Elisabeth Charlotte von Orléans
Briefe der Herzogin von Orléans
Elisabeth Charlotte von Orléans

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St. Clou den 19. September 1682.

An DieselbeBodemann, Sophie Nr. 41; vgl. Ranke XIII, 22 ff.

Damitt aber E.L. noch desto beßer dieße historie verstehen mögen, so muß ich E.L. sagen, daß, wenn ich mitt dem König auff die jagt reitte, so reitte ich geratt hinter dem capitaine von der guarde also, daß ich von alle officiren stehts umbringt bin, welche mir denn alle dienst thun wo sie können, undt das ist alle kuntschafft, so ich mitt ihnen habe; allein E.L. wißen woll wie ich bin: wenn ich einmal jemandes kenne, so rede ich frey mitt ihnen, wie ich denn all mein leben gethan habe; nun wollte das unglück, daß ahn einem faßelabent, da alle menschen in masqen waren außer ich, so nicht dabey sein konte noch wolte, weillen ich noch in der trawer war von J.G. dem Churfürsten [ihrem Vater], seelig; andern abends aber bey der Königin ihrem spiel saß ich wie ordinaire undt umb den Tisch stunden alle hoffleütte wie alle abendt; da wurde ein streit im spiel, geratt hinter mir stundt ein officier von der leib guarde, so man den ritter von Simsen [Saint-Saens] nent; ich trehte mich herumb, wie er nun ein großer spieller ist, undt fragte ihn, was er von der sach judicirt hette? In dem augenblick kompt mad. de Grancay [Mätresse des Chevalier de Lorraine] zu mir undt fragt mich, ob ich die menschen kene, mitt welchem ich spreche. Ich antworttete: wie ist es möglich, daß ich ihn nicht kenen solle, ich sehe ihn alle tag auff der jagt neben mir reitten wie alle seine cammerrahten undt ist ebenso höfflich wie die andern, umb mir meine pferde zu hollen. Sie sagte: so ist er denn von Ewren freünden. Ich sagte: worumb fragt ihr mir das? Sie sagte: ich frag es, weillen ich gerne eine sache wißen mögte. Ich sagte: welche? Sie antwortete: warumb er mir gestern ein affront gethan hatt beim bal undt mich so vor alt ahngesehen, daß er mitt aller gewalt gewolt hatt, daß ich nicht mehr tantzen solle; das muß er jemandes zu gefahlen gethan haben. Ich sagte: wie ich nicht beym bal war, kan ich nicht wißen, was dar vorgangen ist, allein wenn ihr wolt, so will ichs ihm fragen. Sie sagte, es were nicht von nöhten, weitter dachte ich ahn dießen handel nicht, denn ich meinte, daß es der mühe nicht wehrt were. Ein par monat hernach sagt man mir, ob ich woll wüste, was vor ein geschrey zu Paris ginge? Ich sagte: nein. Man antwortet mir, mad. Grancay beklagte sich, daß ich ihr durch den chev. de Sinsanct habe einen affront thun laßen undt daß selbiger chevallier es gethan, weill er gar großen willen hette, mir zu gefahlen. Ich lachte hirüber undt sagte, es weren sottisen, worauff ich nicht antworten wolte. Noch ein par mont hernach sagt man mir, daß man noch von dießem kerl undt mir spreche; ich dachte, daß es narretheyen weren, wie vom ertzbischoff, undt daß ich nur meines wegs fortzugehen hette wie ordinarie, hörte auch weitter nichts hievon, alß wie wir vergangen jähr wider auß Teütschlandt kommen, da sagte mir der König, daß er gewiß wüste, daß meine feinde einen bößen complot gegen mich gemacht hetten undt daß sie Monsieur wolten glauben machen, daß ich eine galanterie hette. Ich antwortete: E.M. wißen woll, daß es nicht wahr ist, also wenn sie nur die gütte vor mir haben wollen, diejenige vor sich kommen zu laßen, so sie wißen, so mir dießes auffbinden wollen, undt ihnen ernstlich zu sagen, daß E.M. es gar übel nehmen, daß man so auff mich liegt [lügt], undt daß, wenn sie so keck würden sein, zu unterfangen, mich mitt Monsieur zu broulliren, so wolten E.M. sich meiner ahnnehmen ... Ich war 3 oder 4 tag sehr melancolisch und wußte nicht, wie ich die sach recht ahnfangen solte, dachte aber in meinem sinn: das beste seye, meines wegs hinzugehen undt gar nicht mehr mitt dießem menschen zu reden undt wofern mich Monsieur ferner plagte, umb zu wißen, worumb ich so trawerig seye, ihme die fache teütsch herauß zu sagen außer daß ich solches vom König wüste, denn der König hatte mir absolutte befohlen, ihn nicht zu nenen. Etliche tag hernach fragte mich Monsieur wider, warumb ich so melancholisch were. Entlich sagte ich ihm alles, nehmblich daß man mich gewarnt hette, daß meine feinde, so bey ihm weren, die Gourdon zu ihm schicken wolten, ihm alles zu sagen. Monsieur stehlte sich gar frembt von der sach undt sagte, daß es unmöglich were, daß jemandes das vorhaben hette, undt daß man mir nur den advis geben hette, umb seinen freünden böß officien bey mir zu leisten, daß, wenn ich nur das hette so mich quelete, so könte ich woll ohne sorgen sein, denn er glaube nicht, daß ich jemahlen coquet sein könte, also solte ich nur in ruhen sein, denn, wenn schon jemandes so impudent sein könte, es sey Gourdon oder wer es wolle, ihm dergleichen avisen zu geben, so wisse er gar woll, was darauff zu antworten seye. Ich meinte, daß was er mir sagte von hertzen ginge, gab mich also gantz wider zur ruhe undt verzehlte alles dem König mit freüden, welcher mir sagte, daß er glaube, daß meine feinde ihm solches nur hetten zu wißen thun laßen, umb ein esclat [Auftritt] zu machen, undt daß er sichs gar bon gré [Dank] wiße, mir davon gesprochen zu haben, damitt alles zu einem gutten endt außschlagen möge. Ein monat nach dießem handel sagt mir jemandes von meinen freünden, daß meine feinde toll undt raßendt weren, daß ihr ahnschlag nicht ahngangen were, hetten derowegen einen raht gehalten, worin mr. d'Effiat geschloßen, daß, weillen ich gar nicht mehr mitt dem chev. de Sinsanct spreche, so müste man jetzt das geschrey außgehen machen, alß wenn ich ein heimblich commers [Verkehr] mitt ihm hette undt daß Theobon unßere brieffe trüge. Aber, sagten sie, damitt das stück desto beßer ahngehen mag, so muß weder chev. de Loraine noch d'Effiat noch mad. de Grancé nichts von Madame ahn Monsieur sagen, sondern solches als zeittungen von Paris durch die dritte undt vierte handt sagen laßen. Ich war sehr ambarassirt [in Verlegenheit], als ich dießes hörte, denn ich dachte: sag ich dieß ahn Monsieur undt daß sie es dan gleich wider gewahr werden, so werden sie das vornehmen laßen undt sagen, daß ich auß boßheit undt haß ihnen dießes auffbunden; undt weillen Monsieur mir so hoch versprochen, daß er keinen glauben zustellen wolle in alles was man ihm auff dießen text von mir sagen könte, also habe ich zu meinem unglück still davon geschwigen. Also sein noch ein par monat verfloßen; Monsieur