Gotthold Ephraim Lessing
Die Juden
Gotthold Ephraim Lessing

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Eilfter Auftritt

Martin Krumm. Lisette.

Lisette. Von dem werde ich wenig erfahren können. Entweder, er ist zu dumm, oder zu fein. Und beides macht unergründlich.

Martin Krumm. So, Jungfer Lisette? Das ist auch der Kerl darnach, daß er mich ausstechen sollte!

Lisette. Das hat er nicht nötig gehabt.

Martin Krumm. Nicht nötig gehabt? Und ich denke, wer weiß wie fest ich in Ihrem Herzen sitze.

Lisette. Das macht, Herr Vogt, Er denkt's. Leute von Seiner Art haben das Recht, abgeschmackt zu denken. Drum ärgre ich mich auch nicht darüber, daß Er's gedacht hat; sondern, daß Er mir's gesagt hat. Ich möchte wissen, was Ihn mein Herz angeht? Mit was für Gefälligkeiten, mit was für Geschenken hat Er sich denn ein Recht darauf erworben? – Man gibt die Herzen jetzt nicht mehr, so in den Tag hinein, weg. Und glaubt Er etwa, daß ich so verlegen mit dem meinigen bin? Ich werde schon noch einen ehrlichen Mann dazu finden, ehe ich's vor die Säue werfe.

Martin Krumm. Der Teufel, das verschnupft! Ich muß eine Prise Tabak darauf nehmen. – – Vielleicht geht es wieder mit dem Niesen fort. – (Er zieht die entwende Dose hervor, spielt einige Zeit in den Händen damit, und nimmt endlich, auf eine lächerlich hochmütige Art, eine Prise.)

Lisette (schielt ihn von der Seite an). Verzweifelt! wo bekömmt der Kerl die Dose her?

Martin Krumm. Belieben Sie ein Prischen?

Lisette. Oh, Ihre untertänige Magd, mein Herr Vogt! (Sie nimmt.)

Martin Krumm. Was eine silberne Dose nicht kann! – – Könnte ein Ohrwürmchen geschmeidiger sein?

Lisette. Ist es eine silberne Dose?

Martin Krumm. Wann's keine silberne wäre, so würde sie Martin Krumm nicht haben.

Lisette. Ist es nicht erlaubt, sie zu besehn?

Martin Krumm. Ja, aber nur in meinen Händen.

Lisette. Die Fasson ist vortrefflich.

Martin Krumm. Ja, sie wiegt ganzer fünf Lot.

Lisette. Nur der Fasson wegen möchte ich so ein Döschen haben.

Martin Krumm. Wenn ich sie zusammenschmelzen lasse, steht Ihnen die Fasson davon zu Dienste.

Lisette. Sie sind allzu gütig! – Es ist ohne Zweifel ein Geschenk?

Martin Krumm. Ja, sie kostet mir nicht einen Heller.

Lisette. Wahrhaftig, so ein Geschenk könnte ein Frauenzimmer recht verblenden! Sie können Ihr Glück damit machen, Herr Vogt. Ich wenigstens würde mich, wenn man mich mit silbernen Dosen anfiele, sehr schlecht verteidigen können. Mit so einer Dose hätte ein Liebhaber gegen mich gewonnen Spiel.

Martin Krumm. Ich versteh's, ich versteh's!

Lisette. Da sie Ihnen so nichts kostet, wollte ich Ihnen raten, Herr Vogt, sich eine gute Freundin damit zu machen – –

Martin Krumm. Ich versteh's, ich versteh's! –

Lisette (schmeichelnd). Wollten Sie mir sie wohl schenken? – –

Martin Krumm. O um Verzeihung! – – Man gibt die silbernen Dosen jetzt nicht mehr, so in den Tag hinein, weg. Und glaubt Sie denn, Jungfer Lisette, daß ich so verlegen mit der meinigen bin? Ich werde schon noch einen ehrlichen Mann dazu finden, ehe ich sie vor die Säue werfe.

Lisette. Hat man jemals eine dümmre Grobheit gefunden! – – Ein Herz einer Schnupftabaksdose gleich zu schätzen?

Martin Krumm. Ja, ein steinern Herz einer silbern Schnupftabaksdose – –

Lisette. Vielleicht würde es aufhören, steinern zu sein, wenn – – Doch alle meine Reden sind vergebens – – Er ist meiner Liebe nicht wert – – Was ich für eine gutherzige Närrin bin! – (will weinen) beinahe hätte ich geglaubt, der Vogt wäre noch einer von den ehrlichen Leuten, die es meinen, wie sie es reden –

Martin Krumm. Und was ich für ein gutherziger Narre bin, daß ich glaube, ein Frauenzimmer meine es, wie sie es red't! – Da, mein Lisettchen, weine Sie nicht! – (Er gibt ihr die Dose.) – Aber nun bin ich doch wohl Ihrer Liebe wert? – Zum Anfange verlange ich nichts, als nur ein Küßchen auf Ihre schöne Hand! – – (Er küßt sie.) Ah, wie schmeckt das! –

Zwölfter Auftritt

Das Fräulein. Lisette. Martin Krumm.

Das Fräulein (sie kömmt dazu geschlichen, und stößt ihn mit dem Kopfe auf die Hand). Ei! Herr Vogt, – küß Er mir doch meine Hand auch!

