Gotthold Ephraim Lessing
Minna von Barnhelm
Gotthold Ephraim Lessing

 << zurück 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

5. Akt

1. Szene

Tellheim. Ha, Werner! ich suche dich überall. Wo steckst du?

Werner. Und ich habe Sie gesucht, Herr Major; so geht's mit dem Suchen. – Ich bringe Ihnen gar eine gute Nachricht.

Tellheim. Ah, ich brauche jetzt nicht deine Nachrichten: ich brauche dein Geld. Geschwind, Werner, gib mir, soviel du hast; und denn suche so viel aufzubringen, als du kannst.

Werner. Herr Major? – Nun, bei meiner armen Seele, habe ich's doch gesagt: er wird Geld von mir borgen, wenn er selber welches zu verleihen hat.

Tellheim. Du suchst doch nicht Ausflüchte?

Werner. Damit ich ihm nichts vorzuwerfen habe, so nimmt er mir's mit der Rechten und gibt mir's mit der Linken wieder.

Tellheim. Halte mich nicht auf, Werner! – Ich habe den guten Willen, dir es wiederzugeben, aber wenn und wie? – Das weiß Gott!

Werner. Sie wissen es also noch nicht, daß die Hofstaatskasse Ordre hat, Ihnen Ihre Gelder zu bezahlen? Eben erfuhr ich es bei –

Tellheim. Was plauderst du? Was lässest du dir weismachen? Begreifst du denn nicht, daß, wenn es wahr wäre, ich es doch wohl am ersten wissen müßte? – Kurz, Werner, Geld! Geld!

Werner. Je nu, mit Freuden! hier ist was! – das sind die hundert Louisdor und das die hundert Dukaten. / (gibt ihm beides.)

Tellheim. Die hundert Louisdor, Werner, geh und bringe Justen. Er soll sogleich den Ring wieder einlösen, den er heute früh versetzt hat. – Aber wo wirst du mehr hernehmen, Werner? – Ich brauche weit mehr.

Werner. Dafür lassen Sie mich sorgen. – Der Mann, der mein Gut gekauft hat, wohnt in der Stadt. Der Zahlungstermin wäre zwar erst in vierzehn Tagen, aber das Geld liegt parat, und ein halb Prozentchen Abzug –

Tellheim. Nun ja, lieber Werner! – Siehst du, daß ich meine einzige Zuflucht zu dir nehme? – Ich muß dir auch alles vertrauen. Das Fräulein hier – du hast sie gesehn – ist unglücklich –

Werner. O Jammer!

Tellheim. Aber morgen ist sie meine Frau –

Werner. O Freude!

Tellheim. Und übermorgen geh ich mit ihr fort. Ich darf fort, ich will fort. Lieber hier alles im Stiche gelassen! Wer weiß, wo mir sonst ein Glück aufgehoben ist. Wenn du willst, Werner, so komm mit. Wir wollen wieder Dienste nehmen.

Werner. Wahrhaftig? – Aber doch wo's Krieg gibt, Herr Major?

Tellheim. Wo sonst? – Geh, lieber Werner, wir sprechen davon weiter.

Werner. O Herzensmajor! – Übermorgen? Warum nicht lieber morgen? – Ich will schon alles zusammenbringen – In Persien, Herr Major, gibt's einen trefflichen Krieg; was meinen Sie?

Tellheim. Wir wollen das überlegen; geh nur, Werner! –

Werner. Juchhe! es lebe der Prinz Heraklius! (Geht ab.)

2. Szene

Tellheim. Wie is mir? – Meine ganze Seele hat neue Triebfedern bekommen. Mein eignes Unglück schlug mich nieder, machte mich ärgerlich, kurzsichtig, schüchtern, lässig: ihr Unglück hebt mich empor, ich sehe wieder frei um mich und fühle mich willig und stark, alles für sie zu unternehmen – Was verweile ich? (Will nach dem Zimmer des Fräuleins, aus dem ihm Franziska entgegenkömmt.)

3. Szene

Franziska. Sind Sie es doch? – Es war mir, als ob ich Ihre Stimme hörte. – Was wollen Sie, Herr Major?

Tellheim. Was ich will? – Was macht dein Fräulein? – Komm! –

Franziska. Sie will den Augenblick ausfahren.

Tellheim. Und allein? ohne mich? wohin?

Franziska. Haben Sie vergessen, Herr Major? –

Tellheim. Bist du nicht klug, Franziska? – Ich habe sie gereizt, und sie ward empfindlich: ich werde sie um Vergebung bitten, und sie wird mir vergeben.

Franziska. Wie? – Nachdem Sie den Ring zurückgenommen, Herr Major?

Tellheim. Ha! – Das tat ich in der Betäubung. – Jetzt denk ich erst wieder an den Ring. – Wo habe ich ihn hingesteckt? – (Er sucht ihn.) Hier ist er.

Franziska. Ist er das? (Indem er ihn wieder einsteckt, beiseite.) Wenn er ihn doch genauer besehen wollte!

Tellheim. Sie drang mir ihn auf mit einer Bitterkeit – Ich habe diese Bitterkeit schon vergessen. Ein volles Herz kann die Worte nicht wägen. – Aber sie wird sich auch keinen Augenblick weigern, den Ring wieder anzunehmen. – Und habe ich nicht noch ihren?

