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Reise auf dem Schiffe Rurick

Erste Abtheilung.

Heute Nachmittag um 3 Uhr (den 22sten Januar 1815) sagte ich meiner Geburtsstadt Reval Lebewohl, und trat mit meinem Commando, welches aus einem jungen talentvollen Offizier, Namens Kordiukoff und 20 Matrosen bestand, den Marsch nach Abo an. Die Regierung hatte mir die Erlaubniß ertheilt, die besten Leute auszusuchen, und es fanden sich mehr Freiwillige als ich bedurfte, welche sich mit einer wahren Begierde erboten, alles Mögliche mit mir zu wagen. Solche Helden waren mir natürlich sehr willkommen, und flößten mir frohe Hoffnungen für die Zukunft ein. Wir marschirten mit unserer Bagage ab, und als ich die Stadt im Rücken hatte, war mir wohl zu Muthe, denn, der erste Schritt zu dem ehrenvollen Unternehmen war gethan! Es herrschte ein allgemeiner Jubel unter den Matrosen, welche bis zum Nachtlager sangen und spielten.

Den 31sten Jan. um 4 Uhr Nachmittags rückten wir in St. Petersburg ein, wo ich die Mannschaft einige Tage ausruhen ließ. Hier gesellte sich der Lieutenant Schischmaref zu uns; ich hatte ihn selbst zu dieser Expedition gewählt, weil ich schon seit mehreren Jahren in freundschaftlichen Verhältnissen mit ihm stand, und ihn als einen vorzüglichen Offizier kannte. Hier machte ich auch dem Urheber der ganzen Unternehmung, dem Grafen Rumanzoff meine Aufwartung, und dieser behandelte mich mit einer solchen Güte und Auszeichnung, daß er dadurch meinen Muth zu allen bevorstehenden Beschwerden unendlich erhöhte.

Den 17ten Februar verließen wir St. Petersburg, und langten nach einem ziemlich angreifenden Marsch, den 19ten in Abo an. Es schien mir, als hätten wir schon jetzt eine kleine Probe unserer Beharrlichkeit und Standhaftigkeit abgelegt, denn wahrlich, eine Fußreise von Reval über St. Petersburg nach Abo, in dieser Jahreszeit, würde manchem sehr mißfallen. Unsere Freude beim Anblick er Stadt war groß, und jeder sah mit Sehnsucht den warmen Stuben entgegen; aber wie sehr wurden wir getäuscht! denn ich sowohl mit meinen Offizieren, als auch meine armen Matrosen, wurden in elende verfallene Hütten gesteckt, die etwa 9 Quadrat-Fuß Flächeninhalt hatten, den ganzen Winter nicht geheizt waren, und zu Gänse- und Hühnerställen gedient haben mochten. Ich bot meine ganze Beredsamkeit auf, um unserm Wirthe begreiflich zu machen, daß er uns in Viehställe einquartirt habe; vergebens! er zuckte die Achseln und sprach: für Russen ist das gut genug. – Nachdem wir uns ein Paar Wochen in den elenden kalten Löchern gequält hatten, erhielten wir bessere Wohnungen.

Der Kiel zu unserm Schiffe welches Rurick heißt, war schon gelegt; man baute mit vielem Fleiße daran, und unsere tägliche Beschäftigung war, dem Baue zuzusehn.

Den 16ten März. Mit der heutigen Post erhielt der Schiffsbaumeister für seinen unermüdlichen Eifer, den Rurick recht sorgfältig zu bauen, von dem Grafen Rumanzoff eine goldene Uhr. Ich halte es für meine besondre Pflicht, dem hiesigen Haupt-Commandeur, Herrn Grafen Haiden für die außerordentliche Theilnahme, die er an der Expedition genommen, und durch Rath und That bewiesen hat, öffentlich meinen Dank auszusprechen.

Den 11ten Mai. Das Schiff ist zu unserer großen Freude fertig, und heute vom Stapel gelaufen. Um 4 Uhr Nachmittags hielten wir Gottesdienst, wobei der Rurick vom russischen Geistlichen eingeweiht ward; hierauf erschien unter Trompeten- und Paukenschall die Kriegsflagge, und diese wurde mit tausendstimmigem Hurrah! in den Fluß getaucht. (Bei dieser Gelegenheit muß ich bemerken, daß der Kaiser auf meine Bitte die Gnade gehabt hatte, mir die Kriegsflagge zu bewilligen, indem es mir schien, daß eine Entdeckungsreise unter einer Kauffartheiflagge vielen Unbequemlichkeiten und selbst Hindernissen unterworfen seyn könnte.)

Ich selbst rutschte mit dem Rurick hinunter, ganz ergriffen von der angenehmen Vorstellung, mich jetzt als seinen Herrn ansehen zu dürfen. Während des Gottesdienstes hatten wir einen warmen Regen, indem aber das Schiff vom Stapel lief, hörte der Regen plötzlich auf und die Sonne trat prachtvoll hervor; ein Zufall, der von den Zuschauern als eine glückliche Vorbedeutung für die ganze Reise angesehn ward. So lange das Schiff noch auf dem Stapel stand, waren wir beschäftigt gewesen, Segel, Taue u. s. w. zu verfertigen; jetzt war alles bereit, und wir setzten mit großem Fleiß unsern Rurick in den Stand, Abo sobald als möglich verlassen zu können; denn da ich noch im Juli von Kronstadt abzusegeln wünschte, und wir vorher nach Reval mußten, um dort die nöthigen Lebensmittel für diese große Reise einzunehmen, so war durchaus keine Zeit zu verlieren.

Den 23sten Mai verließen wir Abo und langten den 26sten in Reval an, wo der Branntwein-Vorrath schon besorgt war, und gleich eingeladen wurde. Hier erhielt ich auch vom Capt. Krusenstern die nöthigen astronomischen Instrumente und zwei Chronometer, welche zu dieser Expedition in England bestellt, und von ihm selbst nach Reval gebracht worden waren; auf die Güte derselben konnte man also bauen, was sich in der Folge auch bestätigte.