Lisette. Daß doch! – –

Martin Krumm. Ganz gern, gnädiges Fräulein – (Er will ihr die Hand küssen.)

Das Fräulein (gibt ihm eine Ohrfeige). Ihr Flegel, versteht Ihr denn keinen Spaß?

Martin Krumm. Den Teufel mag das Spaß sein!

Lisette. Ha! ha! ha! (Lacht ihn aus.) O ich bedaure Ihn, mein lieber Vogt – Ha! ha! ha!

Martin Krumm. So? und Sie lacht noch dazu? Ist das mein Dank? Schon gut, schon gut! (Gehet ab.)

Lisette. Ha! ha! ha!

Dreizehnter Auftritt

Lisette. Das Fräulein.

Das Fräulein. Hätte ich's doch nicht geglaubt, wenn ich's nicht selbst gesehen hätte. Du läßt dich küssen? und noch dazu vom Vogt?

Lisette. Ich weiß auch gar nicht, was Sie für Recht haben, mich zu belauschen? Ich denke, Sie gehen im Garten mit dem Fremden spazieren.

Das Fräulein. Ja, und ich wäre noch bei ihm, wenn der Papa nicht nachgekommen wäre. Aber so kann ich ja kein kluges Wort mit ihm sprechen. Der Papa ist gar zu ernsthaft – –

Lisette. Ei, was nennen Sie denn ein kluges Wort? Was haben Sie denn wohl mit ihm zu sprechen, das der Papa nicht hören dürfte?

Das Fräulein. Tausenderlei! – Aber du machst mich böse, wo du mich noch mehr fragst. Genug, ich bin dem fremden Herrn gut. Das darf ich doch wohl gestehn?

Lisette. Sie würden wohl greulich mit dem Papa zanken, wenn er Ihnen einmal so einen Bräutigam verschaffte? Und im Ernst, wer weiß, was er tut. Schade nur, daß Sie nicht einige Jahre älter sind: es könnte vielleicht bald zustande kommen.

Das Fräulein. Oh, wenn es nur am Alter liegt, so kann mich ja der Papa einige Jahr älter machen. Ich werde ihm gewiß nicht widersprechen.

Lisette. Nein, ich weiß noch einen bessern Rat. Ich will Ihnen einige Jahre von den meinigen geben, so ist uns allen beiden geholfen. Ich bin alsdann nicht zu alt, und Sie nicht zu jung.

Das Fräulein. Das ist auch wahr; das geht ja an!

Lisette. Da kömmt des Fremden Bedienter; ich muß mit ihm sprechen. Es ist alles zu Ihrem Besten – Lassen Sie mich mit ihm allein. – Gehen Sie.

Das Fräulein. Vergiß es aber nicht, wegen der Jahre – – Hörst du, Lisette?

Vierzehnter Auftritt

Lisette. Christoph.

Lisette. Mein Herr, Sie hungert oder durstet gewiß, daß Sie schon wiederkommen? nicht?

Christoph. Ja freilich! – – Aber wohlgemerkt, wie ich den Hunger und Durst erklärt habe. Ihr die Wahrheit zu gestehn, meine liebe Jungfer, so hatte ich schon, sobald ich gestern vom Pferde stieg, ein Auge auf Sie geworfen. Doch weil ich nur einige Stunden hierzubleiben vermeinte, so glaubte ich, es verlohne sich nicht der Mühe, mich mit Ihr bekannt zu machen. Was hätten wir in so kurzer Zeit können ausrichten? Wir hätten unsern Roman von hinten müssen anfangen. Allein es ist auch nicht allzusicher, die Katze bei dem Schwanze aus dem Ofen zu ziehen.

Lisette. Das ist wahr! nun aber können wir schon ordentlicher verfahren. Sie können mir Ihren Antrag tun; ich kann darauf antworten. Ich kann Ihnen meine Zweifel machen; Sie können mir sie auflösen. Wir können uns bei jedem Schritte, den wir tun, bedenken, und dürfen einander nicht den Affen im Sacke verkaufen. Hätten Sie mir gestern gleich Ihren Liebesantrag getan; es ist wahr, ich würde ihn angenommen haben. Aber überlegen Sie einmal, wieviel ich gewagt hätte, wenn ich mich nicht einmal nach Ihrem Stande, Vermögen, Vaterlande, Bedienungen und dergleichen mehr zu erkundigen Zeit gehabt hätte?

Christoph. Der Geier! wäre das aber auch so nötig gewesen? So viel Umstände? Sie könnten ja bei dem Heiraten nicht mehrere machen? –

Lisette. Oh! wenn es nur auf eine kahle Heirat angesehen wäre, so wär' es lächerlich, wenn ich so gewissenhaft sein wollte. Allein mit einem Liebesverständnisse ist es ganz etwas anders! Hier wird die schlechteste Kleinigkeit zu einem wichtigen Punkte. Also glauben Sie nur nicht, daß Sie die geringste Gefälligkeit von mir erhalten werden, wenn Sie meiner Neugierde nicht in allen Stücken ein Gnüge tun.

Christoph. Nu? wie weit erstreckt sich denn die?