sagte mir nichts undt ließ sich nichts mercken, biß daß der König her nach St. Clou kame, da stelte er sich gar froid [kalt]. Ich meinte eine zeit lang, daß es were, weill er mit den frembten im hauß occupirt [beschäftigt] were; entlich aber sagt mir wider jemandes, daß meine feinde solche schandliche sache von mir außbreitten, daß es nicht zu sagen were, undt daß sie sich nicht vergnügten, von der alten sache zu reden, sondern daß sie auch sagten, daß ich dem admiral nachlieffe. Ich sagte solches dem König; der König lachte nur drüber; ich sagte: vielleicht macht das Monsieurs froideur [Kälte]. Damahls sagte mir der König nichts, etliche tag hernach aber auff der jagt sagte er mir, daß ich groß recht hette, in sorgen zu sein, denn Monsieur were sehr iritirt [gereizt] auff mich undt Theobon undt daß Monsieur ihn gebetten hette, mir einen effront [ affront = Schimpf] auff der jagt zu thun, welches er ihm aber rundt abgeschlagen hette undt dabei gesagt, daß er tort [unrecht] hette, indem er selber seine handt woll ins fewer vor mich legen wolte, daß ich nichts gethan, so Mons. mißfahlen könte ... Der König sagte mir, er bätte mich sehr, nichts von ihm zu sagen, indem er Mons. versprochen hette, mir solches nicht zu sagen; aber wenn ich seinen raht folgen wolte, so solte ich mich nur zufrieden geben, meine feinde undt ihr geschwätz meprisiren [verachten], welches ich, wie er sagte, desto beßer thun könte, indem er undt alle ehrliche leütte in Franckreich sehr von meiner vertu [Tugend] versichert weren undt dießen naretheyen keinen glauben zustelten, sondern nur drumb lachten, undt daß Mons. es im grundt auch woll nicht glaubte, allein daß ich woll wüste, wie er were, wenn ihn dieße leütte, so meine feinde seindt, obsedirten [überliefen], undt daß ich nur gedult haben müste. Alß ich dießen discurs hörte, dachte ich woll, daß ich nirgends wenig hülff zu hoffen hette, wurde derowegen so melancolisch, daß ich mich resolvirte, mein leben bey ma tante zu MaubissonÄbtissin Luise Hollandine, Schwester ihrer Tante Sophie von Hannover, Tochter des Winterkönigs. zu schließen; undt wie ich zu ihr kam, sprach ich ihr davon, allein damahl konte ich I.L. nicht persuadiren, daß es mein rechter ernst were, sondern sie meinte, ich vexirte. Also ist noch etlich zeit hingefloßen undt unterdeßen ist mr. de Verneuil gestorben undt der König hatt das gouvernement seinem bastart, dem duc du MaineLouis Auguste de Bourbon, natürlicher Sohn Ludwigs XIV. von der Montespan. geben. Gleich drauf kam das esclat von der historie von mr. de Vermandois;Louis de Bourbon, natürlicher Lohn Ludwigs XIV. von der La Vallière. damahlen sagte ich zu Theobon: waß gilts, ihr undt ich werden die bezahlung vor das gouvernement sein undt alles was man den leütten thun wirdt, wovon der König nun malcontent ist. Ich habe leyder nur gar zu woll geprophezeidt, denn wie der König nicht wolte, daß der ritter mitt ihm auff die jagt solte, wohin er nur kommen war, umb mich zu braviren [mir zu trotzen], da ging Mons. zu mad. de Maintenon undt lamantirte, der König hette weder amitie [Freundschaft] noch consideration [Achtung] vor ihn, indem er die leütte übel tractirte, die er lieb hette ... kurtz hernach fandt ich den König gantz verendert; wenn ich ihm von meinen sachen redete, gab er mir kurtze bescheydt undt sprach gleich von waß anderß. In der zeit kamen die hendel mitt dem princen von ContiLouis Armand de Conti vermählt 1680 mit Anne Marie, natürl. Tochter Ludwigs XIV. von der La Vallière. undt chevallier de Loraine, da gingen meine feinde hin undt sagten zu Monsieur, Theobon undt ich hetten den princen gegen den ritter auffgereitzt, da ich doch mitt Gott undt dem prinzen selber bezeügen kan, daß mir solches mein leben nicht in sinn kommen ist, noch Theobon auch nicht, allein Monsieur hatt es doch auch so glauben wollen. Etliche tag hernach hatt man das geschrey gehen machen, daß ich mein contrefait mitt fünfhundert pistollen hette ahn den ritter von Sinsen geschickt in Theobon brieff. E.L. können woll gedencken, daß dießes eben so wahr wie der rest ist, allein ich kan doch nicht erdencken, wie man solches glauben kan, da ich doch nie so viel gelt in meinem vermögen habe außer dem ersten tag im jahr; allein weil solches mich verunehren kan, muß man thun, alß wenn man es glaubt, undt auff diß geschrey jagt man Beuvron undt Theobon auff einen stutz weg, mitt befehl, daß sie ihr leben kein commers mitt mir haben sollen, undt mitt verbot ahn alle domestiquen, keine von meinen brieffen ahn ihnen zu bringen. Nun batte ich den König, mir zu erlauben, zu Maubisson mein leben zu enden, denn weillen ich nirgends keine hülff gegen der betrengung meiner feinde fünde undt Mons. so facille [leichtgläubig] were, sich bereden zu laßen, mir einen affront zu thun, so ihn selber mitt beschimpffte, so könte ich mich hinfüro nichts alß alles unglücks erwartten undt aller schande undt unehre; derowegen undt auch umb I. eine importune creatur [ein unbequemes Geschöpf] vom halß zu bringen, umb Monsieurs haß zu dempffen, aller weit ein trawerig object zu benehmen undt mir selber ruhe zu schaffen, seye nichts beßeres alß was ich I.M. von Maubisson proponirte ... Ändern tags schickte[n] chevalier de Loraine, d'Effiat undt mad. de Grancay zu mir undt ließen mir sagen, daß sie au desespoir[in Verzweiflung] wehren, in meinen ungnaden zu sein undt bäten mich unterthänig, ihre soumissionen [Ehrfurchtsbezeugungen] ahnzunehmen, undt daß sie mir versprechen wolten, hinfüro so woll zu leben undt nach meinem gefahlen, daß ich mich nicht gereuen würde, ihnen verziehen zu haben. Ich antworttete, daß sie vier monat woll hetten leben können, da ich mich doch täglich überlautt über sie beschwehret hette, daß jetzt ich auch wider ein wenig Zeit haben müste, mich zu erhollen undt ahten [Atem] zu schöpffen undt daß ich ihnen mitt ehestem meine antwordt würde zu wißen thun laßen; ging darauff zu mad. de Maintenon undt sagte, ich bäte sie, sie solle doch I.M. dem König von meinetwegen sagen, daß meine feinde mir dieße proposition hetten thun laßen, daß Monsieur mir kein wort von ihnen gesprochen hette, undt weillen I.M. garand von alles weren, deüchte mir, daß ich ohne seinen raht undt ordre nichts thun könte; daß sehr zu beförchten were, daß man mich wider betriegen wolle wie vor 4 jahren, undt zudem daß ich auch In mir selbst fünde, daß ich mich mitt gar großer mühe würde mitt leütten accommodiren können, so meine ehre attaquiret [angegriffen] haben...

