Pierre Loti
Reise durch Persien
Pierre Loti

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Vierter Teil

Auf einem Stück Papier, das ich im ersten Augenblick der Belagerung meinem treuesten Perser anvertraute, hatte ich in meiner Not einige Worte an den einzigen Europäer, der in Ispahan wohnt, an den Fürsten D..., den russischen Generalkonsul, gekritzelt. Mein belagertes Haus liegt zufälligerweise dem seinen ungefähr gegenüber, und alsbald sehe ich zwei kosakische Kerle, in der offiziellen großen Livree gekleidet, herbeieilen, alles verneigt sich vor ihnen. Man hat sie mir schleunigst gesandt, und sie überbringen mir jetzt die liebenswürdigste Einladung des Fürsten, bei ihm abzusteigen, und trotz der Furcht, unbescheiden zu erscheinen, bleibt mir wirklich nichts weiter übrig, als die Einladung anzunehmen. Ich willige also ein, den Platz zu räumen und mit erhobenem Haupte den beiden silbergalonierten Befreiern zu folgen, während die Menge, die im Grunde nicht bösartig, sondern vielmehr kindlich ist, mir eigenhändig mein Gepäck nachträgt. Im Hintergrunde eines großen Gartens – der natürlich voller Rosen, selbstverständlich aber hoch umfriedigt ist – liegt ein geräumiges, reinliches, helles Haus, und ich empfinde es als seltsames Wohlbehagen, als ein wunderbares Gefühl der Ruhe, daß ich mich nach dem täglichen Aufenthalt in den Lehmhöhlen, in dem Durcheinander der Karawansereien, plötzlich in einer Wohnung von europäischem Komfort, umgeben von orientalischem Luxus wiederfinde. Der Fürst und die Fürstin D... sind übrigens reizende Wirte, sie verstehen es, mich vom ersten Augenblick an fühlen zu lassen, daß ich ihnen nicht ein zufällig aufgelesener Wegelagerer, sondern ein erwarteter, willkommener Freund bin.

Sonntag, 13. Mai.

Spät wache ich auf, beim Gezwitscher der Vögel, und noch bevor mir das Bewußtsein ganz zurückgekehrt ist, habe ich ein Gefühl der Sicherheit und der Muße: der Tcharvadar wird mich heute morgen nicht zum Aufbruch anspornen; ich brauche mich nicht auf den Weg zu machen, brauche nicht auf schlechten Pfaden, über Spalten und Risse dahinzureiten. Mich umgeben nicht mehr die durchlöcherten, schwärzlichen Mauern, nicht mehr Erde und Unrat; das Zimmer ist geräumig und weiß, hat breite Diwans und bunte orientalische Teppiche. Der Garten vor meiner Tür ist ein einziges, großes Rosenbeet, einige gelbe Ginsterpflanzen, die an verschiedenen Stellen in goldenen Büscheln hervorspringen, beleben es, und darüber wölbt sich ein Maienhimmel so klar, so tief, wie man ihn in anderen Gegenden kaum kennt. Die Vögel, Bachstelzen, Meisen, Nachtigallen tragen ihr bräutliches Lied bis an die Schwelle meiner Tür. In der Luft zittert gleichsam der Rausch des Lenzes; es ist die große Schönheit des persischen Frühlings, die so bald vor dem sengenden Sommer entflieht, es ist die wilde Begeisterung der Rosenzeit zu Ispahan, die nicht schnell genug ihre Säfte verschwenden kann, die in wenigen Tagen alle ihre Blüten, ihren ganzen Wohlgeruch ausströmen muß.

Außerdem habe ich beim Erwachen das Gefühl, daß jetzt der schwierige Teil der Reise überstanden ist, – daß jetzt – glücklicherweise und leider! – Persien und die Wüsten hinter uns liegen. Ispahan ist eine der letzten Etappen auf dem gefährlichen Wege, denn es steht in Verbindung mit dem Norden, mit Teheran und dem Kaspischen Meer, über das ich den Heimweg antreten werde; die Furcht vor den Räubern ist jetzt überflüssig, und die Pfade, auf denen die Karawanen dahinziehen, können nicht mehr so ganz unmöglich sein, denn man weiß schon von Reisenden zu erzählen, die diese Strecken zu Wagen zurückgelegt haben sollen.

Was meinen Aufenthalt hier anbetrifft, so brauche ich keine Belästigungen zu befürchten, da ich unter dem Schutz der russischen Fahne stehe. Aber die Leute in Ispahan scheinen den Fremden nicht so günstig gesonnen zu sein wie die Bevölkerung in Chiraz oder in Koumichah, wenn ich spazieren gehe, wird mir jedesmal eine Wache mitgegeben, ebensosehr des Schutzes wie des Anstandes wegen: zwei mit Stöcken bewaffnete Soldaten eröffnen den Marsch; hinter ihnen ein galonierter Kosak in der Livree des Fürsten. Und in diesem Aufzug verlasse ich heute, an einem schönen Maienmorgen, zum erstenmal das Haus, um den KaiserplatzMeïdan Schah. zu besuchen, das Wunder der Stadt, das im siebzehnten Jahrhundert von den ersten Europäern, die hier eindringen durften, so sehr angestaunt wurde.

Nachdem wir durch mehrere gewundene Gäßchen über Löcher und Trümmerhaufen dahingeeilt sind, umgibt uns von neuem der ewige Schatten der Basare. Das Gewölbe, das wir jetzt erreicht haben, gehört den Schneidern; Burnusse, blaue Kleider, grüne Kleider, Kleider aus buntem Kaschmir werden hier in einer Art von Kathedrale, die unendlich lang und wohl dreißig bis vierzig Fuß hoch ist, genäht und verkauft. Ein ganz mit Emaillemosaik ausgelegter Bogen zeigt von der Erde bis zur äußersten Spitze des Gewölbes eine Öffnung, durch die wir plötzlich den Platz Ispahans vor uns liegen sehen, der in keiner europäischen Stadt seinesgleichen findet, weder was die Größe, noch was die Pracht anbelangt. Er ist im reinen Rechteck erbaut, wird von gleichmäßigen Gebäuden eingerahmt und hat eine so gewaltige Ausdehnung, daß die Karawanen, die langen Reihen der Kamele, die Züge, die ihn in diesem Augenblick unter einem wunderbar strahlenden Morgenhimmel kreuzen, daß dies alles sich hier zu verlieren scheint; seine vier Seiten werden zum größten Teil von den langen, geraden Schiffen der Basare gebildet, mit ihren übereinander liegenden, riesengroßen, gemauerten Spitzbogen aus graurotem Stein, die sich in eintönigen, endlosen Reihen dahinziehen; aber, um diese zu große Gleichgültigkeit der Linien zu unterbrechen, leuchten die seltsamen, herrlichen Gebäude uns gleich kostbaren Porzellanstücken von verschiedenen Seiten entgegen. Im Hintergrunde, in majestätischer Zurückgezogenheit und doch im Mittelpunkt von allem, liegt die kaiserliche MoscheeDie Masjed Chah.. Alles ist aus blauem Lapislazuli, aus blauem Türkis, ihre Kuppeln, ihre Portale, ihre ungeheuren Spitzbogen, ihre vier Minaretts, die gleich riesengroßen Spindeln in die Luft hineinragen. Mitten auf der rechten Seite sieht man den Palast des großen Kaisers, den Palast des Schah Abbas, seine schlanke Säulenhalle im alten assyrischen Stil, die auf einem dreißig Fuß hohen Sockel ruht, hebt sich wie etwas Leichtes, Luftförmiges in dem leeren Räume ab. Auf unserer Seite blitzen die Minaretts, die Kuppeln aus gelber Glasur auf, hier liegt die alte Freitagsmoschee, eine der heiligsten und der ältesten in ganz IranDie Masjed Djummah.. Und dann überall in der Ferne andere blaue Kuppeln, andere blaue Minaretts, andere blaue Türme, von Tauben umkreist, sie tauchen zwischen den Wipfeln der Platanen auf. Und schließlich am äußersten Rande der Ebene umrahmen die Berge dies große Bild mit ihren leuchtenden Schneezacken.

In Persien, wo vor undenkbaren Zeiten die Leute die gewaltige Arbeit der Bewässerung unternahmen, um ihre Wüsten fruchtbar zu machen, geht nichts ohne fließendes Wasser; so sieht man auch hier zu beiden Seiten des großartigen Platzes klare Bäche durch weiße marmorne Rinnen dahineilen; sie kommen aus weiter Ferne und speisen zwei Alleen und Rosengebüsche. Und dort unter kleinen Zelten rauchen die vielen müßigen Träumer ihre Kalyan und trinken ihren Tee; die einen kauern auf der Erde, die anderen sitzen auf Bänken, die sie über den Bach gelegt haben, um in nächster Nähe den kühlen Hauch genießen zu können, den die kleine vorüberfließende Welle mit sich bringt. Hunderte von Leuten, die verschiedensten Tiere bewegen sich auf diesem Platz, ohne ihn doch jemals ganz zu füllen, denn er ist unendlich groß, und immer liegt seine Mitte fast ganz verlassen, in ein Meer von Licht gebadet, da. Schöne Reiter führen ihre Pferde im Galopp vor – im persischen Galopp, wo sie mit straffen Zügeln dem Hals ihres Pferdes die Biegung eines Schwanenhalses geben. Scharen von turbangekleideten Männern verlassen nach der Morgenandacht die Moscheen, sie erscheinen zuerst in den großen, wahnsinnig blauen Portalen und verlieren sich dann in der Sonne. Kamele ziehen langsam vorüber, Truppen kleiner, mit schweren Lasten beladener Esel trippeln heran. Gespensterhafte Damen reiten auf ihren weißen Eselinnen spazieren, in der Hand haben sie überaus prächtige Gerten aus gesticktem Samt mit goldenen Fransen besetzt. – Und doch, wie jämmerlich würde dies Treiben, würden die heutigen Trachten sich neben dem machen, was man auf demselben Platze unter der Herrschaft des großen Kaisers sehen konnte, als die Vorstadt Djoulfa noch mit Reichtümern überschwemmt war! Zu seiner Zeit floß alles Geld Asiens nach Ispahan; die Glasurpaläste schossen so schnell wie das Maiengras aus der Erde hervor; und Kleider aus Brokat, Kleider aus gold- und silbergewirkten Stoffen wurden tagtäglich auf den Straßen getragen, ebenso wie die Agraffen aus kostbaren Steinen. Wenn man näher hinsieht, so ist man entsetzt über den Verfall aller dieser Gebäude, die beim ersten Anblick noch so glanzvoll erschienen! – Dort oben, die schöne luftförmige Säulenhalle des Schah Abbas hat sich unter dem Dach, das schon einzustürzen beginnt, geneigt. An der Seite, wo die winterlichen Winde wehen, sind alle Minaretts der Moscheen, alle Kuppeln zur Hälfte ihres geduldigen Fayencemosaiks beraubt und scheinen von einem grauen Aussatz angenagt zu sein; mit der Fahrlässigkeit, die den Persern eigen ist, lassen sie dem Verfall seinen Lauf; und außerdem wäre dies alles heute auch nicht mehr auszubessern: man hat weder das nötige Geld noch die Zeit, und das Geheimnis dieses wunderbaren Blaus ist seit langen Jahren verloren. Man bessert also nichts aus, und dieser einzig dastehende Platz, der mehr als dreihundert Jahre alt ist, wird niemals den Schluß des Jahrhunderts erleben, in das wir jetzt hineingehen.

Wie Chiraz die Stadt Kerim-Khans war, so ist Ispahan die Stadt des Schah-Abbas. Jederzeit ist es den Herrschern Persiens eine Kleinigkeit gewesen, ihre Hauptstadt zu wechseln, auch dieser Prinz entschloß sich ungefähr im Jahre 1565, hier seinen Hof zu errichten und aus dieser schon sehr alten und außerdem durch den Durchzug des Tamerlan fast ganz verödeten Stadt etwas zu machen, was die Welt in Erstaunen setzen würde. Zu einer Zeit, wo wir selbst im Westen an enge Plätze, an winkelige Gäßchen gewohnt waren, ein ganzes Jahrhundert, bevor man die stolzen Perspektiven Versailles' erschuf, hat dieser Orientale das großartige Ebenmaß, die Entfaltung dar Alleen ersonnen und geschaffen, die noch nie ein Mensch nachzuahmen verstanden hat. Das neue Ispahan, das aus seinen Händen hervorging, widersprach allen Vorstellungen, die man sich damals über den Entwurf der Grundrisse machte, und heute rufen seine Ruinen auf diesem persischen Boden den Eindruck einer großen Ausnahme hervor. Es erschiene mir natürlich, wenn ich, wie in Chiraz, mich im Schatten neben den friedlichen Leuten niederließ, die eine Rose zwischen den Fingern halten; aber meine Ehrenwache ist mir lästig, und außerdem wäre es hier scheinbar gar nicht möglich: man würde mir den Tee mit Verachtung reichen, würde mir die Kalyan verweigern.

So laßt uns vorwärts wandern, da mir die süße Trägheit der Muselmänner versagt ist.