Lisette. Weil man doch einen Diener am besten nach seinem Herrn beurteilen kann, so verlange ich vor allen Dingen zu wissen – –

Christoph. Wer mein Herr ist? Ha! ha! das ist lustig. Sie fragen mich etwas, das ich Sie gern selbst fragen möchte, wenn ich glaubte, daß Sie mehr wüßten, als ich.

Lisette. Und mit dieser abgedroschnen Ausflucht denken Sie durchzukommen? Kurz, ich muß wissen, wer Ihr Herr ist, oder unsre ganze Freundschaft hat ein Ende.

Christoph. Ich kenne meinen Herrn nicht länger, als seit vier Wochen. So lange ist es, daß er mich in Hamburg in seine Dienste genommen hat. Von da aus habe ich ihn begleitet, niemals mir aber die Mühe genommen, nach seinem Stande oder Namen zu fragen. So viel ist gewiß, reich muß er sein; denn er hat weder mich noch sich auf der Reise notleiden lassen. Und was brauch ich mich mehr zu bekümmern?

Lisette. Was soll ich mir von Ihrer Liebe versprechen, da Sie meiner Verschwiegenheit nicht einmal eine solche Kleinigkeit anvertrauen wollen? Ich würde nimmermehr gegen Sie so sein. Zum Exempel, hier habe ich eine schöne silberne Schnupftabaksdose – –

Christoph. Ja? nu? – –

Lisette. Sie dürften mich ein klein wenig bitten, so sagte ich Ihnen, von wem ich sie bekommen habe – –

Christoph. Oh! daran ist mir nun eben so viel nicht gelegen. Lieber möchte ich wissen, wer sie von Ihnen bekommen sollte?

Lisette. Über den Punkt habe ich eigentlich noch nichts beschlossen. Doch wenn Sie sie nicht sollten bekommen, so haben Sie es niemanden anders, als sich selbst zuzuschreiben. Ich würde Ihre Aufrichtigkeit gewiß nicht unbelohnt lassen.

Christoph. Oder vielmehr meine Schwatzhaftigkeit! Doch, so wahr ich ein ehrlicher Kerl bin, wann ich dasmal verschwiegen bin, so bin ich's aus Not. Denn ich weiß nichts, was ich ausplaudern könnte. Verdammt! wie gern wollte ich meine Geheimnisse ausschütten, wann ich nur welche hätte.

Lisette. Adieu! ich will Ihre Tugend nicht länger bestürmen. Nur wünsch ich, daß sie Ihnen bald zu einer silbernen Dose und einer Liebsten verhelfen möge, so wie sie Sie jetzt um beides gebracht hat. (Will geben.)

Christoph. Wohin? wohin? Geduld! (Beiseite.) Ich sehe mich genötigt, zu lügen. Denn so ein Geschenk werde ich mir doch nicht sollen entgehn lassen? Was wird's auch viel schaden?

Lisette. Nun, wollen Sie es näher geben? Aber, – – ich sehe schon, es wird Ihnen sauer. Nein, nein; ich mag nichts wissen –

Christoph. Ja, ja, Sie soll alles wissen! – – (Beiseite.) Wer doch recht viel lügen könnte! – Hören Sie nur! – Mein Herr ist – – ist einer von Adel. Er kömmt, – – wir kommen miteinander aus – – aus – – Holland. Er hat müssen – – gewisser Verdrüßlichkeiten wegen – – einer Kleinigkeit – – eines Mords wegen – – entfliehen –

Lisette. Was? eines Mords wegen?

Christoph. Ja, – – aber eines honetten Mords – – eines Duells wegen entfliehen. – Und jetzt eben – – ist er auf der Flucht – –

Lisette. Und Sie, mein Freund? – –

Christoph. Ich, bin auch mit ihm auf der Flucht. Der Entleibte hat uns – – will ich sagen, die Freunde des Entleibten haben uns sehr verfolgen lassen; und dieser Verfolgung wegen – – Nun können Sie leicht das übrige erraten. – – Was Geier, soll man auch tun? Überlegen Sie es selbst; ein junger naseweiser Laffe schimpft uns. Mein Herr stößt ihn übern Haufen. Das kann nicht anders sein! – Schimpft mich jemand, so tu ich's auch, – oder – oder schlage ihn hinter die Ohren. Ein ehrlicher Kerl muß nichts auf sich sitzen lassen.

Lisette. Das ist brav! solchen Leuten bin ich gut; denn ich bin auch ein wenig unleidlich. Aber sehen Sie einmal, da kömmt Ihr Herr! sollte man es ihm wohl ansehn, daß er so zornig, so grausam wäre?

Christoph. O kommen Sie! wir wollen ihm aus dem Wege gehn. Er möchte mir es ansehn, daß ich ihn verraten habe.

Lisette. Ich bin's zufrieden – –

Christoph. Aber die silberne Dose –

Lisette. Kommen Sie nur. (Beiseite.) Ich will erst sehen, was mir von meinem Herrn für mein entdecktes Geheimnis werden wird: Lohnt sich das der Mühe, so soll er sie haben.

Funfzehnter Auftritt

Der Reisende.