Paris, den 24. November 1682.

An DieselbeBodemann, Sophie Nr. 42; vgl. Ranke XIII, 30 f.

.... Weillen aber meine feinde so unverschämbt seien, sich meiner eygenen domestiquen zu gebrauchen, umb lügen undt falsche brieffe gegen mir zu schreiben, so nimbt es mich gar nicht wunder, daß sie erdachte historien von mir in Teütschland, ja in die gantze weldt schreiben lassen. Ich kan E.L. mitt Gott, dem gantzen hoff undt allen meinen leütten bezeugen, daß ich Monsieur in aller meiner betrübnuß nicht ein eintzig böß wort geben noch das geringste vorgeworffen habe, noch hinterwerts von ihm gesprochen, contrarie [im Gegenteil], ich habe mir eine eigene estude gemacht, mich vorzusehen, umb ihm nichts zu sagen, so ihm mißfahlen könte, undt wenn er auff mich stichelt, schweig ich maußstill; zudem wie kan ich ihm seiner gemahlin todt vorgeworffen haben, da ich doch mehr alß jemandes in der welt persuadirt [überzeugt] bin, daß dieße that ohne sein wissen geschehen ist. Das gestehe ich woll, daß ich einmahl gesagt (alß er mir vorwurff, daß mein chagrin [Kummer] mich würde umbs leben bringen undt daß ich mich durch meine eygene violence [Heftigkeit] tödten würde): ahn meinem todt were kein großer schadt undt ich achte das leben nicht genung, umb den todt zu förchten. Das ist alles was ich auff diesen text ahn Monsieur gesagt habe, bitte E.L. derowegen demütigst, keine so böße opinion [Meinung] von mir zu schöpffen; zu glauben, daß ich mich durch caprice [Laune] undt bößen humor [Grillen] solte unglücklich machen, denn wenn ich glauben solte, daß E.L. undt oncle in der that ein solches von mir meinten, würde mich dieses melancolischer machen, alß all mein Unglück undt verdruß, so ich bißher außgestanden. Ich weiß nicht, worumb die leütte sagen wollen, daß Mons., undt ich wie hundt undt katze leben, indem wir doch alle dehors über die maßen observiert [d. h. den äußeren Schein gewahrt] haben, auch in der that nicht gezanckt, denn alles was vorgangen, da war der König derzwischen undt hatt einem undt andern zugesprochen, wir aber, nehmblich Monsieur undt ich, haben von allen indifferenten sachen gesprochen, alß wenn nichts vorginge; aber, wie ich schon gesagt, wenn man nicht vorgebe, daß es meine schuldt ist, daß man übel mitt mir lebt, so würde man sonsten nichts zu sagen haben undt gestehen müssen, daß mir unrecht geschehe undt daß man mir gewalt ahnstatt recht gibt; aber dießes alles wirdt Carllutz E. L. mündtlich außlegen können . ...

An die Kurfürstin Wilhelmine Ernestin von der PfalzTochter König Friedrichs III. von Dänemark, vermählt mit Liselottens Bruder. Mitgeteilt in der historischen Vierteljahrsschrift, hrsg. von Seeliger, 1898, Leipzig, S. 421/22.

Versaille den 6. december 1682.

