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V.

Der Spiegel, der Kamm und das Halsband.

Sie besaß eine eigenartige Schönheit. Ihre Haare schienen zwei Goldmassen zu sein, aber sie waren zu reichlich und überragten ihre niedere Stirne wie zwei tiefe, schattige Wogen, unter welchen die Ohren verschwanden und welche in Windungen auf dem Nacken lagen. Die Nase war fein und die ausdrucksvollen Nasenlöcher zuckten manchmal über einem vollen, bemalten Munde mit abgerundeten, beweglichen Ecken. Die weiche Linie des Körpers wiegte sich bei jedem Schritte, durch die Schwingungen der freien Brüste oder das Schaukeln der schönen Hüften unter der biegsamen Taille belebt.

Als sie nur mehr zehn Schritte von dem Jüngling entfernt war, wandte sie ihren Blick nach ihm. Demetrios erbebte. Es waren wunderbare Augen; blau aber dunkel und glänzend zugleich, feucht, müde, schluchzend und lodernd, unter der Last der langen Augenlider und Wimpern fast geschlossen. Diese Augen schauten wie die Sirenen singen. Wer durch ihren Lichtkreis ging, war unwiderstehlich gefangen. Sie wußte es wohl und nützte geschickt den Eindruck, den sie hervorriefen; aber sie rechnete mehr noch auf die geheuchelte Gleichgültigkeit gegen den, welchen so viel wahre Liebe nicht hatte wahrhaft rühren können.

Die Seefahrer, welche die purpurnen Meere weit über den Ganges hinaus durchschifft haben, erzählen, daß sie unter den Wassern Felsen gesehen haben, welche Magnetsteine sind. Wenn ein Schiff bei ihnen vorbeifährt, fallen Nägel und Eisenbeschläge davon ab, von der unterirdischen Klippe auf immer angezogen. Und was ein schnelles Fahrzeug gewesen, ein Wohnort, ein lebendes Wesen, ist dann nur mehr eine lose Brettermenge, die vom Winde zerstreut auf den Fluthen treibt. So verlor sich Demetrios in sich selbst vor zwei großen anziehenden Augen, und seine ganze Kraft verließ ihn.

Sie senkte die Augenlider und ging an ihm vorbei.

Er hätte vor Ungeduld aufschreien mögen. Seine Fäuste ballten sich zusammen: er fürchtete sich keine ruhige Haltung mehr annehmen zu können, denn er mußte mit ihr reden. Dach sprach er sie mit den üblichen Worten an:

– Sei mir gegrüßt, sagte er.

– Sei auch Du gegrüßt, antwortete die Vorbeigehende.

Demetrios fuhr fort:

– Wohin gehst Du, mit so wenig Eile?

– Ich gehe nach Hause.

– Ganz allein?

– Ganz allein.

Und sie machte eine Bewegung, um ihren Spaziergang fortzusetzen.

Da dachte Demetrios, er habe sich vielleicht getäuscht, als er sie für eine Dirne hielt. Seit einiger Zeit kleideten und schminkten sich die Gattinen der Richter und Beamten wie Freudenmädchen. Diese war wohl eine in sehr gutem Rufe stehende Frau, und ohne Ironie fuhr er in seiner Frage also fort:

– Zu Deinem Gatten?

Sie lehnte sich mit beiden Händen zurück und sagte lachend:

– Heute Abend hab' ich keinen Gatten.

Demetrios biß sich in die Lippen und sagte fast schüchtern:

– Suche ihn nicht. Du hast Dich zu spät daran gemacht. Es ist Niemand mehr da.

– Wer hat Dir gesagt, daß ich auf der Suche bin? Ich gehe allein spazieren und suche nichts.

– Woher bist Du denn gekommen? All' den Schmuck hast Du doch nicht für Dich allein angelegt, und Du hast hier einen seidenen Schleier ...

– Muthest Du mir zu nackt auszugehen, oder mit Wolle bekleidet wie eine Sklavin? Ich schmücke mich nur zu meinem Vergnügen; es ist mir lieb zu wissen, daß ich schön bin und im Gehen betrachte ich meine Finger, um alle meine Ringe kennen zu lernen.

– Du solltest einen Spiegel in der Hand haben und nur Deine Augen anschauen. Diese Augen sind nicht in Alexandrien geboren worden. Du bist Jüdin, ich höre es an Deiner Stimme, welche milder ist als die unsrigen.