Um die kleine Sahara der Mitte zu vermeiden, halten wir uns am äußersten Rand des Platzes, wir schreiten an der endlosen Flucht der großen gemauerten Arkaden vorüber, damit ich mich wenigstens der kaiserlichen Moschee nähern kann, deren riesenhaftes Portal dort hinten mich wie der zauberhafte Eingang zu einer blauen Grotte anzieht! In dem Maße, wie wir vorwärts schreiten, scheinen die Minaretts und die Kuppel des tiefen Heiligtums – all das, was hinter dem Vorhof beschützt und geheiligt daliegt – scheinen die Gegenstände zu entweichen, zu verschwinden, während ich mich immer mehr dem Portale nähere, dem Spitzbogen, der sich in seinem Mauergeviert, mit seinen seltsam leuchtenden Fayenzen, so hoch wie ein Triumphbogen erhebt. Steht man unter diesem gewaltigen Tor, so sieht man einen Wasserfall von blauem Stalaktit von dem Gewölbe herabstürzen, er teilt sich in regelmäßige Wassergarben, dann in symmetrische Strahlen und gleitet an den inneren Mauern herab, die mit wunderbarer blauer, grüner, gelber und weißer Emaille bestickt sind. Diese herrlich glänzenden Muster stellen Blumenzweige dar, durch die sich feine, weiße, religiöse Inschriften ziehen, darunter sieht man ein Gewirr von Arabesken in den verschiedensten Türkisschattierungen. Die Wasserfälle, die Ströme von Stalaktit oder Schlüsselstein, stürzen von dem Gewölbe herab, fließen bis zu den kleinen Säulen herab, wo sie sich schließlich ausruhen; auf diese Weise bilden sie ganze Reihen kleiner, wunderbar fein ausgezackter Bogen, die sich in einer harmonischen Verschlingung unter dem riesengroßen Hauptbogen reihen. Das Ganze, unbeschreiblich verworren, unbeschreiblich glänzend, mit seinen Farben, die den Edelsteinen anzugehören scheinen, ruft doch den Eindruck der Ruhe und der Einheit hervor, sobald man sich unter seinem kühlen Schatten befindet. Und im Hintergrunde dieses Peristyls liegt die Tür, die den Christen verschlossen bleibt, die Tür der heiligen Stätte, sie ist breit und hoch, aber man könnte sie klein nennen, so erdrückend wirkt der Umfang des Eingangsportals; sie ist eingelassen in die dicken, mit lapislazulifarbener Glasur bekleideten Wände; sie scheint in einem Reich zu versinken, wo das Blau allein herrscht.

Als ich in die russische Gesandtschaft zurückkehre, ist das Tor, das einzige in der Mauer, mit alten goldenen Stickereien, mit alten Gebetsteppichen geschmückt, die man aufs Geratewohl, wie für eine vorüberziehende Prozession, mit Nadeln an der Wand befestigt hat. Scheinbar will man mich hiermit locken, die armenischen und jüdischen Kaufleute haben von der Ankunft eines Fremden Wind bekommen und sind herbeigeeilt. Ich erbitte für sie die Erlaubnis, den Rosengarten betreten zu dürfen –, und von jetzt an gehört die Aufstellung der Kinkerlitzchen, die mir angeboten werden, die Handelsabschlüsse in den verschiedensten Sprachen, mit zu meinem morgendlichen Zeitvertreib.

Nachmittags spazieren meine mit Stöcken bewaffnete Begleitung und ich durch die Basare, wo stets ein gedämpftes Tageslicht und die angenehme Kühle der Gewölbe herrscht. Alle Gänge drohen einzustürzen, viele liegen verfallen, verlassen da; die Alleen, in denen die Verkäufer sich noch aufhalten, sind ihrer alten Pracht fast ganz beraubt, aber noch findet man dort die lärmende Menge, und tausend drollige, ins Auge fallende Gegenstände, die Plätze, wo diese Alleen sich kreuzen, sind stets von großen, herrlichen, hochschwebenden Kuppeln überdacht, durch deren Öffnung in der Mitte die hellen Strahlen persischer Sonne herniederfallen: Jeder dieser viereckigen Plätze hat seinen Springbrunnen, sein Marmorbassin, in das die Rosenhändler ihre schönen Sträuße tauchen, aus dem die Menschen, die Esel, die Kamele und die Hunde trinken.

Der Basar der Färber, der monumental, traurig und finster daliegt, erinnert an eine unendlich lange, mit schwarzem Tuch ausgeschlagene gotische Kirche, bis oben hinauf, bis zum Gewölbe hängen die Stoffe, von denen die Farbe herabtropft, – dunkles Blau für die Männerkleider, Schwarz für die Schleier der gespensterhaften Frauen.

In dem Basar der Kupferschmiede, der sich eine halbe Meile weit erstreckt und unaufhörlich von dem höllischen Lärm der Hämmer widerhallt, sind die anmutigsten Wasserkaraffen aufgestellt, und die kupfernen Schenkkannen, mit ihren schlanken, seltenen Formen, leuchten in neuem Glanz in den Schaufenstern der Läden, durch den rauchgeschwängerten Schatten hindurch.

Wie in Chiraz, so ist auch hier der Basar der Sattler der größte, er glitzerte von Stickereien, Goldperlen und Pailetten. Die verschiedenen orientalischen Gebrauchsgegenstände der Karawanenreisenden sind hier in ungezählten Mengen ausgestellt! Ledersäcke mit seidenen Stickereien verziert, stark vergoldete Pulverhörner, Kürbisflaschen mit Gehängen überladen; kleine Schalen aus ziseliertem Metall, mit deren Hilfe man das Quellwasser am Wege schöpft. Und dann folgen die Gerten aus Samt und Gold, sie sind für die weißen Eselinnen der Damen bestimmt, die paillettenbenähten Zaumzeuge der Pferde oder der Maultiere, die Glockenkränze, deren Geläute die wilden Tiere zurückschreckt. Und schließlich sieht man all das, was zu der wirklichen Eleganz der Kamele gehört: Perlenreihen, die durch die Nasenlöcher gezogen werden, Quersäcke mit bunten Fransen; Kopfstücke mit Glasperlen verziert, Federbüsche und kleine Spiegel, in denen die Sonnenstrahlen oder die Mondstrahlen während der Reise aufgefangen werden. Einer der großen Spitzbogen sendet uns plötzlich eine Flut von Licht entgegen, und wieder liegt der kaiserliche Platz vor uns, stets wirkt er ergreifend durch seine ungeheure Ausdehnung und seine Pracht, mit seinen regelmäßigen Arkadenreihen, seinen Moscheen, die mit gewaltigen glasierten Turbanen bedeckt zu sein scheinen, seinen spindelförmigen Minaretts, an denen sich von unten nach oben in spiralförmiger Linie weiße Raupen, wunderbar blaue Arabesken hinaufschlängeln.

Schnell wollen wir den großen Platz durchschreiten, der jetzt in der glühenden Sonnenhitze ganz verlassen daliegt, unter einem anderen, ähnlichen Spitzbogen suchen wir von neuem Schutz, tauchen wir von neuem in der Kühle der Gewölbe unter.

Der Basar, in dessen Schatten wir uns jetzt befinden, gehört den Bäckern. Hier herrscht eine glühende Temperatur, die Öfen sind in allen Läden geheizt; der Duft der gebackenen Naschwerks dringt uns entgegen. Viele Rosensträuße in den kleinen Schaufenstern, zwischen den Zuckersachen und den Torten; verschiedenfarbiger Sirup in Gläsern; Eingemachtes in großen, alten, chinesischen Porzellangefäßen, die unter der Herrschaft des Schah-Abbas hierher gekommen sind; eine Wolke von Fliegen. Ungezählte schwarze Frauen mit weißen Masken. Und vor allem die entzückenden Kinder, die man merkwürdigerweise ganz wie große Leute kleidet; kleine Knaben in langen Gewändern und gar zu hohen Hüten; kleine Mädchen mit gemalten Augen, niedlich wie Puppen anzuschauen, sie tragen überfallende Hemden, kurze Röcke und darunter Hosen.

Auf dem folgenden Platz, der ganz verfallen daliegt, bilden viele Menschen einen Kreis um den Springbrunnen: auf dem Rande des marmornen Beckens sitzt ein alter Derwisch und predigt; unter den Strahlen, die von der Kuppel herabfallen, leuchtet sein Bart und sein Haar weiß auf, er scheint hundert Jahre zu zählen, zwischen den knöchernen Fingern hält er eine Rose.

Und dann erreichen wir den Basar der Juweliere, niemand geht hier hindurch. Man verkauft ziseliertes Silber, Kästchen, Schalen, Spiegel, Kalyan-Karaffen; unter den trüben Scheiben der Kästen, um die man in höchster Vorsicht noch eine blaue seidene Schnur gewunden hat, liegen alte Schmucksachen zum Verkauf, aus Silber oder aus Gold, aus echten oder unechten Edelsteinen; dort sieht man auch ungezählte Agraffen, deren Bestimmung es ist, die kleine weiße, mit zwei Löchern versehene Maske, die das Gesicht der Frauen verhüllt, hinter dem Kopf zusammenzuhalten. Fast alle Kaufleute sind Greise mit weißen Bärten, sie hocken in dunklen Nischen, jeder hält seine kleine Wage in der Hand, auf der die Türkise abgewogen werden, und jeder verfolgt seinen Traum, den kaum ein Käufer stört. Der Staub, die Fledermäuse, die Spinngewebe, der schwarze Schutt sucht diesen verödeten Basar heim, wo doch so viele wunderbare Dinge schlafen.

Wir beschließen unseren Tag in einem ausgestorbenen, verfallenen Ispahan, das sich, je tiefer die Sonne sinkt, in immer dunklere Schatten hüllt. Es ist dies der gewaltige Stadtteil, in dem nach der afghanischen Verheerung, nach den Schrecken der großen Belagerung, die der Sultan Mahmoud vor bald zweihundert Jahren gegen die Mauren unternahm, alles Leben erstorben ist. Ispahan hat sich nach diesem zweiten, schrecklichen Sturm, der seine Einwohner von siebenhunderttausend auf kaum sechzigtausend zusammenschmelzen ließ, nie wieder aufrichten können, außerdem führte Kerim-Khan fast unmittelbar darauf den gänzlichen Verfall herbei, indem er die Hauptstadt des Kaiserreiches nach Chiraz verlegte. In einer Ausdehnung von mehr als einer Meile liegen die Häuser, die Paläste, die Basare verlassen da, alles bricht zusammen. Auf den Straßen, in den Moscheen haben die Füchse und die Schakale ihre Löcher gegraben und sich dort wohnlich niedergelassen; und hier und dort zerbröckelt die schöne Mosaik, zerbröckeln die schönen Fayencen und legen sich wie eine himmelblaue Asche auf die Steinhaufen, über die graue Erde. Abgesehen von einem Schakal, der uns in dem Eingang zu seiner Höhle seine spitze Schnauze zeigt, begegnen wir keinem lebenden Wesen, wir schreiten durch das kalte Schweigen dahin, und der einzige Laut, der an unser Ohr dringt, ist der Widerhall unserer Schritte und der Stöße, die meine beiden Wächter mit ihren Stöcken gegen die Steine führen. Aber überall blühen die Frühlingsblumen, Margueriten, Rittersporn, Mohn, Heckenrosen, auf dem Rand der Mauer bilden sich kleine bunte Gärten; der Tag geht klar und goldig zur Neige, in der Ferne dort hinten auf den Gipfeln erglühen die Schneegefilde in wunderbar zartem Rot, und bevor die Nacht hereinbricht, läßt das Licht noch einmal sein ganzes Farbenspiel über dieser Verwüstung leuchten.

Wir müssen spätestens um die Dämmerstunde zurückgekehrt sein, denn die alte Hauptstadt des Schah-Abbas kennt kein nächtliches Leben. Das Tor des fürstlichen Hauses wird bei Hereinbruch der Dunkelheit hermetisch verschlossen, und alsbald verriegelt man auch die alten, eisenbeschlagenen Türen, die die verschiedenen Stadtviertel voneinander trennen. Das unentwirrbare Labyrinth der Stadt, wo binnen kurzem vollständige Finsternis herrschen wird, zerlegt sich in unendlich viele, abgesonderte Teile, die bis zum Tagesanbruch in keiner Verbindung miteinander stehen. Das große Schweigen des Islam senkt sich über Ispahan herab.

Die Rosen durchschwängern die Nacht mit ihrem Duft, die Rosen des Gartens, der von hohen Mauern eingerahmt und geschützt daliegt; meine Zimmer gehen auf ihn hinaus. Kein Geräusch von Fußtritten dringt von draußen an mein Ohr, weil niemand sich mehr im Freien aufhält; kein Rollen der Räder, weil es hier keine Wagen gibt; nur von Zeit zu Zeit trägt die klare, klangreiche Luft uns die Töne kreischender, trauriger Stimmen zu; die Muezzine schmettern ihren Aufruf zum Gebet durch die Luft, die Nachtwächter schreien von dem einen geschlossenen Viertel zum anderen ihre Antwort hinüber; die wachenden Hunde bellen, die Schakale heulen in der Ferne. Und seltsam hell leuchten die Sterne; wir befinden uns noch immer in einer ziemlichen Höhe, ungefähr in derselben Luftlinie mit den Gipfeln der größten Berge Frankreichs.

Montag, 14. Mai.