Franziska. Den erwartet sie dafür zurück. – Wo haben Sie ihn denn, Herr Major? Zeigen Sie mir ihn doch.

Tellheim (etwas verlegen). Ich habe – ihn anzustecken vergessen. – Just – Just wird mir ihn gleich nachbringen.

Franziska. Es ist wohl einer ziemlich wie der andere; lassen Sie mich doch diesen sehen; ich sehe so was gar zu gern.

Tellheim. Ein andermal, Franziska. Jetzt komm

Franziska (beiseite). Er will sich durchaus nicht aus seinem Irrtume bringen lassen.

Tellheim. Was sagst du? Irrtume?

Franziska. Es ist ein Irrtum, sag ich, wenn Sie meinen, daß das Fräulein doch noch eine gute Partie sei. Ihr eigenes Vermögen ist gar nicht beträchtlich; durch ein wenig eigennützige Rechnungen können es ihr die Vormünder völlig zu Wasser machen. Sie erwartete alles von dem Oheim, aber dieser grausame Oheim –

Tellheim. Laß ihn doch! – Bin ich nicht Manns genug, ihr einmal alles zu ersetzen? –

Franziska. Hören Sie? Sie klingelt; ich muß herein.

Tellheim. Ich gehe mit dir.

Franziska. Um des Himmels willen nicht! Sie hat mir ausdrücklich verboten, mit Ihnen zu sprechen. Kommen Sie wenigstens mir erst nach. – (Geht herein.)

4. Szene

Tellheim (ihr nachrufend). Melde mich ihr! – Sprich für mich, Franziska! – Ich folge dir sogleich! – Was werde ich ihr sagen? – Wo das Herz reden darf, braucht es keiner Vorbereitung. – Das einzige möchte eine studierte Wendung bedürfen: ihre Zurückhaltung, ihre Bedenklichkeit, sich als unglücklich in meine Arme zu werfen; ihre Beflissenheit, mir ein Glück vorzuspiegeln, das sie durch mich verloren hat. Dieses Mißtrauen in meine Ehre, in ihren eigenen Wert vor ihr selbst zu entschuldigen, vor ihr selbst – Vor mir ist es schon entschuldiget! – Ha! hier kömmt sie. –

5. Szene

Fräulein (im Heraustreten, als ob sie den Major nicht gewahr würde). Der Wagen ist doch vor der Türe, Franziska? – Meinen Fächer!

Tellheim (auf sie zu). Wohin, mein Fräulein?

Fräulein (mit einer affektierten Kälte). Aus, Herr Major. – Ich errate, warum Sie sich nochmals herbemühet haben: mir auch meinen Ring wieder zurückzugeben. – Wohl, Herr Major; haben Sie nur die Güte, ihn der Franziska einzuhändigen. – Franziska, nimm dem Herrn Major den Ring ab! – Ich habe keine Zeit zu verlieren. (Will fort.)

Tellheim (der ihr vortritt). Mein Fräulein! – Ah, was habe ich erfahren, mein Fräulein! Ich war so vieler Liebe nicht wert.

Fräulein. So, Franziska? Du hast dem Herrn Major –

Franziska. Alles entdeckt.

Tellheim. Zürnen Sie nicht auf mich, mein Fräulein. Ich bin kein Verräter. Sie haben um mich in den Augen der Welt viel verloren, aber nicht in den meinen. In meinen Augen haben Sie unendlich durch diesen Verlust gewonnen. Er war Ihnen noch zu neu; Sie fürchteten, er möchte einen allzu nachteiligen Eindruck auf mich machen; Sie wollten mir ihn vors erste verbergen. Ich beschwere mich nicht über dieses Mißtrauen. Es entsprang aus dem Verlangen, mich zu erhalten. Dieses Verlangen ist mein Stolz! Sie fanden mich selbst unglücklich; und Sie wollten Unglück nicht mit Unglück häufen. Sie konnten nicht vermuten, wie sehr mich Ihr Unglück über das meinige hinaussetzen würde.

Fräulein. Alles recht gut, Herr Major! Aber es ist nun einmal geschehen. Ich habe Sie Ihrer Verbindlichkeit erlassen; Sie haben durch Zurücknehmung des Ringes –

Tellheim. In nichts gewilliget! – Vielmehr halte ich mich jetzt für gebundener als jemals. – Sie sind die Meinige, Minna, auf ewig die Meinige. (Zieht den Ring heraus.) Hier, empfangen Sie es zum zweiten Male, das Unterpfand meiner Treue –

Fräulein. Ich diesen Ring wiedernehmen? diesen Ring?

Tellheim. Ja, liebste Minna, ja!

Fräulein. Was muten Sie mir zu? diesen Ring?

Tellheim. Diesen Ring nahmen Sie das erstemal aus meiner Hand, als unser beider Umstände einander gleich und glücklich waren. Sie sind nicht mehr glücklich, aber wiederum einander gleich. Gleichheit ist immer das festeste Band der Liebe. – Erlauben Sie, liebste Minna! – (Ergreift ihre Hand, um ihr den Ring anzustecken.)