– Nein, ich bin nicht Jüdin, ich bin Galiläerin.

– Wie heißest Du, Miriam oder Noemi?

– Mein Name ist syrisch und Du wirst ihn nicht erfahren. Es ist ein königlicher Name, den man hier nicht trägt. Meine Freunde nennen mich Chrysis, und es ist ein Compliment, das Du mir hättest machen können.

Er legte ihr die Hand auf den Arm.

»Ach! nein, nein, sagte sie mit höhnischer Stimme. Es ist viel zu spät für derlei Scherze. Laß' mich schnell nach Hause gehen. Ich bin schon seit fast drei Stunden aufgestanden, ich sterbe vor Müdigkeit.«

Und, sich niederbeugend, nahm sie einen Fuß in die Hand und fuhr fort:

»Schau, wie meine Schuhbänder mir weh thun! Sie sind viel zu straff gebunden worden. Wenn ich sie nicht löse, werde ich die Spur davon am Fuße behalten und Das wäre schön, wenn man mich umarmen wird! Laß' mich schnell! Ach, welche Mühe! Wenn ich das gewußt hätte, wäre ich nicht stehen geblieben. Mein gelber Schleier ist an der Taille ganz zerknüllt, schau nur!«

Demetrios strich mit der Hand über die Stirne; dann murmelte er mit dem leichten Tone eines Mannes, der sich zu entschließen geruht:

»Zeige mir den Weg!«

– Aber ich will nicht! sagte Chrysis mit erstaunter Miene. Du fragst mich nicht einmal, ob es mir Vergnügen macht. »Zeige mir den Weg!« Wie er das sagt! Hältst Du mich für eine Metze des Dirnenviertels, die sich für drei Obolen auf den Rücken legt, ohne auch nur zu schauen, wer sie in den Armen hält? Weißt Du auch nur, ob ich frei bin? Kennst Du die Bedingungen meiner Zusammenkünfte? Bist Du meinen Spaziergängen gefolgt? Hast Du die Thüren, welche sich für mich öffnen, bezeichnet? Hast Du die Männer gezählt, welche sich von Chrysis geliebt wähnen? »Zeige mir den Weg!« Ich werde ihn Dir nicht zeigen, wenn es Dir beliebt. Bleibe hier oder geh fort, aber anderswo hin, nicht zu mir!

– Du weißt nicht, wer ich bin ...

– Du? Ach was! Du bist Demetrios von Saïs; Du hast das Standbild meiner Göttin gemacht, Du bist der Geliebte meiner Königin und der Gebieter meiner Stadt. Aber für mich bist Du nur ein schöner Sklave, weil Du mich gesehen hast und weil Du mich liebst.«

Sie näherte sich ihm und fuhr mit schmeichlerischer Stimme fort:

»Ja, Du liebst mich. Oh sage nichts! – ich weiß, was Du mir sagen willst: Du liebst Niemanden, Du wirst geliebt. Du bist der Liebling, der Heißgeliebte, der Abgott. Du hast Glycera zurückgewiesen, die selbst dem Antiochos sich geweigert hat. Demonassa, die Lesbierin, welche geschworen hatte als Jungfrau zu sterben, hat sich während Deines Schlafes in Dein Bett gelegt und sie hätte Dich mit Gewalt genommen, wenn Deine beiden lybischen Sklaven sie nicht nackt vor die Thür gesetzt hätten. Callistion, die Wohlgenannte, hat, nachdem sie alle Hoffnung verloren hatte Dir zu nahen, das Haus, das dem Deinigen gegenüber liegt, angekauft und jeden Morgen zeigt sie sich in der Fensteröffnung, so wenig bekleidet wie Artemis im Bade. Glaubst Du denn, daß ich Alldas nicht weiß? Man erzählt sich ja Alles unter Hetären. In der Nacht Deiner Ankunft in Alexandrien hat man mir von Dir gesprochen; und seitdem ist kein Tag verflossen, ohne daß man Deinen Namen vor mir ausgesprochen hätte. Ich weiß sogar Dinge, die Du vergessen hast. Ich weiß sogar Dinge, die Du noch nicht kennst. Die arme kleine Phyllis hat sich vorgestern am Riegel Deiner Thür erhängt, nicht wahr? Nun, es ist eine Mode, die anfängt sich zu verbreiten. Lydé hat es ebenso wie Phyllis gemacht: ich habe sie heute Abend im Vorbeigehen gesehen; sie war ganz blau, aber die Thränen ihrer Augen waren noch nicht trocken. Du weißt nicht, wer das ist, Lydé? Ein Kind, eine kleine Buhlerin von fünfzehn Jahren, von ihrer Mutter im vergangenen Monat an einem Rheder von Samos verkauft, der eine Nacht in Alexandrien verbrachte, bevor er den Fluß bis nach Theben hinauffuhr. Sie hatte die Gewohnheit zu mir zu kommen. Ich gab ihr gute Rathschläge; sie wußte absolut nichts, nicht einmal Würfel spielen kannte sie. Ich lud sie oft in mein Bett ein, weil sie, wenn sie keinen Geliebten hatte, nicht wußte wo sie schlafen sollte. Und sie liebte Dich! Wenn Du gesehen hättest, wie sie mich an sich zog, indem sie Deinen Namen nannte! ... Sie wollte Dir schreiben. Versteht Du? Ich habe ihr gesagt, daß es nicht der Mühe werth sei ...«

