Gotthold Ephraim Lessing
Die Juden
Gotthold Ephraim Lessing

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Erster Auftritt

Michel Stich. Martin Krumm.

Martin Krumm. Du dummer Michel Stich!

Michel Stich. Du dummer Martin Krumm!

Martin Krumm. Wir wollen's nur gestehen, wir sind beide erzdumm gewesen. Es wäre ja auf einen nicht angekommen, den wir mehr totgeschlagen hätten!

Michel Stich. Wie hätten wir es aber klüger können anfangen? Waren wir nicht gut vermummt? war nicht der Kutscher auf unsrer Seite? konnten wir was dafür, daß uns das Glück so einen Querstrich machte? Habe ich doch vielhundertmal gesagt: das verdammte Glücke! ohne das kann man nicht einmal ein guter Spitzbube sein.

Martin Krumm. Je nu, wenn ich's beim Lichte besehe, so sind wir kaum dadurch auf ein paar Tage länger dem Stricke entgangen.

Michel Stich. Ah, es hat sich was mit dem Stricke! Wenn alle Diebe gehangen würden, die Galgen müßten dichter stehn. Man sieht ja kaum aller zwei Meilen einen; und wo auch einer steht, steht er meist leer. Ich glaube, die Herren Richter werden, aus Höflichkeit, die Dinger gar eingehen lassen. Zu was sind sie auch nütze? Zu nichts, als aufs höchste, daß unsereiner, wenn er vorbeigeht, die Augen zublinzt.

Martin Krumm. Oh! das tu ich nicht einmal. Mein Vater und mein Großvater sind daran gestorben, was will ich's besser verlangen? Ich schäme mich meiner Eltern nicht.

Michel Stich. Aber die ehrlichen Leute werden sich deiner schämen. Du hast noch lange nicht so viel getan, daß man dich für ihren rechten und echten Sohn halten kann.

Martin Krumm. Oh! denkst du denn, daß es deswegen unserm Herrn soll geschenkt sein? Und an dem verzweifelten Fremden, der uns so einen fetten Bissen aus dem Munde gerissen hat, will ich mich gewiß auch rächen. Seine Uhr soll er so richtig müssen dalassen – – Ha! sieh, da kömmt er gleich. Hurtig geh fort! ich will mein Meisterstück machen.

Michel Stich. Aber halbpart! halbpart!

Zweiter Auftritt

Martin Krumm. Der Reisende.

Martin Krumm. Ich will mich dumm stellen. – Ganz dienstwilliger Diener, mein Herr, – – ich werde Martin Krumm heißen, und werde, auf diesem Gute hier, wohlbestallter Vogt sein.

Der Reisende. Das glaube ich Euch, mein Freund. Aber habt Ihr nicht meinen Bedienten gesehen?

Martin Krumm. Ihnen zu dienen, nein; aber ich habe wohl von Dero preiswürdigen Person sehr viel Gutes zu hören die Ehre gehabt. Und es erfreut mich also, daß ich die Ehre habe, die Ehre Ihrer Bekanntschaft zu genießen. Man sagt, daß Sie unsern Herrn gestern abends, auf der Reise, aus einer sehr gefährlichen Gefahr sollen gerissen haben. Wie ich nun nicht anders kann, als mich des Glücks meines Herrn zu erfreuen, so erfreu ich mich – –

Der Reisende. Ich errate, was Ihr wollt; Ihr wollt Euch bei mir bedanken, daß ich Eurem Herrn beigestanden habe – –

Martin Krumm. Ja, ganz recht; eben das!

Der Reisende. Ihr seid ein ehrlicher Mann –

Martin Krumm. Das bin ich! Und mit der Ehrlichkeit kömmt man immer auch am weitesten.

Der Reisende. Es ist mir kein geringes Vergnügen, daß ich mir, durch eine so kleine Gefälligkeit, so viel rechtschaffne Leute verbindlich gemacht habe. Ihre Erkenntlichkeit ist eine überflüssige Belohnung dessen, was ich getan habe. Die allgemeine Menschenliebe verband mich darzu. Es war meine Schuldigkeit; und ich müßte zufrieden sein, wenn man es auch für nichts anders, als dafür, angesehen hätte. Ihr seid allzu gütig, ihr lieben Leute, daß ihr euch dafür bei mir bedanket, was ihr mir, ohne Zweifel, mit ebenso vielem Eifer würdet erwiesen haben, wenn ich mich in ähnlicher Gefahr befunden hätte. Kann ich Euch sonst worin dienen, mein Freund?

Martin Krumm. Oh! mit dem Dienen, mein Herr, will ich Sie nicht beschweren. Ich habe meinen Knecht, der mich bedienen muß, wann's nötig ist. Aber – – wissen möcht ich wohl gern, wie es doch dabei zugegangen wäre? Wo war's denn? Waren's viel Spitzbuben? Wollten sie unsern guten Herrn gar ums Leben bringen, oder wollten sie ihm nur sein Geld abnehmen? Es wäre doch wohl eins besser gewesen, als das andre.