Der Reisende. Ich vermisse meine Dose. Es ist eine Kleinigkeit; gleichwohl ist mir der Verlust empfindlich. Sollte mir sie wohl der Vogt? – – Doch ich kann sie verloren haben, – ich kann sie aus Unvorsichtigkeit herausgerissen haben. – – Auch mit seinem Verdachte muß man niemand beleidigen. – Gleichwohl, – er drängte sich an mich heran; – er griff nach der Uhr: – ich ertappte ihn; könnte er auch nicht nach der Dose gegriffen haben, ohne daß ich ihn ertappt hätte?

Sechzehnter Auftritt

Martin Krumm. Der Reisende.

Martin Krumm (als er den Reisenden gewahr wird, will er wieder umkehren). Hui!

Der Reisende. Nu, nu, immer näher, mein Freund! – – (Beiseite.) Ist er doch so schüchtern, als ob er meine Gedanken wüßte! – – Nu? nur näher!

Martin Krumm (trotzig). Ach! ich habe nicht Zeit! Ich weiß schon, Sie wollen mit mir plaudern. Ich habe wichtigere Sachen zu tun. Ich mag Ihre Heldentaten nicht zehnmal hören. Erzählen Sie sie jemanden, der sie noch nicht weiß.

Der Reisende. Was höre ich? vorhin war der Vogt einfältig und höflich, jetzt ist er unverschämt und grob. Welches ist denn Eure rechte Larve?

Martin Krumm. Ei! das hat Sie der Geier gelernt, mein Gesicht eine Larve zu schimpfen. Ich mag mit Ihnen nicht zanken, – sonst – – (Er will fortgehen.)

Der Reisende. Sein unverschämtes Verfahren bestärkt mich in meinem Argwohne. – Nein, nein, Geduld! Ich habe Euch etwas Notwendiges zu fragen –

Martin Krumm. Und ich werde nichts drauf zu antworten haben, es mag so notwendig sein, als es will. Drum sparen Sie nur die Frage.

Der Reisende. Ich will es wagen – Allein, wie leid würde mir es sein, wann ich ihm unrecht täte. – – Mein Freund, habt Ihr nicht meine Dose gesehn? – Ich vermisse sie. – –

Martin Krumm. Was ist das für eine Frage? Kann ich etwas dafür, daß man sie Ihnen gestohlen hat? – – Für was sehen Sie mich an? für den Hehler? oder für den Dieb?

Der Reisende. Wer redt denn vom Stehlen? Ihr verratet Euch fast selbst – –

Martin Krumm. Ich verrate mich selbst? Also meinen Sie, daß ich sie habe? Wissen Sie auch, was das zu bedeuten hat, wenn man einen ehrlichen Kerl dergleichen beschuldigt. Wissen Sie's?

Der Reisende. Warum müßt Ihr so schreien? Ich habe Euch noch nichts beschuldigt. Ihr seid Euer eigner Ankläger. Dazu weiß ich eben nicht, ob ich großes Unrecht haben würde? Wen ertappte ich denn vorhin, als er nach meiner Uhr greifen wollte?

Martin Krumm. Oh! Sie sind ein Mann, der gar keinen Spaß versteht. Hören Sie's! – – (Beiseite.) Wo er sie nur nicht bei Lisetten gesehen hat – Das Mädel wird doch nicht närrisch sein, und sich damit breit machen – –

Der Reisende. Oh! ich verstehe den Spaß so wohl, daß ich glaube, Ihr wollt mit meiner Dose auch spaßen. Allein wenn man den Spaß zu weit treibt, verwandelt er sich endlich in Ernst. Es ist mir um Euren guten Namen leid. Gesetzt, ich wäre überzeugt, daß Ihr es nicht böse gemeint hättet, würden auch andre – –

Martin Krumm. Ach, – andre! – andre! – andre wären es längst überdrüssig, sich so etwas vorwerfen zu lassen. Doch, wenn Sie denken, daß ich sie habe: befühlen Sie mich, – – visitieren Sie mich – –

Der Reisende. Das ist meines Amts nicht. Dazu trägt man auch nicht alles bei sich in der Tasche.

Martin Krumm. Nun gut! damit Sie sehen, daß ich ein ehrlicher Kerl bin, so will ich meine Schubsäcke selber umwenden. – Geben Sie acht! – (Beiseite.) Es müßte mit dem Teufel zugehen, wenn sie herausfiele.

Der Reisende. O macht Euch keine Mühe!

Martin Krumm. Nein, nein: Sie sollen's sehn, Sie sollen's sehn. (Er wendet die eine Tasche um.) Ist da eine Dose? Brotkrümel sind drinne: das liebe Gut! (Er wendet die andere um.) Da ist auch nichts! Ja; – doch! ein Stückchen Kalender. – Ich hebe es der Verse wegen auf, die über den Monaten stehen. Sie sind recht schnurrig. – Nu, aber daß wir weiterkommen. Geben sie acht: da will ich den dritten umwenden. (Bei dem Umwenden fallen zwei große Bärte heraus.) Der Henker! was laß ich da fallen?

(Er will sie hurtig aufheben, der Reisende aber ist hurtiger, und erwischt einen davon.)

Der Reisende. Was soll das vorstellen?

Martin Krumm (beiseite). O verdammt! ich denke, ich habe den Quark lange von mir gelegt.