Der Schah-Abbas wollte auch, daß seine Hauptstadt mit unvergleichlichen Gärten, mit wunderbaren Alleen geschmückt sei. Der Weg Tscharbag, eine der Straßen, die nach Djoulfa führt, und die der herrlichen Brücke folgt, auf der wir den ersten Tag zur Stadt hineinritten, war einst eine Promenade, wie es keine zweite auf Erden gab, man könnte sie die Champs-Elysée von Ispahan nennen, eine vierfache Plantagenreihe, eine halbe Meile lang, die drei gerade Alleen bildet; die Allee in der Mitte, für Reiter und Karawanen bestimmt, mit großen, regelmäßigen Fliesen gepflastert, die seitwärts gelegenen Alleen in ihrer ganzen Ausdehnung durch Springbrunnen, blühende Beete, durch Rosenhecken begrenzt, und am Rande, zu beiden Seiten, hatte man die offenen PalästeDiese Paläste, mit ihren Balkons, waren in erster Linie für die Frauen des Harems bestimmt, man erbaute acht und nannte sie: Die »Acht Paradiese«. erbaut, deren Mauern ganz mit Fayencen bekleidet, deren Decken mit Arabesken und vergoldetem Stalaktit geschmückt waren. Als bei uns der Hof des Sonnenkönigs von Anmut und Reichtum wiederstrahlte, war der Hof des Schahs von Persien der einzige, der sich mit ihm messen konnte. Kurz bevor Ispahan von den Barbaren des Westens überflutet wurde, erreichte es den Höhepunkt seines Glanzes, seiner verfeinerten Ausschmückung, und Tscharbag war der Ort, wo sich alle Anmut – wie sie nicht einmal Versailles gesehen haben kann – zusammenfand. Zu den Stunden der Parade strömten die verschleierten Schönen auf den Terrassen der Paläste herbei, um ihren Herren zuzuschauen, die auf den weißen Fliesen, zwischen den beiden, die Allee abgrenzenden Rosenhecken ihre Rosse tummelten. Die stolzen Pferde mit dem vergoldeten Sattelzeuge galoppierten in edler Haltung dahin, sie zeigten die starke Biegung des Halses, wie sie die Perser noch heute bei ihren Pferden erstreben. Und die schlanken Reiter trugen sehr enge, sehr anschmiegende Kleider aus Kaschmir oder aus golddurchwirktem Brokat; sie trugen Ringe und Armbänder, und ihr hoher Kopfputz war mit Agraffen geschmückt, sie glitzerten von Edelsteinen; die Fresken und die alten Miniaturen haben uns die Einzelheiten ihrer ein wenig dekadenten Moden überliefert, die in gutem Einklang mit dem ganzen Lebensbild jener Zeit, mit der wunderbaren, zarten Ausschmückung der Paläste, mit der unendlichen Duchsichtigkeit der Luft, mit dem großen Blütenreichtum standen.

Tscharbag, so wie es heute in der Sonne an diesem schönen Maienmorgen vor mir liegt, mutet es mich unsagbar traurig an, ein fast verödeter Verbindungsweg zwischen den beiden Trümmerhaufen Ispahan und Djoulfa. Die mehr als dreimal hundert Jahre alten Platanen sind zu Riesen herangewachsen, die absterben, die ihrer Krone beraubt sind. Die Fliesen zeigen große Risse, traurig schießt das Gras dort hervor. Die Wasserbassins sind ausgetrocknet oder haben sich in stagnierende Sümpfe verwandelt. Die blühenden Beete sind verschwunden, und die letzten Rosen bilden nur noch ein wildes Gestrüpp. Jeder, der Lust hat, kann die wenigen, noch aufrechtstehenden Paläste betreten, wo die empfindlichen Wände zu Staub zerfallen, und wo die Afghanen aus Fanatismus bei ihrer Ankunft die Gesichter der schönen, gemalten Damen auf den Fayencetafeln zertrümmert haben. Mit seinen noch lebenden Alleen ist Tscharbag, – der Zeuge eines ruhmvollen Jahrhunderts, das dem unseren noch nicht so fern liegt –, weit mehr von Heimweh befallen, als die Trümmer aus der ganz alten Vergangenheit.

Nach unserem Besuch, den wir der großen toten Allee abstatteten, kehren wir ins Innere von Ispahan zurück; unser Weg geht durch die Basare, wo es immer wundervoll kühl und schattig ist. Dort führte mich mein Begleiter zuerst zu den Seidenwebern, die die Brokatstoffe für die Feierkleider, die TaffetseidenEs ist bekannt, daß der Taffet aus Persien kommt, ebenso wie sein Name. anfertigen; im Hintergrunde trauriger, tief gelegener Wohnungen, in die nur ein wenig Licht aus der überdachten dunklen Straße fällt, sind die Webstühle aufgestellt. Und dann gelangen wir zu den Leuten, die die in den Oasen der Umgegend geerntete Baumwolle verarbeiten, und dann zu denen, die nach einem uralten Verfahren diese Stoffe mittels großer Platten aus graviertem Holz bedrucken. Es herrscht auch hier fast vollständiges Dunkel in dem unterirdischen Gemach, wo man die vielen tausend Wandbehänge (die stets das Portal einer Moschee darstellen) färbt, um sie dann, wie es seit undenkbaren Zeiten geschah, in dem Fluß zu spülen, und sie in der schönen Sonne, auf dem weißen Kies der Ufer zu trocknen.

Wir beschließen unsere Wanderung in dem Viertel der Fayencearbeiter; sehr eifrig sind diese noch damit beschäftigt, nach alten, unveränderten Mustern Blumen und Arabesken auf die Steine zu klecksen, die für die neuen persischen Häuser bestimmt sind. Aber weder diese Farben, noch die Glasur können mit denen der alten Kacheln verglichen werden. Besonders gibt es das Blau nicht mehr, das leuchtende, tiefe, fast übernatürliche Blau, das die Kuppeln der alten Moscheen in der Ferne wie Blöcke kostbarer Steine erscheinen ließ. Der Schah-Abbas, der die Kunst der Fayencen so allgemein bekannt gemacht hat, führte aus dem Innern Indiens und aus China seltene Kobalt- und Indigofarben ein, die man dann, nach einem heute nicht mehr bekannten Verfahren, einbrannte. Er hatte auch aus Europa und aus Peking Meister der Zeichenkunst zu sich entboten, und diese stellten, trotz des Korans, menschliche Gesichter neben die persischen Verzierungen. – So läßt es sich auch erklären, daß die glasierten Wandflächen in dem Hause des Fürsten Frauen der westlichen Renaissance mit Mediciskragen zeigen, und wieder andere Frauen mit ganz kleinen, geschlitzten Augen, die auf chinesische Art voller Anmut schön tun.

Meine beiden mit Stöcken bewaffneten Soldaten und mein schöner galonierter Kosak langweilen mich wirklich. Heute nachmittag habe ich mich entschlossen, sie mit Dank fortzuschicken und alleine umherzustreifen. Und was man mir auch sagen mag, ich will versuchen, mich jetzt, wo ich allmählich in Ispahan bekannt bin, auf einer der kleinen Bänke der Teehändler, am Ufer eines kühlen Baches des kaiserlichen Platzes, auf der schattigen Seite niederzulassen. Ich wußte es: man bringt mir ganz freundlich meine winzige Tasse Tee, meine Kalyan und eine Rose; mit meinen Freunden, den Muselmännern, wird man sich immer verständigen können, wenn man es nur anzufangen weiß.

Die Maiensonne brennt seit zwei oder drei Tagen wie Feuer hernieder, man sehnt sich nach dem kühlen Hauch des fließenden Wassers vor den kleinen Cafés, nach der Ruhe im Schatten der Zelte, oder der jungen Bäume. Es ist zwei Uhr; in der Mitte des ungeheuren Platzes, den eine Flut von weißem Licht überschwemmt, liegen nur einige nachlässig ausgestreckte Esel, knien nur einige Kamele im Staube. An beiden Enden des erhabenen, des toten Platzes, erheben sich die beiden großen Moscheen Ispahans und begrüßen sich aus weiter Ferne, sie lassen ihre bunten Kuppeln, ihre seltsamen, mit Arabesken verzierten Spindeln in den hellen Sonnenstrahlen leuchten: die eine sehr alt, sehr heilig, die Freitagsmoschee, ist mit gelbem Gold bekleidet, das durch ein wenig Grün noch mehr hervorgehoben wird; die andere, die Königin allen Blaus, des tiefen Blaus und des blassen Himmelblaus, ist die kaiserliche Moschee.

Bei Sonnenuntergang lenke ich meine Schritte nach der alten theologischen Schule der Muselmänner, »die Schule der Mutter des Schahs« genannt; der Fürst D... war so gütig gewesen, mir eine Begleitung zu geben, die mich bei dem leitenden Priester einführen konnte.

Es ist nicht nötig zu fragen, wer die breite, gerade Allee, die dorthin führt, erbaut hat: Natürlich der Schah-Abbas, stets der Schah-Abbas; alles, was in Ispahan von den winkeligen Gäßchen, wie man sie in den persischen Städten sieht, abweicht, war das Werk dieses Fürsten. Die schöne Allee wird von hundertjährigen Platanen eingerahmt, man hat ihre unteren Zweige nach persischer Art beschnitten, um ihre weißen, elfenbeinernen Stämme noch höher erscheinen zu lassen, und so gleichen sie, die sich erst nach dem Gipfel zu ausbreiten, erst dort oben dicht belaubt werden, in der Tat langen, schlanken Säulen. Zu beiden Seiten des Weges öffnen sich verfallene Tore, einst wurden sie von Fayencen eingerahmt, über sie hinaus ragt als Wappen Irans: Ein Löwe, der ein Schwert vor die Sonne hält.

Diese Universität – sie ist drei Jahrhunderte alt, und ihr Lehrplan ist derselbe, wie am ersten Tage – wurde mit einem Pomp erbaut, der diesem Volk der Denker und der Dichter, das seit alten Zeiten die Bildung des Geistes in Ehren hielt, würdig ist. Man wird sofort von dem wunderbaren Eingang geblendet; in einer glatten, weiß und blau emaillierten Mauer ist eine Art riesengroße Vertiefung eingelassen, eine Art Höhle, zu der sich ein hoher Spitzbogen öffnet, das Innere ist mit einem Regen von blauem und gelbem Stalaktit überzogen. Die Tür zeigt zwei Flügel aus Zedernholz, wohl fünfzehn bis achtzehn Fuß hoch, sie sind von oben bis unten mit einer feinen, silbernen Panzerung bedeckt, mit getriebenem, ziselierten Silber, durch dessen Netz von Arabesken und Rosen sich purpurrote religiöse Inschriften hindurchziehen. Diese Kunstarbeiten haben selbstverständlich unter dem Zahn der Zeit, unter der afghanischen Verheerung gelitten, sie sind abgenutzt, verbeult, stellenweise abgerissen, sie erinnern in traurigster Weise an eine nie wiederkehrende Zeit des wahnsinnigsten Luxus und der ausgesuchtesten Verfeinerung.

Wenn man durch dies ausgezackte Gewölbe in einen monumentalen Vorhof tritt, auf den der Garten folgt, sieht man, wie sich das Gerinnsel des Stalaktit in regelmäßige Arme teilt, die an den inneren Mauern herunterlaufen, ihre Emaillen zeigen ein phantastisches blaues Laubwerk, das von Inschriften, von alten Sprüchen in bläulichen, in weißen Buchstaben durchzogen wird; im Hintergrunde liegt der Garten, von einer gewaltigen Fayencebucht eingeschlossen; ein trauriges Eden, wo die Rosensträuche, die Rosenbüsche im Schatten der dreihundert Jahre alten Platanen blühen. Zu beiden Seiten des Pfades, der zu irgendeinem Zauberschloß zu führen scheint, haben die bescheidenen, kleinen Zuckerwerk-, Erdbeeren- und Teehändler ihre Tische, ihre rosengeschmückten Platten aufgestellt. Und wir begegnen einer Schar Studenten, die das Schulgebäude verlassen, junge Leute mit fanatischem, eigensinniges Blick, mit dunklen Gesichtern unter den großen Priesterturbanen.

Der Garten ist ein Viereck, wird von wohl fünfzig Fuß hohen glasierten Mauern eingeschlossen, und ehrwürdige Platanen, die so groß wie Affenbrotbäume sind, bedecken ihn mit ihren Zweigen und hüllen ihn in ihren grünen Schatten ein. In der Mitte steht ein Springbrunnen, liegt ein Marmorbassin, und überall zu beiden Seiten der kleinen Alleen mit ihren grünlichen Kacheln vereinen sich die beiden Blumenarten, die man stets in allen persischen Gärten sieht: die echten süßduftenden rosenroten Rosen und die einfachen weißen Heckenrosen. Rosenhecken und Rosensträucher strecken ihre überschlanken Zweige unter dem Druck der hohen blauen Mauern und der alten Platanen unendlich weit von sich, sie umklammern die gewaltigen Stämme und fallen gleichsam tränend zurück, immer aber sind sie unermüdlich im Blühen. Da der Zutritt zu diesem Platz allen vorübergehenden Muselmännern gestattet ist, so sieht man hier die braven Leute aus dem Volk, die von der Kühle und dem Schatten angelockt wurden, auf den Fliesen sitzen oder liegen und ihre Kalyan rauchen, deren kleine, vertraute, glucksende Töne man von allen Seiten hört. Und von oben dringt das Gezwitscher der gefiederten Welt zu uns herab; die Zweige sind voll von Nestern; Meisen, Buchfinken, Spatzen haben diesen ruhigen Zufluchtsort zu ihrer Wohnstätte ausersehen, und auch die Schwalben haben überall an allen Dächern ihre Nester angeklebt. Diese Mauern, die den Garten einschließen, werden von oben bis unten von einer einzigen, unendlichen, ganz blauen Mosaikfläche bekleidet, und darauf baut sich eine dreireihige Bogenöffnung auf, durch die das Licht in die Zellen fällt, wo die jungen Priester ihren einsamen Gedanken nachhängen. Je in den vier Wänden des rechteckigen Platzes nimmt ein gewaltiger Spitzbogen die Mitte ein, er gleicht dem Eingangstor und zeigt ein Gewölbe, an dem die Fayencetröpfchen herniederfließen, in dem Eiszapfen in Lapislazuli und safrangelber Farbe leuchten.