.... Bleibt mir also nichts alß dieße stunde überig [zu schreiben]; den morgen gleich nach des königs meß muß ich mitt I. M. auff die jagt, undt nach der jagt wirdt es waß spät sein zu schreiben; den es ist wider jour d'appartement. Damit E. L. aber begreiffen mögen, waß dießes ist, so müssen E. L. wissen, daß der König hier eine große gallerie lest bauen, so von seinem apartement biß in der königin ihres geht. Weillen aber solche gallerie noch nicht gantz fertig ist, hatt der könig das theill, so ausgemacht undt gemahlet ist, unterschlagen lassen undt einen salon davon gemacht. Alle Montag, mittwog undt freittags seindt jour d'apartement. Da versammellen sich alle mansleütte von hoff in des königs entichambre [Vorzimmer], undt alle weiber umb 6 in der königin cammer. Hernach geht man alle mitt einander in den salon, wo von ich alleweill gesprochen; von dar in ein groß cabinet, alwo die violons sein vor die, so tantzen wollen. Von dar geht man in eine cammer, wo des königs thron ist. Da findt man allerhandt mußic, concerter undt stimmen. Von dar geht man in die schlaffcammer, alwo 3 taffelen stehen, umb cartten zu spillen, vor den könig, die königin undt Monsieur. Von dar geht man in eine cammer, so man woll einen saal nennen, worinen mehr alß 20 tisch stehen mitt grünen sammetten tepichen mit golten franien, umb allerhandt spiel zu spiellen. Von dar geht man in eine große antichambre alwo des königs billiart steht; von dar in eine andere cammer, alwo 4 lange tisch, worauff die colation ist, allerhandt sachen, obstkuchen, confituren. Das sieht aus wie die christkinder taffeln ahm cristabende. Von dar geht man noch in eine andere cammer, wo auch 4 andere taffeln stehen so lang also die von der colation, worauff viel caraffen mit gläßer stehen undt allerhandt vin de liquers, rossolis [Liköre], von allerhandt gattung, vin de St. Laurent, ittaliensche wein, hipocras, auch rechte naturliche wein; also die eßen oder trinken wollen, halten sich in dieße zwey letzte kammern. So baldt alß man von der colation kompt, welche man stehns ist [stehend ißt], geht man wieder in die cammer, wo so viel taffeln stehen, undt da theilt sich jedes zu seinem spiel auß, undt wie mancherley spiel da gespilt werden, ist nicht zu begreiffen: lands knecht, trictrack, piquet, reversi, lombre, petitte prime, schach, trictrac raffe, 3 dés, trou madame, berlan, somma sumarum, waß man nur erdencken mag von spillen. Wen der könig oder die königin in die cammer kommen steht niemandt von seinem spiel auff. Die nicht spiellen alß wie ich undt noch viel andere mehr, die schlendern herumb von einer cammer zu der andern, baldt zu der music baldt zu den spiellen; den es ist erlaubt hinzugehen, wo man will. Dießes wehret von 6 biß umb 10, daß man zum nachteßen geht, undt das ist, was man jour d'apartement heist. Wen ich aber E.L. jetzt verzehlen solte, mitt was vor magnificense [Pracht] alle dieße kammern gemeublirt sein undt welche eine mengte von silbergeschir drinnen ist, würde ich nimmer auffhören. Es ist gewiß, daß es meritirt [verdient] gesehen zu werden. Dießes alles were woll köstlich schön undt divertissant [unterhaltend], wen man auch in dießem apartement ein vergnügtes gemühte mitt sich brächte....

Versaille den 11. Augusti 1686.

An die Kurfürstin Sophie von HannoverBodemann, Sophie Nr. 62; vgl. Ranke XIII, 43 ff.

.... Unßer König ist nun waß krank undt man sagt, es mögte woll ein viertägig fieber drauß werden. Wenn dem also ist, so bewahr unß Gott, denn er wirdt woll noch hundert mahl gritlicher werden alß er schon ist. Ja, wer nichts mitt dießem hoff hir zu thun hette, der müste sich halb kranck lachen, zu sehen, wie alles hergeht. Der König bildt sich ein, er seye devot [fromm], weill er bey kein jung weibsmensch mehr schläfft, undt alle seine gottesforcht besteht in gritlich sein, überall spionen zu haben, so alle menschen falsch ahntragen, seines brudein favoritten [Geliebten] zu flattiren [schmeicheln] undt in general [sgemein] alle menschen zu plagen. Das alte weib, die Maintenon, hatt ihren spaß, alles was vom Königlichen hauß ist, dem König gehast zu machen undt darüber zu regiren, außer Monsieur, den flattirt sie bey dem König undt macht, daß er woll mitt ihm lebt undt alles thut, was er von ihm begehrt; welches leicht zu accordiren ist, wie E.L. ferner hören werden. Hinterwerts aber ist dießem altem weib bange, daß man meinen mag, daß sie Monsieur estimire, derowegen, so baldt alß jemandes von hoff mit ihr spricht, sagt sie den teüffel von ihm: daß er zu nichts nutze seye, der debauchirtste [ausschweifendste] mensch von der welt, ohne secret, falsch undt untrew. Die dauphineMaria Anna von Bayern, 1680 vermählt mit dem Dauphin Louis. ist ohnglücklich, undt ob sie schon ihr bestes thut, dem König zu gefahlen, wirdt sie doch auß ahnstifftung des weibes täglich sehr übel tractirt, undt muß ihr leben mitt langerweill undt schwangersein zubringen. Ihr herr, mons. le dauphine, fragt nach nichts in der welt, sucht sein divertissement und plaisir [Unterhaltung und Vergnügen] wo er kan undt wirdt erschrecklich debauchirt [zu Ausschweifungen verführt]. Monsieur ist es nicht weniger undt seine eintzige aplication [Beschäftigung] ist, mir böße officien [Dienste] bey dem König zu leisten undt mich überall zu verachten, seine favoritten zu recommandiren undt selbigen bon traitement [gute Behandlung] vom König mitt sonsten gnaden zuwegen zu bringen; seine kinder aber zu befördern, da denckt er nicht ahn. Ich vor mein theil muß also auff die defensive leben, denn alle tage macht man mir neüe händel, welche ich doch durch meine conduitte [Führung, Betragen] suche zu meyden so viel mir nur möglich sein kan ... Unterdessen aber muß ich sowoll durch des weibs ohnverdienten haß bey dem König, alß auch meiner alten feinde haß bey Monsieurleyden ... Durch die post hette ich E.L. dießes alles woll gar nicht schreiben dörffen, wie sie woll gedencken können, allein durch dieße sichere gelegenheit habe ich es nicht lassen können. Wenn E. noch wißen wollen, wie ferner der hoff beschaffen ist, so muß ich sagen, daß alle minister das weib flatiren und suchen durch hundert bassessen [niedrige Handlungen] woll bey ihr zu sein; alle andere leütte, so in ein raisonable [verständig] alter sein undt ehrliche männer, seindt trawerig; sie haben kein gelt, sie fürchten sich alle vor die spionen, welche ohnzehlbar sein, sein malcontent [unzufrieden] undt können sich doch nicht helffen. Alle junge leütte in general seindt erschrecklich debauchirt undt allen lastern ergeben, liegen undt betriegen fehlt ihnen nicht undt meinen, es were ihnen eine schande, wenn sie sich piquiren [bestreben] solten, ehrliche leütte zu sein; was sie aber thun ist sauffen, debauchiren und wüsteneyen sagen, undt wer ahm ungeschicksten unter ihnen ist, davon halten sie ahm meisten undt der ist ahm besten estimirt. Durch dieß alles können E.L. leicht urtheillen, wie große lust es hir ahm hoff vor ehrliche leütte geben muß; ich förchte aber, daß, wenn ich meinen recit [Erzählung, Bericht] vom hoff noch lenger fortführen solte, würde ich E.L. eben eine solche langeweill geben, alß ich gar offt entpfinde, undt dießes endtlich eine ahnsteckende kranckheit werden, muß derowegen davon auffhören zu reden ....