Der Reisende. Das ist ja gar ein Bart. (Er macht ihn vors Kinn.) Sehe ich bald einem Juden so ähnlich? – –

Martin Krumm. Ach geben Sie her! geben Sie her! Wer weiß, was Sie wieder denken? Ich schrecke meinen kleinen Jungen manchmal damit. Dazu ist er.

Der Reisende. Ihr werdet so gut sein, und mir ihn lassen. Ich will auch damit schrecken.

Martin Krumm. Ach! vexieren Sie sich nicht mit mir. Ich muß ihn wiederhaben. (Er will ihn aus der Hand reißen.)

Der Reisende. Geht, oder – –

Martin Krumm (beiseite). Der Geier! nun mag ich sehen, wo der Zimmermann das Loch gelassen hat. – – Es ist schon gut; es ist schon gut! Ich seh's, Sie sind zu meinem Unglücke hiehergekommen. Aber, hol mich alle Teufel, ich bin ein ehrlicher Kerl! und den will ich sehn, der mir etwas Schlimmes nachreden kann. Merken Sie sich das! Es mag kommen zu was es will, so kann ich es beschwören, daß ich den Bart zu nichts Bösem gebraucht habe. – (Geht ab.)

Siebzehnter Auftritt

Der Reisende.

Der Reisende. Der Mensch bringt mich selbst auf einen Argwohn, der ihm höchst nachteilig ist. – – Könnte er nicht einer von den verkappten Räubern gewesen sein? – Doch ich will in meiner Vermutung behutsam gehen.

Achtzehnter Auftritt

Der Baron. Der Reisende.

Der Reisende. Sollten Sie nicht glauben, ich wäre gestern mit den jüdischen Straßenräubern ins Handgemenge gekommen, daß ich einem davon den Bart ausgerissen hätte? (Er zeigt ihm den Bart.)

Der Baron. Wie verstehn Sie das, mein Herr? – – Allein, warum haben Sie mich so geschwind im Garten verlassen?

Der Reisende. Verzeihen Sie meine Unhöflichkeit. Ich wollte gleich wieder bei Ihnen sein. Ich ging nur meine Dose zu suchen, die ich hier herum muß verloren haben.

Der Baron. Das ist mir höchst empfindlich. Sie sollten noch bei mir zu Schaden kommen?

Der Reisende. Der Schade würde so groß nicht sein – – Allein betrachten Sie doch einmal diesen ansehnlichen Bart!

Der Baron. Sie haben mir ihn schon einmal gezeigt. Warum?

Der Reisende. Ich will mich Ihnen deutlicher erklären. Ich glaube – – Doch nein, ich will meine Vermutungen zurückhalten. – –

Der Baron. Ihre Vermutungen? Erklären Sie sich!

Der Reisende. Nein; ich habe mich übereilt. Ich könnte mich irren – –

Der Baron. Sie machen mich unruhig.

Der Reisende. Was halten Sie von Ihrem Vogt?

Der Baron. Nein, nein; wir wollen das Gespräch auf nichts anders lenken – – Ich beschwöre Sie bei der Wohltat, die Sie mir erzeigt haben, entdecken Sie mir, was Sie glauben, was Sie vermuten, worinne Sie sich könnten geirrt haben!

Der Reisende. Nur die Beantwortung meiner Frage kann mich antreiben, es Ihnen zu entdecken.

Der Baron. Was ich von meinem Vogte halte? – – Ich halte ihn für einen ganz ehrlichen und rechtschaffnen Mann.

Der Reisende. Vergessen Sie also, daß ich etwas habe sagen wollen.

Der Baron. Ein Bart, – Vermutungen, – der Vogt, – wie soll ich diese Dinge verbinden? – Vermögen meine Bitten nichts bei Ihnen? – Sie könnten sich geirrt haben? Gesetzt, Sie haben sich geirrt; was können Sie bei einem Freunde für Gefahr laufen?

Der Reisende. Sie dringen zu stark in mich. Ich sage Ihnen also, daß der Vogt diesen Bart aus Unvorsichtigkeit hat fallen lassen; daß er noch einen hatte, den er aber in der Geschwindigkeit wieder zu sich steckte; daß seine Reden einen Menschen verrieten, welcher glaubt, man denke von ihm ebensoviel Übels, als er tut; daß ich ihn auch sonst über einem nicht allzugewissenhaften – – wenigstens nicht allzuklugen Griffe, ertappt habe.

Der Baron. Es ist als ob mir die Augen auf einmal aufgingen. Ich besorge, – Sie werden sich nicht geirrt haben. Und Sie trugen Bedenken, mir so etwas zu entdecken? – Den Augenblick will ich gehn, und alles anwenden, hinter die Wahrheit zu kommen. Sollte ich meinen Mörder in meinem eignen Hause haben?

Der Reisende. Doch zürnen Sie nicht auf mich, wenn Sie, zum Glücke, meine Vermutungen falsch befinden sollten. Sie haben mir sie ausgepreßt, sonst würde ich sie gewiß verschwiegen haben.

Der Baron. Ich mag sie wahr oder falsch befinden, ich werde Ihnen allzeit dafür danken.

Neunzehnter Auftritt

Der Reisende (und hernach) Christoph.