Und der Spitzbogen im Hintergrunde ist der prächtigste von allen vieren, er wird auf beiden Seiten von Minaretts geschmückt, jenen blauen Spindeln, die in den Himmel hinaufragen; er führt zu der Moschee der Schule, deren turbanartige Kuppel man dort oben über dem alten Gezweig erglänzen sieht. In den Minaretts schlängeln sich in spiralförmigen Windungen von unten lange religiöse Inschriften aus weißer Glasur hinauf bis zur Spitze, wo sie in einer Flut von Licht gebadet daliegen; die Kuppel ist übersät mit gelben Emailleblumen, mit grünem Emaillelaubwerk, die wie im Kaleidoskop ihre unentwirrbaren Linien über die blauen Arabesken ziehen. Wenn man das Auge über den Schatten, der hier unten herrscht, erhebt, so sieht man durch das hohe Blätterdach, unter dem das Alter und der Verfall verborgen liegt, an einem klaren Himmel die ganze Pracht der Juwelen glitzern, und die großen, lichtreichen Wellen der persischen Sonne fluten darüber hin.

Alter und Verfall, sobald man nur näher hinsieht; eine letzte Täuschung läßt uns an wunderbare Herrlichkeiten glauben, aber auch sie wird nur noch wenige Jahre leben; die Kuppel ist gespalten, die Minaretts werden ihres feinen, durchsichtigen Schmuckes beraubt, und die glasierte Bekleidung, deren Farbe heute noch so leuchtend ist wie im großen Jahrhundert, fällt schon an vielen Stellen ab, graue Steinflächen, Löcher und Risse kommen zum Vorschein, in denen das Gras, die wilden Pflanzen wuchern. Ich habe den Eindruck, als wenn dies alles hoffnungslos dahinschwindet, dahinschwindet wie das alte, bezaubernde Persien, ohne daß es je wieder hergestellt werden könnte.

Auf kleinen, steilen, dunklen Treppen, wo mehr als eine Stufe fehlt, steigen wir zu den Zellen der Studenten hinauf. Die meisten liegen schon lange verlassen da, angefüllt mit Asche, Vogelschmutz, Eulenfedern; nur in einigen wenigen zeigen alte, heilige Manuskripte, zeigt ein Gebetsteppich, daß man hier noch hineintritt, um sich zu sammeln. Diese Zellen haben zum Teil Aussicht auf den schattenreichen Garten, auf seine grünlichen Fliesen und seine Rosengebüsche, auf das ganze kleine, traurige Gehölz, wo man das Lied der Vögel und das ruhige Plätschern der Kalyan hört; zum Teil blicken sie auf die weite Ebene, auf das Weiß der Mohnfelder, das am Horizont durch einen schmalen Strich der Wüste abgeschnitten wird, auf ein anderes silberhelles Weiß dort hinten: die Schneegefilde der Gipfel. Welch einen wunderbaren Zufluchtsort bieten diese Zellen, umgeben von der Ruhe dieser Trümmerstadt, umgeben von der Einöde, allen denen, die sich den Träumen des orientalischen Mystizismus hingeben wollen . . .!

Ein Gewirr von Treppen und Gängen führt uns zu dem alten Priester, der dies Schemen von einer Schule leitet. In dem Schatten einer blauen, glasierten Grotte liegt seine Wohnung, eine Art Loggia mit einem Balkon, von wo aus er das ganze Innere der Moschee beherrscht. Und es ist ein ergreifender Eindruck, plötzlich dies Heiligtum, diese Gebetsnische erscheinen zu sehen, Dinge, von denen ich glaubte, daß sie mir, dem Ungläubigen, stets verborgen bleiben würden. Der hagere, blasse Priester in schwarzem Kleid, mit schwarzem Turban, sitzt auf einem Gebetsteppich, und ihm zur Seite sein Sohn, ein Kind von zwölf Jahren, gleichfalls in Schwarz gekleidet, mit einem kleinen, schwärmerischen Gesicht, das unter dem heiligen Schatten seine Farbe verloren hat; zwei oder drei ernste Greise hocken daneben, jeder hält eine Rose in der Hand, mit derselben ein wenig gezierten Anmut, die den Figuren auf den alten Miniaturen eigen ist. Sie träumten oder besprachen heilige Dinge; nach tiefen Verbeugungen und langen Höflichkeitsreden bietet man uns Kissen an, bringt uns Kalyans, Tee, und dann beginnt die Unterhaltung, wir sprechen langsam, sie riechen an ihren Rosen mit greisenhafter Geziertheit, oder verfolgen mit starrem Auge den Sonnenstrahl, der an den wunderbaren Glasuren im Hintergrunde des Heiligtums hinabsickert. Die Schattierungen dieser Moschee, das Glitzern dieser Wände halten mich davon ab, dem Gespräch zu folgen; ich glaube durch ein bläuliches Eis, in den kristallisierten, aus Stalaktit erbauten Palast eines unterirdischen Geistes hineinzusehen. Lapislazuli und Türkis in ewiger Abwechslung, eine Apotheose des Blaus. Die Ströme kleiner, blauer Eiszapfen, kleiner, blauer Prismen fließen von der Kuppel herab und überfluten an einzelnen Stellen die vielen blauen Muster der Wände . . . In ihren Einzelheiten erscheint die Zeichnung unentwirrbar, aber sie ruft doch als Ganzes den Eindruck der Einfachheit und der Ruhe hervor: dies ist, wie überall, das große Geheimnis der persischen Kunst

Aber welch ein trauriger Verfall. Der Priester, mit dem schwarzen Turban, beklagt sich, daß er seine wunderbare Moschee in Staub zusammenfallen sehen muß. »Schon lange«, sagt er, »habe ich meinem Kinde verboten, herumzulaufen, damit keine Erschütterung hervorgerufen wird. Täglich höre ich etwas fallen, höre die Glasuren fallen . . . Zu der Zeit, in der wir leben, nehmen die Großen kein Interesse daran, und ebenso das Volk . . . Was soll man dabei machen?« Und er führt die Rose an seine abgemagerten, wachsgelben Nasenflügel.

In ihrer Gesellschaft war man umgeben von einem Traum aus alten Zeiten, von einem unwandelbaren Frieden, und zwar in dem Maße, daß uns beim Hinaustritt aus den schönen, silberziselierten Türen die Allee der Platanen, durch die einige lebende Wesen, einige Reiter, einige Züge von Eseln und Kamelen ziehen, modern, ja belebt erscheint . . .

Vor Hereinbruch der Nacht bleibt mir noch ein wenig Zeit, um auf dem großen Platz haltzumachen, wo die religiöse Stunde des Moghreb mit einer Zeremonie verbunden ist, die aus dem ganz alten Islam stammt, die auf die uranfängliche Religion der Magier zurückzuführen ist. Die kaiserliche Moschee war während des ganzen Tages ein einziges Blau, sobald sie sich aber unter den Strahlen der untergehenden Sonne für eine kurze Minute in ein starkes Violett verwandelt, erscheint ein Orchester am anderen Ende des Platzes, in einer Loggia oberhalb des großen Portales, das der gelben, glasierten Moschee gegenüber liegt: gewaltige Trommeln und lange Trompeten, wie in den Tempeln Indiens. Nach vieltausendjähriger Überlieferung bietet man der Sonne Persiens, genau in dem Augenblick, wo sie stirbt, einen Gruß dar. Wenn die Strahlen erlöschen, ertönt die Musik, plötzlich und wild; laute, hohle Schläge, die sich überstürzen, der Lärm eines nahen Gewitters, der sich über den ganzen, jetzt bald verödeten Platz ergießt, wo nur noch einige Karawanen am Boden liegen, und die Trompetenstöße gleichen dem Gebrüll eines Tieres, das sich vor dem fliehenden Licht im Todeskampf windet . . . Morgen früh werden die Musikanten auf denselben Platz hinaufsteigen, um der aufgehenden Sonne ein lärmendes Morgenständchen darzubringen . . .

– Und also tut man auch am Ufer des Ganges, derselbe Gruß, der der Geburt und dem Sterben dieses herrschenden Gestirns das Geleite gibt, hallt zweimal täglich über ganz Benares wider . . .

In der Dämmerung, nachdem man in das russische Haus zurückgekehrt, nachdem die Tür geschlossen ist, erinnert nichts an Ispahan, bis morgen hat man von Persien Abschied genommen. Und es ist ein seltsamer Eindruck, sich plötzlich in einem liebenswürdigen, verfeinerten Winkel Europas wiederzufinden: der Fürst und die Fürstin sprechen unsere Sprache wie die ihre; den Abend verbringen wir im Kreise, geschart um das Klavier, und man weiß wirklich nicht, daß ganz in der Nähe eine fremde Stadt und die Wüsten liegen, die uns von der zeitgenössischen Welt trennen.

Das einzige, was ich diesem Hause, der offenen, anmutigen Gastfreundschaft vorzuwerfen habe, das sind die Hunde, die es bewachen, ein halbes Dutzend dieser boshaften Tiere verfolgen mich noch immer als Wegelagerer; und wenn ich einmal nach Hereinbruch der Nacht, mit der Meute hinter mir drein, die Allee des Gartens, die hundert Meter lange Rosenallee, die meine Wohnung von dem Hause meiner Wirte trennt, durchkreuze, so ist dies ein weit gefährlicheres Abenteuer, als durch die Wüsten des Südens, von woher ich komme, zu ziehen.

Dienstag, 15. Mai.

Heute morgen stellt mich der Fürst D... Seiner Hoheit Zelleh-Sultan, dem Bruder Seiner Majestät des Schahs, dem Vezir von Ispahan und Irak, vor. Aufeinander folgende Gärten führen bis zu seinem Schloß, sie sind natürlich voller weißer Heckenrosen und rosa Rosen; sie werden verbunden durch Tore, vor die man Wächter aufgestellt hat, und diese Tore tragen alle das persische Wappen: über dem Gesims ein Löwe und eine Sonne.

Ich erwartete bei diesem Satrapen den Luxus von Tausendundeiner Nacht, einen sprichwörtlichen Reichtum zu finden; aber es war eine vollständige Täuschung, sein moderner Palast könnte jedem Beliebigen gehören, wenn nicht die wunderbaren Teppiche wären, die zu betreten eine Entweihung ist. In dem Salon, wo Seine Hoheit uns empfängt, liegen Bücher auf dem Schreibtisch aufgestapelt, und geographische Karten hängen eingerahmt an den Wänden. Zelleh-Sultan ist verbindlich und geistreich, er hat einen schneidenden Blick, ein bitteres Lächeln. Ich lasse hier eine kurze Schätzung der beiden benachbarten Völker folgen, die wörtlich von ihm stammt: »Von den Russen haben wir stets nur gute Dienste erfahren. Von den Engländern im Süden unseres Landes beständige Eroberungsversuche, und zwar mit Benutzung von Mitteln, wie sie das ganze Weltall an ihnen kennt.«

In derselben Gegend der Stadt liegen die großen Gärten und das verlassene Schloß der alten Sophis-Könige, Nachfolger des Schah-Abbas, deren Dynastie sich immer eleganter, immer verfeinerter bis zur afghanischen Überschwemmung hielt (1721 nach unserer Zeitrechnung). Auch hier herrschen die Heckenrosen, aber vor allem die rosenroten Rosen, man sieht jedoch auch jene altmodischen Blumen, die man bei uns kennt, und die man »Priesterblumen« nennt: Löwenzahn, Rittersporn, Ringelblume, Tausendschön und Levkojen. Die Rosenstöcke wachsen hier so groß wie Bäume, die Platanen sind Riesen – immer von unten beschnitten, wie weiße Säulen geformt –, sie bilden regelmäßige Alleen, die mit ihrer ein wenig dunklen Fliesenpflasterung die langen, geraden, altmodisch abgesteckten Wasserbassins einrahmen. Der Palast, der inmitten dieser Schatten, dieser zwei- oder dreihundert Jahre alten Lustgärten thront, nennt sich der Palast der vierzig Spiegel. Man sieht ihn stets über seinem eigenen Bilde liegen, das von einer ruhigen Wasserfläche zurückgeworfen wird, darum nennt man ihn auch den Palast der vierzig Säulen, obgleich er in Wirklichkeit nur zwanzig hat, aber die Perser zählen das umgekehrte Spiegelbild mit, das seit Jahrhunderten nicht von dieser blanken, trostlosen Fläche vor der Schwelle verschwunden ist. In unseren Augen erscheint dieser Palast die seltsame Linienführung, die übertriebene Schlankheit der achämenidischen Baukunst zu besitzen; die wunderbar hohen, gebrechlichen Säulen tragen ein flaches Dach, und sogar die langen gestützten Platanen, die es umgeben, setzen in dem Park die aufrechtstrebende Linie fort. Ungeheure Vorhänge, seit der Verheerung der Barbaren verschwunden, bildeten scheinbar den Abschluß vor den Sälen, in die das Auge heute bis zum Hintergrunde, wie in eine Art prächtig ausgestatteter Halle vordringen kann. Zur Zeit der prunkvollen Empfänge, als alle diese Vorhänge geöffnet waren, konnte man von draußen den Schah in einer glitzernden, goldenen Ferne, gleich einem Götzenbild auf seinem Thron sitzen sehen. Der Hauptfarbenton zeigt ein mattes Gold, ein blasses Rot; aber die Säulen mit ihrer Mosaikbekleidung aus Spiegelstückchen, die das Alter oxydiert hat, schimmern wie Silber.

Der weit geöffnete, schweigende Palast scheint nicht der Wirklichkeit anzugehören, und doch ist sein Spiegelbild in diesem traurigen Wasserbecken noch weit unwahrscheinlicher. An dem Rande des viereckigen Bassins, das schon so lange das Schloß der verschwundenen Könige widerspiegelt, halten ungekünstelte, kleine Statuen aus grauem Kiesel, so wie in Persepolis, Blumentöpfe in die Höhe. Der Umkreis ist mit großen, grünlichen Fliesen gepflastert, über die einst die vielen gestickten, vergoldeten Babuschen dahineilten. Und überall Rosen, Heckenrosen, die sich an den glatten, weißen Stämmen der Platanen hinaufwinden.

