre auch eine »Isolde« zu finden. – Beglückend wäre für mich schon der Gedanke das angebetete Werk wieder einmal hören zu können. –

Sind Ihre letzten Nachrichten von dem geliebten Freunde erfreulich. – Schafft sein Geist? – Nun leben Sie wohl, theure, hochverehrte Freundin, stets bleibe ich

Ihr

sehr geneigter Ludwig.

2. März 1866. –

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72

Hochverehrte Freundin!

Heute erhielt ich vom Freunde ein Telegramm, welches mir einen beruhigenden Brief ankündigt. – Gott gebe, daß Er freudiger gestimmt u. hoffend sei! – Ach, ich kann nicht leben ohne Ihn, Er muß bald kommen; doch Ruhe, Frieden muß Er hier finden. – Wäre doch Pfordten umzustimmen, mir fiele ein Stein vom Herzen. –

Kaulbach will leider die 4 Bilder aus dem »Ringe des Nibelungen« nicht ganz nach Wagner's Intentionen, sondern theilweise nach der Edda behandeln; überhaupt scheint er Wagner als Dichter nicht hoch zu achten. – Herrlich wäre es, ja in der That wundervoll, wenn es Ihnen, hochverehrte Frau oder Herrn v. Bülow gelingen würde, ihm nach u. nach einen andern Begriff von Wagner's Größe u. Bedeutung beizubringen, ewig wäre ich Ihnen für diesen Liebesdienst vom Herzen dankbar; denn außer dem Ringe des Nibelungen hätte ich so gerne eine Scene aus »Tristan und Isolde«, u. aus »Lohengrin« durch Kaulbachs Hand dargestellt (Lohengrin's herzzerreissenden, letzten Abschied von Elsa u. Isolden's Verklärung bei Tristan's Leiche). Könnte Kaulbach mit der Musik dieser gotterfüllten Werke näher vertraut werden, welch großen Einfluß würde dieß auf die Gestaltung der Bilder haben; er ist der erste aller lebenden Maler u. könnte am herrlichsten u. ergreifendsten Scenen aus des größten Dichters u. Tondichters Werken bildlich darstellen. – Wie himmlisch sind seine neuesten Kartons! – Auch Echter ging durch Sie, hochverehrte Freundin erst das wahre Verständniß für Wagners »Nibelungen« auf; sehr gelungen finde ich die 3 ersten Bilder aus: »Siegfried«. – O Gott wie traurig, wie trostlos öde wäre die Welt für mich, wenn Sie, theure Freundin u. Er, der geliebte Freund nicht lebten! – Daß Sie Beide mich wieder lieben, das ist Himmels-Seligkeit! – Das ist wahre Wonne!

Warmen, innigen Gruß sendet Ihnen aus treuem Herzen

Ihr

sehr geneigter

Ludwig.

am 3. März 1866. –

Sehr freut mich der Brief Ihres Vaters, den ich innig liebe und verehre. –

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73

Mein theurer Herr!

Mein König, gnadenreich und hehr!

Mein unvergleichlicher Freund!

Morgen habe ich Audienz bei Herr von der Pfordten. Dass mein Herr und König mir diese Unterredung gestattet hat erfreut mich sehr und ist mir wie ein günstiges Omen für dessen Ausgang. Sobald ich zurückgekehrt sein werde, melde ich meinem theuren gnädigen Gebieter, wie es sich ergab. Vom Freunde hatte ich nun keine Briefe weil er mich in diesen Tagen erwartete, ich hoffe morgen auf einen – ach, mein gütiger König, wären wir nun im Mai!

Ich will heute noch zu Kaulbach wandern; etwas überrascht mich seine Halsstörrigkeit und seine Hartnäckigkeit bezüglich der Wagnerschen Werke, ich dachte wir wären weiter und bin etwas beschämt!

Die Edda!! Wer hat denn der Edda Gestalt und Leben wiedergegeben?... Gewiss ist wie Euere Majestät sagen K. der erste jetzt lebende Maler, und ich bin glücklich dass die Cartons die mich entzückt haben auch meines Herrn Gefallen sich erwarben. Unsre Zeit aber, sie gehört nicht der Plastik an, sie gehört der Musik; den Grössten unter den Plastikern fehlt eine gewisse Divination, fehlt die Wärme, das »Wunder« dass wir in Michel-Angelo, Raphael, Leonardo, erblicken, in Beethoven und Wagner empfinden, es fehlt der heutigen entgötterten Malerei. Was die grösste Meisterschaft, der schärfste Verstand, das sicherste Auge vermögen das baut Kaulbach grossartig auf, und ich bewundre rückhaltlos die Werke des befreundeten Meisters, allein die Musik fehlt ihm; er wird wohl von Mozart, Beethoven, Weber reden, sie erkennen vermag er nicht, auf gutem Glauben und mit dem plastischen Verstande fasst er auch Schiller und Goethe auf, was zu den glücklichsten Griffen führt – wie die letzten Cartons, aber auch zuweilen zu Misgriffe wie einige in der Goethe Galerie zu erschauen sind. Nun hat er seit Jahren Wagner schmähen hören, die Musiker, die Pharisäer unsrer Kunst, achselzuckend über die Werke »die entweder nur geschraubte phantastische Wesen wie Liszt und seine Anhänger oder das Volk das gemeine, verehren«. Ihm sagt sein Herz nichts, er sieht wohl dass der »Ring« etwas eigenthümliches seltsames ist, ob es aber den Werth hat dass er dieser Composition den Zauber seines Pinsel's verleihe, darüber kann er nicht entscheiden, er fürchtet. Doch da ich der festen Ueberzeugung bin dass wenn er sich einmal entschliesst, nicht mehr links und rechts erwägt, er etwas merkwürdiges zu Stande bringen wird, will ich ihm heute recht deutlich und feierlich sagen was Wagner für Uns ist, und dereinst für die Welt sein wird. Durch die Musik wird er leider nichts erfahren; sie ist den heutigen Plastiker eine fremde Sprache; sie verlangen von ihr Unterhaltung, Zerstreuung, und da sie von den neidischen Pharisäer oder Meistersingern dogmatisch sagen hören dass »Die Hochzeit Figaro's« und »Don Juan« das grösste ja das einzig Schöne sei, so kümmern sie sich einfach nicht um die Kunst die mittlerweile ein ganzes Volk gewann, und einen Wunderkönig fand! Meinen Vater den Kaulbach sehr liebt und verehrt, hat er aber nie als Komponisten betrachtet, sondern als liebenswürdigen edlen Menschen, es ist förmlich zum Scherz zwischen den beiden geworden dass Kaulbach nichts von Liszt's Musik wissen will (die er nicht kennt), während mein Vater grösste Bewunderung für den Maler Kaulbach an den Tag legte. Haben Euere Majestät vielleicht das Bild meines Vaters im zweiten Atelier Kaulbach's gesehen? Es ist ein Meisterwerk. Hoch über alle Beziehungen geht mir die Wahrheit dem hehrsten göttlichen Freunde gegenüber, darum habe ich hier gesagt was ich Niemanden zugeben würde, denn mein Verkehr mit Kaulbach ist freundschaftlichster Art. Ich will sehen ob ich etwas vermag, es würde mich sehr freuen. Vor meiner Abreise will ich den Niblungen-Gang noch ansehen um dem Freund Bericht zu erstatten; Professor Echter war gestern bei mir, wir sprachen über »Tristan« welchen er nur als »Operntext« kannte, somit alle Bezeichnungen und Anmerkungen des Freundes nicht gelesen hatte! Als ich die Dichtung gesagt hatte, dachte er ich meinte Gottfried von Strasburg!... Ich glaube aber auch dass der ganze Niblungen-Cyklus wirklich vortrefflich und schon durch den Gegenstand, ganz einzig sein wird!

Tristan im nächsten Jahre mit Niemann? Mir ist es immer als ob wir noch einen Helden finden müssten – seitdem wir Unsren theuren König haben, habe ich mich fast daran gewöhnt auf Wunder zu rechnen, mir ist es als ob eine besondre göttliche Gnade – trotz allem Unheile und Elende – auf uns ruhe. Ist dem nicht so?

Zumbusch habe ich gesagt er möge doch den Moment wählen wo Walther auf dem Singestuhl steht und mit dem »Fanget an« das Meistersingergetöse weit übertönt, mir scheint es das eigentliche Walther-Motiv zu sein. Eine Bitte habe ich nun an meinen wunderbaren Freund, die, in Gnade ein Kleines anzunehmen dass ich diesem Briefe beilege. Es ist eine Bronce-Medaille meines Vaters die nicht mehr im Handel zu haben ist; dieses Exemplar gehörte A. von Humbold aus dessen Nachlass ich es erlangte. Als mein Vater im Jahre 1847 nach Berlin kam frug ihn sein Freund Fürst Lichnowsky ob er nicht Humbold besuchen wollte. »Nein – meinte der Vater – was weiss Humbold von dem Klaviervirtuosen Liszt?« H. hörte dies besuchte den Vater zuerst, an diesem Besuch knüpften sich freundschaftliche Beziehungen und die Gabe dieser Medaille, die für eine der besten gilt die überhaupt gemacht worden sind. Möge mein huldreicher Freund sie gnädig aufnehmen zur Erinnerung an dem grossen Glücke dass Er mir durch die Aufführung der h. Elisabeth hier gewährte! Ich schicke die Medaille in dem alten Etui, wie ich es aus Humbold's Nachlass empfing – nicht dem König, nicht dem Gebieter, dem gütigen Freunde empfehle ich in Gnade dieses Bild dass ich geliebt, und in keinen Händen wissen möchte ausser den Seinigen, die Segensspendenden! ...

In ewiger Treue verbleibe ich

Euerer Majestät

unterthänig gehorsamste Dienerin

Cosima von Bülow-Liszt

4ten März 1866 ./

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74

Erhabener König!

Theurer gnädiger Herr! Mein huldvoller Freund!

Soeben komme ich von der Audienz zurück – wenig Freude gewährte sie mir; ich will meinem Herrn und König berichten. Zuerst beschränkte sich Herr von der Pfordten darauf dass entweder hier die Rede von einer Privatangelegenheit Seiner Majestät des Königs sei, da hätte er nichts zu sagen, oder aber von einer Staatsangelegenheit, die dürfe er keiner Discussion unterziehen. Es war schwer ohne zudringlich zu erscheinen den Herrn Minister bis dahin zu bringen dass er Wagner's Aufenthalt in Bayern für S. M. dem Könige und dem Lande Schadebringend erklärte! Mir will es scheinen als ob er in dieser Ansicht ehrlich und bornirt fest und steif bleiben wird; er hat sich daraus eine Ueberzeugung gebildet, und ich glaube er sucht darin einen gewissen Halt. Bevor ich ging frug ich ihn ob er diese Meinung auf das ganze Land oder bloss auf München bezöge, sprach ihm von Würzburg wo die Nichte Wagner's lebt, die vielleicht für eine freundliche Niederlassung dort sorgen könnte, darauf sagte er dieses wäre nie erwähnt worden, nur der Aufenthalt in einem der Schlösser im Königreich schien ihm ebenso bedenklich als die Rückkehr nach München, ja noch bedenklicher. Ich verliess ihn indem ich wohl sah dass ihm auf diesen Punkte nicht beizukommen sei, er hat sich eben eine Religion daraus gebildet; ich bin der festen Ueberzeugung dass er darin meint Euerer Majestät zu dienen, die Schranken sind eben die Stützen eines solchen Wesens, und mit einem beschränktem Geiste hatte ich es heute zu thun; doch ist der Eindruck den ich von ihm empfing kein übler gewesen – wahrhaftig er hält den Freund für Staatsgefährlich! ...

Nun fand ich als ich heimkam einen Brief des Freundes – ich möchte um alles in der Welt unsrem Theuren Herrn, keine Noth und Qual verursachen, er wolle auf alles verzichten, sich schon helfen; das gnädig geschenkte Haus bewohne er, liesse es von seinen Leuten unterhalten, bis denn dereinst die Zeit käme wo er in Frieden es wieder bewohnen dürfe, sei sie noch so entfernt er würde es ruhig abwarten. Es rührte mich tief, ach! Die grossen Seelen, die tiefen Geister! Wer sich an diesen Verkehr gewöhnt hat, wie schwierig wird es ihm selbst den Besten unter den Beschränkten gerecht zu werden, alles was wie Engherzigkeit, kluges Berechnen, Macht- und Glückgier aussieht wird mir bis zur Unbegreiflichkeit nun fremd.

Meine Wanderung bei Kaulbach ging sehr freundlich aus; mit Freude wird er die Cartons ausführen Lohengrin's Abschied und eine Scene aus Tristan und Isolde; statt der Verklärung, die er nicht geben kann, denn die Vision die uns die Musik hervorzaubert kann sein Griffel nicht wiederschaffen, möchte er Isolde auf Tristan blickend (1ter Akt wenn Brangäne die Botschaft bringt) darstellen. Aus dem Ring wählte er »Siegfried Brünnhilde weckend«, wegen der andren Bilder wollte er mit mir weiter sprechen wenn Euere Majestät ihm gnädigst den Auftrag gäben. Er sprach auch von der Edda, doch war durchaus nicht eigensinnig, und wiederholte stets dass er mit Freude alles thun wird was von ihm Euere Majestät wünschen; er war noch, wie er sagte, ganz »berauscht« von der Gnade, Güte, und wunderbar erquickenden begeisternden Divination, meines Herrn und König. »Wagner ist kein Dichter wie ich auch keiner, ich bin Maler er Musiker« sagte er mir; darauf erwiederte ich, und er hörte schön und ernst zu; ich glaube er wird diese Darstellungen mit Freude machen, und sie werden dann gewiss prächtig ausfallen.

Von Frau von Schnorr hatte ich heute einen entzückten Brief. Das Bild, das Allergnädigste Schreiben haben sie beseligt. O gnadenreicher theurer Herr, wer kann diese Güte ergründen? Ich erkenne sie und bete sie an! ...

Gnaden Euere Majestät, die Gewährung mir, mich stets zu nennen mit tiefstem Dankgefühle

Euerer Majestät

treu gehorsamste Dienerin

Cosima von Bülow-Liszt

5ten März 1866 ./

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75

Hochverehrte Freundin!

Vor Allem drängt es mich, Ihnen für die mir so freundlich übersandte Medaille mit dem Bildnisse Ihres großen Vaters meinen innigen, warmen Dank auszusprechen. – Sie haben mir mit demselben eine sehr große Freude bereitet; doch leid thut es mir, daß Sie sich dieses theuren Kleinodes beraubt haben. – Mit tiefer Rührung, mit wahrer Begeisterung blicke ich auf die bedeutungsvollen, herrlichen Züge. –

Schwer wird Ihnen, hochverehrte Frau, der Gang zu Herrn v. d. Pfordten angekommen sein, herzlich danke ich Ihnen dafür, daß Sie ihn unternahmen, sowie für die freundliche Unterhandlung mit Kaulbach.–

Sicher weiß ich, daß Pfordten, wenn Wagner hieher käme, um seine Entlassung nachsuchen würde, die ich ihm nicht verweigern könnte. – Leider denken in jener Angelegenheit Viele, sehr Viele, wie der Minister; die Mitglieder d. Königl. Familie, der ganze Adel, der Clerus pp. Um Alles dieß würde ich mich durchaus nicht kümmern, (dieß können Sie von meiner Festigkeit überzeugt sein,) wenn des Theuren Kommen gegenwärtig nicht wirklich gefährlich wäre; ach ein Dämon hat Alles ergriffen u. die Umstände so entsetzlich traurig gestaltet. – Ich lege einen Brief des Freundes bei, den ich heute erhielt. – Trotz aller Schwierigkeiten u. Hindernisse habe ich Muth u. Vertrauen, ja die gute Sache siegt. – Ich will kämpfen u. handeln, nie gebe ich die Hoffnung auf! – Wie erfreulich ist das, was Sie, theure Freundin, über Ihre Besprechung mit Kaulbach schreiben. Mit der Wahl der Scene, welche er aus »Siegfried« traf, bin ich einverstanden, nun wünsche ich, er möge auch aus: »Rheingold«, »Walküre« u. aus d. »Götterdämmerung« sich eine Scene zur bildlichen Darstellung erwählen. – Wie schön kann das Bild aus »Lohengrin« werden! – »Der König, Sein Heerbann, Mannen u. Frauen sind versammelt am Ufer der Scheide; der Schwan mit dem verhängnißvollen Nachen ist schon angelangt, nocheinmal wendet sich der theure Held zu Elsa, um den letzten, schweren Abschied von ihr zu nehmen, sein Blick muß in die Tiefe der Seele dringen, jeder Beschauer muß die fürchterlichen Seelenqualen miterleben, in Trauer, in namenlosem Jammer blicken die Umstehenden auf den Scheidenden, den »hold-unseligen Mann«, sehnsüchtig ist der stumme Blick, welchen der Schwan auf Lohengrin richtet (rührend könnte des Malers Pinsel dieß ausführen). –

So denke ich mir das Lohengrin-Bild, – Könnte Kaulbach nicht etwa eine Scene aus dem 2ten Akte v. »Tristan und Isolde« behandeln. – Ich sollte denken, es wäre dem Künstler möglich, das glühend Sehnsuchtsvolle, das Ineinanderaufgehen das tief Bedeutsame der Vereinigung zweier Seelen ergreifend darzustellen. – Wenn die feierlichen Töne beginnen, wenn die Beiden für einander Geschaffenen den wundervollen Gesang anstimmen: »So sterben wir um ungetrennt« pp – ist das nicht hinreissend, muß dieß nicht auch den Maler entflammen; sicher bin ich, daß auch die Verklärung ergreifend könnte gezeichnet werden! – Isolde blickt auf Ihn, den Einzigen, ihr Auge glüht in seligem Lichte, ihr Geist weilt bei Ihm, die Seele haucht der irdische Körper in den letzten Verklärungsworten aus; sie lebt nur im Anschauen der geliebten Züge, bald sind die Beiden: »Nicht mehr Tristan, nicht Isolde– – – – – – Neu erkennen, neu entbrennen!– – – – – –« In Verzückung betrachten die Umstehenden die Scheidenden! – Der Sonne letzter Strahl erglüht, gleichsam als Vorbote jenes ewigen Lichtes, das in jenen Welten die beiden Geliebten umfängt. – Noch losch das Licht nicht aus, noch ward's nicht Nacht im Haus« – – O wären auch Wir schon, Wir 3 im weiten Land, das alle Welt umspannt, fern der Sonne, fern der Tage Trennungsklage! –

Doch nun hochverehrte Frau, habe ich Ihre Zeit zu lange in Anspruch genommen, ich grüße Sie aus tiefster Seele u. bleibe stets

Ihr

sehr geneigter

Ludwig.

am 5. März 1866. –

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76

Erhabener König!

Mein theurer, grosser, herrlicher Freund!

Gnadenvoller Herr!

Mit Dank lege ich meinem Herrn den gütig mitgetheilten Brief wieder zu Füssen. Mir dünkt der Freund thut recht, und so viel ich vermag will ich ihn darin bestärken. Unsre Zeit mein hehrer Freund, sie wird kommen. Ich kann sie ermessen die unentwirrbaren Schwierigkeiten die immer dichter und dichter Unsre Frage umgeben, doch glaube ich dass das Leben von selbst dieselben zerhauen wird, gelingt es nicht der himmlischsten Güte und Liebe sie zu entwirren. Nicht ein bittres Wort liess ich gestern fallen, ich empfand auch keine Bitterkeit, denn ich sah einen Bethörten, immer nicht zu erleuchtenden, ich sagte mir wohl dass er nicht einzeln in seiner Empfindung sein könnte, sonst würde er sie nicht hegen, solche Menschen sind nicht die Träger vereinsamter Gefühle, und ich erkannte die Lage in ihrer ganzen Confusion. Denn sind die höchsten Schichten einig, die untersten sind wiederum vereint in dem entgegengesetzten Gefühl – noch kürzlich erzählte mir ein junger Arzt der hier immer oben auf der Galerie den Aufführungen beiwohnt, dass die Leute dort in den Pausen der Elisabeth von Wagner gesprochen hätten, sich einander gefragt, wann er denn wiederkäme, warum er eigentlich fort wäre, und warum man dem »König« dieses Leid angethan hätte? Neulich bei einem Militairconcert wo das »Liebesmahl« gemacht worden ist, ist ein solcher Jubel ausgebrochen dass das Publikum kaum zu sich zu bringen war. Dies die beiden Faktoren – allerdings ist der feindliche Faktor bei Weitem der stichhaltigste, der mächtigste, der einflussreichste; bei der Masse ist es eben Rausch, sie ahnt das Wahre schwärmt dafür, es ist eben aber nur Schwärmerei; die »Mächtigen« hassen es, entweder mit oder ohne Verständniss, Bornirtheit oder Bosheit gleichviel, sie sind darin und dadurch stark und stet, auch haben sie die Sorge für die Andren zu handeln, und können wo die Masse nur unbestimmt wünscht. Eines aber dürfen wir dabei nicht vergessen, wir haben einen Siegesengel – darum, ist die Lage noch so verwickelt, bin ich fast lächelnd ruhig, ich weiss Einem bleibt der Sieg, darum auch Ruhe, Schweigen; geheimnissvoll weben die gütigen Mächte für uns, wir wollen nicht durch ihr segensreiches Gewebe dazwischen fahren.

Morgen früh reise ich, Donnerstag bin ich mit Senta in Genf. Franz der Diener kam gestern an, und wird nun das »Schiff« (so nannten wir das Haus Briennerstrasse) hüten. Er sagte der Freund freute sich unsäglich mich wiederzusehen und wäre wie neu belebt. Gott, trotz Ministern, trotz Adel, ja trotz Clerus, trotz den Höchsten, Wir sind glücklich mein theurer Herr, mein »Wunderfreund«, wer kann das Band lösen dass den heiligen ewigen Bund knüpft? Und die Zeit wird sich gütig Uns zur Seite stellen, sie wird beschwichtigen und auch zerhauen, sie wird den einen biegen den andren brechen. O Beschützer, ich hoffe! Ich will noch heute zu Kaulbach gehen, ich glaube er wird alles thun; die Welt in die er jetzt eingeführt wird ist ihm nur noch sehr neu, ich fand ihn aber wärmer und bereitwilliger als ich erwartet hatte. Dank mein theurer Herr und Gebieter, die kleine Gabe in Gnade angenommen zu haben! Wie hätte ich mich beraubt indem ich es Euerer Majestät zu Füssen legen durfte, besitze ich es nicht erst seitdem Euere Majestät es haben? Habe ich nicht zum erstenmal empfunden wie das Bild mich beglückt und mir werth ist, indem ich es meinem Herrn zu Füssen legen durfte?

Von Genf aus werde ich mir erlauben über den Freund zu berichten, nun bitte ich den Gnadenreichen mir Gnade zu bewahren, und mir stets zu gestatten mich zu nennen

Euerer Majestät

treu gehorsamste Dienerin

Cosima von Bülow-Liszt

6. März 1866 /.

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77

Erhabener König!

Theurer gnädiger Herr! Gütiger huldvoller Freund!

Ich glaube meinem Herrn und König genehm zu handeln, indem ich von hier aus schreibe und berichte, und bitte um gnädige Aufnahme der fernen Botschaft. Den Freund traf ich in Lausanne sichtlich erfreut über meine Ankunft, doch die augenblickliche Erregung konnte mich über die auf sein ganzes Wesen verbreitete Trauer nicht täuschen, nun arbeite ich hier daran ihn zu erheitern; ich habe ihn verändert gefunden und seine Gesundheit hat sehr gelitten. Allein auf dem einen Punkt ist er rüstig und fest, er tadelte mich beinahe Euere Majestät mit der Bitte belästigt zu haben, ihn in das Land ziehen zu lassen! Gern will er ausbleiben, noch lange Zeit Bayern meiden, nur eines sehe ich wünscht er lebhaft, dass Euere Majestät ihm nicht den Wunsch aussprechen möchten noch entfernt zu weilen, und es von seinem Schicklichkeits- und Ehrgefühl abhängen liessen wann er das Reich Euerer Majestät wieder beträte. Mit Freuden entsagt er der neu gewonnenen Heimath, da er annimmt dass Euere Majestät in Herrn v. d. Pf. den für das Land so sehr wichtigen Staatsmann gefunden – er bleibt also aus, ruhig und froh, nur bittet er annehmen zu dürfen dass er dieses aus freiem Willen thue, im erhebenden Gedanken Seinem Herrn und Retter die königlichen Pflichten zu erleichtern. Ich bemerkte gestern wie empfindlich es ihn traf in den freudig begrüssten Briefe, den Wunsch ausgedrückt zu finden, noch nicht heimzukehren – er will es ja nicht, er wünscht es nicht mehr, gern weicht er mit seinem Wohle der Wohlfahrt des Landes und dem Frieden Seines hehren Freundes, nur nimmt er an dass er dieses aus freien Stücken thue, darin findet er die Beruhigung seiner Würde und seiner Ehre, Keiner heisst ihn ferne sein, er aber fühlt dass dem so besser sei. Um diesen hohen Beweis der Liebe bittet er den grossen hochherzigen Freund, das heisst nichts mehr von Rückkehr oder Ausbleiben zu erwähnen; schlägt dereinst die Stunde der Vereinigung, wie werden alle diesen Schlag hören und ihm folgen. Auch ich werde schweigen; das schwere Schicksal muss man muthig getrost empfangen, tragen, grüssen, dann erst beschwingt es sich, und wer kann sagen zu welchen Welten der Ergebene dadurch emporgeschwungen wird?...

Nicht sehr heimisch noch behaglich sind hier die » Artichauts«, doch thut es mir weh dass der Freund sie in Bälde wieder verlassen soll; für einen Monat hat er in Lausanne gemiethet dann will er sich in Interlaken umsehen, ob er für den ganzen Sommer dort etwas findet; dass er wenigstens anhaltend seinen Meistersingern sich übergeben kann. Der Schluss des ersten Aktes ist ganz göttlich, er instrumentirt ihn jetzt; Abends bringen wir die Biographie vorwärts, des Tags bei Tisch besprechen wir ach! das trübe gewaltig immer von neuem erschütterte Leben. Ich sagte ihm heute lächelnd: »zu Deinem Unheil hast Du uns nach München gezogen; wären wir in Berlin, wir sagten Dir komm her zu uns, da gab es denn wenigstens auf einige Zeit Ruhe.« Die Aufführung der h. Elisabeth freute ihn sehr, dass er sie nicht hören konnte schmerzte ihn. Freilich, allein wer im grossen und ganzen das Schicksal acceptirt darf mit dem Einzelnen nicht rechten. Keine Seele hat er gesehen seitdem er fort ist, so dass ich und Senta gar viel Leben hier in dem stillen einsamen Haus bringen; schwer, gar schwer wird mir der Fortgang werden, er bedarf so sehr eines Wesen's dass ihn liebt und versteht, der »hold unsel'ge Mann«!

Bis jetzt hatten wir trübe Tage, nun zeigt sich die Sonne und die Schneeberge glänzen schön und hehr; über alle trübe Empfindungen flattern zuweilen freudige heitere Gedanken, wie man die Irrlichter auf den Kirchhöfen flackernd, dargestellt sieht. Und gewiss giebt die grosse muthige Annahme einer grossen Situation, eine schöne tiefe Heiterkeit – » auf allen Gipfeln ist Ruhe « –, es kommt nur darauf an sich auf diesen Gipfeln zu schwingen, nichts wollen als das was uns beschieden ist, und unser Loos dadurch beneidenswerth machen dass wir es freiwillig kühren, dies der Unterschied zwischen den Märtyrer und den zu Tode verurtheilten Verbrecher, O lassen Sie mein gütiger theurer Freund, den Geprüften sein Loos sich wählen, und lassen Sie Uns nunmehr schweigen, schweigen bis in das Glück oder bis in den Tod. Wir hoffen und vertrauen.

Noch mehrer Tage bleib ich hier, vielleicht finde ich in der Nähe Bern's etwas für den Freund passendes, dann trennen wir uns, der Gott der uns zusammenbrachte wird uns wohl auch wieder vereinen. In treuester Treue ewig dankend verbleibe ich

Euerer Majestät

gehorsamste Dienerin

Cosima von Bülow-Liszt

13ten März 1866.

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78

Telegramm

Von München nach Genf                               15.3.1866

Frau von Bülow. Genf aux artichauds

Herzlichen Dank für lieben Brief, sehr traurig, den Freund betrübt zu haben, lege alles in seine Hände, hoffe sehnlich, die Trennung werde nicht zu lange währen. Treu bleibe ich ihm bis in den Tod!

Ludwig.

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79

Telegramm

Von München nach Genf                               19.3.1866

Frau von Bülow in Genf aux artichauds

Ich beschwöre Sie mir mitzutheilen, wann etwa der Freund seinen Geist wieder in »Siegfried« versenken wird!

O wüsste er wie meine Seele danach verlangt! Wie geht es dem Theuren? Heil und Segen Ihm und Ihnen! Hehres Glück und Frieden!

Ludwig.

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80

Telegramm

Von Genf nach München                               20ten März 1866

Seiner Majestät dem König Ludwig II von Bayern München.

Tief gerührt danken wir dem erhabenen Beschützer für die gütigen Wünsche und vor Allem für die in der letzten Depesche enthaltene gnädige allerhöchste Bestimmung, in des Freundes Hände alles zu legen, welche des theuren Herzen sichtlich erleichterte. Wir legen, festen Glauben, daß das grosse Ziel erreicht wird und daß die in unmittelbarer unlösbarer Verbindung mit dem hohen Freunde stehende Siegfrieds Arbeit dereinst in Heim und Hof wieder mit Freude aufgenommen wird.

Cosima v. Bülow.

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81

Erhabener König!

Theurer gnädiger Herr! Gütiger Beschüzter!

Als ich von hier reiste hoffte ich leichteren Muthes heim zu kehren, und beruhigendes über des Freundes Lage berichten zu können – dem sollte nicht sein; traurig ergeben, melde ich nun unterthänigst was ich sah, was ich weiss. Ich war beinahe glücklich als ich dem Sekretair Euerer Majestät anzeigen zu dürfen glaubte, ein Landhaus hätte sich gefunden in welches der Freund ein Jahr lang ruhig sein könnte; was ich vermittelt hatte zerschlug sich aber sobald, und die lächerlichsten Bedingungen knüpften sich an diesem Wohnorte. Nun besprachen wir das mögliche Verbleiben in den Artichauts wo es zwar unbehaglich genug ist wo er aber nun einmal ist, wo er seine Mappe aufgeschlagen und sein Klavier eröffnet hat. Neue Unterhandlungen hin und her reden; mittlerweile unternahmen wir eine kleine Reise um uns in der deutschen Schweiz umzusehen. Für einen Monat ging es überall in den Hotels, da ist es leer, mitte Mai aber schon strömen die Fremden herbei, auch ist es überall kalt. Unsre Reise war schön, wir trafen eine theure Schrift an, und machten eine weihevolle Walfahrt in der wir uns zu Dreien fühlten – und doch war mein Inneres von Sorge zerrissen. Ich habe den Freund verändert gefunden, Ruhe- und Rastlos; nun nichts für ihn zu können, ihm nicht sagen zu dürfen »hier komme und weile, schaue und suche nicht in der öden weiten Welt, hier kehre ein und bleibe!« ... In Luzern sahen wir uns auch um nichts fand sich, als wir uns in Romanshorn trennten sagte er mir er würde nun wohl im Gasthaus sich begeben. »Aber die Meistersinger«, rief ich ihm noch zu: traurig lächelnd sah er mich an, ich schiffte mich ein, er blieb, und so kam ich denn wieder, besorgt wie sonst, betrübter aber noch. Heute erhielt ich die Depesche die ich mir erlaube beizulegen. Er wird nun wohl in Luzern wieder suchen! Wie oft kam der Freund darauf mir zu sagen »er würde gewiss nie wieder sein Haus betreten können«! Ich bestritt es fest, allein mir will es jetzt fast auch dünken als ob die dunklen Mächte es auf ewige Zeiten abgesehen haben. Darf ich wohl den hehren huldvollen Freund fragen wie Er wohl die Lage empfindet? Mir scheint sie furchtbar, mir ist als ob wir auch den Fernen nachziehen müssten, als ob es unsre Pflicht sei ihn nicht in der Einsamkeit und Fremde zu lassen. Er war so bleich, so hager, so trüb! Ich kann an nichts mehr mich freuen, stets sehe ich vor mir den Ruhebaren umherirrend, für sich und sein keimendes Werk ein Obdach suchend, es nicht findend, und keine Seele in der Nähe die ihm Muth und Trost zuspräche. Mir ist es als ob jeder Tag den wir hier zubringen – wenn es so ist wie er und ich es ahnen – eine furchtbare Schuld auf unser Gewissen lastet, nun frage ich mich abwechselnd und stets »wann kommt er, wann müssen wir gehen?« Sieht der theure Beschützer die Lage andres an? Ach! wenn der Freund jünger wäre – doch in seinem Alter nach dem Leben dass ihm ward – kein Klang, kein Sang, kein Traum kein Wachen kann das düstre Bild dass ich bebend in mir trage, verscheuchen.

Eine seltsame Episode bildete in unsrem regelmässigen Leben die ueberraschende Ankunft eines Diploms. Der König von Italien übersand dem Freunde den Maurizius-Lazarus-Orden . Es schien uns sonderbar, gerade von dorther, und in dieser Zeit (das Dekret ist wenn ich nicht irre vom 23ten Dezember datirt)! Der Freund dankte dem König und dem Minister Italiens, erklärte zugleich aber dem Consul dass er auf die Ehre das Kreuz öffentlich zu tragen verzichte, aus verschiedenen Gründen die er nun angab.

Das Meistersingerfinale ist himmlisch, könnte ich es dem gütigen Herrn nur beschreiben! An der Biographie haben wir fleissig gearbeitet. Nur was die Angaben zu Lohengrin betrifft erklärte der Freund nachdem er es versucht hatte, es sei ihm unmöglich aufzuschreiben, denn es sei für ihn selbst noch ein Problem dass er nur persönlich thätig hätte lösen können, und hinterher auf das Papier niederlegen. So bald er nur einigermaassen zur Ruhe gekommen sein wird, wird er wohl die Seiten die er mir diktirt hat corrigiren und sobald ich sie bekommen werde ich an die Abschrift gehen.

Darf ich mir noch erlauben Euere Majestät zu fragen ob es Euerer Majestät recht wäre wenn die zweite der bevorstehenden Aufführungen im Residenztheater stattfände, des Klavieres wegen welches schwerlich im grossen Hause gut klingen würde. Doch wie es sich von selbst versteht lässt mein Mann sofort von dem Gedanken ab, wenn Euere Majestät dem grösseren Raum den Vorzug zu geben geruhen.

Ich erlaube mir noch die Worte beizulegen die der Freund auf den Grütli schrieb, wir hatten da eine feierliche Stunde in gehobenster Stimmung, der tiefsten Tiefe der höchsten Höhe nah durften wir an dem heiligsten Tag den heiligsten Gefühlen Ausdruck geben, und von der Welt verbannt, die Welt verzeihend von uns bannen. Zu zweien waren wir nicht als wir des Heilands, als wir Parzival's gedachten – ein Dritter ein Erster war bei uns, Gott segne diesen Einzigen!

Mir ist als ob ich mehr sagen müsste, und doch habe ich nicht alles gesagt, und ist dieses alles nicht eine Angsterfüllte Frage? Von der gnädigen Antwort die mir wird hängt unser innerliches und äusserliches Leben ab. Ich fürchte das Schicksal hat gesprochen!

In ewiger Treue, bis in dem Tode dankend zeichne ich als Euerer Majestät

unterthänigst gehorsamste Dienerin

Cosima von Bülow-Liszt

3ten April 1866/.

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82

Theure, hochverehrte Frau!

Mit Jubel, mit jauchzendem Entzücken erfüllte mich die Kunde: die Freundin sei hier! – Ich beschwöre Sie, theilen Sie mir Alles mit, was Sie inzwischen von dem geliebten Freunde erfahren haben! – Wie geht es mit der Gesundheit des Theuren? – O welch herrliche Tage müssen Sie mit Ihm verlebt haben. – Tief gerührt haben mich die Depeschen, die Er an mich gerichtet hat. – Arbeitet Er jetzt an dem 2ten Akte der »Meistersinger«? Wann gedenkt Er wieder zu »Siegfried« sich zu wenden? – Sprach er noch viel über den Plan zu »Parcival«? O meine Seele schmachtet nach Kunde von dem einzigen Geliebten, von dem Einzigen, der mir auf Erden theuer ist, dessen Platz in meinem Herzen durch Nichts kann je verdrängt werden; nur für Ihn, den Wonnevollen will ich leben, denn nur dann hat das Erdenleben Werth u. Gehalt für mich, wenn Er unter Uns noch wandelt, o Er muss glücklich werden! – Darf ich auf baldige Kunde durch Ihre Freundes-Hand hoffen? –

Wie freue ich mich auf die Compositionen Ihres grossen, mir so theuer gewordenen Vaters, welche ich heute Abend zum ersten Male hören werde. – Von ganzem Herzen hoffe ich Sie möchten bei Ihrer Zurückkunft Herrn v. Bülow und Ihre Kinder wohl angetroffen haben. – Tausend herzliche Willkommensgrüsse sendet Ihnen aus treuer Freundesseele

Ihr

sehr geneigter Ludwig.

den 4. April 1866.

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83

Mein theurer, mein hehrster Freund!

Unser erhabenster Schutz! Göttlicher Parzival!