Den 16ten Juni segelten wir von Reval ab, ließen den 18ten die Anker auf der Rhede von Kronstadt fallen, und brachten hierauf den Rurick in den Hafen, um ihn vollends zur bevorstehenden Reise auszurüsten.

Den 27sten Juli. Endlich ist das Schiff in völliger Ordnung und mit Lebensmitteln auf zwei Jahre versehen, und wir verlassen heute den Hafen, um unsere Reise in einigen Tagen anzutreten. Der Graf Rumanzoff hat mir versprochen, das Schiff morgen mit seiner Gegenwart zu beehren, auch der Doctor Eschscholtz und der Maler Herr Choris welche die Reise mitmachen werden, haben sich auf morgen gemeldet. Unsere ganze Equipage besteht jetzt aus zwei Lieutenants, (an Kordinkoffs Stelle, welcher in Reval krank zurückblieb, ist der Lieutenant Zacharin getreten) drei Untersteuerlegten, 2 Unteroffizieren, 20 Matrosen, dem Arzt und dem Maler. In Kopenhagen erwarten uns die Herren von Chamisso und Wormskloid, welche beide als Naturforscher mitreisen.

Den 29sten Juli. Da das schlechte Wetter gestern den Grafen Rumanzoff abgehalten hatte, an Bord zu kommen, so erschien er heute in Begleitung des Capt. Krusenstern, und gleich darauf fanden sich der Admiral Moller, Haupt-Commandeur von Kronstadt, und der Admiral Korobka ein. Auch diesen beiden Männern statte ich hiemit meinen öffentlichen Dank ab, denn ohne ihren thätigen Beistand wäre es mir unmöglich gelungen, den Rurick so schnell und so gut auszurüsten. Dem Grafen Rumanzoff gefiel das Schiff sehr, nur schien es ihm zu klein, worin er auch nicht ganz Unrecht hatte, da es nur 180 Tonnen hält; indeß hat ein so kleines Schiff wieder den Vortheil, daß man sich damit sehr nah an die Küsten wagen darf, und daher eine viel genauere Aufnahme liefern kann. Die innere Einrichtung ist sehr bequem, sowohl für die Offiziere als für die Matrosen; denn ich habe ihnen viel Raum gegeben, weil ich überzeugt bin, daß die Gesundheit der ganzen Mannschaft viel davon abhängt. Der Rurick hat 2 Masten und ist mit 8 Kanonen versehen, wovon 2 dreipfündig, 2 achtpfündig, und 4 zwölfpfündig sind. Nachdem der Graf Rumanzoff mit vieler Güte von uns Abschied genommen und das Schiff verlassen hatte, salutirten wir ihn mit 13 Schüssen und es wurde drei Mal Hurrah! gerufen.

Von Kronstadt nach Kopenhagen.

Den 30sten Juli. Um fünf Uhr Morgens verließen wir Kronstadt von einem frischen NO begünstigt, und segelten um acht Uhr Abends an der Insel Hochland vorbei. Den 31sten gegen Mittag erblickten wir die Thürme der Stadt Reval, und ich sagte nun meinem Geburtsorte auf mehrere Jahre, vielleicht auf immer, ein letztes Lebewohl. Der Wind wurde bald ungünstig, und blieb so bis zum 3ten August; die Insel Gotland lag uns zur Seite, und ein heftiger Sturm aus SW hielt uns hier gefesselt. Den folgenden Tag legte sich der Wind, ging nach S um, und erlaubte uns, unsere Reise unter vollen Segeln fortzusetzen. Den 7ten gegen Mittag sahen wir die Insel Bornholm, und segelten um 4 Uhr Nachmittags an der Insel Christiansoe, in einer Entfernung von zwei Seemeilen, vorbei. Die darauf befindliche Festung erhob die Flagge, wir salutirten mit 7 Schüssen, und sie erwiederte mit gleicher Zahl. Die Insel Christiansoe ist nur ein kahler Felsen, den die Festung ganz einnimmt, doch gewährt sie einen recht hübschen Anblick, indem alle Gebäude aus der See empor zu steigen scheinen.

Den 9ten August. Um 9 Uhr Morgens warfen wir die Anker auf der Rhede vor Kopenhagen, der Festung gegenüber. Der Rurick salutirte mit 7 Schüssen, und ward mit gleicher Zahl wieder begrüßt. Heute noch hatte ich das Vergnügen, unsere beiden Reisegefährten, Herrn Wormskloid und v. Chamisso kennen zu lernen, welche ich ersuchte, sobald wie möglich mit ihren Sachen an Bord zu kommen, da die späte Jahrszeit keinen langen Aufenthalt gestattete. Den 10ten machte ich die sehr angenehme Bekanntschaft des verdienstvollen Admirals Löwenör, der sich durch seine vorzügliche Karte von der Nordsee bei allen Seefahrern ein Denkmal gestiftet hat; so manches Schiff dankt diesem Manne seine Erhaltung. Ich meldete mich bei dem russischen Minister Lisankewitsch, der mich mit Auszeichnung empfing, und in dessen Gesellschaft ich dem Herrn Grafen Schimmelmann auf seinem sehr schönen Landgute meine Aufwartung machte.