Im Innern herrscht das rote Gold, herrschen die geduldigen Spiegelmosaiks, die stellenweise noch wie Diamanten funkeln können; unter den kleinen Kuppelgewölben vereinen die Arabesken und Zellen sich zu einer nicht entwirrbaren Verschlingung. Ganz im Hintergrunde erhebt sich in der Mitte ein gewaltiger spitzbogiger Rahmen und umgibt den Thron und den Herrscher gleichsam mit einer Strahlenkrone; er scheint wie mit Eiszapfen, mit Rauhreif ausgelegt zu sein; und über den Gesimsen fügen sich die Bilder in wunderbar feiner Ausführung aneinander, sie stellen Festgelage, Schlachtenszenen dar; man sieht dort einige altertümliche, übertrieben schöne Könige, mit langen Augenwimpern, mit langen, seidenweichen Bärten, der Körper ist in Goldbrokat gehüllt, und sie sind mit Edelsteinketten behangen.

Hinter diesen traumhaften Sälen, die sich immer wieder auf der Oberfläche des Wassers verdoppeln, liegen, geschützt von den Bäumen, zahllose Nebengebäude, sie erstrecken sich bis zu dem Palast, der heute von Zelleh-Sultan bewohnt wird. Es waren dies die Harems der Prinzessinnen, der untergeordneten Frauen, auch lagen hier die Speicher für die aufgehäuften Vorräte, für die phantastischen Reichtümer: Speicher für die Kasten und Kisten, Speicher für die Fackeln, Speicher für die Gewänder usw., und hier hat man auch das Weinlager zu suchen, von dem Chardin im siebzehnten Jahrhundert uns erzählt, daß es angefüllt sei mit Schalen und Karaffen, »aus venezianischem Glas, aus Porphyr, aus Beilstein, aus Korallen, aus kostbaren Steinen«. – Es gibt hier sogar unterirdische Säle aus weißem Marmor, die man für die heißen Sommertage erbaut hatte, und an deren Wänden wirkliches Wasser herabfloß.

Von meinen morgendlichen Streifzügen kehre ich in dem Augenblick zurück, wo die Muezzine zum Mittagsgebet rufen (es ist zwölf Uhr, oder kurz davor). In Ispahan geben die Gebetsausrufer die Stunde an, wie es bei uns die Schläge der Turmuhren tun. Sie singen mit ernstem Ton, was man in den anderen Ländern des Islam nicht kennt. In der benachbarten Moschee stehen mehrere Muezzins zusammen, sie rufen, sie wiederholen in langgezogenen Lauten den Namen Allahs, und es umgibt sie das Schweigen des Mittags, der Schlaf und das Licht, das mit jedem Tage stechender wird. Während ich ihnen lausche, scheine ich dem Weg ihrer Stimme folgen zu können, ich fühle sie über die geheimnisvollen Wohnungen der Umgegend dahinstreichen, über alle diese Gärten voller Rosen, in deren Schatten die Frauen, die man niemals sieht, ohne Maske vertrauensvoll im Schutz der hohen Mauern sitzen.

Mittwoch, 16. Mai.

Nachmittags gehe ich unter sicherer Führung auf die Suche nach seltenen Nippsachen, die nicht in den Schaufenstern aufgestellt werden, sondern die man in den Häusern, in Truhen verborgen hält und nur den bevorzugten Käufern zeigt. Auf alten, engen Treppen, deren Stufen so weit voneinander entfernt sind wie die Sprossen einer Leiter, durch dunkle, winkelige Gäßchen dringen wir in, ich weiß nicht wie viele, altertümliche, mißtrauisch, heimlich dreinblickende Wohnungen ein. Die Zimmer, wo man uns Kissen zum Sitzen anbietet, sind klein, ihre Wände sind mit zellenartigen Geweben und Arabesken bedeckt; sie werden nur spärlich beleuchtet durch die dunklen Höfe, deren kachelausgelegte Mauern seltsam mit menschlichen Figuren, Tieren und Blumen bekleckst sind. Zuerst trinken wir eine kleine Tasse Tee, denn es gehört zum guten Ton, daß man uns sofort eine Tasse anbietet. Dann werden die Zedernläden, die mit ungeahnten Altertümern angefüllt sind, langsam vor uns geöffnet, und man zieht einen Verkaufsgegenstand nach dem andern hervor, den man aus altem Plunder und Flitterkram herausschälen muß. Dies alles stammt aus dem großen Jahrhundert des Schah-Abbas, oder wenigstens aus der Zeit der Sophis-Könige, seinen Nachfolgern, und diese Ausgrabung, diese Aufstellung in dem Staub und dem Schatten, zeigt uns, wie zart, wie vornehm, wie anmutig die geduldige Kunst der Perser war. Hier sieht man Kästchen in allen Formen aus Martin-Lack, ihr wunderbares Kolorit hat der Zeit widerstanden, sie sind mit den Bildern vornehmer Perser bemalt, und zwar ist ihre Zeichnung von ungekünstelter Anmut, von seltener Genauigkeit, die kleinsten Einzelheiten ihrer Wappen, ihrer Edelsteine können eine Prüfung durch die Lupe bestehen; jener Teil der iranischen Bevölkerung, der mir zu sehen versagt ist, wird hier mit einer Art verliebten Anbetung zur Darstellung gebracht: schöne Frauen aus früheren Jahrhunderten, ihre Schönheit ist sichtbar übertrieben, Sultaninnen mit runden, rotgeschminkten Wangen, mit gar zu langen, von schwarzen Ringen umgebenen Augen, sie neigen den Kopf in gezierter Anmut und halten eine Rose in ihren zu kleinen Händen . . . Und manchmal begegnet man neben den echt persischen Bildern einem anderen, das plötzlich an die holländische Renaissance erinnert: das Werk eines westlichen Künstlers, der große Kaiser Ispahans hatte ihn zu sich entboten, und in seiner Abenteuerlust ist er dem Ruf gefolgt.

Man zeigt uns feine Emaillearbeiten, die auf Silber oder Gold gelegt sind, Waffen Aladins, golddurchwirkte Brokatstoffe, die die Schultern der Sultaninnen umhüllten, Schmuckgegenstände, Stickereien, Teppiche, wie man sie nur in Persien findet, einst wurden diese von den Nomaden angefertigt, und ihre Arbeit erforderte zehn volle Jahre eines Menschenlebens; Teppiche, seidiger als Seide, samtartiger als Samt, die engen, engen Zeichnungen erscheinen uns so rätselhaft wie die Schönschreibekunst des Koran. Und schließlich sehen wir Fayencen, die heute kaum mehr aufzufinden sind, ihre Glasurkleidung hat im Laufe der Jahrhunderte einen Zersetzungsprozeß durchgemacht und zeigt deshalb jene seltenen goldenen oder kupferroten Töne.

Nachdem wir die verfallenen Häuser verlassen haben, wo die Überreste der toten Herrlichkeiten uns mit dem Wunsch nach Frieden, mit einem Heimweh nach der Vergangenheit erfüllen, kehre ich, heute ohne Begleitung, nach der »Schule der Mutter des Schahs« zurück, um mich im Schatten der hundertjährigen Platanen, in dem alten, von Fayencemauern eingeschlossenen Garten auszuruhen. Und hier finde ich eine noch größere Stille, eine noch größere Abgeschiedenheit als am Vorabend. Vor dem wunderbaren Eingang bettelt ein Derwisch, ein in Lumpen gehüllter Greis, er sitzt, den Kopf gegen die silber und hochrot leuchtende Schmiedearbeit gelehnt, ganz winzig am Fuß dieser gewaltigen Tür da, fast nackend, halbtot, mit Erde und Staub bedeckt, schreckeneinflößend hebt er sich von diesem Hintergrund der höhnischen Herrlichkeiten ab. Auf das große glasierte Tor folgt die grüne Nacht des Gartens, und die leise Musik, die diesem Platz eigen ist; ganz oben, dem Himmel und dem Licht nah, singen die Schwalben und die Meisen; unten hört man das leise Gurgeln der ausgestreckten Raucher und das Geplätscher des Wasserstrahls in dem Springbrunnen. Die Leute haben mich schon gesehen und beunruhigen sich nicht, ohne Widerspruch zu begegnen, setze ich mich, wohin ich will auf die grünlichen Fliesen. Vor mir sehe ich in die Verschlingungen, in die Büsche, in das Geriesel der weißen Heckenrosen hinein, sehe die Heckenrosen sich an den Platanen hinaufschlängeln, deren gewaltige Stämme, fast so weiß wie die Blüten selbst, den Säulen eines Tempels gleichen. Und dort oben, wo die Vögel wohnen, durch die Spalte des Blätterdaches hindurch, leuchtet die Glasur auf und erinnert an die Minaretts, an die Kuppeln, an die ganze Herrlichkeit, die sich unter den Sonnenstrahlen ausbreitet. In Ispahan, in der Stadt der blauen Ruinen, kenne ich keinen Zufluchtsort, der anziehender wäre als dieser alte Garten.

Als ich nach dem Hause des Fürsten zurückkehre, ist es gerade die Hauptstunde des Muezzin, die unbestimmte, die scheidende Stunde, wo man zum letztenmal am Tage den Aufruf zum Gebet vernimmt. Das Abendlied zittert durch die Luft, und gleichzeitig kreisen die Segler am Himmel; sehr deutlich unterscheidet man den immer wiederkehrenden Namen: Allah; aber die schönen wohlklingenden Stimmen, die Eintönigkeit des Vortrags erinnern fast an Glockengeläute, man könnte glauben, es sei der Ruf eines frommen Glockenspiels, der über diesen alten Terrassen, über den alten Mauern Ispahans ertönt.

Donnerstag, 17. Mai.

Rosen, überall Rosen; in dieser kurzen Jahreszeit, die so schnell dem alles versengenden Sommer Platz macht, lebt man in einer Flut von Rosen. Sobald ich des Morgens meine Tür öffne, beeilt sich der Gärtner, mir einen Strauß zu bringen, der frisch gepflückt noch ganz feucht von dem Tau der Maiennacht ist. In den Cafés reicht man uns eine Rose zur traditionellen kleinen Tasse Tee. In den Straßen bieten uns die Bettler Rosen an, die wir aus Mitleid nicht zurückweisen, die wir aber kaum zu berühren wagen, weil sie aus solchen Händen kommen.

Heute erscheinen in Ispahan zum erstenmal in diesem Jahr die kleinen Esel, die Eisträger, um die unschuldigen Getränke, das klare Wasser zu kühlen; ein Knabe führt sie, er treibt sie von Tür zu Tür und meldet sie durch einen lauten, singenden Schrei an. Das Eis hat man aus den weißen Schneeregionen geholt, die man dort oben auf den Gipfeln der Berge leuchten sieht, man hat es in Körben auf den Rücken der Esel geladen und mit Zweigen gegen die Sonne geschützt, – natürlich zieren auch einige Rosen den Korb.

Viele kleine Esel kreuzen meinen Weg, als ich mich heute morgen zu einem Babuschenhändler begebe, dem ich für schweres Geld das Versprechen abgelockt habe, mir heimlich drei Frauen Ispahans zu zeigen. Wir klettern zusammen auf eine verfallene Mauer hinauf, um durch ein Loch in den Garten hineinzusehen, wo man heute bei der Rosenernte beschäftigt ist. Und wirklich, dort stehen drei Frauen, sie halten große Scheren in der Hand, schneiden Rosen und legen diese in Körbe, zweifellos, um aus den Blättern Essenzen zu bereiten. Ich hatte gehofft, daß sie hübscher wären; die Damen, die auf den altmodischen Schachteln gemalt sind und auch die wenigen unverschleierten Bäuerinnen, denen wir unterwegs in den Dörfern begegnet sind, haben mich verwöhnt. Sehr blaß, ein wenig zu fett, sind sie trotzdem anziehend mit ihren altmodisch naiven Augen. Bestickte, paillettenbenähte Seidenstoffe verhüllen ihr Haar. Sie tragen überfallende Hemden, und über den Hosen kurze, abstehende Röcke, wie die Röcke der Balletteusen; alles dies scheint aus Seide zu sein und ist mit Stickereien verziert, die an das Jahrhundert des Schah-Abbas erinnern. Übrigens versichert mich mein Führer, daß es Frauen der besten Gesellschaft sind.

Freitag, 18. Mai.

Heute ist Freitag, der Sonntag des Muselmanns, und da muß ich wie alle anderen in die Felder hinausgehen. Ein Sonntag im Mai, das immer gleiche Fest des Frühlings und des blauen Himmels. Die großen Alleen des Schah-Abbas, die von Platanen, von Pappeln, von Rosenbüschen eingerahmt werden, sind mit Fußgängern überschwemmt, alle streben sie hinaus nach den Gärten oder einfach hinaus nach den grünen Kornfeldern. Scharen von Männern mit Turbanen oder schwarzen Astrachanmützen wandern träge und träumerisch daher, jeder hält eine Rose in der Hand. Scharen von gespensterhaften Frauen, auch sie sind selbstverständlich mit einer Rose geschmückt und tragen fast alle ein Baby an ihrer Brust, dessen kleiner, mit einer goldenen Mütze bedeckter Kopf zur Hälfte zwischen ihren Schleiern zum Vorschein kommt. Heute entvölkert sich Ispahan, es leitet alles Leben, das ihm noch zwischen seinen Ruinen geblieben ist, in die Oase hinaus.

Außer den neben mir einherschreitenden Spaziergängern ist das freie Land, wo wir bald anlangen, von den ganz schwarzen Frauen überschwemmt, die sich schon frühmorgens auf den Weg gemacht haben müssen. Man sieht sie nebeneinander in den weißen Mohnfeldern, zwischen den bunt blühenden Kornblumen, dem roten Mohn sitzen. Niemals sah ich Sonntags einen solchen Müßiggang unter einem so strahlenden Himmel, inmitten so leuchtend grüner Felder.