Heil und Segen dem Gottgesandten! Preis ihm in alle Ewigkeiten! Kniend schreibe ich diese Zeilen die ich zugleich mit der beiliegenden Depesche schicke. Sie verändert nichts an den von Gott eingegebenen Gedanken ihn wiederkommen zu lassen, und sie bringt Ruhe. Das Schreiben des Wunderbaren aber bringt – – Glück. Ja Glück! Mir will das Herz bersten vor Wonne, o theurer theurer Herr!... Die Aufführung heute wird uns unvergesslich bleiben, nie habe ich die Werke meines Vaters so schön gehört. – Darf ich wohl morgen in weniger bewegten Stimmung schreiben?... Heute kann ich nur mein ganzes Wesen in Dank und Segen für den Einzigen Wunderbaren aufgehen lassen!

Im Leben wie im Tode ewig treu

Cosima von Bülow-Liszt

[4. April 1866]

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84

Hochverehrte Freundin!

Es drängt mich, noch heute einige Zeilen an Sie zu richten. – Ach wie erschüttert, wie tief ergriffen hat mich Alles, was Sie über den Zustand des geliebten Freundes mir mittheilen. – Nun will ich mich Seiner Liebe würdig beweisen. Er soll nicht umsonst das unerschütterliche Vertrauen in mich setzen; Gott zeigt mir den Weg den ich wandeln soll; ja ich erkenne meine wahre, erste, heiligste Pflicht denn »Ihm!« gehört mein Leben zu eigen. –

Ja, theure Freundin, jeder Tag den Wir hier ohne Ihn zubringen, lastet eine furchtbare Schuld auf Unser Gewissen; ich trotze den dämonischen Mächten ich gehorche der inneren, der unfehlbar heiligen Stimme! – Ich will von ihr allein mich leiten lassen. – Ich ersuche Sie, theure Freundin eine Villa in meinem Lande für Ihn als Wohnsitz mir vorzuschlagen, sollte durchaus keine solche zu finden sein, welche für den Freund geeignet wäre, dann bin ich mit Freuden bereit, Ihm mein Jagdhäuschen in der Riß als vorläufigen Wohnort anzubieten. – Die dortige Gegend ist herrlich, wild, erhaben, Ruhe herrscht dort, das Häuschen ist von München nicht all zu entfernt, die Zimmer hübsch und wohnlich. – Ich denke dem Geliebten wird dieser Vorschlag nicht unwillkommen sein; auch könnten Sie Ihn leicht dort öfters besuchen, von Berg aus könnte ich oft dahin zu Ihm eilen, selige Tage nahten dann u. nach einigen Monaten vielleicht könnte Er ohne Gefährdung der Ruhe Sein hiesiges Haus wieder beziehen. – Ja schön ist die Riß! – Ich weiß meine Pflicht! Trotz biete ich dem Schicksal, es muß sein Spruch vernichtet werden. – Nicht unwürdig will ich mich des heiligen Namens »Parcival« machen, den mir der Hehre verleiht! – Heil, Segen! Frieden Ihm u. Ihnen, theure Freundin! – Nun bitte ich theilen Sie mir recht bald Ihre Meinung über meinen Vorschlag mit! – Er muß gerettet werden u. sollte ich zu Grunde gehen! – Gott beschützt Uns! – Theure Freundin, ich sehne mich nach Ihrem Antwortsbrief! – Entzückt haben mich die heute vernommenen Compositionen, all meine Erwartungen übertroffen. – Ich ersuche Sie danken Sie in meinem Namen Herrn von Bülow aus ganzem Herzen. – Ich beschwöre den Einzigen, den Wunderbaren, den glühend Geliebten zu kommen! –

Selig in Leiden und Lust lasset die »Liebe«! nur sein! – Ihm treu bis in den Tod! –

Ludwig.

4. April 1866. Abends

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85

Gütiger hoher Herr! Mein König!

Theurer wunderbarer Freund! Erhabener Beschützer!

Ich weiss gar nicht wie und was ich gestern schrieb; wie im Traum empfand ich das Glück! Noch ganz bewegt von der herrlichen Aufführung dachte ich der fernen Zeiten in denen wir Alle vereint Frieden und Seligkeit finden werden, als Brief und Depesche kamen; wenn die letzte mich erfreute was soll ich denn vom ersteren sagen? Dass der »Wunderbare« das rechte fand, wie könnte es anders sein? Ich schrieb heute sogleich dem Freunde und legte die theuren ewig in meinem Herzen eingegrabenen Zeilen bei. Jetzt vermag ich noch gar nicht zu beurtheilen was er zu thun hat; was der »Einzige« aber fand und beschloss ist mir Trost und Erhebung für alle Zeiten. »Im Anfang war die That« sang gestern das Orchester, ich dachte Wort und That sind zuweilen dasselbe, nun traf ich heimgekehrt solch ein Wort. Gepriesen sei unser Engel!... Seltsam genug, ich empfing gestern vom Freunde nicht einen Brief sondern eine Art Tagebuch in welchem er mir mittheilt was er seit meiner Abreise stündlich vorgenommen hätte; er sprach unter andrem von einem Brief den er aus Südfrankreich bekommen hätte, worin der Besitzer eines Hauses der nachträglich erfahren hatte dass er im Januar mit dem Componisten des »Tannhäusers« zu thun gehabt, ihm sein ganzes Haus zu erträglichen Bedingungen zur Verfügung stellt. »Ich kann mich nicht entschliessen« schreibt der Freund, »denn da wäre keine Umkehr möglich, und ich erwarte immer Wunder von Parzival.« Das Wunder geschah, (es ist des Glaubens liebstes Kind), telegraphirte ich ihm heute.

Soeben kommt beifolgende Depesche. O Gott! hätten wir denn wirklich Frieden und Glück noch zu erwarten? Mein Herz kann es kaum halten, fast fürchte ich das Glück – verzeihe mir mein hoher Freund, verzeih es mir Gott, dass ich so schwach geworden!

Malwine Schnorr ist nun hier, sie will Elisabeth und Ortrud singen. Nur Venus und Elsa fehlen. Wo man sich umsieht, man findet keine.

Dass die Werke des Vaters dem Wunderfreunde lieb sein würden wusste ich, mich haben sie gestern wie noch niemals erschüttert und ergriffen.

In unaussprechlichen Gefühlen sendet meine Seele den Gruss der ewigen Treue, des unsäglichen Dankes.

Cosima von Bülow-Liszt

5ten April 1866 /.

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86

Hochverehrte Freundin!

Herzlichen Dank für die lieben Zeilen, sowie für die gütige Übersendung der Depesche. – Wie freut es mich, aus derselben die gehobene, freudige, lebensmuthige Stimmung des Freundes zu entnehmen. – O wie würde es mich entzücken, wenn Er geneigt wäre mein Anerbieten anzunehmen; o das wäre herrlich! Von Berg aus könnte ich öfters zu Ihm reiten, einige Tage in Seiner Nähe droben auf dem Hochkopf weilen, ach dann verlebten Wir Tage wie jene unvergeßlichen von Hohenschwangau. – Ich warte noch auf Seine Antwort zuvor, die ich durch Ihre gütige Vermittlung bald zu erhalten gedenke, dann werde ich sogleich Seinen Wunsch in Betreff jener Summe erfüllen; ach könnte ich sie Ihm in die Riß senden. – Darf ich Hoffnung hegen? – O fürchten Sie sich nicht vor dem Glücke, jetzt gilt es mit Muth u. Entschlossenheit die dunklen Mächte zu bezwingen; jetzt ist der Augenblick gekommen; ja ewiger Sieg winkt Uns! – Ich muß schließen. – Heil u. des Himmels reichsten Segen sende Ihnen der Herr!

Ludwig.

den 5. April 1866.

Von Wagners Hand: »Ja! Glaub' – diese Bewandniss hat es mit ihm: er ist verzaubert, wie Jeanne d'Arc –: lernte Er nun auch das Zaubern! Mir ist oft, als könnt' ich's, und als ob ich nur ernstlich es wollen müsste, um da drüben den Pilatus auf den Rigi zu werfen. Alles wollt' ich können: – nur Vorstel von ihren Thorheiten heilen, – das kann ich am Ende doch nicht. Also doch kein Heiland? – (25. April Triebschen!!)

(ganz leise, leise!!!)«

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87

Theure, hochverehrte Frau!

Mit vielem Dank u. innigen Grüßen sende ich Ihnen beiliegende Depesche zurück. – O nun naht die hehre Zeit, die Blumen blühen, die Vöglein singen ihre heiteren Weisen, das Eis ist geschmolzen, der Schnee ist fort, der Wonnemond ist nicht mehr fern, die Natur freut sich u. jubelt! »Der Wecker kam!« Um Eines ersuche ich Sie dringend nämlich Alles dazu beitragen zu wollen, daß vorläufig von meinem Wunsche den Freund in der Riß bald zu wissen, nichts verlautet.– Auch liegt mir sehr viel daran, bald des Freundes Willen zu erfahren, wollen Sie die Güte haben Ihn zu befragen? – Ich glaube fest, daß Ihm der dortige Aufenthalt erwünscht sein möchte. Die Gegend ist sehr schön, das Häuschen viel wohnlicher als die Hütte auf dem Hochkopf. – Dort in Siegfried's freier Luft, im wonnigen Wald wird Er von Leid u. Wunden selig bald gesunden! – O, welche Wonne liegt in dem Gedanken, für Ihn etwas thun zu können! – O käme Er; käme Er, es wird Ihn sicher nicht gereuen! – Wie freue ich mich auf die Biographie, tief gerührt hat mich das Original-Telegramm! – Noch ganz erfüllt bin ich von den Eindrücken des gestrigen Abendes! – Tausend Grüße, theure Freundin, von

Ihrem

sehr geneigten

Ludwig.

den 5. April 1866.

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88

Theure, hochverehrte Frau!

Verzeihen Sie meine Ungeduld; aber das Drängen meiner Seele ist zu stark; so gerne möchte ich erfahren, ob Sie heute Neues von dem grossen Freunde vernommen haben. – O mögen alle Engel »Ihn« umschweben und Ihn zu dem Entschlüsse bestimmen, mein Anerbieten anzunehmen; mir ahnt, es wird zu Seinem Heile sein! –

Soeben malt Echter den Tod Mime's durch Siegfried! auch darin erkenne ich einen Wink des Schicksals. – Noch ist es Zeit, vorsichtig aber sicher müssen Wir an's grosse Werk gehen, die Macht der Finsterniss muss vergehen, sie scheitert an entschiedenem, hehrem Willen, an unerschütterlicher Treue, an glühender Liebe! –

Der Triumph der Feinde war voreilig, geradezu blöde, denn sie kennen nicht die heiligen Mächte, welche die Brust des Begeisterten, Treuen erfüllen. Theure Freundin, ich beschwöre Sie, thuen Sie Ihr Möglichstes, um den Geliebten zu bestimmen, meiner Freundesbitte zu willfahren. – Glückselige Sonne, die dem Tage leuchtet, der die zusagende Antwort des Einzigen, des Angebeteten bringen wird, Er ist der Erlöser auf Erden, ist der Inbegriff alles Göttlichen, Reinen. An Seinem Todestage muss auch ich von hinnen, Wahnsinn wäre es zu leben, wenn Er einst dahin sein wird. – – Und Gott, der Unfehlbare, Heilige sollte diese glühende Liebe umsonst in mich gelegt haben, dieses Feuer sollte sinnlos verglimmen, nein, nein! Wir müssen vereint leben, müssen vereint kämpfen u. siegen! – »Gott will es!« – Wie sind Sie mir theuer, um der Liebe willen, die Sie so treulich Ihm beweisen. Er hat Wenige, die Ihn wahrhaft lieben; diese aber sind Ihm treu bis in den Tod, sind Sein Eigen! –

Trauten Gruss aus ganzer Seele von

Ihrem

sehr geneigten

Ludwig.

den 6. April 1866.

In der Handschrift Richard Wagners: »Rothe oder schwarze Wolken? Was kümmert das den schönen Abendstern. Die Sonne sieht ihn doch. Dass du noch immer – Nein! Nein! Kein Wort davon mehr! Es ist der Tod – mein Tod! –«

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89

Erhabener König!

Theurer gütiger Herr!

Ich wollte gestern schreiben als ich mir die Hand verletzte, und die Feder nicht bewegen konnte, ich wusste nicht wie ich dies dem Gnadenreichen wissen lassen sollte, und musste Ihn zu meinem grossen Leid, warten lassen. Ich hatte zwei Briefe gestern einen noch von Genf in welchem W. mir mittheilt dass er alles aufbietet nur um dort bleiben zu können, trotzdem es ihm vor diesem traurigen Aufenthalt graut: der zweite von Luzern datirt, ist voller Hoffnung, hier wird er ein Jahr bleiben können, hier wird ihm die Arbeit gelingen. Wir sollten alle bald kommen es wäre Platz da. Heute schreibt er: »Deine Depesche hat mich wieder traurig gemacht. Sie hat mir den Frieden gestört, nicht auf München war mehr mein Hoffen gestellt. Unterkommen auf ein Jahr – Arbeit – Meistersinger – diess war das eine Erwünschte von welchem Dir mein erster Brief aus der Verbannung berichtet. Nun ist mir als sollt ich wieder schwanken, doch vielleicht übertreibe ich den Sinn Deiner Andeutung. Was wird nun sein? Warum bin ich nicht mehr froh?

»Ich bleibe dabei die Schule, die Schule dort oder da, das ist mit Hans unser gemeinsames Werk: das müssen wir erreichen. Nur ein Jahr Geduld (von wem hab ich das?) – Meistersinger – Schule, so heisst es. Ich halte mich nun an meinen sterbenden Löwen, mein Wappen. An meine Hausleute schreibe ich noch: ich bin entschlossen mir manches nachschicken zu lassen, da ich doch wahrscheinlich in meiner »Triebschen« überwintern werde. Nicht wahr Du wehrst mir das nicht? Ach! jetzt Frieden! Hier im Zeichen des sterbenden Löwen hier wird unsre Liebe leben, weit über unser Leben hinaus!«

Ich hatte wirklich den Freund beschworen, als er allerhand Pläne im Sinn hatte, nur ein Jahr Geduld mir zu gewähren. Nun ist er so weit – was thun Wir nun? Ich glaube dass Wir ihm gänzliche Freiheit lassen – erlaubt es mir mein herrlicher Freund, so will ich dem Theuren schreiben, er könne kommen in die ihm liebevoll bereitete Stätte wenn ihn die Sehnsucht ankäme, vielleicht nach Vollendung des zweiten Aktes der Meistersinger, um dort den dritten zu schreiben? Treiben will ich ihn nicht, wir haben das Grösste erreicht, er hat augenblickliche Ruhe und – – – brauch ich das zweite, Höchste, zu bezeichnen? Ja theurer erhabener Herr, wir müssen vorsichtig sein, vorsichtig und muthig; dies eine Jahr dass ich vom Freunde errang es kann alles uns wieder geben. Ich übersende heute dem Freunde den Brief seines wunderbaren Beschützer's. Nicht ein Wort soll verlauten, nicht eine Miene soll verrathen die unsagbare Freude die mein Herz erfüllt, still in Schmerz wie im Glück ist der Welt gegenüber meine Seele.

Ich glaube alles gemeldet zu haben, mit einer Bitte schliesse ich den in Dank- und Freuden-Empfindungen geschriebenen Brief, die Bitte an den hehren Freund mir stets zu wahren seine Huld, und an den erhabenen König, mir stets zu erlauben mich zu nennen

Euerer Majestät

treu gehorsamste Dienerin Cosima von Bülow-Liszt

7. April 1866 /.

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90

Hochverehrte Freundin!

Hoch erfreut bin ich darüber, daß der Freund hoffnungsvoll und heiter gestimmt ist; ja Sie haben Recht: Wir wollen Ihn ruhig Seinen Weg wandeln lassen; Er wird sicher das Rechte finden. – O, weiß ich Ihn glücklich u. zufrieden, dann bin ich es auch. – Vielleicht kömmt Er doch gern einmal in die Riß, sicher gefällt es Ihm dort! – Käme Er bald; ich will für Seine Ruhe, Seinen Frieden bürgen; ach wo wird Er Seinen Geburtstag feiern; müssen Wir im Mai geschieden sein? Doch, ich will nicht klagen, Alles lege ich in Seine Hände, Sein Wille geschehe! Mit vielen herzlichen Grüßen bleibe ich stets, hochverehrte Freundin,

Ihr sehr geneigter Ludwig

den 7. April 1866.

Handschriftliche Notizen von Richard Wagner: »Da sind die Briefe: Wie klug, wie zart sie Vorstel zurückverlangt, – – bloss um sie noch einmal zu überlesen, zusammenzustellen – u. s. w. Nun, nun, nun! Ich würde sie nicht behalten, auch nicht gegessen, auch nicht vertapeziert haben! – da sind sie, das sind sie! – Nun! Nun! Nun! –

Nicht wahr, ich bin einmal schön ungezogen? Willst Du's auch wissen, warum? – Ah! gleich sollst Du's hören! – 1., ist heute Loldi's Geburtstag, und da wird Champagner getrunken. 2., nehme ich mir vor, mit Vorstel von heute ab über nichts mehr zu verkehren, als über ihre Zurückkunft zu mir, ihrem Einzug in den Triebschen 3., ich weiss jetzt, das Rechte zu thun, und hoffe grenzenlos auf Arnold.– Und desshalb ungezogen?? Ja, ungezogen sein, heisst bei mir, guter Laune sein. Wenn ich bös bin, mache ich keine Dummheiten. Aber, ich bin grenzenlos gut, wünschte nur zu erfahren, dass Vorstel einmal wieder eine Nacht ordentlich schlief! Wie das nur zu machen wäre?? –

10. April 1866«

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91

Erhabener König!

Theurer gnädiger Herr! Mein hoher Freund!

Gestern und heute empfing ich Briefe aus Luzern. Das gestrige Schreiben war bloss eine frohe Stimmung über die Erwartung die Nachricht die ich angekündigt. Heute schreibt der Theure »Dein Brief gab viel Anlass zu allerhand Nachdenken. Parzival's Schreiben – ach! Du weisst ja wie wunderbar hoch ich dieses seltsam bedeutungsvolle hehre Wesen halte! Fast war ich dran Dich telegraphisch wegen der Riss zu befragen. Die Antwort lag aber in mir. Das Schicksal hat wieder gesprochen, vor 14 Tagen hätte dieser Brief alles alles geändert, jetzt ist es zu spät für diesmal. Dächte ich nur an mich – ich böte hier Ersatz und nehme des Wunderbaren anerbieten an: aber – Er? Nein nein, keine Schwierigkeiten soll er von mir haben, ich will warten bis er mich nach München und in mein Haus laut und offen berufen kann. Und somit willkommen Schicksal: Asyl sei »Triebschen«. »Nun habe ich wieder Biographie vorgenommen.« »Heimkehrend vieles noch überlegend und in meine Stimmung bestärkt. Durchaus liebevoll und wahrhaft gerührt, vollkommen alles in seiner Grösse und Schöne erkennend, Ihn als hehrstes Wunder hoch anbetend, ja verwundernsvoll anstaunend – bin aber zu wund um kühn sein zu können, warte ab bis ich auf friedlichem offenen Wege heimkehren kann.« Mir ist es als ob der Instinkt des Freundes ihn sicher leite; freilich müssen wir ihn dann noch lange entbehren, wer weiss aber, vielleicht nicht so lange als es scheint?? ...

Gestern war Herr Lutz bei mir. Morgen will ich Semper's Modell mir ansehen, mir will es scheinen als ob zu Allem jetzt Zeit Noth thut. Lange an demselben Gedanken und Plan haften ist ein Zeugniss für die Wahrheit der Empfindung und die Macht des Willens die gar wenige zu geben vermögen! Vor dem Theater will es mir scheinen muss die Kunstschule da stehen aus welcher die Aufführungen als natürlichste Blüthen entspriessen werden. Ist die Kunstschule gegründet und im Gange, ist der Freund wieder in unsrer Mitte, dann der Festbau, das Werk der freudigen That! So ungefähr sprach ich gestern dem Sekretair Euerer Majestät.

Zwiefachen Dank lege ich dem theuren Herrn zu Füssen, erstens wegen der Auszeichnung die meinem Vater zu Theil wurde, zweitens wegen der gnädigen Regelung in des Freundes augenblicklicher Angelegenheit. Da der Vater mir nichts meldet glaube ich dass er noch nicht unterrichtet ist.

In ewiger Treue und Dankbarkeit sende ich dem hohen hehren Freund, dem theuren Beschützer, all die Hoffnungsgedanken, die Friedenskeime, die Er, Er allein in unsren Seelen gestreut! ...

Euerer Majestät

treu gehorsamste Dienerin

Cosima von Bülow-Liszt

9ten April 1866 /.

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92

Theure, hochverehrte Frau,

Tausend Dank für die theuren Nachrichten, welche Sie mir neulich mitzutheilen die Güte hatten! – O wie bin ich stets aus Seelengrund erfreut von »Ihm« zu hören! – Auch ich erhielt einen Brief von dem Freunde, einen Brief der mich erschüttert und doch wieder wunderbar getröstet und gestärkt hat. – Doch Eines noch drückt mich; Er theilt mir mit, Er habe durch den Verkehr mit meinen unteren Beamten viel zu leiden, ich bitte Sie, schreiben Sie mir Näheres darüber; denn diesem Uebel muss abgeholfen werden.

An der Beantwortung einer Frage ist mir viel gelegen; glauben Sie, liebe Freundin, dass die »Nibelungen« etwa in 2 Jahren werden vollendet sein?

Mitten in Leidenszeiten, in düster umlagerten Tagen beseligt mich immer wieder aufs neue u. mit immer erneuter Gewalt der Seelendrang der Erlösung; das tiefe, innere Mit-Leiden schlägt immer tiefere Wurzeln in meinem Herzen u. die Kraft, die Muth zu Allem verleiht, sie wird nie unterliegen, ich weiss es, es ist ein heiliges Leiden, welches die niederen, kleinlichen ausschliesst. –

O wie steht es mit dem geliebten Einzigen? – Ach im Mai ohne Ihn leben zu müssen, Höllenqual!

Viele herzliche Grüsse Herrn v. Bülow. Treu ohne je zu wanken

Ihr

sehr geneigter

Ludwig.

am 12. April 1866.

Ist jetzt die Schule in Angriff zu nehmen, ich ersuche Sie mir Ihre Meinung darüber mitzutheilen! –

   

Handschriftliche Notiz von Richard Wagner: »Und doch! Und doch! Er ist der Einzige der zu uns gehört: Er ist gestempelt – er muss! – Nun sorgen wir, dass er kann – damit es heisst: –

›und wie er musst', so konnt' er's – das merkt' ich ganz besonders.‹ –

Sachs«

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93

Erhabener König!

Mein theurer, gütiger, huldreicher Freund!

Ganz besonders erfreuten mich heute die gütigen Worte meines Herrn; ich befürchtete dass des Freundes Brief vielleicht betrübend gewesen, es war mir selbst bang ob meine Mittheilungen Unsrem Wunderbaren Beschützer genehm gewesen! So ist denn jetzt unser Horizont wenn nicht strahlend doch mild freundlich, und gleich der Natur grünt es leicht und sanft in Uns! Mein theurer Herr, wer dürfte sich Ihnen je vergleichen, welche Güte, welche Liebe, könnte dieser höchsten Liebe sich an die Seite stellen?... Gestern und heute hatte ich Briefe vom Freunde; es scheint ihm so ziemlich zu gehen; die letzten Liebesbeweise haben ihn wieder so ermuntert und erfrischt. »Ich bin grenzenlos vertrauend« – schreibt er mir heute »Auf Parzival baue ich wie auf den sichersten Felsen und das thut meiner Seele so wohl.« »Nie verlieren wir uns, nichts kann uns scheiden, bald wird uns auch nichts mehr trennen.«

Der Freund hat mir nicht mitgetheilt welcher Art die Unannehmlichkeiten gewesen sind die er von den hiesigen Beamten neuerdings zu dulden hatte, ich will ihn fragen. Was die Nibelungen betrifft, so glaube ich wohl dass sie in zwei Jahren beendet sein können, mir scheint es aber das richtige wenn der Freund zuerst die Meistersinger zu Stande bringt. Beharrt er nur in der schönen Laune in der ihn vor allem die letzten Bezeugungen des Erhabenen, dann auch das endliche Erreichen eines ruhigen Wohnortes versetzt haben, so weiss ich dass ihm alles leicht wird und er gar bald das Wunderbarste zu Stande bringt. Gott segne ihn, segne unsren Herrn, segne uns alle die wir »das Gute durch das Schöne wollen«. Es ist mit der Schule wie mit dem Uebrigen, nichts hat besondre hastige Eile bei dem »Standhaften«; wären wir irgend wo anders spräche ich zu irgend einem Fürsten, und wäre es zu dem Besten und der Kunst am geneigstesten, ich würde sagen: »Ja Herr, so rasch als möglich die Errichtung der Schule«, denn da hiess es eine vorübergehende Neigung wahrzunehmen und von ihr für das Rechte Vortheil zu ziehen, wie der Schiffscapitain den günstigen Wind nicht vorübergehen lassen darf um sein Fahrzeug in die See zu bringen. Allein wir sind sicher und ruhig, wir können warten denn die Hand die uns führt und hält wankt nicht; darum theurer Herr, möchte ich nicht sagen jetzt ist die Zeit. Doch ist es möglich dass die Schule im Oktober eröffnet wird, und dass vielleicht nach den Musteraufführungen die Unterhandlungen begännen, wäre es wohl gut und wichtig. Vieles was jetzt so vereinzelt steril ist, würde dann gegliedert fruchtbar sich erzeigen.

Ich war eben bei Kaulbach der an dem Carton der Braut von Messina arbeitet und der mir Skizzen von Lohengrin's Abschied gezeigt hat. Ich glaube er wird es wunderschön machen; über das Costüm haben wir gesprochen, ich habe ihm versprochen Morgen ihm die Dichtung zu Tristan zu bringen. – – Mime's Tod ist, finde ich, Echter sehr gut gelungen, es ist kein Umbringen es ist ein reines Wegwischen dass Siegfried aus Ekel vorbringt. Sämmtliche Siegfrieds Bilder finde ich übrigens schön gelungen, jedesmal dass ich diesen Gang sehe habe ich eine wahre schöne Freude daran.

Von Sonntag in acht Tagen werde ich mit Herrn von Bülow auf einige Tage nach Amsterdam reisen, wo mein Vater der Aufführung seiner Messe und seines Psalms beiwohnt. Mein Mann hat es so eingerichtet dass unsre Abreise in nichts die Musikaufführung stören wird, so dass er hofft das Euere Majestät sie ihm gnädigst gönnen werden.

Fast dünkt es mir kleinlich da wir alles dem Gnadenvollen verdanken, ihm noch für Einzelnes zu danken, doch darf ich meine Freude darüber ausdrücken nächsten Sonnabend der Aufführung im Residenztheater beiwohnen zu dürfen, und auch darüber dass das zweite conzert mit den Klaviervorträgen gleichfalls in der Residenz stattfindet.

Treue bis zum Tod! ... Glaube, Liebe, Hoffnung in der Seele, segnet und preist den Erhabenen,

Seine

treu gehorsame Dienerin

Cosima von Bülow-Liszt

12ten April 1866 /.

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94

Erhabener König!

Theurer huldvoller Beschützer! Mein Freund, mein Herr!

Wie glücklich sind wir dass die Musikaufführung dem Gnadenreichen Freude gewährte; sie war wundervoll! Nie hat mich die Eroica so erfüllt, nie ist sie mir mit solcher Wucht entgegen getreten! Wohl dachte auch ich an den Fernen und empfand dass dies der Held ist den Beethoven besang; wie schön dass ich in dieser Empfindung mich mit dem Hehren vereinte! Wie Herr von Bülow und ich nach dem Conzert nach Hause kamen, freuten wir uns der schönen Zusammenstellung des Programms – wie ganz anders als die herkömmlichen Conzerte die der Freund in seinem »Bericht« so richtig bezeichnet hat, und dabei wie schön eingetheilt und auch für das gütigst zugelassene Publikum fasslich. Wir priesen unsren Herrn und dankten ihm aus vollster Seele.

Vom Freunde erhielt ich gestern einen schönen Brief, darf ich wohl meinem gnädigen Herrn, einiges daraus abschreiben: »Heute (Dienstag) herrlicher Morgen. 6 Uhr ein Glas Kissinger Wasser und hinab in den Garten. Markttag – Kahn auf Kahn von Uri Schwyz und Unterwaiden zum Luzerner Markt: ein wonnevoller Anblick, ganz unsäglich schön – auf diesem Hintergrunde, auf diesem lieblich glatten Seeboden, wo jeder Kahn von einem strahlenden Silberkreise umwoben wird. Ein solcher Morgen ist nicht zu theuer mit einem beschwerlichen Wintermonat bezahlt. Nun verstehe ich meine Wahl und den Winter dem ich hier entgegengehe: Walther hat ihn schon besungen »am stillen Herd bei Winterszeit, wenn Hof und Haus mir eingeschneit – da will ich mich des Lenzesmorgen erinnern, wie will ich den Winter hier lieben! –.« »Wahrhaftigkeit, höchste Wahrhaftigkeit sei unser Dogma; sieh! zu unsrem Bund zu diesem Glauben kann ich nur Einen noch ziehen: nur Parzival. Und so sei er unser Schutzengel! Nochmals Niemand störe uns hier. Hier herrsche heilige Ruhe! Es sind die letzten Jahre eines schweren qualvollen Lebens die hier ihr Ziel, ihre Krone finden sollen.« »Nichts hat mich seit langer Zeit so ergriffen wie das Wiederbekanntwerden mit der Melusinensage. O Himmel – die scheidende Melusine die in lange Zeiten noch gespenstisch wiederkehrende –! Ein Fieber schüttelte mich: Wehmuth und Mitleid wollten mich in Atome auflösen. Gott! was dichteten die Menschen alles schon, um sich das furchtbare Räthsel des Daseins zum Bewusstsein zu bringen, – und es hilft nichts: sie spielen mit ihren ungeheuren Dichtungen wie läppische Kinder. Was hab' ich in dieser Welt zu suchen?... Ich schicke Dir Melusine, lies es, gib es auch Parsival zu lesen. – Dieses Geheimniss des Zauberns!... Raymund tödet aus Misgeschick seinen Oheim in Waldes Nacht – Mondschein – wilde Flucht; eine wundervolle Stimme ruft ihn an: Melusine die Entzauberungsbedürftige – wirbt ihn, beglückt ihn grenzenlos, wird von ihm verrathen. In Mondscheinnächten pflegt sie noch die jüngsten Kinder – dann weiss man nichts mehr von ihr. Nacht – Elemente. Schuld – Zauber: Unglaube – Zweifel – Entzauberung. Lange Klage durch die Nacht – durch die Lüfte. Mondschein! – Die Vögel sind muthig und singen lustig. Hast Du schon die Staare schwatzen und schnarren hören? – Herrliche Kühe bedecken rings die Wiesen: Tag und Nacht hörst Du das Geläute. Diess Geläute ist schöner als alles Tönen das ich kenne: die Willkür des Klangwechsels, die herrlichen Glocken (der Stolz des Besitzers) sind von unbeschreiblichem Zauber. Ich geb' alle Glocken Rom's dafür hin! – Soeben Melusine ausgelesen, ach! ach Gott! Mir bricht das Herz! – nun seid glücklich damit ich glücklich sei. Wir sind aus anderer Welt! Er – er – unser Parzival wird uns nicht verlassen. Gross und einzig – einzig steht alles vor mir. Anders als alle es sich denken können!«

Vom roten April »Heute stand ich auf den Balkon blickte über den See – die Berge – die Sonne: ein Gensdarm brachte einen Gefangenen, einen elend gehenden Kerl! Blitzschnell stand das Innere der Welt in ungeheurem deutlichen Bild vor mir. Wie diess mittheilen? Alles verwischte sich schnell vor der Erkenntniss der Unmöglichkeit dieser Darstellung – durch Worte gar durch Schrift. Ein Goldstück in wie viel Kupfermünzen ausgedrückt: Sie haben es berechnet wie viel Kupferstücke endlich an Werth dem Goldstück gleich kommen. Nun sieh Dir einmal den Haufen Kupfer an und sag' Dir: Dieses soll jenem Goldstück gleich sein! Zum Lachen thörig. Ach! und was weiss die Welt andres von uns als jenen Haufen Kupfermünzen. Nur höchste künstlerische Begeisterung, nur die edelste Liebe empfangen das reine Gold der Anschauung von uns.«

Vom 8ten April »Du denkst Dir wohl wie schön und ermuthigend mich Parzivals Anerbieten und Seine Briefe angeregt? Nun auch ich bin mir treu geblieben und habe keine Schwäche aufkommen lassen. Heute habe ich Ihm geschrieben, ich habe ihm wieder schreiben können wie es mir stets um's Herz ist und das hat mir wohlgethan – Denke Dir ich gehe in's Conzert, gross Orchesterconzert – Leonorenouverture etc. im hiesigen Theater zum Benefiz des Musikdirektors »Arnold« da darf ich doch nicht fehlen?« Donnerstag 12ten April: »Ich erkenne das Wunder Seiner Liebe immer mehr, verehre es, ja verehre es staunend als eine heilige Offenbarung. Die Engel werden für Ihn vom Himmel herunter kommen. Du siehst – wie ich ihn liebe!«

Das Haus dort (campagne Triebschen) wird vom freundlichen Besitzer ordentlich hergerichtet, wir haben vor nach den Musteraufführungen hinzugehen; zuerst bringe ich im Monat Mai die drei Kinder hin, richte das Nöthige ein, auch seine Pfauen bringe ich dem Freund und manches noch, damit er es etwas behaglich habe. Ich komme dann zu den »Musteraufführungen« wieder her. Hans conferirt eben mit dem Regisseur; die erste Tannhäuserscene wird furchtbar schwer zu Stande zu bringen sein! Und Niemann der seine Partien nicht ganz singen kann! Wir sind hier erschrocken wie wir die Striche gesehen haben die hier im Lohengrin gemacht worden sind, ganz entsetzlich und frevelhaft. Wir sind in grosser Sorge namentlich um die Inscenirung des ersten Aktes des Tannhäusers und des zweiten des Lohengrins! Das Theater ist bis zu der Theilnahme des theuren Beschützer's gar zu vernachlässigt worden. –

Morgen will ich noch zu Kaulbach wandern; den »unglücklichen Vergleich« hatte er mir schon gemacht, freilich sprach er zu mir nur von den andren Dichter der Niblungen (Hebbel und Geibel), sehr möglich aber dass seinem Witze zu lieb er in sehr abgeschmackter Weise ihn angebracht hat! Kläglicher Versuch das Erhabene mit einem Witze abmachen zu wollen. Von der Militairmusik gefiel mir am besten das Arrangement vom Rienzi und vom Tristan; die Meistersingerouverture schien mir nicht so geglückt auch waren meine Ohren etwas ermüdet von dem grossen Schall. Da ich bei der Militairmusik bin erlaube ich mir dem Allergnädigsten Herrn mitzutheilen dass ich heute früh Herrn Lutz in der Angelegenheit des Militairmusikchefs des Leibregiments geschrieben habe. Demselben ist verboten worden Wagnersche Musik zu bringen und er ist ganz untröstlich darüber. Ich hoffe es ist meinem theuren Herrn nicht unlieb dass ich hierüber mit Herrn Lutz spreche.

Die heilige Elisabeth noch einmal, ach! wie herrlich! Wie werden doch immer die kühnsten Hoffnungen von der Güte und der Begeisterung des Wunderbaren Freundes übertroffen! Wie freue ich mich dieses meinem Vater zu melden! Sonntag verreisen wir nach Amsterdam um ihn dort zu treffen, die Graner Messe wird dort zum achten Male aufgeführt. Es schien meinem Vater dass er nur dann nach München kommen sollte und seinen Dank dem erhabenen huldvollen Beschützer zu Füssen legen wenn Wir alle hier freudig sind, wenn die Prüfungszeit vorüber ist, mir ist als ob mein hoher Freund dieses billigen würde...

Ich erlaube mir die Melusine zu übersenden da mir es gesagt wurde, ich befürchte fast dass die Sendung den gütigen Herrn beschwert; Herr Lutz hat mir das Manuscript der Biographie zurückgeschickt indem er sagte dass viele Bücher noch auf dem Tisch Euerer Majestät, lägen. Hoffentlich nimmt der Huldreichste die Sendung in Gnade auf. Nun will ich mich an die Copie der Biographie machen; meinen tiefgefühltesten Dank dem grossen einzigen Beschützer, dem hehrsten Freund für Seine gütige Theilnahme, mein Finger ist ganz geheilt.

Wie ich mich nach Bergen, Seen, Bäume, Vogelsang und Friede sehne freue ich mich in der Seele des theuren Erhabenen, dass Er in bälde sie geniessen wird; »alle Reiche der Welt möchte man Ihm zu Füssen legen«, schrieb ich von » Parzival«, dem fernen Theuren – doch nein doch nein, ganz andres wünsche ich Ihm, erbitte ich für Ihn, Unaussprechliches, Ungeahntes, erhabenstes himmlischstes Glück!

Hoch erfreut und demüthig stolz gemacht haben die gnadenreichen Worte Seines hohen Herrn, meinen Mann, er hofft die nächste Aufführung auch glücklich und schön zu Stande zu bringen. Ich kann dem theuren Gnadenvollen, gar nicht sagen wie ich mich auf die 9te Sinfonie freue: und das Liebesmahl der Apostel! ...

Heil Preis und Segen dem Einzigen, dem Schirmherrn unserer grossen Kunst, dreifachen Segen dem wunderbaren Freund! Ewig

Euerer Majestät

treu gehorsame Dienerin

Cosima von Bülow-Liszt

20ten April 1866 /.

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95

Erhabener König!

Mein gütiger Herr! Mein theurer hoher Freund!