Der Reisende. Ich will Euch mit wenigem den ganzen Verlauf erzählen. Es mag ohngefähr eine Stunde von hier sein, wo die Räuber Euren Herrn, in einem hohlen Wege, angefallen hatten. Ich reisete eben diesen Weg, und sein ängstliches Schreien um Hülfe bewog mich, daß ich nebst meinem Bedienten eilends herzuritt.

Martin Krumm. Ei! ei!

Der Reisende. Ich fand ihn in einem offnen Wagen – –

Martin Krumm. Ei! ei!

Der Reisende. Zwei vermummte Kerle – –

Martin Krumm. Vermummte? ei! ei!

Der Reisende. Ja! machten sich schon über ihn her.

Martin Krumm. Ei! ei!

Der Reisende. Ob sie ihn umbringen, oder ob sie ihn nur binden wollten, ihn alsdann desto sichrer zu plündern, weiß ich nicht.

Martin Krumm. Ei! ei! Ach freilich werden sie ihn wohl haben umbringen wollen: die gottlosen Leute!

Der Reisende. Das will ich eben nicht behaupten, aus Furcht ihnen zuviel zu tun.

Martin Krumm. Ja, ja, glauben Sie mir nur, sie haben ihn umbringen wollen. Ich weiß, ich weiß ganz gewiß – –

Der Reisende. Woher könnt Ihr das wissen? Doch es sei. Sobald mich die Räuber ansichtig wurden, verließen sie ihre Beute, und liefen über Macht dem nahen Gebüsche zu. Ich lösete das Pistol auf einen. Doch es war schon zu dunkel, und er schon zu weit entfernt, daß ich also zweifeln muß, ob ich ihn getroffen habe.

Martin Krumm. Nein, getroffen haben Sie ihn nicht; – –

Der Reisende. Wißt Ihr es?

Martin Krumm. Ich meine nur so, weil's doch schon finster gewesen ist: und im Finstern soll man, hör ich, nicht gut zielen können.

Der Reisende. Ich kann Euch nicht beschreiben, wie erkenntlich sich Euer Herr gegen mich bezeugte. Er nannte mich hundertmal seinen Erretter und nötigte mich, mit ihm auf sein Gut zurückzukehren. Ich wollte wünschen, daß es meine Umstände zuließen, länger um diesen angenehmen Mann zu sein; so aber muß ich mich noch heute wieder auf den Weg machen – Und eben deswegen suche ich meinen Bedienten.

Martin Krumm. Oh! lassen Sie sich doch die Zeit bei mir nicht so lang werden. Verziehen Sie noch ein wenig – Ja! was wollte ich denn noch fragen? Die Räuber, – sagen Sie mir doch – wie sahen sie denn aus? Wie gingen sie denn? Sie hatten sich verkleidet; aber wie?

Der Reisende. Euer Herr will durchaus behaupten, es wären Juden gewesen. Bärte hatten sie, das ist wahr; aber ihre Sprache war die ordentliche hiesige Baurensprache. Wenn sie vermummt waren, wie ich gewiß glaube, so ist ihnen die Dämmerung sehr wohl zustatten gekommen. Denn ich begreife nicht, wie Juden die Straßen sollten können unsicher machen, da doch in diesem Lande so wenige geduldet werden.

Martin Krumm. Ja, ja, das glaub ich ganz gewiß auch, daß es Juden gewesen sind. Sie mögen das gottlose Gesindel noch nicht so kennen. So viel als ihrer sind, keinen ausgenommen, sind Betrüger, Diebe und Straßenräuber. Darum ist es auch ein Volk, das der liebe Gott verflucht hat. Ich dürfte nicht König sein: ich ließ' keinen, keinen einzigen am Leben. Ach! Gott behüte alle rechtschaffne Christen vor diesen Leuten! Wenn sie der liebe Gott nicht selber haßte, weswegen wären denn nur vor kurzem, bei dem Unglücke in Breslau, ihrer bald noch einmal soviel als Christen geblieben? Unser Herr Pfarr erinnerte das sehr weislich in der letzten Predigt. Es ist, als wenn sie zugehört hätten, daß sie sich gleich deswegen an unserm guten Herrn haben rächen wollen. Ach! mein lieber Herr, wenn Sie wollen Glück und Segen in der Welt haben, so hüten Sie sich vor den Juden ärger als vor der Pest.

Der Reisende. Wollte Gott, daß das nur die Sprache des Pöbels wäre!

Martin Krumm. Mein Herr, zum Exempel: Ich bin einmal auf der Messe gewesen – ja! wenn ich an die Messe gedenke, so möchte ich gleich die verdammten Juden alle auf einmal mit Gift vergeben, wenn ich nur könnte. Dem einen hatten sie im Gedränge das Schnupftuch, dem andern die Tobaksdose, dem dritten die Uhr, und ich weiß nicht was sonst mehr, wegstibitzt. Geschwind sind sie, ochsenmäßig geschwind, wenn es aufs Stehlen ankömmt. So behende, als unser Schulmeister nimmermehr auf der Orgel ist. Zum Exempel, mein Herr: Erstlich drängen sie sich an einen heran, so wie ich mich ungefähr jetzt an Sie – –