Ich sitze zu Pferde und reite ziellos vorwärts. Da ich mich zufällig einem Trupp persischer Reiter angeschlossen habe, die anscheinend wissen, wohin sie wollen, so sehe ich mich plötzlich umgeben von den Ruinen eines Palastes, den glitzernden Ruinen der Spiegelmosaike, den wunderbaren, zerbrechlichen Ruinen, die niemand behütet. – Im Jahrhundert des Schah-Abbas gab es vieler solcher Märchenpaläste! – Der Ehrenhof ist in einen Sumpf verwandelt, ist angefüllt mit Gebüsch und wilden Blumen; und ein kleiner Teehändler hat in Anbetracht des Freitags seine Öfen in einer der wunderbaren Säulenhallen aufgestellt, deren Decken mit einer überraschenden Pracht, mit einer zarten Anmut verziert, vergoldet sind. Dies war einst der kaiserliche Palast, die Liebhaberei eines Herrschers, der Thronplatz ist noch leicht erkennbar. Hinten, in einem zweiten, ein wenig schattigen Saal, liegt die Estrade, wo er sich ausruhte, liegt der gewaltige Spitzbogen, der ihm als Heiligenschein diente. Er ist natürlich ganz mit Stalaktit behangen und wird von zwei goldenen Chimäras überragt, die in einzelnen Teilen einen chinesischen Einfluß verraten; aber der Hintergrund wirkt ganz überraschend; statt wie sonst eine unentwirrbare Verschlingung von Rosetten und Zellengeweben zu zeigen, deren kleinste Flächen von Gold umrahmt sind, ist er leer, öffnet sich auf ein Gemälde in der Ferne, das in Wirklichkeit weit herrlicher ist als alle Schmiedearbeiten der Welt: Gebadet von den hellen Sonnenstrahlen liegt dort das Panorama von Ispahan, das der vollendete Kunstgeschmack sich erwählt hat, liegt dort die Stadt der rosenroten Erde und der blauen Fayencen, über der seltsamen Brücke mit den beiden aufeinander ruhenden Bogengängen, vor den Bergen und den Schneegefilden, läßt sie ihre Kuppeln, ihre Minaretts, ihre unnatürlich farbigen Türme in der Sonne leuchten. Eingerahmt von diesem Spitzbogen, von dem rot- und goldfunkelnden Schatten aus gesehen, in dem wir uns befinden, wirkt dies alles wie ein orientalisches, sehr phantastisches Gemälde, wie ein sehr durchsichtiges Fächergemälde.

Es hält sich hier niemand mehr auf, der dies betrachten könnte, was einst die Augen der Kaiser erfreut haben muß; der kleine Teehändler am Eingang hat nicht einmal mehr Zuspruch. Lange stehe ich hier allein unter den schönen, bald einstürzenden Decken, während ein Hirte mein Pferd auf dem Hof, zwischen dem Brombeergesträuch, dem Mohn und dem Windhafer am Zügel hält.

Eine halbe Stunde weiter entfernt, in den Feldern von weißem Mohn und Veilchen, erhebt sich ein zweiter Palast, eine zweite Liebhaberei eines Herrschers, ein zweiter Thronplatz. Er nennt sich »das Haus der Spiegel«, und seinerzeit wird er einem Palast von Rauhreif und Eiszapfen geglichen haben; er ist gänzlich verfallen, aber an den noch übriggebliebenen Teilen des Gewölbes glänzen tausende von Spiegelstückchen, die das Alter oxydiert hat, gleich Salz. Ein bescheidener Tee- und Kuchenverkäufer steht im Schatten dieser Ruine, und meine Ankunft stört eine Gesellschaft von gespensterhaften Frauen, sie hatten sich fröhlich zu einer kleinen Mahlzeit im Gras auf dem Hofe niedergelassen, aber jetzt verstummen sie und senken vor meinem Anblick ihren Schleier herab.

Wie immer muß ich vor Sonnenuntergang in die Stadt zurückgekehrt sein. Übrigens ist der Abend nach einem so strahlenden Mittag traurig, ein Wind hat sich erhoben, der aus der Richtung der Schneefelder kommt, er führt eine leise Erinnerung an den Winter mit sich, während gleichzeitig die Wolken am Himmel dahinziehen.

Auf dem schmalen Pfade, auf dem ich zurückkehre, inmitten der Kornfelder, der Kornblumen und des Mohns schreitet eine Frau mir entgegen, sie ist natürlich ganz schwarz und trägt eine weiße Maske, sie geht langsam mit gesenktem Kopf, man könnte sagen, sie schleppe sich dahin: irgendeine arme Alte, die zum letztenmal den Monat Mai erlebt, und ihr Nahen stimmt mich traurig . . . Hier steht sie zwei Schritte vor mir, die einsame, müde Spaziergängerin . . . Ein Windstoß zerrt an ihrem langen Trauerschleier, ihre weiße Maske löst sich und fällt zu Boden! . . . Ah! welch ein Lächeln fange ich auf zwischen den strengen schwarzen Falten! . . . Sie ist zwanzig Jahre alt, sie ist eine kleine Schönheit, drollig und schelmisch, mit ihren runden, rosenroten Wangen, Onyxaugen, die aus dem Flaum des Rabengefieders gemacht zu sein scheinen, ganz wie die Sultaninnen auf den alten Schachteln . . . Wovon mochte sie träumen, diese kleine Person, da sie eine so schmerzliche Haltung zeigte? . . . Halb beschämt über ihr Mißgeschick, halb belustigt, schenkt sie mir ein reizendes Lächeln: aber sehr schnell befestigt sie wieder ihre weiße Maske und läuft leichtfüßiger als ein junges Zicklein durch die Felder dahin.

Als ich um fünf Uhr nachmittags auf der Brücke anlange, herrscht dort ein großes Gedränge. Alle Freitag-Spaziergänger kehren eilends zurück, denn in Persien fürchtet man sich immer vor der Nacht; rechts und links von der großen Straße, auf den beiden überdachten Wegen, die gotischen Klostergängen gleichen, zieht sich eine ununterbrochene Kette von schwarzen Frauen dahin, ihre müden Babys klammern sich an sie, und lassen sich ziehen.

In dem Basar, den ich durchkreuzen muß, bringt die Rückkehr von dem Felde zu dieser Stunde Leben und Treiben mit sich, und dies freut mich, denn ich kenne nichts Traurigeres, als wenn diese zu langen Gewölbe an den Festtagen von einem Ende bis zum anderen verödet daliegen, ohne die Pracht der Stoffe, der Sattelzeuge, der Waffen, ohne die geöffneten Läden.

Mein Weg führt durch die größten aller Gewölbe, durch die Gewölbe des Kaisers; oben an den Decken laufen die noch immer leuchtenden Fresken entlang, die das Bild des Herrschers darstellen, besonders häufig aber sieht man ihn auf den Kuppeln, auf den großen, die Plätze überdachenden Kuppeln verewigt: der Schah-Abbas mit seinem langen, bis zum Gürtel herabwallenden Bart, wie er zu Gericht sitzt, der Schah-Abbas, wie er auf die Jagd geht, der Schah-Abbas, wie er in den Krieg zieht, wohin das Auge fällt, überall der Schah-Abbas. Ich eile vorwärts in der geheimnisvollen, schweigenden Begleitung der verschleierten Frauen, die Heckenrosen und echte Rosen mit sich nach Hause tragen. Von Zeit zu Zeit wirft die Bogentür einer Karawanserei oder der blaue Bogen einer Moschee einen Lichtstreifen auf den Weg, der die Dunkelheit noch dunkler erscheinen läßt. In einer Nische, halb versteckt durch ein ganz vergoldetes Gitter, steht ein Mensch mit weißem Bart und einem Gesicht, das hundert Jahre alt sein könnte, umgeben von einer Schar gespensterhafter Frauen; es ist dies ein alter, heiliger Derwisch; er bewacht eine kleine Wunderquelle, die hinter dem schönen Gitter aus dem Felsen hervorspringt, er füllt die bronzenen Becher mit Wasser, und seine vertrocknete Hand reicht sie durch die Stäbe hindurch der Reihe nach den Damen, diese lüften ein wenig den Schleier und trinken darunter, indem sie darauf achten, daß ihr Mund nicht zum Vorschein kommt. Dies alles trug sich bei mattem Dämmerlicht zu, und jetzt, als ich den Basar verlasse, scheint der kaiserliche Platz durch einige rote, bengalische Flammen erleuchtet zu sein. Die Sonne wird untergehen, denn hier stehen die Musikanten mit ihren langen Trompeten und ihren gewaltigen Trommeln, auf dem gewohnten Balkon erwarten sie die nahe Stunde, bereit, ihren schreckeneinflößenden Gruß in die Luft hinauszuschicken. Aber wo sind denn all die Wolken geblieben? Zweifellos hält sich kein bedecktes Wetter in diesem Lande, diese trockene, reine Luft saugt die Dämpfe auf. Der blaßgelbe Himmel ist rein und klar und gleicht einem riesengroßen Topas, und an den verschiedenen Seiten des Platzes wechselt der große Reichtum der Glasuren seine Farbe, wie an jedem schönen Abend breiten sich rosige und goldige Tinten über ihm aus.

Mein Gott! ich habe mich verspätet, denn dies ist das letzte Erglühen der Minaretts und Kuppeln, das Schlußbild allen Blendwerks; die Gebäude erstrahlen in rotem Glanz, die Sonne geht unter . . . Und als ich durch die große Einöde, über den Platz dahinschreite, bricht der Lärm der Trompeten dort oben los, ächzend, stöhnend, und die Trommelschläger schlagen den Takt dazu, und ihr Schlag gleicht dem Rollen des Donners.

Um schnell von hier in das russische Haus zurückzugelangen, versuche ich den Weg durch die Gärten des Zelleh-Sultan; man wird jetzt allmählich wissen, daß ich der Fremde bin, den der Fürst D... aufgenommen hat, und vielleicht läßt man mich deshalb passieren.

Und in der Tat, an allen aufeinander folgenden Toren schauen die Wächter, die zwischen den Rosenbüschen ihre Kalyan rauchen, mir wortlos nach. Aber ich hatte nicht vorausgesehen, wie bestrickend und reizvoll diese Stunde in den Blumenalleen ist, und ich empfinde große Lust, hier länger zu verweilen. Man ist wie berauscht von den ungezählten Rosen, deren Düfte sich abends unter den Bäumen vereinen. Und der Gesang der Muezzine, der plötzlich über Ispahan schwebt, erscheint nach dem Blasen der Trompeten von einem süßen, himmlischen Klang, man könnte glauben, es seien Orgeln und Glocken, die in der Luft zusammenklingen.

Da es mein letzter Tag ist (ich reise morgen), so habe ich ausnahmsweise die Erlaubnis erbeten, in später Abendstunde umherzustreifen, und meine Wirte waren so gütig, die Nachtwächter benachrichtigen zu lassen, welchen Weg ich einzuschlagen gedächte, damit sie mir die schweren Tore mitten in den Straßen öffnen könnten, die man nach Sonnenuntergang verriegelt, und die einen Verkehr von einem Viertel zum andern verhindern.

Es ist ungefähr zehn Uhr, als ich das Haus des Fürsten verlasse, zum Erstaunen der Kosaken, der Wächter an dem einzigen Ausgang. Und sofort tauchen wir in dem Schweigen und in der Dunkelheit unter. Keine Hauptstadt ruft in dem Maße wie das nächtliche Ispahan den Eindruck des Todes und der Verlassenheit hervor. Unter den Gewölben klingen die Stimmen viel zu laut, und gleichsam, als befände man sich in einer Totengruft, wirft das Pflaster den Schall der Tritte dumpf zurück. Zwei Wächter folgen mir, ein dritter geht mir vorauf; er trägt eine drei Fuß hohe Laterne, die er von rechts nach links schwingt, um mir die Löcher, die Kloaken, den Schmutz und die toten Tiere zu zeigen. Zuerst begegnen wir in großen Abständen ähnlichen Fackeln, sie leuchten einem verspäteten Reiter oder einer Schar verschleierter Frauen, die in Begleitung eines bewaffneten Mannes daherkommen, und dann zeigt sich bald kein einziger Mensch mehr auf den Straßen. Schreckliche, graugelbe Hunde, herrenlose Hunde; sie nähren sich von Abfall, schlafen rudelweise an dieser oder jener Ecke zusammen und knurren den Vorübergehenden an; sie sind jetzt die einzigen, lebenden Wesen in diesen Straßen, aber sie erheben sich nicht einmal, sondern begnügen sich damit, den Kopf aufzurichten und die Zähne zu zeigen. Sonst rührt sich nichts. Außer den gespaltenen Ruinen auch nicht ein Haus, das nicht furchtsam verschlossen wäre. Bis an die Zähne bewaffnet schleicht der Wächter des Viertels auf leisen Babuschen hinter uns her. Wenn man vor der eisenbeschlagenen Tür anlangt, die sein Reich abgrenzt und den Weg versperrt, ruft er mit laut tönendem Schrei den Wächter herbei; dieser antwortet zuerst aus weiter Ferne, dann kommt seine Stimme immer näher, und schließlich öffnet sich das Tor unter lautem Geknarr der Schlüssel, der Riegel , und der rostigen Angeln. Alsdann betreten wir ein neues Reich der Schatten und der zusammenstürzenden Ruinen, während die Tür sich hinter uns schließt und uns plötzlich noch mehr von dem Hause trennt, aus dessen Bereich wir uns immer weiter entfernen. Und so geht es fort, kein Grabesviertel, das wir durcheilen, steht in Verbindung mit dem vorhergehenden, aus dem wir kommen. In den überdachten Gegenden herrscht ein Geruch von Schimmel, Fäulnis und Unrat; es ist dort so dunkel, daß man glauben könnte, man befände sich zwanzig Fuß tief unter der Erde. Aber unter freiem Himmel schaut man das Wunder der Sterne Persiens, mit denen sich keine anderen Sterne der Welt vergleichen können, sie erscheinen noch weit strahlender zwischen den gespaltenen Mauerresten, zwischen den Trümmerhaufen, in dem Rahmen des Verfalls und der Schatten. Alles trägt dazu bei, diese Atmosphäre so durchlässig, so leicht zu machen, daß kein funkelndes Licht zurückgehalten werden kann: Die Höhe, die Nachbarschaft dieser Sandwüsten, die niemals Wasserdünste ausatmen. Die Sterne Persiens haben dasselbe Feuer wie die reinen Diamanten, sie haben, sieht man genau hin, ein buntes Feuer, ein rotes, ein violettes, ein bläuliches Feuer. Und dann sind sie unzählig, stellen Tausende von Welten dar, die in anderen Gegenden auf unserer Erde nicht sichtbar sind, die aber in diesem Lande, aus der Tiefe der Unendlichkeit heraus, zu den Menschen hinabstrahlen.