Seit zwei Tagen bin ich nun von Holland zurückgekehrt. Meinen Vater traf ich dort in guter Gesundheit und schönster Stimmung, alles was ich ihm von München mitgetheilt habe hat ihn so tief erfreut dass er sich durchaus gedrängt fühlte einige Zeilen des Dankes an unsren Beschützer zu richten, die ich mir erlaube bei zu fügen. Wir hatten dort schöne kunsterfüllte Tage, zum 8ten Male wurde die Graner Messe aufgeführt und der Beifall mit welchem der XIII Psalm aufgenommen wurde, war ein warmer wahrer und ungemischter. Mit einfachster Liebe und solidesten Enthusiasmus sind die vortrefflichen Leute dort dem Vater entgegengekommen und er hat sich unter ihnen wohlgefühlt; darf ich nun sagen dass ich fast Heimweh hatte; so glücklich ich mich fühlte – mein ganzes Wesen ich empfand es wohl wurzelt hier, hängt an dem hiesigen Entfalten und Entwickeln unsrer Kunst, Hoffen Glaube Liebe alles ruht hier unter dem Schutze des theuren Schirmherrns. Ich hoffe dass binnen einem Jahre mein Vater nach München kommen wird, er sehnt sich danach seinem gnadenvollen Herrn zu danken.

Nun sind es beinahe vierzehn Tage dass ich keinen Brief vom Freunde habe, was mir so ungewohnt ist dass ich mich gar nicht recht hineinfinden kann; heute hatte Frau v. Schnorr einen Brief woraus ich ersehe dass es dem Theuren so ziemlich geht, er hatte sich vor kurzem die Hand verstaucht so dass er mir nicht nach Holland schreiben konnte, nun weiss er nicht sicher ob ich zurück bin.

Heute war die Generalprobe der 9ten Symphonie! Gott dieses Werk! Als ein wahres Unglück empfinde ich es wenn seine Töne verhallen, mit doppelter Schwere empfinde ich das Leben, so trägt es einem empor, so schwingt es einem zu den Sternen und taucht einem in den tiefsten Tiefen des unergründlichsten Abgrundes, so lächelt es einem alles Erdenweh von der Seele! Nach der Probe sah ich mir die Decorationen an, und erlaubte mir eine Bemerkung über den dritten Akt von Lohengrin; sonst scheint mir alles sehr gelungen. Bei dieser Besichtigung nannte auch Intendanzrath Schmidt Frl. Stehle als mögliche Elisabeth; ich erschrak einigermaassen denn ich kenne die Elisabeth von Frl. Stehle und weiss auch dass die beste Rolle von Frau v. Schnorr, nach Isolde, Elisabeth gewesen ist, doch vielleicht sind da Rücksichten zu beobachten die ich nicht ermessen kann. Albert giebt jetzt ein Tristan-Album heraus welches wunderschön zu werden verspricht, eine Photographie nach der Buste des Freundes soll das Titelblatt werden.

Ich habe hier bei meiner Rückkehr ein Blatt vorgefunden welches ganz kürzlich gestiftet in musikalischen Dingen einen ganz ordentlichen Ton anzuschlagen scheint; es hat mich wirklich gefreut, denn bis jetzt hat es Unsrer Sache sehr an Vertretung in der Presse gefehlt, das Blatt heisst Die Chronik und unsre kleine Gesellschaft hat sich gleich abonnirt. Wie ich mit dem Vater über die hiesigen Zustände sprach sagte ich ihm trotz des Vorangegangenen, und die vielen vielen Widerwärtigkeiten träumte ich stets von einem goldene Zeitalter das uns hier alle vereinigen und beglücken werde, es käme nur darauf an es erwarten zu können.

Zu der Fantasie von Schubert die Hans morgen spielt hatte sich mein Vater ein Programm gedacht; das Werk für Klavier geschrieben gefiel ihm ganz besonders, mir kam alles wie er es spielte ihm nicht genügend heraus, da instrumentirte er es und nannte es für sich »Die Wanderschaft« – bei dem ersten Satz dachte er sich das kühne muthige sich aufmachen eines Jünglings der unschuldig und unkundig sich frisch und frei wandernd durch das Leben begiebt: liebliche Bilder entstehen ihm, süsse Wehmuth umspinnt ihn, leichtes Dahinflattern; fast wäre für diesen Satz die erste Strophe eines Wanderliedes von Goethe gefunden: »Von den Bergen zu den Hügeln, Niederab das Thal entlang, Da erklingt es wie von Flügeln, Da bewegt sich's wie Gesang; Und dem unbedingten Triebe Folget Freude, folget Rath; Und dein Streben sei's in Liebe, Und Dein Leben sey die That.« Nun erklingt das wunderbare Thema eines der schönsten Lieder Schuberts »Da wo Du nicht bist ist das Glück« heisst es in dem Lied und düster fallen die Töne auf die Seele, die lichten Bilder sind verschwunden, der Mensch schaut nicht mehr, er empfindet: »Denn die Bande sind zerrissen, das Vertrauen ist verletzt, Kann ich sagen kann ich wissen, Welchem Zufall ausgesetzt Ich nun scheiden, ich nun wandern, Wie die Wittwe trauervoll, Statt dem Einen mit dem Andern Fort und fort mich wenden soll!« Allein ertragen nicht erliegen soll der Mann und muthig ertragen, selbst leicht und vergnügt will ihn Schubert haben, und wiederum eignet sich die letzte Strophe des Goetheschen Gedichtes dem letzten Satze des musikalischen Werkes an: »Bleibe nicht am Boden haften, Frisch gewagt und frisch hinaus! – Kopf und Arm mit heitern Kräften Ueberall sind sie zu Haus; Wo wir uns der Sonne freuen Sind wir jede Sorge los; Dass wir uns in ihr zerstreuen Darum ist die Welt so gross!« Und gewaltig strahlend brausen die Töne dahin ...

Mein gütiger hehrer Freund verzeiht mir wohl die Ueberschwänglichkeit?...

Mir ist wieder heimisch hier, und die heutige Aufführung hat den theuren gütigen Huldreichen meine Seele wieder so nahe gebracht, wie habe ich Ihn in dem Sturm der einzigen Beethovenschen »Freude« gepriesen und besungen!

Unterwegs habe ich ein politisches Buch von seltenster Bedeutung gelesen, und ich besann mich dabei dass der Freund mich beauftragt hatte es meinem Herrn zu senden, dass ich es aber unterliess weil vieles vorlag. Sollte es der Gnadenvolle von mir wünschen so bitte ich nur meinen Herrn mir gütigst ein Wort zu sagen.

Gern wollte ich von Amsterdam aus schreiben, sowohl die eigentümliche Stadt als die Menschen und die Aufführungen schienen mir nicht unwerth meinem Herrn dargestellt zu werden, doch wagte ich es nicht – ist doch der politische Horizont jetzt so bedeckt dass mein gütiger Herr nicht mit der gewohnten Geduld alles aufnehmen kann.

Immer und überall wahre ich dem »Wunderbaren« höchste Treue und verbleibe

Euerer Majestät

treu gehorsamste Dienerin

Cosima von Bülow-Liszt

4ten Mai 1866 /.

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96

Theure, hochverehrte Freundin!

Hoch erfreut u. begeistert haben mich Ihr u. Ihres Vaters theure Briefe; meinen wärmsten, innigsten Dank! – Gottlob, dem Freunde scheint es wohl zu gehen, einen Brief von Ihm lege ich bei, Sein Wille geschehe! O wie macht mich Ihr Vertrauen stolz, theure Freundin: auch ich glaube an eine goldene Zeit die nicht mehr lange auf sich warten lassen wird; schon der Gedanke solche Seelen wie Ihre und die Seinige lieben und verehren zu dürfen, ist Himmelsseligkeit wie auch der Gedanke, Ihnen Beiden wieder theuer zu sein. – O wie freue ich mich auf die Fortsetzung der Biographie, sowie auf jenes Buch, ebenso wird es mich ungemein interessieren Näheres über Amsterdam zu erfahren. –

Was wird doch heute für ein genussreicher Abend werden, Wonnen werden Uns erblühen! – Ich muss schliessen. – Treu und liebend stets

Ihr

sehr geneigter

Ludwig.

den 5. Mai 1866

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97

Mein erhabener Herr!

Mein gütiger hehrer Freund!

Mit unendlichem Dank übersende ich dem Huldreichen den Brief des Freundes zurück: Sein Wille geschehe! – Ich hatte heute einen Brief der mich betrübte, seine Gesundheit scheint nicht gut; ach! die Trennung!

Ich bin noch so ergriffen vom gestrigen Abend dass ich kaum schreiben kann wenn es mir mein gütiger unvergleichlicher Freund gestattet warte ich noch einige Tage und erlaube mir dann Ihm mehreres mitzutheilen.

Den Gruss der ewigen Treue streue ich zu den Füssen des theuren Erhabenen, den Segen des ewigen Dankes lege ich auf das geweihte Haupt meines Königs und Herrn!

Cosima von Bülow-Liszt

6. Mai 1866 /.

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98

Erhabener König!

Theurer gütiger Herr! Mein hoher Freund!

Beifolgende Zeilen unterbrach der Freund, er schickt sie für mich, weil er weiss dass ich gerne alles von ihm kenne und bewahre, ich – schicke sie, in meinem unbegränzten Vertrauen, an den Erhabenen, und frage: können Wir den Theuren zu der dritten Aufführung der h. Elisabeth einladen? Ich sage – können Wir – als ob mir die Treue und die Liebe das Recht geben mich mit meinem Herrn zu berathen? Können Wir es, dürfen Wir es? Wenn eine Möglichkeit, so bitte ich um ein Wort der Bejahung, wenn nicht so werde ich das Schweigen verstehen. Mir braucht der Huldreiche nie Gründe anzugeben. Die Zeit wäre mit einer Depesche noch da, sie müsste bis gegen Abend ankommen, morgen früh machte sich der Freund auf, Abends wäre er unter unsrem Dache, Freitag entfernte er sich wieder. Ich würde ihn mit den Kindern begleiten. Darf ich wohl um das Blatt bitten, auf der dritten Seite fängt der Brief an mich an – was wohl der Freund dazu sagen würde dass ich es mittheile? Mir ist aber als ob in diesem Bunde alles offen sein dürfte und müsste, und ich werde ihm schreiben was ich that.

Nicht ein Wort füge ich zur Erklärung meiner Mittheilung bei, ich weiss der Wunderbare Freund versteht mich, weiss auch dass ich Ihn aus ganzer Seele verstehe und immer tiefer begreife.

Den Gruss der Treue und des Dankes lege ich dem Gottgesandten zu Füssen und bleibe bis zum Ende

Euerer Majestät

unterthänige gehorsame Dienerin

8ten Mai 1866 / Cosima von Bülow-Liszt

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99

Theure, hochverehrte Frau!

Sehr befremdet, ich muss es Ihnen gestehen, hat mich der Ton, in welchem des Freundes Zeilen geschrieben sind, welche Sie so gütig waren, mir zu schicken; Ihrem Wunsche gemäss sandte ich sie wieder zurück. – Sie kennen die Tiefe, die Bedeutung Unsrer Liebe, werden einsehen, dass es mir fürchterlich ist, jetzt noch vom Einzigen getrennt sein zu müssen; wenn die Verhältnisse irgend darnach wären, wie gerne lüde ich Ihn ein; käme Er aber jetzt, es würde (wie es jetzt steht) jede Hoffnung schwinden, Ihn je wieder für ständig hier begrüssen zu können. Seinethalb! Seines Friedens, Seines Glückes wegen, geht es jetzt nicht. –

Er zeigte mir ja sonst so viel Vertrauen, wollte ja Alles in meine Hände legen u. Er that Recht daran, denn Er kann auf Seinen Freund wie auf einen Felsen bauen und nun scheint Er zaghaft zu werden, spricht Klagen aus! – Muss mich dies nicht betrüben, ich bitte Sie, theure Freundin sagen Sie Ihm, dass Er getrost mir Alles überlassen soll; wenn Er unbeschadet der Zukunft jetzt kommen könnte, wie gerne bäte ich Ihn zu kommen; doch auch wenn Er mich verkennt, mir Unrecht thut, liebe ich Ihn innig und treu und diese Liebe wird mich nie verlassen! – Ach hierin sieht Er nicht vollkommen klar; dies ist gewiss; ach warum, nochmals muss ich es schmerzerfüllt ausrufen, warum baut Er nicht unbedingt auf mich, den treusten Freund, der Ihn liebt mit heiliger Gluth! – Sie ist nicht fern die goldene Zeit der Wiedervereinigung, ich weiss es! – Heil Ihm! Heil Ihnen theure Freundin! –

Ludwig.

den 8. Mai 1866.

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100

Erhabener König!

Theurer gnädiger Herr! Huldvoller Freund!

Ich habe gestern ein grosses Unrecht begangen! Indem ich annahm dass aus der Unterbrechung des Briefes der gütige Herr einsehen würde, wie er sofort in dem Gedanken des Freundes anullirt worden wäre, unterliess ich aus der Fortsetzung an mich dasjenige beizufügen was die vollständigste Erklärung abgegeben hätte. »Wie thörig« beginnt der Freund an mich »da siehst Du welche Grillen der Einsame fängt! Die 9te Sinfonie hat es mir angethan, Du weisst wie dieses Werk noch in mir klingt, es nicht zu hören ist mir eine Entbehrung gewesen; und die h. Elisabeth! Fast wäre ich mit Euch nach Amsterdam gereist, nur um Musik zu hören. Obigen Unsinn schicke ich Dir weil Du nun ein für allemal alles haben willst. Ersehe daraus wie kummervoll mir manchmal zu Muthe ist. Ich baue felsenfest auf Parzival – Er soll bestimmen, Er soll für uns handeln, Er sei unser Steuermann und lenke uns zum Ziel.«

Ich – empfand nur das Eine dass er Musik entbehrte und wollte mich mit dem Einzigen berathen, mir war es auch als ob nie ein Misverständniss zwischen Uns entstehen könnte, auch drängte die Zeit falls die Einladung möglich gewesen wäre, so unterliess ich denn und fehlte tief, denn ich bereitete einen sorgenvollen Augenblick Demjenigen dem ich um den Preis meiner Ruhe und meines Friedens, beseligendstes Glück erwünsche! O sei der Gnaden volle nicht »befremdet«, o zweifle Er doch nicht an den tiefsten Glauben der je eines Menschenherzen erfüllte, o lächle Er wehmüthig freundlich mit dem Freunde und mit mir über die Trennungswehen die solche Bilder erzeugen, die doch wiederum kaum erzeugt schon zerstreut sind! Und vor allem verzeihe Er mir der Gütige Gnädige, dass ich unvorsichtig und unvollständig mittheilte was Sorge bereiten konnte. Ich fürchte der Freund würde es mir nie vergeben wenn er erführe dass ich Schuld daran trage dass der Theure, der Beschützer, über ihn »befremdet« worden wäre; und ich allein trage die Schuld daran; mein unvorsichtiger Eifer hat mich verleitet, und anstatt mich an des Freundes wahre Stimmung zu halten, oder wenigstens die vorübergehende unbedeutende zu ergänzen, dass ein vollständiges Bild für meinen Herrn entstehe, habe ich an Ihm und an dem Entfernten gefehlt!

Verzeihe mir gütig mein hoher Freund, was ich mir so schwer verzeihen kann! – In ewiger Treue und unaussprechlichem Dank

Euerer Majestät

unterthänige gehorsame Dienerin

Cosima von Bülow-Liszt.

9ten Mai 1866 /

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101

Erhabener König!

Theurer gütiger Herr! Mein huldvoller Freund!

Nur mit zwey Worten erlaube ich mir meinen Herrn heute zu belästigen, um Ihm zu melden dass ich Morgen früh nach Luzern mit den Kindern reise, und dort einige Wochen verweilen werde, zu den Aufführungen aber wieder nach München komme. Soll ich dem Freunde etwas von unsrem Beschützer melden?... Darf ich mir erlauben von Luzern aus zu schreiben?

Ich lege das besprochene Buch bei und bitte nur um gütige Vergebung dass es so zerlesen ist.

In Luzern werde ich mich endlich an die Abschrift der Biographie machen und sie bald möglichst meinem gnädigen Herrn zuschicken.

Kaulbach den ich vorgestern besuchte arbeitet an der »Verklärung«, der erste flüchtige Entwurf schien mir sehr gelungen.

Ist wohl meinem gnadenvollen Freund die Anfrage Semper's überbracht worden? Ohne irgendwie hier ein Urtheil abgeben zu wollen ist es mir als ob er immerhin das Modell verfertigen könnte. Wann es ausgeführt wird – eine andre Frage die aber an Wichtigkeit verliert wenn einmal Plan und Modell da sind; mögen es dann andre Generationen vollbringen wenn unsre Zeiten zu schwer und zu ernst sind um an der heitren Kunst sich zu ergötzen.

Ich ersuche eben Herrn Lutz sich heute noch zu mir zu bemühen, das Leben der »Chronik« ist durch einen Beschluss der Polizeidirektion gefährdet; ich will mit Herrn Lutz ganz privatim und unoffiziell besprechen ob da nicht abzuhelfen ist.

Mein theurer Herr weilt wohl auch nicht mehr lange in der Residenz; möge der Sommer Ihm, dem Einzigen, Segen- und Heilbringend sein! Mir träumt stets von einem Traum ob der sich wohl je erfüllt?... Ich hoffe gegen jede Hoffnung wie Paulus, und glaube. Wir haben ein Wunder gesehen und können es bezeugen, ich empfinde es stets und ahne Seine Werke.

Gepriesen sei in alle Ewigkeiten dieses holde Wunder!

Cosima von Bülow-Liszt

10ten Mai 1866 /.

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102

Hochverehrte Freundin!

Endlich komme ich dazu Ihnen für Ihren letzten, lieben Brief meinen wärmsten, herzlichen Dank auszusprechen! – Er war himmlischer Trost, lindernder Balsam für meine Seele. Ich ersuche Sie, Herrn v. Bülow meinen innigen Dank auszudrücken, für all die herrlichen Genüsse, die namenlosen Wonnen, durch die er mich im vergangenen Winter und im Frühling erquickt und beseligt hat. Zeitlebens werde ich ihm dankbar dafür sein! O was war das gestern wieder für eine gelungenen Aufführung der »Hl. Elisabeth«! Die gottvollen Klänge tönen noch in mir nach. – Nun bin ich wieder im trauten Berg, ach hier verlebte ich so wonnige Stunden mit dem geliebten Freunde! Wie ist mir so wohl, wieder hier zu sein, heute vor einem Jahre um diese Stunde waren Wir noch in der Hauptprobe zu »Tristan und Isolde«, o unvergessliche Stunden. Ich beschwöre Sie, löschen Sie meiner Seele glühenden Durst und theilen Sie mir bald mit, wann Sie glauben, dass die »Meistersinger« vollendet sein werden und ob der Freund jetzt daran ist! – Versprechen Sie mir den Theuren zu bewegen, alsdann die »Nibelungen« wieder in Angriff zu nehmen; machen Sie mir die Freude. Der Freund reist morgen nach Lindau! – Ich bitte Sie theilen Sie es mir stets mit, wenn Er etwas bedarf, ach so gerne erfüllte ich jeden Seiner Wünsche. Nächstens werde ich Ihrem hochverehrten Vater schreiben, o wie freue ich mich darauf, ihn im nächsten Jahre in München zu sehen; dann werden wir Alle endlich vereinigt sein, Wir, die Wir für einander geschaffen sind; ja Wir gehören einander an, heilige Bande umschlingen Uns. –

Erfahren Sie, theure Freundin hie und da einiges von dem hehren Freunde über Seinen Plan zum: »Parcival«.

Gerne hörte ich Ihre Meinung über die neue Schule, des Freundes Plan ist herrlich, ist grossartig, sehr schwer wird es sein ihn so auszuführen; seien Sie versichert, ich werde den Muth nicht sinken lassen, mächtig ruft die innere Stimme: »Verzage nicht, denn Alles wird vollbracht, das Ideal wird verwirklicht werden; »Gott will es«.! –

Im Herbste nahe der Freund! Helfen sei mir Ihn zu bewegen.

Tausend innige Freundesgrüsse sendet Ihnen, hochverehrte Frau,

Ihr

sehr geneigter

Ludwig.

Berg d. 11. Mai 1866.

Eine der beigelegten Photographien ist für Sie, die andere für Herrn v. Bülow. –

L.

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103

Telegramm

Von Starnberg nach Luzern                               13.5.1866

An Frau Baronin von Bülow in Luzern

Nun wird die Freundin mit dem Theuren vereint sein, im Geiste bin ich bei den beiden Theuersten auf Erden. Auch ich träume von einem künftigen Glück und hoffe fest der Traum der seligen Stunden an den Ufern und auf den Wellen des Vierwaldstättersees werde in Erfüllung gehen. Ich sehne mich nach baldiger Kunde.

Ludwig.

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104

Mein hoher Herr!

Mein theurer wunderbarer Freund!

Als ich Abschied nahm hoffte ich von den Triebschen aus friedlich freundlich berichten zu können, ich dachte der gewünschte Stillstand wäre eingetreten, und freute mich dem gütigen Erhabenen einfache Beschreibungen des ruhigen Lebens entsenden zu können; nun ist alles wieder ernst, sehr ernst geworden, ich zittre um das Wohl und Heil des Theuren (ich zittre um das Wunder!) dort, ich zittre um die Ruhe des Theuren hier. Ach gütiger theurer beschützender Freund, ist es möglich dass der arme vom Leben gehetzte, nun einige Zeit in Frieden lebt, wie würde ich es dem Himmel und seinem Entsandten danken! Ich erschrak als ich ihn in Romanshorn traf und wir brachen Beide in Thränen aus; doch erholte ich mich bald als ich die Triebschen sah. Es ist schön hier mein theurer Herr, der einfache aber grosse Garten führt an den See, vor uns steht der Rigi in schwerfälliger Pracht, von der Seite der Pilatus wie ein gewaltiger Drache; sein Name und seine Sage leben in dem Mund des Volkes zu ewiger Schmach der Theilnahmslosen welche das Fürchterliche geschehen lassen und sich damit begnügen es nicht betrieben zu haben! .. Bei schönem Wetter ist es hier ganz berauschend, und als ich am ersten Morgen die Kleinen im Garten einrichtete und von oben die Meistersingerklänge zu mir drangen dachte ich mein Herz würde vor Freude springen. Zu unsrem Schutzengel wandte sich der Gedanke, ich dachte mir den Theuren in Berg, trotzdem ich mich entfernt hatte schien ich mir dem Gütigen näher, wie sprach ich so traut mit dem Freunde der da schuf und dem Freunde der da stiftet. Abends kam die Botschaft aus Monsalvat, wirklich glaubte ich nichts mehr zu wünschen haben. Am zweiten Tag hatte ich den gütigen Brief, ich bereitete mich vor über die Kunstschule zu schreiben ausführlich und eingehend, wie ich mir die Ausführbarkeit des Planes denke – und unser ganzes stilles Leben wollte ich dem Herrlichen mittheilen – nun kam die Depesche an den Freund, dann der Brief, ich sah des Freundes fürchterliche Noth und Besorgnis um den Einzigen, den Einzigen! Ach könnte ich sie nur ausdrücken die Qualen die ich ausstand, mir war's als ob ich den Gütigen in lauter Gefahren sähe, in lauter Leiden und Pein, und doch musste ich den Freund beruhigen. Mein theurer gnadenvoller geweihter Freund, Gott erspare Euerem Herzen die Noth die ich jetzt gelitten! Mir ist es als ob der Freund auf ewig zerrüttet sein wird wenn er jetzt aus dem Frieden hier gerissen wird, wie sieht es noch in Bayern aus, wie mächtig sind noch seine Feinde, was soll aus seiner aus Unsrer Kunst werden wenn er sich nicht sammeln kann? Und der Huldreiche der Wunderbar Treue, der Liebende, was steht Ihm bevor sind die Kämpfe die er für den Geliebten unternimmt nicht unzeitig fürchterlich?

Als wir gestern zusammen alles besprachen sagte mir der Freund er wolle seinen Herrn bitten ihm Jemanden zu entsenden mit welchem er die ganze Lage bespräche, mit dem er alles auseinandersetzen würde und von welchem er sich vieles mittheilen lassen würde. Er wollte selbst nach Berg fahren ich hielt ihn ab, wer weiss welche Schwierigkeiten er durch diesen Schritt dem Beschützer aufbürden würde. Geduld, Ruhe, wir sind ja sicher – eine feste Burg ist unser Herr – das ist unser Spruch. Nun kam heute der gnädige Vorschlag; ich wollte jubeln über die Einstimmigkeit, so entfernt sind Wir Uns so nahe! Wer könnte Uns wohl schaden?... Nun ist es mir wieder als ob Friede herrschte; der Theure skizzirte an dem 2ten Akt, ruhig erwartet er den Gesandten – wüsste ich nur wie es dem Einzigen geht? Ach, hat die trübe Stimmung einer heitereren gewichen? Könnte ich nur Worte des Trostes und der Erhebung finden, dem Himmel aber muss ich überlassen was vom Himmel kam und Glück erflehen für Denjenigen den ich als Glückspender anbete. –

Gestern nahmen wir die Biographie wieder auf; des Morgens schreibe ich ab, Abends diktirt der Freund. Gestern kam die neue grosse Photographie an ich bewahre sie auf um sie am 22ten inmitten der Blumen aufzubauen. Die kleine machte mir unsägliche Freude, ich sah sie bei Albert und – darf ich die Kühnheit gestehen? – wünschte mir dass der gütige Freund sie mir geben möchte! Ich schrieb meinem Vater das Unser gnadenvoller Herr die h. Elisabeth lieb gewonnen hat, er beabsichtigt, in Rom angekommen, eine Reinschrift des Vorspiels zu machen und es dem Huldvollen zuzusenden; die Partitur lässt er noch nicht drucken damit das Werk nicht überall gut oder schlecht aufgeführt werde. Habe ich dem theuren hohen Freunde gesagt dass in Prag ein grosser grosser Erfolg stattgefunden hat?

Mein Mann hält jetzt seine Proben; wie wird es nur mit diesen Aufführungen, drohender unvermeidlicher als je erscheint der Krieg – ich mag an keine Zukunft denken, suche mich mit jedem einzelnen Tag zu begnügen, der heutige ist schön und herrlich, o wüsste ich nur dass die Seele des Wunderbaren nicht mehr leidet.

Ist das Heil dereinst da, ist Parzival trosterfüllt, ist der Verwundete erlöst, dann will ich die Augen schliessen, dann habe ich gesehen was meine Seele ersehnte dann will ich singend und preisend in jene Welt hinübergehen die meine Noth zuweilen anrief!

Wenn es die Zeit des gütig Gnädigen erlaubt, darf ich wohl um Nachrichten bitten, ich bin in Sorge, darf ich es wohl gestehen?

Zum 22ten habe ich den Mann bestellt der das Alpenhorn bläst für welches eigentlich die jubelnde Figur bei der Ankunft Isolden's geschrieben ist; ich hoffe er wird kommen können; dann so viele Rosen ich nur habe in Luzern auftreiben können. Ich wollte dem Freund gern einen Wachtelhund bescheeren, konnte mir aber weder in München noch in Stuttgart noch hier in der Schweiz einen verschaffen.

Ich freue mich auf seine Freude beim Anblick des Bildes welches wunderschön ist; die andre Photographie hat er sich kommen lassen sie hängt in seiner Arbeitsstube.

Einen segnenden Gruss entsende ich dem gütigen Freund, und bleibe treu bis in den Tod meines erhabenen König's

gehorsamste Dienerin

Cosima von Bülow-Liszt

18ten Mai 1866 /.

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105

Telegramm

Von Starnberg nach Triebschen                               20.5.1866

Frau von Bülow-Liszt. Luzern. Triebschen.

Dank für den theuren Brief. Die Freundin möchte meine Stimmung kennen, dann werden meine furchtbaren Seelenqualen enden, meine zehrende Sehnsucht gestillt sein, wenn ich die zusagende Antwort des Freundes bald erhalte. Ich beschwöre Sie, unterstützen Sie meinen Friedrich in seinen Bitten, jetzt oder nie! Glauben Sie mir! O Gott, mein Gott.

Ludwig.

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106

Telegramm

Von Starnberg nach Luzern                               21.5.1866

Frau von Bülow-Liszt. Luzern. Triebschen.

Ich sende Blumen und Schale mit Bildern aus Tannhäuser, sie werden leider etwas spät anlangen, bitte, sagen Sie dem Freunde, wie leid es mir thut. Aber die Erregung in den letzten Tagen war so gross.

Einen Wachtelhund werde ich mit Freuden für die Freundin besorgen.

Ludwig.

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107

Telegramm

Von Starnberg nach Luzern                               27.5.1866

Frau von Bülow-Liszt. Luzern Triebschen

Kammer-Eröffnung heute stattgehabt, Empfang eiskalt! Presse schändlich! Glaubt die Freundin, dass ein Augenblick des Zagens und der Reue mich befällt? O nein! Unerschütterlich fest das grosse Ziel im Auge. Selig und geweiht durch jene wonnevolle Zeit. Bitte den Freund über die Stimmung zu beruhigen. Keine Sorge drücke Ihn, jede Unruhe sei von Ihm fern. Muth und Zuversicht erfüllen mich. Friedrich bei mir, grüsst ebenfalls von ganzem Herzen.

Ludwig.

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108

Telegramm

Von Luzern nach Starnberg                               28ten Mai 1866

Seiner Majestät König Ludwig II von Bayern Berg/Starnberg.

Innigen gerührten Dank für gütige Mittheilung. Tieferschüttert doch stets hoffnung- und vertrauenvoll. Nicht überrascht durch das Wiederfahrene, da schändliches Spiel der Mächtigen längst durchgesehen, welches dahin ausging den Hehren von seinem Volke zu trennen. Grenzenloses Vertrauen in den Erhabenen, also Friede in Triebsten, trotz innigster Theilnahme an den Vorgänge. Segensgrüße dem Geweihten. Von welchem Erfolg auch augenblicklich die gestrige That begleitet sei, sie gilt dem Freund als ein Gewähr für unausbleibliches Glück der Zukunft. Glücklich daß der treue Friedrich in Monsalvat.

Die Freundin

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109

Mein theurer Herr!

Mein gütiger erhabener Freund! Einziger Schutz!

Zum ersten – zum letzten Male flehe ich für uns; auf den Knien sinke ich vor meinem Könige und bitte, bitte in Demuth und Noth um den Brief an meinen Mann, damit wir nicht in Schimf und Schmach das Land verlassen worin wir nur Gutes gewollt – ich darf wohl auch sagen gethan haben. Mein theurer hoher Freund, wenn Sie dieses offene Wort sprechen dann ist alles gut, dann können wir hier verbleiben dann wollen wir auf den Trümmern wieder aufbauen, muthig und trosterfüllt als wäre nichts geschehen – sonst müssen wir dahin ziehen geschmäht und verlassen, dem Verbannten die einzigen Freunde entziehen die ihm nichts mehr geben konnten als ihre Existenzen mit Ruf Ruhe Ruhm, und die sich nun dies alles anderwärts wieder aufbauen müssen um ihm ein Stätte bieten zu können. Mein hehrster Freund, theures Wunderbares Wesen, das in unser Leben wie eine Göttererscheinung getreten ist, o geben Sie es nicht zu dass wir, die Schuldlosen, verjagt werden! Ihr königliches Wort kann einzig unsre angegriffene Ehre wiederherstellen, es kann dies vollständig, alles verschwindet davor, ich bitte auf den Knien um dieses Wort! Mein theurer Herr, ich wage Ihnen zu sagen (wie jener Held dem König der ihn auszeichnete: Sire vous faites bien), »Sie werden recht daran thun uns zu beschützen und das Volk wird es verstehen«. Sollten in der nächsten Nähe des theuren Hohen, Menschen sein die es bedenklich finden seine Freunde nicht in Schmach vergehen zu lassen, o theurer Herr diese Menschen haben hier nicht zu reden! In einer ernsten heiligen Stunde sprachen Sie mir von Ihrem tiefen Erfassen der Nichtigkeit der höchsten Weltgüter gegenüber den Pflichten der Liebe, Sie kennen sie diese geheimnissvoll bestimmenden Stunden in welchen das Wahre mit Sonnenhelle uns entgegentritt, im Namen dieser geweihten Stunden sage ich: Schreiben Sie meinem Mann den königlichen Brief!

Wie ich den Freund verlassen, wie ich meinen Mann getroffen, kann ich nicht beschreiben; auf eine Nacht bin ich hierher geeilt um die letzten Vorkehrungen zu treffen. Wie habe ich meine Räume in welche das Marmorantlitz des Freundes mich mit bleichen Gruss empfing, betreten! Als ich Triebschen verliess brach meine Senta in bittren Thränen aus, o gäbe der Himmel diese Thränen seien nicht die Vorboten einer Thränenreichen Zeit. Morgen bin ich wieder bei meinem Mann in Zürich von dort wandern wir, wir wissen noch nicht wohin – vielleicht entfernen wir uns auf alle Zeiten von Deutschland. Ist das gnädige Schreiben möglich so will ich meinen Mann überreden dass wir heimkehren, sonst, wie dürften wir in einer Stadt verweilen in der man uns wie Verbrecher behandeln konnte? Wie könnte mein Mann in einer Stadt zu wirken vermögen in der die Ehre seiner Frau angetastet wurde? ...

Mein königlicher Herr, mein Freund, ich habe drei Kinder denen ich es schulde Ihnen den ehrenwerthen Namen ihres Vaters fleckenlos zu übertragen, für diese Kinder, damit die nicht einst meine Liebe zu dem Freunde schmähen, bitte ich Sie mein höchster Freund, »schreiben Sie den Brief«. Ist er Ihnen möglich so bitte ich um die Gnade eines Ja's in Zürich (Hotel Baur); nur ein Ja, die Depeschen werden alle gelesen wie ich erfahre; die »getreuen« sorgen für die möglichste Verbreitung. Ich schreibe dem Freunde Friedrich nicht, Niemanden auf der Welt soll mich in Jammer sehen und meine Klagen hören, ausser der Eine, der Einzige. Ist der Brief möglich so will ich für dieses höchste Glück alle Erdenprüfungen fröhlich tragen, ist er nicht möglich dann scheide ich hiermit von dem gütigen Freunde, küsse in Demuth und Dank seine königliche Hand, erflehe Gottes Segen auf Sein hohes Haupt, und entferne mich, ziehe hin mit meinem edlen vielleicht tödlich verwundeten Manne dahin wo den Müden Schuldlosen, Ruhe und Achtung geboten wird. Könnt ich mir sagen dass unser zertrümmertes Leben dem Dämon genügen wird und dafür ein Heil für unsren König erwachsen werde, vielleicht würde das tief gekränkte Frauen- und Mutterherz doch sich zur Freude darüber emporschwingen können – allein ich glaube es nicht! Auf uns zielen sie nicht allein die Bösen!

Ist der Brief möglich?... Alles alles ist damit gut gemacht! O Herr fragen Sie weder Freund noch Feind, sehen Sie uns drei nun von einandergerissen, mein Mann so gekränkt dass ich nicht weiss wie er sich jemals wieder aufrichten soll, ich verzweiflungsvoll mir Vorwürfe machend dass ich ihm stets zuredete nur zu glauben nur zu hoffen, unser Name den fleckenlosen preisgegeben, unser Dasein – Gott weiss – vielleicht auf ewig gestört – o theurer Herr, nur dieses bedenken Sie! ...

Soll es nicht sein, dann sei Gott gelobt der des Menschen Herzen erhebt und bricht! Dann sei unser Herr Seinem Schutze empfohlen, dann sei der Freund, der Einsame, dem wir jetzt nichts mehr sein können gesegnet, dann seien meine Kinder glücklicher denn ihre Mutter!

In ewiger Treue und Dank

des theuersten Herrn

gehorsamste Dienerin

Cosima von Bülow-Liszt

München

7ten Juni 1866 /.

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110

Telegramm

Von Starnberg nach Zürich                               8.6.1866

An Frau von Bülow-Liszt. Zürich. Hôtel Baur.

Parzival verlässt die Seinen nicht. Muth. Zuversicht. Was möglich wird geschehen.

Ludwig.

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111

Theure Freundin!

Erschrecken Sie nicht, inständig bitte ich Sie darum, über den Inhalt meines Briefes. Ich schreibe ihn nicht in verzweiflungsvoller, trauernder Stimmung, wie Sie vielleicht glauben könnten, o nein, ich bin ernst und doch wieder heiter dabei. – In Ihrem letzten Briefe aus München erinnerten Sie mich daran, dass ich Ihnen einst in einer sehr ernsten Stunde mitgetheilt habe: ich hielte die Pflicht der Liebe, der heiligen, gottentstammten, für die höchste! Theure Freundin, dies ist mein Glaube und nach diesem will ich leben, will ich sterben.