Den 13ten hatten Graf Dohna, russischer Gesandte, Graf Boribell, österreichischer Gesandte, Admiral Löwenör, der russische Gesandtschaftssecretair van Brien und General Tawast, schwedischer Gesandte, die Güte, mir einen Besuch abzustatten. Meinen Gästen gefiel die innere Einrichtung des Schiffs außerordentlich, wodurch ich mich sehr geschmeichelt fühlte, da sie ganz nach meiner Vorschrift gemacht war. Als sie das Schiff verließen, wurden 13 Kanonen abgefeuert, und wir riefen ihnen ein lautes Hurrah! nach, welches sie erwiederten. Der französische Gesandte Graf Bonné hatte auch die Absicht gehabt, das Schiff zu besuchen, war aber durch einen Gicht-Anfall davon abgehalten worden – ich mußte dagegen seine Einladung zum Mittagessen ablehnen, da mich nothwendige Geschäfte auf dem Rurick fesselten. Durch frühere Erfahrung belehrt, wie beschwerlich in warmen Gegenden das Geschäft eines Schiffs-Kochs ist, und wie nachtheilig das Klima auf solche Leute wirkt, die sich nicht früher daran gewöhnen konnten, bemühte ich mich, in Kopenhagen einen Koch zu bekommen, der schon Reisen nach Ostindien gemacht hätte. Es fand sich ein Westindier, den wir auf dem Rurick anstellten, und der die ganze Reise glücklich überstanden hat, ob er gleich, selbst unter dem Aequator, beständig an dem Feuer stand.

Den 17ten August. Um 4 Uhr Morgens verließen wir mit frischem SSW Kopenhagen, mußten aber die Hoffnung, heute noch den Sund zu passiren, aufgeben, denn der Wind wandte sich nach W und zwang uns, um 8 Uhr Morgens die Anker vor Helsingör fallen zu lassen. In Kopenhagen fand ich, daß meine Chronometer seit Kronstadt ihren Gang sehr verändert hatten. In St. Petersburg waren sie von dem Astronomen Schubert beobachtet worden, welcher fand, daß Chronometer Hardi den 20sten Juli nach mittlerer Zeit 2.st 8.m 39,s 54 zu spät war; die tägliche Retardation 2, 18s Chronometer Barands nach mittlerer Zeit zu früh 3.st 20m 31,s 6. gewann täglich 0, 86.s In Kopenhagen fand sich, daß Barands 18, und Hardi 21,s verlor. Eine solche Veränderung des Ganges der Chronometer machte mir die Güte derselben zweifelhaft, doch habe ich in der Folge keine Ursache gehabt mich über sie zu beklagen.

Von Kopenhagen nach England (Plymouth).

Den 18ten August. Wir hatten die ganze Nacht starken Sturm aus NW gehabt, welcher mit Anbruch des Tages noch heftiger ward; gegen Abend legte er sich, und unsere Offiziere konnten der russischen Fregatte Cola, die an uns vorbei segelte, Briefe nach Kronstadt mitgeben.

Den 19ten um 10 Uhr Morgens, erhob sich der Wind aus S und wir gingen sogleich in Gesellschaft einer Menge Kauffarthei-Schiffe unter Segel. Wir salutirten im Sund die Festung Kronburg mit 7 Schüssen, welches sie mit gleicher Zahl erwiederte, und da der Wind frisch wehte, hatten wir den Sund bald passirt. Unsere Fahrt nach Plymouth war langweilig; wir hatten selten guten Wind, und es fiel durchaus nichts vor, was dem Leser interessant seyn könnte – daher erlaube er mir, meinen Einzug in England zu halten.

Den 1ten September segelten wir durch die Straße Dover, und ließen den 7ten Mittags die Anker vor der Stadt Plymouth in Cathwater fallen. Ich hatte diesen Hafen gewählt, weil er den Vortheil gewährt, daß man von ihm aus, bei frischem Winde, in Einem Tage den Ocean erreichen kann.

Sobald wir uns vor Anker gelegt hatten, machte ich dem Admiral Monley, Haupt-Commandeur vom hiesigen Port, meine Aufwartung; er empfing mich sehr artig, und erbot sich, uns jeden in seiner Macht stehenden Beistand, zu leisten. Auch versäumte ich nicht, mich noch an diesem Tage bei dem russischen Konsul Herrn Hawker zu melden, und ihm ein schriftliches Verzeichniß aller meiner Bedürfnisse einzureichen, mit der Bitte, sogleich zu ihrer Herbeischaffung die nöthigen Maaßregeln zu nehmen. Ich verdanke dem thätigen Beistande dieses rechtlichen Mannes viel. Nachdem ich dieß Geschäft beendigt hatte, besuchte ich Herrn Whidbey, einen Freund des Capt. Krusenstern. Dieser unterrichtete und äußerst liebenswürdige Mann hat die Reise von Vancouver, als erster Master mitgemacht. Mit Vergnügen erinnere ich mich der bei ihm zugebrachten Tage, denn seine Gesellschaft war mir eben so angenehm als belehrend. Herr Whidbey ist jetzt mit dem Bau des Hafens von Plymouth beschäftigt; ein Werk, das ihm viel Ehre macht.

Den 8ten Sept. erhielt ich von dem Admiral Monley die Erlaubniß, meine Instrumente nach Mount-Batten, einem kleinen, nur 50 Faden von unserm Schiffe entfernten unbewohnten Flecken zu bringen. Gleich den folgenden Tag wurde daselbst ein Zelt aufgeschlagen; ich brachte die Chronometer ans Land, und wir konnten hier mit aller Bequemlichkeit unsere Uhren berichtigen.

Den 11ten. Diesen Abend war ich bei Lord Berington zum Ball eingeladen, dessen Landgut ein Paar englische Meilen von der Stadt entfernt ist; der Weg führt durch schön angebautes Land, und in der Nähe des Schlosses durch einen mit vielem Geschmack angelegten Park. Die Gesellschaft bestand aus den Vornehmsten der Gegend; der Ton war ungezwungen und angenehm.

Den 15ten. Heute erhielt ich das Lebens-Boot ( life boat) welches von der englischen Regierung für den Rurick bestimmt war. Vermittelst Luftkasten, welche von Innen angebracht sind, kann ein solches Boot nie sinken. Dieses war 30 Fuß lang, und eigentlich für unser Schiff zu groß; unsere ganze Mannschaft war kaum im Stande es auf den Rurick zu heben, da diese Böte so viel schwerer sind, als andere von gleicher Größe; und aus dieser Ursache mußte ich es auch späterhin in Kamtschatka zurücklassen.

