Pierre Loti
Die letzten Tage von Peking
Pierre Loti

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Zu den Kaisergräbern

Freitag, 26. April

Endlich kann ich heute nach dem heiligen Hain aufbrechen, der die Grabstätten der Kaiser enthält.

Um sieben Uhr früh verlasse ich den Nordpalast mit meinen beiden Burschen vom vergangenen Herbst, Osman und Renaud, nebst vier Chasseurs d'Afrique und einem chinesischen Dolmetsch. Wir sind zu Pferd, auf eigens für diese Reise ausgewählten Tieren, die mit uns auf der Bahn befördert werden sollen.

Vorerst reiten wir zwei bis drei Kilometer durch Peking im schönen Morgenlicht durch breite, wunderbar einsame Straßen, die Prachtstraßen der Aufzüge und der Kaiser, durch die dreifachen roten Tore zwischen den marmornen Löwen und Obelisken, die vergilbt sind wie altes Elfenbein.

Jetzt sind wir am Bahnhof – mitten in der Stadt, am Fuß der zweiten Umfassungsmauer, denn die Barbaren des Abendlandes sind nicht vor der Schändlichkeit zurückgeschreckt, die Wälle zu durchbrechen, um ihre umstürzlerischen Maschinen hindurchzuführen.

Zunächst verlade ich meine Leute und Pferde. Dann fährt der Zug durch die verwüstete »Chinesische Stadt« und folgt drei bis vier Kilometer der ungeheuren grauen Mauer der »Tartarenstadt«, die sich endlos und ewig gleich weiterzieht, stets mit den gleichen Bastionen, den gleichen Zinnen, ohne Tor, ohne irgend etwas, das ihre Eintönigkeit und Riesengröße unterbricht.

Eine Bresche in der äußersten Umwallung bringt uns endlich mitten in die traurige Landschaft.

Drei und eine halbe Stunde lang geht die Fahrt durch den Staub der Ebene, an zerstörten Bahnhöfen, Trümmern und Ruinen vorbei. Nach den großen Plänen der Alliierten soll diese Linie, die jetzt bis Pao-ting-fu führt, um einige hundert französische Meilen verlängert werden, um Peking und Hankau, die beiden Riesenstädte, zu verbinden; so wird sie eine der großen Verkehrsadern des neuen China werden und auf ihrem Wege die Wohltaten europäischer Zivilisation im Überfluß aussäen . . .

Zu Mittag steigen wir vor Tschu-tschau aus, einer großen ummauerten Stadt, deren hohe Zinnenmauern mit zwei zwölf Stock hohen Türmen wie durch eine Aschenwolke aufragen. Man sieht kaum zwanzig Schritte weit, wie bei nordischem Nebelwetter, so viel Staub hängt überall in der Luft unter einer fahlen gelblichen Sonne, deren Strahlung dennoch bedrückend ist.

Der Kommandant und die Offiziere des Postens, der Tschu-tschau seit dem Herbste besetzt hält, kommen mir freundlich entgegen und laden mich zu ihrem Frühstück in der Kühle der großen dämmerigen Pagoden ein, in denen sie mit ihrer Mannschaft untergebracht sind. Tatsächlich bestätigen sie mir, daß die Straße zu den GräbernEs handelt sich hier nicht um die Gräber der Ming-Dynastie, die schon seit langen Jahren von allen Europäern, die sich in China aufgehalten, untersucht worden sind, sondern um die Kaisergräber der jetzigen Dynastie, denen, sich zu nähern, stets verboten war., die bisher ganz sicher schien, es seit einigen Tagen nicht mehr ist; eine Bande von zweihundert räubernden Boxern hat erst gestern eines der großen Dörfer angegriffen, die auf meinem Wege liegen, und es wurde den ganzen Vormittag gekämpft, bis die den Dorfbewohnern zu Hilfe gesandte französische Abteilung herankam. Da entflohen die Boxer wie ein Schwarm Spatzen.

»Zweihundert Boxer,« sagt der Kommandant des Postens und rechnet dabei im Kopf, »na, zweihundert Boxer: da brauchen Sie mindestens zehn Mann. Sie haben schon sechs Reiter; wenn Sie wollen, gebe ich Ihnen noch vier dazu.«

Ich glaube darauf einige Redensarten machen zu sollen, ihm zu antworten, daß das viel zu viel sei, daß er mir zu viel des Guten tue. Und plötzlich beginnen wir beide hier angesichts der unser Frühstück beobachtenden Buddhas zu lachen, denn wir werden uns mit einem Male der argen Prahlerei unserer Redensarten bewußt.

Und doch genügen zehn Mann vollkommen gegen zweihundert Boxer; diese Leute sind nur zäh und gefährlich hinter Mauern, nicht aber in offenem Felde! . . . Übrigens ist es auch wahrscheinlich, daß ich nicht den Zopf eines einzigen sehen werde, doch nehme ich die Verstärkung von vier braven Soldaten an, die gewiß sehr gerne mit mir hinziehen. Ich nehme das Anbot um so lieber an, als dadurch meine Reise in den Augen der Chinesen den Charakter einer militärischen Erkundung annimmt, was in diesem Augenblick anscheinend einen günstigen Eindruck machen wird.

Um zwei Uhr besteigen wir unsere Pferde, um fünfundzwanzig Kilometer weiter in einer alten ummauerten Stadt Lai-tschau-tschin zu nächtigen. (Die chinesischen Städte haben das Vorrecht solcher Namen; bekanntlich heißt eine Schu-ma-miau und eine andere sehr große alte Hauptstadt Tschin-tschin.)

Wir verschwinden sofort in der Staubwolke, die der Wind über die endlose, erstickende Ebene treibt. Man darf sich keiner Täuschung hingeben: der Wind, der sich da erhoben hat, ist der »gelbe Wind«; ein Wind, der insgemein in Perioden von drei Tagen bläst und den chinesischen Staub mit dem der mongolischen Wüste vermengt.

Keine Straßen, nur tiefe Geleise, mehrere Fuß tiefe Pfade, die sich derart nur im Laufe von Jahrhunderten eintiefen konnten. Eine schreckliche Landschaft, die seit dem Anfang der Zeiten dörrende Glut und fast sibirische Kälte ertragen muß. Wie kann nur in diesem ausgedörrten, zerbröckelten Erdreich die junge Saat wachsen, die hier und da recht frische grüne Vierecke mitten im endlosen Grau bildet? Von Zeit zu Zeit trifft man auf armselige Gruppen von Ulmen und Weiden, die von den unsrigen etwas verschieden, aber doch erkennbar sind und kaum die ersten jungen Blätter tragen. Eintönigkeit und Trauer; man glaubt fast, armselige Landschaften des äußersten Nordens vor sich zu haben, doch von einer afrikanischen Sonne beleuchtet, die sich in der geographischen Breite geirrt hat.

An einer Windung des Hohlweges schrickt eine Schaar Bauern, die uns plötzlich auftauchen sieht, zusammen und wirft die Spaten weg, um zu fliehen. Einer aber unter ihnen hält sie zurück und ruft: »Fanko pink! (Französische Soldaten!) Es sind Franzosen, Ihr braucht keine Angst zu haben!« Da beugen sie sich wieder über die glühende Erde und setzen ihre Arbeit ruhig fort, während sie uns scheel von der Seite nachblicken. – Ihr Vertrauen sagt schon sehr viel über die eigentümliche Gattung »Barbaren«, die unsere braven Soldaten während der europäischen Invasion gewesen sind.

Die paar in der Ebene verstreuten Weidengruppen beschirmen unter ihrem leichten Schatten fast sämtlich Bauerndörfer: Hütten aus Lehm und grauen Ziegeln und alte kleine, gehörnte Pagoden, die in der Sonne zerbröckeln. Durch die Wächter benachrichtigt, kommt Alt und Jung heraus, wenn wir durchreiten, um uns stillschweigend mit naiver Neugier zu betrachten; nackte Oberkörper, tiefgelb, sehr mager und muskulös, die Hosen stets aus derselben dunkelblauen Baumwolle. Aus Höflichkeit läßt jeder seinen langen Zopf über den Rücken herunterfallen; ihn um den Kopf gewickelt zu behalten, hieße mir eine Ungezogenheit antun. Keine Frauen: die bleiben verborgen. Abgesehen von ihrem Schrecken, müssen diese Leute die gleichen Empfindungen haben wie einst die gallischen Bauern, wenn irgendein Häuptling von Attilas Horden mit seinem Gefolge daherritt. Alles an uns setzt sie in Erstaunen, die Kleidung, die Waffen, die Gesichter. Selbst mein Pferd, ein arabischer Hengst, muß ihnen neben ihren kleinen Pferden mit den großen struppigen Köpfen als ein seltenes, elegantes Tier erscheinen. – Und die kümmerlichen Weiden, die das Licht auf diese Hütten, diese winzigen Pagoden und diese ursprünglichen Menschen durchsickern lassen, bestreuen uns mit dem weißen Flaum ihrer Blüten, die wie ein Regen kleiner Federn oder kleiner Wattestücke niederfallen und sich mit dem unaufhörlichen Staub mischen.

In der Ebene, die dann eintönig und gleichförmig weitergeht, reite ich zwei- bis dreihundert Meter meinem kleinen bewaffneten Trupp voraus, um den Staub zu vermeiden, den der Trab ihrer Pferde aufwirbelt; wenn ich mich umwende, sehe ich eine graue Wolke, die mir anzeigt, daß meine Leute mir folgen. Der gelbe Wind bläst immerfort; wir sind derart mit Staub bedeckt, daß unsere Pferde, unsere Schnurrbärte und Uniformen aschfarbig geworden sind.