Fontainebleau den 8. October 1688.

An dieselbeBodemann, Sophie Nr. 83.

.... Von alles was mir E.L. vom papst undt unßerm König schreiben, hirauff darff ich woll meine Meinung nicht sagen; vom printzen von Oranien ist mehr erlaubt zu reden. Wie ich im Haag mit J.L. spielte undt met verlöff met verlöffDie Wiederholung gerade dieses Ausdrucks kehrt auch anderen Brefen wieder (s. u. S. 49 u. 51). in mein hembt schiß, dachte ich woll nicht, daß er einsmahls eine so große figur machen würde: wenn nur seine große ahnschläge nicht besigelt werden wie ich damahls das spiel besigelte; wenn es aber geschehen solte undt unß dadurch der friede zukäme, würde ich warlich gar woll damitt zufrieden sein ... Ich wolte von grundt meiner seelen, daß ich den armen raugräfflichen kindern dienen könte, ich wolte es von hertzen gerne thun, allein was kan ich thun? man erlaubt mir nicht, vor meine eygene kinder zu sorgen; sie werden jetzt noch mehr zu beklagen sein, denn dießer ellende [Orléanssche] krieg kan ihnen woll nichts nutzen undt mir ebenso wenig ....

Daß meine kinder niemandes alß mich fürchten, ist nun gar zu wahr, denn Monsieur will sich nie die mühe geben, ihnen ein eintzig wort zu sagen; ihre hoffmeister undt hoffmeisterin seint beide die albersten und sottesten [dümmsten] leütte, so in der welt mögen gefunden werden. Die kinder fehlen gottlob nicht von verstandt und könnens nicht lassen, ihre vorgestelldte außzulachen, also muß ich woll ihnen sagen, waß sie thun oder lassen sollen; sie fürchten mich also, allein sie haben mich lieb dabey, denn sie seindt raisonable [verständig] genung, umb zu sehen, daß was ich ihnen sage vor ihr bestes ist; ich filtze selten, aber wenn es sein muß, geb ich's dicht, das macht desto mehr impression [Eindruck], wenn sie meinem raht folgen werden, werd ich nichts übles auß ihnen ziehen ohngeacht alle böße exempel, so die arme kinder stehts vor sich sehen. Aber dieß ist auch ein text, welchen man mitt stillschweigen muß vorbeygehen, komme derowegen an die coiffuren [Haarfrisuren]. Ich bin versichert, daß, wenn E.L. sehen solten, mitt waß mühe undt sorgen sich die weiber nun abscheülich machen, würden E.L. von hertzen darüber lachen; ich vor mein theil kan dießer masqueraden gantz nicht gewohnen, aber alle tag setzt man sich höher auff; ich glaube, daß man endtlich wirdt gezwungen sein, die thüren höher zu machen, denn sonsten wirdt man nicht mehr in den kammern auß und ein gehen können. Wenn die weiber in cornetten [Hauben] sein, sehen sie eben auß wie die Melusine ich in einem alten buch gemahlt gesehen, so I.G. der Churfürst seeliger in seiner biblioteque zu Heidelberg hatte; mich deucht, ihr schweiff ahm rock wirbt endtlich auch zur schlangen werden, wie jene; wenn solches der Grancay widerführe, nehme michs kein wunder, denn sie hatt schon eine schlange undt otterzunge, welche mich nur gar zu offt sticht. Es ist aber auch woll einmahl zeit, daß ich dieße lange epistel endige ....

Versaille den 20. Mertz 1689.

An dieselbeBodemann, Sophie Nr. 85: vgl. Ranke XIII, 66.

.... Kaum hatte ich mich über des armen Carllutz todt ein wenig erholt, so ist das erschreckliche undt erbärmliche ellendt in der armen pfaltz ahngegangen, undt was mich ahm meisten daran schmertzt, ist, daß man sich meines nahmens gebraucht, umb die arme leütte ins eüßerste unglück zu stürtzen, undt wenn ich darüber schreye, weiß man mirs gar großen undanck undt man protzt mit mir drüber. Solte man mir aber daß leben darüber nehmen wollen, so kan ich doch nicht lassen zu bedauern undt zu beweinen, daß ich so zu sagen meines vatterlandts untergang bin undt über das alle des Churfürstens meines herrn vatter seeligen sorge undt mühe auff einmahl so über einen hauffen geworffen zu sehen ahn dem armen Manheim. Ja ich habe einen solche abschew vor alles so man abgesprengt hatt, daß alle nacht, sobaldt ich ein wenig einschlaffe, deücht mir, ich sey zu Heydelberg oder zu Manheim undt sehe alle die verwüstung, undt dann fahr ich im schlaff auff undt kan in 2 gantzer stunden nicht wider einschlaffen; dan kompt mir in sinn, wie alles zu meiner zeit war, in welchem standt es nun ist, ja in welchem standt ich selber bin, undt dan kan ich mich des flenens nicht enthalten, Was mich noch schmertzlich ist, ist, daß der König just gewahrt hatt, umb alles ins letzte ellendt zu bringen, biß ich vor Heydelberg undt Manheim gebetten; undt noch dazu nimbt man übel, daß ich betrübt drüber bin, aber ich kans warlich nicht lassen undt es ist mir unmöglich, daß ich mich dieß alles erzellen kan ....

An DieselbeBodemann, Sophie Nr. 95.