Demetrios blickte sie an, ohne zu hören.

»Ja, das Alles ist Dir ganz gleichgültig, nicht wahr? fuhr Chrysis fort. Denn Du liebtest sie nicht. Mich liebst Du. Du hast nicht einmal angehört, was ich Dir soeben sagte. Ich bin sicher, daß Du nicht ein einziges Wort wiederholen könntest. Du bist sehr beschäftigt zu erfahren, wie meine Augenlider beschaffen sind, wie mein Mund köstlich, und mein Haar lieblich zu berühren sein muß. Ach! wie viele Andere giebt es, die das wissen! Alle, Alle die, welche Verlangen nach mir hatten, haben es auf mir gestillt: Männer, Jünglinge, Greise, Kinder, Frauen, Mädchen. Ich habe Niemanden zurückgewiesen, hörst Du wohl? Seit sieben Jahren, Demetrios, habe ich nur drei Nächte allein geschlafen. Rechne aus, wie viel Liebhaber das macht? Zweitausend fünfhundert, und mehr, denn ich spreche nicht von denjenigen, die ich des Tages hatte. Im vorigen Jahr habe ich nackt vor zwanzigtausend Personen getanzt, und ich weiß, daß Du nicht dabei warst. Glaubst Du, daß ich mich verberge? Ach, weßhalb denn? Alle Frauen haben mich im Bade gesehen. Alle Männer haben mich im Bett gesehen. Du allein wirst mich nie sehen. Ich weise Dich zurück, ich weise Dich zurück! Von dem was ich bin, von dem was ich fühle, von meiner Schönheit, von meiner Liebe wirst Du niemals, niemals Etwas wissen! Du bist ein abscheulicher Mensch, Du bist dünkelhaft, grausam, gefühllos und feig! Ich weiß nicht, warum nicht Eine von uns genügenden Hasses fähig war, um Euch beide zu tödten, den Einen auf der Anderen: Dich zuerst und dann Deine Königin.«

Demetrios nahm ihr ruhig die beiden Arme, und ohne ein Wort zu erwidern, beugte er sie mit Gewalt zurück.

Einen Augenblick wurde es ihr bange; aber plötzlich drückte sie die Kniee zusammen und preßte die Ellenbogen an einander und mit dem Oberkörper zurückweichend sagte sie:

»Ha! das fürchte ich nicht, Demetrios! Du wirst mich nie mit Gewalt bekommen, wäre ich auch schwach wie eine verliebte Jungfrau und Du stark wie ein Atlas. Du suchst nicht nur Deinen eigenen Genuß, Du willst besonders den meinen. Du willst mich auch sehen, mich ganz sehen, weil Du mich für schön hältst und ich bin es thatsächlich. Und der Mond erleuchtet weniger als meine zwölf Wachskerzen. Hier ist es fast dunkle Nacht. Es ist auch nicht üblich, sich am Strande zu entkleiden. Ich könnte mich nicht wieder ankleiden, wenn ich meine Sklavin nicht da hätte. Laß mich los, Du thust mir am Arme weh.«

Sie schwiegen einige Augenblicke, dann begann Demetrios von Neuem:

»Wir müssen ein Ende machen, Chrysis. Du weißt es wohl, ich werde Dich nicht zwingen. Aber laß mich Dir folgen. So hochmüthig Du auch seist, es ist ein Ruhm, den Du theuer bezahlen wirst, Demetrios zurückzuweisen.«

Chrysis schwieg immer noch.