Nun drängt es mich, Ihnen zu sagen, dass es mir ganz unmöglich ist, länger von Ihm, der mein Alles ist, getrennt sein zu müssen. Ich halte dies nicht aus. – Das Schicksal hat Uns für Einander bestimmt, nur für Ihn bin ich auf Erden; täglich sehe u. fühle ich dies klarer. Bei mir kann Er nun nicht sein, o liebe Freundin, ich versichere Sie, man versteht mich nicht hier und wird mich nie verstehen; mir schwindet alle Hoffnung, darin werden die Zeiten sich nie mehr ändern, mit der Entfernung der Cabinetsmitglieder oder Minister wird hier nichts ausgerichtet, als König kann ich nicht mit Ihm vereinigt sein, die Sterne sind Uns nicht günstig. So kann es nicht fortgehen; nein! nein! denn ohne Ihn schwindet meine Lebenskraft dahin, allein verlassen bin ich wo Er! nicht ist, Wir müssen für immer vereinigt sein; die Welt versteht Uns nicht; was geht sie Uns auch an; theuerste Freundin, ich bitte Sie, bereiten Sie den Geliebten auf meinen Entschluss vor, die Krone niederzulegen, Er möge barmherzig sein, nicht von mir verlangen, diese Höllenqualen länger zu ertragen, meine wahre, göttliche Bestimmung ist diese bei Ihm zu bleiben als treuer, liebender Freund, nie Ihn zu verlassen, dies sagen Sie Ihm, ich bitte Sie darum, stellen Sie Ihm vor, dass so auch Unsre Pläne durchzuführen sind, dass ich sterbe wenn ich ohne Ihn leben muss, o die Liebe wirkt Wunder, dann kann ich mehr als jetzt als König, dann sind Wir mächtig, leben und wirken für kommende Geschlechter. Mein Bruder ist volljährig, Ihm übertrage ich die Regierung, ich komme mit dem treuen Friedrich, bleibe dort wohin es mich zieht, wohin ich gehöre, dort bei Ihm ist Seligkeit, dann wähnen Wir Uns schon hienieden im Himmel, Wir wollen nicht müssig sein, o nein, ich hoffe Ihm nützen, in Vielem Ihm dienen zu können, o Wir dürfen nicht getrennt sein, ich beschwöre Sie, schreiben Sie mir recht bald, theilen Sie mir die Wonnekunde mit, dass der Einzige, der Angebetete einsieht, dass es höhere Kronen, erhabenere Reiche gibt als diese irdischen, unseligen! dass Er einverstanden ist mit meinem Plane, dass Er die Macht meiner Liebe zu Ihm versteht, dass Er weiss, dass mit Ihm ich einzig leben kann, o Freundin, dann werde ich erst leben, befreien Sie mich von dieser Scheinexistenz. O die zusagende, erlösende Kunde bald, recht bald. – Nennen Sie mein Vorhaben nicht überspannt, nicht abenteuerlich, bei Gott es ist es nicht, auch werden dereinst die Menschen die Macht dieser Liebe und Vorherbestimmung begreifen lernen. – – Stellen Sie Ihm, ich flehe darum, dies Alles dar, bitten Sie Ihn für mich, o Er soll mich nicht sterben, nicht dahin siechen lassen, o Er wird es nicht, Er wird denjenigen, der nur für Ihn auf Erden ist, nicht zur Trennung von Ihm, von Ihm! verdammen, Er wird mir nicht vorzustellen suchen, dass das Königthum mein wahrer Beruf sei, o ich muss zu Ihm auf nimmer Scheiden, das ist mein Beruf, dann kann auch der Geist, das Herz sich entfalten, dann! – Jetzt aber ist mein Herz gebrochen, ich zwinge mich zum leben und ich weiss es, dies ist keine momentane Stimmung, die wieder vergehen könnte o nein! nein! – Vereint vermögen Wir viel, hier ist nichts zu erreichen, hier ist und wird nie der Boden für Unsre grossen Pläne. –

O erwirken Sie mir des Theuren Zustimmung! Segen und Heil auf Ihn, auf Sie, geliebte Freundin! Nicht die schwierigen politischen Verhältnisse treiben mich zu diesem Entschlüsse, das wäre Feigheit, – aber der Gedanke, dass meine wahre Bestimmung nie auf diesem Wege zu erreichen ist, das lässt mich den besprochenen Schritt thun, hier u. unter diesen Verhältnissen kann ich Ihm dem Theuren nichts sein; das sehe ich klar ein, dort ist mein Stolz, dorthin zu Ihm, an Seine Seite ruft mich das Schicksal!

Treu und liebend in Ewigkeit

Ihr Freund Ludwig.

München den 21. Juli 1866

PS. An Sie, theure Freundin, richte ich diesen Brief, ich schrieb Ihm von meinem Entschlüsse nicht direkt, die Erregung hätte Ihm schädlich sein können, ich bitte Sie, theilen Sie Ihm den Hauptinhalt dieses Briefes mit Ihren Worten mit. – Allen die herzlichsten Grüsse! –

L.

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112

Theurer, theurer edelster Freund!

Könnte ich nur die Thränen, die Wünsche, das Bangen und Sorgen der letzten Zeit Ihnen Erhabener, entsenden, dies wäre die einzige Antwort auf Ihr gestriges geheiligtes Schreiben! Was ich seitdem Sie Triebschen verliessen um Sie und mit Ihnen gelitten, kann ich nicht sagen, und mir selbst stand plötzlich in einer angstvollen Nacht der Gedanke und der Wille, den Sie aussprechen, vor der Seele. Ach! ich weiss es, mein hoher Freund, dass mit der Entfernung einiger elenden Menschen es nicht gethan ist, ich habe vor München seitdem ich die verschiedenen Schichten habe kennengelernt die entweder führen, oder sich führen lassen, oder angstvoll vor einer unbekannten überall fühlbaren Macht, sich scheu zurückziehen, ein wahres Grauen, und mir sind Sie, hohes theures Wesen, als ein Märtyrer der Krone (wie der Freund ein Märtyrer der Kunst) erschienen! Mir kam es vor als ob das Kreuz dass Ihnen auferlegt worden, diese höchste heilige Würde sei! Wie sollt' ich Sie nun nicht verstehen wenn Ihre tiefe grosse Seele sich in mir ergiesst und mir das sagt was ich ahnungsvoll weiss? Und doch und doch mein wunderbarer Freund, ich schaudre noch vor dem Gedanken zurück, und wie in dem Gedicht der Reiter den traurigen Mönch der das Wesen der Welt ihm enthüllen will, angstvoll unterbricht: »Halt ein, halt ein« ihm zurufend, kann ich kaum dort weilen wo Sie so kühn und frei sich bewegen! Mir schwindelt der Boden, Seele und Sinne versagen mir, denn theuerster Freund, in dieser öden Zeit wo überall der Glaube nur Schacher ist, habe ich in Wahrheit an das Königthum von Gottes Gnaden geglaubt, es ist für mich eine Religion gewesen, so wie die Kunst, an Sie vor allem, ja an Sie einzig habe ich als König geglaubt, als König sollten Sie, Hehrer, unsre Kunst erheben. Nun stehe ich wie inmitten eines Erdbebens, muss Ihnen in allem Recht geben und kann nicht mitfliegen. Der Freund schreibt; er ist natürlich viel gefasster als ich, und nahm meine Mittheilung ernst aber ruhig auf; er schien darauf vorbereitet, und sein mächtiger Geist befreit ihn von der Sorge und von dem Schrecken denen ich preisgegeben bin. Er kann sicheren Blickes in die Zukunft schauen, und auf die jetzigen Trümmer das Kunstgebäude im Geiste errichten, ich sehe in dieser Stunde nur noch die Trümmer und wage es kaum zu hoffen! Wenn ich ihn recht verstanden habe so wünscht er nur für jetzt dass etwas Zeit gewonnen würde und dass, soll dereinst das Unbegreifliche Ereigniss werden, es in der rechten Stunde geschehe.

Dass man Sie erhabener Freund, dort nicht versteht, nicht kennt, kaum jemals kennen kann habe ich längst mit unsäglicher Betrübniss wahrgenommen, ich hatte aber stets noch gehofft dass ein entscheidender Akt vieles wenn nicht alles zum Schweigen zu Gehorsam und Ehrfurcht bringen würde. Was ist aber dies alles wenn Sie leiden und vergehen, wenn Ihre innere Stimme Sie von dem einen Beruf zu dem anderen Liebes-Beruf abruft? Was wäre da noch viel zu sagen und zu reden? So blicke ich denn auf zu Ihnen theurer grosser Freund, begreife Sie in jeder Faser Ihres Wesens, weiss auch dass ich an Ihrer Stelle so empfinden würde wie Sie, und wage es dennoch nicht Ihnen zuzurufen »entbürde Dich der unheilvollen Last, versieche nicht, lass den Schein, folge nur Deinem Herzen« – ich zittre und bebe blos, und im unbegränzten Mitgefühle kann ich auch nicht sagen: »thue es nicht«. Hegte ich einen Wunsch so wäre er der dass als letzter König der theuerste Freund den Thron verliess, dass gütige Engeln gen Himmel die Krone trügen und dass die entgötterten Menschen in der Gleichheit der vollsten Gemeinheit ihr elendes Leben führten ... Doch das sind Träume!

Ich habe Ihnen mein gütiger Freund, für den »offenen Brief« noch nicht gedankt! Ich konnte es nicht und ich wusste dass Sie in meiner Bitte von München aus meine Danksagung gelesen haben würden. Ich bin durch Ihr Erscheinen in unsrem Leben durch Ihre liebevolle Gnade gegen uns, und durch die Wendung der Dinge nach der Dämonen Lust, in meinem innersten Wesen so erschüttert dass ich nur immer schweigen möchte und Weinen. Mir ist es als ob Sie den Segen den ich über Ihr geweihtes Haupt inbrünstig herabgerufen habe, hätten empfinden müssen!

Ich weiss kaum wie das kommt dass die Ereignisse wie sie hereingestürmt sind mich eigentlich wenig um Deutschland's Willen betrübt haben; ich habe einen unerschütterlichen Glauben an den Fortbestand Deutschlands, und mir dünkt dass es zum Heil gereichen kann dass vieles Morsche und Schlechte aufgedeckt wird. So haben wir uns den Sinn der Thatsachen gedeutet die doch nur ein Prolog sind. Was aber die Edlen und Hohen in diesem Durcheinander zu thun haben? Das ist freilich eine andre schwere düstre Frage. Nirgends erblickt man einen Funken der das Herz erwärmen nirgends ein Streben oder eine That die die Seele begeistern könnte! »Tages-Gespenster« überall!

Mein edler theurer Freund, ich habe Ihnen geantwortet indem ich Ihnen die Stimmung meiner Seele gezeigt habe; der Freund wird Ihnen das von Ihnen ersehnte Wort zu hören geben, und Sie sowohl in der Grösse Ihres Vorhabens als in der Geduld mit welcher die heilige Stunde dafür zu erwarten sei, bestärken. Ich bete nun zu Gott von dem die Könige ihre Macht und Würde halten, dass er Sie erhebe und tröste; dass er Ihnen einen Engel sende wie er dem Erlöser auf dem Oelberg erschien, und dass Sie Beglückender, zum Glücke und Frieden gelangen. Ewig treu, ewig liebend, in Todesangst, wie im Heilsjubel!

Cosima von Bülow-Liszt

24. July 1866 /.

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113

Theuerste Freundin!

Der treue Friedrich ist von meinem mir so werthen Triebschen aus dem traulichen Kreise der mir Theuersten auf Erden zurückgekehrt, o wie selig war ich endlich wieder Kunde von Euch zu erhalten, Ihr Lieben! – Dass ich des Freundes Willen erfüllen werde, brauche ich wohl kaum erst zu versichern, denn ich kenne die hehren Gebote der Liebe und will sie treu erfüllen. O wie bereue ich einige der Briefe, welche ich in letzter Zeit geschrieben habe, wie wehe thut es mir in tiefster Seele dem Geliebten dadurch trübe Stunden bereitet zu haben, aus ganzem Herzen bitte ich Ihn deshalb um Verzeihung. Ach, liebe Freundin, Sie wissen, ich hatte oft so viel Schmerzliches zu erleben und da werden Sie es mir nicht verdenken, dass ich nicht immer in der peinvollen Erregung meine Gefühle beherrschte, dass ich nicht anders konnte als gerade heraus zu sagen wie es mir ums Herz war. – O ich sehe es ein, dass Ruhe Ihm so dringend nöthig ist und was bei mir steht, werde ich redlich thun, um jeden Kummer u. schmerzlichen Eindruck von dem Theuren fern zu halten. – Aber Eines theure Freundin kann ich Ihnen nicht verhehlen. Der Gedanke auf lange Zeit von Ihm fern leben zu müssen, Ihn vielleicht nur hie u. da und kurz nur sehen zu können, ist für mich fürchterlich, ja kaum zu ertragen; o das erste Jahr meiner Regierungszeit, als ich Ihn zum ersten Male sah, als Wir öfters zusammen kamen, und in seligen Stunden Uns besprachen, das war eine Zeit! – Da war ich glücklich u. kann in diesem Maasse wohl nie wieder es werden! –

Ich will nicht klagen, o das sei fern von mir; seien Sie versichert, des Freundes Ruhe und Friede geht mir über Alles! Wie glücklich macht mich der Gedanke, dass Er an den »Meistersingern« arbeitet; wie herrlich ist Sein Plan in Betreff der Aufführung dieses Werkes! o wäre er durchzuführen; ich hoffe es und verzage nicht. – O hätte ich nur eine Stunde neulich im Verein mit Ihnen zubringen können! Wie liebe ich Ihn, die Welt mir ohne Ihn zu denken will mich unmöglich dünken. – Er ist der Mittelpunkt des Alls für mich, nichts hat Sinn und Bedeutung ohne Ihn.

Noch hoffe ich fest und bestimmt es wird mir gelingen die feindlichen bösen Gewalten zu brechen und mir vollkommen unterthänig zu machen, die Schlechten erhalten ihre wohlverdiente Strafe und den Reinen, Ihm an der Spitze wird der Sieg. – Dann kommt die Zeit, dass Wir auch im Leben vereinigt sein werden, ohne wieder auseinander gerissen zu werden. – Dass mir mit jedem Tage die Gewissheit mit erneuter Gewalt sich aufdrängt, dass es mir unmöglich ist, ja sogar ein Frevel wäre, wollte ich noch leben, wenn Er einst nicht mehr auf Erden wandelt, dies theure Freundin werden Sie natürlich und begreiflich finden.

Wir werden die Kunstschule gründen, werden ihre segensreichen Folgen noch erschauen, werden die Vollendung der glorreichen, ersehnten Werke erleben und dann nach Erreichung des Erstrebten selig und siegfrohlockend zusammen auf dem strahlenden Bogen des Friedens in Walhalls prangender Burg einziehen. – Gott ist mit Uns!–

In allen Stücken werde ich noch die nöthige Festigkeit und Selbständigkeit erlangen, zweifeln Sie nicht daran. Dass es unmöglich ist, mit einem Schlage alle die giftgeschwollenen Nattern in den Abgrund zu schleudern, werden Sie einsehen. – Und nun grüssen Sie den Angebeteten aus tiefster Seele von mir, bitten Sie Ihn in meinem Namen mir viel zu schreiben, sagen Sie Ihm, dass ich jedes Opfer bringen will, kann ich damit Seinen Frieden, seine Ruhe sichern, herzlich grüsse ich Herrn von Bülow.

Treu und liebend unerschütterlich fest

Ihr

Freund Ludwig.

Berg d. 13. Aug. 1866

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114

Mein theurer gütiger Freund!

Indem ich diese Zeilen beginne frage ich mich, welche Stimmung dieselben Ihnen, Hoher, wohl kund geben werden, so durchwoben durch den widersprechendsten Empfindungen sind meine Gefühle. Vor allem sage ich Ihnen Dank, dem Freunde die Ruhe gewähren zu wollen, die Ruhe deren seine müde Seele so bedürftig ist – ach Theurer, er ist krank und erschöpft! Das Häuschen in der Briennerstrasse von welches ich annahm dass er es nie verlassen würde, es wird von seinen Leuten am 1ten September geräumt und der k. Casse zur Verfügung gestellt werden, und somit wären wohl Diejenigen befriedigt, die ihm das trauliche Obdach nicht gegönnt haben, und er beruhigt sich in dem Gedanken dass er Triebschen als letztes Asyl betrachten darf. Wie ich Ihnen, einziger Freund, dafür danke dieses zu verstehen und mitzufühlen, kann ich Ihnen kaum sagen, Sie empfinden die Liebe, Sie wissen was sie gebeut! Ich freue mich unsäglich dass Sie noch hoffnungsvoll sind, dass Sie noch den schönen Glauben an Unsre Pläne Sich bewahren; ich – – verzweifle nicht, doch ich lebe von Stunde zu Stunde, ich sehe der Trennung von dem Freunde wieder entgegen, noch einen Winter sollen wir ihn die einsame Existenz führen lassen – ich weiss gar nicht wie ich es ertragen werde; haben unsre Feinde uns vernichten wollen sie haben es erreicht; in der tiefsten Seele, dem Nerv des innern Lebens haben sie uns getroffen – Gott verzeih es ihnen! Wir wollten, mein Mann und ich, schon letzten Donnerstag nach München zurückkehren, als ich einen Brief von Frau v. Schnorr bekam welche mich beschwor unsere Rückkunft zu vertagen; das letzte was unsre Feinde verbreitet hätten wäre dass Hans preussischer Spion wäre, welcher die Geheimnisse der bayerischen Politik der Bismarkschen Regierung geliefert; dieses ist grade dumm genug um dem aufgeregten Pöbel glaubwürdig zu erscheinen. Sie schreibt mir von allen Seiten würde ihr mitgetheilt wir könnten jetzt nicht ohne Gefahr nach München zurückkehren. Gestern Abend erhielten wir eine Depesche aus Berlin; mein Mann hatte dort dem guten Bechstein (Piano-Fabrikant ) geschrieben, ihm etwaige Mittheilungen nach München zu schicken, da jetzt wohl alles beruhigt wäre, diese Depesche lautet: »Sie sind schlecht unterricht, Sie können nicht ohne Gefahr abreisen«. Da Bechstein ein unglaublich ruhiger ja selbst flegmatischer Mensch ist, muss er Kenntnisse von Dingen erhalten haben die wir kaum ahnen da wir, (und Sie auch edelster Freund!) stets die Menschen für besser halten als sie sind, und der Unfähigkeit zuschreiben was aus tiefster Schlechtigkeit entstammt. Wir entschlossen uns gleich hier auf unbestimmte Zeit zu bleiben, um dann später auf einige Tage nach München zurückzukehren, unsre Sachen einpacken und eine Stadt verlassen wo wir die schönsten Träume gehegt und die hehrsten Stunden verlebt. Darf ich Sie wohl bitten, mein gnädiger Freund, uns dann in München einer der Herrn vom Sekretariat zuzuschicken um geschäftlich die Urlaubsangelegenheit abzumachen? Dieses Gebot glaube ich, werden sie willig erfüllen da sie nur eins erstreben ausser unsrem Untergang – unsre Trennung von Ihnen, Erhabener! – Mein Mann geht heute nach Basel, um zu sehen ob er dort vielleicht sein Unterkommen findet – in Deutschland will er, nach München nicht mehr weilen, denn unsre ganze Hoffnung war eben auf dieses Eine gelegt; in Deutschland ist kein Platz für unsre Kunst, die Leute würden uns mit Hohn empfangen dass wir an ihrem Sieg geglaubt haben. Wie Gott will, ich bin ergeben!

Nun sagt uns der Freund heute vom Briefe des getreuen Friedrichs; gern will er zu dem Theuersten, und wie gönnte ich Beiden innig Geliebten, das Wiedersehen und das Zusammensein! Doch, mein herrlicher Freund ich gestehe es Ihnen, ich zittre und bebe. Die Menschen welche die Macht haben sind zu allem fähig; die Stadt ist jetzt in grösster Aufregung, sie empfinden dunkel die Leute, dass ihre und ihres König's Sache schlecht geführt worden ist, wie ich höre bereiten sich Bewegungen vor, wie günstig käme da für die in Noth gerathenen Feinde des Freundes, eine Diversion, wie gern würden sie zum zweitenmale den Freund des Königs als Beute hinwerfen, ich fürchte alles. Die Zeitungen werden ermächtigt sein diese Zusammenkunft zu besprechen wie Ihre Reise hierher mein theurer theurer Freund, entweder richtet sich die Bosheit gegen Sie selbst, oder gegen den Freund: Ich bin in der fürchterlichsten Angst und wage kein Wort zu sagen, ich will den Freund nicht beunruhigen, er geht so gern, die trübe Laune der er seit einigen Tagen preisgegeben ward zerstreut durch diese Aussicht, und ich, ich fürchte sie bringen ihn um! Nichts ist den Menschen heilig die uns verfolgen, unsre Ehre, unsre Ruhe, haben sie angegriffen, sie haben mit unsren Leben gespielt wie mit Bällen, sie wissen dass wir sie durchschaut haben, und ich glaube dass H. von d. Pf. sich noch an uns wegen des Briefes rächt welchen ich damals von Genf aus über ihn an H. Lutz schrieb. Ich wusste es als ich es that dass mir es schwer vergolten werden würde, ich that es dennoch weil ich die Wahrheit gegen den höchsten Freunde als die erste Pflicht erkannte, und dass, müsste ich mein eigenes Kind beschuldigen ich es frei dem Einzigen gegenüber thun würde. O lassen Sie uns ertragen was wir nicht ändern können, es ward Uns nicht gegeben über die Feinde zu siegen, sie sind mächtiger als je, wir wollen sie nicht reizen, diesen Kampf können wir nicht bestehen, unsre Herzen sind gebrochen, unsre Leben sind gewaltsam aus ihren Bahnen gerissen, lassen Sie uns in Demuth und Geduld den Frieden suchen und finden, und entsagen da wir nicht siegen können. Darf ich bitten dem Freunde hiervon nichts mitzutheilen sowohl wenn Sie ihn kommen lassen als wenn Sie ihn nicht befehlen? ...

Wir haben uns recht gefreut den Getreuen zu sehen, doch waren wir betrübt öfters als heiter, unwillkührlich mussten wir des 22ten und 23ten Mai gedenken, unsrem Zusammensein fehlte ihre Krone, die wunderbarer Weise diesmal auch eine königliche ist! Freund und Herr, werden wir Uns jemals wiedersehen? Wer dürfte hier eine Antwort geben, seien Sie aber tausendfach gesegnet für Ihre Liebe, und gäbe es Gott dass unsre Leiden Ihnen theuerstes edelstes Wesen, dereinst zum Heile sich umwandeln können. Erlauben es die neidischen Götter nicht dass das Höchste sich vollbringe, seien Sie ewig gelobt und gepriesen es gewollt zu haben!

Wir haben trauriges Wetter hier gehabt und Triebschen sah gar trostlos aus, Berge See und Wiesen waren wie Gespenster. Für Ihren Ritt nach Brunnenkopf sind Sie auch wenig begünstigt gewesen, hoffentlich leidet Ihre Gesundheit nicht. Seit einem Tag haben wir wiederum Sonnenschein, Ihr theurer Brief glaub' ich hat ihn gebracht; doch verdunkelt es sich jetzt schon wieder, und die Natur beginnt wohl bald von Neuem an zu grollen. Seltsames Schicksal dass uns hier gewaltsam vereint um uns in Bälde ebenso gewaltsam wieder zu scheiden; wenn auch nicht muthlos, gänzlich willenlos stehen wir da und können nur unsre Seelen zum Zeugen nehmen dass wir nur das Gute gewollt! Sie sehen, mein hoher theuerster Freund, wie ich Ihnen aus ganzer Seele schreibe, und wie ich in Ihrem liebevollen Herzen die Empfindungen meiner Seele ausströme – Darf ich Sie bitten Gnadenvoller, mir immer und stets zu sagen wie es Ihnen um das Herz ist. Ich will es dem Freunde nicht mehr mittheilen um ihn nicht zu erschüttern, doch möchte ich dass Sie ohne Bedenken ohne Rücksicht mir sagten was Ihre grosse Seele bewegt, wenn der Drang zur Mittheilung Ihnen kommt. Ist es doch das einzige dass ich Ihnen bieten kann – mein Verständniss.

Bis an Beckmesser's Lied sind nun die Meistersinger gelangt; dieser zweite Akt ist ganz himmlisch, es ist mir unmöglich Sachsen's Monolog »wie duftet doch der Flieder« zu hören ohne dass meine Augen sich mit Thränen füllen; durch die göttliche Musik wird ein jedes Wort verklärt zugleich und deutlicher, es scheint mir dass ich erst recht die Dichtung begreife. Gäbe Gott dass dieses Werk seiner baldigen Vollendung entgegengehe! Wie erhebend dass im Moment wo Deutschland der grössten Zerfahrenheit preisgegeben ist, dieses deutsche Werk wie keines, seine Schwingen entfaltet; dieses eine gibt Muth und Hoffnung. Vielleicht ist das so gross und bedeutungsvoll, dass wir darum verfolgt werden müssen!

Wir erwarten hier den Besuch C. Frantz scharfsichtigen politischen Denker's der sich in so seltsamer Weise an den Freund gewendet hat, ohne ihn zu kennen. Ich freue mich dass er den unbekannten Freund aufsucht, denn je mehr wir von ihm lesen um so mehr sind wir überzeugt von der Klarheit seines Geistes und der Richtigkeit seiner Anschauung. Auch ein vergrämter verborgener Deutscher der seine Freude darin findet die Dinge zu untersuchen in ihrem Zusammenhang darzustellen, und keinen Werth zu legen auf das was nur eine Schein-Existenz haben kann, sei es noch so reichlich mit Canonendonner und Zeitungsgeschrei ausgestattet! Doch was kümmert sich die Welt jetzt ob etwas acht oder unächt?

Mein Mann hat sehr bedauert dem Getreuesten nicht noch die Hand drücken zu können, er musste meinen Schwager in Zug aufsuchen. Ich hoffe der Freund grüsst den treuen Friedrich von uns beiden; und nun sage ich Ihnen hoher Theurer, lebe wohl, und vertraue Ihrer Liebe, Ihrer Weisheit, Ihrer Güte, das des Liebsten auf Erden, indem ich weiss dass keiner ausser Sie dieses Loos zum Glücklichen machen kann.

Mein Mann küsst dankend die gnadenvolle Hand, und ich entsende Ihnen, mein Freund und Gebieter, die heiligsten Gefühle meiner Seele.

Cosima von Bülow-Liszt

17. Août 1866 /.

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115

Mein theurer hoher Freund!

Es sei der Tag dreifach gegrüsst der Sie uns gab, er leuchtet wie ein Stern in der Reihe der dunklen Tage! Unsere Tage kaum können wir sie mehr preisen, den Ihrigen aber wir können und wollen ihm Heil rufen aus ganzer Seele. Möge dieser gütige Stern die andren bösen Gestirne zerstreuen und in das Nichts verstossen durch sein mild-mächtiges Licht! Möge er uns immer gütig scheinen! Mögen Sie, theurer Freund, stets ihn freudig begrüssen und ohne Seufzer, ohne Bangen, ohne Reue gen ihn blicken!

Ich erlaube mir Ihnen, Gütiger und Gnadenvoller, das Bild des Freundes zu Füssen zu legen, wie er in seinem 26. Lebensjahre als er den Rienzi componirte, aussah. Ich konnte mir die in Paris gemachte Zeichnung verschaffen nach welcher die Photographie gemacht ist. Mein Vater erlaubt sich das Manuscript einer Messe beizufügen, beides nehmen Sie wohl mit gewohnter Güte gnädig auf? ...

Lange hörten wir nichts von Monsalvat, der Freund harrt noch des Befehles, ich bin ruhig in dem Gedanken dass unsre Loose in Ihren theuren Händen ruhen.

Nun spende Gott seinen reichsten Segen auf des König's geweihtem Haupte, den wunderbaren Freunde segnet die leidende liebende Freundin.

Mein Mann legt seine ehrerbietigsten Glückwünsche seinem Hohen Herrn zu Füssen, die Kinder küssen die königliche Hand!

Cosima von Bülow-Liszt

Triebschen 22 August 1866

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116

Theure Freundin!

Zu meiner Freude erfahre ich, dass Sie und Herr v. Bülow noch in München verweilen. – O so Vieles hätten Wir zu besprechen; über so Manches Uns Klarheit zu verschaffen, denn noch immer hoffe ich auf Gedeihen, ich verachte das Urtheil der blöden Menge und würde Sie und Ihren Herrn Gemahl ersuchen nach Berg zu einer Unterredung mit mir zu kommen, der Liebe und Freundschaft Pflichten sind die höchsten, die heiligsten, ich erkenne sie allein an, nicht aber die Macht der Welt, des »Tages« des Falschen, des Freundesfeindes. – Doch bevor ich Ihnen den Tag des Kommens vorschlage, harre ich auf Ihre Antwort auf dieses Schreiben. Ich bitte Sie, mir mitzutheilen, ob Sie gerne kommen und jetzt eine Unterredung für rathsam und wünschenswerth halten. –

Mit tausend herzlichen Grüssen Ihr bis zum Tod treuer Freund

Ludwig.

Berg 9. Sept. 1866.

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Mein gütiger hoher Freund!

Brauche ich Ihnen zu sagen dass wir zu jeder Stunde zu allem bereit sind was Sie gnädiger Theurer, von uns wünschen? Halten Sie eine Unterredung für rathsamer als den Briefwechsel so bestimmen Sie gütig den Tag. Hegen Sie aber den mindesten Zweifel über die Unterwürfigkeit Ihrer Umgebung, Ihrer Umgebung, glauben Sie dass sie neues Material hieraus schöpfen können um gegen Sie und uns Schändlichkeiten auszuhecken, so wollen wir verzichten. Ich glaube dass diese Unterredung unter dem Namen Abschieds-Audienz ohne Anstoss bei den Leuten bekannt werden könnte und sollte, denn wir wissen wie es mit der Discretion der »Werkzeuge« steht. In Allem was Sie beschliessen hoher edler Freund, fügen wir uns vertrauensvoll. Sie wissen, für uns sind Sie der Seher.

Vom Freunde hatte ich gestern einige Zeilen; er war furchtbar erschüttert durch des Erhabenen Brief – er hat aber doch gearbeitet und kann noch träumen!

Der Segen des Himmels auf Ihr heiliges Haupt, mein theurer edelster Freund, in Leid und Freud bleibt Ihnen ergeben ohne Schranken und Wanken

Cosima v. Bülow-Liszt

9ten September 1866 /

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118

Theure Freundin!

Ihre lieben Zeilen erhielt ich gestern Abend in München, wo ich mich ein paar Stunden zum Besuche meines treuen Friedrich aufhielt. – Wir machten einen Gebirgsausflug zusammen; auf dem Rückwege (am 7. d. M.) stürzte mein Ross u. fiel auf ihn; der Arme hatte viel zu leiden; Gottlob geht es ihm jetzt etwas besser; doch muss er noch das Bett hüten. O dieses Jahr ist für mich das traurigste, das härteste von allen bis jetzt erlebten. –

Reiflich habe ich überlegt, ob es räthlich sei, die Freunde hier zu empfangen, zu meiner tiefen Betrübniss muss ich einsehen, dass es jetzt gerathener ist, die Theuren nicht zu sprechen. – O wie freute ich mich darauf die Theuren, deren Loos mit dem des geliebten Freundes so eng verknüpft ist, endlich nach so langer Trennung wiederzusehen; aber der Gedanke, neues Leid u. Unheil könnte den Lieben daraus entstehen, gebietet mir, jetzt auf das Ersehnte zu verzichten. »Ertragen musst du, sollst entbehren« rufe ich trauervoll mit Faust aus; o das Leben ist schwer, die Welt so grundverdorben und schlecht. Bisher ertheilte ich nämlich hier auf dem Lande keine Audienzen, empfing nur die Minister, wenn sie besonders Dringendes vorzutragen hatten, dies ist in der Stadt bekannt, es muss nun in mir die Befürchtung, die Sorge aufsteigen, die Elenden würden es falsch auslegen, wenn ich ausnahmsweise die theure Freundin u. Herrn v. Bülow hier empfange und es könnte neuer Schaden Ihnen erwachsen. – Sie schreiben mir, der Theure wäre durch meinen letzten Brief sehr erschüttert, gerne wüsste ich, was Er über denselben sagt, dürfte ich Sie ersuchen, mir Näheres hierüber mitzutheilen? Vorgestern erhielt ich einen Brief von dem Einzigen! Er ersucht mich, Seinen Diener Franz mit dessen Familie zu übernehmen und ihn in Seinem früheren Hause wohnen zu lassen; gerne erfülle ich diesen Wunsch, ich ersuche Sie, dem Freunde dies mitzutheilen.

Sie glauben gar nicht, theure Freundin, wie glücklich mich des Freundes Bildniss macht, welches Sie so liebevoll mir zu meinem Geburtsfeste sandten; tausend Dank aus tiefster Seele! – Wäre es denn gar nicht möglich, dass Sie in München bleiben, heilbringend könnte es sein, würden Sie den Entschluss fassen, in München wohnen zu bleiben! – Ach muss ich freundlos in der Fremde weilen! – Der Freund könnte etwa im nächsten Frühjahr (wenn der Wecker naht) nach Vollendung der »Meistersinger« Nymphenburg beziehen, dort die »Nibelungen« vollenden, den »Parcival« dort schaffen. – Alles würde wieder gut! Ich will Neumayer's Vorschlag recht erwägen, dann den dummen Mime schlachten! O blieben Sie, käme Er, o würde es so wie Siegmund sagt: »Keiner ging, doch Einer kam!« –

Ich bitte Sie dringend theilen Sie mir genau Alles mit, was der Hehre über Neumayer's Plan sagte; in Seinem letzten Briefe gesteht mir der Freund, es dämmerte schon in Seiner Seele der Gedanke auf: ich liebte Ihn – » nicht«! O theure Freundin, war dies möglich, so konnte Er von Parcival denken, das sieht »Ihm« nicht gleich! ja so ist es, dies habe ich nicht verdient! O bleiben Sie, mit Muth und Ausdauer wird der Feind besiegt, nichtswürdig sind Unsre Feinde, das ist wahr, aber dumm, sehr dumm! dies lasse ich mir nicht nehmen. – Wir wollen ihnen beweisen, dass Wir Uns nicht aus Unsren Bahnen reissen lassen; dafür sind Wir viel zu erhaben, zu gross; dies dürfen Wir von Uns kühn und stolz aussprechen! –

O könnte ich den Entwurf zum »Jesus von Nazareth« erhalten, schreibt Porges an seinem Aufsatze über »Tristan«? – Vielleicht macht es der Freundin Vergnügen, meinen »Nibelungen«-Gang zu besichtigen, er ward jüngst vollendet. – Echter malt in meinem Auftrage 6 Bilder aus: Tristan, dürfte ich Sie ersuchen, die Skizzen zu schauen! – – Kaulbach zeichnet noch am »Lohengrin«-Carton, dann werde ich ihm »Tannhäuser an der Leiche Elisabeth's« zum Stoffe geben! –

Wie ich höre ist der Freund mit Kaulbach's letztem Carton (Verklärung der Isolde) nicht einverstanden, es würde mich freuen, Ihr Urteil über das Bild zu hören. – O Nymphenburg! käme Er dahin! wenn auch dies nicht geht, dann fasst mich Verzweiflung an; denn ich muss es wiederholen: der Gedanke von Ihm lange noch getrennt sein zu müssen – bringt mich um! – Hörten Sie nichts von Semper? wo arbeitet er? – Wie geht es Ihrem Vater? Ich sende der Freundin eine Photographie nach einem Bilde, welches ein hiesiger Maler (Spiess) in meinem Auftrage jüngst vollendet hat (Tristan und Isolde von Gottfried von Strassburg). –

Die theure Freundin kennt die Schrift die »Wibelungen« und weiss, dass dies eine Vorstudie Wagner's zu Seinen »Nibelungen« war, so gerne erführe ich, welches die Vorstudien des grossen Freundes zu Seinen übrigen Werken waren, o Er ist mir Luft, Leben, Licht, Alles! –

Nun grüssen Sie mir Herrn v. Bülow herzlich von mir, sowie auch Senta und Elisabeth, Gottes Segen ruhe auf den Theuren. Zeitlebens treu und innig liebend

Ihr Freund Ludwig

Berg d. 10. Sept. 1866

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119

Theurer gütiger Freund!