Versaille den 10. December 1689.

.... Das weib [die Maintenon], wovon sie sprechen, wie E.L. sagen, die mit einem pfurtz met verlöff met verlöff sol schwanger gegangen sein, divertirt mich nicht sehr, contrari, ich glaube nicht, daß ein bößerer teüffel in der welt kan gefunden werden, alß sie ist mitt aller ihrer devotion [Frömmelei] undt heücheley, befinde, daß sie das alte teütsche sprichwort woll wahr macht, nehmblich: »wo der teüffel nicht hinkommen kan, da schickt er ein alt weib hin.« Alles unheil kompt von dießer zot; ich vor mein theil habe mich ihrer woll gar nicht zu rühmen und sie hatt keine größere freüde, alß wenn sie entweder mad. la dauphine oder mich etwaß übels bey dem großen mann [Ludwig XIV.] ahnmachen kan. Ja, wenn E.L. alles wißen solten, wie es hergeht, würden sie solches vor unglaublich halten. Biß ich E.L. aber völlig davon informiren kan, ist es, wie ich glaube, beßer, daß ich von dießem text stillschweige, nur das noch sage, daß es woll zu wünschen were, daß sich das weib umb nichts alß ihre jungfern in dem stifft bekümmerte. Wenn die jungen printzen, so noch zu wacksen haben, nicht galanter werden alß unßer mons. le dauphin [Louis, duc de Bourgogne, geb. 1682], so werden die demoiselles de St. Cire [Cyr] keine große mühe haben, ihre ehre zu verwahren .... Weillen E.L. finden, daß von der armen Pfaltz zu reden dießelbe melancolisch macht, will ich weiter nichts davon sagen, aber ich glaube, daß ein gutter frieden ihnen doch nicht schaden solte; der krieg ist doch eine verdrießliche sache .... Mehr darff ich nicht sagen, derwegen von waß anderst reden .... Ich scheine woll destinirt [bestimmt], alles zu verliehren, was ich von meinen verwanten haben solte; alles landt hatt der König verbrent, alles bar gelt hatt Monsieur zu sich gezogen, ohne mir weder heller noch pfenning davon zu geben. Dießes aber würde ich mich leicht getrösten, wenn man mich nur sonsten mitt frieden ließe undt nicht plagte, wie man täglich thut .... Das alte weib will mitt aller gewalt, daß der große mann seinen hinckenden bubenDen Duc du Maine. ahn mein tochter geben solte, undt ohne mir die sach zu proponiren [vorzuschlagen], persuadirt [sucht sie ... zu überreden] sie den großen mann, daß ich mein leben nicht drin willigen werde, man plage mich denn so sehr, daß ich meine ruhe dadurch erkauffen mögte, undt das macht, daß man mir alle tag neüe qual ahnthut ....

St. Cloud den 30. Juni 1691.

An Frau on HarlingBodemann, Harling Nr. 51.

.... Es ist nun leyder gar zu wahr, daß mein sohn (Philipp II. von Orléans) in campagne ist undt noch darzu so marchiren beyde arméen nun, also daß mir gar nicht woll bey der sachen ist, denn weilen sie nicht weit von einander sein, mögen sie sich vielleicht begegnen, wobey es dan all scharff genung hergehen würde. Ich weiß woll (undt mein lieb fraw von Harling hat mirs vor langen jahren gelehrnt), daß gott die seinigen überall erhalten kan; aber ich hab leyder kein brieff undt sigel, daß gott der allmächtige meinen sohn erhalten will, undt ich weiß, daß man im krieg große gefahr außsteht; zudem so hat mich das exempel von den 2 lieben printzen Friedrich August undt CarlDie Söhne ihrer Tante in Hannover waren beide im Kriege gegen die Türken gefallen; Karl Philipp im Kampf am 1. Januar 1690, Friedrich August am 30. Dezember desselben Jahres. greulich scheu gemacht. Der fürsten leiber undt köpff seindt nicht härter alß andere undt das bley dringt ebenso leicht hinein alß in den gemeinen soldaten undt in einer schlacht ist wenig sicherheit. Drumb muß ich gestehen, daß mir recht angst bey der sachen ist undt werde keine ruhe haben, biß ich meinen buben wider hir habe ....

Paris den 20. Julli 1692.

An die Kurfürstin Sophie zu HannoverBodemann, Sophie Nr. 140.

.... Wolte Gott, die alte rompompel [die Maintenon] stünde in E.L. gewalt, sie würde mir gewiß nicht lange mehr schaden; sie hat sich so gedemütigt undt ist zu Villers Cotteretszu mir kommen, aber ich bin gewiß, daß sie mirs braff wider eindrencken wirdt. Ich habe woll von hertzen gelacht über das sprichwort, so E.L. von dem dreck, met verlöff met verlöff, undt mist citiren. Der große mann muß offt den gestanck davon richen, denn er rührt dießen mist offt. wenn der große mann wolte, daß wir seinen dreck vor weyrauch halten sollen, so solte er uns doch auffs wenigst guldene weyrauchfässer geben, solches auffzufaßen. Daß ich gegen meines sohns heyraht geweßen, schäme ich mich nicht undt will lieber mit des Königs ungnadt ohne lacheté [Feigheit, Niederträchtigkeit] leben, alß mir vorzuwerffen zu haben, daß ich in so waß infames consentirt hette auß flatterie [Schmeichelei] undt mitt freyen willen, denn das könte ich mir selber nicht vergeben undt das würde mir mein teütsch hertz undt geblütte, so ich noch immer in mir verspüre, ob ich zwar schon 20 jahr in Franckreich bin, in ewigkeit nicht zu gutt halten. Heütte morgen hatt man mir gesagt, der gutte König JacobJakob II. Stuart, der 1688 durch die glorreiche Revolution gestürzt worden war. fange wider ahn, lustig zu werden undt zu lachen. Wenn es wahr ist, wirdt er mich nicht mehr so sehr jammern. Ob zwar die jalousie [Eifersucht] ein großes übel undt unglück ist, so glaube ich doch, daß ein Königreich zu verliehren noch etwaß ärgers ist, denn wenn der König von dem humor ist, metressen zu haben, wirdt er deßen hir genung finden, aber Königreiche finden sich nicht leicht wider, fürchte also, daß die gutte Königin alles übel undt kein trost finden wirdt ....