Der Reisende. Nur ein wenig höflicher, mein Freund! – –

Martin Krumm. Oh! lassen Sie sich's doch nur weisen. Wenn sie nun so stehen, – – sehen Sie, – – wie der Blitz sind sie mit der Hand nach der Uhrtasche. (Er fährt mit der Hand, anstatt nach der Uhr, in die Rocktasche, und nimmt ihm seine Tobaksdose heraus.) Das können sie nun aber alles so geschickt machen, daß man schwören sollte, sie führen mit der Hand dahin, wenn sie dorthin fahren. Wenn sie von der Tobaksdose reden, so zielen sie gewiß nach der Uhr, und wenn sie von der Uhr reden, so haben sie gewiß die Tobaksdose zu stehlen im Sinne. (Er will ganz sauber nach der Uhr greifen, wird aber ertappt.)

Der Reisende. Sachte! sachte! Was hat Eure Hand hier zu suchen?

Martin Krumm. Da können Sie sehn, mein Herr, was ich für ein ungeschickter Spitzbube sein würde. Wenn ein Jude schon so einen Griff getan hätte, so wäre es gewiß um die gute Uhr geschehn gewesen – – Doch weil ich sehe, daß ich Ihnen beschwerlich falle, so nehme ich mir die Freiheit, mich Ihnen bestens zu empfehlen, und verbleibe zeitlebens für Dero erwiesene Wohltaten, meines hochzuehrenden Herrn gehorsamster Diener, Martin Krumm, wohlbestallter Vogt auf diesem hochadeligen Rittergute.

Der Reisende. Geht nur, geht,

Martin Krumm. Erinnern Sie sich ja, was ich Ihnen von den Juden gesagt habe. Es ist lauter gottloses diebisches Volk.

Dritter Auftritt

Der Reisende.

Der Reisende. Vielleicht ist dieser Kerl, so dumm er ist, oder sich stellt, ein boshafterer Schelm, als je einer unter den Juden gewesen ist. Wenn ein Jude betrügt, so hat ihn, unter neun Malen, der Christ vielleicht siebenmal dazu genötiget. Ich zweifle, ob viel Christen sich rühmen können, mit einem Juden aufrichtig verfahren zu sein: und sie wundern sich, wenn er ihnen Gleiches mit Gleichem zu vergelten sucht? Sollen Treu' und Redlichkeit unter zwei Völkerschaften herrschen, so müssen beide gleich viel dazu beitragen. Wie aber, wenn es bei der einen ein Religionspunkt und beinahe ein verdienstliches Werk wäre, die andre zu verfolgen? Doch –

Vierter Auftritt

Der Reisende. Christoph.

Der Reisende. Daß man Euch doch allezeit eine Stunde suchen muß, wenn man Euch haben will.

Christoph. Sie scherzen, mein Herr. Nicht wahr, ich kann nicht mehr, als an einem Orte zugleich sein? Ist es also meine Schuld, daß Sie sich nicht an diesen Ort begeben? Gewiß Sie finden mich allezeit da, wo ich bin.

Der Reisende. So? und Ihr taumelt gar? Nun begreif ich, warum Ihr so sinnreich seid. Müßt Ihr Euch denn schon frühmorgens besaufen?

Christoph. Sie reden von Besaufen, und ich habe kaum zu trinken angefangen. Ein paar Flaschen guten Landwein, ein paar Gläser Branntwein, und eine Mundsemmel ausgenommen, habe ich, so wahr ich ein ehrlicher Mann bin, nicht das geringste zu mir genommen. Ich bin noch ganz nüchtern.

Der Reisende. Oh! das sieht man Euch an. Und ich rate Euch, als ein Freund, die Portion zu verdoppeln.

Christoph. Vortrefflicher Rat! Ich werde nicht unterlassen, ihn, nach meiner Schuldigkeit, als einen Befehl anzusehen. Ich gehe, und Sie sollen sehen, wie gehorsam ich zu sein weiß.

Der Reisende. Seid klug! Ihr könnt dafür gehn, und die Pferde satteln und aufpacken. Ich will noch diesen Vormittag fort.

Christoph. Wenn Sie mir im Scherze geraten haben, ein doppeltes Frühstück zu nehmen, wie kann ich mir einbilden, daß Sie jetzt im Ernste reden? Sie scheinen sich heute mit mir erlustigen zu wollen. Macht Sie etwa das junge Fräulein so aufgeräumt? Oh! es ist ein allerliebstes Kind. – Nur noch ein wenig älter, ein klein wenig älter sollte sie sein. Nicht wahr, mein Herr? wenn das Frauenzimmer nicht zu einer gewissen Reife gelangt ist, – –

Der Reisende. Geht, und tut, was ich Euch befohlen habe.

Christoph. Sie werden ernsthaft. Nichtsdestoweniger werde ich warten, bis Sie mir es das drittemal befehlen. Der Punkt ist zu wichtig! Sie könnten sich übereilt haben. Und ich bin allezeit gewohnt gewesen, meinen Herren Bedenkzeit zu gönnen. Überlegen Sie es wohl, einen Ort, wo wir fast auf den Händen getragen werden, so zeitig wieder zu verlassen? Gestern sind wir erst gekommen. Wir haben uns um den Herrn unendlich verdient gemacht, und gleichwohl bei ihm kaum eine Abendmahlzeit und ein Frühstück genossen.