Den 20sten. Ich besuchte heute das Seehospital, und hatte Gelegenheit, mich an der darin herrschenden Ordnung und sorgfältigen Pflege der Kranken zu erfreuen. Von den Offizieren des 43sten Regiments war ich zu Tische eingeladen und diese gemeinschaftliche Tafel aller Offiziere von einem Regiment, wovon auch der Chef sich nicht ausschließt, gefällt mir sehr wohl.

Der Rurick ist jetzt ganz bereit England zu verlassen, und wartet nur auf günstigen Wind.

Den 25sten um 5 Uhr Morgens erhob er sich aus NO und wir spannten sogleich alle Segel auf; doch hatten wir die Bay noch nicht verlassen, als er sich nach SW wandte, und uns ganz ungünstig wurde. In der Hoffnung, daß er sich bald ändern würde, lavirten wir aus der Bay heraus; doch er ward gegen Mittag nur stärker, nicht günstiger, und um 5 Uhr Nachmittags brach er in einen heftigen Sturm aus. Ich ließ die Marssegel nur riffen, obgleich der Wind so heftig war, daß sie hätten eingenommen werden müssen; doch, da der Sturm gerade nach dem Lande zu blies, so durften wir nicht wenig Segel tragen, da sonst die Gefahr zu scheitern unvermeidlich gewesen wäre. Die dunkle Herbstnacht war schon angebrochen, als wir uns zwischen dem Leuchtthurm Ediston und dem Eingange des Hafens von Plymouth befanden. Der Sturm wüthete immerfort, die Wellen thürmten sich schnell hinter einander, und der Rurick, der schon seinen Platz nicht mehr behaupten konnte, trieb langsam dem Lande zu. Es war so entsetzlich finster, daß das Zurücksegeln in den Hafen eben so gefährlich gewesen wäre, als das Bleiben im Kanal; ich wählte das Letztere, in der Hoffnung, das Schiff vielleicht noch bis zum Anbruch des Tages vom Lande entfernt zu halten. Wir boten unsere ganze Kunst auf, und sprachen uns Muth ein. Der Gedanke, jetzt schon, gleichsam bei dem ersten Schritte zum fernen Ziele, zu scheitern, war mir unerträglich. Der Sturm wüthete die ganze Nacht; ich suchte das Schiff dem Leuchtthurm Ediston so nah als möglich zu halten, aber wir trieben immer weiter von ihm fort, dem Lande zu; zuletzt sahen wir ihn nur dann und wann aus der Dunkelheit hervorschimmern - ein Zeichen, daß wir dem Lande nahe seyn mußten. Den 26sten Morgens um 5 Uhr nahm die Stärke des Sturmes noch immer zu, das Schiff wurde gewandt; ein heftiger Windstoß brach uns das Hick (ein Balken, der das Bizan-Segel hält) wodurch wir außer Stand gesetzt wurden, das Schiff bei dem Winde zu halten, und wir konnten unsern Platz durchaus nicht mehr behaupten. Einer unserer besten Matrosen ward bei dieser Gelegenheit so gequetscht, daß er, trotz der sorgfältigsten Behandlung, doch 3 Wochen lang zum Dienst unbrauchbar blieb. Gleich nach diesem Unglücksfalle schimmerte der Tag matt durch die grauen Nebel hervor, und setzte uns wenigstens in den Stand, unsere Lage zu erkennen. Zu unserer nicht geringen Freude befanden wir uns vor dem Eingange der Plymouthsbay, und obgleich es noch ziemlich finster war, richteten wir doch gleich unsern Lauf dorthin, als den einzig möglichen Weg uns zu retten. Es gelang uns wirklich, trotz dem ungünstigen Wetter, ohne Lotsen den Hafen zu erreichen; und wir ließen um 8 Uhr Morgens die Anker an der nämlichen Stelle in Cathwater fallen, welche wir früher behauptet hatten. Offiziere und Mannschaft waren von der großen Anstrengung ganz erschöpft. – Wer die Navigation im Canal kennt, der wird sich einen Begriff von der gefährlichen Lage machen können, in welcher wir die Nacht über gewesen waren. Die Lotsen waren schon erstaunt darüber, daß wir uns in der See erhalten hatten, ohne zu scheitern. Ich kann es mir nicht anders erklären, als daß das Wasser, durch den Sturm zwar in die beschränkte Bay hineingezwängt, doch von der Gewalt des Stromes wieder zurückgetrieben, unser Schiff vom Lande entfernt halten mußte. – Jetzt ließen wir es unser erstes Geschäft seyn, das Schiff, welches durch den Sturm sehr gelitten hatte, wieder in Ordnung zu bringen. Ein neues Hick war in ein Paar Tagen fertig; und am 30sten Morgens, als der Wind aus N zu blasen anfing, wurden die Anker schnell gelichtet, und wir segelten in der Hoffnung, beim zweiten Versuche glücklicher zu seyn, als beim ersten, aus der Bay heraus. Doch kaum war dieses geschehen, als der Wind wieder nach SW umging, und unserer Freude ein Ende machte. Ich konnte mich nicht entschließen, sogleich wieder in den Hafen zurückzukehren, und wollte versuchen, gegen den ungünstigen Wind anzukämpfen; doch, da er sich bald in einen Sturm verwandelte, so geboten mir Pflicht und Vernunft ihm nicht länger zu trotzen, und so ließen wir um 6 Uhr Abends die Anker in der Bay hinter der neuerbauten Mauer fallen. Es stürmte und regnete die ganze Nacht, und wir hatten keinen andern Trost in der fehlgeschlagenen Hoffnung, als das ähnliche Schicksal einer dänischen Kriegs-Brig, welche ebenfalls gezwungen worden war, wieder in den Hafen einzulaufen. Dieses Fahrzeug, nach dem Mittelländischen Meere bestimmt, hatte schon vor mehreren Tagen den Canal verlassen und die Breite von Cap Finisterre erreicht, als es, durch den heftigen Sturm sehr beschädigt, sich gezwungen sah, nach England zurückzusegeln, um sich dort der nöthigen Reparatur zu unterwerfen. Endlich am 4ten October erhob sich ein beständiger N Wind, und wir säumten nicht, ihn sogleich zu benutzen: – um 10 Uhr Morgens waren wir unter vollen Segeln (Chronometer Barand verliert 2.s 5 und Hardy 49,s 0. -).