An DieselbeBodemann, Sophie Nr. 157.

Versaille den 1. Januari 1693.

.... P.S. Ich kan nicht laßen, E.L. ein schön dialogue zu verzehlen, so Monsieur undt ich vergangen gehalten; ich wolte, daß dießes E.L. so von hertzen könte lachen machen, alß meine 2 kinder. Wir waren alle 4 abendts allein hir im cabinet nach dem nachteßen, nehmblich Monsieur, ich, mein sohn undt mein tochter. Monsieur, so unß eben nicht vor eine gutte compagnie genung hilte, mitt unß zu reden, ließ nach langem stilschweigen einen großen lauten furtz met verlöff met verlöff, trehte sich zu mir undt sagte: »qu'est ce que cela, Madame?«Was ist das, Madame? Ich threhte den hintern zu ihm, ließ einen streichen in selbigem thon undt sagte: »c'est cela, Monsieur.«Das, mein Herr! Mein sohn sagte: »s'il ne tient que cela j'en ay auttant d'envie que Monsieur et Madame«,Wenn's nur darauf ankommt, so habe ich das gleiche Bedürfnis wie Monsieur und Madame. undt ließ auch einen braffen gehen. Damitt fingen wir alle ahn zu lachen undt gingen alle auß dem cabinet herauß. Das seindt fürstliche conversationen, wie E.L. sehen, undt solte man curieux [neugierig] sein noch, meine brieffe auffzubrechen, so offriere ich zum neüen jahr dem, so der erste dießen brieff vor E.L. auffbrechen undt lesen solte, dießen weyrauch.

An Oberstallmeister von HarlingBodemann, Geheimrat Harling Nr. 2.

[Dezember 1693.]

Pourquoy me parlés vous françois, mons. de Harling? Croyés vous que je ne sache plus l'allemant?Warum sprechen Sie zu mir Französisch, Herr v. Harling; glauben Sie, daß ich Deutsch nicht mehr verstehe? Nein, das habe ich noch nicht vergeßen, werde also meine dancksagung vor sein compliment auf teutsch ablegen, undt damit ihr secht, daß ich ein beßer gedechtnuß habe, alß ihr woll meint, so sage ich »Herr Öllerian, fraw Schredtlin Margrettlin, herudt ihr dorchreckels, herudt auß dem samschläger, treck den därendecker ahn, nembt den emerlin, thut waterquatschen drin, denn dat rattenstert hat die vielheit in profoßhauß gebracht.« Ich glaube nicht, daß ich hierin ein wort verfehlt habe, ob ich es zwar nicht oft repetire. Hirauß laß ich judiciren, ob ich mein teutsch mag vergeßen haben, mais pour que vous voyés que je puis aussi parler françois, je finirai en vous assurant de mon estime et de mon amitié.Aber damit Sie sehen, daß ich auch Französisch reden kann, will ich schließen, indem ich Sie meiner Achtung und Freundschaft versichere.

An die Kurfürstin Sophie von HannoverBodemann, Sophie Nr. 208.

Paris den 15. May 1695.

.... wenn es wahr ist, daß man wider jungfer wirdt, wenn man in langen jahren bei keinem mann schläfft, so muß ich wieder eine jungfer geworden sein, denn seyder 17 jahren haben mein Herr undt ich nicht bey einander geschlaffen, mögte aber, umb es gewiß zu wißen, nicht in der herren Tartaren hände fallen. Die Tartaren müssen mehr vom gefühl alß vom gesicht halten in den 5 sinnen, weillen sie lieber alte alß junge weiber haben .... Ich hoffe, daß ich, ob Gott will, auch baldt werde die nachtigallen singen hören. Ich bin wie E. L.: ich höre lieber nachtigallen undt frösch, alß die schönsten menschenstimmen von der welt; die fröschmusiq hatt nun ein endt, aber die nachtigallen singen noch .... heütte weiß ich garnichts neües undt bin recht leünisch, denn man hatt mir gestern abendts gesagt, daß das geschreu von dem maußdreckGemeint ist das Gerede von einer Verheiratung der Tochter der Herzogin mit einem Sohne Ludwigs und der Montespan. ärger ahnfengt alß nie; das macht mich bang undt fürchte, daß ich viel widerige händel bekommen werde, wenn der hoff wider hir wirdt sein ....

An Dieselbe Bodemann,Sophie Nr. 220; vgl. Ranke XIII, 125 f.

Paris den 30. October 1695.

.... Ich bin noch auff die Hannoverische manir undt gar nicht devot; ich glaube, daß es ein groß glück ist, wenn man es in der that sein kan wie ich glaube daß unßere hertzogin ist, undt alles, was unmöglich scheint, glauben kan alß wenn man es sehen thete, auch sich mitt dem vergnügen undt stehts zu reden mitt was man nie sicht undt welches uns nie kein antwort gibt; allein ich glaube auch, daß es eine gar elendt sache ist, sich ahnzustellen, alß wenn man devot were, undt daß man es nicht ist, denn sich jahr undt tag zu langweillige sachen zu zwingen ohne persuadirt [überzeugt] zu sein; damitt bringt man sein leben liederlich zu. Ich bin nicht glücklich genung, einen so starcken glauben zu haben, umb berge zu versetzen, undt bin zu auffrichtig, umb mich ahnzustellen alß wenn ich devot were, ohne es zu sein. Derowegen contentire [begnüge] ich mich nur, mich nicht gröblich gegen die gebotte zu versündigen undt meinem negsten nichts leydt zu thun; Gott den allmächtigen, den admirire [bewundere] ich, ohne ihn zu begreiffen, ich lobe undt preiße ihn morgendts undt abendts undt laß ihn ferners walten undt ergebe mich in seinen willen, denn ohne das weiß ich woll, daß nichts geschehen kan: da wissen E.L. nun alle meine devotion ....

Port Royal den 2. Augusti 1696.

An DieselbeBodemann, Sophie Nr. 248; vgl. Ranke XIII, 135 f.