Gegen fünf Uhr taucht vor uns die alte ummauerte Stadt auf, in der wir die Nacht verbringen sollen. Von weitem und mitten in der Ebene wirkt sie fast imposant mit ihren hohen Zinnenmauern von düsterer Farbe. In der Nähe wird sie gewiß nichts anderes bergen als Trümmer und Verfall, wie ganz China.

Ein Reiter, der seine unvermeidliche Staubwolke nach sich zieht, kommt mir entgegen: es ist der Offizier, der die fünfzig Mann Marine-Infanterie kommandiert, die seit dem Oktober Lai-tschau-tschin besetzt halten. Von ihm erfahre ich, daß der General den besonders liebenswürdigen Gedanken hatte, mich als einen großen Mandarin der abendländischen Literatur anzukündigen. So wird mir denn der Mandarin der Stadt mit einem Aufzug entgegenkommen, und er hat ein Fest vorbereitet, zu dem auch die benachbarten Dörfer geladen sind.

In der Tat kommt dieser Aufzug schon aus den alten verfallenen Toren hervor und schreitet mit roten Sinnbildern und Musik durch die öden Felder auf mich zu, Jetzt macht er Halt, um mich zu erwarten, und stellt sich zu beiden Seiten der Straße in Reihen auf. Und nach, tausendjährigem Brauche tritt ein Diener des Mandarins, der mich vorstellen soll, fünfzig Schritte vor, kommt mir entgegen und übergibt mir ein großes rotes Papier: die Visitenkarte seines Herrn. Der furchtsame Mandarin selbst ist aus Ehrerbietung von seinem Tragsessel abgestiegen und erwartet mich stehend mit den Leuten seines Hauses. Wie man mir geraten, reiche ich ihm die Hand, ohne vom Pferde zu steigen, und darauf setzen wir in den grauen Staubwirbeln den Weg zu den großen Mauern gemeinsam fort, hinter mir meine Reiter und vor mir der ganze Ehrenaufzug mit seiner Musik und seinen Sinnbildern.

Voran zwei große rote Sonnenschirme mit herabhängender Seide wie die Traghimmel einer Prozession; dann ein phantastischer schwarzer Schmetterling in der Größe eines Uhus mit ausgebreiteten Flügeln, von einem Knaben an einer Stange getragen; dann in zwei Reihen die Banner, dann die Schilder aus rotlackiertem Holze mit goldenen Inschriften. Sobald wir uns in Bewegung gesetzt haben, ertönt der dumpfe Klang der Gongs mit Pausen wie bei einem Trauerzuge, während Herolde den Bewohnern der Stadt meine Ankunft mit langgezogenen Rufen verkünden.

Nun sind wir am Tore, das wie der Eingang zu einer Höhle aussieht; zu beiden Seiten hängen fünf bis sechs kleine hölzerne Käfige, und in jedem sitzt regungslos eine Art von schwarzem Tier inmitten eines Fliegenschwarmes; sein Schwanz hängt wie tot durch die Gitterstangen heraus. Was kann das sein, das so kugelrund ist und einen so langen Schwanz hat? Affen? . . . Ah! gräßlich! Es sind abgeschnittene Köpfe! Jeder dieser netten Käfige enthält ein Menschenhaupt, das in der Sonne schwarz zu werden beginnt, und dessen langes geflochtenes Haar man mit Absicht herunterhängen läßt.

Wir tauchen in das tiefe Tor ein, begrüßt von dem Grinsen der unvermeidlichen alten Granitungeheuer, die rechts und links ihre plumpen Köpfe mit den schielenden Augen erheben. Um mich einziehen zu sehen, stehen die Leute unbeweglich gegen die Wände dieses Tunnels gepreßt, einer dicht neben dem andern oder übereinander geklettert: nackte gelbe Körper mit Lumpen von blauem Kattun und häßliche Gesichter. Der Staub erfüllt und verdunkelt den gewölbten Durchgang, durch den wir uns, Mann und Pferd, in der gleichen dicken Staubwolke hindurchzwängen.

Nun sind wir in der alten, völlig zurückgebliebenen und unbekannten chinesischen Provinzstadt.

 

Ruinen und Trümmer innerhalb dieser Mauern, wie ich es erwartet! Nicht durch Schuld der Boxer oder der Alliierten, denn der Krieg ist ja nicht bis hierher gedrungen, sondern infolge des Verfalles von ganz China, das um dreißig Jahrhunderte älter ist als wir und zu Staub zerfällt.

Und der Gong vor mir läßt fortwährend in Pausen seinen dumpfen Schall ertönen, und die Herolde verkünden dem Volke noch immer mein Nahen mit langgezogenen Rufen in den kleinen staubigen Gassen unter der noch brennenden Abendsonne. Man erblickt wüste Stellen, angesäte Felder mitten in der Stadt. Hier und dort deuten verwitterte, unförmige, halb in den Boden gesunkene Granitungeheuer, deren Fratzen durch Alter unkenntlich geworden sind, die Stelle früherer Palasteingänge an.

Vor einem Tore, über dem eine Trikolore flattert, macht der Aufzug Halt, und ich steige ab. Hier sind seit sieben oder acht Monaten unsere fünfzig Marine-Infanteristen kaserniert: hier haben sie einen ganzen langen Winter zugebracht, von der übrigen Welt durch Schnee und eisige Steppen getrennt, und in einer für sie so bedrückenden Umgebung das Leben eines Robinson geführt.

Es ist eine freudige Überraschung, sie hier zu finden, die braven heimatlichen Gesichter nach allen diesen gelben Burschen, die sich auf der Straße drängten und mich mit ihren kleinen rätselhaften Augen durchbohrten. Dies französische Quartier ist wie ein Winkel von Leben, Heiterkeit und Jugend inmitten des alten mumienhaften China.

Man sieht, daß der Winter unsern Soldaten wohl bekommen ist, denn sie haben ein gesundes Aussehen. Übrigens haben sie sich mit einer drolligen und verwunderlichen Geschicklichkeit eingerichtet, Waschräume, Duschbäder und einen Schulsaal hergestellt, um die kleinen Chinesen Französisch zu lehren, sogar ein Theater. Sie leben im besten Einvernehmen mit den Einwohnern, die sie bald nicht mehr werden ziehen lassen wollen, bestellen Gemüsegärten, treiben Hühner- und Schafzucht und füttern kleine Raben, – ja sogar kleine Waisenkinder.

Es ist abgemacht, daß ich bei dem Mandarin wohnen, vorher aber im französischen Posten zur Nacht essen soll. Und um neun Uhr kommen faßgroße Paradelaternen mit höchst chinesischer Bemalung, um mich abzuholen und in den »Yamen« zu führen.

So ein chinesischer »Yamen« hat stets eine endlose Tiefe. In der kühlen Nacht schreite ich zwischen steinernen Ungeheuern und Spalier bildenden Dienern bei Laternenschein durch eine zweihundert Meter lange Flucht von Höfen, durch Gott weiß wie viel verfallene Tore und Vorhallen mit wackeligen Stufen, bevor ich die staubige, morsche Wohnung betrete, die mir der Mandarin zuweist: ein gesondertes Gebäude in einer Art Klosterhof mit alten verkrüppelten Bäumen. Hier finde ich unter rauchgeschwärzten Balken einen großen weißgetünchten Saal und in seiner Mitte ein Podium mit thronartigen Sockeln, ringsum schwere Lehnstühle aus Ebenholz und als Wandschmuck einige Streifen aufgehängter Seide mit aufgemalten Gedichten in mandschurischen Buchstaben. Im linken Flügel befindet sich ein Stübchen für meine beiden Burschen, im rechten eines für mich mit Fensterscheiben aus Reispapier und ein sehr hartes Lager mit roten Seidendecken auf einem Podium, endlich eine Räucherpfanne, auf der Weihrauchstäbchen glühen. Das alles ist ländlich, naiv und veraltet, selbst nach chinesischen Begriffen.

Mein schüchterner Gastfreund erwartet mich im Festgewande vor der Türe und läßt mich auf den Thronsesseln in der Mitte neben sich Platz nehmen, um mir den obligaten Tee in hundertjährigem Porzellan anzubieten; dann hebt er bald unsere Sitzung bescheiden auf und wünscht mir gute Nacht. Als er sich zurückzieht, bittet er mich noch, mich nicht zu beunruhigen, wenn ich über meiner Zimmerdecke ein fortwährendes Hin- und Herlaufen hören sollte: dort trieben Ratten ihr Unwesen. Ich möchte mich auch nicht beunruhigen, wenn ich hinter meinen Papierfenstern Leute im Hofe mit Holzklappern schlagen hörte: das seien die Nachtwächter, die mir auf diese Weise kund gäben, daß sie nicht schlafen und gut Wache halten.

»Es sind viele Räuber in der Gegend«, fügt er hinzu; »indessen schließt die hochummauerte Stadt ihre Tore bei Sonnenuntergang; aber die Landarbeiter haben, um vor Tagesanbruch auf die Felder zu gehen, ein Loch in die Wälle gebrochen, und die Räuber, die das leider erfahren haben, versäumen nicht, durch dies Loch einzudringen.«

Als der Mandarin sich unter langen Verbeugungen entfernt und mich in der Dunkelheit dieser Gemächer im Herzen dieser abgelegenen Stadt alleingelassen hat, deren Tore mit Menschenköpfen in Käfigen geziert sind, fühle ich mich unendlich vereinsamt und von der Welt, welche die meine ist, durch ungeheure Räume getrennt, auch durch die Zeiten, durch Jahrhunderte; mich dünkt, daß ich inmitten einer Menschheit einschlafen werde, die hinter der unsern um wenigstens ein Jahrtausend zurückgeblieben ist.