Der Reisende. Eure Grobheit ist unerträglich. Wenn man sich zu dienen entschließt, sollte man sich gewöhnen, weniger Umstände zu machen.

Christoph. Gut, mein Herr! Sie fangen an zu moralisieren, das ist: Sie werden zornig. Mäßigen Sie sich; ich gehe schon – –

Der Reisende. Ihr müßt wenig Überlegungen zu machen gewohnt sein. Das, was wir diesem Herrn erwiesen haben, verlieret den Namen einer Wohltat, sobald wir die geringste Erkenntlichkeit dafür zu erwarten scheinen. Ich hätte mich nicht einmal sollen mit hieher nötigen lassen. Das Vergnügen, einem Unbekannten ohne Absicht beigestanden zu haben, ist schon vor sich so groß! Und er selbst würde uns mehr Segen nachgewünscht haben, als er uns jetzt übertriebene Danksagung hält. Wen man in die Verbindlichkeit setzt, sich weitläuftig, und mit dabei verknüpften Kosten zu bedanken, der erweiset uns einen Gegendienst, der ihm vielleicht saurer wird, als uns unsere Wohltat geworden. Die meisten Menschen sind zu verderbt, als daß ihnen die Anwesenheit eines Wohltäters nicht höchst beschwerlich sein sollte. Sie scheint ihren Stolz zu erniedrigen; – –

Christoph. Ihre Philosophie, mein Herr, bringt Sie um den Atem. Gut! Sie sollen sehen, daß ich ebenso großmütig bin, als Sie. Ich gehe; in einer Viertelstunde sollen Sie sich aufsetzen können.

Fünfter Auftritt

Der Reisende. Das Fräulein.

Der Reisende. So wenig ich mich mit diesem Menschen gemein gemacht habe, so gemein macht er sich mit mir.

Das Fräulein. Warum verlassen Sie uns, mein Herr? Warum sind Sie hier so allein? Ist Ihnen unser Umgang schon die wenigen Stunden, die Sie bei uns sind, zuwider geworden? Es sollte mir leid tun. Ich suche aller Welt zu gefallen; und Ihnen möchte ich, vor allen andern, nicht gern mißfallen.

Der Reisende. Verzeihen Sie mir, Fräulein. Ich habe nur meinem Bedienten befehlen wollen, alles zur Abreise fertig zu halten.

Das Fräulein. Wovon reden Sie? von Ihrer Abreise? Wenn war denn Ihre Ankunft? Es sei noch, wenn Sie über Jahr und Tag eine melancholische Stunde auf diesen Einfall brächte. Aber wie, nicht einmal einen völligen Tag aushalten wollen? Das ist zu arg. Ich sage es ihnen, ich werde böse, wenn Sie noch einmal daran gedenken.

Der Reisende. Sie könnten mir nichts Empfindlichers drohen.

Das Fräulein. Nein? im Ernst? ist es wahr, würden Sie empfindlich sein, wenn ich böse auf Sie würde?

Der Reisende. Wem sollte der Zorn eines liebenswürdigen Frauenzimmers gleichgültig sein können?

Das Fräulein. Was Sie sagen, klingt zwar beinahe, als wenn Sie spotten wollten. doch ich will es für Ernst aufnehmen; gesetzt, ich irrte mich auch. Also, mein Herr, – – ich bin ein wenig liebenswürdig, wie man mir gesagt hat, – und ich sage Ihnen noch einmal, ich werde entsetzlich, entsetzlich zornig werden, wenn Sie, binnen hier und dem neuen Jahr, wieder an Ihre Abreise gedenken.

Der Reisende. Der Termin ist sehr liebreich bestimmt. Alsdann wollten Sie mir, mitten im Winter, die Türe weisen; und bei dem unbequemsten Wetter – –

Das Fräulein. Ei! wer sagt das? Ich sage nur, daß Sie alsdann, des Wohlstands halber, etwa einmal an die Abreise denken können. Wir werden Sie deswegen nicht fortlassen; wir wollen Sie schon bitten – –

Der Reisende. Vielleicht auch des Wohlstands halber?

Das Fräulein. Ei! seht, man sollte nicht glauben, daß ein so ehrliches Gesicht auch spotten könnte. – – Ah! da kömmt der Papa. Ich muß fort! Sagen Sie ja nicht, daß ich bei Ihnen gewesen bin. Er wirft mir so oft genug vor, daß ich gern um Mannspersonen wäre.

Sechster Auftritt

Der Baron. Der Reisende.

Der Baron. War nicht meine Tochter bei Ihnen? Warum läuft denn das wilde Ding?

Der Reisende. Das Glück ist unschätzbar, eine so angenehme und muntre Tochter zu haben. Sie bezaubert durch ihre Reden, in welchen die liebenswürdigste Unschuld, der ungekünsteltste Witz herrschst.