Haben Sie Dank für Alles was Sie beschlossen! Lassen Sie Uns Uns ruhig fügen, mir wird durch lange harte Gewohnheit das Entbehren beinahe leichter als das Geniessen! Innigsten Dank für das schöne sinnvolle Bild, welches in wirklich guter deutscher Art ausgefallen ist. Mein gnädiger Freund, Sie sagen wir sollten bleiben, und wenn das Wort eines Wesens auf dieser Welt uns bestimmen könnte so ist es Ihr gütiges Wort; doch antworte ich Ihnen: »wir gehen nicht, wir entfernen uns«. Den jetzt so mächtigen Feinden gehen wir aus dem Wege, welche es dahin gebracht haben dass der Beschützer unserer Kunst uns nicht ohne Gefahr sprechen kann, dass der Freund auf einige Monate entfernt nicht mehr daran denkt zurückkehren zu können, dass alle unsre Kunstpläne verschüttet da liegen, und dass wir als misglückte Abenteurer nun behandelt werden! Unser Entschluss ist nicht in der Eile gefasst; gestern noch unterhielt sich mein Mann über anderthalbstunden mit dem Polizeidirektor; er war mit diesem, wie es scheint sehr redlichen und gutwilligen Manne, recht zufrieden, doch kam er heim noch in seiner Absicht bestärkt. Es wissen es alle Leute, es ist das öffentliche Geheimniss, die Umgebung des erhabenen Freundes verzeiht es mir und dem fernen Theuren nicht mit dem Könige offen und frei verkehrt zu haben. Alles Ueble was über meine Person schändlicher Weise verbreitet worden ist, stammt – alle sagen es und wissen es – von einem Menschen her mit welchem ich zwar persönlich bis zum Ende unsres Verkehrs in freundlichem Einvernehmen stand, welcher aber die Freunde des Freundes hier unmöglich machen wollte. Diese mächtige Feindschaft drückt nun auf alle Verhältnisse, das Orchester gehorcht nicht willig einer mächtigen Ortes misliebigen Person, die Zeitungsschreiber werden frech, sie dürfen ja alles sagen, sie werden ja dazu selbst ermuntert, das Publicum wird scheu es weiss nicht woran es sich zu halten hat, denn wir haben zu schweigen. So sind wir denn wie eingemauert und der Stern der uns strahlt und dem wir entgegen singen, der konnte bis jetzt nach »aussen nichts bewegen «. Wir gehen dort wo wir Meister im Haus, dort wollen wir harren, harren auf Ihre Wünsche mein theurer Freund! Mein Mann ist und bleibt Ihr Diener, und zwar Ihr willigster unterthänigster begeistertester Diener – wann Sie Musik wünschen wird er herbeieilen, er hat deswegen die nichtssagende Stadt Basel gewählt um in Ihrer Nähe zu sein, und weil er keinen andren Herrn haben will als eben Sie, mein hoher Freund! Wir gehen – verstehen Sie mich gütig – um in München möglich zu sein, um Ihnen die Arbeit zu erleichtern! Alles ist noch möglich, doch muss der persönliche Klatsch mit welchem die Gemeinen so sicher und giftig umgehen, aufhören. Sind Sie Theurer, Hoher, so weit dass Ihnen die Leute gehorchen, oder wenn sie nicht gehorchen entfernt werden, ist die Kunstschule dekretirt, ist mein Mann zu Ihrem Hofkapellmeister gemacht, ist ein Kunstleben in Gang dann werden die Elenden schon schweigen, oder wenn sie reden sind sie unschädlich denn ihren unreinen Worten entgegnen Wir mit Unsren reinen Thaten. Dann ist unser goldenes Zeitalter eingetreten! Ich hatte gedacht dass des Freundes Entfernung genügen würde um Ihnen diese schwere hohe Aufgabe zu ermöglichen, ich sehe ein dass wir auch gehen müssen! Wie schwer mir dieses wird! Alle meine nahen und fernen Bekannten erinnern mich daran dass ich stets gesagt habe: »hier will ich sterben, von hier gehe ich nie«. Es sollte anders kommen; doch Sie sehen ich hoffe noch, und wie gewaltig hoffe ich – unsre Gegenwart erscheint mir jetzt ein Hinderniss für die Kunstpläne, denn wir können Ihnen Gütiger, nicht helfen so lange die Menschen da sind die uns mit Füssen treten, oder vielmehr so lange sie uns mit Füssen treten dürfen – wir entfernen uns und suchen einen Schutz um Ihnen wenn die rechte Zeit geschlagen hat zu Dienste zu stehen. Vor allem bleibt mein Mann in Ihrem Dienste, wollen Sie diesen Winter entweder Klavier- oder Orchestervorträge oder Theateraufführungen, er wird zu jeder Stunde bereit sein. Ich möchte nicht noch einen Winter fern vom Freunde leben in steter Angst um sein Befinden, darum gehe ich auch, dass dabei mir das Herz beinahe bricht, mein theurer Freund, sie wissen wie glücklich ich hier in dem Kunstweben und Hoffen, gewesen bin – lassen Sie mich schweigen! Die Bande welche Tristan geknüpft hat werden nicht gelöst, ein wenig mehr Zeit brauchen Wir als Wir gedacht, und anstatt gleich uns zu freuen haben wir viel gelitten; doch dieses gerade ist mir ein Zeichen dass wir nicht umgekommen sind; die Leute haben uns gemartert, sie haben unsre heiligsten Gefühle geschmäht, lassen Sie mich glauben dass all unsre Noth unsrer Kunst zu Gute kommen wird, und dass während wir uns vertrauensvoll wenn auch geprüft im Schatten zurückziehen, Sie unsre heilige Sache an das Licht befördern. Alles, alles, liegt in Ihrer Hand mein theurer Freund, lassen Sie uns ruhig ziehen, wir kommen wieder wenn wir sollen, wenn wir dürfen, wenn Unser Panier gepflanzt ist! Ja sie sind dumm die Menschen, allein die Dummheit beherrscht diese Welt bis der Kopf ihr zertreten wird; was sollen auch die armseligen Leute von Unsren Absichten verstehen, sie dünken sich gefährdet eben weil sie alles dies nicht fassen können und nur immer ein persönliches Interesse voraussetzen. Sie sind dumm der idealen Welt gegenüber indem sie uns nicht fassen, Wir sind der realen Welt gegenüber dumm (Sie verzeihen wohl die kühne Wendung, hoher edler Freund), indem wir uns nie vorstellen können wie weit die Gemeinheit geht, wie auf einmal die Feigheit unverschämt wird, und wie das Nichtswürdige sich brüsten kann. So stehen sich denn zwei Dummheiten gegenüber, die erhabene, die Märtyrer-Dummheit, die göttliche Thorheit Siegfried's und Parzivals, und die Dummheit Mime's, die reale, gemeine, listige. Da muss Nothung helfen.

Der Freund war sehr befriedigt mit der Arbeit Neumayer's, sowohl der Form als dem Inhalt nach; er meinte dies sei wirklich ernst genommen, durchdacht und praktisch. Ich glaube aber er wollte nichts mehr sagen. Ueber Ihren Brief oder vielmehr bezüglich Ihres Briefes mein erhabener Freund, schrieb er mir von Ihnen: »er ist die Poesie selber« – dann deutete er mir an was er Ihnen ungefähr erwiedert habe. Ich merkte aber an der Flüchtigkeit seiner Zeilen an mich (er schrieb nur eine halbe Seite) wie aufgeregt und ergriffen er war.

Ich halte »Isolde's Verklärung« für einen der besten Cartons die Kaulbach gemacht hat, wenn ich mir auch die Situation anders vorstelle. Der Freund fand Isolde nicht verklärt, er wollte sie lächelnd und entzückt haben nicht so trauernd als ob sie den Geliebten wirklich verloren wähnte! Echter's Skizzen werde ich mir mit Freuden ansehen auch den Nibelungengang, und ich sag' Ihnen Theurer, für die gütige Erlaubniss meinen innigsten Dank. Von Semper hörte ich nichts mehr, freute mich aber sehr durch den getreuen Friedrich damals zu hören dass Sie theurer edler Freund, seiner gnädig gedacht haben, denn er ist und bleibt ein Genie, seine Pläne sind wunderbar! Darf ich fragen ob das kleine Modell des Festbaues ihm bestellt ist?

Ich werde auch den Freund nach den Vorstudien fragen, ich glaube aber nicht dass er ausser den Nibelungen etwas derartiges gemacht. Von Porges hörte ich lange nichts ich werde heute brieflich anfragen. Jesus von Nazareth ist eingesperrt auf der Altenburg in Weimar, es gehört der Fürstin W. welche sich immer vorgenommen hat von Rom nach Deutschland zurückzukehren um ihre Papiere zu ordnen, wo sie mir dann dieses Manuscript für Sie theurer Freund, übergeben würde, sie hat es aber noch nicht gethan. – Mein Vater arbeitet an seinem Christus, er ist traurig über unsren Entschluss und wüsste uns gern in München d.h. bei Ihnen mein hehrer Beschützer. Nun bei Ihnen bleiben wir, wir verlassen die Leute die uns von Ihnen Hoher, Edler, trennen, um Ihnen besser dienen zu können. Wir scheinen zu gehen und wir nähern uns. Dem Freunde werde ich den gnädigen Entschluss bezüglich Franz mittheilen.

Darf ich Sie noch bitten Herrn Lutz meinem Manne nochmals zu senden? Mein Mann wollte am 15ten in Basel sein um dort für den Winter einige – sehr bescheidene musikalische Vorkehrungen zu treffen. Stuttgart und Berlin wurden ihm vorgeschlagen er vermied beide Städte der Höfe wegen, um in Ihrem Dienst zu bleiben theurer Herr! Gebrauchen Sie ihn denn wie Sie es wünschen, die Entfernung ist gering, Ihre Befehle können nie eine Störung in seinem Leben bewirken denn er richtet sich sein Leben im Hinblick auf diese Befehle ein. Er erwartet jetzt nur die Bestätigung des gnädig bewilligten Urlaubs um sich zu entfernen, ich bleibe noch eine Zeitlang hier. Die Kinder blieben auf Triebschen weil sie der Freund gern bei sich hat und sie ihm eine kleine unschuldige Zerstreuung bieten, es war das letzte was ich noch für ihn thun konnte. Der arme getreue Friedrich, ich will zu ihm schicken und erfahren wie es ihm geht! Nun leben Sie wohl hehrer theurer Freund! Haben Sie Dank für alles alles Vergangne und Zukünftige, Ihnen glaube ich, auf Sie hoffe ich, Sie lieben wir aus ganzer Seele. Mein Mann küsst die gnädige Hand, und Senta und Elisabeth werde ich mit dem Gruss aus der »andren Welt« brieflich beglücken.

Ewig treu

Cosima v. Bülow-Liszt

11ten September 1866 /.

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120

Theuerste Freundin!

Vor Allem meinen innigen, wärmsten Dank für Ihren lieben Brief! – Was Sie mir über Herrn von Bülow schreiben hat mich tief gerührt, wie weiss ich die treuen und liebevollen Gesinnungen zu schätzen, die er für mich im Herzen trägt. –

Ich sehe ein, dass nun gehandelt werden muss, soll nicht Alles zu Grunde gehen. – Ich will mich des grossen Freundes würdig beweisen. – Hier nun in Kürze mein Plan: (sicher bin ich, dass der Theure damit einverstanden sein wird) Ich schreibe eigenhändig Herrn v. Neumayr, ernenne ihn zum Cabinetschef; damit wird Vieles gut; denn »Mime« ist machtlos, ist dann so viel als moralisch tod, wenn er seine Entlassung erhält, auch die andere gemeine Seele: Fafner kommt fort, der treue Friedrich wird vom 1. Jan. an Theaterintendant, zugleich mit ihm ernenne ich Herrn von Bülow zu meinem Kapellmeister, den unfähigen Perfall wollen Wir auch entfernen. Gut wäre es wenn Wir Uns unterdessen nach tüchtigen Schreibern, nach Organen für die Presse umsehen würden, wenn Porges und Pohl hieherkämen! – Was sagt nun die theure Freundin zu diesem Plane!? – Handeln muss ich, das Spiel der Elenden muss zu Ende gehen. – Ich beschwöre Sie theilen Sie dem Freunde dies mit und bitten Sie Ihn dann doch wieder zu kommen. Warum sollte Er denn nicht im Frühjahr kommen können, aber dann Bleiben, bleiben!

Semper hat das plastische Modell in Arbeit. – Bitte nennen Sie mir die Person, der auch das Orchester nicht mehr gehorchen will, wer kann das sein? – In Friedrichs Zimmer schreibe ich diese Zeilen; Gottlob es geht ihm besser; doch darf er noch immer nicht aufstehen; ich sehne mich nach Mittheilung der theuersten Freundin und sende Ihr tausend innige Grüsse aus der Tiefe meiner Seele. Heil Ihnen und aller Segen des Himmels begleite Sie, die ich verehre, wie einen Engel Gottes! –

Treu und liebend

Ihr

Freund Ludwig.

München 13. Sept. 1866

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121

Mein theuerster höchster Freund!

Ich weiss gar nicht was ich Ihnen noch sagen soll, ich bin der Freude seit so lange so entfremdet dass sie mir wie tödlich ist! Unaufhörlich weine ich seitdem ich Ihren theuren Brief gelesen habe, und mir ist es als ob ich nun sterben müsste da ich für Sie mein theures hohes Wesen, für die Freunde, für die heilige Kunst das goldne Zeitalter eintreten sehe. Jetzt möchte ich die Augen schliessen wo ich wieder eine Freude ersehe wie ich sie nur durch Sie einst empfunden habe, nur durch Sie wieder empfinden konnte! Ich schicke das göttliche Schreiben dem theuren Freund, ich empfing heute beiliegenden Zettel, der mögliche Besuch in Berg hatte ihn so erschrocken! Alles was Sie beabsichtigen scheint mir prächtig, ach! gäbe Gott Sie hätten nicht all zu viel Verdruss und Aerger dabei! Gäbe Gott es wäre mit einem Schlage alles fertig. Mein Mann wird nach Basel reisen damit nichts Aeusserliches verändert werde. Auf unseren eigenen Trümmern erhebt sich unsre Verklärung wie die des Holländers und Senta's! Gott, ist es kein Traum ...? Wenn der gänzlich ergebenen Seele solche Strahle entsendet werden, so weiss sie gar nicht wohin sie soll, sie erstickt fast in der Freude, der willig ertragene Kerker des Lebens der zur Himmelssphäre wird, ist ihr fremd, sie weiss nicht wie sie darin schweben soll, und alles was aus ihr bricht sind Thränen und Gebet. Ein einziges brünstiges Gebet wie es vielleicht keine Frauenseele jemals erhoben, für Sie mein göttlicher Freund! Könnte ich nur etwas für Sie, könnt ich Ihnen helfen beistehen. Ach! ich hörte einst dass die Wünsche und Segnungen der wahrhaft Liebenden, Macht und Wirkung hätten – lassen Sie mich fest an diesen Glauben halten, damit ich mir demuthsvoll einbilden kann dass diese unaufhörlichen Wünsche mit welchen ich Ihr Handeln und Wandeln begleite, Ihnen Hilfe bringen. In höchster Noth kam der höchste Trost! ...

Wie freue ich mich auch Semper's wegen; er hat so viel in seinem Leben schon durchgemacht und so stolz und ehrenvoll ertragen, dass ich wirklich von ganzer Seele wünschte dass Sein diesmaliges Unternehmen ihm Freude bereiten könnte. Nun ist er auch geehrt und befriedigt!

So haben Sie denn Dank und seien Sie gesegnet aus tiefster Seele! Lassen Sie Ihre theure Hand mich küssen wie ich es in Triebschen innig und dankerfüllt that!

Ewig treu

Cosima v. Bülow-Liszt

14ten September 1866 /.

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Mein theurer hoher Freund!

Mir ist es als ob in diesen Stunden dem gütig Erhabenen einige Zeilen von der treuen Freundin willkommen sein könnten, in dieser mir so wohlthuenden Meinung sende ich mein Gruss und Heil! Gestern Abend brachte der Getreue einige Stunden bei mir zu, die grosse Kunde gab er mir von dem wichtigen Schritt, ich schrieb heute sofort dem Wandrer, und nun will ich nur dem theuren Parzival meine Freude und mein Hoffen aussprechen. Gott stärke Sie, edelstes liebevollstes Wesen, Sie werden schwierige unangenehme Stunden nun durchleben, könnte ich dieselben für Sie theurer Hoher, durchmachen! Wenn Sie mir einen demüthig bescheidenen Rath gestatten so ist es der das Kühne auch kühn und entschlossen durchzusetzen, das Schwerste glaube ich, was Ihrer schönen Seele auferlegt werden kann, ist ihr jetzt auferlegt: die Unbarmherzigkeit der Gerechtigkeit! Leider kann Niemand von Uns Ihnen jetzt helfen, der König allein kann walten, doch sobald der königliche Akt geschehen so wollen wir Ihnen beistehen so wir können mit ganzer Seele. Ach! und ist nur ein Schritt gethan so ist ja alles schon vollbracht. Wüssten Sie nur theurer unvergleichlicher Freund, wie das Land auf Sie harrt! ... Als ich neulich von der eingetretenen Verzögerung hörte dachte ich es wäre nun wohl nicht möglich und man müsste sich ergeben. Entschlossen nun auch zu ziehen entwarf ich in der Stille der schlaflosen Nacht ein Schreiben an Sie mein Herr und Freund, in welchem ich Ihnen mit der Klarheit und Ruhe des tief Entsagenden die ganze Lage darstellte wie sie sich mir Wunschlosen zeigte, wie sie der Nachwelt erscheinen würde. Ich sagte Ihnen mein theurer Freund, wie Sie die armen Schlichten um das Vertrauen und die Liebe Ihres Volkes zu berauben suchten, ich sagte Ihnen: »Theurer Herrlicher! lassen Sie uns ziehen und wandern, arbeiten und vergehen, geben Sie uns auf, wir werden Sie verstehen und nicht murren, nur das Eine sei der Preis dieses Opfers, geben Sie sich selbst nicht auf, o lassen Sie die Elenden nicht darüber jubeln dass um sich sicher zu stellen sie König von Volk trennen und das höchste Band welches Gott gewollt frevelhaft lösen!« – Nun ist das alles überflüssig geworden, nun rufe ich nur Heil und Segen zu, bei jedem widerwärtigen Eindruck gedenken Sie der Segnungen der viel Geprüften, – die Leidenden welche die Welt verwirft haben die mächtige Stimme bei der ewigen Liebe, sie allein dürfen Gnade erflehen, für die Glücklichen ist der Gott der Liebe taub. Ich gestehe es Ihnen mein theurer Herr, mein unvergleichlicher Freund, mir ist jetzt bang um Sie. Die Arbeit die Sie jetzt vorhaben entspricht so ganz und gar nicht Ihrem idealen Wesen, Kröten zertreten und Spinnen wegwischen ist keine Aufgabe für einen Engel – allein der Engel weilt unter Menschen, diese härteste der Prüfung musste an ihn herankommen wenn er seine wahre Sendung erfüllen sollte. Auch tröstet mich der Umstand dass alles rasch geschehen kann ja fast in der Eile geschehen muss. – Nun soll ich noch versichern dass der Freund kommen wird, ich stehe dafür mein theurer Herr, ist hier alles vollbracht und sind dann die Meistersinger in Triebschen vollendet so wollen wir das Leben wieder aufbauen was nie hätte gestört werden sollen, und wogegen keine Seele im Lande etwas hatte – ich erfahre es nun täglich und von allen Seiten. Mein Mann wird Ihre Kapelle ausbilden und entwickeln, der getreue Friedrich wird aus dem Theater eine Kunstanstalt wieder machen, der Freund wird schaffen wir werden wirken und dem Lande Nutzen und friedliche Grösse bringen. Sie werden sehen Theurer, wir werden nicht vereinsamt bleiben, wir sind die einzige Antwort auf die brutale Uebermacht, o gäbe Gott Sie könnten dies alles so sehen wie ich die ich nun so viel erfahren so viel gehört! –

Ich bin einige Tage krank gewesen, ich fiel in Ohnmacht als ich die Bilder Echter's mir ansah, wie der Getreue meinte hätte mich Albert vergiftet! Nun so arg war es nicht, doch war mir das Wiedersehen all dieser Menschen und dieser Räume ein seltsames Gefühl in welchem sich aller Erleidnisse sammelten, und das übermächtig war. Für die kleinen Bilderchen danke ich innig. – Als Antwort auf die Frage die Friedrich an mich gerichtet gab ich ihm einen Band einer der tiefsten und schärfsten Denker Deutschlands, dessen Schriften von unvergleichlicher Wirkung und Bedeutung auf dem Freunde gewesen sind. Ich kann wohl sagen dass sie bestimmend auf sein geistiges Wesen gewirkt haben. Sch. ist 30 Jahre lang ignorirt worden, nun erst beschäftigt man sich mit ihm während alle andren Kathedergrössen die den wahren Philosophen verdrängten, nach und nach verschwinden und erblassen. Keiner hat die Christliche Religion so tief erfasst keiner sie so hoch gestellt. Und wer fasst und verehrt den Heiland den Gekreuzigten, wie der göttliche Freund? ...

Anbei übersende ich eine Skizze Cornelius' zu einem musikalischen Drama, welche mir wohlgefallen hat, und von der ich annehmen dass sie dem erhabenen Freund nicht unlieb sein wird. P. Cornelius meinte die Nibelungen Wagner's müssten vorerst gegeben worden sein um dass solche Gegenstände möglich sein, ich sagte ihm: im Gegentheil, solche Riesensachen die machen alles derselben Gattung unmöglich, er sollte rasch machen mit seinem Werke und ich wäre fest überzeugt es würde sein Publikum finden. Das Publikum verlangt das Ideale nur wenn man es ihm giebt, könnte es dieses verlangen bevor es ihm gegeben wird so würde es sich es selbst schaffen. – Das Ballet zu Tannhäuser habe ich in meinen Mappen in diesen Tagen schicke ich die Copie davon.

Nächsten Dienstag hoffe ich so weit mit meinen Kräften sein um verreisen zu können, ich will meinem Mann helfen die vorläufige Zeit erträglich durchzubringen. So sage ich denn auf Wiedersehen mein hoher theurer Wunderbarer, dieses Wiedersehen ist ein sich wiederfinden wie nach einem Erdbeben. Wir sind noch alle da, noch alle rüstig hoffnungswillig und liebevoll, so vereine sich denn was zu einander gehört und »Blühe Baum Paradieses Wonne« das Lied Walther's erklinge und verhalle nie.

Ewig treu und ergeben in des Wortes grenzenlosesten Sinn

Cosima von Bülow-Liszt

22. September 1866 /.

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Theuerste, liebe Freundin!

Hoch erfreuten mich Ihre beiden letzten Briefe; sie sind mir innig lieb und werth! – Herzlichen Antheil nahm ich an Ihrem Unwohlsein; wie freut es mich, Sie nun wieder völlig hergestellt zu wissen. – Ja, beste Freundin, der erste nothwendige und wichtige Schritt ist gethan und wenn nun auch unangenehme oder sogar schwere Tage folgen, so fürchte ich sie nicht. Sie werden sehen, theure Freundin, wie herrlich nun Alles gehen wird, ich bin hoffnungsvoll und freudig! – N. muss auf meinen Brief hin annehmen, zögert er, dann sende ich ihm einen seiner Freunde, wenn aber alle Stricke reissen, dann komme ich selbst zu ihm und nehme ihn mit. Ja, ja ich bin entschlossen und fest, der theure Freund soll keinen Augenblick mehr daran zweifeln! Mein Volk wird mich dann hoffentlich zu begreifen beginnen.

Viel las ich neulich in den Bergen über Athens Blüthe unter Themistokles; wie begeisterte mich das! – Zu den kunstliebenden Griechen werden unsre bierumnebelten Münchner wohl kaum herangebildet werden können; doch nicht verzagen, Grosses kann doch noch geschehen – Im Oktober schon wird S. Modell vollendet, nach Gründung Unsrer Schule will ich jedenfalls den Festbau beginnen, das wird ein Wagner's würdiger Tempel werden! Sehr gefiel mir der Plan zu Cornelius' Werk, bitte sagen Sie ihm das, ich finde ihn tief poetisch gedacht und empfunden. –

Im Winter müssen Wir Uns recht oft sehen und sprechen, nicht wahr? ach das lange Getrenntsein ist hart! Rechts und links werden die Bestien auseinander fliegen, Donnerkeile will ich in die Rotte schleudern: »ja ja ihrem Ende eilen sie zu, die so stark im Bestehen sich wähnen;« dies rufe ich mit Loge aus! wer weiss, was ich thu!?

Und nun leben Sie wohl, theure Freundin, »nun soll was Ihr erlitten, Euch reich vergolten sein!« (Lohengrin).

Segen den Theuren! Liebend ohne Ende

Ihr

treuer Freund

Ludwig.

In Fr.'s Zimmer 23. Sept. 1866

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Mein hoher theurer Freund!

Ihre heitere Entschlossenheit steht Ihnen Gütiger, so schön dass ich vor Freude gestern in meiner Einsamkeit förmlich aufjubelte. So gehe ich denn in geklärtester Stimmung, freudig an Sie denkend! Denn wenn Sie Hehrer, den Widerwärtigkeiten so munter kühn acht Siegfriedartig entgegengehen, wie sollten wir Ihnen nicht nachstimmen? Ja, mein Freund, wie Sie, und durch Sie, gehe ich hoffnungserfüllt! Dem Vater der uns mit tiefer Betrübniss von München gehen sah schrieb ich so eben: »ich kann nicht sagen warum, und es klingt verwegen in dem Augenblicke wo wir ziehen, allein ich weiss wir kehren bald und für immer ehrenvoll und freudig wieder« – Unser Publikum werden Wir Uns schon ziehen, Sie haben gesehen, Theurer Freund, wie der Tristan trotz allen Cabalen doch aufgenommen wurde, und wenn die Aufführungen im vorigen Jahre nicht besuchter waren so kam es daher dass die Angst so gross war dass sich die Leute nicht trauten; sie meinten das alles wäre eben nur ein Feuerwerk, bald vorüber und gänzlich vergessen, deshalb wollten sie sich nicht »kompromittiren« bei den Mächtigen. Es lag alles hier noch viel mehr im Argen als König Ludwig I. die schönen Bauten ausführte, und gebrummt und geschmollt haben sie genug die guten Leutchen, nun stehen sie da, nun sind sie froh, und zur ewigen Ehre des Königs, der Stadt und des ganzen Deutschlands gereichen diese Werke, dessen Sinn die Masse allerdings anfänglich nicht begriff. O gewiss mein Herr und Freund, das Volk wird Sie wenn nicht begreifen doch ahnen und lieben! Mich freut es innig dass S. mit dem Modell bald fertig ist, ist dieses da und damit Semper geehrt und befriedigt, so können Wir warten bis Unser Werk Wurzel gefasst hat, und das Vertrauen des Volkes dem König zu dem steinernen Werke verhilft.

Als ich gestern das Theater besuchte um mich von der seit lange auf mich drückenden Trübsinnigkeit zu befreien, musste ich lächeln indem ich an das Versprechen dachte welches unter andrem der »Getreue « mir gegeben hatte, nämlich schön regelmässig fegen zu lassen damit nach allen Seiten hin die esthetischen Forderungen befriedigt würden: Alle Arten von Besen thun da Noth! Doch war mir wohl in dem Gedanken an der zukünftigen Ordnung.

Der 2te Akt der Meistersinger ist nun vollendet, »wirklich und wahrhaftig im Sommer 1866 componirt« hat der Freund unter den Skizzen geschrieben. Sie wissen theuerster Freund, dass noch viele Verse hinzugekommen sind; »ich suche jetzt Schimfworte für die Gesellen« – schrieb der nun bald heimkehrende Wandrer vor Kurzem. Wie schön wenn zur Belohnung des thätigen Winters wir im Frühjahr das holde Werk aufführen können. O theurer himmlischer Freund, ist es kein Traum? ... P. Cornelius werde ich mit Freude melden was Sie Gnädiger, über den Entwurf sagen, es wird ihn gewiss ermuntern so bald als möglich ihn auszuführen.

Wenn ich keine Depesche empfange die mich davon abhält werde ich morgen Abend in Triebschen anlangen, wo ich die kleine Welt zur Reise organisiren will. Dem Freunde bringe ich die theuren Zeilen von Gestern. So beschütze Sie denn hoher theurer Freund, der Gott der Muthigen, auf Wiedersehen sage ich nun kühn und freudig in Antwort auf der holden Frage die Sie mir stellen. Doch sprechen wir uns nach vollbrachter That, wie werde ich Ihnen Theurer, jemals sagen können wie wir Sie anbeten? Nun es zu sagen brauchen wir ja nicht, nur es Ihnen zu beweisen, und dass Sie Hehrer, uns die Möglichkeit dazu geben, dafür segnet Sie und preist Sie in tiefster Seele Ihre

liebevoll ergebene todestreue Freundin

Cosima v. Bülow-Liszt

24ten September 1866 /.

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Theuerste, liebe Freundin!

Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie ich mich nach Kunde von Ihnen und dem geliebten Freunde sehne! – o machen Sie mir doch die Freude und schreiben sie mir recht oft. – Wie entzückten mich die letzten Briefe des grossen Freundes! Wie machten sie mich glücklich. – Die Cabinetsfrage ist nun erledigt, die neuen Menschen sind gefunden, vollkommen einverstanden bin ich mit Neumayr's Ansichten, er ist der rechte Mann und verdient mein volles Vertrauen; mit Pfordten kann es unmöglich so fortgehen, ich denke nun ernstlich an den Fürsten Hohenlohe; vielleicht ist er der Mann der die auswärtigen Angelegenheiten mit Umsicht zu leiten im Stande ist. – Mich verlässt keinen Augenblick die Hoffnung, dass Alles nun erreicht wird, ich bin stolz und freudig, will mich des grossen Freundes würdig erzeigen. – Sagen Sie ihm, Er möge fest auf Seinen Parcival vertrauen; denn wahrlich kühn darf ich es aussprechen, ich verdiene dieses Vertrauen. – Wie geht es dem Theuren, wie steht es mit den Meistersingern? – Ich glaube, Sie oder der Freund werden nächstens einen in trüber Stimmung geschriebenen Brief von Friedrich erhalten, worin er Ihnen sein Leid klagt, seinen Schmerz ausspricht, dass ich ihm meine Gnade und meine Freundschaft für immer entzogen habe. – Dem ist nicht so: wohl habe ich vollen Grund in der letzten Zeit mit ihm unzufrieden zu sein, traurig ist es zu sagen, aber er hat sich wirklich in den letzt verflossenen Monden nicht gut benommen, hat sich überhoben und da ist es gut, ja sogar nothwendig ihn für einige Zeit (figürlich gesprochen) mit kaltem Wasser zu begiessen; doch nie werde ich ihm deshalb vergessen, wie aufopfernd er sich in Unsrer Sache benommen hat, betrübend ist es, ihn bestrafen zu müssen, heilsam aber wird es für ihn sein; dies hoffe ich.

Herzlichen Dank für die Uebersendung des Bandes aus Schopenhauers Werken; mit Interesse las ich darin, obwohl mich Feuerbach's Schriften noch mehr anziehen und fesseln, wiewohl ich die darin enthaltenen grossen Irrthümer durchaus nicht verkenne; geistvoll und im höchsten Grade ansprechend sind seine Werke, das muss man ihm lassen. –

Ich lege einen kleinen Abdruck des von Kaulbach jüngst vollendeten Carton's bei (Lohengrin's Abschied). Ich kann mich mit der Auffassung des Gegenstandes nicht vollkommen einverstanden erklären. –

Seit dem 15ten d. M. dem Geburtstag der Königin, meiner Mutter, bin ich hier im herrlichen Hohenschwangau, wo ich mit dem Theuersten auf Erden die wonnevollen Tage erlebt habe, fest ist mein Glaube, Alles Alles wird sich erfüllen in ungeahnter Weise. Lassen Sie mich nicht vergeblich flehen: »Nachricht von Ihm! dem Gott meines Lebens.« –

Wohltuend ist die Ruhe und stärkend der Aufenthalt in der Region der Berge, nach den Arbeiten in der stauberzeugenden Stadt. Trotz der Ruhe, der nothwendigen, heilsamen, werde ich aber nicht müssig sein, o nein; sondern ich werde rüstig und muthvoll an Unserm Werke bauen und Steine zuhauen. – Wie geht es Herrn v. Bülow, herzliche Grüsse ihm und den Kindern.

Und nun bitten Sie den Freund in meinem Namen herzlich und dringend, Er möge sich doch ja nicht mehr als »Unterthan« unterzeichnen, was Er in Seinem letzten Briefe that. Er ist ein Gott, der von des Himmels Höhen herabstieg, die neue, beseligende Lehre den Menschen zu verkünden, die Welt zu erlösen! ich bin von Ihm erkoren, Seinen Willen den Mitmenschen kund zu thun und bin glücklich, Sein Freund zu heissen, ich, der ich Sein Diener bin; wie aber kann ein Gott wie Er eines Menschen Unterthan sein, nimmer kann dies sein. – O Er mein Hort, mein Leben, Ihm zu leben, Ihm zu sterben; dies ist mein Beruf. –

Und nun leben Sie wohl, theure, einzige Freundin; bedenken Sie wie fern in Ihm ein treuer Freund lebt, den Sie durch öftere Kunde von den ihm theuersten Seelen auf Erden hoch beglücken und innig erfreuen können. –

In ewiger Freundschaft bleiben ich Ihr bis in den Tod getreuer und liebender

Ludwig.

Hohenschwangau

20. Okt. 1866

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Mein theurer hoher Freund!

Es verging kein Tag ohne dass ich mich gedrängt fühlte Ihnen Gütiger, Erhabener, zu sagen, dass wir stets und immer mit Ihnen vereint sind, dass unsre täglichen höchsten Freuden von Ihnen stammen, als ob Sie Theurer bei uns wären und uns durch Ihre Gegenwart beglückten! Ich habe nicht gewagt dem Drang der Seele zu folgen; ich sagte mir dass Sie vielleicht in diesen unerquicklichen Zeiten es für gut hielten augenblicklich eine Pause in den Freundesverkehr eintreten zu lassen, und damit Sie Hoher, nur ja nie in Zweifel darüber kämen ob es eine Stunde gebe in der ich Sie nicht segnete, schrieb ich einige Zeilen an Friedrich und bat diesen meine Copie des Tannhäuser-Ballets dem Erhabenen zu übergeben. Seit dem hörten wir nichts; die Zeitungen meldeten dass die »That« vollbracht, Friedrich aber schwieg. Ich will Ihnen einziger unvergleichlicher Freund, nicht verhehlen dass ich recht besorgt war; während der Freund fest und sicher des »Wunder's« sich freute, war mir Angst, die neuen Leute möchten Ihnen nicht recht sein, und wenn vielleicht auch in der Seele vortrefflich doch am Ende nicht geeignet zu dem Dienst. Die Worte die Sie mir heute gütig sagen, nehmen mir eine schwere Last vom Herzen; dem Himmel sei Dank, meine Frauen-Aengstlichkeit war abermals irrig, und ich darf mich mit Ihnen, theures unergründliches Wunder, der freudenreichen Hoffnung hingeben. Die Blätter schweigen nun, wie Sie sagen Theuerster Freund, die Frage ist erledigt. An einigen Aussagen Neumayer's habe ich gesehen dass der Erhabene durch Sein Huldreiches in Wahrheit Gnadenvolles Wesen ihn vollständig begeisterte, so dass ich hoffe dass er dem theuren Hohen, die Sachen nicht erschweren wird, das ist alles was ich wünsche. – Wie ich bereits erwähnte, hörten wir von Friedrich nichts, was uns einiger maassen verwunderte. Darf ich Ihnen mein theurer Freund, sagen, dass ich das erwartet habe was Sie mir in so edel wahrhaft königlicher Weise heute gütig vertrauen? Bei dem unbedingtesten Glauben an der Redlichkeit seines Herzens und der Liebe zu unsrem Beschützer, war es mir doch als ob er zuweilen nicht scharf die Grenze zu ziehen vermöchte und als ob er die Gnade, nicht etwa misbrauche sondern übersehe. Ich halte ihn aber für so gut dass ich mit Ihnen theurer Hoher, glaube, dass die augenblickliche Zurechtweisung ihm nützlich sein wird; jetzt kann er zeigen was er ist. In den Stunden der Prüfung strahlt erst in ihrem wahren Glanz die tiefe Liebe. Ist er das wofür ich ihn gehalten habe, so wird er Sie göttlicher Freund, verstehen, Ihre in Güte strenge Hand küssen, und Ihnen unsäglichen Dank wissen ihn auf unrechtem Weg aufgehalten zu haben. Wahrhaft betrübt es mich dass Sie theurer theurer Freund, gerade in den peinlichen Tagen diese Erfahrung machen mussten, doch freue ich mich des Geschehenen einerseits weil ich wie gesagt, an Friedrichs Rechtschaffenheit der Seele nicht zweifle, andrerseits und vor allem weil mir dieses wieder Gelegenheit giebt Sie zu bewundern. Sie sind, theurer Freund, wie keiner zum König auserkoren, Sie besitzen die Milde, die Güte und die Gerechtigkeit, und ich sagte dem Freund als ich das Glück gehabt Sie Hoher zu sehen dass der Mensch eine wahre Bestie sein müsste der sich Ihnen gegenüber jemals vergässe, so voller Hoheit wäre Ihr Wesen. Mir will es scheinen als ob Friedrich noch etwas »grün« ist, um gewisser Unterschiede sich bewusst zu werden und die grosse Gnade die ihm zu Theil wurde richtig zu ermessen. Ich wünschte er schriebe uns offen und vertrauensvoll damit ich ihm mit der Wahrheit zugleich den Trost sagen könnte.

Der Freund will heute selbst schreiben; es geht ihm leidlich und er arbeitet emsig begeistert; der Wahn-Monolog ist vollendet und unsäglich schön, brauche ich es Ihnen Theurer zu sagen? Für einige Tage tritt leider eine Unterbrechung ein, die Luzerner Arbeiter hausen auf Triebschen, Töpfer Häfner Schlosser treiben ihr Unwesen, und hämmern pfeifen und klopfen, damit es im Winter hier erträglich sei. Wir lächelten heiter und wehmüthig zugleich der Freund und ich, als wir uns gestern entsannen dass ich ihn stets in Einrichtungsnöthen gesehen habe! Es wird aber dann auf Triebschen ganz behaglich und gemüthlich sein. Wenn die leidigen Unwesen nicht gar zu lange machen so hoffe ich dass der dritte Akt zu Weihnachten fertig komponirt ist, den übrigen Theil des Winter's wird der Freund der Instrumentirung der beiden Akte widmen, und so wird im Frühjahr die Aufführung möglich sein. Wie viel, wie viel, versprechen wir uns von dieser Aufführung! Und alles doch nur durch Sie einziger, hoher, theurer Beschützer! Abends nach dem Thee diktirt mir der Freund die Biographie, wir sind jetzt in Paris angelangt in der Zeit wo die Faustouverture geschrieben wurde (1839–1840). Ich kann Ihnen gar nicht sagen theurer wunderbarer Freund, wie mich die genaue Kenntniss dieser argen Zeit erschüttert, und wie mich die Milde rührt, mit welcher der Freund das abscheuliche Benehmen Aller gegen ihn beurtheilt. Um ihn aus dieser schönen erbaulichen Stimmung nicht zu reissen, mache ich selbst als ob all die Erfahrungen leicht zu nehmen seien, obgleich ich zuweilen vor Empörung und Ergriffenheit kaum schreiben kann. O, einziger über alle Worte erhabener Freund, wie stehen Sie da, gegenüber der Welt! Es ist wirklich als ob Gott Ihnen, alles gut zu machen zum Beruf gestellt hätte! – Trotzdem wir regelmässig arbeiten, schreitet die Biographie langsam vorwärts, meiner Kräfte wegen, die mir zuweilen gänzlich versagen, doch hoffe ich auch mit der Copie in nicht zu langer Zeit zu Stande gekommen zu sein. Eigentlich leben wir hier wie in einem Märchen, und sehen und hören von der Welt nichts. Gegen Mittag theilt mir der Freund mit, was er am Morgen zu Stande gebracht, Nachmittags läuft er durch Wiesen und Felder, ich gehe ihm meist entgegen, ein Stündchen verbringt er dann mit mir und den Kindern die sich hier alle Wohlbefinden, Abends erzählt er mir das schwere Leben, welche Erzählung immer zu einer »Hymne an Parzival« wird. Kommt nun aus der Ferne ein Gruss des himmlischen Freundes, habe ich nicht recht zu sagen dass wir wie in einem Märchen sind, und das holde Lebens-Vergessen gefunden haben? Jetzt freilich geben die bösen Arbeiter einen argen rohen Rhythmus der Melodie unsrer Existenz, allein die verschwinden hoffentlich bald, bis sie kamen hörten wir nur das Glockengeläute der Kühe welche Schaarenweise von den Alpen heruntergekommen auf den umliegenden Wiesen weiden, und uns behaglich neugierig jeden Tag mit den grossen ruhigen Augen ansehen. Fast unlieb ist es mir dass Triebschen einen Gast erwartet, einen jungen Musiker nämlich welcher die Aufgabe hat die Partituren des Freundes abzuschreiben, damit die dem Erhabenen geweihten Manuscripte nicht durch den Druck beschädigt werden. Es ist durchaus nothwendig denn schon ist das Meistersinger Vorspiel in grosser Gefahr gewesen; ich hoffe auch dass der Ankömmling sich bescheiden und ruhig verhalten wird.

