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Nicolaus Copernicus

Vorerinnerung

Als der würdige Herr Verleger des Pantheons der Deutschen mich ersuchte das Leben unsers Copernicus für dasselbe zu schreiben, habe ich mich diesem Geschäfte sogleich willig unterzogen. Es war ein sehr schmeichelhafter Gedanke für mich, diesem Heroen der Astronomie, dem Manne aller Jahrhunderte, dessen Namen ich schon in meiner frühesten Jugend mit Ehrfurcht und Bewunderung nennen lernte und wovon der bloße Laut, noch jetzt, wenn ich ihn ausspreche, in mir die Vorstellung von Größe und Erhabenheit der Werke der Natur zu erwecken im Stande ist, hier, in diesem populären Werke, so ganz ohne den Vorwurf von Zudringlichkeit, das individuelle Opfer meiner Verehrung, sei es auch noch so geringfügig darbringen zu können. Ihm damit ein Denkmal stiften zu wollen, daran dachte ich nicht und konnte nicht daran denken. Die Abrechnung zwischen Ihm und mir, über diesen Punkt, war nur allzu leicht: ich vermochte es nicht, und Er, dessen Ruhm die Himmel erzählen, bedurfte dessen nicht. Allein dafür schien es mir bei meiner Absicht ebensowenig ganz unverdienstlich, als, nach einer gewissen Schätzung, sonderlich schwer, in einer, jedem gewöhnlichen Leser von Erziehung verständlichen Sprache und ohne Weitläuftigkeit zu erzählen: was der große Mann hauptsächlich leistete, was er war und wie er es wurde. So wie ich aber der Ausführung selbst näher kam, und jener Enthusiasmus, der den ersten Entschluß begleitete, dem kühleren Geschäfte des Biographen, und die dunkeln Gefühle deutlichen Begriffen und präzisen Bestimmungen weichen mußten; als ich Data zu zählen und zu wägen anfing, die ich dort in trügerischem Vertrauen auf flüchtige Erinnerungen hin, ungezählt und ungewogen in Anschlag gebracht hatte, änderten sich meine Vorstellungen von diesem Unternehmen. Mit der von dessen Verdienstlichkeit blieb es noch so ziemlich beim alten, hingegen verminderte sich die von der Leichtigkeit desselben um ein merkliches, und dieses brachte in mir eine gewisse Gemütsstimmung hervor, wovon man, wie ich fürchte, die Spuren hier und da in der Erzählung selbst, nur zu deutlich bemerken wird. Ich will mich erklären. In einer Lebensbeschreibung

Nicolaus Copernikus

des Copernicus, obgleich für eine populäre Schrift bestimmt, nur bloß in allgemeinen Ausdrücken von dessen Haupt-Verdienst zu reden und etwa nur zu sagen, was man auch in den gemeinsten Schriften findet, wäre von der einen Seite ebenso unschicklich gewesen, als es von der andern gewesen sein würde in ein zu großes Detail zu gehen. Nach dem gegenwärtigen Zustande unserer Erziehung konnte ich, gottlob! jenes wohl voraussetzen und habe es gewissermaßen auch vorausgesetzt; in dieses hingegen mich einzulassen wäre, wo nicht gegen die Regeln der Biographie überhaupt, doch gewiß der Spezies derselben gewesen, die sich nur allein mit dem Plane dieses Werks verträgt, worin doch immer vorzüglich auf den Dilettanten Rücksicht genommen werden muß. Wem daran gelegen ist, sich mit den Entdeckungen, zumal denen eines Mathematikers bekannt zu machen, greift ohnehin nicht nach der Lebensbeschreibung des Mannes sondern nach dessen Werken selbst. Ich habe mich daher hier aller Zeichnungen und folglich aller der Subtilitäten, die notwendig welche erfordert hätten, enthalten und mich mit bloßen Worten begnügt. Hat doch Gassendi in seinen sechs Büchern über das Leben des Tycho nur eine einzige Zeichnung. Man kann hiergegen nicht einwenden, daß Gassendi nicht bloß für Dilettanten geschrieben habe, denn diese einzige Figur hätten ihm wohl selbst die Dilettanten, so wie ich sie voraussetze, gerne geschenkt – nämlich eine ganz gemeine Darstellung des Tychonischen Weltsystems. In seinem Leben des Copernicus hat er zwar zwei Zeichnungen, wovon aber die eine wiederum ein Copernicanisches System und die andere eine Figur darstellt, die man eher zur Erläuterung des Worts Corolla, in einem lateinischen Wörterbuche erwartet hätte, als hier. Peurbachs und Regiomontans Biographien von eben diesem Verfasser, haben gar keine Zeichnungen, so wie nachstehende des Copernicus.

Eigentlich sagt aber alles dieses nur so viel: jene Lebensbeschreibungen enthalten keine Zeichnungen für das Auge. Aber auch keine mit Worten für Phantasie und Verstand? Dieses wäre unmöglich gewesen, zumal in dem Leben des Copernicus, dessen Hauptverdienst gerade darin bestund, daß er, mit Vernunft und Geometrie bewaffnet, in dem großen Kampfe, den der Irrtum von aller Macht des sinnlichen Scheins unterstützt, gegen zweitausend Jahre mit der Wahrheit glücklich bestanden hatte, endlich durch einen entscheidenden Schlag den Sieg auf die Seite der letztern lenkte. Also gezeichnet habe ich auch – mit Worten. Mein Bestreben dabei ging überall auf Kürze und Deutlichkeit. So sehr ich aber auch gesucht habe diese relativen Begriffe nach einem mittlern Grade von Fähigkeit und Kenntnissen im Leser für meine Absicht zu bestimmen, so schwer fand ich es mir in diesem Stück Genüge zu tun. Vielleicht ist aber auch hierin völlige Gleichförmigkeit unmöglich. Dieses war ein Grund von jener Verlegenheit, aber nicht der wichtigste. Dieser lag vielmehr in dem Mangel an Datis, den großen Mann so in seiner ganzen Geistes-Individualität darzustellen, wie dieses bei einigen andern Männern möglich gewesen ist, die man bereits im Pantheon der Deutschen aufgestellt hat. Es findet sich in den Nachrichten von ihm nur weniges von den kleinen, oft gering scheinenden, aber stark charakterisierenden Zügen, die die Biographien großer Männer so anziehend für den Leser, so aufmunternd und anspornend für den Verfasser selbst, und am Ende für den Psychologen so wichtig machen. Freilich lebt der große Mann in seinem unsterblichen Werk, aber wie? Schier möchte man sagen: so wie Euklid in seinen Elementen oder Apollonius in seinen Kegelschnitten. Wieviel anders lebt nicht z.B. seines größeren Nachfolgers, Keplers, Geist in den seinigen, (dessen Briefe nicht einmal in Anschlag gebracht) worin so manche einzeln hingeworfene Gedanken und Gesinnungen, so manche gewagte Idee, so mancher fast prophetische Blick über sein Zeitalter hinaus, so manche Anspielung, so mancher große dichterische Zug, so manche Äußerung des sonderbarsten, oft glücklichsten Witzes, die sich in seinen Streitschriften, ja bis in seine Vorreden und Dedikationen hinein finden, dem Psychologen einen der größten und außerordentlichsten Menschen charakterisieren und individualisieren, die die Welt je gesehen hat? Ich kann mich hier unmöglich weiter erklären. Allein wer nur das wenige, was uns zu diesem Zweck von Copernicus bekannt geworden ist, ansieht, wird wünschen den Geist der in diesem Manne gelebt haben muß, näher zu kennen. Der Mangel an hiezu nötigen Nachrichten, der sich größer befand, als ich anfangs dachte, konnte also unmöglich sehr aufmunternd zumal für jemanden sein, der Ursache hatte zu vermuten, man habe ihn deswegen zu dieser Arbeit ausersehen, weil man, (mit Recht oder Unrecht, ist gleich viel) glaubte, er werde keine ganz trocknen Personalien liefern. Es würde Vermessenheit von mir sein zu glauben, daß dieser Mangel wirklich ganz allein objektiven Grund habe, und daß mir gar nichts entgangen sein sollte, was wirklich vorhanden ist. Ich habe vielmehr große Ursache das Gegenteil zu vermuten, da mich oft bei meinen Kompilationen der bloße Zufall auf manches geführt hat, wo ich es gar nicht gesucht hatte. Auch konnte ich einiges nicht habhaft werden, wovon ich wußte, daß es vorhanden war; dahin rechne ich des Bischofs von Culm, des bekannten großen Gönners des Copernicus und Beförderer seines Werks, Tidemanni Gysii Epistolas, auf die sich Simon Starovolscius in seiner Hecatontas scriptorum polonicorum Venetiis, 1627. 4to S.160 bei einem besondern Umstände bezieht. Ferner Georgii Joachimi Rhetici Ephemerides ad annum 1551. Lips. 1550.4to. Die Vorrede dieses Buchs ist eins der wichtigsten Aktenstücke für das Leben des Copernicus. Ich hätte es wenigstens einiger Vergleichungen wegen zu haben gewünscht. Denn was die Hauptdata, die es enthält, betrifft, so hat Gassendi vermutlich das Beste benutzt, denn er bezieht sich sehr oft auf das Buch und hat vieles daraus seinem Leben des Copernicus wörtlich einverleibt.

Endlich das Preußische Archiv, in dessen siebenten Jahrgange eine Abhandlung zu Ehren des Copernicus von Herrn v.  Baczko und zwei, eine von Herrn Konsist. Rat Wald und die andere von Herrn Pfarrer Hein über einige Denkmäler des Copernicus auf dem Schlosse zu Allenstein befindlich sind. Diese Aufsätze sind, wie ich aus öffentlichen Blättern ersehe, bereits im vorigen Jahre in der Königsbergischen deutschen Gesellschaft, deren Schriften jenes Archiv eigentlich ausmachen, vorgelesen worden. Aus jenen Gegenden läßt sich allerdings noch vieles erwarten, was zur Aufklärung der Geschichte dieses außerordentlichen Mannes dienen kann, zumal wenn Männer von Herrn v. Baczkos Tätigkeit und großen Bekanntschaft mit der Preuß. Geschichte sich dafür interessieren.

Daß nachstehender Biographie außer dem gut gearbeiteten Porträt des Copernicus, keine Bildchen beigefügt worden sind, ist ganz auf meine Veranlassung geschehen, und wenn dieses Verfahren Tadel verdient, so fällt er ganz allein auf mich. Die Erlaubnis des Herrn Verlegers, Szenen aus des Copernicus Leben zu Verzierung von dessen Biographie vorzuschlagen, hatte ich, ich habe es aber unterlassen. Es wäre immer etwas in diesen Bildchen gewesen, was sich, nach meiner Empfindung, nicht mit dem anspruchlosen, strengen, ernsthaften und überhaupt großen Charakter des Mannes hätte vereinigen lassen. Er selbst würde es gewiß nicht gebilligt haben. Was hätte ich auch für Szenen vorschlagen sollen? Etwa wie er in seinem 27ten Jahre vor einer großen, gemischten Versammlung in Rom Collegia liest, oder wie er im Schlafrock schlechtes astronomisches Geschütz gegen den Himmel richtet? Was hätte denn alles dieses erläutert, da er jenes mit so manchem gelehrten Scharlatan und dieses mit jedem astronomischen Konstabler gemein hatte?

Dem Text hier und da Anmerkungen beizufügen, schien mir vieler Leser wegen nötig. Einige der größeren habe ich unter der Rubrik von Beilagen hinten angehängt. L.

 

Nicolaus Copernicus eigentlich Köpernik So findet sich der Name in Zerneckens Thornscher Chronika S. 76 geschrieben. »In diesem Jahr (1463) heißt es daselbst, ist Nicolaus Köpernik allhier ein Bürger geworden.« Dieses war der Vater des Astronomen. Mit der Gelehrsamkeit und dem Ruhm des Sohnes wurde der Name lateinischer. Will man aber einmal auch im Deutschen die lateinische Endigung beibehalten, so schreibt man wohl den Namen am besten, wie ihn der große Mann selbst, und unsere vorzüglichsten Schriftsteller häufig geschrieben haben: Copernicus. ward zu Thorn, einer alten preußischen Stadt am rechten Ufer der Weichsel, da wo sie aus Polen in die preußische Grenze tritt, am 19ten Febr. 1473 Über die Verschiedenheit, die sich in den Angaben des Geburtstags sowohl als des Todestags des Copernicus bei den Schriftstellern findet, habe ich mich in der Beilage umständlich erklärt. geboren. Der Ort hat seinen Ursprung, wie die meisten Städte dasiger Gegend, eigentlich dem deutschen Orden zu danken, der bekanntlich im 13ten Jahrhundert nach Preußen zog, um dort Eroberungen für sich selbst und den Himmel zu machen. Diese interessieren uns hier nicht. Ich gedenke daher nur kurz noch einer dritten Eroberung desselben, an die der Orden selbst wohl am wenigsten gedacht haben mag, und dieses ist die, die er für die Herrschaft unserer Sprache und unserer Sitten gemacht hat. Er hat dem ausgebreiteten deutsch redenden und lebenden Lande, Deutschland im buchstäblichen Sinne des Worts, eine seiner schönsten Provinzen zugelegt, Preußen, aus welchem seit jeher Männer hervorgegangen sind, und noch immer hervorgehen, die, so weit die Geschichte der Deutschen reichen wird, eine Zierde derselben sein werden. Unter diesen steht wohl Copernicus obenan. Die Ausbreitung seines Namens und Ruhms wird, solange die Welt steht, immer gleichen Schritt halten mit der von Kultur und Humanität, hingegen Barbarei, Aberglauben und Religion und Vernunft schändender Gewissenszwang herrschen, wo man ihn entweder gar nicht kennt, oder verkennt oder verkennen muß.

Des Copernicus Vater, der ebenfalls Nicolaus hieß, war aus Krakau gebürtig und erhielt im Jahr 1463 das Bürgerrecht zu Thorn. Was dieser Mann sonst noch war und was für ein Geschäft er eigentlich trieb, ist nicht bekannt. Unbedeutend kann er indessen nicht gewesen sein, denn er heiratete zu Thorn die Schwester des nachherigen Bischofs von Ermeland, Lucas Waißelrodt genannt von Alten Ich bin in der Rechtschreibung dieses Namens dem Herrn v. Baczko (Geschichte Preußens B.IV. S.37) gefolgt. Er heißt sonst gewöhnlich Watzelrod auch Wattelrod oder Weisselrod. † 1512., eines Mannes, der, in der Geschichte von Preußen selbst schon bekannt genug, es nachher auch durch die große und zweckmäßige Vorsorge für seinen Neffen, unsern Copernicus, selbst in der Geschichte der Astronomie geworden ist. Von einem Bruder, den Copernicus noch hatte, weiß man bloß, daß er sich einmal in Rom aufgehalten habe Man erfährt dieses aus des Joachim Rheticus Zueignungsschrift an einen gelehrten Nürnberger Georg Hartmann, die jener der von ihm zum Druck beförderten Trigonometrie des Copernicus Wittenberg 1542 4to vorgesetzt hat. Dieser Hartmann hatte zu Rom Umgang mit jenem Copernicus gehabt. Selbst sein Vorname ist unbekannt. Seine Geringfügigkeit muß allerdings groß gewesen sein, da ihn selbst der Glanz seines Bruders nicht einmal recht sichtbar machen konnte, der doch in das ganze System seiner Verwandtschaft so helle hinein leuchtete, daß dadurch sogar ein Barbier, Martin Köpernik, bemerklich wurde. Die Chronik nennt diesen Zernecke. S. 226. und sagt, er sei am 11ten August 1602 reich gestorben.