Der Baron. Sie urteilen zu gütig von ihr. Sie ist wenig unter ihresgleichen gewesen, und besitzt die Kunst zu gefallen, die man schwerlich auf dem Lande erlernen kann, und die doch oft mehr, als die Schönheit selbst vermag, in einem sehr geringen Grade. Es ist alles bei ihr noch die sich selbst gelaßne Natur.

Der Reisende. Und diese ist desto einnehmender, je weniger man sie in den Städten antrifft. Alles ist da verstellt, gezwungen und erlernt. Ja man ist schon so weit darin gekommen, daß man Dummheit, Grobheit und Natur für gleich viel bedeutende Wörter hält.

Der Baron. Was könnte mir angenehmer sein, als daß ich sehe, wie unsre Gedanken und Urteile so sehr übereinstimmen? Oh! daß ich nicht längst einen Freund Ihresgleichen gehabt habe!

Der Reisende. Sie werden ungerecht gegen Ihre übrigen Freunde.

Der Baron. Gegen meine übrigen Freunde, sagen Sie? Ich bin funfzig Jahr alt. – – Bekannte habe ich gehabt, aber noch keinen Freund. Und niemals ist mir die Freundschaft so reizend vorgekommen, als seit den wenigen Stunden, da ich nach der Ihrigen strebe. Wodurch kann ich sie verdienen?

Der Reisende. Meine Freundschaft bedeutet so wenig; daß das bloße Verlangen darnach ein genugsames Verdienst ist, sie zu erhalten. Ihre Bitte ist weit mehr wert, als das, was Sie bitten.

Der Baron. Oh, mein Herr, die Freundschaft eines Wohltäters – –

Der Reisende. Erlauben Sie, – – ist keine Freundschaft. Wenn Sie mich unter dieser falschen Gestalt betrachten, so kann ich Ihr Freund nicht sein. Gesetzt einen Augenblick, ich wäre Ihr Wohltäter: würde ich nicht zu befürchten haben, daß Ihre Freundschaft nichts, als eine wirksame Dankbarkeit wäre?

Der Baron. Sollte sich beides nicht verbinden lassen?

Der Reisende. Sehr schwer! Diese hält ein edles Gemüt für seine Pflicht; jene erfodert lauter willkürliche Bewegungen der Seele.

Der Baron. Aber wie sollte ich – – Ihr allzu zärtlicher Geschmack macht mich ganz verwirrt. – –

Der Reisende. Schätzen Sie mich nur nicht höher, als ich es verdiene. Aufs höchste bin ich ein Mensch, der seine Schuldigkeit mit Vergnügen getan hat. Die Schuldigkeit an sich selbst ist keiner Dankbarkeit wert. Daß ich sie aber mit Vergnügen getan habe, dafür bin ich genugsam durch Ihre Freundschaft belohnt.

Der Baron. Diese Großmut verwirrt mich nur noch mehr. – – Aber ich bin vielleicht zu verwegen. – – Ich habe mich noch nicht unterstehen wollen, nach Ihrem Namen, nach Ihrem Stande zu fragen. – Vielleicht biete ich meine Freundschaft einem an, der – – der sie zu verachten – –

Der Reisende. Verzeihen Sie, mein Herr! – Sie – Sie machen sich – – Sie haben allzu große Gedanken von mir.

Der Baron (beiseite). Soll ich ihn wohl fragen? Er kann meine Neugierde übelnehmen.

Der Reisende (beiseite). Wenn er mich fragt, was werde ich ihm antworten?

Der Baron (beiseite). Frage ich ihn nicht, so kann er es als eine Grobheit auslegen.

Der Reisende (beiseite). Soll ich ihm die Wahrheit sagen?

Der Baron (beiseite). Doch ich will den sichersten Weg gehen. Ich will erst seinen Bedienten ausfragen lassen.

Der Reisende (beiseite). Könnte ich doch dieser Verwirrung überhoben sein! – –

Der Baron. Warum so nachdenkend?

Der Reisende. Ich war gleich bereit, diese Frage an Sie zu tun, mein Herr – –

Der Baron. Ich weiß es, man vergißt sich dann und wann. Lassen Sie uns von etwas andern reden – – Sehen Sie, daß es wirkliche Juden gewesen sind, die mich angefallen haben? Nur jetzt hat mir mein Schulze gesagt, daß er vor einigen Tagen ihrer drei auf der Landstraße angetroffen. Wie er sie mir beschreibt, haben sie Spitzbuben ähnlicher, als ehrlichen Leuten, gesehen. Und warum sollte ich auch daran zweifeln? Ein Volk, das auf den Gewinst so erpicht ist, fragt wenig darnach, ob es ihn mit Recht oder Unrecht, mit List oder Gewaltsamkeit erhält. – – Es scheinet auch zur Handelschaft, oder deutsch zu reden, zur Betrügerei gemacht zu sein. Höflich, frei, unternehmend, verschwiegen, sind Eigenschaften, die es schätzbar machen würden, wenn es sie nicht allzusehr zu unserm Unglück anwendete – (Er hält etwas inne.) – – Die Juden haben mir sonst schon nicht wenig Schaden und Verdruß gemacht. Als ich noch in Kriegsdiensten war, ließ ich mich bereden, einen Wechsel für einen meiner Bekannten mit zu unterschreiben; und der Jude, an den er ausgestellet war, brachte mich nicht allein dahin, daß ich ihn bezahlen, sondern, daß ich ihn sogar zweimal bezahlen mußte. – – Oh! es sind die allerboshaftesten, niederträchtigsten Leute. – Was sagen sie dazu? Sie scheinen ganz niedergeschlagen.

