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IV.

Baccanal bei Bacchis.

Als sie sich wieder bei Bacchis' Thür befand, war sie von dem angenehmen Gefühl durchdrungen, welches die Rast im Begehren und die Ruhe des Fleisches verschaffen. Ihre Stirne war erleichtert. Ihr Mund war milder geworden. Ein von Zeit zu Zeit wiederkehrender Schmerz irrte noch um die Höhlung ihrer Lenden. Sie stieg die Treppe hinauf und schritt über die Schwelle.

Seitdem Chrysis den Saal verlassen, hatte sich das Gelage wie eine Flamme entwickelt.

Andere Freunde waren gekommen, für welche die zwölf nackten Tänzerinen ein leichter Raub geworden. Vierzig zerpflückte Kränze bedeckten den Boden mit Blumen. Ein Schlauch mit Wein aus Syrakus war in einer Ecke ausgegossen, ein goldener Fluß, der bald den Tisch erreichte.

Philodemus neben Faustina, deren Kleid er zerriß, sagte ihr singend Verse her, die er über sie gedichtet hatte.

»Oh Füße, sagte er, oh weiche Schenkel, tiefe Lenden, runde Kruppe, gespaltene Feige, Hüften, Schultern, Brüste, beweglicher Nacken, oh ihr, die ihr mich wahnsinnig macht, warme Hände, geschickte Bewegungen, flinke Zunge! Du bist eine Römerin, Du bist braun und Du singst die Verse der Sappho nicht; aber auch Perseus war der Geliebte der Indierin Andromeda. Philodemus A. P. V. 132«

Doch Seso, auf dem Tische, inmitten der durcheinander geworfenen Früchte auf dem Bauche liegend, war von den Dünsten des aegyptischen Weines vollkommen benebelt und tauchte die Warze ihrer rechten Brust in ein Sorbet mit Schnee, wobei sie fortwährend mit einer komischen Rührung wiederholte:

»Trink', mein Kleiner. Du bist durstig. Trink', mein Kleiner. Trinke. Trinke. Trinke!«

Aphrodisia, die nach Sklavin war, triumphirte in einem Männerkreise und feierte ihre letzte Nacht der Knechtschaft durch unmäßige Ausschweifungen. Um der Tradition aller alexandrinischen Orgien zu gehorchen, hatte sie sich zuerst drei Männern zugleich hingegeben; aber ihre Aufgabe war damit nicht zu Ende und bis Tagesanbruch sollte sie, nach dem Gesetze der Sklavinen, die Hetären werden, durch einen unausgesetzten Eifer beweisen, daß sie ihrer neuen Würde gewachsen war.

Hinter einer Säule stehend stritten Naukrates und Phrasilas höflich über den respektiven Werth von Arkesilas und Karneades.

Am anderen Ende des Saales schützte Myrtocleia Rhodis gegen einen allzu zudringlichen Gast.

Als sie Chrysis eintreten sahen, liefen die beiden Ephesierinen ihr entgegen.

»Gehen wir weg, meine Chryse. Theano bleibt; aber wir gehen.«

– Ich bleibe auch, sagte die Hetäre.

Und sie legte sich mit dem Rücken auf ein großes, mit Rosen bestreutes Bett.

Ein Geräusch von Stimmen und von geworfenen Geldstücken zog die Aufmerksamkeit an: es war Theano, die um ihre Schwester zu parodiren, inmitten des Lachens und Schreiens, auf den Gedanken gekommen war, aus Spott die Fabel der Danaë zu spielen, indem sie, jedes Mal wenn ein Goldstück sie durchdrang, eine milde Wollust heuchelte. Die herausfordernde Gottlosigkeit des liegenden Kindes ergötzte die Gäste, denn die Zeit war vorüber, wo der Blitz die Spötter des Unsterblichen ausrottete. Aber das Spiel entartete, wie es zu fürchten war. Ein Ungeschickter verletzte die arme Kleine, die laut zu weinen anfing.