Fräulein. Wie? mit Gewalt, Herr Major? – Nein, da ist keine Gewalt in der Welt, die mich zwingen soll, diesen Ring wieder anzunehmen! – Meinen Sie etwa, daß es mir an einem Ringe fehlt? – Oh, Sie sehen ja wohl (auf ihren Ring zeigend), daß ich hier noch einen habe, der Ihrem nicht das geringste nachgibt? –

Franziska. Wenn er es noch nicht merkt! –

Tellheim (indem er die Hand des Fräuleins fahren läßt). Was ist das? – Ich sehe das Fräulein von Barnhelm, aber ich höre es nicht. – Sie zieren sich, mein Fräulein. – Vergeben Sie, daß ich Ihnen dieses Wort nachbrauche.

Fräulein (in ihrem wahren Tone). Hat Sie dieses Wort beleidiget, Herr, Major?

Tellheim. Es hat mir weh getan.

Fräulein (gerührt). Das sollte es nicht, Tellheim. – Verzeihen Sie mir, Tellheim.

Tellheim. Ha, dieser vertrauliche Ton sagt mir, daß Sie wieder zu sich kommen, mein Fräulein, daß Sie mich noch lieben, Minna. –

Franziska (herausplatzend). Bald wäre der Spaß auch zu weit gegangen. –

Fräulein (gebieterisch). Ohne dich in unser Spiel zu mengen, Franziska, wenn ich bitten darf!

Franziska (beiseite und betroffen). Noch nicht genug?

Fräulein. Ja, mein Herr, es wäre weibliche Eitelkeit, mich kalt und höhnisch zu stellen. Weg damit! Sie verdienen es, mich ebenso wahrhaft zu finden, als Sie selbst sind. – Ich liebe Sie noch, Tellheim, ich liebe Sie noch, aber demohngeachtet –

Tellheim. Nicht weiter, liebste Minna, nicht weiter! (Ergreift ihre Hand nochmals, ihr den Ring anzustecken.)

Fräulein (die ihre Hand zurückzieht). Demohngeachtet – um so viel mehr werde ich dieses nimmermehr geschehen lassen; nimmermehr! – Wo denken Sie hin, Herr Major? – Ich meinte, Sie hätten an Ihrem eigenen Unglücke genug. – Sie müssen hierbleiben; Sie müssen sich die allervollständigste Genugtuung – ertrotzen. Ich weiß in der Geschwindigkeit kein ander Wort. – Ertrotzen – und sollte Sie auch das äußerste Elend, vor den Augen Ihrer Verleumder, darüber verzehren!

Tellheim. So dacht' ich, so sprach ich, als ich nicht wußte, was ich dachte und sprach. Ärgernis und verbissene Wut hatten meine ganze Seele umnebelt; die Liebe selbst in dem vollesten Glanze des Glückes konnte sich darin nicht Tag schaffen. Aber sie sendet ihre Tochter, das Mitleid, die, mit dem finstern Schmerze vertrauter, die Nebel zerstreuet und alle Zugänge meiner Seele den Eindrücken der Zärtlichkeit wiederum öffnet. Der Trieb der Selbsterhaltung erwacht, da ich etwas Kostbarers zu erhalten habe als mich und es durch mich zu erhalten habe. Lassen Sie mich, mein Fräulein, das Wort Mitleid nicht beleidigen. Von der unschuldigen Ursache unsers Unglücks können wir es ohne Erniedrigung hören. Ich bin diese Ursache; durch mich, Minna, verlieren Sie Freunde und Anverwandte, Vermögen und Vaterland. Durch mich, in mir müssen Sie alles dieses wiederfinden, oder ich habe das Verderben der Liebenswürdigsten Ihres Geschlechts auf meiner Seele. Lassen Sie mich keine Zukunft denken, wo ich mich selbst hassen müßte. – Nein, nichts soll mich hier länger halten. Von diesem Augenblicke an will ich dem Unrechte, das mir hier widerfährt, nichts als Verachtung entgegensetzen. Ist dieses Land die Welt? Geht hier allein die Sonne auf? Wo darf ich nicht hinkommen? Welche Dienste wird man mir verweigern? Und müßte ich sie unter dem entferntesten Himmel suchen: folgen Sie mir nur getrost, liebste Minna; es soll uns an nichts fehlen. – Ich habe einen Freund, der mich gern unterstützet.

6. Szene

Franziska (indem sie den Feldjäger gewahr wird). St! Herr Major –

Tellheim (gegen den Feldjäger). Zu wem wollen Sie?

Feldjäger. Ich suche den Herrn Major von Tellheim. – Ah, Sie sind es ja selbst. Mein Herr Major, dieses königliche Handschreiben (das er aus seiner Brieftasche nimmt) habe ich an Sie zu übergeben.

Tellheim. An mich?

Feldjäger. Zufolge der Aufschrift –

Fräulein. Franziska, hörst du? – Der Chevalier hat doch wahr geredet!

Feldjäger (indem Tellheim den Brief nimmt). Ich bitte um Verzeihung, Herr Major; Sie hätten es bereits gestern erhalten sollen, aber es ist mir nicht möglich gewesen, Sie auszufragen. Erst heute auf der Parade habe ich Ihre Wohnung von dem Leutnant Riccaut erfahren.

Franziska. Gnädiges Fräulein, hören Sie? – Das ist des Chevaliers Minister. – »Wie heißen der Minister da drauß auf die breite Platz?« –

Tellheim. Ich bin Ihnen für Ihre Mühe sehr verbunden.

Feldjäger. Es ist meine Schuldigkeit, Herr Major. (Geht ab.)