Welch ein Gegensatz, dieser jämmerliche Verfall hier auf dem Boden! Trümmerhaufen, Schutt und Unrat, das ist schließlich alles, was von diesem Ispahan übriggeblieben ist, das in der Ferne und unter den Strahlen der Sonne noch die große, bezaubernde Stadt spielt . . .

Über unseren Köpfen dehnen die Gewölbe sich aus, werden immer gewaltiger; wir erreichen die Stadtviertel, die der Schah-Abbas erbaut hat, und jetzt machen wir vor dem Tor einer der Hauptadern des Basars halt. Der Wächter, unser Führer, stößt einen langgezogenen Schrei aus, und bald antwortet eine Stimme in der Ferne, eine schleppende, unheilverkündende Stimme, die ein endloses Echo zurückwirft, gleichsam, als stieße man nachts in einer Kirche einen Hilferuf aus. Derjenige, der hinter dem Zedernportal steht, antwortet, daß er den Schlüssel nicht finden könne, daß ein anderer ihn behalten habe, und so weiter, Und die Hunde der Straße werden unruhig, wachen überall auf und stimmen ein Konzert an, ihr Gebell pflanzt sich in dem klangreichen, überdachten Labyrinth immer weiter fort. Inzwischen aber entfernt sich der Mann, der vorgibt, den Schlüssel zu suchen, sei es aus bösem Willen, sei es aus Angst, sicher aber ist, daß er uns das Tor nicht öffnen wird. Deshalb laßt uns auf einem Umweg durch andere Straßen versuchen, endlich das Ziel unseres Ausfluges zu erreichen.

Das Ziel ist der kaiserliche Platz, den ich ein letztes Mal vor meiner Abreise in dunkler Nacht sehen möchte. Endlich liegt dieser Platz vor uns, man hat uns das hohe Tor des Färberbasars geöffnet, und schwach beleuchtet von all den kleinen, dort oben funkelnden Diamanten, erscheint er noch größer, als bei hellem Tageslicht. Eine ganze Karawane schläft dort an einem der Torflügel, die starke Ausdünstung der knienden Kamele trübt die reine Luft; und ringsumher liegen die Wächter, gleichsam als befände man sich auf freiem Felde. Außerdem schreiten einige gespensterhafte Frauen in zwei kleinen Abteilungen durch diese Einöde, beiden geht ein Laternenträger, gehen Wächter vorauf: Die Frauen kehren sicher von einem Fest, von irgendeinem Haremsfest zurück, zu dem die Ehemänner keinen Zutritt haben, und das im Innern der fest verschlossenen Wohnungen gefeiert wird. Einen dieser geheimnisvollen Trupps sehen wir in weiter Ferne, ganz hinten am anderen Ende des Platzes vorübergehen, fast könnte man glauben, es sei ein Zug winziger Zwerge. Man hört das Rufen, das Klopfen an den Toren des Viertels, die geöffnet werden sollen, und dann ertönt das Knarren der Riegel, und die beiden dunklen Flecke, der eine nach dem anderen, tauchen in den gewölbten Gängen unter, wir bleiben allein mit der schlafenden Karawane zurück, allein auf dem großen, auf dem zu dieser Stunde erhabenen Platze, zwischen den symmetrischen Reihen der gemauerten Arkaden.

Während der Platz gewachsen zu sein scheint, ist die kaiserliche Moschee dort unten, deren Umrisse sich scharf von dem bläulichen Himmel abheben, zusammengeschmolzen, ist kleiner geworden, – wie es auch mit den Bergen und Denkmälern geht, wenn man sie zur nächtlichen Stunde aus weiter Ferne betrachtet. Aber sobald man sich ihr nähert, sobald sie ihre Bedeutung in dem Raum einnimmt, wächst sie zu einem Wunder an, das, durch diese unnatürliche Klarheit gesehen, inmitten der Abgeschiedenheit und des ewigen Schweigens, noch überraschender wirkt. Die Sterne, die kleinen bunt schillernden Diamanten lassen ihr funkelndes Licht von oben aus der unermeßlichen Leere auf sie herabfallen, lassen ihre Fayencen, ihre glatten Flächen, die Bogen ihrer Kuppeln und ihrer spindelförmigen Türme, in mattem Glanz erstrahlen. Und sie versteht es auch jetzt noch, ihr Blau zur Geltung zu bringen, wo alle anderen Farben auf der Erde verblaßt sind; ganz blau hebt sie sich von den Tiefen des nächtlichen Himmels ab, die neben ihrer Glasur fast schwarz, von einem sternenbesäten Schwarz erscheinen. Und man könnte sagen, sie sei zu Eis erstarrt, denn nicht nur begegnet uns wie immer ein Friede unter ihren Mauern, sondern sie ruft auch den Eindruck hervor, als strahle sie Kälte aus.

Sonnabend, 19. Mai.

Heute morgen um sieben Uhr, bei herrlichstem Sonnenschein, schreite ich zum letztenmal durch den Garten, der von den schönen Ispahanrosen überschwemmt wird. Hier habe ich mich eine Woche ausgeruht. Jetzt reise ich ab, setze meinen Weg nach dem Norden fort. Und wahrscheinlich werde ich meine liebenswürdigen Wirte niemals wiedersehen, mit denen ich diese Abende in einer fast vertraulichen Gemeinschaft verbracht habe.

Obgleich von hier nach Teheran kaum ein richtiger Weg führt, so werde ich doch zu Wagen reisen, denn mein armer französischer Diener, der noch sehr von den ausgestandenen Strapazen mitgenommen ist, würde gar keinen Ritt vertragen. Vor der Tür steht mein seltsamer Wagen schon angespannt; eine Art Viktoria, von besonders starker Bauart, deren Federn durch Stricke befestigt und verstärkt sind; in Frankreich würde man ein, höchstens zwei Pferde davorspannen; hier gibt man mir vier, vier kräftige Pferde zum Ziehen, sie tragen ein buntes, mit Kupfer beschlagenes Sattelzeug, so wie es in Persien gebräuchlich ist. Auf dem Bock haben zwei Männer Platz genommen, beide sind mit Revolvern bewaffnet, der Kutscher und sein Gehilfe, der stets bereit sein muß, im kritischen Augenblick an die Spitze des Gespanns zu springen. Acht Pferde folgen, sie tragen mein Gepäck und meine Perser; die kleineren Sachen, die ich hinten am Wagen befestigt hatte, muß ich auf Befehl des Kutschers bis auf die Hälfte vermindern, »denn«, sagt er, »wenn wir umschmeißen sollten . . .«

Wir gebrauchen fast eine Stunde, um aus dem Labyrinth Ispahans hinauszugelangen, wo unsere Pferde, die es gar zu eilig haben, möglichst viel Unheil in den engen Straßen anstiften, sie fahren gegen die Schauläden oder werfen beladene Maultiere um. Bald geht's durch das Dunkel der Basare, bald unter strahlendem Himmel zwischen den Ruinen im schnellen Trab hindurch, der Wagen rumpelt über die Steine dahin, man schnellt empor und könnte fast die Knochen zerbrechen. Bettler laufen neben uns her, sie werfen uns Rosen zu und wünschen uns glückliche Reise.

Darauf folgt das freie Land, das frische Grün der Pappeln und der Weiden, die junge Farbe der Gerstenfelder, die ganz mit Kornblumen übersät sind, das weiße Licht der Mohngärten.

Um zwölf Uhr befinden wir uns von neuem inmitten des Staubes und des gewöhnlichen Verfalls irgendeiner Karawanserei, wo wir eingekehrt sind; – in weiter Ferne verschwindest die Stadt der blauen Kuppeln, die Stadt der taubenfarbenen Ruinen hinter uns.

Und während der Abendetappe sehen wir uns wieder in der Wüste, in der Wüste, die wir auf dem Wege nach Teheran nicht mehr vermuteten, eine wirkliche Wüste mit weiten Sandflächen, mit flimmerndem Licht, mit Karawanen und Luftspiegelungen, – mit den schönen blauen Seen, die drei Minuten sichtbar sind, die uns anlocken und dann wieder verschwinden . . . Durch dies alles im Wagen durchzufahren, im scharfen Trab über die Pfade der Kameltreiber dahinzurollen, das ist wirklich für mich eine ganz neue, seltene Begebenheit.

Sonntag, 20. Mai.

Mourchakar heißt das Dorf, in dem wir diese Nacht geschlafen haben, und unser Wagen hat Aufsehen erweckt; als er gestern abend ausgespannt vor der Tür der Karawanserei stand, sprangen die vom Felde zurückkehrenden Tiere zur Seite, sie fürchteten sich, ihm zu nahe zu kommen.

Den ganzen Tag sind wir ohne ernste Schwierigkeiten in scharfem Trab durch diese ziemlich »befahrbare« Wüste über den alten persischen Boden, über die harte Erde dahingerollt, über einen Teppich von süßduftenden Blumen, wie wir ihnen seit Chiraz schon so oft begegnet sind. Die Berge rechts und links mit ihren Schneegefilden scheinen wir schon zu kennen; ein großes Gewirr von Felsen, niemals zeigen sie das geringste Grün, sie erinnern an all die anderen, die sich vor vielen Tagen als eine eintönige Kette zu beiden Seiten unseres Weges hinzogen.

Und abends sahen wir in einem Tal eine frische, kleine Oase liegen, das Dorf ist nicht mehr befestigt, es scheint sich nicht mehr zu fürchten, wie die anderen Dörfer in den südlichen Gegenden, es breitet sich im Gegenteil friedlich am Ufer eines Baches, zwischen den Obstbäumen und den Blumen aus.

Aber welch ein ungewöhnliches Treiben herrscht vor seinem Eingang, in der Ebene! Es muß irgendeine große Persönlichkeit sein, die mit einem Gefolge von Satrapen reist: sechs Wagen, ungefähr zwanzig von den mit rotem Tuch bedeckten Holzkäfigen, in denen die Frauen auf den Rücken der Maultiere eingeschlossen sitzen, wenigstens fünfzig Pferde, herrliche Zelte, die auf dem Gras errichtet sind; und zwischen den Bäumen hat man Stoffe aufgehängt, sie schließen einen kleinen Wald ein, augenscheinlich, um den Harem des durchreisenden Herrn vor den Blicken der Menschen zu schützen. – Man erzählt uns, es sei ein neuer Vezir, der von Teheran nach Fars geschickt wird, um diese Provinz zu regieren, und der sich jetzt auf seinen Posten begibt. Die ganze Karawanserei ist von seinem Gefolge besetzt, so ist es unnötig, dort nach einem Raum für uns zu fragen.

Aber niemals haben Dorfbewohner uns so gastfreundlich empfangen, wie es diese tun, die jetzt einen Kreis um uns bilden – alle in langen, gemusterten persischen Kleidern, sehr strammsitzend in der Taille, mit weiten, wallenden Ärmeln, mit großen Hüten, die man weit zurückschiebt auf dem fast immer edlen, schönen Kopf. Man streitet sich darum, wer uns sein Haus öffnet, und wer uns unser Gepäck nachträgt.

Das Lehmzimmerchen, das wir dankend annehmen, liegt auf einer Terrasse und sieht in einen Obstgarten hinab, der voller Kirschbäume steht, und durch den die fließenden Bäche dahinrauschen. Es ist sehr sauber, mit Kalk geweißt und mit bescheidenen Spiegelmosaiks verziert, die hier und dort in der Mauer eingelassen sind. Auf dem Kamin, zwischen den orientalischen Karaffen und den kupfernen Kästchen, hat man vorjährige Granaten und Äpfel in einer geraden Reihe hingelegt, ganz so wie es in Frankreich die Bauern tun. Hier herrscht nicht mehr die einfache Derbheit der südlichen Oasen, man fühlt sich nicht mehr so weit von der Heimat entfernt; viele Sachen erinnern fast an die Dörfer bei uns.

Montag, 21. Mai.

Morgens bewegt ein frischer Windhauch die Kirschbäume und drückt die grünen Ähren nieder, das Lager der Satrapen erwacht, und es beginnen die Vorbereitungen zum Aufbruch, zuerst springen die schönen Vorreiter mit geschultertem Gewehr in die Sättel, deren Knöpfe in silbernem oder perlmutterartigem Glanz erstrahlen, und die mit goldenen Fransen besetzt, mit Gold bestickt sind. Im Galopp sprengen die Reiter einzeln davon. Und dann nimmt man die Staatstkutschen in Angriff, vier Pferde werden vorgespannt, zwanzig Diener; silbergalonierte Leute, mit hohen Stiefeln und langen Tuniken, ganz nach der tscherkessischen Mode gekleidet, sind dabei angestellt.