Der Reisende. Was soll ich sagen? Ich muß sagen, daß ich diese Klage sehr oft gehört habe – –

Der Baron. Und ist es nicht wahr, ihre Gesichtsbildung hat gleich etwas, das uns wider sie einnimmt? Das Tückische, das Ungewissenhafte, das Eigennützige, Betrug und Meineid, sollte man sehr deutlich aus ihren Augen zu lesen glauben. – Aber, warum kehren Sie sich von mir?

Der Reisende. Wie ich höre, mein Herr, so sind Sie ein großer Kenner der Physiognomie, und ich besorge, daß die meinige – –

Der Baron. Oh! Sie kränken mich. Wie können Sie auf dergleichen Verdacht kommen? Ohne ein Kenner der Physiognomie zu sein, muß ich Ihnen sagen, daß ich nie eine so aufrichtige, großmütige und gefällige Miene gefunden habe, als die Ihrige.

Der Reisende. Ihnen die Wahrheit zu gestehn: ich bin kein Freund allgemeiner Urteile über ganze Völker – – Sie werden meine Freiheit nicht übelnehmen. – Ich sollte glauben, daß es unter allen Nationen gute und böse Seelen geben könne. Und unter den Juden – –

Siebenter Auftritt

Das Fräulein. Der Reisende. Der Baron.

Das Fräulein. Ach! Papa – –

Der Baron. Nu, nu! fein wild, fein wild! Vorhin liefst du vor mir: was sollte das bedeuten? – –

Das Fräulein. Vor Ihnen bin ich nicht gelaufen, Papa: sondern nur vor Ihrem Verweise.

Der Baron. Der Unterscheid ist sehr subtil. Aber was war es denn, das meinen Verweis verdiente?

Das Fräulein. Oh! Sie werden es schon wissen. Sie sahen es ja! Ich war bei dem Herrn –

Der Baron. Nun? und –

Das Fräulein. Und der Herr ist eine Mannsperson, und mit den Mannspersonen, haben Sie befohlen, mir nicht allzuviel zu tun zu machen. –

Der Baron. Daß dieser Herr eine Ausnahme sei, hättest du wohl merken sollen. Ich wollte wünschen, daß er dich leiden könnte – – Ich werde es mit Vergnügen sehen, wenn du auch beständig um ihn bist.

Das Fräulein. Ach! – es wird wohl das erste- und letztemal gewesen sein. Sein Diener packt schon auf – – Und das wollte ich Ihnen eben sagen.

Der Baron. Was? wer? sein Diener?

Der Reisende. Ja, mein Herr, ich hab es ihm befohlen. Meine Verrichtungen und die Besorgnis, Ihnen beschwerlich zu fallen –

Der Baron. Was soll ich ewig davon denken? Soll ich das Glück nicht haben, Ihnen näher zu zeigen, daß Sie sich ein erkenntliches Herz verbindlich gemacht haben? Oh! ich bitte Sie, fügen Sie zu Ihrer Wohltat noch die andre hinzu, die mir ebenso schätzbar, als die Erhaltung meines Lebens, sein wird; bleiben Sie einige Zeit – wenigstens einige Tage bei mir; ich würde mir es ewig vorzuwerfen haben, daß ich einen Mann, wie Sie, ungekannt, ungeehrt, unbelohnt, wenn es anders in meinem Vermögen steht, von mir gelassen hätte. Ich habe einige meiner Anverwandten auf heute einladen lassen, mein Vergnügen mit ihnen zu teilen, und ihnen das Glück zu verschaffen, meinen Schutzengel kennenzulernen.

Der Reisende. Mein Herr, ich muß notwendig –

Das Fräulein. Dableiben, mein Herr, dableiben! Ich laufe, Ihrem Bedienten zu sagen, daß er wieder abpacken soll. Doch da ist er schon.

Achter Auftritt

Christoph (in Stiefeln und Sporen, und zwei Mantelsäcke unter den Armen).
Die Vorigen.

Christoph. Nun! mein Herr, es ist alles fertig. Fort! kürzen Sie Ihre Abschiedsformeln ein wenig ab. Was soll das viele Reden, wenn wir nicht dableiben können?

Der Baron. Was hindert euch denn, hierzubleiben?

Christoph. Gewisse Betrachtungen, mein Herr Baron, die den Eigensinn meines Herrn zum Grunde, und seine Großmut zum Vorwande haben.

Der Reisende. Mein Diener ist öfters nicht klug: verzeihen Sie ihm. Ich sehe, daß Ihre Bitten in der Tat mehr als Komplimente sind. Ich ergebe mich; damit ich nicht aus Furcht grob zu sein, eine Grobheit begehen möge.

Der Baron. Oh! was für Dank bin ich Ihnen schuldig!