 
Samstag, 27. April

Das Krähen der Hähne und das Vogelgezwitscher auf meinem Dache wecken mich in dem alten fremdartigen Zimmer, und durch das Sieb der Papierfenster errate ich, daß draußen warme Sonne scheint.

Osman und Renaud, die früher aufgestanden sind als ich, kommen und teilen mir mit, daß man eiligst große Zurüstungen in den Höfen des Yamen macht, um mir ein Fest zu geben, – ein Vormittagsfest, denn ich muß nach dem Mittagmahl weiterreiten, meinen Weg zu den Kaisergräbern gleich fortsetzen.

Gegen neun Uhr geht es los. Im Schatten eines Torbaus, dessen Getäfel fratzenschneidende Gesichter andeutet, sitze ich in einem Lehnstuhl neben meinem Mandarin, der unter seinen Seidenkleidern zusammenzubrechen scheint. Vor mir in der funkelnden Sonne zieht sich die Flucht der Höfe und der Torbauten in wunderlichen Umrissen, mit alten Ungeheuern auf ihren Sockeln. Die chinesische Menge – wohlverstanden stets nur die Männer – ist hier in ihren ewigen Lumpen von blauer Baumwolle versammelt. Der »gelbe Wind«, der sich wie gewöhnlich in der Nacht gelegt hatte, beginnt von neuem zu blasen und den Himmel mit weißem Staub zu erfüllen. Und die Akazien und eintönigen Weiden, fast die einzigen Bäume Nordchinas, stehen hier und dort mit ihrem alten kümmerlichen Astwerk, an dem kleine blaßgrüne Blätter knospen.

Zuerst kommt der langsame, sehr langsame Aufzug einer Musikkapelle: viele Gongs, Zimbeln und Glöckchen mit gedämpftem Klang; die Melodie ist wie von einem Melancholiker gesungen, weich mit einem Unisono von Flöten, – großen Flöten mit tiefem Ton, einige aus mehrfachen Röhren bestehend und Schilfgarben gleichend, eine einlullende, ferne Musik, köstlich zu hören.

Die Musikanten setzen sich jetzt im Kreis neben uns, um das Fest zu leiten. Der Rhythmus wechselt plötzlich, beschleunigt sich, die Glöckchen klingen lebhafter, die Gongs schlagen stärker, und eine Tanzmusik beginnt. Und siehe, aus dem Hintergrund der Höfe und der alten Torbauten naht in dem sich verdichtenden Staube über die Köpfe der Menge hinweg eine Truppe von Tänzern in doppelter Lebensgröße. Sie wiegen sich im Takt und schwingen Klappern, fächeln sich Luft zu und zappeln in aufgeregten epileptischen Bewegungen . . . Sind das Riesen? Hampelmänner? Was kann das sein? . . . Doch mit langen hüpfenden Schritten kommen sie sehr rasch näher und stehen schon vor uns . . . Ah! Stelzenläufer! Wunderbare Stelzenkünstler, die auf ihren hölzernen Beinen höher ragen, als die Schäfer der Landes und umherspringen wie große Heuschrecken. Sie sind verkleidet, geschminkt, mit Altersfalten bemalt, tragen Perücken und falsche Bärte und stellen Götter oder Geister dar, wie man sie in alten Pagoden sieht; auch Prinzessinnen mit schön gestickten Seidenröcken, übermäßig weißen und roten Wangen und künstlichen Blumen im Haar, Prinzessinnen vom Kopf bis zum Fuß, die sich mit heftigen Bewegungen fächeln und sich immerfort hin und her wiegen, in der gleichen regelmäßigen Bewegung wie die ganze Truppe, unaufhörlich und beklemmend, wie der Pendelschlag einer Wanduhr.

Nun, diese Stelzenläufer sind ganz einfach junge Burschen eines Nachbardorfes, brave kleine Landbuben, die einen Turnverein bilden und diesen Tanz zu ihrem Vergnügen aufführen. In den kleinsten Dörfern des inneren China haben sich die Burschen von Geschlecht zu Geschlecht seit Jahrhunderten, ja seit Jahrtausenden, bevor diese Sitte bei uns aufkam, leidenschaftlich mit Übungen der Kraft und Gewandtheit befaßt und wetteifernde Vereine gebildet, die einen als Akrobaten, die andern als Seiltänzer oder Jongleure, und öffentliche Schaustellungen veranstaltet. Sie üben sich namentlich während der langen Winter, wenn alles vereist ist und inmitten der Schneewüste jede kleine menschliche Ansiedlung auf sich angewiesen ist.

In der Tat bemerkt man trotz der weißen Perücken und der Bärte von Hundertjährigen, daß all diese Leute jung sind, ganz jung, mit kindlichem Lächeln. Die reizenden, drolligen Prinzessinnen mit ihren zu langen Beinen und den exzentrischen Fächerbewegungen lächeln naiv und tanzen immer ausgelassener, wiegen sich in den Hüften, biegen sich rückwärts und zappeln frenetisch mit Kopf und Körper. Auch die Greise mit den Kindergesichtern lächelnd naiv und schlagen die Klapper oder das Tamburin wie Besessene. Das fortwährende Unisono der Flöten scheint sie auf die Dauer zu behexen, sie in einen eigentümlichen Zustand von Raserei zu versetzen, der dem unaufhörlichen Hin und Her der Bären gleicht . . .

Auf ein Zeichen steht jeder auf einem Bein, auf einer Stelze, das andere Bein hochgezogen, die andere Stelze über die Schulter geworfen, und dennoch halten sie wunderbar das Gleichgewicht, tanzen bei alledem und wiegen sich noch stärker, wie Marionetten mit toll gewordenen Federn, deren Mechanismus gewiß zerspringen wird. Dann werden im Laufschritt zwei Meter hohe Schranken herbeigeschleppt, und alle springen sie auf einem Bein, alle, die Prinzessinnen, Greise und Geister, ohne im Fächerspiel oder Tamburinschlagen innezuhalten.

Wenn sie dann nicht mehr weiter können, lehnen sie sich mit dem Rücken an die Torbauten, die alten Akazien und Weiden, und ein anderer, ganz gleicher Schwarm mit ebenso hohen Stelzen (Burschen eines anderen Dorfes) erscheint im Hintergrund der Höfe in wiegendem Tanzschritt und beginnt nach der gleichen Melodie den gleichen Tanz. Sie stellen die gleichen Personen, die gleichen Geister, die gleichen langbärtigen Götter, die gleichen schönen Zierdamen dar. In ihrem uns so fremdartigen Putz, mit ihren so seltsam gerunzelten Gesichtern verkörpern diese Tänzer uralte mythologische Träume, die einst, in der Nacht der Vorzeit, eine von uns so unendlich verschiedene Menschheit ersonnen hat. Das alles überliefert sich von Geschlecht zu Geschlecht in unveränderlicher Art durch das ganze Land, wie sich in China Bräuche, Formen und Dinge ewig vererben.

Übrigens behält dieses Fest und dieser Tanz trotz seiner äußersten Fremdartigkeit einen ganz ländlichen, naiven Charakter, wie eine Kurzweil von Bauern.

Jetzt sind sie mit dem Überspringen der Schranken fertig. Und nun sieht man aus demselben Hintergrund zwei schreckliche Tiere auftauchen und nebeneinander nahen, eines rot, das andere grün. Es sind zwei große heraldische Drachen, wenigstens zwanzig Meter lang, mit aufgerichtetem Kopf, aufgerissenem Rachen und den scheußlichen schielenden Augen, den Hörnern und Krallen, die man schon kennt. Sie kommen sehr schnell heran, als ob sie liefen, und winden sich in Schlangenlinien über den Schultern der Menge . . . Aber sie sind ganz leicht, aus Pappe und Stoffen, die über Reifen gespannt sind, jedes Tier von einem Dutzend äußerst geschickter junger Leute auf Stöcken in der Luft gehalten; durch gewandte Griffe wissen sie den Eindruck von Schlangen hervorzurufen.

Vor ihnen schreitet eine Art Ballettmeister, eine Kugel in der Hand, welche die Träger nicht aus den Augen verlieren, und mit denen er wie ein Kapellmeister mit seinem Stabe die Windungen der beiden Ungeheuer dirigiert.

Zunächst begnügen sich die beiden Untiere mit einem Tanze vor mir beim Klang der Flöten und Gongs in dem von der chinesischen Menge gebildeten Kreis, der sich erweitert und ihnen Platz macht. Dann aber wird das Schauspiel ganz schrecklich: sie kämpfen miteinander, während die Gongs und Zimbeln rasen. Sie verschlingen sich ineinander, umklammern sich, als wollten sie sich erdrücken; man sieht sie ihre langen Ringe durch den Staub schleifen, und dann richten sie sich urplötzlich mit einem Satze auf, bäumen sich, und die zwei riesigen Köpfe stehen sich gegenüber und zittern vor Wut. Und der Ballettmeister schwingt seine Kugel, tobt und rollt wild die Augen.

Der Staub fällt immer dichter auf die Menge und auf die Träger, die man gar nicht mehr sieht; er erhebt sich in Wolken und gestaltet diesen Kampf zwischen dem roten und dem grünen Tier noch phantastischer. Die Sonne brennt wie in den Tropen hernieder, und doch zeigt sich der traurige chinesische April, mit seiner blutleeren Dürre nach dem eisigen Winter, kaum im blassen Grün der spärlichen Blättchen der alten Weiden und Akazien des Hofes . . .