7. Szene

Tellheim. Ah, mein Fräulein, was habe ich hier? Was enthält dieses Schreiben?

Fräulein. Ich bin nicht befugt, meine Neugierde so weit zu erstrecken.

Tellheim. Wie? Sie trennen mein Schicksal noch von dem Ihrigen? – Aber warum steh ich an, es zu erbrechen? – Es kann mich nicht unglücklicher machen, als ich bin; nein, liebste Minna, es kann uns nicht unglücklicher machen – wohl aber glücklicher! – Erlauben Sie, mein Fräulein! (Erbricht und lieset den Brief, indes daß der Wirt an die Szene geschlichen kömmt.)

8. Szene

Wirt (gegen die Franziska). Bst! mein schönes Kind! auf ein Wort!

Franziska (die sich ihm nähert). Herr Wirt? – Gewiß, wir wissen selbst noch nicht, was in dem Briefe steht.

Wirt. Wer will vom Briefe wissen? – Ich komme des Ringes wegen. Das gnädige Fräulein muß mir ihn gleich wiedergeben. Just ist da, er soll ihn wieder einlösen.

Fräulein (das sich indes gleichfalls dem Wirte genähert). Sagen Sie Justen nur, daß er schon eingelöset sei; und sagen Sie ihm nur, von wem; von mir.

Wirt. Aber –

Fräulein. Ich nehme alles auf mich; gehen Sie doch! (Der Wirt geht ab.)

9. Szene

Franziska. Und nun, gnädiges Fräulein, lassen Sie es mit dem armen Major gut sein.

Fräulein. Oh, über die Vorbitterin! Als ob der Knoten sich nicht von selbst bald lösen müßte.

Tellheim (nachdem er gelesen, mit der lebhaftesten Rührung). Ha! er hat sich auch hier nicht verleugnet! – Oh, mein Fräulein, welche Gerechtigkeit! – welche Gnade! – Das ist mehr, als ich erwartet! – Mehr, als ich verdiene! – Mein Glück, meine Ehre, alles ist wiederhergestellt! – Ich träume doch nicht? (Indem er wieder in den Brief sieht, als um sich nochmals zu überzeugen.) Nein, kein Blendwerk meiner Wünsche! – Lesen Sie selbst, mein Fräulein, lesen Sie selbst!

Fräulein. Ich bin nicht so unbescheiden, Herr Major.

Tellheim. Unbescheiden? Der Brief ist an mich, an Ihren Tellheim, Minna. Er enthält – was Ihnen Ihr Oheim nicht nehmen kann. Sie müssen ihn lesen; lesen Sie doch!

Fräulein. Wenn Ihnen ein Gefalle damit geschieht, Herr Major – (Sie nimmt den Brief und lieset.) (»Mein lieber Major von Tellheim!) Ich tue Euch zu wissen, daß der Handel, der mich um Eure Ehre besorgt machte, sich zu Eurem Vorteil aufgekläret hat. Mein Bruder war des nähern davon unterrichtet, und sein Zeugnis hat Euch für mehr als unschuldig erkläret. Die Hofstaatskasse hat Ordre, Euch den bewußten Wechsel wieder auszuliefern und die getanen Vorschüsse zu bezahlen; auch habe ich befohlen, daß alles, was die Feldkriegskassen wider Eure Rechnungen urgieren, niedergeschlagen werde. Meldet mir, ob Euch Eure Gesundheit erlaubet, wieder Dienste zu nehmen. Ich möchte nicht gern einen Mann von Eurer Bravour und Denkungsart entbehren. Ich bin Euer wohlaffektionierter König« etc.

Tellheim. Nun, was sagen Sie hierzu, mein Fräulein?

Fräulein (indem sie den Brief wieder zusammenschlägt und zurückgibt). Ich? Nichts.

Tellheim. Nichts?

Fräulein. Doch ja: daß Ihr König, der ein großer Mann ist, auch wohl ein guter Mann sein mag. – Aber was geht mich das an? Er ist nicht mein König.

Tellheim. Und sonst sagen Sie nichts? Nichts in Rücksicht auf uns selbst?

Fräulein. Sie treten wieder in seine Dienste; der Herr Major wird Oberstleutnant, Oberster vielleicht. Ich gratuliere von Herzen.

Tellheim. Und Sie kennen mich nicht besser? – Nein, da mir das Glück so viel zurückgibt, als genug ist, die Wünsche eines vernünftigen Mannes zu befriedigen, soll es einzig von meiner Minna abhangen, ob ich sonst noch jemanden wieder zugehören soll als ihr. Ihrem Dienste allein sei mein ganzes Leben gewidmet! Die Dienste der Großen sind gefährlich und lohnen der Mühe, des Zwanges, der Erniedrigung nicht, die sie kosten. Minna ist keine von den Eiteln, die in ihren Männern nichts als den Titel und die Ehrenstelle lieben. Sie wird mich um mich selbst lieben; und ich werde um sie die ganze Welt vergessen. Ich ward Soldat aus Parteilichkeit, ich weiß selbst nicht für welche politische Grundsätze, und aus der Grille, daß es für jeden ehrlichen Mann gut sei, sich in diesem Stande eine Zeitlang zu versuchen, um sich mit allem, was Gefahr heißt, vertraulich zu machen und Kälte und Entschlossenheit zu lernen. Nur die äußerste Not hätte mich zwingen können, aus diesem Versuche eine Bestimmung, aus dieser gelegentlichen Beschäftigung ein Handwerk zu machen. Aber nun, da mich nichts mehr zwingt, nun ist mein ganzer Ehrgeiz wiederum einzig und allein, ein ruhiger und zufriedener Mensch zu sein. Der werde ich mit Ihnen, liebste Minna, unfehlbar werden; der werde ich in Ihrer Gesellschaft unveränderlich bleiben. – Morgen verbinde uns das heiligste Band; und sodann wollen wir um uns sehen und wollen in der ganzen weiten bewohnten Welt den stillsten, heitersten, lachendsten Winkel suchen, dem zum Paradiese nichts fehlt als ein glückliches Paar. Da wollen wir wohnen; da soll jeder unserer Tage – Was ist Ihnen, mein Fräulein? (Die sich unruhig hin und her wendet und ihre Rührung zu verbergen sucht.)