Der Reisende. Ihr könnt nur gehen, und wieder abpacken! Wir wollen erst morgen fort.

Das Fräulein. Nu! hört Er nicht? Was steht Er denn da? Er soll gehn, und wieder abpacken.

Christoph. Von Rechts wegen sollte ich böse werden. Es ist mir auch beinahe, als ob mein Zorn erwachen wollte; doch weil nichts Schlimmers daraus erfolgt, als daß wir hier bleiben, und zu essen und zu trinken bekommen, und wohl gepflegt werden, so mag es sein! Sonst laß ich mir nicht gern unnötige Mühe machen: wissen Sie das?

Der Reisende. Schweigt! Ihr seid zu unverschämt.

Christoph. Denn ich sage die Wahrheit.

Das Fräulein. Oh! das ist vortrefflich, daß Sie bei uns bleiben. Nun bin ich Ihnen noch einmal so gut. Kommen Sie, ich will Ihnen unsern Garten zeigen; er wird Ihnen gefallen.

Der Reisende. Wenn er Ihnen gefällt, Fräulein, so ist es schon so gut, als gewiß.

Das Fräulein. Kommen Sie nur; – – unterdessen wird es Essenszeit. Papa, Sie erlauben es doch?

Der Baron. Ich werde euch sogar begleiten.

Das Fräulein. Nein, nein, das wollen wir Ihnen nicht zumuten. Sie werden zu tun haben.

Der Baron. Ich habe jetzt nichts Wichtigers zu tun, als meinen Gast zu vergnügen.

Das Fräulein. Er wird es Ihnen nicht übelnehmen: nicht wahr, mein Herr? (Sachte zu ihm.) Sprechen Sie doch Nein. Ich möchte gern mit Ihnen allein gehen.

Der Reisende. Es wird mich gereuen, daß ich mich so leicht habe bewegen lassen, hierzubleiben, sobald ich sehe, daß ich Ihnen im geringsten verhinderlich bin. Ich bitte also – –

Der Baron. Oh! warum kehren Sie sich an des Kindes Rede?

Das Fräulein. Kind? – – Papa! – – beschämen Sie mich doch nicht so! – Der Herr wird denken, wie jung ich bin! – – Lassen Sie es gut sein; ich bin alt genug, mit Ihnen spazieren zu gehen. – Kommen Sie! – – Aber sehen Sie einmal: Ihr Diener steht noch da, und hat die Mantelsäcke unter den Armen.

Christoph. Ich dächte, das ginge nur den an, dem es sauer wird?

Der Reisende. Schweigt! Man erzeigt Euch zuviel Ehre – –

Neunter Auftritt

Lisette. Die Vorigen.

Der Baron (indem er Lisetten kommen sieht). Mein Herr, ich werde Ihnen gleich nachfolgen, wann es Ihnen gefällig ist, meine Tochter in den Garten zu begleiten.

Das Fräulein. Oh! bleiben Sie so lange, als es Ihnen gefällt. Wir wollen uns schon die Zeit vertreiben. Kommen Sie!

(Das Fräulein und der Reisende gehen ab.)

Der Baron. Lisette, dir habe ich etwas zu sagen! – –

Lisette. Nu?

Der Baron (sachte zu ihr). Ich weiß noch nicht, wer unser Gast ist. Gewisser Ursachen wegen mag ich ihn auch nicht fragen. Könntest du nicht von seinem Diener – –

Lisette. Ich weiß, was Sie wollen. Dazu trieb mich meine Neugierigkeit von selbst, und deswegen kam ich hieher. –

Der Baron. Bemühe dich also, – – und gib mir Nachricht davon. Du wirst Dank bei mir verdienen.

Lisette. Gehen Sie nur.

Christoph. Sie werden es also nicht übelnehmen, mein Herr, daß wir es uns bei Ihnen gefallen lassen. Aber ich bitte, machen Sie sich meinetwegen keine Ungelegenheit; ich bin mit allem zufrieden, was da ist.

Der Baron. Lisette, ich übergebe ihn deiner Aufsicht. Laß ihn an nichts Mangel leiden. (Geht ab.)

Christoph. Ich empfehle mich also, Mademoisell, Dero gütigen Aufsicht, die mich an nichts wird Mangel leiden lassen (will abgehen).

Zehnter Auftritt

Lisette. Christoph.

Lisette (hält ihn auf). Nein, mein Herr, ich kann es unmöglich über mein Herz bringen, Sie so unhöflich sein zu lassen – Bin ich denn nicht Frauenzimmers genug, um einer kurzen Unterhaltung wert zu sein?

Christoph. Der Geier! Sie nehmen die Sache genau, Mamsell. Ob Sie Frauenzimmers genug oder zuviel sind, kann ich nicht sagen. Wenn ich zwar aus Ihrem gesprächigen Munde schließen sollte, so dürfte ich beinahe das letzte behaupten. Doch dem sei, wie ihm wolle; jetzt werden Sie mich beurlauben; – – Sie sehen, ich habe Hände und Arme voll. – – Sobald mich hungert oder dürstet, werde ich bei Ihnen sein.