Nach dem Frühstück erscheinen unter Vorantritt von Musikanten Mandarine aus den Dörfern der Umgebung und bringen mir ländliche Geschenke dar, Körbe mit getrockneten Trauben und Birnen, lebende Hühner in Käfigen und Reiswein in einem Tongefäß. Sie tragen die offizielle Winterkappe mit der Rabenfeder und schwarze Seidengewänder, die nur am Rücken und auf der Brust ein goldgesticktes Viereck zeigen, in dessen Mitte zwischen Wolken der stets unveränderliche, gegen den Mond fliegende Storch eingestickt ist. Fast alle sind dürre Greise mit grauem Kinn- und Schnurrbart, der lang herabhängt. Wieder erfolgen große Tschintschins, tiefe Verbeugungen, endlose Komplimente; Händedrücke, bei denen man krallenartige, zu lange Nägel fühlt, die aus alten mageren Fingern hervorstehen.

Um zwei Uhr steige ich mit meinen Leuten wieder zu Pferde und verlasse die Stadt durch die verfallenen Straßen, unter Vorantritt desselben Aufzuges wie bei der Ankunft; die Gongs schallen wie bei einem Leichenzug, und die Herolde stoßen ihre Rufe aus. Hinter mir folgt der Mandarin des Ortes in seiner Sänfte, dahinter die Vereine der Stelzenkünstler, nebst den beiden ungeheuerlichen Drachen.

Beim Stadtausgang, wo das Volk schon versammelt ist, um mich zu sehen, stürzt sich das alles mit uns in den tiefen Tunnel, die Prinzessinnen mit drei Meter langen Sprüngen, die Götter, welche die Klapper oder das Tamburin schlagen, und das rote und grüne Ungeheuer. Und im Halbdunkel der Wölbung, bei dem Getöse all der Klappern und Gongs, unter den schwarzen Wolken des blendenden Staubes herrscht ein dichtes Gewühl, in dem unsre von dem Lärm erschreckten Pferde Seitensprünge machen und bäumen oder vor den beiden scheußlichen Untieren scheuen, die über unsern Köpfen hin und her schwanken.

Dieser Aufzug begleitet uns ungefähr eine Viertelstunde vor die Mauern, um uns dann endlich zu verlassen.

Wir finden wieder Ruhe in der brennend heißen Ebene, in der wir ungefähr zwanzig Kilometer durch den Staub und den »gelben Wind« bis nach Ytschau zurückzulegen haben, einer andern ummauerten Stadt, die unser Nachtquartier sein wird.

Erst morgen werden wir zu den Gräbern gelangen.

Die Ebene gleicht der gestrigen, doch ist sie grüner und etwas bewaldeter. Das wie bei uns in Furchen gesäte Korn sprießt wunderbar auf diesem Boden, der eine Mischung aus Sand und Asche scheint. Übrigens wird alles weniger trostlos, je mehr man sich von der Gegend von Peking entfernt, um über unmerkliche Abhänge zu den großen Bergen des Westens hinanzusteigen, die vor uns immer klarer auftauchen. Auch der »gelbe Wind« bläst weniger heftig, und in den Augenblicken, wo er sich legt und der blendende Staub sich setzt, möchte man glauben, eine Landschaft aus Nordfrankreich mit ihren Ackerfurchen, ihren kleinen Gehölzen von Ulmen und Weiden zu sehen. Man vergißt, daß man sich im Innern Chinas, auf der anderen Seite der Erdkugel befindet, und erwartet, auf den Feldwegen heimische Landleute vorbeiziehen zu sehen . . . Aber die wenigen gebückten Feldarbeiter tragen lange, um den Kopf gewickelte Zöpfe, und ihre nackten Rücken sind wie mit Safran bemalt.

Alles ist friedlich in der sonnenüberfluteten Landschaft und in den Dörfern, die unter dem leichten Weidenschatten liegen. Alles in allem lebten die Leute hier glücklich im Banne fünftausendjähriger Gewohnheiten und bebauten den alten Nährboden nach Urväterart. Von den Erpressungen einiger Mandarine abgesehen – und es gibt noch viele gutmütige Mandarine – lebt dies chinesische Landvolk fast noch im goldenen Zeitalter, und ich kann mir nicht vorstellen, was für sie die Freuden dieses »neuen China« sein werden, von dem die Reformatoren des Abendlandes träumen. Allerdings hat die fremde Besetzung sie bis heute gar nicht berührt; in dieser Gegend, die wir Franzosen allein besetzt halten, haben unsere Truppen nie eine andere Aufgabe gehabt, als die Dorfbewohner gegen die plündernden Boxerbanden zu verteidigen; Ackerbau, Aussaat, kurz alle Feldarbeit wurde ruhig zur rechten Zeit besorgt, – und unweigerlich fällt einem der Unterschied mit gewissen anderen Gegenden auf, die ich nicht gerade nennen will, wo der Schrecken herrscht und die brachliegenden Felder wieder zu wüsten Steppen geworden sind.

 

Gegen halb fünf Uhr abends erscheint auf dem scharf geschnittenen Hintergrund der Berge, die vor unseren Augen mehr und mehr in die Höhe wachsen, eine Stadt wie gestern, beim ersten Anblick imposant durch ihre hohen Zinnenmauern. Auch wie gestern nähert sich uns ein Reiter: der Hauptmann, der den seit dem Herbst hier liegenden Posten der Marine-Infanterie befehligt.

Wächter hatten uns von der Höhe der Mauern bereits von weitem an der Staubwolke erkannt, die unsre Pferde in der Ebene aufwirbelten. Und sobald wir näherkommen, sehen wir aus den alten Toren den offiziellen Aufzug auf uns zukommen: die gleichen Sinnbilder wie in Lai-tschau-tschin, den gleichen großen schwarzen Schmetterling, die gleichen roten Sonnenschirme, die gleichen Schilder und Banner; denn alles Zeremoniell in China ist seit Jahrhunderten durch eine unveränderliche Etikette geregelt.

Aber die Leute, die mich heute empfangen, sind viel eleganter und ohne Zweifel reicher als die von gestern. Der Mandarin, der aus seiner Sänfte gestiegen ist, um mich am Straßenrand zu empfangen, läßt mir auf hundert Schritte Entfernung seine Visitenkarte auf scharlachrotem Papier überbringen. Eine Gruppe von Leuten in reichen Seidenkleidern umgibt ihn; er selbst ist ein großer, vornehm aussehender Greis, der am Hute die Pfauenfeder und den Saphirknopf trägt. Eine gewaltige Menge ist gekommen, um mich unter dem düsteren Klang der Gongs und den langgezogenen Schreien der Ausrufer einziehen zu sehen. Gestalten erscheinen auf dem First der Wälle und blicken zwischen den Zinnen hindurch mit ihren kleinen Schlitzaugen, und bis in die Tiefe der Tore stehen Kerle mit gelben Rücken, in doppelter Reihe gegen die Wand gedrückt. Mein Dolmetscher gesteht mir indessen, daß man allgemein enttäuscht ist: »Wenn das ein Gelehrter ist,« fragen die Leute, »warum zieht er sich dann wie ein Oberst an?« (Man kennt die chinesische Verachtung für das Kriegshandwerk.) Mein Pferd allein rettet ein wenig mein Ansehen; obgleich durch den Marsch recht ermüdet, versteht das arme algerische Tier noch immer, Kopf und Schweif zu tragen, wenn es sich beobachtet sieht, besonders wenn der Klang der Gongs an seine Ohren dringt.

Ytschau, die Stadt, wo wir jetzt hinter Mauern von dreißig Fuß Höhe eingeschlossen sind, hat noch ungefähr fünfzehntausend Einwohner trotz seiner wüsten Flächen und seiner Ruinen. Bei unserm Einzug ist ein großer Menschenauflauf in den engen Gassen vor den kleinen alten Buden, in denen vorsintflutliche Handwerke betrieben werden.

Gerade von hier ist im vergangenen Jahr die schreckliche Bewegung des Fremdenhasses ausgegangen. In einem Bonzenkloster der benachbarten Berge wurde der Ausrottungskrieg zuerst gepredigt, und alle diese Leute, die mich jetzt so gut empfangen, waren die ersten Boxer. Gegenwärtig sind sie der französischen Sache mit Eifer ergeben. Sie enthaupten gerne diejenigen der Ihrigen, die unversöhnlich blieben, und stecken deren Köpfe in jene kleinen Käfige, mit denen die Tore ihrer Stadt geschmückt sind. Wenn aber der Wind sich morgen drehte, würden sie mich unter dem Rasseln dieser selben Gongs und mit dem gleichen Eifer, den sie jetzt bei meinem Empfang zeigen, in Stücke reißen.

Ich ergreife Besitz von der mir bestimmten Wohnung im Hintergrund der Residenz des Mandarins – am Ende einer endlosen Flucht von alten Torbauten und alten wachehaltenden Ungeheuern, die mir mit Tigerlächeln ihre Hakenzähne zeigen. Nun bleibt mir noch eine halbe Stunde Tag, die ich benutze, um einen jungen Prinzen der kaiserlichen Familie zu besuchen, der in Ytschau zur Pflege der ehrwürdigen Gräber eingesetzt ist.