In diesen Tagen denke ich wiederum Herrn von Bülow in Basel zu besuchen, wo er sich so gut es eben geht sich eingerichtet hat, und seine musikalische Thätigkeit begonnen hat. Die »obscure Stadt« hat wenigstens das Gute dass er keinem Menschen etwas zu erklären oder zu sagen hat. Doch welches Philister-Nest! Die Musik wird dort bieder rechtschaffen ledern wie ein Geschäft getrieben; er will aber von keiner Residenzstadt ausser München hören, überhaupt von keinen sogenannten grossen Verhältnissen, und hat eben ein ziemlich glänzendes Engagement für Amerika abgeschlagen indem, er mich bat von dem Antragbrief Kenntniss zu nehmen welchen er selbst nicht gelesen hat. Ich werde ihn mit den huldvollen Grüssen beglücken, wie ich die Kinder heute recht stolz machte welche bei dem neulichen Auspacken und Aufstellen der Büste des »Königs von Bayern« in lautem Jubel ausbrachen. Die ganze »Schiffs«einrichtung ist nämlich angekommen und wir haben Triebschen ausgeschmückt.

Es ist mir in der Seele wohl Ihnen, mein theuerster Freund, diese Zeilen nach Hohenschwangau senden zu dürfen, ach! ich wiederhole es, mir war so bang um Sie, als ich Sie Einziger, in München wusste, ich wollte stets ein Wort der Liebe entsenden, und fürchtete nicht zur rechten Zeit zu kommen. Wenn Sie Gütiger, es mir gewähren, will ich von hieraus Ihnen jede Woche einmal Nachrichten vom theuren Freunde geben. – Meinen innigen Dank spreche ich für die gütige Uebersendung der kleinen Photographie, unterthänig aus. Mir erscheint die Auffassung etwas conventionell und steif, das ist nicht »Unser« Lohengrin; doch die Ausführung ist wie an Kaulbach gewohnt, meisterhaft. Schade dass er sich in den Werken des Freundes nicht zu vertiefen vermag, von der grossen unbestreitbaren Kunstfertigkeit würde er zur Kunstvollendung gelangt sein. Die Seele fehlt! – Recht sehr freute mich Zumbusch's ganz unerwarteter grosser Erfolg, diesen haben Sie hoher Beschützer, erfunden, wie die Franzosen sich ausdrücken.

Seien Sie in ganzer Seele gegrüsst, stets bewundertes, gepriesenes, angebetetes Wesen, und der Segen der treuesten Liebe ruhe auf Ihr theures heiliges Haupt!

Cosima von Bülow-Liszt

Triebschen

25ten Oktober 1866 /.

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Treu geliebter Herr!

Theuerster Freund!

Zugleich mit diesen Zeilen erlaube ich mir einige Seiten der abgeschriebenen Biographie zu Füssen zu legen. Gestattet es mir der hohe Freund gnädig so will ich jede Woche ungefähr dreissig Seiten absenden, wobei ich nur stets um gütige Nachsicht mit der Schrift bitte. Seit einem Jahre beinahe ist meine Hand ganz unsicher geworden und wird es mir schwer die Feder anhaltend regelmässig zu leiten; auch musste ich diese Seiten in der Kinderstube schreiben da die Luzerner Handwerker die untere Wohnung vollständig in Beschlag genommen hatten; da musste ich denn manchen Ruck manchen Stoss und manche Störung mir gefallen lassen. Nun sind die Störenfriede fort und es sieht gar hübsch und wohnlich hier aus. Der Salon hat eine grosse Wand gewonnen durch Schliessung zweier Fenster; auf derselben prangen das Tannhäuser-Bild und die Rheingold-Blätter, sie schliesst mit der Büste des Schutzgeistes dieses Heims und der des beschützten Geistes. Ein Kamin auf welchem die Uhr mit dem Minnesänger – die erste Weihnachtsgabe des holden Schutzgeistes steht, hat Loge hierher gelockt. Der langen Wand gegenüber, zwischen den zwei Thüren, gut beleuchtet hängt das Oelbild – das erste Geburtstaggeschenk – unter welchem all die prunkenden Sachen aufgebaut sind welche der Freund im Laufe des Lebens erhielt, silberne Becher und Kränze, in deren Mitte die zwei Schalen (Tannhäuser und Lohengrin) sich gar prächtig ausnehmen; die zwei Löwen (Erinnerung an Tristan) durch »Grane« vereinigt scheinen all den Ruhmeshort dem theuren Bilde darzubringen.

Zwischen den zwei Fenstern steht das Klavier über welches die Medaillons Liszt's und Bülow's hängen. Die kleine Stube neben dem Salon ist die Bibliothek geworden; Hohenschwangau, die colorirte Photographie des Schirmherrn's beleben es gar lieblich. Es ist ungemein ruhig ernst und behaglich hier unten, wir nennen es »Stolzing« und haben nicht einen Nagel gehängt nicht einen Stuhl gestellt ohne uns anzublicken und––»Parzival« uns hier zu denken! Seltsamer beglückender Traum. Oben ist die Werkstatt; heute wurde Beckmesser musikalisch eingeführt, nach der unglaublich schönen Scene zwischen Walther und Sachs. Als der Freund mir die eben in Musik gesetzten Worte spielte und sang: »Das waren hoch bedürftige Meister, von Lebensmüh' bedrängte Geister« brachen wir Beide in Thränen aus. Könnte ich Ihnen theuerster einziger Freund, die Töne entsenden die der Freund für diese Worte fand! – Unten kommt der Freund um zu speisen und sich im Kreis der Kinder auszuruhen; Rusemuck der unerziehbare riesige Hund, Kos der schlechterzogene Pinscher tragen auch zur Gemüthlichkeit bei, und die beiden Pfauen, Wotan und Fricka ergehen sich stolz ruhig im Garten, nun dass sie wissen dass die Kälte die Menschen daheim hält. Der Lehrling Hans Richter oder Jean Paul wie wir ihn nennen, stellt sich ganz gut an; er hat eine Musikdirektorstelle abgeschlagen um hierher zu kommen und »etwas zu lernen«. Er ist bescheiden und fleissig. Er erzählte uns Mancherlei von den weitreichenden Intrigen die er selbst in Wien vernommen; dem dortigen Gesangslehrer Lewy sind Anträge gemacht worden für ein zu errichtendes Conservatorium in München unter Herrn Rheinberger's Direktion! Wir liessen ihn ruhig weiter erzählen da wir das Glück haben über all' die Erbärmlichkeiten lachen zu dürfen! – Von so vielem spreche ich und sage dem theuren Freunde nicht, dass mein Herz von nagender Sorge um die Gesundheit des Freundes so gepeinigt war, dass ich dem Dr. Standhartner nach Wien geschrieben und ihn zu kommen gebeten habe. Zum ersten Male im Leben habe ich mir erlaubt Ihren hohen Namen mein gnädiger Freund, zu nennen; indem ich Dr. S. zu kommen bat sagte ich, ich meldete dies S. M. dem Könige von Bayern und wüsste dass Unser Allergnädigster Herr ihm Dank wissen würde wenn er diesen Freundschaftsdienst dem Meister erwies. Der Freund war unbesorgt, sah aber elend, elend aus, hatte fortwährende Beklemmungen am Herzen – ich bin fast wahnsinnig vor Angst geworden, und ich habe eine ganze Nacht auf meinen Knien gelegen. Heute telegraphirt mir Dr. S. dass er erst am 7ten von Wien fortkann, nun scheint der Freund mir etwas wohler, ich weiss nicht was ich thun soll. Ich möchte nicht unnützerweise dem sehr in Anspruch genommenen Arzt umsonst bemühen, doch bin ich immer besorgt und möchte gern dass er dem Freunde angebe was er thun soll. Ich glaube ich lasse ihn kommen, sollte er gegen mich auch unwillig werden wenn er meine Sorge unbegründet findet. Von Ihnen, mein theuerster Freund, möchte ich wohl hören ob Sie Erhabener Gütiger, mein Verfahren billigen. Dem Freunde sagte ich natürlich nichts. – Von Friedrich kam kein Brief, was uns betrübt, ich hatte gerade zehn Zeilen an ihn aufgesetzt um ihn zu einer Mittheilung zu ermuntern, ich unterliess die Sendung derselben da ich nicht bestimmt wusste ob es dem gnädigen Freund erwünscht sein würde dass ich diesen Schritt thue. Eine kleine Notiz in der Allgemeinen Zeitung hat mich erfreut indem sie die »Ungnade« ableugnete, allein wir sind auf diesen Punkt beklommen. Eines habe ich vom Freunde zu melden; er lässt den erhabenen Beschützer inständigst Bitten in Bezug auf den Fürsten Hohenlohe ja keine gnädige Rücksicht auf einen Vorschlag von ihm zu nehmen, da er diesen Herrn gar nicht kennt und sich schwere Vorwürfe machen müsste dem Theuren Herrn, Jemanden empfohlen zu haben von dem er nichts direktes wüsste. Als er ihn damals nannte so war es nur um den geliebten König von einem Menschen befreit zu sehen, welcher die Unverschämtheit hatte sich gegen eine Neigung seines Herrn aufzustellen; Politisches hat er dabei nicht im Sinne gehabt.

Nun ist er glücklich darüber dass der Erhabene, Theure, volles Vertrauen in Herrn von Neumayer setzt, und lässt den geliebten Freund, bitten nicht in seiner grenzenlosen Güte und unerschöpflichen Liebe zu ihm, Rücksicht auf den genannten Namen zu nehmen, und ohne jedwede Erwägung des gethanen Vorschlages nach eignem Ermessen und Gutdünken zu thun und lassen, und da Herr v. Neumayer das königliche Vertrauen sich erwarb einzig und allein auf dessen Vorschläge zu hören. Er wollte selbst schreiben um dieses zu erflehen, da ich weiss wie leicht ihn alles angreift bat ich ihn mir zu erlauben dieses unterthänigst zu übermitteln. Morgen verreise ich auf einige Tage nach Basel um Herrn von Bülow dort aufzusuchen; diesem wurde gemeldet ein Graf Platen (entschiedener Feind unsrer Sache) würde zum Theaterintendanten in München, er lächelte und schwieg; gefragt wurden wir auch von allen Seiten über die » Ungnade« denn neugierig sind und bleiben nun einmal die Leute, dass es eine Freude ist ihnen nichts zu sagen.

Ich glaube für heute mein kleines bescheidenes Bild vom Triebschener Leben vollendet zu haben, darf ich noch hinzufügen dass wir in Sorge um den Theuersten Freunde sind? Gewiss es ist sehr unsinnig, allein die grosse Entfernung beschwört die Aengsten herauf; der Freund sehnt sich nach dem Freunde; diese Nacht träumte mir von einem grossen Mahl auf Triebschen an einem 22ten Mai; lauter beängstigende Unwillkommene hatten sich eingefunden, am Schluss aber erschien wie vom Zauber hergerufen der »Schutzgeist«. Mein Aerger über die dumme Gesellschaft wurd so gross dass ich ein Unwohlsein vorgab um sie zu verscheuchen. Wir blieben, der Schutzgeist, der Geist und ich; über Unser herzliches Lachen ob meiner geglückten List, wachte ich auf!

Wird der Gnadenreiche, mir die übermässig lange Mittheilung vergäben? Wird Er sie in Güte aufnehmen? Vertrauend auf die unerschöpfliche Huld glaube ich es, und in dieser gläubigen Hoffnung entsende ich den innigen Gruss der Treue und der Liebe

Cosima von Bülow-Liszt

4ten November 1866 /.

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128

Theurer Freund!

Gnadenvoller Herr!

Verzeihe es mir der Gütig Hohe, dass ich wiederum mich hören lasse! Ich bekam heute beifolgende Zeilen des Dr. Standhartner, und schrieb demselben er möchte warten bis ich näheres meldete. Von meinem Herrn und theuren Freund, möchte ich nur hören ob ich den freundlich kundigen Arzt bestellen soll. Ich bin immer in Sorge, wenn ich auch hoffe dass keine Gefahr vorhanden!––

Indem ich nochmals unterthänigst um Vergebung bitte, sende ich dem theuersten höchsten Wesen, den Gruss und den Segen der stets wachen Liebe und Treue!

Cosima von Bülow-Liszt

Triebschen

6ten November 1866 /.

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129

Telegramm

Von Bayreuth nach Triebschen                               3.11.1866

Frau von Bülow-Liszt. Luzern, Triebschen.

Unmöglich jetzt zu schreiben, wünsche dringend, der Arzt möge den Freund besuchen.

Ludwig.

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130

Telegramm

Von Hof nach Luzern                               14.11.1866

Frau von Bülow-Liszt. Luzern Triebschen.

Sehr besorgt um unseres theuren Sachs Gesundheit bitte dringend mir morgen Nachricht hierüber nach Bamberg zu geben.

Ludwig.

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131

Mein theurer hoher Freund!

Wie soll ich es Ihnen danken, Zeit gefunden zu haben in den überfüllten Tagen mir eine Kunde zukommen zu lassen? Den Wunsch den Sie Gütiger, Herrlicher, mir telegraphisch sandten, habe ich mir wohl verwahrt, und Dr. Standhartner nur geschrieben er möchte auf eine Depesche von mir warten, und sich dann, sollte dieselbe eintreffen, sofort aufmachen. So bin ich denn beruhigt als ob ein Engel mir Trost gebracht hätte; auch hat sich das Befinden der »theuren Sachs« bedeutend gebessert. Er sieht noch angegriffen aus, doch sind die Herzbeklemmungen die mich so erschrocken haben, verschwunden, und heute war er so munter und frisch dass es in meiner Seele jubelte.

Vorigen Sonnabend bekam er den Brief seines holden Schutzgeistes, welcher ihn tief rührte und ergriff; er nahm sich vor nach Nüremberg seinen Gruss zu senden. Alles alles was er vom theuersten Freunde erfährt, beglückt und begeistert ihn! Diese Reise – wir allein wissen was sie bedeutet, wir wissen was der theure Hehre dabei geopfert wir wissen für wen, für was; in unsre Herzen tief, tief, graben wir dieses Wissen ein, daraus sollen herrliche Blüthen entspringen, aus dem meinigen, mein wunderbarer Freund, den segnenden Dank des beglückten Wesens, aus dem des Freundes die welterlösende schaffende Begeisterung. O Glückspender, Theurer, wie begleiten wir Sie bei jedem Schritt!..

Gern gönne ich es dem Volke dass es sich an dem Anblick seines Königs labe, Er ist ihm und soll ihm das Höchste sein und vorstellen, doch wenn ich von all dem schönen Jubel lese, frage ich mich eigentlich einzig wie dabei die Stimmung des theuersten Freundes ist? Ob freudig erregt, ob innerlich wehmüthig, dies allein (darf ich es sagen?) beschäftigt mich hierbei. So erfreut ich über diesen herrlichen Reiseplan bin, so glücklich der Moment dazu mir gewählt scheint, so frage ich mich doch immer besorgt ob Ihnen Hoher, Theurer, es nicht eine zu schwere Last ist, und ob vieles was nothwendiger Weise damit zusammenhängt nicht nahezu unerträglich erscheint, dem edlen Unvergleichlichen? Sie sehen mein gütiger Freund, dass ich meine ängstliche Besorgniss nicht los werde; ich kann wohl sagen dass mein Gefühl für Sie und den Freund, ein ewiges Beben ist, welches wunderbarer Weise durch das unerschütterlichste Zutrauen in Ihrer und Seiner Sendung und dessen nothwendige Erfüllung getragen wird. Meine Liebe zu Ihnen Gütig Gnadenvoller, und zu ihm, gleicht dem Flug des Schwanes, so sicher so mächtig und so zitternd. Sie haben denn wohl die gütige Nachsicht mit dieser Empfindung! –

Es war eben Kinderstunde auf »Stolzing«; der Freund hat zuerst mit den Kleinen sich unterhalten, dann setzte er sich an das Klavier und nahm die 9te Sinfonie durch. Indem ich zugleich in meiner Seele die herrlichen Klänge empfing, die heitere Ruhe der Kinder genoss, und das Wohlsein des Freundes empfand, musste ich mit Thränen der Rührung an Sie theures hohes Wesen, denken; Sie haben diese friedreiche Welt in der Qualvollen hervorgerufen; Sie haben es ermöglicht dass wir vereint wurden; Sie haben dem geweihten Haupt dem nirgends Ruhe wurde, die Ruhe gegeben, wie ein rettender Engel sind Sie Einziger, in dieses gepeinigte Leben getreten – und es ward Frieden. Was Ihnen auch die Elenden entgegengestellt haben, Ihr Werk haben sie nicht verhindern können, sie durften es Ihnen erschweren, Sie Theurer, Göttlicher, mussten leiden in unsre Leiden, doch Sie haben gesiegt! O rettender Parzival! –

Triebschen ist drei Tage lang fast zu Trübschein geworden durch einen Besuch den wir bekamen. Schon seit einiger Zeit hatte ich an den Briefen von Frau von Schnorr etwas gemerkt was mich verwunderte, nun mussten wir zu unsrer tiefen Betrübniss hier gewahr werden dass die Erschütterung welches ihr durch den Tod ihres Mannes wurde ihre geistigen Kräfte in fürchtlichster Aufregung gebracht. Nun will das Unglück dass sie in der Person einer ihrer Schülerin eine Intrigantin hat der sie alles glaubt, und die ihren Zustand schändlich benützt. Visionen, Gespenster, Prophezeiungen, Gott weiss was da alles gebraut wird. Wir waren hier über den aufgeregten Zustand der vortrefflichen Frau der sie ganz blind macht, sehr betrübt, und der Freund dem sie allerlei geheimnissvolle Mittheilungen zu machen hatte, hat sich von dem peinlichen Eindruck nur langsam und mühsam erholt. Ich hoffe noch dass eine Besserung eintreten wird, doch sind wir sehr beunruhigt, und um so betrübter dass wir da gar nicht helfen konnten, und zuletzt zur förmlichen Abwehr von unheimlichen Zudringlichkeiten schreiten mussten. Die Meister haben dabei etwas gelitten, doch sind sie wieder herbeigezaubert; über mir höre ich jetzt den Freund an dem tönenden Gewebe arbeiten. Gott erhalte uns den Frieden! –

Da meine Besorgniss um den Freund so gross war, gab ich meine Reise nach Basel auf; nächste Woche wo die zweite Soiree meines Mannes stattfindet gehe ich hin und bleibe einige Tage dort.

Ich erlaubte mir heute früh zu telegraphiren da ich aus der eben erhaltenen Depesche ersah dass der theure ferne Freund, besorgt war, und ich den Hohen so bald als möglich beruhigen wollte. Als der Bote schon fort war, sagte ich mir dass ich nur gnädig aufgefordert worden war zu schreiben und wurde ängstlich ob ich das richtige that, und ob ich noch schreiben durfte. Hoffentlich kam ich mit der Depesche und komme ich mit dem Brief nicht ungelegen; jedenfalls macht der Nüremberger Brief alles gut; schon lange freut sich der Freund seinen Schutzgeist dort zu begrüssen!

Will der Gütige, wohl inmitten des schönen Volksjubels denken dass in der Ferne zwei Wesen Ihn unaufhörlich preisen, und dass zwei Seelen Ihn durch Leid und Freud beständig segnen? ... Beide entsenden den Gruss der treuesten Liebe!

Cosima von Bülow-Liszt

14 November 1866. Triebschen.

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132

Theuerste Freundin!

Endlich finde ich inmitten der lärmenden Festlichkeiten einige Augenblicke der wohlthuendsten Ruhe, ich benütze sie dazu, einige Zeilen an die treu geliebte Freundin zu richten. – Dass ich stets an Sie und den einzigen, den über Alles geliebten Freund denke, dass ich oft und viel mit mächtigem, nie verglimmenden Sehnsuchtsfeuer, das lange nicht zu ertragen ist, mich hingezogen fühle nach dem trauten Triebschen, nach dem begeisternden, einzig und allein mich wahrhaft beglückenden und beseligenden Umgange mit den Theuersten auf Erden, ja dies Alles brauche ich kaum zu erwähnen, Sie kennen mich ja, verstehen das Wesen der treuen Freundschaft, die Tiefe einer ewigen, hehren Liebe. Dass es dem geliebten Freunde wieder besser geht, entzückt mich, erfüllt mich mit unsäglicher Freude; o Dank, innigen, wärmsten Dank für jede Kunde, die Sie mir senden, o hören Sie nicht auf, oft recht oft mir Nachricht von Ihnen und Ihm zu geben! Denn dies ist Labung in Durstesqualen. – Allenthalben erhalte ich zahlreiche Beweise von aufrichtiger, ungeheuchelter Liebe, von Treue und Anhänglichkeit des Volkes an seinen angestammten Fürsten; recht, vollkommen recht haben Sie, wenn Sie sagen, dass Wir allein die eigentliche und tiefe Bedeutung dieser Reise zu erfassen vermögen, ich will damit einen festen Grundstein legen, auf dem Wir in nächster Zukunft Herrliches, ewig Unvergängliches errichten wollen. –

Mit jedem Tage überzeuge ich mich auf's neue, dass Neumayr ganz der Mann ist, den Wir brauchen, wie angenehm ist es auch mit ihm zu arbeiten, welch ein Unterschied zwischen ihm und dem schwer fassenden Kopfe eines Pfi. und Consorten! – Dass Friedrich nicht mehr bei mir ist, werden Sie vernommen haben; ich musste so handeln, denn er benahm sich in der That nicht gut, (gelinde gesagt,) stiess alle Welt vor den Kopf, überhob sich auf unverantwortliche Art, suchte sogar seine früheren Freunde durch Anschwärzen in ungünstiges Licht zu stellen etc. so dass ich mich veranlasst fühlen musste, ihn in das Regiment zurück zu versetzen; nun er kann sich bessern, wird diese jugendlichen, wie wohl groben Fehler ablegen, für verloren halte ich ihn nicht, er hat auch seine guten Eigenschaften. –

Was Sie mir, theuerste Freundin, über Fr. v. Schnorr's Zustand sagen, erfüllt mich mit Betrübniss; Gott gebe dass diese treffliche Frau bald völlig wieder von ihren Leiden möge befreit werden! –

Wie danke ich Ihnen aus tiefster Seele für die so freundlich übersandten Blätter der Biographie, ich sehne mich nach ruhigen Stunden um mich in diese, mir so heilige Welt zu versenken. – Sind in der letzten Zeit keine Schriften über »Tristan« oder über das Schaffen Wagner's im allgemeinen erschienen? bitte theilen Sie mir es mit. – Ich kann Ihnen den Eindruck den die Aufführung des »Tristan« auf mich gemacht hat, unmöglich schildern, noch jetzt, jeden Augenblick, wenn ich an dieses wonnevolle Werk denke, möchte ich vor Entzücken, vor Jubel vergehen! – Nichtwahr Sie geben mir Ihr Wort, der Theure wird nach Vollendung der »Meistersinger von Nürnberg« sogleich den Nibelungen-Cyclus wieder aufnehmen?! –

Ich bin auf dieser Reise sehr in Anspruch genommen, komme aus den Fackelzügen, Bällen, Beleuchtungen etc. gar nicht mehr heraus, oft gebe ich Tafeln von 50-80 Gedecken, für die Dauer ist dies allerdings etwas ermüdend, neulich empfing ich etwa 200 Audienzen in einem Tage, stehenden Fusses. –

Doch von Mühe ist ja dabei nicht zu reden, für Ihn, für Unser Ideal wirken zu können dies ist Seligkeit, o diese Liebe zu Ihm zaubert den Winter in blühenden Frühling um, sie versetzt Berge, ist allmächtig.

Ich gedenke etwa am 23. d. M. in Würzburg einzutreffen und werde am 27. sicher in Nüremberg sein, wo ich 4-5 Tage verweilen will, im nächsten Jahre werde ich länger dort mich aufhalten, bis dahin wird Viel, so Gott will, sehr Viel geschehen sein. – Heil und Himmelssegen den Edelsten der Menschen, o wie liebe ich den Freund und Sie theuerste Getreue, ich sende Ihnen aus liebender Seele meine innigsten Freundesgrüsse und bleibe Ihr bis in den Tod getreuer

Ludwig.

Aschaffenburg

20. Nov. 1866.

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133

Mein theurer Freund und geliebter Herr!

Sie erlauben es mir gütig Ihnen sofort zu sagen wie dankbar ich Ihnen Gütiger, bin, mir die so nöthigen Augenblicke der Ruhe gewidmet zu haben, und wie tief uns der theure Brief beglückt hat. Gestern kam ich von Basel hier zurück und gestern traf auch die Freude spendende Botschaft ein. Wir waren etwas in Sorge, ich hatte in einer Zeitung gelesen dass der Theure, in der Ferne Gefeierte, einen Tag sich hatte legen müssen, und da mir früher gesagt wurde dass Festlichkeiten, Bälle und Empfänge aller Art, den hohen Freund, sehr angreifen, war ich bald der ganzen schönen Reise gram. Gott sei Dank der herrliche Brief so ernst, so sicher, so wohlgemuth, hat alle Angst und kleinlich weibliche Sorge verscheucht; der Freund strahlte als er all' die gütigen Mittheilungen las, und ich lass es mir nun auch freudig gefallen dass der theuerste Freund so viele beglückt, da ich jetzt weiss dass weder Seine Gesundheit noch Seine Stimmung darunter leiden. »Ich bete Neumayer an«, sagte ich in scherzendem Ausdruck doch im ernstlichsten Sinne, gestern dem Freund, er erwiederte mir dass er neulich noch dem Hohen schreiben wollte dass nach Ihm dem Einzigen, der theuerste Mann ihm Neumayer wäre. Dass diese Wahl sich so glücklich erwies ist das schönste Omen, und ich kann Ihnen Theurer, gar nicht sagen wie ich hoffe, und in dieser strahlenden Hoffnung Sie preise und segne! Wir bedurften hier sehr der Labung und Stärkung die uns durch den gestrigen lieben theuren Brief wurde; der Freund hat wohl etwas näher angegeben wie peinlich der von mir angedeutete Wahnsinn ausartet; nun bekomme ich Flüche und Verwünschungen der armen bethörten Frau, so dass uns hier nur das vollständigste Ignoriren mehr gebührt. Wie der Freund die ersten Anzeichen dieser unerhörten Geschichte bekam nahm er es so ernst dass ich ihn fast darüber schalt und ihn bat in Geduld und Milde sie durchzumachen; er hat aber wohl recht gehabt, und als er mich gestern am Bahnhof empfing sagte er mir: »das Werk meiner Ruhe dass Du mit Mühe und Noth immer wieder aufbaust wird Dir immer wieder verschüttet und zerstört« – er hatte die lächerlichsten Briefe wieder bekommen, und eine Depesche in welcher sein »an einem Faden hängendes Verderben«, telegraphisch angekündigt wurde. Nun ich denke dieser »Wahn« ist überstanden, allein es liegt darin ein tiefer Sinn der wohl zu beachten ist. Die aussergewöhnlichen Lagen bringen uns zuweilen in Freundschaftsverhältnisse die sich bis zu einer gewissen Exaltation steigern und eine Intimität schaffen welche aus der einfachen Begegnung grundverschiedener Naturen nie entstanden wäre. So kam es mit der Aufführung des Tristan's welche durch den Tod des unvergesslichen L. Schnorrs eine so tiefe heilige Bedeutung bekam; ich war der Frau v. Schnorr so unsäglich dankbar dem Freund seine Isolde dargestellt zu haben dass ich mich ihr von ganzem Herzen anschloss, und ganz davon absah ob sie vieles verstehen würde oder nicht. Der Freund that desgleichen, so lange keine Einmischung geschah war alles gut, nun aber ist eine Confusion entstanden wo Anmassung, Zudringlichkeit, und weiss Gott was alles, sich die Hand reichen um einen unerträglichen Verkehr zu bilden. In einem gewissen Sinne ist es mit Friedrich ungefähr dasselbe gewesen, wie mir scheint; er hat dem seltenen allerdings schwer zu verstehenden Zufall nicht Rechnung zu tragen gewusst, und hat gemeint dass Dasjenige was durch ganz andren Beziehungen, von einer ganz andren Region von Gefühlen herströmte, seiner eigenen Person wegen sich kund gab; und daher die Ueberhebung und gerade herausgesagt, die Unverschämtheit. In beiden Fällen ist, glaube ich, die Roheit der Natur an allem Schuld, gewöhnliche Naturen sind in ungewöhnliche Verhältnisse gezogen worden, wobei sie das Gleichgewicht verloren. Darum kann man ihnen nicht gram sein, nur kann man sich es auch nicht gefallen lassen, und muss man abwarten bis die Wiedereinkehr in dem ihnen angemessenen Kreis sie zur Vernunft bringt. Wie freute ich mich einziger, edler, wunderbarer Freund, über die milden festen Worte die Sie über Friedrich mir gütig sagen; er hat uns nicht geschrieben, was kein gutes Zeichen ist, und ich gestehe Ihnen Theurer, Hoher, dass wir immer etwas beklommen waren. Vieles wurden wir gewahr dass wir gar bedenklich fanden, nur bauten wir auf das Herz dass ich gleich Ihnen, mein theurer gnädiger Freund, für gut halte. Sie sagen das Wort dass alle Erklärung enthält, »grob« sind diese Fehler und desshalb nicht zu übersehen wenn auch nicht nachzutragen. Ach! und überall Absichten nirgends Einsichten! Wenn Sie edelstes, höchstes, unbegreifliches Wesen, nicht wären, ich kann Ihnen gar nicht sagen mit welcher Erbitterung wir auf das Leben und die Welt blicken würden; diese letzten Erfahrungen mit Friedrich und M. Schnorr sind doch anwiedernd; doch wollen wir es Ihnen Gütiger, nachsehen, und nun Sie da sind, können wir wohl das Wiederwärtigste belächeln.

Der Freund hat seine Arbeit wieder aufgenommen, die ihm die ganze Woche mit Ausnahme eines Tages, durch die gespenstischen Geschichten unmöglich gemacht wurde. Beckmesser tobt gegen Sachs »o Schuster voller Ränke!« ich musste laut auflachen als er mir gestern den Beginn dieses Wuthausbruches spielte. So Gott will, bleibt der Triebschner Friede einige Zeit geschont, und es geht rasch vorwärts. O von ganzer Seele gebe ich Ihnen, holder Schutzgeist des Theuersten auf Erden, das Versprechen dass sobald die Meistersinger fertig sind, die Nibelungen, das Lebenswerk, dass nicht eher vollendet werden durfte, bis Sie, Göttlicher, erschienen, vorgenommen werden – und dann Parzival! Ich weiss, es wird alles geschaffen, bin ich auch zuweilen traurig und besorgt, so ist es eben das Ergebniss langes tiefes Mit-leiden was mein Herz zu fast beständigem Zittern gebracht hat, doch in der innersten Seele hege ich eine heilige Gewissheit die mich hoch über alles irdische Leiden trägt. Ich weiss, der Freund wird noch alles vollenden, ich weiss ja dass Sie da sind, mein theurer, theurer Freund! Mit der Gesundheit geht es auch leidlich, so dass ich einige Zeit ohne Unruhe in Basel verweilen konte. Meinen Mann fand ich wohl, und rüstig musikalisch aufgelegt; die Leute sagten mir alle dort, sie erkennten sich selbst nicht mehr, seitdem er da wäre, ein solches Leben hätte er bei den Musikern wie beim Publikum angefacht. Kein Kreis ist ihm zu gering um darin zu wirken, und so streut er denn den guten Saamen nach Kräften aus wo er nur hinkommt und weilt. Ich machte einiges mit, und bekam wiederum einen Schrecken über die systematische Verdummung welche überall mit dem Publikum vorgenommen wird, doch sind sie auch da willig und gelehrig, trotzdem die stupidesten Vorurtheile so weit herrschen dass eine der Kunstgönnerinnen mir naiv sagte: sie liebte eigentlich nur Bach – und es sich bei näherer Untersuchung ergab dass sie kaum etwas von Bach kannte!!

Ich habe nicht gehört dass irgend etwas über Wagner oder speziell über Tristan in letzter Zeit geschrieben worden ist. Die Brochure Gasperini's von der mir Friedrich sagte sie sei bestellt, ist wohl angekommen, ich habe sie noch nicht gelesen und fürchte dass neben manchem Sinnigen viel Unsinniges sich darin breit macht. – Ich verstehe es, mein erhabener Freund, wie Sie an der Aufführung von Tristan und Isolde denken; in mir tönt das Wunderwerk stets fort, und ich kann wohl sagen dass ich mit diesen unergründlichen unerfasslichen Schöpfungen mehr lebe und verwoben bin als mit irgend etwas auf der Welt. Gott gebe dass sich Uns diese heiligsten Freuden wiederholen! Ich sagte es Ihnen, theures gottgesandtes Wesen, ich glaube es. –

Einige Blätter sind wiederum abgeschrieben, ich werde dieselben erst nach München absenden. Eines erlaube ich mir noch zu fragen: würde es den erhabenen Freunde interessiren die erste Fassung des Siegfried's Tod kennen zu lernen? Ich habe erfahren dass das Manuscript derselben in den Händen des Regierungsrath Sultzer in Winterthur sich befindet, und ich würde – falls es dem hohen Freunde genehm ist – darum bitten und mit Freude an die Abschrift gehen. Heute Abend wird wieder an die Biographie gearbeitet; wir haben jetzt Gott sei Dank, Paris verlassen – o der fürchterlichen Zeit! – und langen in Dresden mit dem Rienzian.

Nun habe ich aber, fürchte ich, über Gebühr »gedankt« – »Du schreibst sehr lange,« meinte eben Elisabeth, das machte mich etwas stutzig, nun bitte ich den königlichen Freunde, mehr Nachsicht zu haben als Er wohl Zeit haben wird, und die Ergiessungen der treuen Liebe in gütiger Milde und Geduld aufzunehmen. Ich freue mich unsäglich auf Nüremberg, hoffe nur dass die 200 Audienzen an einem Tage sich nicht wiederholen werden; mit den Beleuchtungen, den Fackelzügen und sonstigen Freudenbezeigungen bin ich gänzlich versöhnt. Es ist etwas herrliches um die Liebe des Volkes zu seinem König, darin liegt noch ein Hort der Erlösung für die armen Menschen, das ist Religion, auch hätten wir es gar gerne miterlebt! Doch folgen wir dem theuren Fernen, durch all den Jubel, wie wir Ihn in Treue durch Leid und Weh folgen würden.

Der Freund entsendet den Schöpfungsgruss seinem Schutzgeiste, ich sage schlicht und einfach dem hohen Freund, von meiner treuen ewigen Liebe!

Cosima von Bülow-Liszt

Triebschen

25ten November 1866 /.

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134

Theure, innig geliebte u. verehrte Freundin!

Selig, in der That erhoben und begeistert fühle ich mich durch Ihren und des Freundes theuren Brief, ich erhielt sie noch in Würzburg, welche Stadt ich bald zu verlassen gedenke, um etwa am 30ten d. M. im theuren, gepriesenen Nürenberg einzutreffen; von dort aus gedenke ich dem angebeteten Einzigen zu schreiben, sobald ich nur irgend Augenblicke der Ruhe und Sammlung finden kann. – Vorgestern dauerten die Aufwartungen 4 Stunden lang ununterbrochen fort, ich empfing 400 Menschen! Dann war große Tafel, hierauf der Ball; dies war zu viel, die Uebermüdung war zu stark, ich fühlte mich unwohl und musste während eines Theils des gestrigen und heutigen Tages das Bett hüten; jetzt geht es mir besser, die Ruhe that mir wohl, Ihr und des theuren Freundes herrliche Briefe gaben mir neue Lebenskraft. – Ich verspreche mir viel von meinem Nürenberger Aufenthalt, gerade dort will ich besondere Sorgfalt darauf verwenden, mir die Herzen zu gewinnen; was in München nicht gelang: nämlich den Menschen über den unsterblich-grossen Freund die Augen zu öffnen, muss hier, wenn auch allmählig, so doch um so sichrer gelingen. Ein Umstand betrübt mich: Neumayr nämlich ist auch nicht frei von Vorurtheilen über den Freund, er hält eine Zusammenkunft mit Ihm jetzt noch nicht für gerathen, da die öffentliche Meinung immer noch gegen den Theuren sei, erst in einiger Zeit meint er, wäre es räthlich, Uns wieder zu sehen und zu sprechen. Meine Meinung nun geht dahin, es sei das Beste, wenn N. den Freund endlich kennen lernt. Eine schickliche Bekanntschaft ist gegenwärtig einzig möglich, N. scheint nicht gerne den Anfang machen zu wollen, auch hier kann man ausrufen und zwar mit Kummer: »Wahn, überall Wahn!« – Ist die gegenseitige Verständigung eingetreten, dann muss schleunigst die Ordnung jener Angelegenheiten vor sich gehen, von denen der Freund in Seinem letzten Briefe schreibt. – Muth ohne Wanken, dann erreichen Wir sicher das Ziel. –

Die arme Fr. von Schnorr mit ihrer kuriosen Schülerin! Von Herzen wünsche ich, Sie möchten in Zukunft von diesen unausstehlichen Zudringlichkeiten verschont bleiben. – Hätte ich doch nie geglaubt, dass es so weit mit ihr hätte kommen können; die tief Beklagenswerthe! – Sollte ich gegenwärtig dem Freunde in pecuniärer Hinsicht dienen können, so bin ich mit Freuden hiezu bereit, ich glaube es deshalb, da ich weiss, dass die in Triebschen vorgenommenen baulichen Veränderungen mit Unkosten verbunden sind. – O welche Sehnsucht zieht mich mit magischer Gewalt hin zu Ihnen und zum theuren Freund! Wie nichtssagend und fad kommen mir alle Menschen nun vor im Vergleich zu Ihnen und zu Ihm! – Welch erbärmlich-niedrige Insekten-Seelen! Mittelmässigkeit und Borniertheit fast überall wohin ich blicke, das Volk ist gut, sein innerster Kern gesund, aber urtheilslos und leicht lenksam.