Fräulein (sich fassend). Sie sind sehr grausam, Tellheim, mir ein Glück so reizend darzustellen, dem ich entsagen muß. Mein Verlust –

Tellheim. Ihr Verlust? – Was nennen Sie Ihren Verlust? Alles, was Minna verlieren konnte, ist nicht Minna. Sie sind noch das süßeste, lieblichste, holdseligste, beste Geschöpf unter der Sonne, ganz Güte und Großmut, ganz Unschuld und Freude! – Dann und wann ein kleiner Mutwille; hier und da ein wenig Eigensinn – Desto besser! desto besser! Minna wäre sonst ein Engel, den ich mit Schaudern verehren müßte, den ich nicht lieben könnte. (Ergreift ihre Hand, sie zu küssen.)

Fräulein (die ihre Hand zurückzieht). Nicht so, mein Herr! – Wie auf einmal so verändert? – Ist dieser schmeichelnde, stürmische Liebhaber der kalte Tellheim? – Konnte nur sein wiederkehrendes Glück ihn in dieses Feuer setzen? – Er erlaube mir, daß ich bei seiner fliegenden Hitze für uns beide Überlegung behalte. – Als er selbst überlegen konnte, hörte ich ihn sagen, es sei eine nichtswürdige Liebe, die kein Bedenken trage, ihren Gegenstand der Verachtung auszusetzen. – Recht, aber ich bestrebe mich einer ebenso reinen und edeln Liebe als er. – Jetzt, da ihn die Ehre ruft, da sich ein großer Monarch um ihn bewirbt, sollte ich zugeben, daß er sich verliebten Träumereien mit mir überließe? daß der ruhmvolle Krieger in einen tändelnden Schäfer ausarte? – Nein, Herr Major, folgen Sie dem Wink Ihres bessern Schicksals –

Tellheim. Nun wohl! Wenn Ihnen die große Welt reizender ist, Minna – wohl! so behalte uns die große Welt! – Wie klein, wie armselig ist diese große Welt! – Sie kennen sie nur erst von ihrer Flitterseite. Aber gewiß, Minna, Sie werden – Es sei! Bis dahin, wohl! Es soll Ihren Vollkommenheiten nicht an Bewundrern fehlen, und meinem Glücke wird es nicht an Neidern gebrechen.

Fräulein. Nein, Tellheim, so ist es nicht gemeint! Ich weise Sie in die große Welt, auf die Bahn der Ehre zurück, ohne Ihnen dahin folgen zu wollen. – Dort braucht Tellheim eine unbescholtene Gattin! Ein sächsisches verlaufenes Fräulein, das sich ihm an den Kopf geworfen –

Tellheim (auffahrend und wild um sich sehend). Wer darf so sprechen? – Ah, Minna, ich erschrecke vor mir selbst, wenn ich mir vorstelle, daß jemand anders dieses gesagt hätte als Sie. Meine Wut gegen ihn würde ohne Grenzen sein.

Fräulein. Nun da! Das eben besorge ich. Sie würden nicht die geringste Spötterei über mich dulden, und doch würden Sie täglich die bittersten einzunehmen haben. – Kurz, hören Sie also, Tellheim, was ich fest beschlossen, wovon mich nichts in der Welt abbringen soll –

Tellheim. Ehe Sie ausreden, Fräulein – ich beschwöre Sie, Minna! – überlegen Sie es noch einen Augenblick, daß Sie mir das Urteil über Leben und Tod sprechen! –

Fräulein. Ohne weitere Überlegung! – So gewiß ich Ihnen den Ring zurückgegeben, mit welchem Sie mir ehemals Ihre Treue verpflichtet, so gewiß Sie diesen nämlichen Ring zurückgenommen: so gewiß soll die unglückliche Barnhelm die Gattin des glücklichern Tellheims nie werden!

Tellheim. Und hiermit brechen Sie den Stab, Fräulein?

Fräulein. Gleichheit ist allein das feste Band der Liebe. – Die glückliche Barnhelm wünschte, nur für den glücklichen Tellheim zu leben. Auch die unglückliche Minna hätte sich endlich überreden lassen, das Unglück ihres Freundes durch sich, es sei zu vermehren oder zu lindern. – Er bemerkte es ja wohl, ehe dieser Brief ankam, der alle Gleichheit zwischen uns wieder aufhebt, wie sehr zum Schein ich mich nur noch weigerte.