Von Plymouth nach Teneriffa.

Den 5ten October. Kaum hatten wir Cap Lorenz passirt, als der Wind sich wieder nach W wandte, sehr stark wurde, und so den ganzen Tag blieb. Am 6ten setzte er sich in N fest, und erlaubte uns den Eintritt in das Atlantische Meer. Jetzt erst schien mir die eigentliche Reise begonnen, und es erwachten die heitersten Gefühle bei dieser Vorstellung; die unangenehmen Zurüstungen waren dem Blicke entschwunden, was vor mir lag, dazu fühlte ich frohen Muth und Kraft in mir.

Den 9ten October. Diesen Mittag befanden wir uns in der Breite 44º 49' 31" Länge 11º 38'. Gegen Abend stellte sich mit einem heftigen Windstoß stürmisches Wetter aus NW ein, welches uns am folgenden Nachmittage um vier Uhr, an der Breite vom Cap Fenisterre vorbei führte. In der Nacht sahen wir einen Mast, wahrscheinlich von einem im letzten Sturme verunglückten Schiffe vorbei treiben. Den 12ten mußten wir wieder gegen einen sehr heftigen Sturm aus SW kämpfen, der bis zum 13ten anhielt, und uns einige Meilen zurück trieb. Den 14ten wandte sich der Wind wieder nach N und wir bekamen sehr schönes Wetter, wobei wir gegen Mittag die Breite 39º 32'. Länge 13º 3' gewannen. Jetzt fanden wir eine große Veränderung in der Temperatur der Luft, und 19º Reaum. Wärme. Den 21sten passirten wir die Breite von Gibraltar und fanden, daß der Strom uns in zwei Tagen schon 20 Meilen nach OSO versetzt hatte. Den 23sten Mittags war die Breite 36º 36". Länge 15º 20". Wir hatten völlige Windstille, die See war mit rothen, zwei Zoll langen Heuschrecken bedeckt, von welchen eine Menge aufgefischt wurden. Unsere Naturforscher behaupteten, sie kämen aus Afrika; wahrscheinlich durch Sturm von der Küste fortgetrieben, finden sie in der See ihr Grab; denn da wir uns auf einem Punkte befanden, der 600 Seemeilen von Afrika entfernt ist, so möchte ein so weiter Flug nicht vorauszusetzen seyn. Den 25sten Mittags sah man von der Spitze des Masts die Salvages, in der Richtung WSW. Die Chronometer gaben zu meiner nicht geringen Freude ihre Länge richtig an, welches für die Güte derselben sprach. Den 27sten Mittags sahen wir den Pic von Teneriffa, der 100 Seemeilen von uns entfernt lag. Ein frischer N Wind gab uns Hoffnung am folgenden Tage unser dießmaliges Ziel zu erreichen; und in der That ließen wir den 28sten um 11 Uhr, die Anker vor der Stadt St. Cruz fallen. Wir erhielten sogleich einen Besuch vom Port-Capitaine, Don Carlos Adan, der schon diesen Posten bekleidete, als Capt. Krusenstern seine Reise machte, und sich ihm schon damals sehr dienstfertig erwies. Auch für den Rurick hat er gethan, was in seinen Kräften stand, und ich halte es für meine Pflicht, ihm öffentlich meinen Dank dafür abzutragen. Mein erster Gang war zu dem Gouverneur, (dessen Namen ich leider nicht notirt habe) er empfing mich sehr artig und erbot sich, mir nach seinen Kräften behülflich zu seyn. Dieser Mann ist lange in Rußland gewesen, und scheint die Russen zu lieben. Er hat unter Prinz Nassau, als spanischer Obrist, in einer Schlacht auf der Ruderflotte in Biorko gegen die Schweden mitgefochten, und als Belohnung für seine Tapferkeit den St. Georgen-Orden vierter Klasse erhalten, womit ihn, wie er sagt, die Kaiserin Catharina selbst decorirt hat. Mich lud der Gouverneur auf den folgenden Tag zu sich ein, und hierauf eilte ich zu dem Herrn Coluguan, an den mein Creditif gestellt war. Dieser gastfreie Mann, von welchem so viele Reisende mit großem Lobe sprechen, befand sich in diesem Augenblick in Oratava; sein Kommis übernahm mit vielem Eifer meine Aufträge, welche hauptsächlich darin bestanden, für Offiziere und Mannschaft einen hinlänglichen Vorrath von Wein anzukaufen, und versprach, mich in zwei Tagen zufrieden zu stellen. Der gute Port-Capitaine hatte unterdessen die Gefälligkeit, mit seinen Leuten und Böten meinen Wasservorrath an Bord zu schaffen; und so durfte ich hoffen in drei Tagen Teneriffa verlassen zu können. Wäre ich auch gerne länger hier geblieben, so hielt mich doch das Cap Horn wegen der vorgerückten Jahreszeit drohend davon ab. Hr. von Chamisso und Dr. Eschscholtz benutzten diese wenigen Tage zu einer Reise nach Oratava, wo sie für ihr Fach reiche Ausbeute hofften. Den 29sten speiste ich bei dem Gouverneur an großer Tafel; ich überreichte ihm Krusensterns sehr gut gestochenen Atlas mit Kupfern, der allgemeinen Beifall erhielt; und es erregte große Verwunderung, als ich sagte, daß er in Rußland gestochen sey. Der Gouverneur beschloß, dieses so merkwürdige Prachtstück seinem Könige zu überschicken. Den 30sten waren wir schon mit allem versorgt. Wein hatten wir von zwei Gattungen, zu 38, und zu 30 Pf. St. die Piepe; die erstere soll die beste seyn, welche die Insel hervorbringt. Unsere Naturforscher kehrten ziemlich zufrieden von ihrer Reise zurück, und ich beschloß den Tag darauf Teneriffa zu verlassen. Die Mannschaft hatte während unsers Aufenthalts hier viel Früchte und Gemüse gegessen, und wir versorgten uns zur Reise noch recht reichlich mit dergleichen.