Der Reisende. Wo er nur nicht zu hastig mit ihm verfährt! Denn so groß auch der Verdacht ist, so könnte der Mann doch wohl noch unschuldig sein. – Ich bin ganz verlegen. – – In der Tat ist es nichts Geringes, einem Herrn seine Untergebnen so verdächtig zu machen. Wenn er sie auch unschuldig befindet, so verliert er doch auf immer das Vertrauen zu ihnen. – Gewiß, wenn ich es recht bedenke, ich hätte schweigen sollen – Wird man nicht Eigennutz und Rache für die Ursachen meines Argwohns halten, wenn man erfährt, daß ich ihm meinen Verlust zugeschrieben habe? – Ich wollte ein Vieles darum schuldig sein, wenn ich die Untersuchung noch hintertreiben könnte –

Christoph (kömmt gelacht). Ha! ha! ha! wissen Sie, wer Sie sind, mein Herr?

Der Reisende. Wißt Ihr, daß Ihr ein Narr seid? Was fragt Ihr?

Christoph. Gut! wenn Sie es denn nicht wissen, so will ich es Ihnen sagen. Sie sind einer von Adel. Sie kommen aus Holland. Allda haben Sie Verdrüßlichkeiten und ein Duell gehabt. Sie sind so glücklich gewesen, einen jungen Naseweis zu erstechen. Die Freunde des Entleibten haben Sie heftig verfolgt. Sie haben sich auf die Flucht begeben. Und ich habe die Ehre, Sie auf der Flucht zu begleiten.

Der Reisende. Träumt Ihr, oder raset Ihr?

Christoph. Keines von beiden. Denn für einen Rasenden wäre meine Rede zu klug, und für einen Träumenden zu toll.

Der Reisende. Wer hat Euch solch unsinniges Zeug weisgemacht?

Christoph. O dafür ist gebeten, daß man mir's weismacht. Allein finden Sie es nicht recht wohl ausgesonnen? In der kurzen Zeit, die man mir zum Lügen ließ, hätte ich gewiß auf nichts Bessers fallen können. So sind Sie doch wenigstens vor weitrer Neugierigkeit sicher!

Der Reisende. Was soll ich mir aber aus alledem nehmen?

Christoph. Nichts mehr, als was Ihnen gefällt; das übrige lassen Sie mir. Hören Sie nur, wie es zuging. Man fragte mich nach Ihrem Namen, Stande, Vaterlande, Verrichtungen; ich ließ mich nicht lange bitten, ich sagte alles, was ich davon wußte; das ist: ich sagte, ich wüßte nichts. Sie können leicht glauben, daß diese Nachricht sehr unzulänglich war, und daß man wenig Ursache hatte, damit zufrieden zu sein. Man drang also weiter in mich; allein umsonst! Ich blieb verschwiegen, weil ich nichts zu verschweigen hatte. Doch endlich brachte mich ein Geschenk, welches man mir anbot, dahin, daß ich mehr sagte, als ich wußte; das ist: ich log.

Der Reisende. Schurke! ich befinde mich, wie ich sehe, bei Euch in feinen Händen.

Christoph. Ich will doch nimmermehr glauben, daß ich von ohngefähr die Wahrheit sollte gelogen haben?

Der Reisende. Unverschämter Lügner, Ihr habt mich in eine Verwirrung gesetzt, aus der – –

Christoph. Aus der Sie sich gleich helfen können, sobald Sie das schöne Beiwort, das Sie mir jetzt zu geben beliebten, bekannter machen.

Der Reisende. Werde ich aber alsdenn nicht genötiget sein, mich zu entdecken?

Christoph. Desto besser! so lerne ich Sie bei Gelegenheit auch kennen. – Allein, urteilen Sie einmal selbst, ob ich mir wohl, mit gutem Gewissen, dieser Lügen wegen ein Gewissen machen konnte? (Er zieht die Dose heraus.) Betrachten Sie diese Dose! Hätte ich Sie leichter verdienen können?

Der Reisende. Zeigt mir sie doch! – (Er nimmt sie in die Hand.) Was seh ich?

Christoph. Ha! ha! ha! Das dachte ich, daß Sie erstaunen würden. Nicht wahr, Sie lögen selber ein Gesetzchen, wenn Sie so eine Dose verdienen könnten.

Der Reisende. Und also habt Ihr mir sie entwendet?

Christoph. Wie? was?

Der Reisende. Eure Treulosigkeit ärgert mich nicht so sehr, als der übereilte Verdacht, den ich deswegen einem ehrlichen Mann zugezogen habe. Und Ihr könnt noch so rasend frech sein, mich überreden zu wollen, sie wäre ein, – – obgleich beinahe ebenso schimpflich erlangtes, – Geschenk? Geht! kommt mir nicht wieder vor die Augen!

Christoph. Träumen Sie, oder – – aus Respekt will ich das andre noch verschweigen. Der Neid bringt Sie doch nicht auf solche Ausschweifungen? Die Dose soll Ihre sein? Ich soll sie Ihnen, salva venia, gestohlen haben? Wenn das wäre; ich müßte ein dummer Teufel sein, daß ich gegen Sie selbst damit prahlen sollte. – Gut, da kömmt Lisette! Hurtig komm Sie; helf Sie mir doch, meinen Herrn wieder zurechte bringen.

Zwanzigster Auftritt

Lisette. Der Reisende. Christoph.