Tellheim. Ist das wahr, mein Fräulein? – Ich danke Ihnen, Minna, daß Sie den Stab noch nicht gebrochen. – Sie wollen nur den unglücklichen Tellheim? Er ist zu haben. (Kalt.) Ich empfinde eben, daß es mir unanständig ist, diese späte Gerechtigkeit anzunehmen, daß es besser sein wird, wenn ich das, was man durch einen so schimpflichen Verdacht entehrt hat, gar nicht wiederverlange. – Ja, ich will den Brief nicht bekommen haben. Das sei alles, was ich darauf antworte und tue! (Im Begriffe, ihn zu zerreißen.)

Fräulein (das ihm in die Hände greift). Was wollen Sie, Tellheim?

Tellheim. Sie besitzen.

Fräulein. Halten Sie!

Tellheim. Fräulein, er ist unfehlbar zerrissen, wenn Sie nicht bald sich anders erklären. – Alsdann wollen wir doch sehen, was Sie noch wider mich einzuwenden haben!

Fräulein. Wie? In diesem Tone? – So soll ich, so muß ich in meinen eigenen Augen verächtlich werden? Nimmermehr! Es ist eine nichtswürdige Kreatur, die sich nicht schämet, ihr ganzes Glück der blinden Zärtlichkeit eines Mannes zu verdanken!

Tellheim. Falsch, grundfalsch!

Fräulein. Wollen Sie es wagen, Ihre eigene Rede in meinem Munde zu schelten?

Tellheim. Sophistin! So entehrt sich das schwächere Geschlecht durch alles, was dem stärkern nicht ansteht? So soll sich der Mann alles erlauben, was dem Weibe geziemet? Welches bestimmte die Natur zur Stütze des andern?

Fräulein. Beruhigen Sie sich, Tellheim! – Ich werde nicht ganz ohne Schutz sein, wenn ich schon die Ehre des Ihrigen ausschlagen muß. So viel muß mir immer noch werden, als die Not erfordert. Ich habe mich bei unserm Gesandten melden lassen. Er will mich noch heute sprechen. Hoffentlich wird er sich meiner annehmen. Die Zeit verfließt. Erlauben Sie, Herr Major –

Tellheim. Ich werde Sie begleiten, gnädiges Fräulein. –

Fräulein. Nicht doch, Herr Major, lassen Sie mich –

Tellheim. Eher soll Ihr Schatten Sie verlassen! Kommen Sie nur, mein Fräulein, wohin Sie wollen, zu wem Sie wollen. Überall, an Bekannte und Unbekannte, will ich es erzählen, in Ihrer Gegenwart des Tages hundertmal erzählen, welche Bande Sie an mich verknüpfen, aus welchem grausamen Eigensinne Sie diese Bande trennen wollen –

10. Szene

Just (mit Ungestüm). Herr Major! Herr Major!

Tellheim. Nun?

Just. Kommen Sie doch geschwind, geschwind!

Tellheim. Was soll ich? Zu mir her! Sprich, was ist's?

Just. Hören Sie nur – (Redet ihm heimlich ins Ohr.)

Fräulein (indes beiseite zur Franziska). Merkst du was, Franziska?

Franziska. Oh, Sie Unbarmherzige! Ich habe hier gestanden wie auf Kohlen!

Tellheim (zu Justen). Was sagst du? – Das ist nicht möglich! – Sie? (Indem er das Fräulein wild anblickt.) – sag es laut; sag es ihr ins Gesicht! – Hören Sie doch, mein Fräulein! –

Just. Der Wirt sagt, das Fräulein von Barnhelm habe den Ring, welchen ich bei ihm versetzt, zu sich genommen; sie habe ihn für den ihrigen erkannt und wolle ihn nicht wieder herausgeben. –

Tellheim. Ist das wahr, mein Fräulein? – Nein, das kann nicht wahr sein!

Fräulein (lächelnd). Und warum nicht, Tellheim? – Warum kann es nicht wahr sein?

Tellheim (heftig). Nun, so sei es wahr! – Welch schreckliches Licht, das mir auf einmal aufgegangen! – Nun erkenne ich Sie, die Falsche, die Ungetreue!

Fräulein (erschrocken). Wer? wer ist diese Ungetreue?

Tellheim. Sie, die ich nicht mehr nennen will!

Fräulein. Tellheim!

Tellheim. Vergessen Sie meinen Namen! – Sie kamen hierher, mit mir zu brechen. Es ist klar! – Daß der Zufall so gern dem Treulosen zustatten kömmt! Er führte Ihnen Ihren Ring in die Hände. Ihre Arglist wußte mir den meinigen zuzuschanzen.

Fräulein. Tellheim, was für Gespenster sehen Sie! Fassen Sie sich doch, und hören Sie mich.

Franziska (vor sich). Nun mag sie es haben!

11. Szene

Werner. Hier bin ich schon, Herr Major! –

Tellheim (ohne ihn anzusehen). Wer verlangt dich? –

Werner. Hier ist Geld! tausend Pistolen!

Tellheim. Ich will sie nicht!

Werner. Morgen können Sie, Herr Major, über noch einmal so viel befehlen.

Tellheim. Behalte dein Geld!

Werner. Es ist ja Ihr Geld, Herr Major. – Ich glaube, Sie sehen nicht, mit wem Sie sprechen?

Tellheim. Weg damit! sag ich.

Werner. Was fehlt Ihnen? – Ich bin Werner.