Von der Schule zu Thorn ging Copernicus nach Krakau, eigentlich um Medizin zu studieren, worin er auch wirklich Doktor wurde. Zugleich aber setzte er das Studium der alten Sprachen, wozu man schon damals in Thorn den Grund legen konnte, ernstlich fort, studierte Philosophie und vorzüglich Mathematik, der er sich bereits in seinen frühesten Jahren mit brennendem Eifer ergeben hatte, und so näherte er sich allmählig seiner eigentlichen Bahn. Er hörte nämlich den dortigen Lehrer der Mathematik Albertus de Brudzevo Eigentlich Brudzewski. Simon Starovolscius in seiner Hecatontas scriptorum polonicorum. Venetiis 1627. 4to S.94 hat von ihm einen eigenen Artikel. Diesem zufolge hat Brudzewski Tabulas pro supputandis motibus corporum coelestium; Introductorium astronomorum Cracoviensium; einen Commentarium in Purbachii Theoricas und wie es wörtlich in dem Buche heißt: Ad Epimeridas Konigsper notas, vermutlich Anmerkungen zu Regiomontans Ephemeriden, geschrieben. über den Gebrauch des Astrolabiums; und was auf einmal sein Genie weckte und ihn auf den Weg wies, der ihn zur Unsterblichkeit führte, er wurde da mit dem Namen und dem Ruhm Purbachs und Regiomontans Georg Purbach auch Peurbach, hat seinen Namen von seinem Geburtsort Peuerbach, einem Städtchen in Oberösterreich. (Geb. 1423; gest. 1461). Regiomontan, eigentlich Johannes Müller, oder Molitor, geboren 1436 zu Königsberg, einem Städtchen im Stifte Würzburg, das aber, wo ich nicht irre, mit dem Amte gleiches Namens, worin es liegt, an Sachsen-Hildburghausen gehört. Von diesem seinem Geburtsort gab er sich den Namen, ja er schrieb sich wohl gar zuweilen Iohannes Germanus de Regio monte (Weidler Hist. Astron. p.304) und Germanus Francus. Er starb zu Rom 1476. Der Name seines Geburtsortes, und sein daher genommener eigner, ließ auf eine berühmtere Stadt schließen, und hat deswegen mehrere Schriftsteller verleitet, ihn für einen Preußen und Landsmann des Copernicus im engern Verstande zu halten. Dieses ist sogar dem sonst in der Preuß. Lit. Geschichte so sehr bewanderten David Braun begegnet, der ihn in s. 1723 in 4to herausgegebnen Werke de Scriptorum Poloniae et Prussiae Historicorum etc. virtutibus et vitiis, einen Preußen nennt. S. Pisanski Entwurf der Preuß. Litterär-Geschichte. Königsberg 1791. 8. S.109. Gassendi hat beider Leben vereint beschrieben (opp. T. v. p.457 Edit. Florent.) bekannt. Es liegt meines Ermessens nicht außer unserm Wege hier kurz anzuzeigen wer die Männer gewesen sind, ohne welche, wie sich Gassendi ausdrückt, vielleicht kein Copernicus geworden wäre. Purbach und sein Schüler, Freund, Gehülfe und Nachfolger im Amt, Regiomontan, waren beide Deutsche, beide Männer vom größten Geist und Astronomen vom ersten Rang. Sie waren nicht bloß die Wiederhersteller der Astronomie in Deutschland, sondern aller wahren Astronomie in Europa überhaupt. Durch sie allein fing sie im 15ten Jahrhundert wieder an aufzuleben. Sie bemerkten die Fehler der ältern Tafeln und suchten sie zu verbessern und hatten zuerst den großen Gedanken, den Himmel als einen Zeitmesser anzusehen und aus dessen Bewegungen die wahre Zeit der Beobachtungen zu bestimmen. Ein Verfahren, das einen der größten Fortschritte ausmacht, den die praktische Astronomie je getan hat; das sich diese Männer zwar erfanden den Mangel an genauen Uhren zu ersetzen, dessen man sich aber noch jetzt bedient, selbst die genauem Uhren, die man hat, dadurch zu prüfen. Alles dieses und noch vielmehr haben sie geleistet, und doch starb der erste, nachdem er noch nicht 36, und der andere als er nur einen Monat über 40 Jahre So hat Gassendi und aus ihm Weidler a.a.O. Melchior Adam hingegen (vitae Germanorum philosophorum, Heidelbergae 1615 8. p. n) redet nur von 34 Jahren. gelebt hatte. – Dieses waren die Männer, die sich Copernicus zum Muster nahm. Vorzüglich war es aber Regiomontans großer und ausgebreiteter Ruhm, der ihn entflammte. Er wollte dem Manne gleichen, der den Himmel genauer beobachtet und gekannt hatte, als alle seine Vorgänger; den Rom Pabst Sixtus IV. um sich seiner Einsichten bei Verbesserung des Kalenders zu bedienen. Er erhielt deswegen große Versprechungen und wurde zum Bischof von Regenspurg kreiert. zu sich rief, um von ihm zu lernen, und der für seine Verdienste im Pantheon begraben liegt. Das Ziel, wie man sieht, war hoch genommen. Denn Copernicus konnte wohl wissen, daß Regiomontan ein so frühzeitige s Genie gewesen war, daß man ihn bereits in seinem 12ten Jahre reif genug fand die Universität Leipzig zu beziehen; daß er schon in seinem 15ten diese Universität verließ und nach Wien zu Purbach ging, um dort seinen bereits erworbenen gründlichen Kenntnissen der sphärischen Astronomie, die sonst so wenig Reiz für das Alter der Kindheit hat, noch die der theorischen hinzuzufügen; daß er bald darauf mit seinem Lehrer zu einem gemeinschaftlichen Zweck so zu arbeiten anfing, daß es jetzt wenigstens zweifelhaft ist, welchem von beiden eigentlich der oben erwähnte Gedanke von der Zeitbestimmung zugehört, dem altern Purbach, der mehr Erfahrung, oder dem Jüngern Regiomontan, der vielleicht mehr Genie hatte Bailly, Hist. de l'astron. moderne I. p.317.; und endlich, daß ihn sein reicher und berühmter Schüler Walther zu Nürnberg in den Stand setzte die Werkzeuge, die er sich erfand, auch auszuführen; Werkzeuge, denen, wie sich Bailly a.a.O. S.314. ausdrückt, oft nichts fehlte, als bequemere Bewegung, genauere Teilung und das Fernrohr, um größtenteils damit ausrichten zu können, was in dem letzten Jahrhundert für Astronomie getan worden ist. Dieses war ein beträchtlicher Vorsprung des Musters vor dem Nacheiferer. Allein Copernicus ging, seinem Vorsatze getreu, mit der eisernen Beharrlichkeit, die ihn auszeichnet, seinem Vorbilde ruhig nach. Er suchte Regiomontans Ruhm und fand ihn, und dieses ohne allen Sporn von zeitlichem Gewinn und selbst ohne den eines Nebenbuhlers.

Hier faßte Copernicus, für dessen wißbegierigen Geist nun sein Vaterland und Polen viel zu enge zu werden anfing, den Entschluß nach Italien zu gehen, wo, nach dem Umsturz des orientalischen Kaisertums, Künste und Wissenschaften aufzublühen angefangen hatten, das sich bereits der Mitte seines goldnen Zeitalters 1450-1550. näherte, und wo fast jede etwas beträchtliche Stadt ein kleines Athen war Roscoes Life of Lorenzo de Medici London 1795 in der Vorrede. Dieser Entschluß hing sehr gut mit seinem Hauptvorsatz zusammen. Denn auch Purbach hatte sich dort gebildet, und selbst Regiomontan, den der Kardinal Bessarion mit sich von Wien dahin zog, hatte noch dort gelernt. Copernicus studierte zu dem Ende vorher die Perspektiv, praktisch, lernte zeichnen und malen, (er hat sich sogar vor dem Spiegel selbst gemalt) um sich den Aufenthalt in einem Lande, wo es so viel zu zeichnen gibt, so nützlich als möglich zu machen. Er war 23 Jahre alt. Sein erster Ausflug war nach Bologna, wo damals Dominicus Maria die Astronomie mit großem Beifall lehrte, und, wie Riccioli von ihm sagt, durch Worte und Beispiel seine Schüler zur Beobachtung des Himmels aufmunterte Almag. nov. Chronica P. II. p. XXXIII. Kepler gedenkt seiner in der Vorrede zu s. Rudolph. Tafeln S.3. Mit diesem Maria erging es dem Copernicus, wie Regiomontan mit Purbach, aus dem Schüler wurde bald der Freund und der Gehülfe. Maria hatte die Grille zu glauben, die Polhöhen hätten sich seit des Ptolemäus Zeiten merklich verändert, und z.B. die zu Cadix habe über einen ganzen Grad zugenommen. Er trug diese Meinung dem Copernicus vor, und es soll den Lehrer, sagt Gassendi, sehr gefreuet haben, daß sie der Schüler nicht mißbilligte. Diese Freude des Lehrers bei einer solchen Veranlassung, macht dem Lehrling auf alle Weise Ehre und jene Nichtmißbilligung keine Schande, selbst wenn sie, wie ich fast vermute, etwas mehr gewesen sein sollte, als ein bloßes Kompliment. Der stille, strenge, ernste Copernicus war nicht von solcher Art. Auch war er kein durchfliegender, berühmter Reisender, von dem man wohl solche fliegende Urteile anmerkt. Die Leute lebten beisammen und hatten sich über die Sache besprochen. Ich denke: vielleicht hatte sein ganz eminenter Sinn für Ordnung und Einfalt der Natur, schon damals den ptolemäischen Wirrwarr lästig gefunden, und er auf Verbesserung gedacht. In einer solchen Lage hört sich jede neue Meinung eines berühmten und erfahrnen Mannes schon allein wegen der Hoffnung gerne an, in ihr vielleicht ein Rettungsmittel zu finden, oder wo nicht, sich wenigstens berechtigt glauben zu können, den ganzen Plunder einmal wegzuwerfen und von neuem anzufangen. An diesem Ort beobachtete er, wie er selbst erzählt, im Jahr 1497 am 9ten März, eine Stunde vor Mitternacht, eine Bedeckung des Aldebaran durch den Mond.

Im Jahr 1500 erscheint er auf einmal in Rom. Er bezeichnet diese Periode selbst durch die Beobachtung einer Mondfinsternis, die er, wie er sagt, am 6ten Nov. dieses Jahres dort mit großem Fleiße angestellt habe Revol. orb. coelest. Lib. IV. Cap. 14. Hier wurde er mit außerordentlichem Beifall aufgenommen, und es währte nicht lange, so hielt man ihn für nicht viel geringer als Regiomontan selbst. Er wurde dort zum Lehrer der Mathematik ernannt, und las mit großem Beifall vor sehr gemischten Versammlungen von Großen und von Künstlern Gassendi aus dem Rheticus, a.a.O. S.442. Vom Arzt Copernicus hört man hier nichts. Es war bloß der Mathematiker und Astronom, den man ehrte und den man suchte. Schade, daß es hier so ganz an Nachrichten fehlt, die einiges Licht auf diese Zeit seines Lebens werfen könnten. Die Äußerungen seines Genies gegen die, mit denen er lebte, und die ihn beurteilen konnten, müssen groß, und überhaupt seine Talente schon damals sehr hervorstechend gewesen sein. Überall, wo er hinging, zog sein Ruf vor ihm her, wovon wir die Folgen sehen, aber nicht immer den Grund, wenigstens nicht bestimmt. Indessen löst sein nachheriges Leben dieses Rätsel zum Teil und läßt hier und da durch den Nebel blicken, der über dieser seiner Jugendgeschichte hängt. Er war sich immer gleich. Vielleicht aber besaß nie ein Mann von solchem Geiste weniger Eitelkeit als er, Er, dessen Ruhm auch die größte befriedigen könnte. Was der immer tätige Mann für die Wissenschaften tat, erfuhren gewöhnlich nur seine Freunde. Von diesen hing also sein Ruf gewissermaßen ab. Sie sprachen von ihm mit Freunden und schrieben von ihm an Freunde. Aber mit der Nachwelt von ihm zu sprechen, dazu hatte wohl mancher nicht einmal die Absicht, oder, wenn er sie hatte nicht immer die Fähigkeit. So verhielt es sich also wahrscheinlich mit ihm schon in Italien, am Anfang seiner Laufbahn, wie es sich, ganz ausgemacht, mit ihm am Ende derselben zu Frauenburg noch verhielt. Selbst von seinen unsterblichen Bemühungen über die Ordnung des Planeten-Systems hörte man zuerst von einem seiner Freunde. Hiervon weiter unten. Das Werk selbst, die mühsame Frucht eines stillen, fast sechsunddreißigjährigen Brütens, wurde ihm gleichsam abgenötigt, und die Welt die er damit erleuchtet hat, erhielt es von ihm, durch einen traurigen Tausch, erst in dem Jahre, da sie ihn selbst verlor. Von Rom kehrte er endlich in sein Vaterland zurück, wo ihm sein Oheim Lucas, der nach dem Tode Nicolaus von Tungen, Bischof von Ermeland geworden war, ein Kanonikat am Dom zu Frauenburg Eine kleine Stadt, beim Ausfluß der Weichsel, am sogenannten Frischhaff. Der dasige Dom ist eines der schönsten Gebäude dieser Art in Preußen. Er liegt auf einer Anhöhe und ragt mit den Wohnungen seiner Domherren über das Städtchen majestätisch hervor. Wenn ein Prospekt von beiden, der sich beim Hartknoch (Alt- und Neues Preußen 1684 fol. S.412) befindet, richtig ist, so möchten einem fast dabei die berühmten Verse einfallen: Par domus est urbi, nur nicht urbs orbi, man müßte denn den ausgebreiteten Ruf ihres Namens darunter verstehen. Es befindet sich daselbst noch eine von Copernicus angelegte Wasserkunst, wodurch er das Wasser der Passarge oder Passerg auf den Berg hob, um die Wohnungen der Domherren damit zu versehen. Zu Hartknochs Zeiten war sie noch im Gange. Herr v. Baczko aber (Gesch. Preußens B. IV. S.128) sagt, sie stehe jetzt nur noch zum Teil, könnte aber wahrscheinlich mit geringen Kosten wieder hergestellt werden. erteilte. Diese Beförderung ist unendlich wichtiger für die Welt geworden, als wohl der Bischof dabei dachte und denken konnte. Hier erlangte Copernicus nämlich, zwar nicht ohne einigen Kampf und erlittene Kränkungen, endlich Ruhe und Muße sein großes Werk anzufangen und zu vollenden. Er verließ auch Frauenburg nie wieder, kleine Reisen, größten Teils in Geschäften des Bistums oder seines Kapituls, ausgenommen, und wahrscheinlich ruhen seine Gebeine auch da noch jetzt.

Sobald den mannichfaltigen Verdrießlichkeiten, die er anfangs wegen seiner Beförderung zu erdulden hatte, durch das Ansehen seines Oheims abgeholfen war, und er in den ruhigen Besitz seiner Stelle kam, setzte er sich zur Richtschnur drei Lebens-Regeln vor, die er sich strenge zu beobachten vornahm, und auch, wie es sich schon aus des Mannes ganzen Charakter hätte berechnen lassen, strenge beobachtete. Erstens vor allen Dingen seine gottesdienstlichen Geschäfte abzuwarten; zweitens keinem Armen der von ihm als Arzt Hülfe verlangte seinen Beistand zu versagen Öffentlich hat er nie praktiziert. Dieses vertrug sich nicht mit seiner Lage und der ersten Lebens-Regel. Allein den Armen, die ihn daher fast anbeteten, (ut numen venerarentur, sagt Gassendi) teilte er Arzneien, die er auch selbst verfertigte, willig mit. und drittens alle übrige Zeit dem Studieren zu widmen. So lebte er für sich im Stillen und mischte sich weder in die Geschäfte des Bistums noch seines Kapitels, wenigstens nie unbefragt; befragt hingegen, zwar ungerne, aber immer mit Tätigkeit, Ernst und Kraft, sobald er sich einließ. Bei solchen Beratschlagungen offenbarte sich sehr bald des Mannes heller Kopf und großer Scharfblick in Geschäften dem ganzen Kapitel. Seine Meinung war immer die, die man am Ende befolgen zu müssen glaubte. So kam es endlich, daß man auf einmal den stillen Domherrn, den Arzt der Armen, den Nacheiferer Regiomontans und spekulativen Kopf, an einer Stelle auf dem Schauplatz der Welt erblickt, wo man ihn nicht gesucht hätte. Er wurde nämlich im Jahr 1521 von dem Kapitel, und zwar einstimmig, gewählt, um als Abgesandter desselben auf den Landtag nach Graudenz zu gehen, wo damals die wichtigsten Geschäfte abgetan werden sollten. Ein Haupt-Artikel war die Verbesserung des Münzwesens. Während des verheerenden dreizehnjährigen Krieges mit dem deutschen Orden waren nämlich die Münzen so sehr gesunken, daß oft die Mark fein zu zehn Mark Geld ausgemünzt wurde. Die Reduktionen nach dem Frieden waren daher außerordentlich und der Preis der Lebensmittel stieg ungeheuer Wem es um gründliche Kenntnis dieser traurigen Geschichte zu tun ist, findet sie in Schütz Hist. Lib. X. beim Hartknoch a.a.O. S.531 u.  ff. und in David Brauns ausführlichen Bericht vom Polnischen und Preuß. Münzwesen. Elbing 1722. 4 Kap.III.. Verbesserungen, die man hier und da anbrachte, halfen nicht viel oder dauerten nicht lange, und weil nicht alles gleichförmig geschah, so wurde dadurch die Verwirrung und das Mißtrauen bei Handel und Wandel eher vermehrt als vermindert. Dieses erforderte nun freilich Hülfe, und den Mathematiker Copernicus dazu gewählt zu haben macht dem Frauenburgischen Kapitel Ehre. Denn vor das Forum der Mathematik gehören eigentlich diese, oft nicht leichte, Untersuchungen und Vergleichungen: Man weiß, daß Newton selbst bei einem ähnlichen Geschäfte ist gebraucht worden. Merkwürdig genug. So trafen sich also hier Copernicus und Newton, die sich so glücklich und zur Ehre der Menschheit bei dem großen Weltsystem getroffen haben, einander, wie von ungefähr, bei dem kleinern, – der Münze.