Wie schwermütig ist sein Garten in der Aprildämmerung! Zwischen grauen Ziegelmauern eingeschlossen, mitten in der ohnedem schon so ummauerten Stadt! Grau ist auch das Muschelwerk, das die kleinen viereckigen Beete einfaßt, in denen große rote, violette oder rosa Pfingstrosen blühen, die im Gegensatz zu den unseren stark duften und heute abend die traurige Einfriedigung mit betäubenden Gerüchen erfüllen. Auch kleine Porzellanteiche reihen sich aneinander, von winzigen, fratzenhaften Fischen belebt: rote und schwarze mit riesig langen Flossen und Schwänzen, die sie wie ein Voilekleid umgeben; Fische, denen man durch Gott weiß was für eine geheimnisvolle Zucht riesige, erschreckende Augen gegeben hat, die ihnen aus dem Kopfe quellen wie bei den heraldischen Drachen. Die Chinesen, welche die Füße der Frauen verkrüppeln, verunstalten auch die Bäume, damit sie zwerghaft und krumm bleiben, die Früchte, damit sie wie Tiere aussehen, und die Tiere, damit sie den Fabelwesen ihrer Phantasie ähneln.

Es dunkelt schon in der Wohnung des Prinzen, die auf diesen kleinen Gefängnisgarten geht, und beim Eintreten bemerkt man zunächst nichts als eine Flut von roter Seide: die langen Behänge mehrerer geöffneter, auf Holzschäften ruhender »Ehrenschirme«. Eine schwere Luft, mit Opium und Moschus geschwängert. Tiefe rote Diwans, auf denen silberne Pfeifen zum Rauchen dieses Giftes herumliegen, an dem China im Begriff ist, zugrunde zu gehen. Der Prinz, zwanzig bis zweiundzwanzig Jahre alt, ist von krankhafter Häßlichkeit, mit zwei schielenden Augen, übermäßig parfümiert und in weiche Seide gekleidet, die in Farbentönen zwischen Malven und Flieder spielt.

 

Heute abend Gastmahl beim Mandarin, zu dem auch der Kommandant des französischen Postens, der Prinz, zwei oder drei Notabeln und einer meiner »Kollegen«, Mitglied der chinesischen Akademie und Mandarin mit Saphirknopf, geladen sind.

In schweren viereckigen Lehnstühlen sitzen wir sechs oder sieben um einen Tisch, der mit seltsamem, erlesenem, uraltem Porzellan besetzt ist, winzig klein, wie für ein Puppendiner. Rote Wachskerzen in hohen kupfernen Leuchtern spenden uns Licht.

Seit heute morgen hat die ganze Provinz auf Befehl die Wintermütze abgelegt, um sie mit dem Sommerhute zu vertauschen, einem kegelförmigen Lampenschirm, an dem Strähnen von rotem Roßhaar oder, je nach der Würde des einzelnen, Pfauen- oder Rabenfedern stecken. Nun gehört es zum guten Ton, mit dem Hut auf dem Kopfe zu speisen, – und diese Hüte erinnern sofort an das China der Wandschirme.

Die Damen des Hauses bleiben leider unsichtbar, und es wäre höchst unanständig, nach ihnen zu fragen oder ihrer nur Erwähnung zu tun. – (Übrigens darf ein Chinese, der von seiner Frau sprechen muß, dies bekanntlich nur in umschriebener Form tun und soweit wie möglich mit einem jeder Galanterie baren Ausdruck, etwa wie: »meine Abscheuerregende«, oder »meine Ekelhafte«.)

Das Mahl beginnt mit eingemachten Pflaumen und einer Menge zierlichen Zuckerwerkes, das man mit kleinen Stäbchen ißt. Der Mandarin entschuldigt sich, mir keine Meerschwalbennester vorsetzen zu können: Ytschau ist ein so verlorener Winkel, so weit von der Küste, es ist so schwer, sich hier das zu verschaffen, was man wünscht! Dafür aber gibt es Haifischflossen, dann Pottfischblasen, weiter die Sehnen einer Hirschkuh, schließlich ein Ragout aus Seerosenwurzeln mit Krabbeneiern.

In dem weißen Saale mit der schwarzen Decke, dessen Wände Aquarelle auf langen kostbaren Papierstreifen zieren, die phantastische Tiere oder Blumen darstellen, vermischt sich der unvermeidliche Geruch des Opiums und Moschus mit dem Duft der sonderbaren Saucen. Um uns tummeln sich zwanzig Diener in denselben Hüten wie ihre Herren und in schönen Seidenkleidern mit samtenem Brustlatz. Zu meiner Rechten sitzt mein »Kollege« von der chinesischen Akademie; er erzählt mir Dinge von der anderen Welt. Er ist alt und vom übermäßigen Genuß des mörderischen Rauches ganz vertrocknet; sein fast bis auf ein Nichts zusammengeschrumpftes kleines Gesicht verschwindet unter dem kegelförmigen Hute und den zwei runden Gläsern seiner großen blauen Brille.

»Ist es wahr,« fragt er mich, »daß das Reich der Mitte den oberen Teil der Erdkugel einnimmt, und daß Europa sich ängstlich an die Seite klammert?«

Er scheint mit seinem Pinsel mehr als vierzigtausend Schriftzeichen zu beherrschen und über jedes beliebige Thema liebliche Stegreifgedichte machen zu können. Von Zeit zu Zeit sehe ich mit Schrecken seinen kleinen skelettartigen Arm aus den schönen Pagodenärmeln hervorkommen und sich nach den Schüsseln recken, um mit seiner eigenen zweizackigen Gabel einige Bissen für mich aufzuspießen, – und das nötigt mich zu fortwährendem schwierigem Verschwindenlassen unter dem Tisch, um dieses Zeug nicht essen zu müssen.

Nach den leichten wunderlichen Speisen kommen Enten, deren Knochen ausgelöst sind, hierauf immer reichlichere Fleischgerichte, bis die Gäste erklären, jetzt sei es wirklich genug. Dann werden Opiumpfeifen und Zigaretten gebracht, – und jetzt ist der Augenblick, um die Sänften zu besteigen und das mir zu Ehren veranstaltete Nachtfest aufzusuchen.

Draußen in der langen Flucht der Torbauten und Ungeheuer, über denen die gestirnte Nacht liegt, erwarten uns alle Diener des Yamen mit großen Papierlaternen, auf denen Fledermäuse und Fabeltiere gemalt sind. Auch etwa hundert liebenswürdige Boxer sind da, mit Fackeln in den Händen, um uns besser zu leuchten. Wir besteigen jeder eine Sänfte, und die Träger entführen uns im Trab, während alle die brennenden Fackeln neben uns her laufen und die Gongs an der Spitze unseres Zuges, ebenfalls im Laufschritt, ihren Schlachtlärm beginnen.

In diesem Laufe fliegen, von all diesen tanzenden Lichtern beleuchtet, die noch offenen Buden an uns vorüber, ebenso die Gesichter der Chinesen, die noch in Scharen dastehen, um uns zu sehen, und die Fratzen aller der steinernen Ungeheuer zu beiden Seiten des Weges.

Im Hintergrunde eines riesigen Hofes steht ein neues Gebäude, an dessen Türe man im Schein der Fackeln folgende überraschende Inschrift liest: »Parisiana aus Ytschau« . . . . »Parisiana« in dieser ultrachinesischen Stadt, die bis zum vergangenen Herbst niemals einen Europäer ihren Mauern sich nähern sah! . . . Hier halten die Träger, und hier ist das von unseren sechzig Mann Marine-Infanterie improvisierte Theater, die Kurzweil ihrer eisigen Abende.

Ich habe versprochen, einer Galavorstellung beizuwohnen, die diese großen Kinder mir zu Ehren heute abend geben. – Und von all den liebenswürdigen Empfängen, die mir hier und dort in der Welt bereitet wurden, hat keiner mich mehr gerührt, als der von unseren in einen verlorenen Winkel Chinas verschlagenen Soldaten. Das bescheidene Lächeln, mit dem sie mich begrüßen, die wenigen Worte, die einer von ihnen für alle spricht, sind rührender als viele Bankette und Ansprachen, und mit vollem Herzen schüttle ich die Hände dieser Braven, die sie mir kaum zu reichen wagen.

Damit ich eine Erinnerung an ihren gastlichen Abend in Ytschau behalte, haben sie eine Sammlung veranstaltet, um mir ein echt chinesisches Geschenk zu machen, einen jener rotseidenen Sonnenschirme mit langem Behang, wie man sie in China vor Leuten von Stand herzutragen pflegt. So hinderlich dieser Gegenstand selbst im geschlossenen Zustand ist, werde ich ihn selbstverständlich wohlbehütet nach Frankreich mitnehmen.

Dann geben sie mir ein illustriertes Programm mit dem Namen jedes einzelnen Darstellers, dem jedesmal ein pomphafter Titel folgt: Der Herr Soldat Soundso von der Comédie Française, oder auch: Der Herr Korporal Soundso vom Theater Sarah Bernhardt.

Wir nehmen Platz. Es ist ein wirkliches Theater, das sie eingerichtet haben, mit erhöhter Bünne, Rampe und Vorhang.

In chinesischen Lehnsesseln, die in die erste Reihe gestellt sind, nimmt ihr Hauptmann neben mir Platz, dann der Mandarin, der Prinz von Geblüt und zwei oder drei Notabeln mit langen Zöpfen. Hinter uns die Unteroffiziere und Soldaten; einige gelbe Kinder im Feiertagskleid schieben sich vertraulich dazwischen oder sitzen gar auf ihren Knien: die Zöglinge ihrer Schule. – Denn wie unsere Leute in Lai-tschau-tschin, haben auch diese eine Schule gegründet, um die Kinder der Umgegend Französisch zu lehren. Ein Sergeant stellt mir ein unbezahlbares Bürschchen von höchstens sechs Jahren vor. Es hat sich für die Gelegenheit in sein schönstes Gewand geworfen, seinen kleinen, kurzen, steifen Zopf mit einem roten Seidenband geknüpft und sagt mir den Anfang von »Maître corbeau sur un arbre perché« mit lauter Stimme unter fortwährendem Augenrollen her.