Um sie zu trösten, mußte man eine neue Belustigung erfinden. Zwei Tänzerinen schoben in die Mitte des Saales ein großes Gefäß aus vergoldetem Silber, das bis zum Rande mit Wein gefüllt war. Jemand ergriff Theano an den Beinen und ließ sie den Kopf zu unterst, davon trinken, während sie von unwiderstehlichen Lachkrämpfen geschüttelt wurde.

Dieser Einfall hatte solchen Erfolg, daß Alle näher traten und, als die Flötenspielerin wieder auf ihre Beine kam, und man ihr durch Kongestion entflammtes Gesichtchen, das von Wein rieselte, sah, kam eine so allgemeine Freude zum Ausbruch, daß Bacchis zu Selene sagte:

»Einen Spiegel! einen Spiegel! damit sie sich selbst so besehen kann!«

Die Sklavin brachte einen Spiegel aus Bronze.

»Nein, nicht diesen. Den Spiegel von Rhodopis! Der Spaß ist ihn werth.«

Mit einem Ruck war Chrysis aufgestanden.

Das Blut stieg ihr in die Wangen, um dieselben gleich wieder zu verlassen und sie verharrte ganz bleich, mit stürmisch pochendem Herzen, die Augen auf die Thür geheftet, durch welche die Sklavin hinausgegangen war.

Dieser Augenblick sollte ihr ganzes Leben entscheiden. Die letzte Hoffnung, die ihr geblieben, war im Begriffe vereitelt zu werden oder sich zu verwirklichen.

Um sie her tobte das Fest weiter. Ein, man wußte nicht woher geworfener Iriskranz fiel ihr auf den Mund und ließ auf ihren Lippen den herben Geschmack des Blüthenstaubes zurück. Ein Mann goß ihr ein Fläschchen Wohlgerüche auf die Haare, es entleerte sich zu schnell und benetzte ihre Schultern. Ein voller Becher, in welchen ein Granatapfel geworfen worden, bespritzte ihr seidenes Gewand und die Nässe drang ihr bis auf die Haut. Sie trug stolz allen Schmutz des Gelages.

Die Sklavin, die hinausgegangen war, kam nicht wieder zurück.

Chrysis blieb bleich wie ein Stein und regte sich nicht mehr, als eine Bildsäule. Die rhythmische und einförmige Klage einer in der Nähe im Liebeskrampfe liegenden Frau maß ihr einzig die Zeit. Es schien ihr, als ob dieses Weib schon seit dem vorigen Tage wimmerte. Sie hätte Etwas zerknittern, sich die Finger zerbrechen, schreien mögen.

Endlich kam Selene mit leeren Händen zurück.

»Und der Spiegel?« fragte Bacchis.

– Er ist ... er ist nicht mehr da ... er ist ... er ist ... gestohlen, stotterte die Magd.

Bacchis stieß einen so gellenden Schrei aus, daß Alle schwiegen, eine schauerliche Stille unterbrach plötzlich den Tumult.

Aus allen Winkeln des großen Saales näherten sich Männer und Frauen: es blieb nur noch ein kleiner, leerer Raum, wo Bacchis verstört vor der am Boden liegenden Sklavin stand.

»Du sagst! ... Du sagst! ...« heulte sie.

Und da Selene nicht antwortete, ergriff sie sie heftig am Halse:

»Du hast ihn gestohlen, nicht wahr? Du bist es? So antworte doch! Ich werde Dich mit Peitschenhieben zum Reden bringen, elende Hündin!«

Da geschah etwas Schreckliches. Das von der Todesangst gepeinigte Kind, erschreckt durch die unmittelbarste Gefahr, die es je gekannt, stieß die Worte hervor:

»Es ist Aphrodisia! Nicht ich! Ich habe ihn nicht gestohlen.«

– Deine Schwester!

– Ja, ja! sagten die Mulattinen, Aphrodisia hat ihn genommen!

Und sie schleppten ihre Schwester, die soeben in Ohnmacht gefallen war, zu Bacchis hin.


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