Sanfter begann er von Neuem:

»Was fürchtest Du?

– Du bist an die Liebe der Anderen gewöhnt. Weißt Du, was man einer Hetäre geben soll, die nicht liebt?

Er wurde ungeduldig.

»Ich verlange nicht, daß Du mich liebst. Ich bin es müde geliebt zu werden. Ich will nicht geliebt werden. Ich verlange nur, daß Du dich hingibst. Dafür werde ich Dir alles Gold der Welt geben. Ich habe es in Aegypten.

– Ich habe es in meinem Haar. Ich bin des Goldes überdrüssig. Ich will kein Gold. Ich will nur drei Dinge. Wirst Du mir sie geben?«

Demetrios fühlte, daß sie das Unmögliche verlangen würde. Er schaute sie beklommen an. Doch sie begann zu lächeln und sagte langsam:

»Ich will einen Silberspiegel, um meine Augen in meinen Augen zu betrachten.

– Du wirst ihn haben. Was willst Du mehr? Sage schnell.

– Ich will einen Kamm aus geschnitztem Elfenbein, um ihn in mein Haar zu tauchen, wie ein Netz in das Wasser bei Sonnenschein.

– Dann?

– Du wirst mir den Kamm geben?

– Natürlich ja. Sprich zu Ende.

– Ich will ein Halsband aus Perlen, um es auf meiner Brust auszubreiten, wenn ich für Dich, in meinem Gemache die Hochzeitstänze meines Landes tanzen werde.

Er hob die Augenbrauen:

– Ist das Alles?

– Wirst Du mir das Halsband geben?

– Dasjenige, welches Dir gefallen wird.

Sie nahm eine sehr zärtliche Stimme an.

– Welches mir gefallen wird? Ha! das ist es gerade, was ich von Dir verlangen wollte. Wirst Du mich meine Geschenke wählen lassen?

– Versteht sich.

– Schwörst Du es?

– Ich schwöre.

– Welchen Schwur leistest Du?

– Schreibe mir ihn vor.

– Bei der Aphrodite, die Du gemeißelt hast.

– Ich schwöre bei der Aphrodite. Aber weßhalb diese Vorsicht?

– Nun... Ich war nicht ruhig... Jetzt bin ich es.

Sie hob den Kopf und sagte:

– Ich habe meine Geschenke gewählt.

Demetrios wurde wieder unruhig und fragte:

– Schon?

– Ja... Glaubst Du, ich würde irgend welchen Silberspiegel annehmen, den Du von einem Händler aus Smyrna oder von einer unbekannten Hetäre kaufen würdest? Ich will denjenigen meiner Freundin Bacchis, welche mir vergangene Woche meinen Geliebten genommen hat und in einem kleinen Gelage, das sie mit Tryphaera, Mousarion und einigen jungen Gecken hielt, die mir Alles wieder erzählt haben, mich boshaft ausgelacht hat. Es ist ein Spiegel, der ihr sehr theuer ist, weil er Rhodopis gehört hat, Rhodopis, die mit Aesop Sklavin war und durch den Bruder der Sappho freigekauft wurde. Du weißt, daß sie eine berühmte Hetäre ist. Ihr Spiegel ist herrlich. Man sagt, daß Sappho sich darin beschaut hat, und darum ist er Bacchis so theuer. Sie hat nichts Kostbareres in der Welt, aber ich weiß, wo Du ihn finden wirst. Sie hat es mir in einer Nacht gesagt, als sie trunken war. Er liegt unter dem dritten Stein des Haus-Altars. Dort verbirgt sie ihn jeden Abend, wenn sie bei Sonnenuntergang ausgeht. Gehe morgen zu dieser Stunde hin und sei unbesorgt: sie führt ihre Sklavinen mit.

– Das ist ja Wahnsinn! rief Demetrios aus. Soll ich denn stehlen?