Von Teneriffa nach Brasilien. St. Catharina.

Eine Beschreibung von Teneriffa zu liefern, wäre überflüssig, und würde nur Wiederholungen geben, da schon so viele Reisende diese Insel beschrieben haben; auch war unser Aufenthalt dort zu kurz, um interessante Bemerkungen zu machen.

Den 1ten November. Mit einem frischen NO Winde verließen wir die Stadt St. Cruz, und schmeichelten uns mit der Hoffnung, die Canarischen Inseln bald aus dem Gesichte zu verlieren; doch kaum 10 Meilen vom Lande entfernt, erblickten wir bei gänzlicher Windstille den Pic wolkenlos und in seiner ganzen Pracht. Nach Verlauf mehrerer Stunden erlaubte uns ein schwacher SW Wind, zwischen den Inseln Teneriffa und Canaria zu laviren, welches wir die Nacht durch fortsetzten. Den folgenden Morgen befanden wir uns an dem Ort, wo man einen Fels zwischen den beiden Inseln vermuthet; doch, da wir mehrere Mal zwischen ihnen hin und her segelten, ohne ihn zu entdecken, so glaube ich fast, daß er gar nicht existirt.

Den 3ten hatten wir schon den Passat erreicht und Mittags war der Pic kaum mehr sichtbar. In der Nähe der Inseln des grünen Vorgebirges, wurde unsere Mannschaft von heftiger Kolik und Kopfschmerz befallen; die Luft war außerordentlich schwül, der Thermometer fiel nie unter 20º Reaum. Die Krankheiten wichen indeß bald der Geschicklichkeit unsers Arztes, ohne nachtheilige Folgen zu hinterlassen, und hörten ganz auf, sobald wir uns von den Inseln des grünen Vorgebirges entfernt hatten. Mittags passirten wir die Breite der Insel St. Antonio, in der Entfernung von 35 Meilen, ohne sie zu sehen. Während der Nacht waren 25 fliegende Fische aufs Verdeck gefallen, welche den Mittag als eine äußerst wohlschmeckende und seltene Speise auf unserer Tafel erschienen. Diese Fische verirren sich öfter auf kleinere Schiffe, die, wie unser Rurick, nicht höher aus dem Wasser hervorragen, als ihr gewöhnlicher Flug, den sie, von Feinden verfolgt, unternehmen; bisweilen stoßen sie auch mit Gewalt gegen die Seiten der Schiffe und fallen betäubt ins Wasser zurück. Da ich die Insel St. Antonio nicht gesehen hatte, richtete ich den Cours so, daß uns Brava, die südlichste der Inseln des grünen Vorgebirges, sichtbar wurde, um die Güte meiner Chronometer zu prüfen. Ein frischer Passat brachte uns schnell vorwärts.

Den 10ten Mittags ward die Insel Brava, zwischen Nebelwolken hervorragend, in der Entfernung von 20 Meilen sichtbar. Meine Chronometer gaben die Länge der Insel um 10' östlicher an, als auf Horsburgs Karte angegeben ist, und ich habe Ursache zu glauben, daß meine Angabe richtiger sey, da häufige astronomische Beobachtungen die früher und später gemacht wurden, als wir diese Insel sahen, uns immer mit den Chronometern gleiche Länge angaben, so daß ihre Güte nicht zu bezweifeln ist. – Um 4 Uhr Abends segelten wir an der Insel Brava in einer Entfernung von 5 Meilen vorüber, ohne den Passat zu verlieren. Diese Insel ist hoch und steigt in W fast senkrecht aus dem Meere; sie ist mit einem üppigen Grün bedeckt, und gewährt dem Seefahrer einen sehr reizenden Anblick. Wir sahen in der Nähe des Landes im stillen Wasser große und kleine Fische, die sich spielend in die Luft warfen; – also auch reich an Fischen muß diese Insel seyn - selbst fliegende gibt es hier in Menge, die, seit wir das Cap verd verließen, unsere beständigen Begleiter waren, und täglich aufs Schiff fielen oder drüber weg flogen; einer flatterte dem wachthabenden Offizier so nah vorbei, daß er ihm mit dem Flügel an die Nase schlug.

Den 13ten Nov. Heute, unter der Breite 9º 52" und Länge 20º 52" verloren wir den Passat, welcher durch einen heftigen Windstoß aus SW verdrängt wurde, und nun befanden wir uns unter dem Strich der veränderlichen Winde, die uns mehrere Tage, nebst Windstillen, Regen und Gewitter, auch heftigen Windstößen, plagten. Bei alle dem befand sich die Mannschaft wohl, und wir hatten keinen Kranken. Den 16ten in der Breite 7º 31", Länge 20º 28" flogen drei Kraniche um den Rurick her; einer von ihnen fiel vor Ermüdung ins Wasser, die beiden andern flatterten um ihren verunglückten Gefährten herum, und entfernten sich so von dem Schiffe. An demselben Tage erschien auch ein kleiner Landvogel, und ruhete auf dem Schiffe; das nächste Land lag 5½ º von uns entfernt, und es ist zu verwundern, wie ein so kleiner Vogel eine so weite Reise machen kann, woraus wohl zu folgern ist, daß man nicht immer Land in der Nähe voraussetzen darf, wenn man einen solchen Vogel sieht. Den 18ten in der Breite 6º 48", Länge 20º 28" hatten wir den wahren SO Passat, doch so südlich, daß wir gezwungen waren, einen sehr westlichen Cours zu halten.