Tellheim. Alle Güte ist Verstellung, alle Dienstfertigkeit Betrug.

Werner. Gilt das mir?

Tellheim. Wie du willst!

Werner. Ich habe ja nur Ihren Befehl vollzogen. –

Tellheim. So vollziehe auch den und packe dich!

Werner. Herr Major! (ärgerlich) ich bin ein Mensch –

Tellheim. Da bist du was Rechts!

Werner. Der auch Galle hat –

Tellheim. Gut! Galle ist noch das Beste, was wir haben.

Werner. Ich bitte Sie, Herr Major –

Tellheim. Wievielmal soll ich dir es sagen? Ich brauche dein Geld nicht!

Werner (zornig). Nun, so brauch es, wer da will! (Indem er ihm den Beutel vor die Füße wirft und beiseite geht.)

Fräulein (zur Franziska). Ah, liebe Franziska, ich hätte dir folgen sollen. Ich habe den Scherz zu weit getrieben. – Doch er darf mich ja nur hören – (Auf ihn zugehend.)

Franziska (die, ohne dem Fräulein zu antworten, sich Wernern nähert). Herr Wachtmeister! –

Werner (mürrisch). Geh Sie! –

Franziska. Hu! was sind das für Männer!

Fräulein. Tellheim! – Tellheim! (Der vor Wut an den Fingern naget, das Gesicht wegwendet und nichts höret.) – Nein, das ist zu arg! – Hören Sie mich doch! – Sie betrügen sich! – Ein bloßes Mißverständnis – Tellheim! – Sie wollen Ihre Minna nicht hören? – Können Sie einen solchen Verdacht fassen? – Ich mit Ihnen brechen wollen? – Ich darum hergekommen? – Tellheim!

12. Szene

eine Bediente. Gnädiges Fräulein, Ihro Exzellenz, der Graf! –

andere Bediente. Er kömmt, gnädiges Fräulein! –

Franziska (die ans Fenster gelaufen). Er ist es! er ist es!

Fräulein. Ist er's? – Oh, nun geschwind, Tellheim –

Tellheim (auf einmal zu sich selbst kommend). Wer? wer kömmt? Ihr Oheim, Fräulein? dieser grausame Oheim? – Lassen Sie ihn nur kommen, lassen Sie ihn nur kommen! – Fürchten Sie nichts! Er soll Sie mit keinem Blicke beleidigen dürfen! Er hat es mit mir zu tun. – Zwar verdienen Sie es um mich nicht –

Fräulein. Geschwind umarmen Sie mich, Tellheim, und vergessen Sie alles –

Tellheim. Ha, wenn ich wüßte, daß Sie es bereuen könnten! –

Fräulein. Nein, ich kann es nicht bereuen, mir den Anblick Ihres ganzen Herzens verschafft zu haben! – Ah, was sind Sie für ein Mann! – Umarmen Sie Ihre Minna, Ihre glückliche Minna; aber durch nichts glücklicher als durch Sie! (Sie fällt ihm in die Arme.) Und nun, ihm entgegen! –

Tellheim. Wem entgegen?

Fräulein. Dem besten Ihrer unbekannten Freunde.

Tellheim. Wie?

Fräulein. Dem Grafen, meinem Oheim, meinem Vater, Ihrem Vater – Meine Flucht, sein Unwille, meine Enterbung – hören Sie denn nicht, daß alles erdichtet ist? – Leichtgläubiger Ritter!

Tellheim. Erdichtet? – Aber der Ring? der Ring?

Fräulein. Wo haben Sie den Ring, den ich Ihnen zurückgegeben?

Tellheim. Sie nehmen ihn wieder? – Oh, so bin ich glücklich! – Hier, Minna! – (Ihn herausziehend.)

Fräulein. So besehen Sie ihn doch erst! – Oh, über die Blinden, die nicht sehen wollen! – Welcher Ring ist es denn? Den ich von Ihnen habe, oder den Sie von mir? – Ist es denn nicht eben der, den ich in den Händen des Wirts nicht lassen wollen?

Tellheim. Gott! was seh ich? was hör ich?

Fräulein. Soll ich ihn nun wiedernehmen? soll ich? – Geben Sie her, geben Sie her! (Reißt ihn ihm aus der Hand und steckt ihn ihm selbst an den Finger.) Nun? ist alles richtig?

Tellheim. Wo bin ich? – (Ihre Hand küssend.) O boshafter Engel! – mich so zu quälen!

Fräulein. Dieses zur Probe, mein lieber Gemahl, daß Sie mir nie einen Streich spielen sollen, ohne daß ich Ihnen nicht gleich darauf wieder einen spiele. – Denken Sie, daß Sie mich nicht auch gequälet hatten?

Tellheim. O Komödiantinnen, ich hätte euch doch kennen sollen.

Franziska. Nein, wahrhaftig; ich bin zur Komödiantin verdorben. Ich habe gezittert und gebebt und mir mit der Hand das Maul zuhalten müssen.

Fräulein. Leicht ist mir meine Rolle auch nicht geworden. – Aber so kommen Sie doch!

Tellheim. Noch kann ich mich nicht erholen. – Wie wohl, wie ängstlich ist mir! So erwacht man plötzlich aus einem schreckhaften Traume!

Fräulein. Wir zaudern. – Ich höre ihn schon.

13. Szene

Graf (im Hereintreten). Sie ist doch glücklich angelangt?