Copernicus übergab dem Landtage eine Schrift, worin er, nach einigen historischen Untersuchungen, den Wert der verschiedenen Münzen zu bestimmen suchte, und einen Kanon angab, worin alle auf eine einzige Norm reduziert wurden. Allein dieses echt Copernicanische Münzsystem erhielt am Ende keinen sonderlichen Beifall. Man warf ihm vor, er habe die eigentliche Zeit, worin die Münzen geschlagen worden, nicht immer genau genug angegeben und noch viel weniger immer den Gehalt. So sagt Braun a.a.O. S.50, 51. Vielleicht aber lag der Grund der Verwerfung oder der Zurücklegung seines Plans darin, daß er, wie eben dieser Schriftsteller sehr treuherzig hinzusetzt, die drei großen Städte Elbing, Danzig und Thorn zur Ungebühr angezapft, und sogar vorgeschlagen habe, daß sie ihre Münzen an einem dritten Ort, gemeinschaftlich und auf des Landes Kosten unter öffentlicher Aufsicht sollten schlagen lassen. Der Gedanke ist, wie mich dünkt, jedem Ordnungsgefühl behaglich, copernicanisch und schön, aber wahrscheinlich unausführbar, weil das Münzwesen bei Staaten, so wie das Geld selbst bei Individuen, leider! mit zu den Herzensangelegenheiten gehört. Man hörte die Vorschläge an, stritt lang dafür und darwider und legte sie endlich zum Gebrauch für die Nachwelt bei. Es ging also hier dem großen Ordnungs- Finder mit seinem Münzsystem fast wie nacher mit seinem Weltsystem. Vielleicht gab ihm gar diese Geschichte Anlaß, seinen drei Lebens-Regeln noch ein paar Klugheits-Regeln hinzuzufügen, deren Befolgung man die große Zurückhaltung mit zuzuschreiben hat, mit der er nachher bei der Bekanntmachung seines Weltsystems verfuhr.

Durch eben dieses unbeschränkte Vertrauen, das man in ihn setzte, wurde er oft von den abwesenden Bischöfen zu ihrem Verweser ernannt, so wie er nicht selten der Ratgeber selbst der anwesenden gewesen war. Ja nach dem Tode des Bischofs Fabianus de Lusianis So heißt er beim Gassendi. Hartknoch S.459 schreibt ihn: Fabianus von Merklichen Rade aus dem Geschlecht der Losiener. Starb 1523., der seinem Oheim im Bistum folgte, wurde er sogar, sede vacante, von dem Kapitel zum General-Vicarius und Administrator der bischöflichen Besitztümer ernannt. Hier zeichnete er sich durch eine Tat aus, die nicht mit Stillschweigen übergangen werden darf. Der deutsche Orden sowohl als verschiedene Personen am Hofe, hatten sich einiger Güter angemaßt, die eigentlich zum Bistum Ermeland gehörten und den Besitz derselben lange behauptet. Diese reklamierte nun, nicht der Bischof Copernicus, sondern der bloße Administrator, mit dem Mute, den ihm die Überzeugung von der Gerechtigkeit der Sache einflößte, und mit der nicht zu beugenden Beharrlichkeit, die ihm schon eigen war. Er wurde bedroht, und auf mancherlei Weise verfolgt. Allein er ging immer seinen Gang ruhig, gerade und unerschütterlich fort; würkte endlich ein Mandat des Königs aus und die Güter mußten zurückgegeben werden.

Von diesem ersten Teil seines Lebens, so ehrenvoll er auch ist, würden wir wahrscheinlich wenig wissen, wenn nicht endlich eben dieser Anordnungsgeist, eben dieser gerade und starke Menschen- Sinn des Mannes seine Kraft bei einem der erhabensten Gegenstände der Natur mit so großem Glück geübt, und so die Dauer seines Rufs gleichsam an die Dauer der Welt selbst angeknüpft hätte. Eine kurze Darstellung dieser seiner unsterblichen Bemühungen wird zugleich den zweiten und Hauptteil seines Lebens ausmachen.

Unter den mannigfaltigen Vorstellungen, die sich die Menschen von der Einrichtung unsers Planeten-Systems seit 2000 Jahren gemacht haben, hatte endlich eine das Übergewicht behalten, die das feinste, künstlichste und dabei sonderbarste Gewebe von Scharfsinn, Spitzfündigkeit und Verblendung ausmacht, auf welches der menschliche Geist wohl je geraten ist. Die Wahrheit regte sich zwar zuweilen darwider, aber ihre Stimme war zu schwach. Sie wurde entweder gar nicht gehört oder von einer Mehrheit überstimmt, die kaum von Einstimmigkeit unterschieden war. So bemächtigte sich nach und nach ein systematischer Irrtum des erhabensten Teils der ganzen Naturlehre, befestigte sich in seinem Besitz durch das Ansehen des Altertums, und erhielt endlich durch religiöse Mißverständnisse unterstützt, sogar eine Art von Heiligung.

Indessen so leise sich auch jene Stimme des gegründeten Zweifels oder Widerspruchs hören ließ, so wurde sie doch endlich von einem Manne vernommen, dessen Organ ganz harmonisch dafür gestimmt war. Die geräuschlosen Ansprüche, lange verkannter und unterdrückter Wahrheit, begegneten bei ihm, festem Ordnungsgefühl und unverdorbenem Menschensinn. Durch diesen Zusammenklang wurde ihre Stimme lauter und lauter, sie wurde weiter gehört und endlich erhört; der kolossalische Götze, der ihren Tempel usurpierte, wurde gestürzt und Sie selbst in ihre Rechte auf ewig eingesetzt. – Dieser Mann war Copernicus.

Der Kampf, den er zu bestehen hatte, war keine Kleinigkeit. Die Lehrmeinung, deren Umsturz es galt, war von einigen der größten Menschen aller Zeiten angenommen worden. Pythagoras, Aristoteles, Platon, Hipparch, Archimedes, ja bei weitem die meisten und berühmtesten der Alten und unzählige Neuere, vom ersten Rang in der Geschichte der Astronomie, selbst Purbach und Regiomontan Vielleicht verdiente dieser eine Ausnahme. Wenn er aber auch, wie man sagt, gezweifelt haben sollte; so waren wenigstens seine Zweifel von keinen Folgen für die Wissenschaft. waren in der Hauptsache dafür. Man nannte diese Lehre das Ptolemäische System. Diesen Namen führt es von einem alexandrinischen Astronomen des 2ten Jahrhunderts, Ptolemäus, der es in seinem berühmten Almagest, dem einzigen ausführlichen Werk, das wir über Astronomie aus dem Altertum besitzen, vorgetragen, mit großem Scharfsinne erläutert, und durch eine Menge schätzbarer Beobachtungen unterstützt hat. Aber nicht bloß seinen Namen, sondern auch einen großen Teil seines nachherigen Ansehens hat dieses System, den vielen reellen Kenntnissen zu verdanken, die dieser Mann mit seinem Traumbilde zu verweben gewußt hat. Als geometrisches Werk wird sein Buch immer verehrungswert bleiben; als physisches betrachtet, ist es freilich nicht für unsere Welt. Allein, da der Schritt, den Ptolemäus tat, wahrscheinlich auch getan werden mußte: so wird sein System, solange die Welt steht, immer ein Hauptfach in der Sammlung ehrwürdiger Cabinets-Stücke einnehmen, womit die Entwickelungs-Geschichte menschlicher Vorstellungen von diesem erhabnen Naturwerk belegt werden muß. – –

Eine vollständige Darstellung dieses weitläuftigen und verwickelten Lehrgebäudes würden diese Blätter nicht fassen, und niemand wird sie auch leicht darin suchen. Allein ein kurzer Entwurf wenigstens von den Partieen desselben, auf welche Copernicus seinen Angriff hauptsächlich richtete, und deren Eroberung endlich den großen Einsturz des Ganzen nach sich zog, gehört unstreitig hieher. Nach dieser Lehre ruhte die große, träge und unbehülfliche Erde vollkommen, sie war die Grundfeste alles Unbeweglichen und das Postament der Natur. Um diese als Mittelpunkt, liefen Sonne, Mond und Sterne täglich einmal von Osten nach Westen herum. Doch hatten die Planeten, und dahin rechneten sie den Mond, den Merkur, die Venus, die Sonne, den Mars, Jupiter und Saturn, noch ihre eignen Bewegungen in einer der ersten entgegengesetzten Richtung, wodurch sie in gewissen bestimmten Zeiten um den ganzen Himmel herum kamen. In diesen Umlaufs-Zeiten glaubte man zugleich eine Regel gefunden zu haben, die Verhältnisse der Entfernungen der Planeten von der Erde ungefähr darnach zu bestimmen. Man hielt den langsamsten für den entferntesten und den schnellsten für den nächsten. So kamen der Mond und Saturn auf die Grenzen zu stehen, und die Sonne, Mars und Jupiter wurden nach dieser Regel leicht zwischen jene geordnet. Aber wo sollten nun Merkur und Venus hin? Sie waren weder langsamer noch schneller als die Sonne. Der Regel nach gehörten sie in die Sonne selbst. Dieses war ein schwerer Fall. Denn sollten sie nicht mit der Sonne in gleichen Entfernungen gehen, so war kein anderes Mittel übrig, als man mußte heraus würfeln, wo sie hin gehören sollten, beide darüber oder beide darunter, oder einer darunter und der andere darüber. Dieses geschah auch, und da die Würfel dem einen nicht so fielen, wie dem andern; so finden sich auch unter den Alten hierin Verschiedenheiten. Nach dem Ptolemäus kamen beide unter die Sonne und der Erde näher zu liegen, als diese, und zwar Merkur zunächst an den Mond. Er suchte indessen dieser Willkür den Schein von Überlegung zu geben und gab zum Bestimmungs-Grund seiner Wahl die Schicklichkeit an, ebenso viele Planeten über die Sonne als unter dieselbe zu setzen. Diese zweite Ordnungsregel hätte sich allenfalls so ausdrücken lassen: Die Königin des Tages und der Jahrszeiten, der schönste und wahrscheinlich der größte Planet, verdient in der Mitte zu stehen. Fürwahr das weiseste und schlauste Orakel, über die wahre Einrichtung des Weltgebäudes damals befragt, hätte nicht leicht mystischer und mehr im Charakter, nicht leicht tröstlicher für den Ptolemäus und vorteilhafter für eigne Ehre antworten können, als mit dieser Regel. In dieser Schwierigkeit regte sich zum ersten Male das punctum saliens der ewigen aber verkannten Wahrheit. Bei genauerer Untersuchung fanden sich neue und größere Schwierigkeiten. Während Sonne und Mond ihren Weg von Westen nach Osten (vorwärts) mit ziemlicher Gleichförmigkeit fortsetzten, machten alle übrigen die seltsamsten Bewegungen von der Welt. Wie wollte man dieses erklären? Daß es sich mit diesen Bewegungen würklich so verhielte, wie es aussah, haben diese Alten nicht geglaubt. Die Vollkommenheit der Natur heischte, nach ihnen, überall vollkommene Kreisbewegung und Gleichförmigkeit in diesen Bewegungen. Der Kreis war ihnen die vollkommenste Linie, ja das Sinnbild der Vollkommenheit selbst, er war ihnen bei diesen Hypothesen unverletzlich, er war ihnen wie heilig. So wie der Kreis, war es auch die Gleichförmigkeit der Bewegung in ihm. Diese Idee ist sehr alt und findet sich bis an die Grenze der Geschichte der Astronomie hinaus. Der vortreffliche Bailly, der dergleichen Spuren früh verbreitete, Vorstellungen überall wie Versteinerungen aufsucht, um daraus die Existenz eines untergegangnen Volks zu beweisen, greift auch diese Idee zu seiner Absicht auf. Aber, was mich dünkt, mit minderem Glück als sonst. Ihr Grund liegt offenbar in der menschlichen Natur selbst und diese ist allerdings sehr alt. Wie natürlich diese Idee sein muß, sieht man auch daraus, daß unser großer Copernicus, der ganz Natur war, sich nicht von ihr losmachen konnte und darüber – strauchelte. Diesen Satz als Grundsatz angenommen, war nun das große Problem, das Ptolemäus Der Name des Ptolemäus steht hier in dem Sinne, in welchem Ptolemäisch vor dem Wort System steht. Es geht nicht auf ihn allein, sondern zugleich auf alle die Alten, deren Gedanken er wirklich benutzt hat, oder benutzt haben mag. Denn zu seiner Zeit existierten noch manche Werke, die wir jetzt bloß dem Namen nach kennen.aufzulösen hatte, dieses: die Bewegungen der Planeten, so wie sie uns am Himmel erscheinen, sind gegeben, ferner ruhe die Erde in der Mitte des Raums, worin sie vorgehen: Es wird ein System von Kreisen gesucht, in welchen sich diese Weltkörper stet und gleichförmig bewegen, und worin dennoch diese Bewegungen von der Erde aus angesehen, gerade so erscheinen, wie wir sie in der Natur bemerken. Diese Aufgabe aufzulösen, waren vorzüglich zwei sehr auffallende Abweichungen von jener Regelmäßigkeit zu erklären, die, sosehr sie auch in den meisten Fällen mit einander verwickelt sind, die Alten doch sehr bald und geschickt zu trennen wußten, weil sich eine derselben bei der Sonne allein und unvermischt mit der andern fand. Diese, welche sie die erste Ungleichheit nannten, stellte sich jedesmal und auf dieselbe Weise ein, wenn der Planet Der Kürze wegen wird hier bloß auf die sogenannten obern Planeten, Mars, Jupiter und Saturn Rücksicht genommen. in dieselbe Gegend des Tierkreises kam, in welcher man sie zuerst bemerkt hatte. Diese hing also von der Umlaufszeit ab. Dieselben Ungleichheiten kamen daher beim Saturn alle 30, beim Jupiter alle 10, und beim Mars alle 2 Jahre wieder. Auch die Sonne war ihr unterworfen, bei welcher sie alle Jahr wiederkam. Die andere oder zweite Ungleichheit, wie sie hieß, richtete sich nicht nach den Punkten des Tierkreises, sondern bloß nach der Sonne, diese mochte übrigens stehen, wo sie wollte. Zu der Zeit nämlich, wenn der Planet mit Untergang der Sonne aufging, schien er immer größer und heller als sonst und ging schnell von Osten nach Westen, ( rückwärts). Befand er sich hingegen bei der Sonne, so war alles umgekehrt, der Planet schien kleiner und bewegte sich nun schneller vorwärts. In den Zwischenzeiten stund er eine Zeitlang stille. Wie erklärte man dieses jenen Grundsätzen gemäß? Die erste Ungleichheit z.B. bei der Sonne zu erklären, wo sie sich, unvermischt mit der zweiten zeigte, hatte man zwei Hypothesen, wovon ich hier nur der einfachsten gedenken will. Man ließ die Sonne in einem Kreise gleichförmig fortgehen, setzte aber die Erde nicht in den Mittelpunkt dieses Kreises, daher er auch der exzentrische Kreis, der Exzenter, hieß. Dieses tat den Erscheinungen nach dem geringen Grade von Präzision, womit man diese Erscheinungen selbst bestimmen konnte, beiläufig Genüge. Die zweite Ungleichheit und ihre Verbindung mit der ersten zu erklären, erforderte einen zusammengesetzteren Apparat. Es war bei den obern Planeten folgender:

Ein Kreis, dessen Mittelpunkt nicht mit dem Mittelpunkte der Erde zusammen traf, also auch ein Exzenter, wie vorher bei der Sonne. Auf diesem bewegte sich aber der Planet selbst nicht, sondern bloß der Mittelpunkt eines andern kleinern Kreises, in welchem sich der Planet gleichförmig bewegte. Diesen letzten hieß man den Epizykel, und weil der Exzenter diesem gleichsam zum Leiter diente, ihn fortführte, so hieß eben dieser Exzenter auch der forttragende, fortleitende Kreis, der Leiter (circulus deferens). In diesem Leiter kam also der Mittelpunkt des Epizykels, und folglich der Epizykel einmal in der ganzen Umlaufszeit des Planeten herum. Hingegen durchlief der Planet, als Trabant einer unsichtbaren Majestät,(eigentlich eines ganz imaginären Punkts) seinen Epizykel einmal in der Zeit zwischen zwei seiner mittlern Konjunktionen mit der Sonne. Also Saturn etwa in 1 Jahr und 13 Tagen; Jupiter in einem Jahr und 34 Tagen; Mars in 2 Jahren 49 Tagen. Man versteht leicht, daß durch den exzentrischen Leiter die erste, und durch den Epizykel die zweite Ungleichheit hauptsächlich erklärt werden sollte. Denn, da der Planet nur einmal während seiner Umlaufszeit um die Erde in seine Erdferne, und einmal in seine Erdnähe kam, und diese Punkte, wie hier angenommen wird, in einer gewissen Gegend des Tierkreises fest lagen: so konnten auch die Ungleichheiten, die von dieser veränderten Distanz des Planeten von der Erde nach optischen Gründen abhängen, nun immer an jene Stellen des Tierkreises wiederkehren. Was hier bloß von der Erdferne und Erdnähe gesagt ist, gilt auch verhältnismäßig von allen übrigen Punkten des Exzenters. Weil aber der Planet auch im Epizykel lief, so mußte er einem Auge auf der Erde bald vorwärts, bald rückwärts zu gehen, bald stille zu stehen scheinen. Es kommt nur darauf an, daß man dem Planeten in seinem Epizykel eine solche Richtung und Geschwindigkeit gibt, daß sich das erste allemal ereignet, wenn er mit der Sonne in Konjunktion, das zweite, wenn er mit ihr in Opposition ist, so erfolgt das dritte von selbst. Aber alles dieses reichte noch nicht hin alle die Erscheinungen mit der Präzision zu erklären, mit der man sie schon damals beobachten konnte. Es mußte noch angenommen werden, daß der Mittelpunkt des Epizykels nicht gleichförmig auf seinem Fortleiter hinlief. Dieses mußte dem Manne schwer eingehen, dem gleichförmige Bewegung im Kreise heilig war. Hier regte sich das punctum saliens zum zweitenmal. Um also diese Gleichförmigkeit dennoch zu retten geriet man auf eine Idee, die das auffallendste Beispiel, das sich denken läßt, von Selbsttäuschung ist, zu welcher hartnäckige Anhänglichkeit an eine Hypothese, selbst einen Mann von Kenntnissen und Genie verleiten kann. Er nahm nämlich noch einen dritten Kreis, den Abgleicher, an (circulus aequans), aus dessen Mittelpunkt angesehen, die reelle Ungleichförmigkeit in der Bewegung des Mittelpunkts des Epizykels wenigstens gleichförmig schien.