Drei Schläge, und der Vorhang geht auf. Zuerst kommt eine Posse von ich weiß nicht wem, aber sicher von den Darstellern stark verändert, mit unverhoffter Komik, der man nicht widerstehen kann. Unbeschreiblich sind die Frauen und die Schwiegermütter mit ihren Frisuren aus Werg . . . Dann folgen die komischen Szenen und Lieder des »Chat noir«. Die chinesischen Gäste auf ihren thronartigen Lehnstühlen bleiben unbeweglich wie die Buddhas der Pagoden; wie mag sich wohl diese echt französische Heiterkeit in diesen Hirnen des fernsten Asiens spiegeln? . . .

Noch vor den letzten Darbietungen hört man draußen plötzlich das Dröhnen der Gongs, das Rasseln der Klappern und Zimbeln, kurz all den chinesischen Spektakel. Es ist das Vorspiel des mir vom Mandarin gegebenen Festes, das hier im Hofe stattfinden soll und dem natürlich alle unsere Soldaten beiwohnen werden.

Neben den rauchenden Fackeln von etwa hundert Boxern beleuchten Laternen in Fülle den Hof.

Zuerst kommt unter ernsten Flötenklängen wieder ein Stelzentanz mit den wiegenden Bewegungen von Bären. Dann folgen der Reihe nach die Turnvereine der ganzen Umgegend. Zehnjährige Bauernjungen, als vornehme Herren vergangener Dynastien gekleidet, stellen eine Schlacht dar und vollführen Sprünge wie junge Katzen; alle sind von wunderbarer Gewandtheit und Behendigkeit und lassen ihre großen Säbel wie Windmühlen kreisen. Jetzt kommen die Burschen eines anderen Dorfes, werfen schnell ihre Kleider ab und lassen große Gabeln um ihre Körper kreisen; mit unmerklichen Faustschlägen und Fußstößen geben sie ihnen eine so rasche Drehung, daß es bald in unseren Augen keine Gabeln mehr sind, sondern Schlangen ohne Ende, die wütend ihre Brust umschlingen. Dann wird im Handumdrehen, schneller als im bestgeleiteten Zirkus, ein Barren vor mir aufgestellt, und Akrobaten mit nacktem Oberleib und prachtvollen Muskeln produzieren ihre Kunststücke; es sind die Leute des Mandarins, die uns noch eben in schönen Seidenkleidern bei Tische bedienten.

Dabei stets der Lärm der Gongs, das Girren der Flöten, die qualmenden Flammen der Fackeln.

Zum Schluß ein sehr langes, sehr geräuschvolles Feuerwerk. Wenn die Raketen in der Luft am Ende unsichtbarer Bambusstäbe platzen, erscheinen am gestirnten Himmel Pagoden aus feinem leuchtendem Papier, chinesische Traumschlösser, die federleicht mit leisem Zittern in der Luft schweben, um alsbald aufzuflammen und in Rauch aufzugehen.

Durch finstere Gäßchen, die jetzt in tiefem Schlafe liegen, kehren wir spät zurück, von unseren Trägern im Trab befördert und von tausend tanzenden Lichtern der Fackeln und Laternen begleitet.

So bin ich endlich im Inneren des Yamen um Mitternacht allein in meiner abseits liegenden Wohnung, deren Zugang durch unbeweglich kauernde steinerne Tiere bewacht ist. Auf dem Tisch in der Mitte steht ein Abendessen aus all den verschiedenartigen Kuchen, die es in China gibt. Blühende Obstbäume, doch ohne Blätter, zieren die Konsolen; Zwergbäume, natürlich in Porzellanvasen gewachsen und lange bis zur Unwahrscheinlichkeit gezüchtet: ein kleiner Birnbaum in der regelmäßigen Form einer weißblühenden Lyra, ein Pfirsichbäumchen in Gestalt einer Krone von rosigen Blumen. Mit Ausnahme dieser frischen blühenden Frühlingskinder ist alles in meinem Zimmer alt, verfallen und morsch, und durch die Löcher der einst weißen Decke erscheinen die Mäuler zahlloser Ratten, die mir mit den Augen folgen.

In meinem großen Bett, dessen Schnitzereien scheußliche Tiere darstellen, höre ich, sobald ich das Licht ausgelöscht habe, all diese Ratten herabkommen, das feine Porzellan auf meinem Tisch anstoßen und an den Kuchen knabbern. Und bald höre ich in der immer tieferen Stille auch die schlürfenden Schritte der Nachtwächter, die leise ihre Holzklappern schlagen.

 
Sonntag, 28. April

Morgenspaziergang zu den Silberarbeitern – eine Spezialität von Ytschau. Dann besichtige ich in dem ganz ausgestorbenen Stadtteil eine alte, halb verfallene Pagode, die auf dem Aschenboden unter gespenstischen, nur noch aus Rinde bestehenden Bäumen steht. In ihren Galerien sind die Martern der buddhistischen Hölle dargestellt: einige hundert Gestalten in natürlicher Größe aus wurmzerfressenem Holze wehren sich gegen Teufel, die ihnen die Eingeweide ausreißen oder sie lebendig verbrennen wollen.

Um neun Uhr steige ich mit meinen Leuten wieder zu Pferd, um noch vor Mittag die fünfzehn bis achtzehn Kilometer zu machen, die mich von den geheimnisvollen Kaisergräbern trennen, denn am Abend will ich noch nach Ytschau zurück und morgen wieder nach Peking aufbrechen.

Wir verlassen die Stadt durch das Tor in der entgegengesetzten Richtung unserer gestrigen Ankunft. Noch nirgends hatten wir so viele Ungeheuer gesehen, als in dieser uralten Stadt; ihre dicken grinsenden Fratzen stehen überall aus dem Boden hervor, in den sie mit der Zeit versunken sind. Auch solche in ganzer Figur tauchen auf, die auf Sockeln kauern, die Zugänge zu den Granitbrücken bewachen oder an den Straßenkreuzungen sich ein Stelldichein geben.

Am Ausgang der Stadt steht eine verdächtig aussehende Pagode, an deren Mauern kleine Käfige mit frisch abgeschlagenen Menschenköpfen hängen. Dann befinden wir uns von neuem in der stillen Landschaft unter der brennenden Sonne.

Der Prinz begleitet uns auf einem mongolischen Füllen, das struppig ist wie ein Pudel; gegen unsere grobe Kleidung und unsere staubigen Stiefel stechen seine rosa Seidengewänder und Samtschuhe ab, und hinter ihm bleibt eine Wolke von Moschusgeruch hängen.

 

Das Land erhebt sich in sanftem Anstieg zur Kette der mongolischen Berge, die vor uns am Himmel rasch in die Höhe wachsen. Die Bäume werden häufiger, Gras sprießt hier und da, ohne daß es gesät wäre, und bald haben wir den traurigen Aschenboden hinter uns.

Jetzt umgeben uns Hügel mit spitzen Gipfeln und geschweiften Linien, und hin und wieder ragen auf ihren eigentümlich geformten Gipfeln alte Türme, – jene zehn- bis zwölfstöckigen Türme, die der Landschaft sofort ein echt chinesisches Gepräge geben. Ihre übereinanderliegenden Dächer sind an den Ecken wie Hörner zurückgebogen, und an jeder hängt eine Äolsglocke.

Mehr und mehr wird die Luft von der ewigen Staubwolke frei, – je näher man der ohne Zweifel bevorzugten Gegend kommt, die zur Ruhestätte der Kaiser und Kaiserinnen des Himmlischen Reiches auserwählt wurde.

Nach etwa zwölf Kilometern machen wir in einem Dorfe halt, um bei einem Prinzen von viel höherem Rang, als der mit uns reitende, zu frühstücken. Es ist ein richtiger Oheim des Kaisers, doch bei der Regentin, deren Günstling er früher war, in Ungnade gefallen und heute zur Oberaufsicht der Grabstätten eingesetzt. Er ist in tiefer Trauer und in Baumwolle gekleidet wie ein Armer; trotzdem sieht er nicht wie jedermann aus. Er entschuldigt sich, daß er uns in irgendeinem verfallenden Hause empfangen muß, da die Deutschen sein Yamen verbrannt haben, und bietet uns ein echt chinesisches Frühstück an, bei dem die Haifischflossen und Hirschkuhsehnen wieder erscheinen, – während die rohen Plattgesichter der Bauern der Umgegend uns durch die Löcher der überall geplatzten Reispapierfenster betrachten.

Sofort nach der letzten Tasse Tee steigen wir wieder zu Pferde, um endlich die Grabstätten zu sehen, die jetzt ganz nahe sind und auf die wir schon drei Tage lang zureiten. Mein »Kollege« von der Akademie von Peking, der wieder zu uns gestoßen ist, stets mit seinen großen runden Augengläsern, seinem kleinen, in den prachtvollen Seidenkleidern verschwindenen Vogelkörper, begleitet uns mit Müh und Not auf einem Maultier.