Fräulein (die ihm entgegenspringt). Ah, mein Vater! –

Graf. Da bin ich, liebe Minna! (Sie umarmend.) Aber was, Mädchen? (Indem er den Tellheim gewahr wird.) Vierundzwanzig Stunden erst hier und schon Bekanntschaft und schon Gesellschaft?

Fräulein. Raten Sie, wer es ist? –

Graf. Doch nicht dein Tellheim?

Fräulein. Wer sonst als er? – Kommen Sie, Tellheim! (Ihn dem Grafen zuführend.)

Graf. Mein Herr, wir haben uns nie gesehen, aber bei dem ersten Anblicke glaubte ich, Sie zu erkennen. Ich wünschte, daß Sie es sein möchten. – Umarmen Sie mich. – Sie haben meine völlige Hochachtung. Ich bitte um Ihre Freundschaft. – Meine Nichte, meine Tochter liebet Sie. –

Fräulein. Das wissen Sie, mein Vater! – Und ist sie blind, meine Liebe?

Graf. Nein, Minna, deine Liebe ist nicht blind, aber dein Liebhaber – ist stumm.

Tellheim (sich ihm in die Arme werfend). Lassen Sie mich zu mir selbst kommen, mein Vater! –

Graf. So recht, mein Sohn! Ich höre es; wenn dein Mund nicht plaudern kann, so kann dein Herz doch reden. – Ich bin sonst den Offizieren von dieser Farbe (auf Tellheims Uniform weisend) eben nicht gut. Doch Sie sind ein ehrlicher Mann, Tellheim; und ein ehrlicher Mann mag stecken, in welchem Kleide er will, man muß ihn lieben.

Fräulein. Oh, wenn Sie alles wüßten! –

Graf. Was hindert's, daß ich nicht alles erfahre? – Wo sind meine Zimmer, Herr Wirt?

Wirt. Wollen Ihro Exzellenz nur die Gnade haben, hier hereinzutreten.

Graf. Komm, Minna! Kommen Sie, Herr Major! (Geht mit dem Wirte und den Bedienten ab.)

Fräulein. Kommen Sie, Tellheim!

Tellheim. Ich folge Ihnen den Augenblick, mein Fräulein. Nur noch ein Wort mit diesem Manne! (Gegen Wernern sich wendend.)

Fräulein. Und ja ein recht gutes; mich dünkt, Sie haben es nötig. – Franziska, nicht wahr? (Dem Grafen nach.)

14. Szene

Tellheim (auf den Beutel weisend, den Werner weggeworfen). Hier, Just! – Hebe den Beutel auf, und trage ihn nach Hause. Geh! – (Just damit ab.)

Werner (der noch immer mürrisch im Winkel gestanden und an nichts teilzunehmen geschienen, indem er das hört). Ja, nun!

Tellheim (vertraulich auf ihn zugehend). Werner, wann kann ich die andern tausend Pistolen haben?

Werner (auf einmal wieder in seiner guten Laune). Morgen, Herr Major, morgen. –

Tellheim. Ich brauche dein Schuldner nicht zu werden, aber ich will dein Rentmeister sein. Euch gutherzigen Leuten sollte man allen einen Vormund setzen. Ihr seid eine Art Verschwender. – Ich habe dich vorhin erzürnt, Werner! –

Werner. Bei meiner armen Seele, ja! – Ich hätte aber doch so ein Tölpel nicht sein sollen. Nun seh ich's wohl. Ich verdiente hundert Fuchtel. Lassen Sie mir sie auch schon geben; nur weiter Keinen Groll, lieber Major! –

Tellheim. Groll? – (Ihm die Hand drückend.) Lies es in meinen Augen, was ich dir nicht alles sagen kann. – Ha! wer ein besseres Mädchen und einen redlichern Freund hat als ich, den will ich sehen! – Franziska, nicht wahr? (Geht ab.)

15. Szene

Franziska (vor sich). Ja gewiß, es ist ein gar zu guter Mann! – So einer kömmt mir nicht wieder vor. – Es muß heraus! (Schüchtern und verschämt sich Wernern nähernd.) Herr Wachtmeister! –

Werner (der sich die Augen wischt). Nu? –

Franziska. Herr Wachtmeister –

Werner. Was will Sie denn, Frauenzimmerchen?

Franziska. Seh Er mich einmal an, Herr Wachtmeister. –

Werner. Ich kann noch nicht; ich weiß nicht, was mir in die Augen gekommen.

Franziska. So seh Er mich doch an!

Werner. Ich fürchte, ich habe Sie schon zuviel angesehen, Frauenzimmerchen! – Nun, da seh ich Sie ja! Was gibt's denn?

Franziska. Herr Wachtmeister – braucht Er keine Frau Wachtmeisterin?

Werner. Ist das Ihr Ernst, Frauenzimmerchen?

Franziska. Mein völliger!

Werner. Zöge Sie wohl auch mit nach Persien?

Franziska. Wohin Er will!

Werner. Gewiß? – Holla! Herr Major! nicht groß getan! Nun habe ich wenigstens ein ebenso gutes Mädchen und einen ebenso redlichen Freund als Sie! – Geben Sie mir Ihre Hand, Frauenzimmerchen! Topp! – Über zehn Jahr' ist Sie Frau Generalin oder Witwe!


 << zurück