Mit dem Merkur und der Venus ging es nicht besser. Es fand sich sogar hier einiges, was neue Anstalten erforderte, um es in jenes Kreis-System zu zwingen. Ja mit dem Monde selbst, dessen eigentlicher Umlauf um die Erde und Ort im System, in keiner Hypothese verkannt worden war, sah es hier, wegen anderer bemerkten Ungleichheiten, womöglich noch ärger aus. Er lief nämlich auf seinem Exzenter in einem Epizykel so, daß, wenn es sich wirklich so verhalten hätte, sein Durchmesser zuweilen noch einmal so groß hätte erscheinen müssen, als zu andern Zeiten. Je genauer man die Phänomene selbst kennen lernte, desto mehr häuften sich die Schwierigkeiten und Beobachtungen, von denen man Bestätigung hätte erwarten sollen, nötigten zu neuen Ausflüchten und neuen Epizykeln. Bleibt man aber auch nur bei der ersten einfachsten Form stehen und bedenkt alle die Kreise, die jeder Planet durchlaufen müßte, bloß um die Sonne mit der zweiten Ungleichheit zu salutieren, da sie doch nichts weiter ist als ein Planet wie er; bedenkt man, daß weder der Saturn den Jupiter, noch Jupiter den Mars auf ähnliche Weise salutiert; auch Merkur die Venus nicht und diese die Sonne nicht ganz so wie jene, und der Mond die Sonne weder wie jene noch wie diese, und nimmt sich die Mühe bloß die Linie in Gedanken zu verfolgen, die zum Beispiel Mars in einem Jahrhundert durchlaufen müßte, wenn die Sonne selbst jährlich einmal um die Erde liefe Kepler (Commentar: de motibus stellae Martis p.  4) hat diese Linie darzustellen gesucht, und vergleicht sie in seiner Laune mit einer Art von Fasten-Brezeln, spirales nennt er sie, non fili glomerati modo, spiris juxta invicem ordinatis; sed verius figura panis quadragesimalis. so ist es kaum möglich sich nicht wenigstens einmal die Frage zu tun: sollte dieses alles wirklich so sein? – Und doch ist dieses nur erst die Bewegung des Planeten an sich, die ihm eigne. Nun bedenke man die gemeinschaftliche, und daß der Planet, bei allen diesen Schraubengängen, die er zu machen hat, nicht vergessen muß, täglich einmal mit allen Fixsternen um die Erde zu laufen. Wahrlich hier ermüden die Flügel der kühnsten Phantasie und der tätigste Geist erschlafft, und findet nicht wo er fußen kann. Fragte man nach der Ursache der Bewegung dieser Körper, worunter wenigstens einige nicht klein sein konnten, so wurden die Schwierigkeiten noch von einer andern Seite fast unüberwindlich. Der Trost, nach dem man in der Verzweiflung griff, es könne am Himmel wohl anders sein als hier, war wenigstens ein sehr leidiger Trost. Man gesellte den Planeten Intelligenzen zu, die sie durch die Himmel steuern mußten, und fürwahr es war schon allein eine Intelligenz nötig bloß den imaginären Mittelpunkt des Epizykels nicht aus dem Auge zu verlieren, der z.B. beim Saturn, Mars und Jupiter über 20 Millionen Meilen (wie man jetzt weiß) von dem Planeten hätte entfernt liegen müssen. Man schloß die Planeten in solide Sphären ein, die wie Zwiebel-Schichten in einander steckten, und gab jeder derselben einen immateriellen Führer bei; die Zahl dieser Sphären belief sich endlich auf fünfundfunfzig. Kepler Comment. in mot. stellae Martis P. 1. Cap. 2. Ein solches Hülfsmittel war nötig, sobald man das Problem nicht bloß für ein geometrisch-optisches wie Ptolemäus, sondern zugleich für ein mechanisches nahm, wie Eudoxus, Calippus, Aristoteles, welches es auch wirklich zugleich ist. Daher auch der erleuchtete Purbach jene Lehre von soliden Kugeln wieder unterstützte. Wer mit dem Gang des menschlichen Geistes bei Erfindungen bekannt ist, die ihm gerade die meiste Ehre machen, denen nämlich wobei kein glücklicher Zufall den Weg abkürzte, wird diese Lehre gewiß nicht verächtlich finden. Kräfte des Zusammenhangs waren nötig, und diese suchte man in der Solidität, wovon man überall Beispiele vor sich sah. Nachher führte eine nähere Kenntnis der Körper vorzüglich des Magnets, auf Kräfte, von denen selbst jene Solidität abhängt. Diese nun statt jener im Weltsystem substituiert führten endlich zur Wahrheit. Dieses wurde endlich zu viel für freie, unbefangene Vernunft. Es konnte nicht so sein. Ordnung der Natur und ordnender Verstand, wenn sie sich im Freien begegnen, kündigen sich einander nicht so an. Dieses wurde auch zuweilen stark gefühlt, auch gesagt, obgleich dieses verworrene System noch außer dem Schutz aristotelischer Infallibilität, sich, von Priester-Despotie unterstützt, für einige seiner Hauptsätze auch den Titul von Göttlichkeit, sehr früh zu erschleichen gewußt hatte. S. die 2te Beilage. Am stärksten fühlte hier, und am deutlichsten sprach hier Copernicus. Was bei andern nur die kurzen vorübergehenden Regungen des gekränkten Menschensinns waren, sammelte sich bei ihm zu strengem, befestigtem Zusammenhang, zur Demonstration und zum unerschütterlichen System.

Er selbst erzählt die Veranlassung zu seinen neuen Untersuchungen in der Zuschrift an Pabst Paul III, die er seinem Werke de revolutionibus orbium coelestium vorgesetzt hat, und die als ein Meisterstück von Vortrag angesehen werden kann. Der Menschenkenner wird fast in jeder Zeile mit Verwunderung bemerken, mit welcher Feinheit der Mann die innigste Überzeugung von der Wahrheit und Gerechtigkeit seiner Sache, ohne zu heucheln oder zu kriechen, in die Sprache männlicher Bedachtsamkeit zu kleiden, und als Geistlicher mit dem Oberhaupte seiner Kirche sogar ein wenig philosophisch von dem Weltgebäude zu sprechen gewußt hat, welches damals bekanntlich allgemein für ein Filial nicht der Philosophie sondern Sr. Heiligkeit angesehen wurde.

»Was mich, sind ungefähr seine Worte, auf den Gedanken brachte die Bewegungen der himmlischen Körper anders als gewöhnlich zu erklären, war, daß ich fand, daß man bei seinen Erklärungen nicht einmal durchaus eins mit sich selbst war. Der eine erklärte so, der andere anders und keiner tat den Phänomenen ganz Genüge. Wenn es an einem Ende gut damit ging; so fehlte es dafür am andern. Ja man blieb nicht einmal den Grundsätzen, die man doch angenommen hatte, getreu. Daher war es auch nicht möglich dem Ganzen eine gewisse stete, symmetrische Form zu geben. Es glich vielmehr einem Gemälde von einem Menschen, wozu man Kopf und Füße von diesem, die Arme und übrige Glieder aber von jenem genommen hatte, wovon aber keines zum andern paßte, also eher einem Monstrum als einer regelmäßigen Figur. Verfolgt man den Gang der dabei gebrauchten Schlüsse; so findet sich, daß bald etwas fehlt, bald etwas da ist, was nicht dahin gehört. Wären aber auch alle Voraussetzungen richtig; so müßte doch die Erfahrung auch alles bestätigen, was man daraus folgern kann; das ist aber der Fall nicht. Da ich nun, fährt er fort, lange bei mir über die Ungewißheit dieser Lehren nachgedacht hatte; so ward es kränkend für mich zu sehen, daß der Mensch, der doch so vieles so glücklich erforscht hat, noch so wenig sichere Begriffe von der großen Weltmaschine habe, die der größte und weiseste Werkmeister, der Schöpfer der Ordnung selbst, für ihn dahin gestellt hat. Ich fing zu dem Ende an soviel Schriften der Alten zu lesen, als mir aufzutreiben möglich war, um zu sehen ob nicht irgend einer unter ihnen, anders über die Sache gedacht habe, als die Weltweisen, die jene Lehren öffentlich in den Schulen gelehrt hatten.«

So bescheiden leitet der Mann den Vortrag von seinen großen Verbesserungen ein. Er verwirft die Ptolemäische Lehre nicht schlechtweg, er sagt bloß, sie habe ihre Mängel wie die übrigen, die auch alt wären; keine tue den Phänomenen ganz Genüge und jede stoße sogar wider ihre eignen Grundsätze an. Keine habe also ein ausschließliches Recht vor der andern. Übereinstimmung mit den Phänomenen könne allein über den Wert dieser Hypothesen entscheiden, und daran fehle es einer wie der andern; der einen hier, der andern da. Fände sich also unter den alten, minder bekannten Meinungen etwa eine, bei welcher jene Übereinstimmung in einem höhern Grade anzutreffen wäre; so erfordre doch wohl die bloße, simple Gerechtigkeit ihr den Vorzug vor den übrigen zuzugestehen. Denn sie wäre ja alsdann auch alt, und leiste über das noch, was leisten zu wollen gewiß der einzige Zweck aller Erfinder von Hypothesen seit jeher gewesen ist. Eine solche Sprache mußte damals die bloß tolerierte Vernunft reden, wenn sie es ja einmal wagen wollte mit den Usurpatoren ihres Gebietes von ihren Gerechtsamen zu sprechen.

Copernicus las also. Die erste Stelle die ihm auffiel, war wie er selbst dem Pabst erzählt eine beim Cicero, Acad. Quaest. Lib. IV. und nachher eine andere beim Plutarch. De placitis philosoph. Lib. III. cap. 13. Siehe die 2te Beilage. In jener wird mit deutlichen Worten gesagt: Nicetas von Syrakus habe geglaubt, der Himmel, Sonne, Mond und alle Sterne überhaupt stünden stille, und außer der Erde sei nichts beweglich in dem Weltgebäude; diese aber drehe sich mit großer Schnelligkeit um ihre Axe und so ließe es als drehe sich der Himmel, und die Erde stünde stille. In der andern versichert Plutarch eben dieses von dem Pythagoräer Ekphantus, und Heraklides aus Pontus, sagt aber vorher noch, der Pythagoräer Philolaus habe gelehrt: die Erde drehe sich um das Feuer in einem schrägen Kreise, dergleichen die Sonne und der Mond durchliefen. »Dieses gab mir nun, fährt er fort, Veranlassung auch über die Beweglichkeit der Erde nachzudenken. Ob nun gleich eine solche Meinung absurd schien; so dachte ich doch, man würde auch mir eine Freiheit nicht versagen, die man so vielen andern vor mir zugestanden hatte, nämlich beliebige Kreise und Bewegungen anzunehmen, um daraus die Erscheinungen am Himmel zu erklären. Als ich nun anfing die Erde sowohl um ihre Axe, als um die Sonne beweglich zu setzen, und dieses mit meinen lange fortgesetzten Beobachtungen verglich, so fand sich eine solche Übereinstimmung mit den Phänomenen und alles fügte sich nun so gut zusammen, daß kein Teil mehr verrückt werden konnte ohne alle die übrigen und das Ganze dadurch zu verwirren.«

Dieses ist die kurze Geschichte der Veranlassung zu einem Gedanken, mit welchem eigentlich wahre Astronomie ihren Anfang nahm. Nun bedenke man diese Veranlassung und vergleiche den Wink mit der Wirkung, die er auf den Domherrn zu Frauenburg hatte. Es ist der Mühe wert, und hier ist der Ort dazu.

In den Alten finden sich ein paar Stellen, worin im Vorbeigehen gesagt wird, die Erde drehe sich um ihre Axe, und laufe in einem Kreise um das Feuer. Diese Behauptungen zeichnen sich durch nichts vor vielen andern aus, die man bei den Alten antrifft, und deren Unrichtigkeit anerkannt ist. Tausende hatten sie gelesen und nicht geachtet. Es wird dabei nichts bewiesen, und nichts darauf gegründet. Fast das ganze Altertum ist wider sie und darunter einige der größten Genies aller Zeiten und aller Völker. Hingegen wurde die Idee daß die Erde ruhe, mit wenigen Ausnahmen, allgemein. Ohnehin schon, durch mächtige Begünstigung des sinnlichen Scheins, mit der Sprache aller Völker notwendig verwebt, erhielt sie nun überall, durch den Beifall jener Weisen, auch noch wissenschaftliches Ansehen. Es ging immer weiter. Durch die Sprache war sie in die Bibel gekommen, die mit dem sinnlichen Menschen menschlich reden mußte, wie mit Hebräern Hebräisch; sie stieg endlich aus der Bibel in Pfaffen-Köpfe, die dieses natürliche Produkt menschlicher Organisation (gleichviel ob aus Ignoranz oder List) mit der Glorie des Himmels bekleideten, und für den neuen Heiligen, wie für manches andere menschliche Schnitzwerk, Anbetung verlangten. So wurde aus einer bloßen Phrase endlich ein Gottes-Urteil. Jene erste Idee von der Bewegung der Erde ward dadurch wie exkommuniziert; sie in Schutz zu nehmen war nicht bloß mißlich, es konnte halsbrechend werden. Nun bedenke man: diese von den größten Weisen des Altertums verworfene, verächtlich scheinende, verrufene, mißliche und halsbrechende Idee, die selbst einer der größten Denker neuerer Zeit, der Stifter wahrer Naturlehre, Bacon von Verulam, der die Copernicanische Lehre sogar kannte, noch verwerflich fand, Ein merkwürdiges Beispiel, da Baco nicht, wie Tycho, durch religiöse Rücksichten bestimmt wurde. Er sagt (De augm. scient. Lib. IV. c.1.) wo er den Gedanken, man müsse die Wissenschaften nicht vereinzeln, weil alle irgendwo in einander griffen, mit Beispielen belegt: Constat similiter sententiam Copernici de Rotatione Terrae (quae nunc quoque invaluit) quia phaenomenis non repugnat, ab Astronomicis Principiis non posse revinci, a Naturalis tamen Philosophiae Principiis, recte positis, posse. Was würde der große Mann gesagt haben, wenn er hätte hören können, daß es gerade diese naturalis philosophiae principia recte posita waren, wodurch Kepler und sein eigner Landsmann, Newton der Copernicanischen Lehre die Unerschütterlichkeit endlich verschafften, die sie zu seinen Zeiten noch nicht hatte? Der letztere tat dieses so gar in einem Buche, das er Philosophiae naturalis principia mathematica (und das sind doch wohl die eigentlich recte posita) nannte. diese lernt Copernicus aus flüchtigen Beschreibungen kennen; sie erregt seine Aufmerksamkeit, er prüft sie und – nimmt sie in Schutz. Dieses tat ein Domherr des 15ten Jahrhunderts mitten unter Domherren (das will was sagen), nicht unter dem sanften Himmelsstriche Griechenlands oder Italiens, sondern unter den Sarmaten und an der damaligen Grenze der kultivierteren Welt. Er verfolgt diese Idee mit unermüdeter Sorgfalt, nicht ein paar Jahre hindurch sondern durch die Hälfte seines 70jährigen Lebens; vergleicht sie mit dem Himmel, bestätigt sie endlich und wird so der Stifter eines neuen Testaments der Astronomie. Und alles dieses leistete er, welches man nie vergessen muß, fast hundert Jahre vor Erfindung der Ferngläser, mit elenden, hölzernen Werkzeugen, die oft nur mit Dintenstrichen geteilt waren. Wenn dieses kein großer Mann war, wer in der Welt kann Anspruch auf diesen Namen machen? Das tat der Geist der Ordnung, der in ihm wohnte, der selbst vom Himmel stammend sein eigenes Wesen in dessen Werke hinaus trug, und Ordnung um so leichter erkannte, als er selbst durch innre Stärke freier geblieben war. Kepler Praefat. in Tabl. Rudolph, p.4. sagt dieses in wenigen Worten mit großer Stärke. Copernicus, Vir maximo ingenio et, quod in hoc exercitio magni momenti est, animo liber; der Geist des Sektierers und des Pfaffen ruhte nicht auf ihm. Dieser Umriß des Gangs seiner Unternehmung zeigt schon den außerordentlichen Mann. Nun wollen wir die Hauptschritte selbst mit möglichster Kürze verfolgen. Hier erscheint er im höchsten Glänze. Er läßt alle die Alten, die man als seine Vorgänger nannte unendlich weit hinter sich, und steht für sich allein.