Der hiesige Kapellmeister Weisheimer, von dem mir schon seit längerer Zeit eine interessante Abhandlung über »Tristan « bekannt ist, ist im Besitze eines Manuscriptes von »Wieland dem Schmied«, ich werde eine Abschrift hievon erhalten; morgen wird »die Braut von Messina« gegeben werden, in den Zwischenakten wird die Ouvertüre zum »Rienzi« das Vorspiel zu »Lohengrin« und zu »Tristan und Isolde« zur Aufführung gelangen, fast überall werde ich mit den Klängen aus des Theuren wundervollen Werken begrüsst, hie und da ist es wahrer Genuss, oft aber auch Ohrenmarter und Geistesqual! Da muss der gute Wille statt des Vollbringens gelten.

Weisheimer gedenkt eine Analyse über »den Ring d. N.« zu schreiben; wollte nur Porges sich wieder zum schreiben entschliessen. In Darmstadt hörte ich die »Afrikanerin«, ein Gemisch von »Prophet«, »Nordstern« und »Hugenotten«, der Text zum davonlaufen dumm. –

Ohne Rast wird in München gegen Wagner geschürt und gehetzt, wie ich aus den Blättern ersehe, in Nürnberg ist, wie ich sicher glaube, selbst der Pöbel intelligenter u. gutwilliger als dort, die »Meistersinger« werden zünden; aber auch in München hörte ich sie gerne einmal, denn trotzdem dass diese Stadt mit ihren Bewohnern nicht hoch in meiner Achtung steht, so ist mir der Ort, wo ich meine frühesten Jugendjahre verlebte, dennoch werth, auch ward mir die Bühne theuer, auf der »Tristan« lebte, litt und starb. – Sollte ich auch ferner Grund haben mit den Bewohnern meiner bisherigen Hauptstadt unzufrieden zu sein, so soll mich nichts hindern mein Hoflager in Nürnberg aufzuschlagen und dorthin den Sitz meiner Regierung zu verlegen. –

Ist es gelungen, was Gott gebe, dass Neumayr überzeugt ist und an den Freund glaubt, ist Herr v. Bülow endlich Kapellmeister, dann muss es rasch blühen und gedeihen Unser grosses Werk. – Ein Umstand ist fatal, zu den Friedensbedingungen gehörte, dass es dem König von Preussen gestattet werde, wenn er nach Nürenberg zum Besuche käme, das (Nürenberger) Schloss zu beziehen; dies könnte Störungen verursachen; überall Widerstand und Schwierigkeiten u. doch steht es klar vor mir: »Wir überwinden u. siegen«. – Bitte sagen Sie dem Geliebten, wie innig mich die Beschreibung des Vorspieles zum 3ten Akt freut und wahrhaft beglückt. O diese Sonnenstrahlen, dieses Leuchten des Regenbogens es thut mir so wohl, so wohl mitten im unaufhörlichen Jagen der dustern Wolkenzüge. – Wie würde mich eine Abschrift der ersten Fassung von Siegfried's Tod erfreuen! – Sie sind viel zu gütig, theuerste Freundin, sich dieser Mühe so liebevoll unterziehen zu wollen, Dank, herzlichen Dank! –

Bald hoffe ich ruhiger und gesammelter schreiben zu können als es mir heute möglich war. Ich sehne mich nach Nachricht von den theuren, einzigen Freunden. –

Heiligen Gruss Ihm, dem ich zu Eigen gehöre, für den einzig zu leben und zu wirken mein Beruf ist, den ich liebe mit Flammengluth die gottentstammt, tausend Freundesgrüsse Herrn v. Bülow, dem Getreuen und Ihren Kindern, die Gott in Seinen Hl. Schutz nehmen wolle! –

Treu bis zum Tod

Ihr

aufrichtig und innig liebender

Freund Ludwig.

Würzburg den 27. Nov. 1866

Ich bin begierig ob Friedrich Ihnen schreibt, wenn nicht, so ist es klar, dass er die Freundschaft nur schloss, um bei mir in Gunst zu bleiben, schlimmes Zeichen für seinen Charakter! –

Entzücken würde mich eine eingehende Beschreibung aller thematischen Verwebungen der Motive der Meistersinger, wie sie der Freund vom M. Vorspiel entwarf. –

Freund Ludwig.

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135

Telegramm

Von Nürnberg nach Luzern                             30.11.1866

Frau von Bülow-Liszt. Luzern (Triebschen.)

An Hans Sachs!

Vor 2 Stunden hier eingetroffen, beispielloser Jubel!
Von hier aus wollen Deutschland wir erlösen,
Wo Sachs gelebt und Walther siegreich sang.
In Trümmer sinkt das nicht'ge Werk der Bösen,
Das tück'sche Spiel den Finstern nicht gelang.
Durch Dich erhebt er sich, der ach so tief gesunken,
Der einst so allgewaltig deutsche Geist,
Dein Odem fachet Flammen aus den Funken,
Dein Zauberwort ihn neu erstehen heisst.
Dir, der in Segenswerk den »Wahn« gewendet,
Sei trauter Gruss von Walther heut entsendet.

Walther von Stolzing.

*

136

Theuerster Freund, Schirm und Hort!

Ich darf Sie wohl in München begrüssen, in der Stadt in welcher ich einst erklärte sterben zu wollen, in welcher ich namenlose Freude, unsägliches Leid empfand? Ich entsinne mich dass als ich als Fremde diesen Ort besuchte, er mir ungemein gefiel; die edlen Kunstgebäude, die stylvollen Kirchen, das Theater in welches ich zufällig Tannhäuser mit Schnorr als Gast, sah, die Abwesenheit von Fabriken, Börse, reiche Banquiers Gesichter, und lärmenden Verkehrs, alles das machte einen so günstigen Eindruck auf mich dass ich zu Hans sagte: »in dieser Stadt würde ich gern wohnen« – »Wie kämen wir hierher« frug er mich; dann belehrte er mich über die dortigen musikalischen Zustände und mein Wunsch schwieg, doch konnte der schöne Eindruck nicht verwischt werden. Der Himmel gebe dass Sie, mein gütiger hoher Freund, ohne Widerwillen diese Stadt, die Uns Böswillige und Unwissende so verleidet haben, betreten, und darin weilen! Den wärmsten dankbrünstigsten Gruss entsenden die Freunde.

Ihr theures Schreiben gelangte mit dem schönsten Sonnenstrahl zu mir; um mich glänzte alles darob, wie meine Seele, bald darauf kam der liebliche Gruss aus Nüremberg und der Freudestrahl in des Freundes Auge krönte die ganze innere und äussere Seligkeit; seitdem hat Triebschen nicht mehr so geprangt, Ihr Nahen war es wohl theurer hehrer Trost, welches Berge, Himmel, See, Augen und Seele so sanft entflammte! ...

Ich war gram gewesen dass 200 Audienzen in Bamberg stattgefunden hatten, nun musste ich von 400 hören und dass theuerster Freund, darüber unwohl wurden! Hoffentlich war für Nüremberg mehr Zeit und demnach eine bessere Vertheilung der so anstrengenden Aufgaben. Sonst wird ja ein solcher Zug zur wahren Hölle – trotz des vielen Erhebenden und Erfreulichen – und ich gestehe dass ich jetzt nur mit Bangigkeit von den vielen Festlichkeiten las. Mit denselben Empfindungen habe ich Sie, mein hehrer Freund, begleitet, als vor Jahren den Freund auf seinen Concertreisen; wenn mir Hans von dem Jubel erzählte mit welchem er überall (Petersburg – Moskau – Wien – Pesth) als Künstler-König empfangen wurde, und sich darob freute, musste ich kleinlich mit dem Kopf schütteln und denken: »was ist mir all das Schöne, wenn er darunter leidet?« – Ich hoffe aber Sie sind wohl und heiter, und ich will mich meiner Aengstlichkeit zum Trotz, mit Allem freuen. Ich dachte man würde in Darmstadt Rienzi geben, da er dort, wie ich höre, nicht übel aufgeführt wird, (nur das man die Ballet-Musik zum Schrecken des Componisten darin verdoppelt); nun die Afrikanerin ist jedenfalls neuer. Hans welcher sie vor ungefähr zwei Jahren in Cöln hörte, schrieb mir, es sei Musik für den Fürsten Conza von Rumänien! Wie ich erfahre lechzen die guten Münchner danach und sollen sie die Bescheerung am 1ten Januar bekommen. Ich kann mir denken aber dass Sie, einziger theurer Freund, am Ende lieber noch dergleichen und selbst den Troubadour (dieses roheste Erzeugniss der modernen italienischen Muse) ertragen, als unter gewissen Umständen und gewissen Direktionen die erhabenen Töne Lohengrin's und Tristans. Hoffentlich hat Weisheimer seine Sache gut gemacht; er ist noch einer von der Weimarer Schule und Zeit, welcher sich dem Freund angeschlossen hat, ein redlicher tüchtiger Musiker. – Das Leben auf Triebschen geht nun ungestört seinen ruhig arbeitsamen Gang; als einzige Zerstreuung hatten wir im Luzerner Theater eine Aufführung des Freyschütz; wir entsannen uns dass der ferne Theure, hier den Faust von Goethe gesehen und die Aufführung nicht gar zu schlimm gefunden, wir entschlossen uns denn, grossen Theil auch meiner ältesten Tochter zu lieb welche noch nicht im Theater war. Nun es war merkwürdig genug, im Orchester fehlte das Cello, und was die Wolfschlucht betraf so waren dessen phantastische Erscheinungen so zahm, dass mich das Kind frug »warum denn Max und Caspar umfielen da ihnen Samiel doch nichts thäte.« Das gewöhnlich feuersprühende Thier kam in so häuslicher Pappengestalt auf vier kleine Räder gerollt, so gemüthlich über die Bühne spaziert, dass wir hell laut lachen mussten, und doch bilden wir uns ein am Ende einen Fund gemacht zu haben, nämlich in der Agathe und dem Annchen. Erstere hatte eine hübsche reine Stimme und war in Spiel und Sang noch gänzlich unverdorben wenn auch noch sehr zaghaft; die zweite war tüchtig musikalisch und entwickelte eine reinlige Stimme. Der Freund hat sich vorgenommen Beide kommen zu lassen; ein Bassist aus Zürich, von welchem »Jean Paul« behauptet dass er sich für Pogner eignen würde, soll sich zu ihnen gesellen, und die Scene zwischen Sachs, Evchen, mit der dazutretenden Magdalene soll auf Triebschen probirt werden. Wir wollen sehen! Ausser diesem in Aussicht gestellten Ereigniss ist nichts vorgefallen; vom »Kuriosum« hören wir, Gott sei Dank, nichts mehr, doch hatten wir noch einiges abzuwehren. Würden Sie glauben, mein gütiger Freund, dass das seltsame Wesen durch den Canal ich weiss nicht welches Consistorial-Rathes mich bei Ihrer Majestät der Königin anklagen wollte? Da ich nicht die Ehre habe von Ihrer Majestät irgend wie gekannt zu sein, war mir dies allerdings sehr peinlich, vor allem aber fürchtete ich dass der erhabene Freund, Belästigungen davon erlitt. Glücklicherweise ist unser Arzt zu gleicher Zeit der Arzt unsrer bethörten Freundin, und ein vernünftiger ruhiger Mann welcher dafür sorgen will dass nichts Unziemliches geschehe. Hätten Sie, mein hoher Freund, dieses »Kuriosum« noch dazu gesehen! Man glaubt es nicht – mir ist es als hätte ich einen wüsten, wilden, wahnsinnigen Traum geträumt! Ach! theurer Herrlicher, ich begreife wohl mit welchem Ekel und welcher Trauer Sie auf die Mittelmässigkeit und Bornirtheit die uns überall entgegenstrotzt, herabblicken! Schaue ich von der Einsamkeit hier, in die Welt hinein, so erscheint sie mir wie eine Strafanstalt, oder ein Narrenhaus, oder eine Schule mit ungezogenen Kindern; Schlechtigkeit, thörichte Confusion, und alberner Eigenwillen, das hat ein Engel wie Sie, zu bändigen und besiegen! Das allerpeinlichste bleibt für mich der »Wahn« – Wenn vor allem H. von Neumayer davon befreit bleiben könnte, damit er beruhigt über den Freund, besonnen seine Aufgabe erfülle! Ich begreife vollkommen dass er im Unklaren hierüber ist; was kann er anders wissen als die wie ein Alp drückenden Fabeln, welche um den Freund herum entstanden sind? Dann wünsche ich über alles, dass er recht fest überzeugt sein möchte, dass wir hier durchaus nichts Unzeitgemässes Voreiliges erwarten oder verlangen, er soll in Ruhe Ordnung schaffen, wir werden ihm keinerlei Hindernisse in dem Weg legen. Der Freund schreibt ihm heute damit er ersehe dass es diesem ernst sei mit der Rückgabe, und mit der Niederlassung auf Triebschen; und um diese Beruhigung zu vervollständigen bin ich auf folgenden Gedanken gekommen, welchen ich meinem geliebten Herrn, unterthänig mittheile, zur gnädigen Beurtheilung. Ich meine nämlich dass wir den früher festgesetzten Termin des 1ten Januars zu der offiziellen Anstellung und Rückkehr Bülow's fahren lassen, überhaupt kein Termin angeben – da die Ernennung eines neuen Intendanten die Pensionirung des Generalmusikdirektor's Lachner Dinge sind vor welchen Herr v. Neumayer bei seinem Antritt vielleicht zurückschrecken würde. Ist Ihnen gnadenvoller Freund, diese Beruhigung genehm, so würde ich bitten bloss meinem Mann den Titel eines Hofkapellmeister's in ausserordentlichen Diensten mit der Verleihung eines Ordens huldreich zu verleihen, damit er ohne für ihn zu misliche Deutung das Provisorium seines Aufenthaltes ausserhalb Bayerns ad infinitum ausdehnen kann. Unsre Wohnung Luitpoldstrasse ist vermiethet, wir werden unsre Möbel mach Basel spediren lassen, und somit ist jeder Anschein als wollten wir in München augenblicklich etwas erreichen oder durchsetzen vermieden. Werden die Meistersinger im Sommer in Nüremberg dann auch in München aufgeführt, so ist vielleicht der Zeitpunkt gekommen um das Werk in's Leben zu rufen. Bis dahin kann sich alles beruhigt und Herr v. Neumayer überzeugt haben, dass wir nur das Mögliche erwarten. Wenn ich um Titel und Orden bitte so ist es weil leider mein Mann auf die Oeffentlichkeit angewiesen ist, und wenn er ohne weiteres jetzt bei streng beobachtetem Stillschweigen München nicht wieder betritt, für ihn sehr böse und nachtheilige Interpretationen stattfinden werden welche seinem Wirken sehr hemmend in dem Weg treten können. Ich glaube dass dieser Abschluss nur nach allen Seiten hin beruhigend wirken kann: der Freund hier auf Triebschen, mein Mann ehrenvoll auf unbestimmte Zeit auf Urlaub, diese Frage demnach ganz beseitigt, müsste meine ich Herrn v. Neumayer ein erwünschtes Auskunftmittel sein. Was uns die Meistersinger Aufführung birgt braucht keiner zu ahnen! Mir ist es als ob Wir Zeit hätten, denn Wir sind ja unwandelbar!

Nun er ungestört ist, arbeitet der Freund freudig weiter; so eben spielte er mir Walther's Eintritt bei Sachs als dieser Ev'chen den Schuh richtet! Heute früh ist diese Blume entsprossen, jubelnd begrüsst ich sie im Namen unsres Schutzgeistes. Gestern sagte mir der Freund er habe vor in der Pause die, zwischen der Vollendung der Meistersinger, ihre Aufführung, und die Wiederaufnahme der Nibelungen entstehen würde, den Fliegenden Holländer umzuarbeiten damit dieser sich würdig an Tannhäuser, Lohengrin anreihe. Es freute mich dies unendlich, namentlich da ich weiss dass es ein lang gehegter Wunsch des theuren Hohen, ist, und dass in Hohenschwangau im vergangenen Jahre davon die Rede war. Die kleine Arbeit über die Meistersinger will ich unternehmen, darf ich unterthänig um einige Zeit dafür zu bitten wagen da mir die Aufgabe neu ist und da ich zuvor noch das Siegfried-Manuskript abschreiben möchte? Regierungsrath Sultzer (welcher eben einen schweren Verlust erlitten hat), hat mir dasselbe noch nicht eingesandt, doch erwarte ich es jeden Augenblick. Einstweilen erlaube ich mir die Blätter aus der Biographie zu Füssen zu legen, ich bin so weit damit gekommen als der Freund corrigirt hat. Noch hundert Seiten liegen im Diktat vor und wir arbeiten jeden Abend daran. Bezüglich der heutigen Sendung muss ich noch bemerken dass der Freund einige Besorgniss empfand bezüglich des Eindruckes welche die trostlosen widerwärtigen Erfahrungen auf den theuren Erhabenen, machen würden; hätte ich ihn nicht inständigst gebeten alles alles, sei es noch so peinlich, zu sagen, er hätte so Manches nicht aufgezeichnet. Ich war so kühn ihm gegenüber zu behaupten, Sie, mein hehrer Freund, würden ihn auch darum ersucht haben, und so tauchte er denn in das Meer unerbaulicher Rückerinnerungen. Möge Ihr göttliches Mit-empfinden nicht unangenehm davon berührt werden! Mir ist es als ob seine Grösse und unglaubliche Güte in um so hellerem Lichte erscheine durch die niedrigen Trübsaalen alle!

Wir erfuhren dass der Lohengrin, jetzt zum ersten Mal in Pesth aufgeführt, dort mit ungeheurem Jubel aufgenommen worden ist. Da ich das göttliche Werk zu hören entbehren muss, lass ich mir den Klavierauszug vom Triebschner »Jean Paul« tag täglich vorspielen. Gestern kam der Freund hinzu und belehrte ihn über Accent und Takt und Rhythmus; der gutgerathene Musiker war willig und froh, und so wurde denn ein wenig »Schule« getrieben.

Soeben kommt das Telegramm aus Nüremberg! Sie sind glücklich mein theurer höchster Freund! Glücklich und voll Muth und Zuversicht! Ich kann die Worte gar nicht genug lesen, und sende mein ganzes jubelndes Herz nach Nüremberg! Der Freund ist augenblicklich ausgegangen darum überliess ich es ihm nicht die Antwort zu geben, da ich sofort ein Wort der Freude dahin entsenden wollte woher alles Glück uns kommt! – Zuerst war es mir sehr traurig zu lesen welche Bedingungen der König von Preussen in Bezug auf das Nüremberger Schloss hatte stellen dürfen – jetzt ist es mir gleich. Ich weiss es dass keine Hindernisse Ihnen, theurer Schutzgeist, im Wege stehen können. Mag alles sich bäumen und sträuben, von den Federfüchsen bis zu den Zündnadelgewehrsleuten, ich weiss es mein höchster Freund, theures Wunder, dass Sie mächtiger sind als all das Mächtige! Nun bleibt mir noch zu danken für die gütige Nachfrage in Bezug auf die Ausgaben auf Triebschen. Sie sind allerdings ziemlich gross gewesen, doch habe ich gemerkt dass der Freund nicht wünschte dieselben erwähnt zu sehen; ich erlaube mir daher nur um die Gewährung zu bitten, vielleicht im Frühjahr angeben zu dürfen was noch auf Triebschen gemacht werden müsste um dasselbe ganz vollständig wohnlich und behaglich zu machen. Der Freund hat sich auf das aller Unentbehrlichste für jetzt beschränkt.

Was auch das Schicksal Uns Schweres noch aufbewahrt, ich glaube Wir dürfen kühn sagen: Wir sind glücklich! In Unsrer festen heiligen unerschütterlichen Liebe – was könnte Uns da noch treffen? Einzig und allein der Tod! Der ist aber die ewige Vereinigung, er ist der heilige Siegel auf die heiligen Empfindungen gedrückt. Wenn Sie Hehrster, Theurer, ausrufen Sie sind glücklich, wenn ich denke dass der Freund die Meistersinger vollendet und dass mein Mann im Dienste des Höchsten, die ihm gebührende Stellung findet, dann falte ich die Hände und will die Augen schliessen – denn ich habe keinen Wunsch mehr!

So seien Sie denn, höchstes Wesen, tausendfach gegrüsst und gesegnet! Die Kinder welche ich sehr stolz gemacht habe mit dem gütigen Gedenken, beten stets andächtig für »Unsren König von Bayern« – denn das lassen wir uns nicht nehmen das Sie Unser sind! Das ganze Triebschen entsendet dem Theuersten, das von Ihm stammende Glück, die durch Ihn hervorgerufene schöpferische Wonne!

Cosima von Bülow-Liszt

Triebschen am 5ten December 1866 /.

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137

Telegramm

Von Nürnberg nach Luzern                               5.12.1866

An Frau von Bülow-Liszt. Luzern. Triebschen.

Wie geht es dem theuern Sachs? Erhielt er meinen Gruss unentstellt? Ich schreibe sobald als nur möglich, bin glücklich und voll Muth und Zuversicht.

Ludwig.

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138

Theuerste Freundin!

In grosser Eile ein paar Zeilen. Kaum war ich in München angekommen als ich beiliegenden Brief von Fr. von Schnorr erhielt; wie sonderbar! – Ich sende ihn der geliebten Freundin, da ich glaube er wird nicht ohne Interesse für sie sein; ein seltsames Gemisch von Klarheit und Irrthum, von Wahrheit und Dichtung.

Wie innig freut mich Ihr letzter lieber Brief! – Gestern war ich am Grabe von Hans Sachs. – Wie herrlich ist Alles gekommen! Es erhebt sich der neue, der höhere Sachs wie ein Phönix aus der Asche, um ewig zu leben, um die Welt zu erlösen! zu einem Himmel auf Erden zu schaffen! – Herzlich war auch der Empfang, der mir hier in München zu theil ward; doch theure Freundin ich lasse mich nicht blenden durch bengalische Feuer, durch Hochrufen etc. etc. Nächstens wird Pfordten entfernt, mit Neumayr geht es nicht mehr recht, sein Nervensystem ist durch u. durch erschüttert. – Um Ruhe mir zu gönnen, die ich jetzt brauche, gehe ich morgen oder übermorgen nach Hohenschwangau, wo ich höchstens 8 Tage verweilen werde. – O Gott, welch entsetzensvolles Ereigniss jährt sich jetzt! –

Wie geht es dem innig und treu geliebten, angebeteten Freunde? Bitte schreiben Sie mir recht bald. – Herzliche Grüsse, innige Segenswünsche von

Ihrem

treuen, aufrichtigen

Freunde Ludwig.

München am 11. Dez. 1866.

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139

Meine theuerste, treu geliebte Freundin!

Vor Allem bitte ich Sie, dem heissgeliebten Freunde meinen innigsten, gerührten Dank auszusprechen für Seinen letzten, mir so theuren Brief, der mich tief ergriffen, mich erschüttert, aber auch erhoben hat und mit unsäglicher Freude erfüllt. –

Schon in meinem letzten Briefe aus München machte ich Ihnen einige Andeutungen, Neumayr betreffend. – Er ist nicht offen und wahr, ist ein Charlatan, viele Menschen liessen sich bestechen durch seinen Geist, seinen Witz und Redegewandtheit; mir gingen zu rechter Zeit die Augen auf, Gott sei Dank. – Seine Gesundheit ist in der That sehr erschüttert, er ist von einer maasslosen Eitelkeit und voller Prätentionen. Er ist viel zu constitutionell, hängt dieser Richtung auf übertriebene Weise an; dies Alles kann und darf ich mir als Monarch nicht gefallen lassen; erschrecken Sie nicht über all dies, theuerste Freundin, Wir sind Uns treu, Wir gehören Uns bis in den Tod. Wir werden überwinden, werden triumphieren, ich weiss es, ich erkenne und fühle es, Wir sind Uns selbst genug, siegen durch Unsre eigene Kraft, Muth und Ausdauer, durch die Macht Unsrer heiligen Liebe, Unsrer durch nichts zu erschütternder Treue. – Ich las gestern die Blätter der Biographie, tausend Dank für deren Zusendung. O an das Leben des Gottentstammten, Wunderbaren fühle ich mich gekettet mit durch nichts zu lösenden Banden, o nur Er ist der Grund meiner Seligkeit, ich darf es mit Stolz aussprechen was fest ich glaube: Solche tiefen, heiligen Beziehungen zwischen Freunden haben vor Uns noch nie und nirgends Menschen verbunden, diese Liebe muss Segen bringend sein für die ganze Menschheit. –

Wie freue ich mich auf die kommenden Blätter, die mir von des Theuren Aufenthalt in Riga und dem Rienzi erzählen werden; o wollte der Freund doch auch das im vorigen Jahre begonnene Tagebuch fortsetzen! vielleicht später? – Mit Jubel erfüllte mich die Kunde der beabsichtigten Ueberarbeitung des »Holländers« vor der Wiederaufnahme der Nibelungen.

Gestern wallfahrtete ich nach dem Platze, wo mir in jenen goldenen Tagen der Freund von diesem Seinem Plane sprach. – Sie müssen, sie werden sich erneuern diese traumgleich-seligen Tage von Hohenschwangau.

Mit Freuden erfülle ich Ihre Wünsche Herrn v. Bülow betreffend. – Ich meine, es ist das Beste die Aufführung der »Meistersinger« abzuwarten und alsdann das Banner der deutschen Kunstschule, unter welches sich viele begeisterte Jünger schaaren werden, aufzupflanzen; ich denke jetzt ernstlich daran den Fürsten Hohenlohe an Pfordten's Stelle zu setzen. Der Fürst ist ein vorurtheilsfreier Mann von festem Charakter und wird Uns besser dienen als Neumayr es je vermocht. –

Nun einiges über meine Ansicht die Aufführung der »Meistersinger« betreffend. Ort der Aufführung: Nürenberg, wenn dies nicht zu erreichen, so doch überhaupt in Bayern, keinenfalls im Auslande zuerst, ja nicht in Pesth, ich sänke in den Boden, wenn dies geschähe. – Ich halte es für das Beste, wenn Herr v. Bülow noch in diesem Winter sich nach Nürnberg begäbe, um dort genau das Terrain zu sondieren, um dort die begabtesten und angesehensten der Patrizier und Bürger kennen zu lernen und sie über das Bedeutungsvolle Unsrer Pläne zu unterrichten und über den Geist der erstmaligen Aufführung eines so wunderbaren, nie dagewesenen Werkes wie die Meistersinger aufzuklären; sicher bin ich, Hans wird ein warmer Anwalt Unsrer Sache sein, mit Feuer werden die Nürnberger auf den Plan eingehen, das für sie so Ehrenvolle darin erkennen und begeistert sein durch den Gedanken dazu beitragen zu dürfen, den grössten Wunsch ihres Königs zu erfüllen. – Der Direktor kann hierauf keine Opposition machen, er ist traitable und bescheiden, hat nichts von der Unverschämtheit seines Würzburger Collegen, Hans wird das Werk dirigieren und die Güte haben, sich mittlerweile nach dem geeigneten Sänger- u. Darsteller-Personal umzusehen; warum sollte dann nicht Alles gelingen, was steht dann der Aufführung für den Sommer entgegen? (etwa um Johanni.)

Der Freund scheint geglaubt zu haben »Wieland der Schmied« sei nicht in meine Hände gelangt. Grf. Holnstein übergab mir das Heft sogleich; er ist anhänglich und treu, er besorgt meine Briefe an Sie, theuerste Freundin, stets gewissenhaft, er ist ein wahrhaft treuer Diener, der seinem König aufrichtig ergeben ist; ferner meint der Freund, Neumayr hätte das Verdienst, meine Reise nach Franken angeregt zu haben, o nein, dem ist nicht so, allerdings glaubten es die Leute, schmückten ihn aber mit fremden Federn. – Nun noch eine vertrauliche Anfrage an die Freundin. – Gerne möchte ich dem theuren Einzigen eine Gabe zu Weihnachten senden, ich ersuche Sie mir recht bald mitzutheilen, was Ihm angenehm wäre. – Sehr interessiert es mich, den Briefwechsel zwischen Unserm verewigten, unvergesslichen Schnorr und seiner Gattin kennen zu lernen; merkwürdig in der That ist ein Brief, den die arme Frau an den Freund richtet, er ist wohlmeinend geschrieben aber zeugt von sehr exaltierter Stimmung, wenn auch nicht von vollständiger Geisteszerrüttung; unter Anderem sagt sie darin, sie müsse noch leben, da sie eine grosse Sendung zu vollführen habe, sie wäre das erlösende Weib, das von Wagner so oft gepriesene, Er solle ihr folgen. Um Seiner Sünden willen sei Schnorr, der treue Tristan hinübergegangen. Seine letzten Worte hätten gelautet: »Ich sterbe wie mein Erlöser starb in Blut und Wunden für die Sünden Anderer.« – Rührend ist die Liebe und Sehnsucht nach dem dahingeschiedenen Gatten. – Trotz des den Brief beseelenden Wahnes muss ich gestehen, hat mich sein Inhalt mit einem eigenen Grauen erfüllt, so wird es Jedem gehen, der ihn liest, fest glaube ich es. –

O wie sehne ich mich wenn auch nur auf ein Stündchen nach Triebschen zu fliegen, um im Kreise der einzig Theuren auf Erden, der treu geliebten Freunde zu weilen, um dann neu gestärkt an mein oft hartes Tagewerk zu gehen, ich ward erst wahrhaft geboren als ich zuerst von Ihm hörte, am Tage, da ich »Lohengrin« zuerst hörte begann ich zu leben, Sie können sich denken, dass meine Stunde schlägt, wenn Er hinüber ist, Er lebt in mir, wie Paulus über Christus sagt; ich weiss es: Wir werden Unsre Sendung treu vollziehen, werden das wie in seligen Träumen Ersehnte erfüllt sehen und dann frohlockend die Augen im Tode schliessen.

Beneidenswerth ist Unser Loos, wie freue ich mich auf diesen Tod! – Segensgruss dem mit heiliger Gluth Geliebten!

Innige Grüsse aus ganzem Herzen sendet der Theuren

Ihr

bis zum Tod getreuer

Ludwig.

Hohenschwangau 16. Dez. 1866

P.S.

Viele Grüsse an den Jean Paul! Ich sehne mich nach den Blättern der Biographie, Verzeihung, aber es macht mich so glücklich, von Ihm zu hören; am 20ten gedenke ich nach München zurückzukehren. – O wie liebe ich Ihn!

Ewig treu L.

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140

Theuerster Freund, Geliebter Herr!

Mit innigem Dank sende ich den mir gütig mitgetheilten unbegreiflichen Brief zurück, und füge die Blätter hinzu von welchen der Freund sagte, welche der einzige Grund zu all den Unannehmlichkeiten gewesen sind, und die ich nie – als viel zu albern und ekelhaft – dem Erhabenen zu Gesicht gebracht hätte wenn nicht unverantwortlicher Weise von der andren Seite der Hehre in solche Erbärmlichkeiten herabgezogen worden wäre. Der Freund war ausser sich vor Empörung, er schaut die ganze Angelegenheit noch ganz anders durch als wie ich! Ich entsann mich bei dieser Gelegenheit eines Wortes A. von Humboldt' dass ich seiner Zeit nicht verstanden hatte; ich beklagte vor ihm in Bezug auf einen Fall die traurig böse Umgebung des Königs von Preussen Friedrich Wilhelm IV: »ich habe am meisten darunter zu leiden« – antwortete er mir »doch glauben Sie mir, die schlimmste Umgebung hat ihren Werth und ihre Bedeutung, sie wahrt die Hauptsache, des König's Unnahbarkeit. Weil mich der König mit seiner Freundschaft ehrt glaubt sich ein Jeder berechtigt auf dieselbe Anspruch zu machen, und wäre nicht das Heer, von leider nur zu häufig unedlen Hofleuten so könnte der König vor den Zudringlichkeiten gar nicht sich retten, ein Jeder würde mit der Thüre in's Haus fallen«. Dieser Art von Verhältnissen damals sehr neu, verstand ich die Worte gar nicht, mein Vater aber sagte mir sie seien durchaus richtig. Nun verstehe ich den Sinn. Ich hoffe mein theuerster Freund, Sie nehmen die Sache leicht, d. h. haben davon nicht den Aerger den leider der Freund empfand, wieder unwillkürlich eine Quelle der Belästigung für seinen Beschützer zu sein! Hans hier tobt und schäumt förmlich vor Wuth. Der Arzt von welchen ich mir schon gestattete zu sagen, hat mir geschrieben es wäre keine Spur von Krankheit vorhanden, ich bat ihn einige versöhnliche Worte zu überbringen, darauf schrieb er mir ich möchte meine guten Absichten und Gesinnungen doch aufgeben, Frau v. Schnorr sei in den heftigsten Worten gegen mich ausgebrochen, und Frl. von Reutter sei zu dem Consistorialrath gegangen um mich zu verklagen. Hierauf schickte ich die Blätter die ich mir heute erlaube dem Gütigen, zu unterbreiten – mein Arzt schreibt mir er sei ganz stupent wie Fr. v. S. mit einer so plumpen Intrigantin sich habe befreunden können; das einzige Mittel Frau v. S. zur Vernunft zu bringen würde sein diese Person zu entfernen, doch wüsste er nicht wie man das anfangen sollte! – Ach! es ist kläglich, dabei wird mit den Toden und dem Tod gespielt, die erhabene Person des Königs wird in Elendigkeiten hineingemischt unter den unverschämten Vorwand Sein Wohl zu wünschen, der Freund dem man alles schuldet wird verleumdet, die Freundin gehässig gemein förmlich verfolgt, welch trauriges Narrenspiel! Doch wenn Sie, mein theuerster edelster Freund, ohne zu grossen Unmuth die Augen von den unerfreulichen Anblick wenden, so will ich den ganzen Spuck vergessen. Gott gebe das Kästchen ist uneröffnet zurückerstattet und der Erhabene erfährt nichts mehr davon. Mögen die Unbegreiflichen dann über uns herfallen nach Herzenslust! Derselbe Arzt meldete mir viel Ergötzliches von der Stimmung in München vor der Rückkehr der Majestät; der fränkische Enthusiasmus und das schlechte Gewissen hatten viel Besorgniss erregt; dieselben Leute die damals die Adresse an H. von Pfistermeister zu Stande brachten bemühten sich nun eifrig ängstlich, frugen herum ob der König wohl München betreten würde? »Ich möchte unser Herr ging sofort nach Hohenschwangau – schrieb der Berichterstatter – hier würde der Jammer unbeschreiblich, und es würde den Leuten wohl verdiente Strafe sein. Ueberall wird hier von einem Residenzwechsel mit wahrhafter Todesangst gesprochen.« Gott behalte die elenden Leute in dieser heilsamen Angst, denn »die Furcht des Herrn ist der Weisheit Anfang« – die Meisten können nur lieben wo sie fürchten. Mir ist es eine wahre Beruhigung Sie theuerstes höchstes Wesen, in Hohenschwangau zu wissen; ich weiss wohl was Ihnen Edler, Theurer, bengalische Beleuchtungen u. s. w. sind, dann müssen Sie sich ausruhen! Darf ich Ihnen Huldvoller, sagen, dass ich einen wahren Schreck empfand als ich in der Zeitung las Sie arbeiteten mit Neumayer stets nach den Festlichkeiten zwischen 1 und zwei in der Nacht; ich entsann mich dabei dass Friedrich (der Schweigsame!) mir einst sagte der theure hohe Freund, schliefe nie vor 3 oder vier Uhr Morgens ein. Ich komme mir unbeschreiblich thörig vor indem ich dieses erwähne, doch kann ich es nicht lassen; zu sagen habe ich hierüber weiter nichts, selbst um nichts zu bitten, allein den heissen Wunsch Sie möchten Sich ja recht schonen darf die besorgte peinlich ängstliche Freundin wohl dem Theuren, ausdrücken? – Die Gesundheit Neumayer's ist so erschüttert? Nun vielleicht hat er seine Aufgabe erfüllt. Die Reise war schön, gar prächtig nahmen sich alle Berichte aus, und selbst die Rückwirkung auf München wird heilsam sein; sie verstehen nun die »Ehrenwerthen« dass München nicht Bayern ist. – »Hans Sachs« Grab habe ich leider damals wie ich in Nürnberg war, nicht besucht, die Meistersinger waren noch nicht und was ich vom Schuster-Poeten gelesen, hatte mich ziemlich kalt gelassen. Jetzt freilich würde ich wohl dahin wahlfahrten! Wie freudig andächtig stellt sich mein Geist diesen Ihren Besuch theurer Schutzgeist, vor! Ach! mögen die Andren Deutschland zerbröckeln und zusammenbrauen, mögen sie mit dem Recht der Macht allen Unfug treiben, mögen sie ordnen und formen dass es einem Angst und Bange wird, für mich haben Sie mein theuerster höchster Freund, Deutschland gerettet. Indem Sie, und Sie allein, den Einzigen erkannten haben Sie das vollbracht, was all die Andren Gott weiss wo suchen, und selbst vielleicht nicht suchen, denn wer denkt an Deutschland? O Gott! theurer Freund, was haben Wir vor einem Jahre erlebt! Mir gingen Himmel und Erde unter, und ich fühlte sicher diese Noth könnte ich nicht mehr zum zweitenmal erfahren. Der Monat Dezember ist mir seltsam trauervoll; vor 7 Jahren verlor ich am 13ten meinen Bruder – ich darf es sagen ein Heiliger, den in seinem 20ten Jahre die Welt mit Ekel erfüllte. Die Geweihte Nacht bringt nun ihren Trost über all die Trauer, wie will ich darin für das erlösende Wesen beten und flehen!