Lisette. So macht's unser Schirrmeister auch.

Christoph. Der Henker! das muß ein gescheuter Mann sein: er macht's wie ich!

Lisette. Wenn Sie ihn wollen kennenlernen: er liegt vor dem Hinterhause an der Kette.

Christoph. Verdammt! ich glaube gar, Sie meinen den Hund. Ich merke also wohl, Sie werden den leiblichen Hunger und Durst verstanden haben. Den aber habe ich nicht verstanden; sondern den Hunger und Durst der Liebe. Den, Mamsell, den! Sind Sie nun mit meiner Erklärung zufrieden?

Lisette. Besser als mit dem Erklärten.

Christoph. Ei! im Vertrauen: – – Sagen Sie etwa zugleich auch damit so viel, daß Ihnen ein Liebesantrag von mir nicht zuwider sein würde?

Lisette. Vielleicht! Wollen Sie mir einen tun? im Ernst?

Christoph. Vielleicht!

Lisette. Pfui! was das für eine Antwort ist! vielleicht!

Christoph. Und sie war doch nicht ein Haar anders, als die Ihrige.

Lisette. In meinem Munde will sie aber ganz etwas anders sagen. Vielleicht, ist eines Frauenzimmers größte Versicherung. Denn so schlecht unser Spiel auch ist, so müssen wir uns doch niemals in die Karte sehen lassen.

Christoph. Ja, wenn das ist! – Ich dächte, wir kämen also zur Sache. – – (Er schmeißt beide Mantelsäcke auf die Erde.) Ich weiß nicht, warum ich mir's so sauer mache? Da liegt! – – Ich liebe Sie, Mamsell.

Lisette. Das heiß ich, mit wenigen viel sagen. Wir wollen's zergliedern – –

Christoph. Nein, wir wollen's lieber ganz lassen. Doch, – damit wir in Ruhe einander unsre Gedanken eröffnen können; – – belieben Sie sich niederzulassen! – – Das Stehn ermüdet mich. – – Ohne Umstände! – (Er nötiget sie auf den Mantelsack zu sitzen.) – – Ich liebe Sie, Mamsell. – –

Lisette. Aber, – – ich sitze verzweifelt hart. – – Ich glaube gar, es sind Bücher darin – –

Christoph. Darzu recht zärtliche und witzige; – und gleichwohl sitzen Sie hart darauf? Es ist meines Herrn Reisebibliothek. Sie besteht aus Lustspielen, die zum Weinen, und aus Trauerspielen, die zum Lachen bewegen; aus zärtlichen Heldengedichten; aus tiefsinnigen Trinkliedern, und was dergleichen neue Siebensachen mehr sind. – – Doch wir wollen umwechseln. Setzen Sie sich auf meinen; – ohne Umstände! – – meiner ist der weichste.

Lisette. Verzeihen Sie! So grob werde ich nicht sein – –

Christoph. Ohne Umstände, – ohne Komplimente! – Wollen Sie nicht? – So werde ich Sie hintragen. –

Lisette. Weil Sie es denn befehlen – (Sie steht auf und will sich auf den andern setzen.)

Christoph. Befehlen? behüte Gott! – Nein! befehlen will viel sagen. – – Wenn Sie es so nehmen wollen, so bleiben Sie lieber sitzen. – (Er setzt sich wieder auf seinen Mantelsack.)

Lisette (beiseite). Der Grobian! Doch ich muß es gut sein lassen – –

Christoph. Wo blieben wir denn? – Ja, – bei der Liebe – – Ich liebe Sie also, Mamsell. Je vous aime, würde ich sagen, wenn Sie eine französische Marquisin wären.

Lisette. Der Geier! Sie sind wohl gar ein Franzose?

Christoph. Nein, ich muß meine Schande gestehn: ich bin nur ein Deutscher. – Aber ich habe das Glück gehabt, mit verschiedenen Franzosen umgehen zu können, und da habe ich denn so ziemlich gelernt, was zu einem rechtschaffnen Kerl gehört. Ich glaube, man sieht mir es auch gleich an.

Lisette. Sie kommen also vielleicht mit Ihrem Herrn aus Frankreich?

Christoph. Ach nein! – –

Lisette. Wo sonst her? freilich wohl! –

Christoph. Es liegt noch einige Meilen hinter Frankreich, wo wir herkommen.

Lisette. Aus Italien doch wohl nicht?

Christoph. Nicht weit davon.

Lisette. Aus Engeland also?

Christoph. Beinahe; Engeland ist eine Provinz davon. Wir sind über funfzig Meilen von hier zu Hause. – – Aber, daß Gott! – meine Pferde, – die armen Tiere stehen noch gesattelt. Verzeihen Sie, Mamsell! – – Hurtig! stehen Sie auf! – – (Er nimmt die Mantelsäcke wieder untern Arm.) – – Trotz meiner inbrünstigen Liebe muß ich doch gehn, und erst das Nötige verrichten. – – Wir haben noch den ganzen Tag, und, was das meiste ist, noch die ganze Nacht vor uns. Wir wollen schon noch eins werden. – Ich werde sie wohl wieder zu finden wissen.


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