Es ist wahrscheinlich, sagt er, daß so wie Sonne und Mond rund sind die ganze Welt rund ist. Es ist die vollkommenste Figur, und unter ihren Grenzen die geräumigste. So wie der Wassertropfen sich selbst überlassen nach dieser Form strebt und in ihr zur Ruhe kömmt, so ist es auch vermutlich dort. So ist auch die Erde mit dem Wasser das sie enthält, rund, dieses beweist er umständlich. Von der runden Figur der Erde kommt er auf ihre Bewegung. Man glaubt, sagt er sie ruhe in der Mitte, und hält es sogar für lächerlich das Gegenteil zu glauben. Wenn man aber die Sache mit Aufmerksamkeit betrachtet, so wird man bald gewahr, daß dieses eben so ganz ausgemacht noch nicht ist. Man bedenke nur worauf sich unser Urteil von Bewegung stützt. Wenn sich das Auge mit der bewegten Sache gleichförmig nach einer Gegend bewegt, so bemerkt es keine Bewegung. Wir sehen den Himmel in einer Bewegung, die alles mit sich fortreißt, ausgenommen die Erde und was sich um dieselbe befindet. Legen wir nun der Erde eine Bewegung in entgegengesetzter Richtung bei; so würde ja alles ebenso erscheinen müssen, wenn der Himmel stille stünde. Da nun der Himmel alles umschließt und in sich faßt, die Erde aber von ihm umfaßt wird; so sieht man doch nicht ein, warum die Bewegung gerade jenem und nicht dieser zukommen soll. Verschiedene Alten haben auch daher längst geglaubt, daß es die Erde sei, die sich drehe. Hier nennt er den Heraklides, Ekphantus und Nicetas. Dieses angenommen entstehen auch noch neue Zweifel über den Ort der Erde. Denn wenn man setzt die Erde stehe nicht im Mittelpunkt der Welt, aber doch nicht so weit davon ab, daß diese Distanz in Rücksicht auf die Distanz der Fixsterne, sondern bloß auf die der Sonne und der übrigen Planeten beträchtlich wäre; so ergäbe sich daraus gewiß keine unschickliche Erklärung für die Bewegung dieser Himmelskörper, wenn man annähme, sie drehten sich um einen andern Mittelpunkt, als die Erde; welches ja auch schon aus der sehr merklichen Veränderlichkeit ihrer Distanzen von der Erde ohnehin notwendig folgt. Daß eben nicht bloß der Halbmesser unserer Erdkugel, sondern auch die Distanz der Erde vom Mittelpunkt der Welt, In diesen legt er nachher die Sonne. In Vergleich mit der Distanz der Fixsterne ein unmerklicher Punkt, ein bloßes Nichts sei, erhellt deutlich daraus, daß der Horizont immer den Tierkreis genau halbiert, die Erde stehe wo sie wolle. Liegt der Anfangspunkt des Krebses im östlichen Horizont, so liegt der des Steinbocks genau im westlichen, und umgekehrt, dieser im östlichen, wenn jener im westlichen liegt. Der Horizont ist also eine Ebene, die immer durch den Mittelpunkt der Welt liegend erscheint, zu welcher Zeit man sie auch durch die Erde legt, die nicht in jenem Mittelpunkt steht. Ich glaube, ich habe nicht nötig meinen Lesern umständlich zu erweisen, daß dieses einer der größten und kühnsten Gedanken ist, den der Mensch je gewagt hat, der sich aber doch auch schon von dem Mann erwarten ließ, der, in den ersten Zeilen seines Buchs, bei der Abrundung der Sonne und selbst des Universums, eines Wassertropfens gedenken kann. Freilich kannte er die Distanz der Sonne bei weitem nicht mit dem Grade von Genauigkeit, mit welcher wir sie kennen, Im IV. Buche seines Werks Kap.19 setzt er die größte Entfernung der Sonne von der Erde 1179 Halbmesser der letztern gleich, also auf 20mal kleiner als sie nach den Neuern ist. das war nach der damaligen Beschaffenheit der Instrumente sowohl als der Methoden schlechterdings unmöglich. Allein dieses affiziert auch seinen Gedanken nicht. Sein Begriff von der Beschaffenheit des Planeten- Systems beruht auf Schlüssen, die immer wahr bleiben, die Distanz der Erde vom Mittelpunkt der Welt (der Sonne) sei welche sie wolle. Hätte man ihm gesagt, du setzest die Fixsterne so weit weg, daß eine Linie von 2 Millionen Meilen ein bloßer Punkt dagegen ist, aber du mußt bedenken, die Linie die du da so für Nichts achtest, ist nicht 2 Millionen, sondern 42 Millionen Meilen lang, so würde er sehr ruhig mit den Worten im VIII. Kap. seines Werks im ersten Buch erwidert haben: omne visibile longitudinem distantiae habet aliquam, ultra quam non amplius spectatur. Er hätte ganz gelassen die Fixstern-Kugel 21 mal weiter hinaus gerückt. Sein Genie sah auch wohl den Einwurf voraus, nihil aliud habet illa demonstratio, sagt er am Ende des VI. Kapitels, quam indefinitam coeli ad terram magnitudinem. At quousque se extendat haec immensitas minime constat. Hieraus aber folgt nicht, fährt er fort, daß die Erde in der Mitte ruhe, es wäre vielmehr zu verwundern, daß sich die ungeheure Himmels-Kugel um dieses Pünktchen in 24 Stunden herum drehen soll, und nicht vielmehr das Pünktchen selbst. Aber zu sagen, daß die Erde deswegen im Mittelpunkt der Welt ruhen müsse, weil bei der Bewegung einer Kugel um ihren Mittelpunkt, diese Bewegung immer gegen den Mittelpunkt zu geringer würde, wird gerade so geschlossen als: weil die Pole der Himmelskugel ruhen; so ruhen auch die Punkte derselben die jenem Pole nahe liegen. Ein viel umfassendes vortreffliches Gleichnis. Denn würklich könnten, nahe an jenen Polen, uns Fixsterne zu ruhen scheinen, die nichtsdestoweniger Kreise beschrieben, die an Ort und Stelle gemessen, viele Millionen Meilen im Durchmesser hätten. »Die Alten, fährt er fort, haben daher andere Gründe für die Ruhe der Erde aufgesucht. Sie sagen, weil alles, was nicht unterstützt ist, nach der Erde zu fällt, und den Mittelpunkt sucht, in welchem es endlich ruhen würde und müßte, nun aber schon auf der Oberfläche der Erde zur Ruhe kommt, die diesen Mittelpunkt besetzt hält, so wird sie selbst ruhen müssen. Drehte sich die Erde um ihre Axe; so würde nichts in gerader Linie fallen oder aufsteigen können. Die Wolken, meint Ptolemäus, würden alle Morgen nach Abend ziehen, und gar die Erde sich durch diese schnelle Umdrehung zerstreuen müssen.« Allen diesen Einwürfen begegnet er vortrefflich und gleich dem ersten darunter mit dem keplerischen Blick des Genies, der über sein Zeitalter hinausgeht. »Ich halte, sagt er, De Revol. orb. coel. Lib. I. cap. IX. die Schwere für nichts weiter als ein natürliches Bestreben, welches der Schöpfer in die Teile gelegt hat, damit sie sich zu einem Ganzen verbinden können, indem sie sich zu einer Kugel sammeln. Mit der Sonne, dem Monde und den übrigen Planeten ist es wahrscheinlich ebenso, und doch stehen sie nicht fest. Bei fallenden und aufsteigenden Körpern ist es klar, daß ihre Bewegung aus der geraden Linie und der Kreisbewegung zusammengesetzt sei. Denn als Teile der Erde geben sie die dem Ganzen eigne gemeinschaftliche Bewegung nicht auf, sondern behalten sie in jeder andern bei. Allein jene gemeinschaftliche Bewegung, eben, weil sie gemeinschaftlich ist, erscheint als Ruhe. Daß die Wolken nicht, wie die Sterne, vom Morgen gegen Abend laufen, rührt daher, weil die untere Luft, worin sie hängen, mit zur Erde gehört und sich folglich mit ihr dreht, entweder, weil die Luft mit wässerigen und erdigen Teilen, denen diese Bewegung zukömmt, vermischt ist, oder weil die Erde ihr diese Bewegung mitgeteilt hat. Was die Zerstreuung der Erde durch die Schnelligkeit der Umdrehung betrifft, die Ptolemäus befürchtet, so war sie vielmehr wegen der ungeheuren Schnelligkeit, womit sich die Himmelskugel drehen müßte, eher für diese zu befürchten.« Ich zeige hier nur kurz den Sinn und Gang der Ideen des Copernicus an, ohne mich in seine Darstellungsart einzulassen. Über ein von ihm bei der zusammengesetzten Bewegung gebrauchtes Gleichnis, sehe man die 4te Beilage. Hierauf rückt er nun der Vollendung seines großen Plans näher. Er zeigt in was für Schwierigkeiten man sich verwickele, wenn man die Erde in den Mittelpunkt, die Venus und den Merkur mit ihren Epizykeln über, oder beide unter die Sonne setze, die aber alle wegfielen, sobald man nach der Lehre des Martianus Capella Die Worte des Copernicus sind: Qua propter minime contemnendum arbitror, quod Martianus Capella, qui Encyclopaediam scripsit, et quidam alii Latinorum percalluerunt, und nun folgt die Erklärung. Martianus Capella lehrt dieses in seiner Schrift de nuptiis philologiae et Mercurii Lib. I. cap. 8. Die übrigen sind wohl Vitruv und Macrobius, wovon der erste im 1ten Buch im 9ten Kap., der andere in seinem Kommentar über Ciceros Somnium Scipionis im 4ten Kapitel diese Lehre hat: Ob Cicero selbst mit zu dieser Klasse gehöre, ist wenigstens ungewiß. Weiter nennt Copernicus niemand. Es ist daher schwer zu sagen, wie Gassendi zu der Behauptung gekommen ist, Copernicus habe außer dem Gedanken des Martianus Capella, auch die Idee des Apollonius von Pergam. benutzt, und nun obendrein diesem Apollonius ein System zuschreibt, das völlig das Tychonische ist. Weidler sagt es zwar auch, aber sogar mit den eignen Worten des Gassendi. Daß Apollonius schon das System des Tycho gehabt habe, davon findet sich keine Spur bei den Alten. Man sehe hierüber Bailly Hist. de l'astron. moderne. I. p.339 und die angehängten Eclaircissements p. 697, und de Lalande, Astron. T. I p.408 nach der dritten Ausgabe, in der Note. diese beiden Planeten um die Sonne laufen lasse, und zwar den Merkur in einem kleineren Kreise als die Venus. Lasse man ferner den Saturn, Jupiter und Mars ebenfalls um die Sonne als den Mittelpunkt ihrer Bahnen laufen; so ergebe sich auch hieraus wieder mit großer Leichtigkeit, warum uns diese Planeten entfernter erscheinen, wenn sie mit der Sonne aufgehen, als wenn sie aufgehen, wenn diese untergeht. Wenn er hierbei den großen Raum bedenke, der nun zwischen der konvexen Seite der Venusbahn und der konkaven des Mars stattfinde, so scheue er sich nicht Die Periode, worin Copernicus dieses sagt, fängt sich an: perinde non pudet nos fateri etc. Hierbei macht Riccioli, der Jesuit, die Anmerkung: vorher habe Copernicus doch bloß gesagt: der Umlauf der Erde um die Sonne gebe wenigstens kein ganz unschickliches Mittel ab die Phänomene zu erklären; hier aber lege er nun alle Scham ab, und führe die Idee als etwas Reelles würklich in das Weltsystem ein. in diese die Bahn der Erde mit ihrem Begleiter (pedissequa) zu legen, und die Sonne als den Mittelpunkt der Planeten-Bahnen unbeweglich an den Mittelpunkt des Ganzen zu setzen, obgleich die scheinbare Lage der Fixsterne durch die Bewegung der Erde in ihrer Bahn nicht verändert werde. »Der Durchmesser ihrer Bahn, setzt er nun mit deutlichen Worten hinzu, habe zwar ein sehr merkliches Verhältnis gegen die Durchmesser der übrigen Planeten-Bahnen, aber gegen die Distanz der Fixsternen-Kugel keine merkliche. Dieses zuzugeben sei ihm leichter, als sich den Verstand durch die unendliche Menge von Kreisen verwirren zu lassen, wozu diejenigen genötigt sind, die sich die Erde in der Mitte ruhend gedenken.«

So geht er nun mit dem beherzten und sichern Schritt des Genies der Wahrheit immer gerade entgegen, ohne auf die mächtigen Stimmen zu achten, die ihm von allen Seiten zurufen: Du irrst. Und so entfaltet sich ihm endlich das große Geheimnis der Natur, das dem Forscher-Fleiß von Tausenden verschlossen blieb. An jedem seiner Schritte erkennt man den Gang des Erfinders; wo die Alten mutmaßten: es könne vielleicht so sein, da sagt er: es muß so sein. Die Mutmaßungen der Alten vermindern daher den Erfinder-Ruhm des Copernicus um nichts, hingegen macht es ihnen jetzt Ehre von einer neuen Welt wenigstens gesprochen zu haben, die Copernicus entdeckt hat.

Wie symmetrisch und ordnungsvoll, steht nun nicht nach seinem Plane das Weltgebäude da! Die Sonne, als der größte und hellste Körper, und folglich als etwas an sich einziges in unserm System, nimmt die Stelle ein, die auch einzig ist, die Mitte. Die Planeten, denen man gewisse gleiche Verhältnisse gegen diesen einzigen längst zuschrieb, erhalten diese auch durch die Kreise, die sie alle, einer wie der andere, um ihn beschreiben, und durch das Licht, das sie alle aus diesem reichen Quell erhalten. Copernicus sagt: Quis enim in hoc pulcherrimo templo lampadem hanc in alio vel meliori loco poneret, quam unde Totum simul possit illuminari? Weil er nun auch die Fixstern-Kugel in seinem Schema gezeichnet hat: so beschuldigt ihn Mulerius schlechtweg in der Note zu dieser Stelle: er habe geglaubt die Sonne erleuchte auch die Fixsterne. Es ist freilich wahr, aus den Worten des Copernicus läßt sich das Gegenteil nicht dartun, auch war die Meinung, daß die Sonne die Fixsterne erleuchte sowohl unter den Alten als den Neuern nicht ungewöhnlich. Und vielleicht trennte man überhaupt auch zu jenen Zeiten die Betrachtung des Fixsternen-Himmels noch nicht so sehr von dem Planeten-System als jetzt. Allein, wenn man des Mannes große Begriffe von der Ausdehnung des Weltgebäudes bedenkt, die vor ihm noch kein Sterblicher mit der Präzision gedacht und mit der Deutlichkeit gelehrt hatte: so erfordert es nicht bloß der Respekt gegen das Genie, sondern die Pflicht des Kritikers überhaupt, zu glauben das Wort Totum gehe bloß auf das Planeten-System. Vermutlich ist auch dieses die Ursache, warum Riccioli, der doch dem Copernicus so gerne etwas anhängt, in (Alm. nov. Lib. VI. cap. 2) wo er die Geschichte der Meinung über das Licht der Fixsterne gibt, seiner gar nicht oder nur erst bei Gelegenheit des Funkelns der Fixsterne gedenkt, und die Stelle aus Revol. Lib. I cap. 10 anführt, woraus wenigstens erhellt, daß Copernicus sehr zwischen dem Licht der Planeten und der Fixsterne unterschieden habe. Zunächst um ihn läuft Merkur, dann Venus, hierauf unsere Erde, die von dem Monde begleitet wird; weiterhin Mars, Jupiter und Saturn, und endlich über diesen allen steht die Fixsternen-Kugel unbeweglich. Merkur vollendet seinen Lauf in 80 Tagen; die Venus in 9 Monaten; unsere Erde in einem Jahr und der Mond um diese in einem Monat; Mars in 2, Jupiter in 12, und Saturn endlich in 30 Jahren. Dieses sind die Umlaufszeiten, die Copernicus seinem Schema beigeschrieben hat. Wie einfach ist nicht alles hier, und wie leicht heben sich nicht alle Schwierigkeiten jener zweiten Ungleichheit, deren wir oben gedacht haben. Nun salutieren die drei obern Planeten die Sonne durch Vorwärtsgehen, wenn sie bei ihr, und durch Rückwärtsgehen, wenn sie ihr gegenüber stehen, ohne den ungeheuern epizyklischen Tanz. Ebenso halten sich Merkur und Venus ohne diese Tänze nun bei ihr, ja selbst die Ehre des alten Grundsatzes, daß die größere Umlaufszeit um den Mittelpunkt dem davon entfernteren Planeten zugehöre, wird gänzlich gerettet.