Der Strom hatte uns, von der Insel des grünen Vorgebirges an, täglich einige Meilen nach SO getrieben; vom heutigen Tage an, veränderte er seine Richtung, und fing an das Schiff stark nach W zu treiben. Wir segelten heute über den Punkt, wo die Warleis-Bank liegen soll, ohne etwas zu bemerken, ihre Existenz scheint mir daher zweifelhaft. Den 21sten Mittags, Breite 3º 37", Länge 22º 44" sahen wir ein großes Schiff aus Süden gerade auf uns zu segeln, es zeigte die englische Flagge, und schien sich mit uns unterhalten zu wollen; der Rurick wurde beigelegt, und sogleich kam ein Boot mit zwei Offizieren vom englischen Schiffe zu uns, um Neuigkeiten aus Europa einzuholen. Das Schiff, ein großer Ostindienfahrer, Bombay genannt, kam aus Bombay und segelte nach England. Wir verglichen unsere Chronometer-Längen und fanden nur 2' Differenz; der Engländer hatte die seinen von der Insel St. Helena angefangen, folglich konnten sie wenig von den wahren abweichen.

Den 23sten. Um 8 Uhr Abends unter der Länge 26º 26" durchschnitten wir den Aequator. Ich hatte mir vorgenommen, diesen Tag festlich zu begehen, und deshalb schon am Morgen alle Anstalten dazu treffen lassen; gegen Abend, als das Schiff gewaschen und alles in Ordnung gebracht war, wurde es stark erleuchtet, Offiziere und Mannschaft warfen sich in ihren höchsten Staat und der Uebergang aus einer Halbkugel in die andere wurde unter tiefem, feierlichem Schweigen erwartet: mit dem Schlage acht flog die Flagge in die Höhe, die südliche Halbkugel ward mit 8 Kanonenschüssen begrüßt, und wir tranken einander in unserm besten Wein unsern Glückwunsch zu – die Matrosen bekamen guten Punsch. Hierauf erschien der Neptun, hieß uns willkommen in Süden, taufte jeden, der den Aequator zum ersten Mal berührte, und ich war der Einzige, der sich dieser Ceremonie nicht zu unterwerfen brauchte. Der Jubel wahrte den ganzen Abend bis in die Nacht hinein und war allgemein. Einen halben Grad nördlicher, und unter dem Aequator selbst, fanden wir den Strom NW 86º 47" Meilen in 24 Stunden.

Den 1ten December. In der Breite 14º 40' 5, Länge 33º 30" verließ uns der SO Passat, und ein frischer N Wind von Regen und öftern Windstößen begleitet, stellte sich ein. Unser zweiter Lieutenant Zacharin kränkelt schon seit wir Teneriffa verließen an einem alten Uebel, und ich besorge sehr, daß sowohl sein Zustand, als der des Schiffs-Schlossers, welcher auf einem Kriegsschiffe vom unterm Raa aufs Verdeck gefallen ist, und sich die Brust verletzt hat, durch die Reise verschlimmert werde.

Den 3ten: Breite 18º 10", Länge 35º 22". Es wurden heute mit der Harpune drei Bouiten gestochen, dieser Fang war uns sehr willkommen, da wir schon lange frische Lebensmittel hatten entbehren müssen; denn der Rurick ist so klein, daß er keine große Vorräthe in sich fassen kann. Um das Fest vollständig zu machen, ließ ich eine Tonne Sauerkohl öffnen, die in St. Petersburg von der amerikanischen Compagnie besorgt worden war, und noch außerordentlich gut gefunden wurde. Den Abend hatten wir Schauspiel: schon Mittags war ein Zettel an den großen Mast angeschlagen und darauf die Bauerhochzeit angekündigt. Die Matrosen hatten das Stück selbst verfaßt und führten es zur großen Zufriedenheit der Zuschauer auf; den Beschluß machte ein Ballett, und den Schauspielern ward der verdiente Beifall. Solche Belustigungen werden vielleicht manchem, auf einem zu einer Entdeckungsreise bestimmten Schiffe, lächerlich erscheinen; ich aber bin der Meinung, daß gerade hier alles geschehen müsse, um die Mannschaft heitern Sinnes zu erhalten, und sie so über die Beschwerden einer so langwierigen Unternehmung hinwegzuführen; auch wirkt wohl die Stimmung des Gemüths sehr wesentlich auf den körperlichen Zustand, und der fröhliche Mensch ist in der Regel der gesundere. Sonntags wurde bei mir gewöhnlich irgend etwas Besonderes vorgenommen: die Matrosen ergötzten sich schon einige Tage früher an ihren Plänen und Anstalten, und später hatten sie einen reichen Stoff zur Unterhaltung und zu Scherzen. Auch war an diesem Tage der Tisch reichlicher besetzt, und es wurde eine doppelte Portion Branntwein gereicht.

Den 6ten. Wir befanden uns heute in der Nähe vom Cap Frio, dessen Breite ich meiner Instruction zu folge hätte bestimmen sollen; allein, da das anhaltend trübe Wetter dieses unmöglich machte, so richteten wir unsern Cours nach der Insel St. Catharina. Den folgenden Tag bemerkten wir auf der Oberfläche der See einen schlangenförmigen Weg von dunkelbrauner Farbe, ungefähr ein Paar Faden breit, der sich so weit erstreckte, als das Auge reichte. Im ersten Augenblicke hielt ich diese Erscheinung für eine Untiefe; doch da ein Boot hinuntergelassen wurde, in welchem Hr. Wormskloid sie untersuchte, und auch von diesem Wasser an Bord brachte, fanden wir, daß dieser Weg durch eine unzählige Menge kleiner Krebse und den Samen einer Pflanze gebildet war, die sich, wie unsere Naturforscher behaupten, auf dem Grunde des Meeres erzeugt.