Ich erlaube mir einen Aufsatz über Lohengrin zu schicken welcher vielleicht dem theuren Freunde nicht misfallen wird; der Anfang namentlich schien mir recht hübsch. Endlich habe ich hier auch das Buch von Gasperini: Richard Wagner, gelesen. Ich kann wohl sagen dass mich wenige Bücher so angezogen und abgestossen haben als dieses, welches ich förmlich verschlungen habe, des Gegenstandes wegen. Das Rühmliche und seltene an Gasperini ist dass er von weiten die Erscheinung gleich als eine riesige erkannt hat, und dass er gesucht hat ihr näher zu kommen. Anstatt sich nun als Zwerg zu empfinden, und sich in der einfachen Begeisterung zu erheben, fängt er, in der Nähe des Riesens angelangt gutmüthig an, die Glieder desselben zu analysiren; mit dem Fuss geht es nun allenfalls, doch als er weiter fortschreiten will erkennt er als Unförmlichkeiten das Ebenmass einer Gestalt die ihm in der Nähe entschwindet, daher ein Wust von Worten, aus denen man nur entnehmen kann dass er eben nicht der Kritiker ist um Wagner zu beurtheilen, jedoch ihn ahnungsweise dunkel und fragmentarisch empfinden kann. Ein lächerliches Misverständniss begeht er über Schopenhauer und den »Willen« welches er für das bewusste vernünftige Wollen des Menschen dahinstellt, und welches nach S. das »Ding an sich« ist, der Gegensatz zur Vorstellung. Leider kann Gasperini nicht deutsch woraus der viele Unsinn seiner Aussagen zu erklären ist. Doch ist es kein unbedeutendes Buch – darf ich es vielleicht dem gütigen Freunde, senden? Mit dem Siegfried Manuscript werde ich um geduldige Nachsicht bitten müssen; ich bekam von dem Regierungsrath Sultzer noch keine Antwort; seine Frau ist gerade gestorben, doch will mir der Freund während meines hiesigen Aufenthaltes die Biographie korrigiren, damit ich die geliebte Aufgabe weiter erfüllen kann. In Luzern haben wir die Oper vermisst; die Truppe hat die naheliegenden Ortschaften mit ihrem Samiel als Graf Almaviva gekleidet, beglückt; nun schweigen die Töne in Luzern und Triebschen allein erklingt wie eine einsame geheimnissvolle Aeolsharfe. Dafür wird in Basel nun recht viel musizirt; gestern spielte mein Mann in einem grossen Orchesterconcert das Beethovensche Werk welches er die Ehre hatte vor zwey Jahren im Odeon vor seinem Herrn zu spielen. Ein ungemein schwieriges und interessantes Werk von Berlioz – Romeo und Julie – wurde nachher ganz erträglich aufgeführt. Die guten ernsten Leute, machen nun alles mit, und sprechen von der Gründung einer Musikschule. Hier giebt es keine Presse, keine Mucker, keine neidischen Collegen und alle diese Negationen ermöglichen das musikalische Wirken und Weben sehr. Darf ich Sie wohl unterthänig fragen, theuerster Freund und Gebieter welche Ihre Ansicht in Bezug auf meines Mannes jetziges Thun und Lassen, ist? Er muss sich entschliessen, und sollten Sie München für den Augenblick nicht für möglich erachten, will er in Basel Wohnung nehmen und hier sein Zelt aufschlagen? ... Er meldete mir eben dass Pforten nicht empfangen worden sei, und dass die Zeitungen diese königliche That mit dem Wunsch zusammenbringen die Kammern mögten am 5ten Januar sich endlich bewähren und ihren Spruch über den unglücklichen Diplomaten fällen.

Alle Wohlgesinnten freuen sich dass der königliche Herr dem ganzen Lande nun angehöre, und sprechen fast ihre Hofnung darüber aus, dass der gnädige Landesvater zeitweilig in Würzburg, Nüremberg, und Bamberg sich aufzuhalten geruhen wird. Damit würde München in Zaun gehalten werden ohne die grosse Beschwerlichkeit eines Residenzwechsels – meint man. Ich sag all das dem theuersten Freunde, nur damit er alles erfahre was wir wissen und besprechen. – Ein hübsches Beispiel Meistersingerlichen Neides hat wieder in Pesth der »Generalmusikdirektor« Erkel in Pesth geliefert. Nachdem er Jahrelang die Aufführung hintertrieben hatte, erklärte er zuletzt sie nicht dirigiren zu wollen; der Musikdirektor Huhn musste für ihn eintreten, that sein Möglichstes, bekam seine zwei Lorbeerkränze, und schreibt nun dem Freund begeistert, dass bis zur fünften Vorstellung alles bei doppelterhöhten Preisen ausverkauft sei, und dass die Empörung gegen Erkel grenzenlos seie. Ich habe mich gefreut dass meine halben Landsleute sich so wacker benehmen, sie die wahrhaftig nicht geschult sind! Ich dachte bei diesen Berichten an verschiedentliche Generaldirektoren und Meistersingern!

Der reichste Segen auf Hohenschwangau, mein innig geliebter Herr, mögen Sie Edelster, dort von Allem Unangenehmen, von den »verrückten Frauenzimmern« an – um meines Mannes derbe Worte zu gebrauchen, bis zu den Wahnseligkeiten von denen Sie in einem Briefe mir gütig sprachen. Den Freund verliess ich wohl wenn auch sehr erregt durch die Mittheilung die ich ihm machen musste. Ich hoffe Hans Sachs hat wieder alles gut gemacht; er muss aber stets viel flicken der göttliche »Schuster«; wenn nicht der Engel hälfe »Teufel möchte Schuster sein«! Den »Engel« der uns zum Paradiese hebt, grüsse ich von ganzer liebender Seele!

Cosima von Bülow-Liszt

Basel am 17ten Dezember 1866 /.

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141

Theuerste Freundin!

Vor Allem bitte ich Sie um Vergebung, dass ich beigebogenen Brief der Fr. v. Schnorr an meinen Adjutanten Hptm. von Sauer Ihnen sende: denn sein Inhalt ist empörend; ich halte es aber als Ihr aufrichtiger und bis zum Tod getreuer Freund für meine Pflicht, Ihnen denselben zu schicken, Sie sehen daraus, theuerste Freundin, auf welch verabscheuungswerthe Weise die elende Frau die reinsten und edelsten Beziehungen, die je zwischen Menschen bestanden, in den Staub zu ziehen sucht. Kaum habe ich nöthig der theuren Freundin zu sagen, wie ich gegen jene schamlose Verleumderin aufgebracht bin. – Ich setze dazu, dass es mir nicht leicht ward mich zu dem Schritte zu entschliessen, den Brief selbst zu senden, aber die Macht der wahren Freundschaft, die mich beseelt, gebot es mir, o liebe Freundin, wie gränzenlos böse ist doch die Welt, theilen Sie dem Freunde den Brief mit, damit Er, der Heilige, Gottgesandte, der so Fürchterliches in Seinem Leben schon erdulden musste, die Anstifter jener frechen Verleumdungen vernichte! Ihr Parcival bleibt Ihnen treu, o wie fühlt er die Leiden in tiefster Seele mit, welche seine theuren Freunde betreffen. –

Ach ich sehne mich nach einer Aufführung von Tannhäuser u. Lohengrin, wäre diese doch zu ermöglichen. – Herzlichen Dank für Ihren letzten Brief, den ich gestern erhielt; bitte entschuldigen Sie wenn ich jetzt schon schliesse, Sie können sich denken, wie ich aufgeregt bin, wie gerechter Zorn gegen jenes nichtswürdige, verfluchte Weib mich erfüllt, die es wagt auf solche Art meine theuersten Freunde zu schmähen. – Schreiben Sie bald und grüssen Sie den innig Geliebten auf das Herzlichste von mir!

Ludwig, der

unerschütterlich Treue,

bis in den Tod Liebende.

Hohenschwangau 20. Dez. 1866.

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142

Ewig und innig geliebter Herr! Theuerster Freund!

Ihr gütiges Schreiben vom 16ten December kam am 19ten hier an, am Tag wo ich hier erwartet wurde; nun verspätete ein Unwohlsein meine Rückkehr welche erst gestern stattfand, so dass ich leider betreffs der Weihnachtsgabe Ihnen Gütiger, nicht unterthänigst beistehen kann. Doch hat der theuerste Freund, stets so sinnig bescheert, dass ich mir wohl bewusst bin mit meinem Rathe gänzlich überflüssig zu sein. – Nun wage ich um gewohnte gnädige Aufnahme eines Blattes zu bitten, welches ich auf des hohen Freundes Weihnachtstisch aufzustellen wünschte; es ist ein kleine Aquarelle nach dem grösseren Räume in Triebschen welches Sie theurer Herr, mit Ihrer Gegenwart beglückt haben; durch die Portieren sieht man in das Cabinetchen in welches Sie mit dem Freunde beisammen sassen; der Schreibtisch ist aufgezeichnet auf welchen die meisten Briefe an den Schützenden geschrieben worden sind, auch das Tagebuch und den Bericht. Ich wollte den Freund mit in der Stube aufnehmen lassen, allein die Kunstfertigkeit meines Luzerner Architektur-Maler's reichte nur bis zum Neufundländer, welches Ungethüm denn einzig das Leben representiren muss. Auch sollte das Blatt mit dem Liebesverbot abgehen, doch hat mich die Gewissenhaftigkeit des Schweizer's schönstens in Stich gelassen, so dass meine bescheidene Gabe am Ende noch verspätet ankommt! –

Für die schöne Weihnachtsfreude welche Sie theurer Huldvoller, mir und Hans zu theil werden lassen sage ich gerührten wärmsten Dank. Ich habe kaum gewagt Ihnen mein erhabener Freund zu sagen, wie nothwendig diese gnädige Auszeichnung für meines Mannes weitere (durch all' die Münchener Schändlichkeiten unbegreiflich gehemmte) Laufbahn als Virtuose ist. Sie haben es gütig errathen und verstanden – mein theurer Freund, was habe ich Ihnen noch in Bezug auf Ihre Güthe zu sagen?... Betreffs der Aufgabe die Meistersinger Aufführung vorzubereiten wird Hans dem königlichen Auftrage sich mit Freuden unterziehen. Sie geruhen wohl gnädig zu bestimmen in welcher Form dieses geschehen soll, vielleicht ist bis dahin einer der Herren im königlichen Dienste beordert, die musikalischen Angelegenheiten zu besorgen, damit Sie selbst gnädiger Freund, nicht mit dem Detail der Sachen über Gebühr belästigt werden. Ich gestehe Ihnen theuerster Herr, dass ich fürchterlich über Ihr Urtheil über Neumayer erschrak, und zwar nicht wie Sie es wohl gütig denken, im gewöhnlichen Sinne; ich erschrak weil sich wiederum einer also nicht bewährt hatte, und weil ich die ganze Zeit in einer unbeschreiblichen Sorge war, mit welcher ich Sie selbst, mein hoher milder nachsichtiger Freund, belästigt habe. Ich glaube dass – nun die übrigen Herren angestellt sind – N. wohl entbehrlich ist; doch sind derartige Experimentirungen gar peinlich und lästig, und wird Ihr »Tagewerk« das schwere, dadurch nicht erleichtert. Einen Mann einen einzigen der Sie mein theurer gütiger Freund, verstehe, der Sie sowohl als das Volk liebt, Ihnen die schwere Aufgabe erleichtert – was gebe ich nicht um diesen gefunden zu wissen. Mir schwindelt zuweilen wenn ich an Ihrer hohen Einsamkeit denke; dieses war der einzige Grund weswegen ich Friedrich gut war, weil ich mir sagte: es ist wenigsten jemanden, eine Seele, ein Gefäss in welches der theure Einsame »auf steiler Höh'«, seine Gedanken und Gefühle schütten kann; und wer weiss der kostbare Inhalt veredelt zuletzt denn auch das Gefäss? Darum freute ich mich kindisch als ich hörte Prinz Otto sei nach Nüremberg gereist; »vielleicht ist dann Dieser des höchsten Vertrauens werth« sagte ich mir. Allein diese weibliche Sentimentalität bei Seite gelegt, sage ich fest und überzeugt mit Ihnen mein hoher Freund, »Wir brauchen Keinen« – was das Land braucht werden Sie mein König sicherlich aus Sich heraus empfinden, somit bedauere ich nur dass Ihnen eine unangenehme Erfahrung mehr wurde. – Soll ich noch einmal das »grauenhafte« – Sie treffen das bezeichnende Wort mein theuerster Freund – Thema berühren? Ich glaube ich soll's. Der Freund hat innig bedauert dass Sein hoher Beschützer von den Briefen Kenntniss nahm, da er in dieser Sendung eine Absicht erräth die er zu bezeichnen aus Rücksicht für die Vergangenheit verweigert. Er meint dass weder Sie erhabener Herr, noch ich, Wir (Sie verzeihen gütig und gnädig dass ich dieses »Wir« gebrauche?) den Grund dieser trüben Angelegenheit durchschauen können; er habe es aber gethan und sich mit Empörung abgewendet. »Wäre ich nicht der Schützling des Königs von Bayern geworden – nie wäre es Malwinen eingefallen die Unverschämtheit zu haben mich erlösen zu wollen; sie hätte mich schön in Frieden gelassen«. Aus den Träumen von Frl. Reuter werden Sie ersehen haben theurer Freund, dass es allerdings auf Sie abgesehen ist!!! Dieser ganze Briefverkehr und all die Einzelnheiten sind eben Mittel zum Zweck und das ist eben das Empörende daran, was den Freund zu einen vollständigen Bruch veranlasst hat. All dieses mag wohlgemeint sein in einem gewissen Sinne, zweifelsohne wünscht Frau v. Schnorr sich nur mit gutmüthigen Absichten wichtig und sowohl dem Freunde als Ihnen mein Gebieter aufzudrängen – allein es giebt im französischen ein Sprichwort welches heisst: »L'enfer est pare de bonnes intentions«, und zu einer Art von Hölle sind uns diese Zudringlichkeiten schon geworden. Ich darf Ihnen mein theuerster Freund, wohl anvertrauen dass der Freund seit langer Zeit eine böse Ahnung hatte, dass er z. b. Frau von Schnorr nie schrieb, ausser auf mein Drängen und Bitten, dass auch die ganze Todesgeschichte von Ludwig Schnorr mir Haarklein von seiner Frau erzählt worden ist und zwar ganz anders als wie es ihr nach ihrem Verkehr mit Frl. Reuter, angelegen ist sie zu erzählen. Doch zu was tiefer in dem Wust von wahnsinniger Spekulation tiefer hineinsehen? Ich fürchte der Freund hat recht, und die ganze Sendung, die ganze Ueberschwenglichkeit hat keinen andren Sinn als den Zweck durch Erschütterung des bekanntlich zart und innig fühlenden Gemüthes des Königs sich in direkten Verkehr mit dem hohen Herrn zu bringen. Eitelkeit, Ehrgeiz, alles Unschöne ist in der armen Frau durch die Intrigantin bis zum Wahnsinn aufgestachelt worden; aber wie kommen Sie nur theures Wesen, solche Belästigungen zu erleiden? Durch uns!. Das eben hat den Freund so ausser sich gebracht, so lange es nur ihn betraf hat er sich gewehrt und Ihnen lächelnd davon gesagt, nun aber beschwört er Seinen gütigen Herrn, die Sache kurzweg abzuschneiden. Gott weiss wohin das zielt?... Ich versichere Sie mein theuerster Freund, dass das was den Schmähungen und Intrigen nicht gelungen war, mich von München abzuwenden, dieser unbegreiflichsten Erfahrung gelungen ist. So werden wir denn in Basel unser Zelt aufschlagen; ohne Kummer denn wir wissen was uns bevorsteht, ohne Schaden denn die königliche Gnade ehrt meinen Mann und schlägt alle Verleumdungen nieder, ohne Beängstigung denn Hans hält sich für den ausserordentlichen Dienst frei. Unsre Sachen lasse ich kommen, wir wollen ohne Münchener Meister selig werden. – Der Freund hat mir die Biographie in meiner Abwesenheit nicht korrigirt worüber ich ihn scholt; doch in der Seele konnte ich ihm nicht gram sein als er mir sagte: »er hätte viel gedämmert« d. h. sein Werk viel überdacht »das letzte wird wie ein ganzer Akt – es wird mein Schönstes«, sagte er freudig. So leben denn die Meistersinger auf Kosten des Lebens, ich denke es grämt den Theuersten nicht, ich will auch sorgen dass das Leben nicht allzusehr unter dem Weben leidet. Am Weihnachtsabend werden diese Zeilen wohl eintreffen – was gäbe ich darum dem Wunderfreund eine kleine Freude bereiten zu können – ich glaube ich vermag es indem ich Ihm sage dass Er einzig und allein uns beglückt. – Darf ich dem Theuren gestehen dass ich die huldvollen Grüsse an Jean Paul nicht bestellte? So bin ich geworden; ich nenne den König von Bayern nicht mehr, mir ist es als ob alle Leute gleich unverschämt und wahnsinnig darüber werden. Diesmal trifft meine Massregel den Unschuldigen, denn Jean Paul ist bescheiden und gutgeartet, doch bin ich hart geworden, und einzig meine Kinder hören zuweilen einen holden Gruss. – Theuerster Herr, wie könnten je die Meistersinger anderswo als in ihrer Heimath d. h. bei Ihnen Gnadenreicher, aufgeführt werden?...

Die holden Träume die sich an die nächste »Johannisnacht« knüpfen, entsende ich mit unsäglichen Grüssen der Freude und des Dankes, dem theuren Schutzgeist und Lebenswecker!

Cosima von Bülow-Liszt

22ten December 1866 /.

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143

Mein gütiger gnadenreicher Freund!

Beschützender Herr!

Ich schrieb gestern, heute drängt es mich aber – wenn auch nur zwei Zeilen des Dankes dem erhaben Gütigen zukommen zu lassen – Was soll ich sagen? Den ganzen Morgen habe ich geweint denn ich bin Mutter und nicht gleich darf es mir sein meine Ehre angetastet zu sehen; doch die Zeit wird mir und meinen Kindern beistehen, und eines weiss ich, weiss ich einzig in diesem Zerfall alles Guten und Wahren, dass die vier Wesen an denen einzig mir liegt Sie mein Herr und Freund, der Vater, mein Mann, der Freund, mich nie und niemals verkennen werden. Dies ist ein Trost mein huldreicher Gebieter, wie er mich über die schwersten Stunden des Lebens emporgehoben hat. Diese Nacht da ich ziemlich leidend, nicht zu schlafen vermochte, überdachte ich mein ganzes Leben, mit seinen Aengsten, Nöthen und Hoffnungen, und ich musste erkennen dass ein tiefer unerschütterlicher Friede in meinem Herzen seitdem ich Sie als Schutzgeist des Freundes weiss, eingekehrt ist, und dass dieser Friede zur vollkommenen Verklärung sich erhoben hat seitdem die Meistersinger wieder aufgenommen sind. Ich möchte nun meine Seele dem Meere vergleichen welches die Stürme nur zur Oberfläche berühren und welches in seiner Tiefe ruhig unberührt bleibt. Heute musste dieser in der Nacht erkannte Frieden sich bewähren; ich sagte es, ich weinte heftig und lang, mir war es als ob ich dieses und von dieser Seite her nicht verdient hätte, vollständig wehrlos fühlte ich mich gegen die unergründliche Bosheit der Welt, meine Kinder jammerten mich, mein Mann, der Vater, der Theure, Sie mein edelster wunderbarer Freund, doch ich fand den ersehnten Trost in der Beschauung des Guten was mir geworden. Wie beglückt muss ich doch sein – da ich es so büssen muss! Bald jauchzte meine Seele der neuen Prüfung entgegen; ist dies der Preis mit welchem ich das Glück bezahle dem Freund beigestanden zu haben, sei er jubelnd bezahlt! Nun sehe ich nur noch vor mir des Freundes hergestellter Friede, Ihre unsägliche Güte zu mir, mein hoher Herr, und ich bin glücklich! Ja ich bin es und bleibe es bis in den Tod! – Doch die arme arme Hassentbrannte! Wohin verliert sie sich nur? Wird nicht die Stunde der schrecklichsten Beschämung über sie kommen; oder geht sie so weit in der Selbstbethörung dass indem sie mich und den Freund verfolgt, sie sich wirklich einbildet den rechten Weg eingeschlagen zu haben? Wüsste sie nur wie ich ihr von ganzer Seele verzeihe; sie hat mir das Aergste angethan was eine Frau treffen kann; hielte mich mein Mann und der Freund nicht davon ab, ich schrieb ihr sofort: »hast Du gethan was Du nicht lassen konntest und bist Du zu Ende Deiner Wuth, beruhige Dich endlich, gewiss es hat mich kaum berührt«. – Der Freund empfindet anders, er ist tief empört; er schrieb heute früh an Herrn v. Sauer einen Brief welchen der gute Franz dem k. Adjudanten bringen wird. Der Freund hat alles geahnt – ich habe es nicht glauben können. Was will sie nur, wohin denkt sie zu gerathen, erschrickt sie nicht über die eigne Schlechtigkeit? Alle Freunde aus München sagen nur: »die tollen Weiber« wenn sie von dem unheimlichen Paare sprechen – vielleicht hat sie davon etwas erfahren, Gott weiss es und verzeihe es ihr wie ich ihr aus ganzer Seele verzeihe. –

Eines wird mir nur schwer zu überwinden, der Gedanke dass Sie mein theuerster Freund, und Unsre edlen hohen Beziehungen durch die gemeine Episode so herabgezogen worden sind – ach! lassen Sie es uns in Milde vergessen. Hoffentlich erholt sich der Freund bald, und leiden die armen Meister nicht länger darunter so dass das edle Werk vor dem Gemeinen gelingt, und der holde Wahn über den Wahnsinn siegt. Lassen Sie, mein theuerster gnadenreicher Freund, Uns im Gefühl der heiligen Liebe selig sein, stets zusammen leben und weben wenn Wir auch nicht beisammen sind, die Bösen bemitleiden, sie sind die Unglücklichen. Wir fürchten weder Leben noch Tod, sie fürchten Alles, beneiden und beschmutzen alles; »auf allen Gipfeln ist Ruh« sie aber krümmen sich in der friedlosen Fläche!

Jean Paul spielt mir eben die Meistersinger vor, und Triebschen sieht gar gemüthlich aus – was gäbe ich nicht darum zu hören dass Sie mein theurer Freund, wohl sind und endlich vom ganzen Spuk befreit sind? Gott, Sie mein hehrer Freund, und solch unlauteres Zeug! ... – Wann Sie Lohengrin und Tannhäuser zu haben wünschen dürfen Sie nur befehlen, mein Mann steht zur Verfügung, und wenn auch keine »Musteraufführung« zu Stande kommt kann doch vielleicht mit dem Personal des Hoftheaters etwas Erträgliches hervorgebracht werden. Freilich der Tenor? ... Niemann muss in Berlin herhalten und werden dort jetzt die Werke des Freundes unaufhörlich aufgeführt. In Würzburg bejubelt man den Rienzi und schreibt Weisheimer ganz entzückt. –

Den Brief habe ich vernichtet, that ich recht daran? Ich hoffe! ... Meinem ganzen in Thränen geweihten Frieden entsende ich dem Schirm und Hort! Mögen sich Himmel und Erde in einem Segen für das theuerste göttliche Wesen, vereinen!

Ewig dankend liebend

Cosima von Bülow-Liszt

23ten December 1866 /.

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144

Theuerste Freundin!

Ich kann Ihnen nicht beschreiben, welch innige Freude mir Ihr und des Freundes theure Geschenke bereitet haben, meinen wärmsten Dank dafür aus tiefstem Seelengrunde! Gestern genehmigte ich Pfordten's Entlassungsgesuch; der Elende, der sich in Unsren Angelegenheiten so schlecht benahm ist nun fort, also Pfi. und Pfo. sind nun machtlos, nun nahe ich mich mit einer Freundesbitte, ich kann sagen von deren Gewährung hängt mein Lebensglück ab, es ruht in des Freundes Händen. – Ich würde die dringende Bitte nicht stellen, könnte sie einzig auf Kosten der Ruhe und des Friedens des Freundes gewährt werden, dies wäre grosses Unrecht; dem ist nicht so. – Wie steht Unsre Sache jetzt: für mich war dieses Jahr das fürchterlichste, das ich erleben musste; man sieht Unsre Pläne für gescheitert an; der Schein kann auch oft viel, sehr viel schaden. – Nun zu Sache; ich beschwöre Sie, theuerste Freundin, suchen Sie den Theuren, so innig Geliebten zu bestimmen, nach Vollendung der Meistersinger (also im Frühjahr) hieher zu kommen, ach Wir haben Uns so viel zu sagen, dann bleibe Er hier, o bitte, bitte. Er wird sehen, dass die Vorurtheile schwinden werden, soll den Versuch machen mir zu Liebe, o sehen Sie ein, theure Freundin, mich verzehrt die Sehnsucht, die Trennung halte ich nicht aus. – Ich darf von mir sagen, muthig habe ich lange ausgeharrt in meiner für die Dauer trostlosen Einsamkeit, habe Entsetzliches erduldet, denn der Thron mit all seiner Herrlichkeit kann nicht das Verlorene mir ersetzen, ich habe ja keine Seele, die mich hier versteht, o fühlen Sie mit mir, bitten Sie Ihn zum Treuen zu kommen, ich beschwöre Sie, theilen Sie mir recht bald die zusagende Antwort mit! – Mündliche Besprechung thut so noth, o könnte sie erfolgen, wenn der Lenz wiederkehrt! Ich fühle mich in dieser Verlassenheit so namenlos unglücklich, ach der briefliche ersetzt nicht den mündlichen Verkehr! – Ach Alles hatte ja so wonnevoll begonnen, ich war so überglücklich, wagte kaum zu denken, dass dies Alles Wahrheit sei, ich wähnte in Himmelssphären zu schweben und nun grausam herabgestürzt von dieser Seligkeit, getrennt von Allem was mir theuer, geschieden vom einzig geliebten Freunde, verdammt unter mehr oder weniger niedrig denkenden Menschen (wenige ausgenommen) mein Leben zu vertrauern, – o das ist hart, bringt mich in kurzer Zeit dem Tode nah. – Und die theure Freundin kennt nun diesen Zustand, der mich so gränzenlos elend macht, weiss den Arzt, der einzig mir zu helfen vermöchte und – will nicht mich diesem Jammer entziehen, will noch ein solches Jahr mich erleben lassen, o das kann ich von Ihr nicht glauben. Noch ein paar solche Jahre u. – ich habe gelebt. – O im Frühjahr, nicht später, ich halte es nicht mehr aus. –

O schreiben Sie mir recht bald und ausführlich, wie geht es jetzt mit der Gesundheit des Theuren? – Von Fr. v. Schnorr hörte ich, solange ich jetzt hier bin, nichts mehr. – O Freundin, wie hatte ich mich gefreut, den Theuren viel bei mir zu sehen, mich zu laben an Seinem Gespräche, Sein Leben mit zu erleben, eingeweiht zu werden in die Mysterien der heiligen Kunst. – Nun muss ich lästige Audienzen empfangen, langweilige Tafeln geben, dulden und mich mühen und habe Niemanden der mich versteht, bin allein, allein! – Pfordten also geht, Hohenlohe wird Minister, im Winter kommen lästige Besuche, die mir verhasste Zeit der Hoffeste naht, im Theater geht Alles durcheinander, die tölpelhaft guten Leute meinen in ihrer gränzenlosen Verblendung, ihre Macht hätte gesiegt, es wäre ihnen gelungen, Uns auseinander zu sprengen, o Gott – da kann einzig die That sprechen, der Freund nahe, wohne in der Nähe des Freundes, glauben Sie mir; trotz Allem, ich sehe es muss in München neu begonnen werden. – Meine Cousine Sophie (jüngste Schwester der Kaiserin v. Oestreich,) die für den Freund voll Begeisterung ist, bat mich, Ihn auf das Freundlichste von ihr zu grüssen, wollen Sie die Güte haben, Ihm dies mitzutheilen? Bald gedenke ich, Ihm zu schreiben; o es sind unruhige Tage, die ich hier erleben muss. –

Gott möge Uns im kommenden Jahre zusammen führen, mögen die künftigen Tage für die theuren Freunde glückliche, freude- und friedebringende sein! Heil Uns, die Wir selig sind in heiliger Liebe, an ihr zerschellt die Macht der Feinde, die Gewalt der Finsterniss.

Ihr treuer, aufrichtiger Freund

Ludwig.

München 30. Dez. 1866.

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145

Mein theurer hoher Freund!

Treu und ewig geliebter Herr!

Lebten wir doch »in den alten Zeiten wo das Wünschen noch geholfen hat«, das Jahr welches morgen beginnt müsste für Sie theurer erhabener Freund, so leuchtend und freudig werden wie die Hoffnungen welche durch Sie Gütiger, in unser Leben kamen! Dass Ihr Wohl mit dem unsrigen verwoben ist, wie dank ich es dem Himmel, und welches Glück spendet schon in der Zeit der bangen Erwartung diese selige Gewissheit! Als Neujahrsgruss erlaube ich mir die selige Morgentraum-Deut-Weise zu entsenden. Sie wurde dem Freunde eingegeben als wir nur Unschönes und Bösartiges von der Aussenwelt erfuhren: als er sie mir am Weihnachtsabend mittheilte brach ich in jubelnden Thränen aus, ihm war der himmlische Trost geworden, mir sagte eine geheime Stimme dass ich diese Freuden nicht theuer genug erkaufen könnte, und dass der mächtige Flügelschlag mich wiederum hoch über alles Erdenweh' emporgetragen!

Unser trauliches Weihnachten wurde dadurch etwas getrübt dass Hans wegen Unwohlsein nicht herüber kommen konnte; mein Aufbau fiel demnach aus, doch dem Freunde, den Kindern, Jean Paul, und den Leuten schmückte ich einen grossen Tisch in der Mitte der grossen Stube, und nachdem die Bescheerung vorüber war las der Freund das Weihnachtsmärchen von Hoffmann uns vor »Nussknacker und Mäusekönig« – wobei er uns hernach Hoffmann's Sinn und Bedeutung mit einer solchen Tiefe und Schärfe darlegte dass mir es war als ob ich ihn bis dahin gar nicht erfasst hätte; das Entsetzen vor der Mechanik welche die ganze jetzige Welt – selbst die künstlerische beherrscht, das Grauen vor einem Wesen wie das Preussische welches ihm durchaus als gespenster- und automatenhaft erschien, die Sehnsucht nach der verlornen Natur, dies, nach des Freundes Aussage eröffnete Hoffmann die phantastischen Regionen in welchen wir ihm gern trotz des Dilettantenhaften seiner Darstellung, folgen. Am zweiten Feiertage kamen meine schöne Kette mit dem Medaillon und der herrliche Walther an. Wie freute ich mich theuerster Freund, Ihr Bildchen zu empfangen, und wie gerne lasse ich es unter den Perlen (die Bilder des verklärten Leidens) und die Blüthen der hehren Treue ruhen; die goldene Kette die Uns verbindet wie freudig werde ich sie um den Hals mir binden! Ich habe mir vorgenommen, das theure Andenken bei der ersten Meistersingeraufführung einzuweihen. Walther aber strahlt hier, und macht uns die grösste Freude. Wie schön ist er doch Zumbusch gelungen, so ernst, stolz, kühn und leicht. Ein französischer Bildhauer sagte einst: Thon ist Leben, Gips ist Tod, Marmor ist Auferstehung, wahrlich der Junker von Stolzing steht ganz verklärt da, so ewig und lieblich wie er aus des Dichter's Kopf entsprungen. Sachs' Ausspruch: ein ächter Dichterreck scheint Zumbusch sich zum Motto seines reizenden Werkes gewählt zu haben, und er hat dieses prächtig herausgemeisselt. Die kleine Statuette ist das Leben des Salons geworden, sie steht in dessen Mitte, und strahlt am Tag wie am Abend. Ich will jetzt Zumbusch ein paar Zeilen der aufrichtigen Freude über sein Werk schreiben; hätten sich nur alle bewährt wie der talentvolle von Ihnen gnadenreicher Freund, entdeckte Künstler, für welchen, seitdem Sie, Beglückender, sich ihm neigten das Glück nicht ein Rad sondern eine Leiter zu sein scheint die er rasch und sicher emporklimmt! – Hans brachte uns gestern die Nachricht der Entlassung Pforten's und der Ernennung des Fürsten Hohelohe, dessen Programm in sofern sich gut ausnahm als es auf eine vorsichtige und doch nicht duckmäuserische Politik deutete. Gäbe Gott der Fürst verstehe es Sie, mein theurer hoher Herr, zu verstehen, ein und alles bleibt mir Ihre Befriedigung. Förmlich froh war ich demnach auch als ich erfuhr der Neujahrs-Empfang wäre aufgegeben worden, und nun möchte ich nur dass der Hofball überstanden wäre. So folgen wir Ihnen theurer Wunderbarer, stets; der Freund immer im Grossen und Ganzen mit Ihnen vereint, ich bis in die geringen Details besorgt und je nachdem ich mir Befriedigung oder Ermüdung oder gar Aergerniss für Sie herausdeute, erfreut oder bekümmert. Wenn ich Sie, theurer Huldreicher, mit meinen Gedanken so begleite, geht es mir wie dem treuen Heinrich aus dem Volksmährchen, es ist mir als ob die eisernen Bande welche um das Herz mir liegen damit es nicht vor »Weh und Kummer« über das trübe Erdenleben zerspringe, eines nach dem andern abfielen, und als ob ich in meiner Seele Erlösung feiere. –

Wenn nach dem orientalischen Spruch Sprechen Silber und Schweigen Gold ist, so muss Friedrich von der Zeh bis zum Scheitel in Golde strahlen, denn er schweigt beharrlich. Der wahre Getreue – Hans ist hier; wir reisen zu vieren (Jean Paul kommt mit) nach Zürich um Semper's Modell anzusehen. Wie schön dass das vollendet – die Zeit der Ausführung wird schon kommen. Mein Mann küsst in dankender Ehrfurcht die königlichen Hand, der Freund webt da oben und weiss wohl für Wen und durch Wen, ich entsende dem theuren Schutzgeist die lange andächtige fast zur Vision sich steigernden Beschauung mit welcher ich an diesem letzten Morgen des Jahres, unser Leben umfasste bevor der Hehre darin erschien, und unser Seien seitdem Er darin so göttlich verwoben ist!

Ewig treu liebend

Cosima von Bülow-Liszt

31ten December 1866 /

Die selige Morgentraum Deut-Weise

I

Morgenlich leuchtend in rosigem Schein,
von Blüth und Duft
geschwellt die Luft,
voll aller Wonnen
nie ersonnen
ein Garten lud mich ein
Gast ihm zu sein. –

Wonnig entragend dem seligen Raum
bot gold'ner Frucht
heilsaftge Wucht
mit holdem Prangen
dem Verlangen
an duftger Zweige Saum
herrlich ein Baum. –

Euch sei vertraut
welch' hehres Wunder mir geschehn:
an meiner Seite stand ein Weib,
so schön und hold ich nie gesehn
gleich einer Braut
umfasste sie sanft meinen Leib,
mit Augen winkend,
die Hand wies blinkend
was ich verlangend begehrt
die Frucht so hold und werth
vom Lebensbaum.-

II

Abendlich glühend in himmlischer Pracht
verschied der Tag,
wie dort ich lag;
aus ihren Augen
Wonne saugen,
Verlangen einziger Macht
in mir nur wacht! –
Nächtlich umdämmert
der Blick sich mir bricht:
wie weit so nah
beschienen da
zwei lichte Sterne
aus der Ferne
durch schlanken Zweige Licht
kehr mein Gesicht. –
Lieblich ein Quell
auf stiller Höhe
dort mir rauscht;
jetzt schwellt er an
sein hold Getön,
so süss und stark
ich's nie erlauscht:
leuchtend und hell,
wie strahlten die Sterne da schön;
zu Tanz und Reigen
in Laub und Zweigen
der gold'nen sammeln sich mehr,
statt Frucht ein Sternenheer
im Lorbeerbaum! –

III

Weilten die Sterne
im lieblichen Tanz?
So licht und klar
im Lockenhaar,
vor allen Frauen
hehr zu schauen,
lag ihr mit zartem Glanz
ein Sternenkranz. –

Wunder ob Wunder
nun bieten sich dar:
zwiefachen Tag
ich grüssen mag;
denn gleich zwei'n Sonnen
reinster Wonnen
der hehrsten Augenpaar
nahm ich nun wahr! –

Huldreichstes Bild
dem ich zu nahen mich erkühnt:
den Kranz von zweier Sonnen Strahl
zugleich verblichen und ergrünt,
Minnig und mild
sie flocht ihn um's Haupt dem Gemahl
dort Huld-geboren
nun Ruhm erkoren,
giesst Paradiesische Lust
sie in des Dichter's Brust –
im Liebestraum! –

Triebschen, December 1866 /.


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