Überhaupt legte Copernicus der Erde drei verschiedene Bewegungen bei: eine tägliche um die Axe; eine jährliche um die Sonne, und endlich eine dritte, vermöge welcher sich die Erde einmal des Jahres um die Pole der Ekliptik, und zwar der Ordnung der himmlischen Zeichen entgegen dreht, (eine zweite jährliche,) durch diese erklärt er den Wechsel der Jahrszeiten. Die erste dieser drei Bewegungen hatte schon Nicetas von Syrakus; die zweite Aristarch von Samos, und, wie Copernicus glaubt, Philolaus; die dritte aber ist ihm ganz eigen. Ob nun gleich die neuere Astronomie diese dritte Bewegung nicht mehr anerkennt, indem sie den Zweck derselben auf einem kürzern Wege erreicht, als Copernicus; so kann dennoch nicht geleugnet werden, daß der große Scharfsinn des Mannes in der Art dieses Problem zu behandeln in ganz vorzüglichem Lichte erscheint. Vielleicht hat ihm auch die Auflösung desselben mehr Anstrengungen gekostet, als irgend ein anderes in seinem unsterblichen Werk. Auch ist er der erste, der das Problem aufgegeben hat. Es kann also hier nicht übergangen werden. Die Sache hängt so zusammen:

Solange als man die Sonne um die unbewegliche Erde einmal im Jahre herumlaufen ließ, hatte die Erklärung des Wechsels der Jahreszeiten keine Schwierigkeit. Die Bahn der Sonne lag schräg gegen den Äquator der Himmelskugel; die Sonne näherte sich also alle Jahre einmal jedem Pole und verursachte dadurch jene Wechsel. Allein, da nun Copernicus die Sonne in der Mitte des Systems unbeweglich setzte, und die Erde in einem Kreise um dieselbe laufen ließ, so entstund notwendig die Frage: wie läßt sich nun der Wechsel der Jahrszeiten erklären? Copernicus fand sehr richtig, daß dieses nicht anders geschehen könne, als wenn nicht bloß die Neigung der Axe der Erde gegen die Ebne ihrer Bahn sich nicht änderte, sondern auch diese Axe, trotz der Fortbewegung um die Sonne, sich immer nach derselben Gegend des Himmels hinneigte, immer auf denselben Punkt der unendlich entfernten Fixsternen-Kugel hinwiese, das ist, sich immer parallel bliebe, und so verhält es sich auch wirklich; dieses ist die völlige Auflösung des Problems, die also Copernicus vollkommen gegeben hat, und womit die Neueren ganz übereinstimmen. Aber er erschwerte sich die Sache, durch die Vorstellung, daß dieser Parallelismus erst durch eine eigene Drehung erhalten werden müßte, und diese Vorstellung gründet sich genau auf die Voraussetzung, auf welche sich Keplers Meinung stützt, daß sich der Mond nicht um seine Axe drehe. S. Beilage V. Man weiß jetzt, daß die Fortbewegung einer Kugel, die sich um eine Axe dreht, die Lage dieser Axe nicht in ihrem Parallelismus stört, sie bleibt sich immer parallel, der Mittelpunkt der Kugel bewege sich wie er wolle, in einer geraden Linie oder in einer krummen, und in jeder Richtung in Rücksicht auf die Lage der Axe. Copernicus suchte also, was er richtig gefaßt hatte, mit einem Principium zu vereinigen, das wir jetzt für unrichtig erkennen. Sein Irrtum war allemal in Rücksicht auf sein Zeitalter verzeihlich, unschädlich weil die Hauptsache blieb, und, wegen des darin bewiesenen Scharfsinns, selbst noch ehrwürdig.

Hier müssen wir einen Augenblick stehen bleiben. Dieses ist nun also die wahre Lage der Planeten gegen die Sonne, das wahre Weltsystem. Ehe man es kannte, wuchsen mit der Schärfe der Beobachtungen die Schwierigkeiten; seitdem es ausgefunden ist, hat jede neue Entdeckung am Himmel es mit neuen Gründen bestätigt. Die Umwälzung der Erde um die Axe ist durch die Abplattung der Erde, und durch die veränderliche Länge des Sekunden-Pendels bewiesen worden. Man hat den Saturn, Jupiter, Mars und die Venus, ja selbst die Sonne sich um ihre Axen drehen sehen. Venus und Merkur haben sich dem bewaffneten Auge geradeso gezeigt, wie Körper, die sich um eine leuchtende Kugel bewegen, einem Auge erscheinen müssen, das außer ihren Bahnen aber nicht weit von den Ebenen derselben abliegt. Endlich entdeckte man die Abirrung des Lichts, und nun traten Tausende von Sternen als Zeugen für die große Wahrheit auf: die Erde läuft um die Sonne. Alles, alles zwingt nun unsere Vernunft zu bekennen: Copernicus war richtig. Aber was zwang den Copernicus zu dieser Lehre, ihn, den von allen diesen Hülfsmitteln gänzlich verlassenen? Ich glaube die Frage ist schon beantwortet. Die Zeit des Irrtums ist nun gottlob! vorüber. Selbst das Vatikan, das seine katholischen Ausgaben des Weltsystems sonst der ganzen Christenheit aufzuzwingen strebte, verkauft sie jetzt nur noch zuweilen heimlich an arme Sünder, und nicht ohne ein heimliches Lächeln über – die armen Sünder. Hier, mit Copernicus fing sich ein neuer Himmel an und eine neue Erde – – eine neue Astronomie, die nun ihren Gang majestätisch fortsetzte. Denn solange die Erde stille stund, stund alle wahre Astronomie stille, und mußte stille stehen: so wie aber der Mann erschien, der die Sonne stille stehen hieß, in dem Augenblick fing die Astronomie an fortzuschreiten. Die Ruhe der Erde drückte diese Wissenschaft wie ein verborgenes Übel den Körper des Menschen; aller Wachstum hörte auf und alle Mittel, die man anwendete, wenn sie nicht gerade auf den Sitz der Krankheit losgingen, mußten das Übel vergrößern. Was konnte in aller Welt aus einem Systeme werden, in welchem man einen Punkt für fest und unbeweglich hielt, der in einem Jahre einen Kreis von fast 42 Millionen Meilen im Durchmesser beschreibt? Alles Bestreben irgend eine neue Erscheinung mit diesem großen Versehen zu vereinigen, konnte nicht anders als zu einem neuen führen. Alles, was die Alten von Entfernungen der Planeten gedacht hatten, war, etwa die vom Monde, und was sich aus dieser kümmerlich für die Sonne herleiten ließ, ausgenommen, ein bloßer Traum. Sie konnten nichts davon wissen. Hierin wurde es nun durch die Copernikanische Lehre auf einmal Licht. Denn sobald man wußte, daß die zweite Ungleichheit bloß die Folge des veränderten Standpunkts der Erde, und also einer jährlichen Parallaxe war; so ließ sich nun schon mit beträchtlicher Bestimmtheit wenigstens von Verhältnissen der Entfernungen sprechen. So erzeugte nun immer eine Wahrheit die andere, und eine Entdeckung die andere, in stetem Fortgang, bis auf unsere Zeit. Zwar fiel bald nach dieser Periode Tycho von Brahe, einer der größten Astronomen aller Zeiten, aber von minderem philosophischen Genie als Copernicus, wieder auf die gänzliche Unbeweglichkeit der Erde zurück. Der große Mann gab, durch religiöse Mißverständnisse und vermutlich von etwas Eitelkeit verleitet, der Welt ein System, das eigentlich das umgekehrte Copernicanische ist. Eines verwandelt sich in das andere, je nachdem man die Erde oder die Sonne darin beweglich setzt. Das Verdienst dieses System nach dem Copernicanischen erfunden zu haben, ist daher sehr gering. Was es vor dem Ptolemäischen voraus hat, ist gerade der Teil, worin es sich dem Copernicanischen nähert, der aber hier, als Flickwerk genützt, nur neuen Mißverstand und neue Verwirrung erzeugt. Wäre dieses System vor dem Copernicanischen hergegangen, so würde es sicherlich einen sehr ehrenvollen Platz in der Geschichte der Astronomie behaupten. Hinter demselben darin aufgestellt, wie jetzt, steht es wenigstens immer als ein Flecken auf eben dem großen, verdienten und ewig unverwelklichen Ruhme da, dem es einst seinen kurzen Beifall allein zu danken hatte.

Übergeht man diesen an sich kurzen und unbedeutenden Rückfall, so wird nun die Copernicanische Einrichtung des Weltsystems die letzte in dem Stamm der Hypothesen, und die, die endlich, von Keplers großem Genius überschattet, die Mutter der Wahrheit wurde. Ich sage die Mutter der Wahrheit. Denn unser jetziges System, dem nun kein Vernünftiger mehr den Namen des wahren absprechen kann, ohne Gefahr zu laufen, daß man ihm die Vernunft abspräche, ist nicht das Copernicanische, so wie es uns Copernicus in seinem Werk dargestellt hinterlassen hat. Es ist sehr davon verschieden, und diese Verschiedenheit besteht nicht etwa bloß in Einschiebseln von Verbesserungen, welche die größere Vollkommenheit der Werkzeuge und der Kunst zu observieren an die Hand geben mußte; sie ist viel wesentlicher, wäre ohne diese besseren Werkzeuge auch möglich gewesen, und ist daher, so wie der große Gedanke des Copernicus selbst, das Werk des Genies. Copernicus hatte die Astronomie von den Verwirrungen befreit, zu welchen die Voraussetzung einer völlig ruhenden Erde notwendig verleiten mußte; allein jene erste Ungleichheit, diejenige nämlich, die in dem Ptolemäischen System nicht von der Bewegung der Sonne, und in dem seinigen nicht von der Bewegung der Erde abhing, sondern vielmehr den Planeten selbst zuzukommen schien, war noch zurück. Er wollte auch diese erklären, und der große Mann – – strauchelte. Die Art, wie dieser tiefe, sonst so unbefangene stille Denker, den nicht Eitelkeit zu übereilten Bekanntmachungen spornte, der, wenn er je bei seinem Forschen noch außer dem Durst nach Wahrheit noch einen andern Reiz kannte, bloß nur den Dank einer entfernten Nachwelt, nur den Lohn der Unsterblichkeit vor Augen haben konnte; die Art, sage ich, wie dieser bewundernswürdige Mann zu seinem Versehen verleitet wurde, ist nicht bloß ein merkwürdiger Zug in der Geschichte seines Geistes, sondern des menschlichen Verstandes überhaupt. – Der Koloß des Ptolemäischen Systems stützte sich hauptsächlich auf das simple Zeugnis der Sinne, den sinnlichen Schein. Dieses war eine mächtige Stütze, und der Irrtum sie für unerschütterlich zu halten, gewiß ein sehr verzeihlicher. Denn, um die Schwäche derselben einzusehen, mußte man erst mit Mühe das für wahr halten lernen, wovon man täglich das Gegenteil vor Augen sah. Indessen warf Copernicus diese Hauptstütze mit ebenso großer Kraft als Kühnheit über den Haufen. Wo nicht ganz der wichtigste, doch gewiß der gefährlichste Schritt zur gänzlichen Zerstörung des 1400jährigen Es wird hier bloß die Zeit zwischen Ptolemäus und Copernicus in Betracht gezogen. geheiligten Irrtums war glücklich getan.

Beilage I

In der Zeitangabe sowohl der Geburt als des Todes des Copernicus, findet sich bei den Schriftstellern eine seltsame Verschiedenheit, die wohl verdient etwas genauer erörtert zu werden. Sie erstreckt sich nämlich nicht bloß auf einzelne Tage, sondern auf Tag, Monat und Jahr zugleich. – Für das oben angegebene Datum streiten:

1) Melchior Adam (vitae germanorum philosophorum. Heidelbergae 1615. u.p.126).

2) Nicolaus Mulerius, Prof. der Medic. und Mathemat. zu Gröningen, der seiner Ausgabe von Copernici Revolutionibus. Amsterd. 1617. 4to, eine kurze Lebensbeschreibung desselben vorgesetzt hat, führt, so wie einige der folgenden Schriftsteller, aus des Junctinus, eines italienischen Astronomen, Kalender zwar das Datum der Geburt 1472, den 19ten Januar an, setzt aber unmittelbar hinzu: Germani vero Chronologi (quibus major apud me fides) natum testantur Ao. 1473. d. 19ten Febr. Müler oder Muler war aus Brügge gebürtig.

3) Michael Mästlin, Keplers berühmter Lehrer, in einer Note zu Georgii Joachimi Rhetici narratio prima de libris Revol. Nicol. Copernici, welche er Keplers Prodromus oder Mysterium cosmograph. Francof. 1621 fol. angehängt hat, sagt S.96. Nic. Copernicum natum referunt anno 1473. die 19. Febr. hora 4. scr. (minutis) 43. p.m. die Veneris ante Cathedram Petri. Errat ergo Franc. Junct. (Junctinus) qui ipsum anno 1472. 29. Jan. natum scribit. Mortuus autem est anno 1543 die 19. Janu. anno aetatis 70. Wo er die Nachricht her hat sagt er nicht. Junctinus hat auch nicht den 29sten sondern den 19. Januarii, (wie Gassendi und Ricciolius bezeugen).

4) Petrus Gassendi in seinem Leben des Copernicus (opp. T. V. Ed. Florent. p.441). Es ist aber dieses kein neues Zeugnis, sondern, nachdem er das Datum des Junctinus angeführt hat, zieht er doch das Mästlinische, als: ob Maestlini auctoritatem probabilius, vor. Es mag also ob Gassendi Judicium et auctoritatem auch hier stehen.

5) Christoph Hartknoch in seinem Alt und Neuen Preußen, Frankf. und Leipzig 1684. fol. S.370 hat bloß das Jahr.

6) Jac. Heinrich Zernecke in seiner Thornschen Chronika, wovon ich die zweite vermehrte Ausgabe. Berlin 1727. 4to vor mir habe. S.81. Seine Worte unter der Rubrik 1473 sind folgende: »Den 19ten Febr. 4 Uhr 48 Minuten nach Mittag, ist allhier der weltberühmte Mathematicus Nicolaus Copernicus, in einem Eckhause unweit dem Alt-Thornschen Tore, geboren. (Patre Nicolao Copernico Cracoviensi et cive Thorunensi, Matre ex Familia Vatzelrodia, Sorore Lucae Vatzelrodi, Episcopi Varmiensis.) Starb Ao. 1543, den 11ten Junii, aetatis 70«. Zur Unterstützung dieses Zeugnisses ist es vielleicht nicht unnütz zu wissen, daß dieser Zernecke, wie es unter seinem Bildnisse heißt, Prae-Consul atq. Vice-Praeses Reipubl. Thorunsis, und wie aus seinem Prozesse, den er am Ende erzählt und mit Urkunden belegt, erhellt, ein Mann von großer Rechtschaffenheit, Geradheit und Treue im Dienst war. Indessen da Zernecke, wiewohl erst am Ende, und mit mehrern Schriften über den Copernicus, den Gassendi ausdrücklich anführt, und selbst das Anführen so vieler Schriften auf die Mutmaßung leiten könnte, daß er selbst in einigen Punkten ungewiß gewesen wäre, so läßt sich nicht entscheiden ob Mästlin, der seine Note über 50 Jahre eher schrieb, als Zernecke geboren wurde, schon echte Nachrichten aus jenen Gegenden gehabt, oder ob dieser etwa jenem, auch ob ejus auctoritatem, getraut habe, zumal da die Stunden und Minuten dem Datum einen gewissen Schein von Präzision geben, der bei einem Laien in der Astronomie und ihrer Geschichte wie Zernecke, noch dadurch gewinnen konnte, daß die Angabe von einem berühmten Astronomen herrührte. Mit dem Eckhause hat es indessen seine Richtigkeit, es wird noch jetzt in Thorn gezeigt, so wie Leibnizens Haus zu Hannover, auch ein Eckhaus. Daß man übrigens hier nicht bloß das Jahr und den Tag; sondern sogar die Stunde und die Minute der Geburt angegeben findet, ist nichts Ungewöhnliches. Es geschah damals ziemlich häufig. Man hatte dabei die große Absicht, den Stand der Planeten darnach berechnen und dem Kinde die Nativität stellen zu lassen. Dieses geschah denn auch zuweilen, und zwar nach Tafeln, die nicht einmal hinreichten den Planeten selbst die Nativität auf einige Zeit hinaus zu stellen. Ich weiß nicht ob man sie dem Copernicus sehr präzis je gestellt hat. Wäre es aber geschehen; so hätte die Astrologia judiciaria notwendig in die Klemme eines der gefährlichsten Dilemmen für sich selbst geraten müssen, nämlich sich entweder offenbar zu irren, oder auszufinden, daß das Knäbchen quaestionis auserkoren sei den Grund zu einer Astronomie zu legen, die über kurz oder lang aller Sterndeuterei den Hals brechen würde. Zwar nicht mit dieser gefährlichen Genauigkeit, aber gestellt ist ihm die Nativität indessen doch worden. Ich sehe aus Riccioli Almagest. nov. Chronici Part.II. S. XLI, wo etwas vom Leben des Copernicus verkömmt, daß Jo. Garcäus in seiner Astrologiae methodo p. 138 die Geburt desselben auf 1473. Febr. 10. 4 Uhr, 30 Minuten setzt, und noch hinzufügt, Polus 55°. Hierauf gibt er den Stand der Planeten in technischen Ausdrücken an, und versichert bei Purbachs Geburt hätten sie ebenso gestanden, und bezeichneten Ingeniosität. Also nichts weite? Garcäus war ein Brandenburger, und 1530 den 13ten Dezember um 13 Uhr 28 Minuten geboren; was die Planeten damals bezeichnet haben, wird nicht gesagt. Zwischen der Angabe dieses Garcäus und der von Mästlin und Zernecke befände sich also eine Differenz von 9 Tagen und 10 Minuten.