Die Landschaft wird immer einsamer. Keine Felder, keine Dörfer mehr. Der Weg verliert sich zwischen Hügeln, die mit Gras und Blumen bewachsen sind, – eine freudige Überraschung für unsere entwöhnten Augen. Das alles erscheint fast paradiesisch nach dem staubigen, grauen China, in dem wir gelebt haben und in dem nichts grünte als das Korn in den Ackerfurchen. Den unaufhörlichen Staub von Petschili haben wir entschieden hinter uns gelassen; über den unter uns liegenden Ebenen sehen wir ihn noch wie einen Nebel liegen, von dem wir endlich befreit sind.

Wir steigen fortwährend und kommen zu den ersten Vorbergen der mongolischen Kette. Da, hinter einer Lehmmauer, ist ein riesiges tartarisches Lager, wenigstens zweitausend Mann, mit Lanzen, Bogen und Pfeilen bewaffnet; die Ehrengarde der verblichenen Kaiser.

Hier finden wir auch den klaren Horizont wieder, der uns fast aus der Erinnerung geschwunden war. Die mongolischen Berge scheinen plötzlich näher zu rücken, als bewegten sie sich vorwärts; sehr felsig, mit seltsamen Steilfällen und Gipfeln, die wie Wacht- oder Pagodentürme aussehen, schweben sie in schönen irisblauen Tönen über unseren Häuptern. Vor uns beginnen sich nach allen Seiten kleine bewaldete Täler mit Zedernhainen zu öffnen.

Allerdings sind das künstliche Wälder, aber schon sehr alt, vor Jahrhunderten angepflanzt, um einen Totenpark im Umkreis von mehr als zwanzig Wegstunden zu bilden, in dem vier tartarische Kaiser ruhen.

Wir betreten diesen Ort des Schweigens und des Schattens und wundern uns, ihn von keiner Mauer umgeben zu sehen, ganz im Gegensatz zu den strengen Gebräuchen Chinas. Gewiß hielt man ihn in dieser einsamen Gegend für hinreichend geschützt durch den Schrecken, den die Manen der Herrscher einflößen, – aber auch durch ein allgemeines Verbot, das im Voraus jeden mit dem Tode bedrohte, der hier das kleinste Stück Erde zu bearbeiten oder auch nur anzusäen wagte.

Dies ist der heilige Hain ohne gleichen mit all seiner geheimnisvollen Abgeschiedenheit . . . Was sind doch die Chinesen für wunderbare Dichter des Todes, daß sie ihm solche Stätten bereiten! . . . Man ist versucht, in diesem Schatten nur leise zu sprechen, wie unter der Wölbung eines Tempels; man empfindet es als Entweihung, über diesen seit Jahrhunderten verehrten Boden zu reiten, dessen feiner Rasenteppich mit seinen Frühlingsblumen noch niemals entheiligt ward. Die hohen Zedern, die hohen hundertjährigen Thujas, die bisweilen nur in kleinen Gruppen auf den Hügeln oder in den Tälern stehen, lassen unbewachsene Lichtungen frei; unter der Säulenhalle ihrer gewaltigen Stämme sprießen nur kurze Gräser, ganz kleine seltene Blumen, Flechten und Moose.

Der Staub, der in der Ebene den Himmel verdunkelte, steigt gewiß nie zu dieser erlesenen Gegend empor, denn das prachtvolle Grün der Bäume ist nirgends von ihm getrübt. Und diese großartige Einsamkeit, die das chinesische Volk den Manen seiner Kaiser geschaffen, bietet, wenn der Weg uns durch eine Lichtung oder über eine Anhöhe führt, Fernblicke von vollkommener Klarheit; paradiesisches Licht fällt dann von dem hohen zartblauen Himmel herab, der von grauroten Wolkenbändern in der Farbe der Turteltauben gestreift wird. In solchen Augenblicken erkennt man auch in der Ferne prunkvolle Dächer von goldgelbem Glanz, die aus dunklem Laubwerk hervorragen wie Dornröschenschlösser . . .

Kein Mensch auf diesen schattigen Wegen. Stille wie in der Wüste. Kaum hin und wieder der Schrei eines Raben, – der zu düster scheint für die zaubervolle Ruhe dieses Ortes, wo der Tod, bevor er ihn betrat, seine Schrecken abtun mußte, um nichts anderes mehr zu sein, als der Zauberer einer ewigen Ruhe.

Stellenweise sind die Bäume schachbrettförmig gepflanzt und bilden unabsehbare Alleen in der grünen Nacht. Anderswo sind sie willkürlich gesetzt und scheinbar wild gewachsen, so daß man sich in einem gewöhnlichen Walde glaubt. Doch die Einzelheiten bringen uns immer wieder zum Bewußtsein, daß wir uns an einer erhabenen, kaiserlichen und heiligen Stätte befinden; die kleinste Brücke über irgendeinen den Weg kreuzenden Bach ist aus weißem Marmor, von erlesener Zeichnung und mit kostbarem Bildwerk bedeckt; oder irgendein im Schatten kauerndes heraldisches Tier droht dem Vorübergehenden mit seinem wilden Lachen; ein Marmorobelisk, von fünf kralligen Drachen umwunden, ragt unversehens auf und hebt sich schneeweiß vom dunklen Grunde der Zedern ab.

In diesem Haine von zwanzig Wegstunden Umfang liegen nur vier Kaiser begraben; hinzukommen sollen noch die Kaiserin-Regentin, deren Mausoleum seit langem begonnen ist, und ihr Sohn, der junge Kaiser, der den von ihm erwählten Platz mit einem Stein aus grauem Marmor bezeichnet hatSeine Untertanen haben auf diesen Stein eine Inschrift setzen lassen, worin sie ihrem Kaiser zehntausendmal zehntausend Jahre zu leben wünschen.. Und dabei wird es bleiben. Die anderen Herrscher, die toten und zukünftigen, schlafen oder werden anderswo schlafen, in anderen Paradiesen, – die übrigens ebenso groß, ebenso wundervoll angelegt sein werden. Denn der Platz, dessen die Leiche eines Sohnes des Himmels bedarf, ist riesengroß wie die Stille und Einsamkeit ringsumher.

Die Anordnung dieser Gräber ist durch unveränderliche Pläne festgelegt, die bis zu den alten erloschenen Dynastien hinaufreichen; und so sind sich denn alle gleich und erinnern sogar an die Gräber der Kaiser der Ming-Dynastie vor mehreren Jahrhunderten, deren verlassene Ruinen schon seit lange das Ziel der den Europäern gestatteten Besuche bilden.

Stets gelangt man dorthin auf einem Durchhau von einer halben Meile im dunklen Hochwald, dem die Künstler von ehemals sorgfältig eine Richtung gaben, daß er sich wie die Kulissen einer prachtvollen Theaterdekoration auf irgendeinen unvergleichlichen Hintergrund öffnet, z. B. auf einen besonders hohen, steilen und kühn geformten Berg, oder auf eine Felsenmasse, die eine jener sonderbaren Formen oder Farben hat, welche die Chinesen an allem suchen.

Stets beginnt auch die Straße mit großem Triumphbögen aus weißem Marmor, die selbstverständlich mit Ungeheuern überladen, mit Hörnern und Krallen bespickt sind.

Bei dem Ahn des jetzigen Kaisers, der heute unseren ersten Besuch empfängt, sind die Sockel dieser Zugangsbögen, die unversehens im Walde aufragen, am Sockel von wilden Schlingpflanzen umrankt; sie scheinen wie mit dem Zauberstab mühelos dem Boden entlockt, der so jungfräulich aussieht mit seiner dichten Moosdecke, seinen kleinen zarten seltenen Pflanzen, die ein Nichts vertreibt, die nur an Orten gedeihen, die lange ungestört bleiben und von den Menschen scheu gemieden werden.

Dann kommen halbkreisförmige Brückenbogen aus weißem Marmor, stets drei nebeneinander, denn jedesmal, wenn ein lebender oder toter Kaiser hierherkommt, bleibt die mittlere Brücke ihm allein vorbehalten. Die Erbauer der Gräber haben dafür gesorgt, daß die Allee mehrmals von künstlichen Bächen gekreuzt wird, um Gelegenheit zu reizenden Brückenbögen mit ihrer schier ewigen Weiße zu haben. Jedes Brückengeländer stellt verschlungene kaiserliche Sinnbilder dar. Die langen, durch die Wölbung geneigten Fliesen sind glatt und schneeig und von Friedhofsgräbern umrahmt, die aus allen ihren Fugen sprießen und blühen. Das Hinübergehen ist gefährlich für unsere Pferde, deren Schritt auf dem Marmor dumpf widerhallt. Das plötzliche Geräusch, das wir in dieser Stille hervorrufen, ist uns fast peinlich, als ob wir in ungewöhnlicher Weise die Weltabgeschiedenheit einer Totenstadt stören wollten. Außer uns und einigen Raben auf den Bäumen rührt sich nichts und lebt nichts in der ganzen Weite des Trauerparkes.

Nach der dreibogigen Brücke führt die Straße zu einem ersten Tempel mit gelbem Glanzziegeldach, der ihren Abschluß zu bilden scheint. An den vier Ecken der Lichtung, in der er steht, erheben sich mit Schiffsschnäbeln gezierte Säulen in elfenbeinfarbigem Marmor; staunenswerte Monolithe, deren jeder auf seiner Spitze das gleiche Tier trägt wie die Obelisken der Paläste Pekings, – eine Art von hageren Schakalen mit langen Spitzohren, die gen Himmel blicken und ihn mit geöffnetem Rachen anzuheulen scheinen. Dieser erste Tempel enthält nur drei riesige Denksteine, die auf marmornen Schildkröten von ungeheurer Größe ruhen und den Ruhm des toten Kaisers verkünden, der erste in tartarischer, der zweite in chinesischer, der dritte in mandschurischer Sprache.