Lisette. O mein Herr, was stiften Sie bei uns für Unruhe! Was hat Ihnen denn unser Vogt getan? Sie haben den Herrn ganz rasend auf ihn gemacht. Man redt von Bärten, von Dosen, von Plündern; der Vogt weint und flucht, daß er unschuldig wäre, daß Sie die Unwahrheit redten. Der Herr ist nicht zu besänftigen, und jetzt hat er sogar nach dem Schulzen und den Gerichten geschickt, ihn schließen zu lassen. Was soll denn das alles heißen?

Christoph. Oh! das ist alles noch nichts, hör Sie nur, hör Sie, was er jetzt gar mit mir vorhat – –

Der Reisende. Ja freilich, meine liebe Lisette, ich habe mich übereilt. Der Vogt ist unschuldig. Nur mein gottloser Bedienter hat mich in diese Verdrüßlichkeiten gestürzt. Er ist's, der mir meine Dose entwandt hat, derenwegen ich den Vogt im Verdacht hatte; und der Bart kann allerdings ein Kinderspiel gewesen sein, wie er sagte. Ich geh, ich will ihm Genugtuung geben, ich will meinen Irrtum gestehn, ich will ihm, was er nur verlangen kann – –

Christoph. Nein, nein, bleiben Sie! Sie müssen mir erst Genugtuung geben. Zum Henker, so rede Sie doch, Lisette, und sage Sie, wie die Sache ist. Ich wollte, daß Sie mit Ihrer Dose am Galgen wäre! Soll ich mich deswegen zum Diebe machen lassen? Hat Sie mir sie nicht geschenkt?

Lisette. Ja freilich! und sie soll Ihm auch geschenkt bleiben.

Der Reisende. So ist es doch wahr? Die Dose gehört aber mir.

Lisette. Ihnen? das habe ich nicht gewußt.

Der Reisende. Und also hat sie wohl Lisette gefunden? und meine Unachtsamkeit ist an allen den Verwirrungen schuld? (Zu Christophen.) Ich habe Euch auch zuviel getan! Verzeiht mir! Ich muß mich schämen, daß ich mich so übereilen können.

Lisette (beiseite). Der Geier! nun werde ich bald klug. Oh! er wird sich nicht übereilt haben.

Der Reisende. Kommt, wir wollen – –

Einundzwanzigster Auftritt

Der Baron. Der Reisende. Lisette. Christoph.

Der Baron (kömmt hastig herzu). Den Augenblick, Lisette, stelle dem Herrn seine Dose wieder zu! Es ist alles offenbar; er hat alles gestanden. Und du hast dich nicht geschämt, von so einem Menschen Geschenke anzunehmen? Nun? wo ist die Dose?

Der Reisende. Es ist also doch wahr? – –

Lisette. Der Herr hat sie lange wieder. Ich habe geglaubt, von wem Sie Dienste annehmen können, von dem könne ich auch Geschenke annehmen. Ich habe ihn sowenig gekannt, wie Sie.

Christoph. Also ist mein Geschenk zum Teufel? Wie gewonnen, so zerronnen!

Der Baron. Wie aber soll ich, teuerster Freund, mich gegen Sie erkenntlich erzeigen? Sie reißen mich zum zweitenmal aus einer gleich großen Gefahr. Ich bin Ihnen mein Leben schuldig. Nimmermehr würde ich, ohne Sie, mein so nahes Unglück entdeckt haben. Der Schulze, ein Mann, den ich für den ehrlichsten auf allen meinen Gütern hielt, ist sein gottloser Gehilfe gewesen. Bedenken Sie also, ob ich jemals dies hätte vermuten können! Wären Sie heute von mir gereiset – –

Der Reisende. Es ist wahr – – so wäre die Hilfe, die ich Ihnen gestern zu erweisen glaubte, sehr unvollkommen geblieben. Ich schätze mich also höchst glücklich, daß mich der Himmel zu dieser unvermuteten Entdeckung ausersehen hat; und ich freue mich jetzt so sehr, als ich vorher, aus Furcht zu irren, zitterte.

Der Baron. Ich bewundre Ihre Menschenliebe, wie Ihre Großmut. O möchte es wahr sein, was mir Lisette berichtet hat!

Zweiundzwanzigster Auftritt

Das Fräulein und die Vorigen.

Lisette. Nun, warum sollte es nicht wahr sein?

Der Baron. Komm, meine Tochter, komm! Verbinde deine Bitte mit der meinigen: ersuche meinen Erretter, deine Hand, und mit deiner Hand mein Vermögen anzunehmen. Was kann ihm meine Dankbarkeit Kostbarers schenken, als dich, die ich ebensosehr liebe, als ihn? Wundern Sie sich nur nicht, wie ich Ihnen so einen Antrag tun könne. Ihr Bedienter hat uns entdeckt, wer Sie sind. Gönnen Sie mir das unschätzbare Vergnügen, erkenntlich zu sein! Mein Vermögen ist meinem Stande, und dieser dem Ihrigen gleich. Hier sind Sie vor Ihren Feinden sicher und kommen unter Freunde, die Sie anbeten werden. Allein Sie werden niedergeschlagen? Was soll ich denken?

Das Fräulein. Sind Sie etwa meinetwegen in Sorgen? Ich versichere Sie, ich werde dem Papa mit Vergnügen gehorchen.