7) Boissardus in Bibliotheca Chalcographica P. I. Icon. Vu. 2.

8) Bailly, Histoire de l'Astronomie moderne T. I. p.337.

9) Saverien, Hist. des philosophes modernes T. V. p.4. und mehrere, die, sowie diese beiden lezteren, vermutlich dem Mästlin nach Gassendi, gefolgt sind. Hieher gehören noch zwei kurze deutsche Lebensbeschreibungen des Copernicus, wovon sich die eine im deutschen Merkur, November 1776, und die andere in der kleinen gutgeschriebenen Polnischen Geschichte befindet, die dem Berlinischen Taschenbuche des Herrn Unger für 1796 angehängt ist. Öffentlich aufgestellte Monumente (denn es gibt auch ein privatim oder gar privatissime hingelegtes) hat Copernicus, soviel mir bekannt ist, nur zwei erhalten. Eines eine bloße Marmor-Tafel, in der Domkirche zu Frauenburg (in ecclesia cathedrali Varmiensi), die ihm 38 Jahre nach dessen Tode, Martin Cromer, Bischof von Ermland hat setzen lassen, enthält bloß den Todestag 1543 den 24sten Mai. Man findet sie bei dem oben in der Vorerinnerung angeführten Starovolscius S.161 und beim Gassendi a.a.O. Dennoch wundert sich Hartknoch (a.a.O. S. 370), daß ihm zu Frauenburg, zum Gedächtnis weder ein Grabstein noch sonst etwas gemacht oder aufgerichtet worden sei. Ja, setzt er hinzu, die Thumherrn desselben Orts zweifeln fast, ob er zu Frauenburg begraben sei oder nicht. – Wie hängt dieses zusammen? Die jetzigen Herrn Konventualen des Klosters zu Frauenburg könnten alles dieses leicht entscheiden, und da sie, wie ich höre, im Besitz von schätzbaren Nachrichten das Leben des Copernicus betreffend, sein sollen, überhaupt manche Lücke ausfüllen. Vielleicht sind sie aber schon ausgefüllt, ohne daß mir etwas davon zu Gesichte gekommen ist. Ich glaube nicht zu irren, wenn ich die Angaben nachstehender Schriftsteller unrichtig nenne, weil sie sogar in dem Jahre von Zernecke abweichen, den seine Lage gewiß in den Stand setzte wenigstens dieses zu berichtigen. Hieher gehört:

1) Der oben genannte Junctinus, der in seinem Kalendario astrologico die Zahlen 1472 Januar. 19. hor. 4. min. 46 hat. Fast lustig ist, was Riccioli a.a.O., nachdem er Mästlins Zahlen angeführt hat, hinzusetzt: aut igitur falsus Junctinus, sagt er, aut conceptionis momentum ex nativitate ab astrologis indagatum est, ac pro prima nativitate positum. Da kämen aber praeter propter eilf Monate auf die Schwangerschaft der Mutter. Diesen nach wäre also von den beiden großen Re- und Instauratoren der Astronomie, Kepler und Copernicus, der erste ein partus septimestris, der andere ein undecimestris, wovon das arithm. Mittel gerade die 9 Monate gibt.

2) Joh. Friedrich Weidler. (Hist. Astron. Vitembergae 1741. 4. S.342.) Er hat das Jahr und den Monat des Junctinus 1472. Jan. 19. Wie Weidler, der den Melchior Adam anführt, und Mästlins Angabe wenigstens aus dem Gassendi kannte, den er ebenfalls gebraucht hat, dazu gekommen ist, diesen beiden Deutschen den astrologischen Florentiner Junctinus, vorzuziehen, oder gerade dieser Meinung beizupflichten, hätte er wenigstens sagen sollen. Wenn dieses, wie ich glaube, eine Übereilung Weidlers ist, so ist es wenigstens nicht die einzige, deren er sich selbst in seiner Nachricht vom Copernicus schuldig gemacht hat.

3) Lalande, selbst in der dritten Ausgabe seiner Astronomie hat, so wie

4) D. Gehler in seinem physischen Wörterbuch T. IV. S.711 eben diese Angabe, beide vermutlich nach Weidlern, der, als übrigens ein Schriftsteller von Kredit, viele andern verleitet hat.

5) Büsching. Dieser sagt in seiner Geographie, in dem Artikel: Thorn. »Es befände sich in der dortigen Johanniskirche ein Monument zum Andenken des Copernicus. Nach diesem sei er 1472 den 19ten Jänner geboren.« Dieses ist ganz unrichtig. Es befindet sich zwar in der genannten Kirche ein Monument, von dem ich sogleich reden werde, allein dieses gibt den Geburtstag des Copernicus überhaupt nicht geradezu an, sondern er muß erst aus dessen angegebenen Alter und Todestag, wobei sogar der Monat fehlt, geschlossen werden, und dieser Schluß führt auf ein Jahr, das ganz erwiesen falsch ist.

6) Jöcher. Dieser sollte billig in der ersten Klasse stehen, denn er gibt in seinem Wörterbuch für den Geburtstag 1473 den 19.Febr. und den Todestag 1543 den 24sten Mai an, aber mit dem seltsamen, etwas übereilten Zusatze: Copernicus sei an seinem Geburtstage gestorben. Vielleicht betrog ihn sein Gedächtnis und er verwechselte ihn mit Hevelius, der auch ein Preuße (denn Preußen waren doch wohl die Danziger immer) und auch ein berühmter Astronom war, denn der starb wirklich an seinem Geburtstage. – Ich komme nun auf die beiden noch rückständigen Monumente. Das in der St. Johanniskirche zu Thorn befindliche, ist nicht publica auctoritate, sondern von einem gewissen Doctor Medicinä Melchior Pyrnesius, der 1589 gestorben ist, gesetzt worden. Der gute Wille des Mannes ist allerdings zu loben, aber das ist auch alles, denn das 2 Ellen hohe auf Holz gemalte Bild taugt weder als Kunstwerk noch als Urkunde etwas. Eine Abbildung davon findet sich beim Hartknoch a.a.O. Seite 371. Es stellt den Copernicus in halber Länge betend vor einem Kruzifixe vor, auf das er jedoch seine Augen nicht richtet. Gleich beim linken Ellbogen liegt ein Totenkopf, und hinten befindet sich eine Himmelskugel und ein Zirkel. Unter dem rechten Arm noch innerhalb der Einfassung, stehen die tröstlichen Verse:

Non parem Pauli gratiam requiro,
Veniam Petri neque posco, sed quam
In crucis ligno dederas latroni,
Sedulus oro.

In der Mitte darunter aber folgende Worte:

Nicolao Copernico Thorunensi, absolutae
subtilitatis Mathematico, ne tanti Viri apud
exteros celeberr. in sua patria periret memoria,
hoc Monumentum positum. Mort.
Varmiae in suo Canonicatu Anno 1543
die 4* aetatis LXXIII.

Hier haben wir die schöne Urkunde, worin der Sterbe-Monat als eine unbekannte Größe, mit einem * bezeichnet, das Alter des Verstorbenen zu 73 Jahren und der Sterbetag als der 4te irgend eines Monats angegeben ist. In der ganzen Unterschrift, die auch im Original an der Wand bloß Schwarz auf Weiß ist, ist nichts richtig als das Todes-Jahr. Alle Schriftsteller über den Copernicus, wenn sie von dessen Alter sprechen, sagen, daß er 70 Jahre alt geworden sei. Nach dem hier angegebnen Alter fiele sein Geburtstag in das Jahr 1470, welches ganz falsch ist. Hartknoch fügt hinzu: dieses Bildnis des Copernici lassen die Franzosen und andere oft abcontrefeien, und schicken oder führen es selbst in andere Länder, und beschämen uns öfters damit, daß solch einem fürtrefflichen Mann in seinem Vaterland kaum dieses geringe Monumentum, und zwar lange nach seinem Tode gesetzt sei. Doch, meint er, sei es so gering nicht, weil man auf derselben Tafel das Brustbild des Königs Johannis Alberti gesetzt habe. Dieser König starb nämlich im Jahr 1501 zu Thorn plötzlich. Den Leichnam brachte man nach Krakau, aber die Eingeweide wurden unter dieses Monument, an dem man noch sogar die genannte Änderung machte, begraben. Dieses zeigt wenigstens, wie man schon damals von den Verdiensten des Copernicus dort dachte und denken durfte. Selbst in dem heutigen Rom, wenn da ein Monument des Copernicus gedenkbar wäre, würde man ein solches Begräbnis für eine Art von Exkommunikation gehalten haben. Vielleicht gilt aber sowohl das Monument, als die demselben erteilte Ehre, zwar dem subtilen Mathematiker, aber noch weit mehr dem bußfertigen astronomischen Sünder, der, wie einige Frömmler wähnten, im Leben, durch die ketzerische Lehre, daß sich die Erde um ihre Achse und um die Sonne bewege, eben Den verfolgte und verleugnete, den Paulus und Petrus auch einmal in ihrem Leben verfolgt und verleugnet hatten, und der nun hier in einem Sapphischen Seufzer Buße tut und bekennt, daß er ein armseliger Schacher (Latro) gewesen sei. So genommen, erinnert diese Grabschrift an eine andere, die ihm Ziegler in s. Schauplatz der Welt S.40 gesetzt hat, die zwar nicht Sapphisch, aber ganz in dem Geist jener Sapphischen abgefaßt ist:

»Im Lehren war ich falsch, im Leben war ich frumm,
Die Kugel dieser Welt lief mit mir um und um:
Nun schick ich meinen Geist, der soll die Sterne zählen,
Der Himmel lasse mich den Himmel nur nicht fehlen.«

Mit dem andern Monument, welches ich das geheime genannt habe, hat es folgende Bewandtnis: Im Jahre 1766 ersuchte der Fürst Jablonowski den Magistrat zu Thorn um einen schicklichen Platz zu einem Monument für Copernicus. Man wählte den Markt. Das Monument kam auch an, gefiel aber nicht, und so wurde es nach der Holzkammer des Rathauses gebracht, wo es wenigstens ad interim lange lag, wenn es nicht noch liegt. Freilich zu einem Monument für den Copernicus und zwar zu einem, das auf einem öffentlichen Platz seiner Vaterstadt aufgestellt werden soll, gehört sehr viel, wenn man sich nicht für seine gute Absicht, den Sticheleien aller Reisebeschreiber und Geographen auf immer ausgesetzt sehen will. Hat man da nicht eine kolossalische Bildsäule in Erz oder Marmor aufzustellen, so läßt man es freilich lieber ganz und verweist den Reisenden, der sich über einen solchen Mangel wundert, geradesweges an das Monumentum aere perennius, dort oben am Himmel.

Im Jahr 1785 erbot sich der König von Polen Stanislaus Augustus, der bekanntlich auch dem Hevelius zu Danzig ein Denkmal errichten ließ, dem Copernicus eines errichten zu lassen, das in dem großen Saale des Rathauses zu Thorn aufgestellt werden sollte. Die Unruhen aber haben dieses Vornehmen in Vergessenheit gebracht. Da das Jablonowskische Schenkungs-Stück das Geburtsjahr 1472 hat, so könnte es leicht sein, daß Büsching, der von diesem gehört haben konnte, es mit jenem in der Johanniskirche verwechselt hätte. –

Über das Jahr, worin Copernicus starb, ist kein Streit. Alle Schriftsteller geben 1543 an. Man hat auch ein altes Chronodistichon darüber:

EX hoC eXcessIt trIstI CopernICVs aeVo,
IngenIo astrorVM et CognItIone potens.

Allein im Tage sowohl als im Monat finden sich, wie man schon aus einigen der obigen Angaben wird ersehen haben, beträchtliche Unterschiede. Hier werde ich kurz sein können. Weder Melchior Adam noch Mulerius haben Monate und Tage. Ersterer bloß das Jahr, lezterer, außer dem erwähnten Datum der Geburt, das Alter in der runden Zahl 70, und ebenso auch Hartknoch. Mästlin hingegen den 19ten Jänner; Zernecke den 17ten Junii, und die Tafel im Dom zu Frauenburg, den 24sten Mai. Eben dieses Datum hat auch Gassendi, aber nicht in der Inschrift der Frauenburgischen Tafel, welche er doch gibt. Es fehlen nämlich in derselben bei ihm die Schlußworte: obiit Ao. 1543 die 24. Maii, die sich doch in der Kopie des Starovolski ausdrücklich befinden. Es müßte denn sein, daß hier die erwähnten Worte, welche nicht mit Kapitälchen gedruckt sind, schon wieder zum Text des Buchs gehörten, der sich mit der Grabschrift schließt. Aber Gassendis Datum erhält dadurch ein großes Gewicht, daß es vermutlich aus einem Briefe des Culmischen Bischofs Tidemannus Gisius an den Rheticus genommen ist. In diesem Briefe meldet dieser große Gönner und vertraute Freund des Copernicus dem Rheticus, daß das Exemplar der Revolutionum orb. coelest., das er aus Deutschland an den Copernicus geschickt habe, leider kurz vor seinem Tode angelangt sei. Ich sage: wie es scheint, denn nachdem Gassendi dieses aus dem Briefe erzählt hat, kömmt er etwas weiter hin auf das Datum; es läßt sich aber nicht präzis sagen, ob auch dieses noch aus jenem Briefe genommen sei. Dieses hätte sich leicht ausmachen lassen, wenn ich Rhetii Ephemerid. ad ann. 1551 hätte erhalten können, aus deren Vorrede vermutlich Gassendi alles dieses geschöpft hat. Fände sich das Datum in dem Briefe des Gisius, so würde ich kein Bedenken tragen es allen übrigen schlechtweg vorzuziehen, denn daß sich ein solcher Freund des soeben Verstorbenen, in einem Brief, dessen Veranlassung auch noch durch ganz eigne Nebenumstände rührend war, im Datum sollte geirrt haben, läßt sich gar nicht denken; Herr D. Gehler hat in seinem physischen Wörterbuche IV. S.711 auch den 24sten Mai, und führt dabei des Rheticus bekannte narratio de Libris Revol. coelest. Copernici. Gedani. 1546. 4. an. Ich habe zwar diese Ausgabe nicht vor mir, aber sowohl die mit Anmerkungen und Figuren versehene Ausgabe des Mästlin, als den Abdruck, welche der Baseler Ausgabe von Copernicus Revolutionibus angehängt ist, und da findet sich nichts von dem Tode des Copernicus. Es ist auch nicht wohl möglich. Denn diese Narratio prima, wie sie gewöhnlich heißt, (denn eine secunda existiert nicht) ist weiter nichts als ein großer Brief, den Rheticus, der sich eine Zeitlang beim Copernicus aufhielt, noch bei dessen Lebzeiten, an seinen Freund Schoner schrieb; gibt Nachricht von dem Werk des Copernicus, noch ehe es im Druck erschien, und ist, den kurzen Eingang ausgenommen, ganz astronomisch. Das Gehlerische Zitat geht also vermutlich nicht sowohl auf dieses Datum, als auf andere angeführte Umstände. Er scheint das Datum vielmehr aus dem Weidler genommen zu haben, der ebenfalls den 24sten Mai hat und sich auf den Gassendi beruft. Stünde dieser Tag aber nicht in dem Briefe des Gisius, und auch nicht auf der Frauenburgischen Tafel; so würde ich dem XI. Junii des Zernecke beipflichten.

Wenn man alle diese hier betrachteten Verschiedenheiten bemerkt, so möchte man fast auf sie die letzten Worte eines Epigramms deuten, das Scrobivicius eigentlich auf den Tod des Copernicus gemacht hat:

Qui tempora mensus
Debuit heus ipsis cedere temporibus.