Der Satrap sitzt vornehm und müde in dem Grase, neben seinen schönen, jetzt bald zum Aufbruch fertigen Wagen, er raucht nachlässig seine Kalyan, aus ziseliertem Silber, die von zwei Dienern gehalten wird. Man spannt sechs Pferde vor seinen Wagen, vier an die Deichsel und zwei davor, auf denen die Vorreiter in ihren silbergestickten Gewändern sitzen. Und sobald der Gebieter alleine in seine prachtvoll ausgestattete Karosse gestiegen ist, fährt alles im gestreckten Galopp der Wüste zu, wo der Vortrupp sich schon in der Ferne verliert.

Aber uns interessiert besonders der Harem, der Harem, der jetzt auch hinter den eifersüchtigen Vorhängen seine Vorbereitungen trifft; wir hegen die unbestimmte Hoffnung, daß irgendeine Schöne, dank der Zwanglosigkeit des Lagerlebens, ihr Gesicht zeigen wird; den kleinen Wald, in dem sie alle eingeschlossen sind, verhüllen noch immer die undurchsichtigen Vorhänge, aber man sieht, daß dahinter ein großes Treiben herrscht, Eunuchen laufen herein und heraus, sie schleppen Säcke und Schleier, tragen auf goldenen Tellern Leckerbissen herbei. Augenscheinlich werden die Gefangenen gleich erscheinen.

Die Sonne steigt höher am Himmel, und ihre Wärme erfüllt uns mit Wohlbehagen; im weiten Umkreis ist das Gras mit Blumen besät, man hört das Rauschen der Bäche, man atmet den Duft der wilden Krauseminze ein, und auf den Bergen glitzert der Schnee; ea ist angenehm hier zu warten, und deshalb laßt uns bleiben . . .

Endlich lösen die Vorhänge sich alle zugleich, durch die gemeinsame Handhabe der Eunuchen, und fallen zu Boden. Ach, das ist eine große Enttäuschung. Wohl sehen wir die schönen Frauen, ungefähr zwanzig an der Zahl, aber alle stehen sie gerade, steif da, von Kopf bis zu Füßen in ihre schwarzen Schleier gehüllt, das Gesicht bedeckt durch eine Maske: dieselben ewig gleichen Schatten, denen wir schon überall begegneten.

Wir wollen aber wenigstens jetzt ihrem Aufbrach beiwohnen, da wir schon eine volle Stunde verloren haben. Die Frauen, die die vierspännigen Karossen besteigen, müssen Prinzessinnen sein, man sieht es an ihren kleinen Füßen, an den kleinen behandschuhten Händen, an den Edelsteinen, die hinten am Kopf die weiße Maske zusammenhalten. Die anderen dagegen sind untergeordnete Gattinnen oder Dienerinnen, sie klettern zu zweien auf die Rücken der Maultiere, in die mit rotem Tuch ausgeschlagenen Käfige. Und alle entfernen sich unter Aufsicht der Eunuchen auf demselben Wege nach der Küste zu, den der Satrap eingeschlagen hat, und dessen Pferde noch immer dahin jagen müssen, denn sein Wagen ist nur als schwacher Punkt ganz hinten in der strahlenden Ferne sichtbar.

Jetzt brechen wir selbst in der entgegengesetzten Richtung auf. Sofort befinden wir uns mitten in der Einöde, wir folgen von neuem den Pfaden der Karawanen, die sich in dem Maße, wie wir vorwärtsdringen, immer mehr mit Schädeln und Gerippen bedecken, die einem endlosen Friedhof für Maultiere und Kamele gleichen.

Dort kreuzen wir die verspätete Nachhut des Vezirs: dieselben bewaffneten Reiter, dieselben roten Tragsessel, in denen die Frauen gefangen sitzen, sehr große Tragsessel, die auf zwei zusammengekoppelten Maultieren ruhen, und zu deren kleinen Fenstern die schönen Reisenden hinausblicken, um uns vorüberfahren zu sehen; den Schluß bilden eine endlose Reihe Lasttiere, sie tragen eingelegte oder ziselierte Kästchen, Ballen, mit wunderbaren Teppichen bedeckt, Kupfergeschirr, Silbergeschirr, silberne Karaffen, große silberne Teller.

Und dann begegnen wir auf dem harten Lehmboden der Wüste keinem menschlichen Wesen, bis wir um die Mittagsstunde in einer traurigen, einsam gelegenen Karawanserei haltmachen, wir sind umgeben von Skeletten, von Kinnladen und von Wirbelknochen und finden hier nicht einmal das nötigste Futter für unsere Pferde.

Nachmittags dehnt sich die Wüste schwärzlich zwischen zwei Bergketten von derselben Farbe aus, deren Felsen große Brüche und den Glanz von Steinkohlen zeigen. Und plötzlich glaubt man den Ozean sich auf unserem Wege unter den seltsam dunklen Wolken ausbreiten zu sehen: Es sind dies die tief gelegenen Ebenen (natürlich im Verhältnis zu uns, denn sie liegen noch tausend Meter über dem Meeresspiegel); und in der Luft erheben sich gewaltige Staub- und Sandwolken, ein furchtbarer Wind, der sich jetzt auch uns nähert, hat sie emporgewirbelt.

Gewöhnlich, wenn ein zu steiler Hügel unseren Weg versperrt, den unser Gespann vielleicht nicht zu erklimmen vermag, so treibt unser Kutscher seine vier Pferde in wütendem Lauf vorwärts, er spornt sie durch Rufe an und peitscht mit beiden Armen auf sie los. Bei den Abstiegen im Gegenteil hält er sie nach Leibeskräften zurück, aber diesmal stürzen sie wie zu einem Aufstieg davon, und wir rollen mit einer schwindelerregenden Geschwindigkeit in die Ebene hinab, der Wind nimmt uns den Atem, und der Staub brennt in den Augen. Niemals habe ich wirkliche Wolken so dicht, so schwarz gesehen, wie es diejenigen sind, die uns jetzt entgegenfliegen, um uns in ihren dunklen Mantel einzuhüllen. Hier und dort steigen Sandhosen so kerzengerade wie Rauchsäulen von der Erde auf, sie scheinen ohne Glanz, ohne Flamme zu brennen. Die neue Wüste, in die wir so schnell hinabgefahren sind, ist voller Dunkelheit, voll Luftspiegelungen, ihre ganze Oberfläche zittert und verändert sich; es liegt etwas Schreckliches, etwas Furchteinflößendes in der Luft; übrigens ist der Wind glühend, man kann nicht mehr atmen; die Sonne verdunkelt sich, man möchte von hier entfliehen, und auch die Pferde leiden, ein unbestimmter Schrecken beflügelt ihren Lauf.

Geblendet, den Mund voller Sand, kommen wir unten an, und da liegt glücklicherweise auch der kleine, einsame Weiler, wo wir die Nacht verbringen werden, es war Zeit: zehn Schritte vor uns konnten wir nichts mehr unterscheiden, die Sonne, die noch hoch am Himmel steht, ist nur eine matte, gelbe Scheibe, ist so dunkel, wie eine durch den Rauch gesehene Lampenkuppel. Eine Sonnenfinsternis oder der Weltuntergang scheint sich auf uns herabzusenken. In einer Art Grotte aus geschwärztem Lehm, dem Zimmer der Karawanserei, dringt der Sand durch die Löcher hinein, die als Tür und Fenster dienen, man erstickt, – und trotzdem müssen wir hierbleiben, denn draußen würde es noch schlimmer sein; hier ist der einzig geschützte Platz gegen die glühende, dunkle Wolke, die sich draußen über die weite Einöde lagert.

Dienstag, 22. Mai.

Die Nebel gestern abend, der dumpfe, brennende Sturm müssen ein böser Traum gewesen sein. Beim Erwachen heute morgen ist alles ruhig, die Luft hat ihre tiefe Durchsichtigkeit wiedererlangt, und der Tag bricht strahlend an. Um den Weiler dehnt sich die rosenrote Sandwüste aus; und die Berge, die wir bei unserer Ankunft nicht gesehen hatten, liegen hier ganz in der Nähe und ragen mit ihren weißen Schneegipfeln in den Himmel hinauf.

Unsere heutige Etappe verspricht leicht zu werden, denn die Sandflächen liegen gleich einer ebenen Landstraße vor uns, eine Landstraße, die, fünf bis sechs Meilen breit, sich in unendlicher Länge, zwischen den beiden uns immer noch folgenden Bergketten, erstreckt.

Und die Etappe wird auch kurz sein, höchstens ein Dutzend Meilen; heute abend erreichen wir die große Stadt Kachan; sie wurde einst von der Gemahlin des Kalifen Harun-al-Raschid, der Sultanin Zobéide, gegegründet, von der Sultanin, die uns aus »Tausendundeiner Nacht« bekannt ist.

Den ganzen Vormittag verfolgen wir die mit Knochen besäten Pfade, lautlos rollen wir über den weichen Sand dahin, der hier den gewohnten Lehm- und Steinboden ersetzt. Ein beständiges Zittern, der Vorläufer der Luftspiegelungen, bewegt die überhitzte Ferne; oben heben die Gipfel sich mit wunderbarer Klarheit, mit einer herrlichen Farbenpracht von dem Himmel ab, während auf der Erde, über dem Sand, der unter unseren Wagenrädern einsinkt, alles Unbestimmtheit, alles Flimmern ist. Und gegen Mittag beginnen die anmutigen Luftspiegelungen um uns herum, von denen wir uns jetzt aber nicht mehr täuschen lassen, beginnt das Versteckspiel der kleinen blauen Seen, die hier, die dort auftauchen, die verschwinden, an anderer Stelle erscheinen, um wieder zurückzukehren . . .

Aber gegen Abend erhebt sich wie gestern ein Wind, und sofort fliegt der Sand auf; die Kämme der uns umgebenden Dünen scheinen zu rauchen. Staubwolken, Staubhosen bilden sich, die Sonne leuchtet gelblich und erblaßt; von neuem herrscht unter dem schreckeneinflößenden Himmel eine Sonnenfinsternis.

Man befindet sich auf einem ausgestorbenen Planeten, der nur den Schatten einer Sonne kennt; der Gesichtskreis hat sich mit einer erschreckenden Geschwindigkeit verkleinert; zwei Schritte vor uns liegt alles in einem gelben Nebel gebadet, kaum unterscheidet man die Mähnen der Pferde, die der Wind wie Furienhaare zerzaust. Man erkennt die Pfade nicht wieder, man ist geblendet, man erstickt . . .

– Ich sehe nichts, ich sehe Kachan nicht, – ruft uns der Kutscher zu, der den Kopf verloren hat, und dessen Mund sich bei diesen drei Worten ganz mit Sand füllt.

Wir glauben gern, daß er Kachan nicht findet, schon vor dem Sturm sah das Auge ja nichts als die Wüste . . . Das Gespann hält an. Wer sagt uns, wo wir sind, und was soll daraus werden?

Dies muß eine Halluzination sein: wir glauben das Läuten von Kirchenglocken zu vernehmen, von großen Glocken, zahllosen Glocken, die sich uns immer mehr nähern . . . bis sie unmittelbar vor uns ertönen . . . Und plötzlich taucht ein Kamel auf, es streift uns fast, ein phantastisch aussehendes Tier, dessen Umrisse im Nebel verschwimmen. An seinen Seiten schaukeln Kupfergefäße, sie schlagen mit dem Lärm einer großen Glocke aneinander. Ein zweites folgt, gebunden an den Schwanz des ersten, und dann drei, und dann fünfzig, und dann hundert; alle sind mit Schalen, mit Gefäßen, mit Krügen, mit vielgeformten, kupferroten Sachen beladen, die einen Höllenlärm verursachen, Kachan ist im wahrsten Sinne des Wortes die Stadt der Kupferarbeiter, sie versorgt die Provinz und die Nomaden mit den Wirtschaftsgeräten, die in ihren Basaren gehämmert werden; täglich befrachtet sie ähnliche Karawanen, und diese machen sich noch von weitem im ganzen Umkreis der großen Einöde hörbar.

– Wo ist Kachan? fragt unser Kutscher eine menschliche Erscheinung, die einen Augenblick auf dem Rücken eines Kamels über einem Haufen von Trinkgefäßen sichtbar wird.

– Gerade vor euch, kaum eine Stunde von hier, antwortet der Unbekannte mit erstickter Stimme, denn sein Gesicht verhüllt ein Schleier zum Schutz gegen den vielen Sand, den man hier schluckt. Er verschwindet vor unseren Augen in dem trockenen Nebel.

Gerade vor uns . . . Drum laßt uns auf die Pferde lospeitschen, damit sie wenn möglich vorwärtslaufen, laßt uns versuchen die Stadt zu erreichen. Übrigens legt sich das Unwetter, der Wind flaut ab, es ist weniger dunkel; auf der Erde liegen Knochen, wir müssen uns auf richtiger Fährte befinden.

Noch eine halbe Stunde fahren wir auf gut Glück darauf los. Und dann erscheint plötzlich ein helles Licht, erscheint plötzlich die Stadt der Sultanin Zobéide, viel höher als wir sie suchten: die Kuppeln, die Minaretts, die Türme. Die Stadt ist uns nahe und erscheint doch so fern, denn ihre Linien sind ganz verschwommen. Noch eingehüllt in den Nebel, vor einem schwarzen Himmel, beleuchtet von der untergehenden Sonne, erhebt sie sich, und rot leuchtet sie auf, die alte Stadt aus Lehm, rot wie jene Kupfergefäße, die vor kurzem so viel Lärm um sich verbreiteten. Und auf der Spitze jedes Minaretts, auf der Spitze jeder Kuppel sitzt sehr gravitätisch ein Storch, ein Storch, den Nebel und Sand vergrößert haben, und der in unseren Augen den Umfang eines Riesenvogels annimmt.


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