Die Straße setzt sich jenseits dieses Denksteintempels in seiner Achse endlos fort, majestätisch eingefaßt von den zwei Wänden schwarzgrüner Zedern und bedeckt von einem Teppich von Gräsern, Blumen und Moosen, als würde sie niemals betreten. Alle Wege dieses Haines sind an die gleiche ewige Verlassenheit, die gleiche ewige Ruhe gewöhnt, denn die Chinesen kamen hierher nur in langen Zwischenräumen, in ehrfurchtsvollen langsamen Aufzügen, um Totenbräuche zu begehen. Und dieser Hauch der Verlassenheit bei allem Glanze ist der große Reiz dieses Ortes, der auf Erden nicht seinesgleichen hat.

Wenn die Alliierten China wieder geräumt haben, wird der Gräberpark, der uns einen Augenblick lang geöffnet war, für Europäer wer weiß wie lange wieder unzugänglich sein, vielleicht bis zu einer neuen Besetzung, die dann dem gelben Koloß ein Ende macht .. . wofern er nicht seinen tausendjährigen Schlaf abschüttelt, dieser Koloß, der noch immer fähig ist, die Welt in Schrecken zu setzen, und dann endlich die Waffen ergreift zu einer Rache, die man nicht auszudenken wagt . . . Denn an dem Tage, wo China anstatt seiner elenden Söldnertruppen und Räuberscharen in einem letzten Aufstand seine Millionen junger Bauern aushebt, jener jungen Burschen, wie ich sie dieser Tage sah, mäßig, grausam, mager und muskulös, Meister in allen Leibesübungen und Verächter des Todes, welch erschreckendes Heer würde dieser Koloß dann haben, wenn er jenen Leuten unsere modernen Zerstörungsmittel in die Hand gäbe! . . . Und wirklich, wenn man darüber nachdenkt, so scheint es, daß einige unserer Alliierten unklug genug waren, hier eine reiche Saat des Hasses und der Rachelust zu säen.

Drunten am Ende der einsamen Allee mit ihrem dunklen Grün taucht jetzt das Glanzziegeldach des letzten Tempels auf. Der ihn überragende, seltsam gezackte Berg, der gleichsam als Hintergrundkulisse der düsteren Dekoration gewählt ist, hebt sich heute ganz rosig und violett von einem wolkenfreien Himmelsstück ab, das von seltenem Blau ist, dem Blau verblassender, ins Grüne spielender Türkise. Das Licht bleibt köstlich gedämpft, denn die Sonne ist noch immer von taubengrauen Wolken verschleiert. Auf der dichten Gras- und Moosdecke vernehmen wir den Schritt unserer Pferde nicht mehr.

Jetzt sieht man die großen dreifachen Tore des Heiligtums, blutrot bemalt, mit goldenen Beschlägen.

Noch einmal geht es über eine dreifache weiße Marmorbrücke mit glatten Fliesen, auf denen mein kleiner Trupp wieder so hallenden Lärm macht, als hätten die dichten Zedernwände ringsum die Akustik einer Basilika. Und von hier an stehen als Wächter der immer heiligeren Straße hohe Marmorfiguren zu beiden Seiten der Allee; wir reiten zwischen unbeweglichen Elefanten, Pferden, Löwen und weißen, stummen Kriegern von dreifacher Lebensgröße.

Sobald man die weißen Terrassen des Tempels betritt, gewahrt man die Verheerungen des Krieges. Deutsche Soldaten, die vor den unseren hier waren, haben hier und da mit der Säbelspitze die schönen Beschläge der roten Tore abgerissen, da sie ihre vergoldete Bronze für Gold hielten.

Ein erster Hof ist von Nebengebäuden mit ebenso prunkvollen Glanzziegeldächern eingefaßt wie der des großen Heiligtums: hier befanden sich die Küchen, wo man zu gewissen Zeiten dem Schatten des Toten Mahle bereitete, die für eine Legion von Währwölfen oder Vampiren hingereicht hätten. Die riesigen Herde, die riesigen Bronzepfannen, in denen ganze Ochsen gebraten wurden, sind noch unversehrt, aber die Fliesen mit Topfscherben besät, die der Kolben oder das Bajonett verschuldet hat.

Auf immer höher ansteigenden Terrassen, nach zwei oder drei marmorgepflasterten Höfen, zwei oder drei Umwallungen mit dreifachen Toren aus Zedernholz, öffnet sich uns, leer und verwüstet, der Haupttempel. Wundervoll bleiben seine Verhältnisse in seinem Halbdunkel mit ihren hohen Säulen aus rotem und goldenem Lack; doch seine heiligen Schätze sind geraubt. Die schweren Seidenbehänge, die Götzenbilder, die silbernen Vasen für Trankopfer, das Tafelgeschirr für die Totenmahle, – das alles war schon fast ganz verschwunden, als die Franzosen ankamen, und was an Schätzen noch übrig war, wurde von unseren Offizieren an sicherem Orte aufbewahrt. Zwei von ihnen sind für dieses Rettungswerk vom Kaiser von China sogar dekoriert wordenDer Major von Fonssagrive und der Hauptmann Delclos., – und das ist eine der sonderbarsten Episoden dieses ungewöhnlichen Krieges: der Herrscher des eroberten Landes zeichnet aus Dankbarkeit Offiziere des feindlichen Heeres freiwillig aus . . .

Hinter diesem Tempel liegt endlich das riesige Grabmal.

Um einen toten Kaiser beizusetzen, schneiden die Chinesen ein Stück aus einem Hügel heraus, wie eine Portion aus einer Titanentorte, sondern es durch riesige Aufschüttungen ab und umgeben es dann mit Zinnenmauern. So entsteht gleichsam eine massive Zitadelle, und in die Tiefe der Erde graben sie den Gang zur Grabstätte, die nur wenigen Eingeweihten bekannt ist; dort, ganz am Ende, legt man den Kaiser nicht einbalsamiert zur Ruhe, so daß er in seinem massiven goldlackierten Sarg aus Zedernholz langsam verwesen muß. Hierauf vermauert man für immer die Türe des unterirdischen Ganges mit einer Art Platte aus unveränderlich gelber und grüner Fayence, deren Reliefs Lotosblumen, Drachen und Wolken darstellen. Und jeder Herrscher wird, wenn seine Stunde gekommen ist, stets auf die gleiche Weise beigesetzt und eingemauert, – in einer gleich großen Waldeinsamkeit.

Wir langen jetzt am Fuße jenes Bergstücks und jenes Mauerwalls an, wo uns die Grabplatte aus gelber und grüner Fayence Halt gebietet, die das Ende unserer vierzig Wegstunden langen Reise bildet: ein großes Viereck, etwa zwanzig Fuß breit, noch in vollem Farbenglanze vom Grau der Mauerziegeln und des Bodens abstechend.

Hier sitzen Scharen von Raben, als ahnten sie das Traurige, was in der Tiefe des abgegrabenen Berges verborgen ist, und empfangen uns mit einem Konzert ihres Geschreies.

Gegenüber der Fayenceplatte steht unter freiem Himmel ein Steinblock, ein Altar aus kaum behauenem Marmor, dessen grobe Einfachheit von der Pracht des Tempels und der Zugangsstraße scharf absticht. Er trägt eine Art Räuchergefäß aus hartem, unbekanntem Stoff und zwei oder drei symbolische Gegenstände von absichtlicher Rauhheit. Verwirrt steht man vor der fremdartigen Form, vor der gleichsam primitiv barbarischen Darstellung der letzten und höchsten Dinge, hier, so dicht an dieser Schwelle. Ihr Anblick ruft ein unbestimmbares Grauen hervor . . . Ganz ebenso war ich seinerzeit auf dem heiligen Berge von Nikko, wo die alten japanischen Kaiser ruhen, nach der feenhaften Pracht der goldlackierten Tempel, vor der kleinen Bronzetüre jedes Kaisergrabes auf einen gleich geheimnisvollen Altar gestoßen, der zwei oder drei verwitterte Sinnbilder trug, gleich diesen beunruhigend durch ihre gewollte barbarische Naivität . . .

In diesen unterirdischen Wohnungen der Söhne des Himmels sollen Schätze, Juwelen und Metalle im Überfluß sein. Maßgebende Kenner chinesischer Verhältnisse versicherten unsern Generalen, daß man beim Sarge eines einzigen Kaisers Schätze genug gefunden hätte, um alle von Europa geforderten Kriegskosten zu zahlen, und daß die bloße Drohung, irgendeines dieser Ahnengräber zu erbrechen, hingereicht hätte, um die Regentin und ihren Sohn zur Rückkehr nach Peking zu bestimmen und sie unterwürfig und nachgiebig bis zum Äußersten zu machen.

Zum Glück für unsere abendländische Ehre hat keiner der Alliierten von diesem Mittel Gebrauch machen wollen. Von den Platten aus gelber und grüner Fayence wurde keine erbrochen; selbst die kleinsten Drachen und Lotosblüten von zartester Arbeit sind unverletzt geblieben. Hier hat man Halt gemacht. All die alten Kaiser mußten hinter ihren ewigen Mauern aus nächster Nähe den Trompetenklang und die Trommeln der Barbarenheere vernehmen, aber ein jeder von ihnen konnte in seiner Nacht ruhig wieder einschlafen, mitten unter der Nichtigkeit seiner fabelhaften Reichtümer.

 


 << zurück weiter >>