Beilage II

Unter denen, die mit dem System des Ptolemäus und der Araber nicht zufrieden waren, wird ganz vorzüglich Alphonsus der Weise, König von Kastilien genannt, der um die Mitte des 13ten Jahrhunderts regierte, und ein großer und tätiger Verehrer der Astronomie war, die er mit Königlichem Aufwand, solange er Geld hatte, unterstützte, wovon noch jetzt die Sammlung astronomischer Tafeln zeugt, die nach ihm die Alphonsinischen heißen. Er soll seine Unzufriedenheit mit jenem System, durch einen Einfall geäußert haben, wovon das Gute, was er enthält, sich bloß durch die große Ungezogenheit erhalten hat, womit es ausgedruckt ist. »Er wollte, sollen seine Worte gewesen sein, dem Schöpfer wohl einen bessern Plan für das Weltgebäude angegeben haben, wenn er vorher darüber wäre befragt worden.« Hätte er statt des Schöpfers der Welt, den Schöpfer jener Hypothese genannt, so hätte die Wahrheit nichts dadurch verloren, und die Ehre des Königl. Tadlers sehr viel gewonnen; aber schwerlich würden wir alsdenn etwas davon wissen. Dieses ist wohl oft der Fall mit den guten Gedanken und den guten Taten nicht bloß der Könige. Die Schreiberin der großen Welt-Geschichte, ich meine die historische Muse, hatte seit jeher eine kleine Ähnlichkeit mit den Erzählerinnen der kleinen Stadtgeschichte, sie begünstigte immer ein wenig das Skandal. Eben dieser König soll auch, wie Mariana erzählt, die Einrichtung des menschlichen Körpers fehlerhaft gefunden haben. Hätte sein Tadel auch hier nur die damaligen Systeme der Physiologie betroffen, so ist es schade, daß wir nicht mehr davon wissen. Vielleicht könnten unsere heutigen Ptolemäer noch etwas daraus lernen. Die historische Muse merkt ferner an, daß Alphonsus der Weise zwar ein Mann von großem Genie, aber stolz und von sehr unbändiger Zunge gewesen sei; daß er über seinen Beobachtungen des Himmels die Erde vergessen, und so die römische Königs-Krone verscherzt habe; endlich daß er von seinem Onkel Emanuel und den Großen des Reichs durch ein förmliches Dekret des Throns entsetzt worden sei, und dieses zwar, wie uns die Muse durch den Jesuiten Mariana versichern läßt, wegen seines frechen Tadels der Schöpfung, von Rechts wegen. (Weidleri Hist. Astron. Cap. XII. Sect. XVIII.) – Sehr merkwürdig sind hier die Äußerungen eines andern Niklas, wie ihn einmal der Jesuit Riccioli nennt, der damit auf den Copernicus unfehlbar etwas spöttisch deutet, nämlich des Kardinals Nicolaus de Cusa oder Cusanus, eines sehr gelehrten Deutschen, der, außer mehrern theologischen, mathematischen und naturhistorischen Werken, auch ein Buch de docta ignorantia geschrieben hat. In diesem rechnet er es den Alten ausdrücklich zur Unwissenheit an, wenn sie geglaubt haben, die Erde stünde stille. Seine Worte sind in der Tat stark: Iam nobis manifestum est, sagt er, terram istam in veritate moveri, licet hoc nobis non appareat, cum non apprehendamus motum, nisi per quandam comparationem ad Fixum etc. Man findet die Stelle mit andern hieher gehörigen aus eben diesem Buche, in Ricciolii Alm. nov. Lib. IX. sect. IV. cap. II beisammen. Indessen widerspricht sich der Kardinal wieder in andern seiner Schriften; er besönne sich da eines Bessern, sagt der sonst gelehrte und scharfsinnige Jesuit, der bis an sein Ende ex officio glaubte, die Erde ruhe, aber doch, weil er schon die Jupiters-Trabanten gesehen hatte, dem Copernicus so weit, (vermutlich ex officio ein wenig temporisierend,) nachgab, daß er schon außer dem Merkur und der Venus, auch den Mars um die Sonne laufen ließ. Nicolaus Cusanus starb 1464, also 9 Jahre früher als Copernicus geboren ward. – Daß es schon auf drittehalbhundert Jahre vor unsrer Zeitrechnung Menschen gegeben hat, die die Lehre von der Bewegung der Erde für unheilig erklärten, vermutlich um die herrliche Gelegenheit zu haben, diejenigen wenigstens zu verfolgen, die man nicht widerlegen konnte, davon hat uns Plutarch ein merkwürdiges Beispiel aufbewahrt. Er erzählt (de facie in orbe lunae) in der Person seines Lucius: Kleanthes habe den Aristarch der Irreligion wegen angeklagt, weil er die Bewegung der Erde gelehrt, und dadurch gleichsam die Lares der Natur und den Tempel der Vesta von der Stelle gerückt habe. – Nach einer andern Lesart soll, umgekehrt, Aristarch den Kleanthes angeklagt haben. Daß aber hier die Namen versetzt seien, erhellt nicht allein schon daraus, daß Aristarch bekanntlich die Bewegung der Erde um die Sonne lehrte, sondern daß auch nicht Kleanthes aus Samos war, wie in der verdorbenen Stelle gesagt wird, sondern Aristarch. Kleanthes war aus Assos. Dieses ist, soviel ich weiß, das einzige Beispiel vor unserer Zeitrechnung; nachher mehren sich die Beispiele von dieser praktischen Mönchs-Astronomie ins Unendliche, und die Kritik hat nicht nötig erst auszumachen, wer der Verfolger und wer der Verfolgte war. Ist es nicht sonderbar, daß es auf derselben Insel, (Sizilien) wo es vor mehr als 2000 Jahren dem Nicetas niemand wehrte, die Umdrehung der Erde um die Axe zu lehren, noch vor nicht gar langer Zeit Christon verboten war ein gleiches zu tun? Doch, dem Himmel sei Dank, die Zeiten sind vorbei, indem nunmehr selbst ein Landsmann des Nicetas, der Sizilianer Piazzi Man sehe die vortreffliche Vorrede zu seinem Werke: della Specola astronomica de' Regj studj di Palermo. In Palermo 1792. fol. seine Verwunderung über diese traurigen Verirrungen des menschlichen Geistes öffentlich bezeigen durfte. Die Menschenklasse, durch die die Vernunft so oft in Inquisition genommen ward, sieht sich nun endlich, umgekehrt, mit ihrem erbärmlichen Prozeß vor das Inquisitions-Gericht der Vernunft gezogen. Ketten und finstere Kerker werden freilich am Ende ihre Strafe da nicht sein, aber dafür immer ein für sie lästiges Stück Arbeit – die Pflicht weiser zu werden.

Beilage III

Copernicus erzählt seine Geschichte dem Pabst sehr sorgfältig, und setzt daher die ganze Stelle mit den Worten des Grundtextes selbst in die Dedikation. Es war also wohl diese Stelle hauptsächlich, die ihn zuerst zu seinen weitern Untersuchungen über die Bewegung der Erde um die Sonne spannte, denn die um ihre Axe enthielt die aus dem Cicero schon. Es ist aber eine ganz andere Frage, deren Untersuchung gar nicht hieher gehört, ob diese Worte des Plutarch wirklich jenen Copernicanischen Satz enthalten. Genug, daß er selbst sagt, er habe ihn darin gefunden, und wirklich kann man ihn auch, bei einer solchen Ideen-Jagd, wie die, worauf Copernicus ausging, leicht darin zu finden glauben. Daß er aber wirklich und ganz bestimmt darin liege, kann wohl mit Grunde nicht behauptet werden, sooft es auch, und selbst von berühmten Männern in diesem Fache, geglaubt worden ist. Das Feuer, um welches sich nach jenen Pythagoräern die Erde drehte, war nicht die Sonne, sondern die Sonne selbst drehte sich vielmehr um jenes Zentralfeuer, das sie bloß reflektierte. Man findet hierüber sehr gründliche Bemerkungen in Prof. J.A. Eberhards Abhandlung über die Astronomie des Thales, in dessen neuen vermischten Schriften, Halle 1788. 8. S.65 und in Herrn J.L. Schaubachs Programm über die Meinungen der Alten von unserm Sonnensystem, Meiningen 1796. 4. S.9. Im 5ten Kapitel des ersten Buchs seines Werks redet Copernicus ebenfalls vom Philolaus und dessen Gedanken und setzt hinzu: er sei Mathematicus non vulgaris gewesen, cujus visendi gratia Plato non distulerit Italiam petere. Auch diese Stelle zeigt, wie nötig es Copernicus fand, mit seinem Zeitalter über diese Dinge als mit Kindern und Schwachen zu sprechen. Seht, will er sagen, was ich da behaupte, das hat schon ehmals ein Mann gelehrt, dem sogar der Göttliche Plato zu Gefallen gereist ist, es kann also doch wohl so ganz einfältig nicht sein. Der gute Mann mußte sich also so viele Mühe geben, zu beweisen, daß er nicht der erste gewesen sei, als mancher Neuerer bei dieser Gelegenheit würde angewendet haben, das Gegenteil für sich darzutun. Unsere Zeiten sind aber denn doch gottlob! die bessern. Übrigens hätte Copernicus, wenn er gewollt hätte, die Zahl solcher Beweisstellen zu seinem Vorteil leicht vermehren können. Eine der deutlichsten und bestimmtesten ist wohl die, worin Archimedes die Meinung, daß sich die Erde um die Sonne bewege, dem Aristarch von Samos beilegt, (Arenarius Edit. Wallis. Oxon. 1676. 8. p.5.) die aber Copernicus, der sonst sowohl den Aristarch als den Archimedes in seinem Werk öfters anführt, nicht hat. Allein in den Schriften des Aristarch selbst findet sich auch nichts davon, und den Arenarius des Archimedes führt Copernicus nicht an. Doch schreibt auch Plutarch an andern Stellen seiner Schriften, diesen Gedanken dem Aristarch zu (Eberhard a.a.O. S.75). Wallis findet die Stelle im Arenarius so wichtig, daß er, wo er von dem Wert dieses Buchs redet, hauptsächlich auch anführt, daß uns durch dasselbe die Meinung des Aristarch aufbewahrt worden wäre, die schon das Copernicanische System enthalte, und ohne dasselbe wohl möchte verloren gegangen sein. Man lernt aber auch aus dieser Stelle noch mehr, nämlich dieses, daß die damaligen Copernicaner ihre Lehre nicht mit sonderlichen Gründen müssen unterstützt haben, weil sie sonst wohl den Archimedes vermutlich überzeugt hätten, der, aus allem zu schließen, was wir von diesem außerordentlichen Manne wissen, den Gründen des Copernicus schwerlich seinen Beifall würde haben versagen können.

Beilage IV

Die Stelle befindet sich im 8ten Kapitel des ersten Buchs und heißt so: Cum ergo motus circularis sit universorum, partium vero etiam rectus, dicere possumus manere cum recto circularem, sicut cum aegro animal. So steht sie in allen 3 Ausgaben des Buchs. Mulerius aber bezeichnet in der seinigen und neuesten das Wort aegro mit einem (†), setzt auf den Rand equo und erklärt in einer angehängten Note es müsse equo heißen. Der Sinn sei: die Kreisbewegung bleibe noch so in der geradelinigen, wie der allgemeine Begriff vom Tier überhaupt in dem besondern von einem Pferde. Ich glaube aber, daß aegro die wahre Lesart ist. Denn einige Perioden vorher sagte Copernicus: rectus (motus) supervenit iis, quae a loco suo naturali peregrinantur vel extraduntur, vel quomodolibet extra ipsum sunt, und bald darauf: rectus ergo motus non accidit, nisi rebus non recte se habentibus etc. Es scheint also Copernicus die geradelinige Bewegung in Rücksicht auf die allen Körpern auf der Erde gemeinschaftliche Kreisbewegung gleichsam als eine unnatürliche angesehen zu haben. Auf diese Weise wäre der Sinn obiger Worte der: der Körper der sich in der geraden Linie bewegt, behält die natürliche, aller gemeinen Kreisbewegung dennoch immer bei, geradeso wie der Kranke, obgleich in einem unnatürlichen Zustand (non recte se habens) dennoch die Natur des Tieres beibehält. So wie der Zustand des Kranken ein aus der Natur des Tieres und der Krankheit zusammengesetzter Zustand ist, ebenso ist jene geradelinige Bewegung aus der geradelinigen und kreisförmigen zusammengesetzt.

Beilage V

Alles dieses zu erläutern wird folgende Betrachtung dienen: Gesetzt die Erde laufe um die Sonne ohne sich um ihre Axe zu drehen, das heißt so, daß jeder Durchmesser derselben bei der Fortbewegung immer in Lagen käme, die allen, die er vorher hatte, parallel wären: so würde ein Auge in der Sonne in einem Jahre alle Seiten der Erde zu sehen bekommen. Es würde ihm vorkommen als habe sich die Erde einmal um eine Axe gedreht, die senkrecht auf der Ebne der Bahn stund, und zwar in einer Richtung, die der Richtung der Bewegung in der Bahn gerade entgegengesetzt wäre. Diese Umdrehung um eine Axe, die bloß scheinbar und eine Folge des Umlaufs um die Sonne ist, hielt Copernicus für eine reelle. Nun drehe sich aber die Erde würklich um eine Axe z.B. 365mal im Jahre, und zwar wollen wir, der Leichtigkeit wegen, den dieser Fall für die Vorstellung hat, annehmen, diese Axe falle in die Ebne der Bahn selbst, und bliebe sich bei der Fortbewegung der Erde in der Bahn immer ebenso parallel, als sich vorher alle Durchmesser derselben geblieben waren, was wird die Folge sein? Das Auge in der Sonne würde alle die 365 Umwälzungen um die Axe gesehen, und zugleich würde es ihm geschienen haben, als hätte sich die Erde auch einmal um eine auf die Bahn senkrecht stehende Axe gedreht. Denn 2mal befand sich das Auge in der Linie der verlängerten Axe, und an entgegengesetzter Seite des Äquators der Kugel, und 2mal in der Ebne des Äquators, an entgegengesetzten Seiten der Axe. Diese scheinbare Umdrehung ist eben die, die wir vorher betrachtet haben. Nun ging aber Copernicus stillschweigends von dem Satz als Grundsatz aus: die natürliche Bewegung einer Kugel, die sich in einem Kreise fortbewege, ohne sich um ihre Axe zu drehen sei die, daß sie dem Mittelpunkt des Kreises immer dieselbe Seite zukehre, (dieses ist die Keplerische Idee). Wendet man nun dieses auf unsern zweiten Fall an, da die Erde sich um eine Axe dreht, die in der Ebne ihrer Bahn liegt und sagt, die Axe habe gleich anfangs einen rechten Winkel mit dem Radius der Bahn gemacht, so würde sie nur nach der Mechanik des Copernicus immerweg einen rechten Winkel mit dem Radius haben machen müssen, und die Tage wären sich alle einander und in diesem besondern Falle auch den Nächten gleich gewesen. Hätte aber nun Copernicus gefunden, daß dieses nicht wäre, sondern daß sich die Tage sowohl als die Nächte sehr ungleich wären, und sich die Sache vielmehr gerade so verhielte, als machte die Erdaxe nicht immer denselben Winkel mit dem Radius der Bahn, sondern bliebe sich vielmehr immer selbst parallel; so mußte er um seinem Grundsatze getreu zu bleiben notwendig sagen: während die Erde, z.B. 30 Grade, in ihrer Bahn von Westen nach Osten fortrückt, dreht sich ihre Axe um einen Winkel von 30 Graden rückwärts von Osten nach Westen, oder mit andern Worten: während die Erde in ihrer Bahn um einen gewissen Bogen fortrückt, dreht sie sich um einen ebenso großen Bogen rückwärts um eine Axe, die auf der Ebne ihrer Bahn senkrecht steht. Dieses ist nun jene dritte Bewegung der Erde. Man begreift leicht, daß alle diese Schlüsse dieselben, wenn die Axe der Erde gegen ihre Bahn geneigt wäre. Denn denkt man sich in unserm Falle eine Ebne durch die Axe der Erde senkrecht auf die Bahn, das ist einen Meridian, der senkrecht auf der Bahn steht; so wird alles, was von dem Drehen der Axe gesetzt worden ist nun von diesem senkrechten Meridian gelten. Da aber alle Axen, die man sich denken kann, bei ihren Neigungen gegen die Bahn in diesen Meridian fallen müssen; so gilt es auch von allen. Stünde die Axe der Erde selbst auf der Bahn senkrecht, so ist freilich keine Drehung nötig, denn da folgt der Parallelismus der Axe schon unmittelbar aus dem Copernicanischen Grundsatze selbst. Weil nun jede Linie, die senkrecht auf der Erdbahn steht, unendlich verlängert in die Pole der Ekliptik trifft, so läßt sich auch der Copernicanische Satz so ausdrücken, wie im Texte geschehen ist: die Erde dreht sich des Jahrs einmal um die Pole der Ekliptik in einer Richtung, die ihm in ihrer Bahn entgegen gesetzt ist.


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