.... Mons. Helmonts meinung will mir nicht recht im kopff, denn ich kan nicht begreiffen, was die seele ist undt wie sie in einen andern leib kan kommen; nach meinem schlechten sinn zu raisoniren, solte ich eher glauben, daß alles zu grunde geht, wenn wir sterben, undt nichts von unß übrig bleibt, undt jedes element , wovon mir worden, seine parthie wider zu sich nimbt; umb wider waß anderß zu machen, es seye ein baum oder kraut oder sonst waß, das wider zur nahrung der lebendigen creaturen dint. Die gnade Gottes, deücht mir, kan allein die seele unsterblich glauben machen, denn natürlicher weiße kompt es einem eben nicht im kopff, insonderheit wenn man sicht, wie die leütte werden, wenn sie einmahl gestorben sein. Gott der allmächtige ist so unbegreifflich, daß mir deücht, daß es seiner allmacht zuwider undt zu kleinerlich ist, wenn wir ihn in den schrancken unßer ordre [Ordnung] wollen einschließen. Wir menschen, die reglen haben, können gutt oder böß sein, nach dem wir die reglen folgen oder dawider thun; aber wer kan dem Allmächtigen gesetze geben? Auch ein rechtes zeichen, daß wir nicht begreiffen können, was Gottes güte ist, ist, daß unßer glaube unß weißt, daß er zwey menschen erstlich erschaffen, denen er geratt einen ahnstoß geben, umb zu fehlen, denn waß war es nöhtig, einen baum zu verbietten, hernach den fluch auff alle die zu setzen, so nicht gesündigt hatten, indem sie noch nicht geboren waren? Nach unßer rechnung geht das geraht gegen gütte undt gerechtigkeit, indem die gestrafft werden, so nichts davor können undt nicht gesündigt haben. Weitters lehrt man unß, daß Gott der vatter seinen eintzigen sohn vor unß geben hatt; das war ja nach unßer rechnung auch nicht gerecht, denn der sohn hatte nie [gesündigt] undt konnte nicht sündigen; also deucht mich, daß es ohnmöglich ist, zu begreiffen, was Gott mitt unß macht, derowegen nur seine allmacht zu admiriren ist, aber ohnmöglich von seiner gütte undt gerechtigkeit zu raisoniren .... Ich habe die freyheit genohmen undt E.L. schon letzmahl meine meinung über der jünger Christi frage wegen des blindtgebohrnen gesagt, doch will dieß noch hinzusetzen, daß ich nicht finde, daß es eine preuve [Beweis] ist, daß die seele in einen andern leib gehet, denn weillen ja alle juden und christen glauben, daß wir durch Adam seindt verlohren worden, so unßer aller vatter war, so haben die jünger auch leicht glauben können, daß man der leiblichen vätter sünde tregt, undt also selbst alß sündige menschen gebären; aber unßer herr Christus leügnet, daß er vorher, ehe er geboren, gesündigt hette, denn er sagt, daß weder der blindtgebohrne noch sein vatter gesündigt hette, sondern daß es geschehen, daß die wercke Gottes gesehen werden möchten undt seine ehre geprießen werde. Also zerschlegt unßers herrn Christus andtwort mons. Helmonts meinung. Ich bin woll E.L. meinung, daß diese opinion ein schlechter trost ist, denn man behelt nur, wie man stirbt, aber man weiß nichts von widerleben. Ich finde es auch nicht zum besten, daß man nichts weiß von seiner jugendt; ich wolte aber gerne vergeßen, im mutterleib geweßen zu sein, denn das solte einen eckellen. Mons. Helmonts zufriedenheit undt ruhig gemühte das mögte ich gerne lehrnen ....

Versaille den 2. Februari 1698.

An DieselbeBodemann, Sophie Nr. 328; vgl. Ranke XIII, 151.

.... Ich glaube gar gewiß, daß mein sohn mitt dem dollen leben, das Er führt, gantze nächte zu raßen undt erst umb 8 morgendts schlaffen zu gehen, nicht lang wirdt leben können. Er sicht offt auß, alß wenn man ihn auß dem grab gezogen hette; man bringt ihn gar gewiß umbs leben undt sein Herr vatter will nichts dargegen sagen.

Aber weillen was ich auch hirvon sagen mag zu nichts nicht hilfft, so will ich nur davon still schweygen, muß nur das noch sagen, daß es warhafftig schadt ist, daß man mein sohn so in das luderleben steckt, denn wenn man ihn ahn etwaß beßeres undt rechtschaffners gewehnt hette, würde er gantz ein anderer mensch geworden sein. Er fehlt nicht von verstandt, ist nicht ignorant und hatte von jugendt auff alle inclination [Neigung] von was gutt undt löblich war undt seinem standt zukompt, allein seyder er sein eygen herr und meister geworden undt sich nichtswürdige kerls ahn ihn gehengt haben undt ihn mitt so gar gemeinen huren met verlöff haben umbgehen machen, ist er dermaßen geendert, daß man ihn nicht mehr kent sowohl von gesicht alß von humor, undt bei so ein leben nimbt er nicht mehr lust in nichts; die lust zur musiq, so eine passion war, ist auch nicht mehr vorhanden, summa: man hatt ihn gantz unleydtlich gemacht, undt fürchte sehr, daß er endtlich gar das leben drüber verlieren wirdt ....

Marly den 7. Augusti 1698.

An DieselbeBodemann, Sophie Nr. 350; vgl. Ranke XIII, 157 f.

Ich bin woll E.L. meinung, daß ein jeder in seinem sinn son petit religion à part soySeine kleine persönliche Religion. hat, wie mons. Filding. Ich glaub, daß es sinceritet [Aufrichtigkeit] von den reformirten ist, sich nicht stellen zu wollen, zu glauben was sie nicht glauben können, undt daß, wenn es nur umb die predigt undt psalmen zu thun were, würden sie sich nicht weg jagen lassen. Die psalmen seindt doch warlich nicht so unahngenehm zu hören, als die voyellen [Vokale] von einer großen meß, welche einen offt recht ungedultig machen, nichts zu hören alß ein geplerr von aaaa eeee iiii oooo; wenn ich dörffte, lieff ich offt gern auß der kirch deßwegen, denn ich stehe es mitt rechter mühe auß. Dr. Luther weiß ichs recht danck, hübsche lieder gemacht zu haben; ich glaube, daß dieß viellen lust geben hatt, lutherisch zu werden, denn das hatt etwaß lustigs, aber die mistiquen [Mystiken] mitt ihrer contenplation were meine sache gar nicht ....


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