– Liebst Du mich nicht? Ich glaubte, daß Du mich liebest. Und dann, hast Du nicht geschworen? Ich glaubte, Du hättest geschworen. Wenn ich mich geirrt habe, sprechen wir nicht weiter davon.«

Er begriff, daß sie ihn ins Verderben trieb, aber er ließ sich kampflos, fast willig fortreißen.

»Was Du willst, werde ich thun«, antwortete er.

– Oh! ich weiß wohl, daß Du es thun wirst. Aber Du zögerst noch. Ich begreife, daß Du zögerst. Es ist kein gewöhnliches Geschenk; von einem Philosophen würde ich es nicht verlangen. Aber von Dir verlange ich es. Ich weiß wohl, daß Du es mir geben wirst.

Sie spielte einen Augenblick mit den Pfauenfedern ihres runden Fächers und sagte dann plötzlich:

»Ha! ... ich will auch keinen gewöhnlichen Elfenbeinkamm, der bei einem Verkäufer der Stadt zu kaufen ist. Du hast mir gesagt, ich könne wählen, nicht wahr? Nun, ich will ... ich will den Kamm aus geschnitztem Elfenbein, der in den Haaren der Gattin des Hohenpriesters steckt. Der ist noch viel kostbarer, als der Spiegel der Rhodopis. Er kommt von einer Königin Aegyptens, welche vor langer, langer Zeit gelebt hat und deren Name so schwer ist, daß ich ihn nicht aussprechen kann. Das Elfenbein ist denn auch sehr alt, und so gelb als wäre es vergoldet. Es ist ein junges Mädchen hineinziseliert worden, das einen Tümpel mit Lotosblumen durchwatet. Die Lotosblumen sind größer als das Mädchen und es geht auf den Zehen, um nicht naß zu werden ... Es ist wirklich ein schöner Kamm ... ich bin froh, daß Du mir ihn giebst. Ich habe mich auch ein wenig gegen die Besitzerin des Kammes zu beschweren. Vorigen Monat habe ich der Aphrodite einen blauen Schleier dargebracht; und am nächsten Tage habe ich ihn auf dem Kopfe dieser Frau gesehen. Das ist etwas schnell gegangen und ich grollte ihr deshalb. Ihr Kamm wird mich für meinen Schleier rächen.

– Und wie werde ich ihn bekommen? fragte Demetrios.

– Ach! Das wird ein wenig schwieriger sein. Du weißt, daß sie eine Aegypterin ist; sie sticht ihre zweihundert Zöpfchen nur ein Mal im Jahr, wie die anderen Frauen ihrer Rasse. Aber ich will meinen Kamm morgen haben, und Du wirst sie tödten, um ihn zu erhalten. Du hast einen Schwur geleistet.

Sie machte Demetrios ein Mäulchen, weil dieser zur Erde schaute. Dann schloß sie sehr schnell:

»Ich habe auch mein Halsband gewählt. Ich will das Halsband mit sieben Perlenreihen, das den Hals der Aphrodite schmückt.«

Demetrios fuhr auf.

»Ha! das ist zu viel! Du wirst mich nicht bis zu Ende zum Besten haben! Nichts, hörst Du, nichts! weder Spiegel, noch Kamm, noch Halsband sollst Du haben ...«

Doch sie schloß ihm den Mund mit der Hand und fuhr mit ihrer einschmeichelnden Stimme fort:

»Sage das nicht. Du weißt wohl, daß Du mir auch das Halsband geben wirst. Ich bin dessen ganz sicher. Ich werde die drei Geschenke erhalten ... Du wirst morgen Abend zu mir kommen, und übermorgen, wenn Du willst, und jeden Abend. Zu Deiner Stunde werde ich da sein, in dem Kostüm, das Du liebst, nach Deinem Geschmacke geschminkt, nach Deinem Belieben gekämmt, zu allen Deinen Launen bereit. Wenn Du nur Zärtlichkeit willst, werde ich Dich wie ein Kind lieben. Wenn Du seltene Sinneslüste suchst, werde ich Dir selbst die schmerzhaftesten nicht verweigern. Wenn Du Schweigen verlangst, werde ich still sein ... Wenn Du mich singen hören willst, ha! Du wirst sehen, Geliebter! ich kenne Lieder aus allen Ländern. Ich weiß solche, die lieblich sind wie das Plätschern der Quelle, andere, die furchtbar sind, wie das Herannahen des Donners. Ich weiß so naive und frische, daß ein junges Mädchen sie ihrer Mutter singen würde und ich weiß solche, die man nicht in Lampsach singen würde; ich weiß solche, welche Elephantis zum Erröthen gebracht hätten und welche ich nur ganz leise zu singen wagen würde. In den Nächten, wo Du wünschen wirst, daß ich tanze, werde ich bis zum Morgen tanzen. Ich werde angekleidet tanzen, mit meiner schleppenden Tunika, oder unter durchsichtigen Schleiern, oder mit durchbrochenen Beinkleidern und einem Leibchen mit zwei Öffnungen, um die Brüste durchzulassen. Doch ich habe Dir versprochen nackt zu tanzen? Ich werde nackt tanzen, wenn Du es lieber siehst. Nackt und mit Blumen in den Haaren, oder nackt, mit wallendem Haar, und bemalt wie ein heiliges Bild. Ich verstehe es die Hände zu wiegen, die Arme abzurunden, die Brust zu schütteln, den Bauch zu bewegen. Ich tanze auf den Fußspitzen, oder auf dem Teppich liegend. Ich kenne alle Tänze der Aphrodite, solche, die man vor der Urania tanzt, und solche, die man vor der Astarte tanzt. Ich kenne sogar solche, die man sich nicht zu tanzen getraut ... Ich werde Dir alle Liebestänze vorführen ... Wenn ich damit zu Ende bin, wird Alles von Neuem beginnen. Du wirst sehen. Die Königin ist reicher als ich, aber im ganzen Palaste ist kein Gemach, welches so von Liebe erfüllt ist, wie das meine. Ich sage Dir nicht, was Du dort finden wirst. Es giebt dort Dinge, welche zu schön sind, als daß ich Dir eine Vorstellung davon geben könnte, und andere, die so schmählich sind, daß ich keine Worte finde, um sie zu sagen. Und dann, weißt Du, was Du noch sehen wirst, und was alles Andere übertrifft? Du wirst Chrysis sehen, Chrysis, die Du liebst, und die Du noch nicht kennst. Ja, Du hast nur mein Gesicht gesehen. Du weißt nicht, wie schön ich bin. Ha! Ha! ... Ha! Ha! Du wirst Überraschungen erleben! ... Ha! wie Du mit den Spitzen meiner Brüste spielen wirst, wie sich meine Taille in Deinem Arme biegen wird, wie Du in der Pressung meiner Kniee zittern wirst, wie Du auf meinem bewegten Körper hinsterben wirst. Und wie süß wird mein Mund Dir sein! Ach! meine Küsse ...«

Demetrios warf ihr einen trostlosen Blick zu.

Zärtlich begann sie von Neuem:

»Wie, Du willst mir nicht einmal einen armseligen alten Silberspiegel geben. Du, der all mein Haar, wie einen Wald von Gold, in den Händen haben wird?«

Demetrios wollte sie berühren ... Sie trat zurück und sagte:

»Morgen!«

– Du wirst ihn erhalten, murmelte er.

– Und Du willst nicht einen kleinen Elfenbeinkamm für mich stehlen, der mir gefällt? Du, der meine beiden Arme wie zwei Elfenbeinzweige um Deinen Hals haben wird?«

Er versuchte sie zu liebkosen ... sie zog sie zurück, und wiederholte:

»Morgen!

– Ich werde Dir ihn bringen, sagte er sehr leise.

– Ha! ich wußte es wohl, rief die Hetäre, und Du wirst mir auch das Halsband mit sieben Reihen Perlen geben, das am Halse der Aphrodite hängt, und dafür werde ich Dir meinen ganzen Körper verkaufen, der wie eine halbgeöffnete Perlenmuschel ist, und mehr Küsse in Deinen Mund, als es Perlen im Meere giebt!«

Demetrios neigte flehend sein Haupt zu ihr ... Sie beherrschte seinen Blick und bot ihm ihre wollüstigen Lippen ...

Als er die Augen wieder öffnete, war sie schon weit fort.

Ein kleiner, fahler Schatten eilte hinter ihrem wallenden Schleier einher.

Schwankend schlug er den Weg zur Stadt ein, die Stirne unter einer unaussprechlichen Schmach beugend.


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