Der Reisende. Ihre Großmut setzt mich in Erstaunen. Aus der Größe der Vergeltung, die Sie mir anbieten, erkenne ich erst, wie klein meine Wohltat ist. Allein, was soll ich Ihnen antworten? Mein Bedienter hat die Unwahrheit gered't, und ich –

Der Baron. Wollte der Himmel, daß Sie das nicht einmal wären, wofür er Sie ausgibt! Wollte der Himmel, Ihr Stand wäre geringer, als der meinige! So würde doch meine Vergeltung etwas kostbarer, und Sie würden vielleicht weniger ungeneigt sein, meine Bitte stattfinden zu lassen.

Der Reisende (beiseite). Warum entdecke ich mich auch nicht? – Mein Herr, Ihre Edelmütigkeit durchdringet meine ganze Seele. Allein schreiben Sie es dem Schicksale, nicht mir zu, daß Ihr Anerbieten vergebens ist. Ich bin – –

Der Baron. Vielleicht schon verheiratet?

Der Reisende. Nein – –

Der Baron. Nun? was?

Der Reisende. Ich bin ein Jude.

Der Baron. Ein Jude? grausamer Zufall!

Christoph. Ein Jude?

Lisette. Ein Jude?

Das Fräulein. Ei, was tut das?

Lisette. St! Fräulein, st! ich will es Ihnen hernach sagen, was das tut.

Der Baron. So gibt es denn Fälle, wo uns der Himmel selbst verhindert, dankbar zu sein?

Der Reisende. Sie sind es überflüssig dadurch, daß Sie es sein wollen.

Der Baron. So will ich wenigstens soviel tun, als mir das Schicksal zu tun erlaubt. Nehmen Sie mein ganzes Vermögen. Ich will lieber arm und dankbar, als reich und undankbar sein.

Der Reisende. Auch dieses Anerbieten ist bei mir umsonst, da mir der Gott meiner Väter mehr gegeben hat, als ich brauche. Zu aller Vergeltung bitte ich nichts, als daß Sie künftig von meinem Volke etwas gelinder und weniger allgemein urteilen. Ich habe mich nicht vor Ihnen verborgen, weil ich mich meiner Religion schäme. Nein! Ich sahe aber, daß Sie Neigung zu mir, und Abneigung gegen meine Nation hatten. Und die Freundschaft eines Menschen, er sei wer er wolle, ist mir allezeit unschätzbar gewesen.

Der Baron. Ich schäme mich meines Verfahrens.

Christoph. Nun komm ich erst von meinem Erstaunen wieder zu mir selber. Was? Sie sind ein Jude, und haben das Herz gehabt, einen ehrlichen Christen in Ihre Dienste zu nehmen? Sie hätten mir dienen sollen. So wär' es nach der Bibel recht gewesen. Potz Stern! Sie haben in mir die ganze Christenheit beleidigt – Drum habe ich nicht gewußt, warum der Herr, auf der Reise, kein Schweinfleisch essen wollte, und sonst hundert Alfanzereien machte. – Glauben Sie nur nicht, daß ich Sie länger begleiten werde! Verklagen will ich Sie noch dazu.

Der Reisende. Ich kann es Euch nicht zumuten, daß Ihr besser, als der andre christliche Pöbel, denken sollt. Ich will Euch nicht zu Gemüte führen, aus was für erbärmlichen Umständen ich Euch in Hamburg riß. Ich will Euch auch nicht zwingen, länger bei mir zu bleiben. Doch weil ich mit Euren Diensten so ziemlich zufrieden bin, und ich Euch vorhin außerdem in einem ungegründeten Verdachte hatte, so behaltet zur Vergeltung, was diesen Verdacht verursachte. (Gibt ihm die Dose.) Euren Lohn könnt Ihr auch haben. Sodann geht, wohin Ihr wollt!

Christoph. Nein, der Henker! es gibt doch wohl auch Juden, die keine Juden sind. Sie sind ein braver Mann. Topp, ich bleibe bei Ihnen! Ein Christ hätte mir einen Fuß in die Rippen gegeben, und keine Dose!

Der Baron. Alles was ich von Ihnen sehe, entzückt mich. Kommen Sie, wir wollen Anstalt machen, daß die Schuldigen in sichere Verwahrung gebracht werden. O wie achtungswürdig wären die Juden, wenn sie alle Ihnen glichen!

Der Reisende. Und wie liebenswürdig die Christen, wenn sie alle Ihre Eigenschaften besäßen! (Der Baron, das Fräulein und der Reisende gehen ab.)

Letzter Auftritt

Lisette. Christoph.

Lisette. Also, mein Freund, hat Er mich vorhin belogen?

Christoph. Ja, und das aus zweierlei Ursachen. Erstlich, weil ich die Wahrheit nicht wußte; und anderns, weil man für eine Dose, die man wiedergeben muß, nicht viel Wahrheit sagen kann.

Lisette. Und wann's dazu kömmt, ist Er wohl gar auch ein Jude, so sehr Er sich verstellt?

Christoph. Das ist zu neugierig für eine Jungfer gefragt! Komm Sie nur!

(Er nimmt sie untern Arm, und sie gehen ab.)

(Ende der Juden)


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