Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Gruß an Barbusse

Bei Besetzung des Ruhrgebietes
1922

Ins hannoversche Grau meiner Birken und Haiden
Schwer hing mein Schlaf, da die Gnade mich mied,
Pochte ans bleierne Tor meiner Leiden
Lied junger Seele, französisches Lied.
»Ich«, sprach es, »bringe das Licht der Provence,
Luft von Paris und der Seine Gestad.
Dich grüßt la belle, dich grüßt la France.
Mut, Kamrad!«

Und ich nahm's an mein Herz und vom Tisch dem entleerten
Fromm brach ich Brot ... Da erklirrte ein Schwert.
Feuer lustjauchzten ins Land der Entehrten,
Weil mir der Sohn fiel und Asche mein Herd ...
Damals im blutgen August Eurer Tänze
Hing ich vereinsamt am Kreuz aller Pein,
All Ihr verteiltet rühmende Kränze.
Ich sprach: Nein!

Doch der Tag kam, (Du weißt ihn Barbusse), da sie krochen
Tiere aus Gräbern im rostigen Feld,
Seelen geschändet, zerbrochene Knochen,
Britten sie, Russen sie, Franzen gesellt,
Sterbend gesellt und aus Sterbender Munde
Ein Name, ein deutscher: »Karl Liebknecht«, stieg.
Da küßten wir uns und schwuren im Bunde:
Nie mehr Krieg!

Ist das Herz denn so eng, daß die völkische Enge
Vogesen uns, Rhein oder Nordsee trennt?
Wandern nicht erdenrund Geistesgesänge
Tauchend ins kosmische Urelement?
Nie mehr von Schuld oder Schulden zu reden,
Haben geschworen wir und in Geduld
Jeder wollt tragen für einen Jeden
Aller Schuld.

Ja! geschworen wir habens, Barbusse, weil wir Seele,
Tropfen vom Blute des Volkes wir sind,
Daß Jeder selber sich Heimat erwähle,
Wenn Spinne Gewalt unser Nesselhemd spinnt. –
Soll wieder das gräßliche Pendel schwingen:
Heut Ihr, morgen Wir? Geschlecht auf Geschlecht?
Soll wieder die Vettel Volkswahn singen:
»Macht vor Recht«?

Weh! wieder, schon wieder betrogene Massen
Harren im Raubkleid der Soldaterei
Wieder die Kranken aus krankendem Hassen
Wickeln in Gottheit ihr Schachermachei.
Um Eisen, um Kohle Europas Schacher
»Vaterland« ruft er, ruft: »Volk« und »Gebet«,
Wenn er verkäuft an das Häuflein Wacher
Dich, Prolet!

Von des Niederwalds Bug blickt die deutsche Walküre
Zornig zum zornig hinrollenden Rhein,
Daß er zur Rachetat Jugendkraft schüre
Wächst auf den Höhen um Bingen der Wein.
Blut rollt der Strom. Aus Herzen der Fremde
Saugt deutsche Rebe vergiftendes Naß
Geis bis zum letzten Groschen und Hemde:
Haß auf Haß!

Haltet ein! ... Luft, die Eure Gewehre durchdröhnen
Nährte Gottfrieds Herz, tränkte Wolframs Mund
Erbfeind hier nennen Euch Mütter den Söhnen
Lorelei reißt Eure Schiffe zu Grund.
Deutsche Meister zürnen die schlichten klaren
Deutsche Kaiser wachen die Täler lang.
Zieht die Schuh aus! Unsre Lüfte bewahren
Goethes Sang.

Unsrer Städte Getürme mit Bögen und Schnecken
Hüten Holbeins Wiege, Beethovens Gruft
Unsre Münster von Mainz und Köln schon recken
Euch drohend die Finger stumm in die Luft.
Sie warnen: Ehrt die verborgenen Mächte
Jahrtausend kaum sehn sie der Posse zu
Bevor sie verschlingen Gute und Schlechte
Nu im Nu.

Uns verkittet das Blut aus gemeinsamen Wunden
Liebe nicht Rechte kennt, Liebe nicht Pflicht.
Brüder voreinst und aufs neue verbunden
Bringen wir allen Verdammten das Licht.
Doch wollt ihr die lauernde Bestie entfachen
Dann frißt sie den kommenden Acker wüst,
Heute die Starken, morgen die Schwachen,
Zukunft büßt!

Weit seh ich hinaus ... Auf verschollenen Reichen
Friert Wüstenwald hungernder Wölfe Rast,
Gepriesener Städte steinerne Leichen
Sanken Sumpf zu Sumpf und Morast zu Morast.
Nun auf Europens geschichtlichen Tagen,
Wo der kaukasische Prahler gebot,
Bis der Bruder den Bruder erschlagen.
Tot liegt Tod!

*


 << zurück weiter >>