Den 10ten. In der Nähe der Insel St. Catharina überfiel uns ein Sturm, der bis zum folgenden Tage anhielt; um drei Uhr Nachmittags erblickten wir das feste Land nördlich von der Insel, lavirten die Nacht durch unter wenig Segeln, und richteten den 12ten mit Tagesanbruch unsern Cours dem Lande zu. Mittags befanden wir uns zwischen den Inseln Alvaredo und Gal; das Wetter war außerordentlich schön. Wir segelten Alvaredo, welches hoch liegt, in einer Entfernung von ein Paar Meilen vorbei, und erquickten uns an den Wohlgerüchen, die uns der Wind von dieser mit Palmen und üppigem Grün schön bewachsenen Insel zuwehte. Sie ist nur von Crocodillen bewohnt, von denen wir im Vorbeisegeln mehrere um den Rurick herumschwimmen sahen. Ich forderte durch einen Kanonenschuß einen Lotsen; da sich aber kein solcher sehen ließ, segelten wir weiter, und ließen Abends um 4 Uhr die Anker in der Nähe der Insel St. Cruz ungefähr auf derselben Stelle fallen, wo die Nadeshda 12 Jahre früher gestanden hatte. Kaum lagen wir vor Anker, als ein Sergeant von der Festung St. Cruz an Bord kam, und im Namen des Commandanten die gewöhnlichen Fragen vorlegte, und sein Ausbleiben mit Krankheit entschuldigte. Den folgenden Tag, den 13ten, begab ich mich in die Stadt Nostro-Sennora-Dudesterro, welche ein Paar Stunden von unserm Ankerplatze entfernt lag, um dem Gouverneur, Major Louis Mauricia de Selveira, meine Aufwartung zu machen. Er empfing mich kalt, und schien nicht aufgelegt, dem Befehle den er von Rio-Janeiro aus erhalten hatte, dem Rurick in allem behülflich zu seyn, Genüge leisten zu wollen. Der Capitain vom Port, S. Pinto, ein äußerst dienstfertiger Mann, half mir aus der Verlegenheit und versprach, alle meine Bedürfnisse so schnell als möglich, zu befriedigen. Den Mittag speiste ich nebst Herrn von Chamisso auf St. Pintos, einem in einer höchst reizenden Gegend gelegenen Landgute; der Tisch war im Freien unter Pomeranzenbäumen gedeckt, Kolibris und andere uns unbekannte Vögel flatterten um die Orangenblüthen her, und wir schwelgten, nach dem einförmigen Anblick der stürmischen See, doppelt im Genuß dieser paradiesischen Natur. Der Gouverneur, von welchem die Offiziere der Nadeshda mit so viel Freundlichkeit behandelt worden sind, befindet sich jetzt in Rio de la Plata. Abends war ich wieder auf dem Rurick, und ließ alle Anstalten treffen, um den folgenden Tag in der Nähe von St. Cruz ein Zelt aufzuschlagen, wohin alle astronomischen Instrumente gebracht werden sollten. Es stand auf einer kleinen Anhöhe, unter Palmen- und Bananen-Bäumen so, daß wir unsern Rurick sehen konnten; hinter uns erhob sich ein waldiges Gebirge; auch konnten wir von dort aus weite Spaziergänge im Schatten der Zitronen- und Pomeranzenbäume unternehmen, die uns vor den Strahlen der Sonne schützten, und oft einen zu aromatischen Duft aushauchten. Die Gegend längs dem Ufer wird von den Soldaten der Landmilitz bewohnt, die nur im Fall der Noth Dienste leisten, und sich außerdem mit dem Anbau ihrer Reis- und Zucker-Felder beschäftigen. Ihre Häuser liegen weitläuftig auseinander, und ihren Reichthum bestimmt die Zahl ihrer Negersclaven, die hier, wie Glieder einer Familie, mit ihren Herren arbeiten, und mit ihnen genießen, was das Haus vermag. In der Stadt hingegen sind die Neger sehr unglücklich; sie werden zu den ermüdendsten Arbeiten gleich Lastthieren gebraucht, besonders müssen sie dem Reis die Hülsen abstampfen, wozu man ihnen so schwere Keulen gibt, daß sie sie nur mit größter Anstrengung zu schwingen im Stande sind; Peitschenhiebe treiben sie zur Arbeit an, wenn ihre Kräfte ausgehen, und dabei wird ihnen höchst elende Kost gereicht. Durch diese unmenschliche Behandlung sind diese Unglücklichen wirklich zu Thieren herabgesunken; sie scheinen gar keines Nachdenkens noch Gefühls fähig; der Anblick ist schauderhaft und flößt Erbarmen ein. Das beleidigendste Schimpfwort der Portugiesen ist: Schwarzer! – Die Sclaven der Soldaten sind ganz andere Menschen, sie freuen sich als solche ihres Daseyns, und wir hatten alle Ursache mit unsern Nachbarn zufrieden zu seyn, die uns freundlich behandelten und die Tugend der Gastfreundschaft an uns übten. Die Soldaten halten sich für sehr arm; da ihnen seit mehreren Jahren ihr Sold vorenthalten worden; sie haben freilich kein Geld, doch fehlt es ihnen nie an den notwendigen Bedürfnissen des Lebens, die ihnen das Land gibt – und so halte ich sie für reich und glücklich. Ich bezog ein kleines Haus neben dem Zelte, welches einer Soldatenwittwe gehörte, und blieb nun am Lande, um mich mit meinen Chronometern zu beschäftigen. Die Abende widmeten wir der Erholung; die gutmüthigen Einwohner versammelten sich dann gewöhnlich um unser Zelt, ein Paar Violinen und Flöten erhöhten die Lust, reizten zu Gesang und Tanz, und gaben uns Gelegenheit, die Grazie zu bewundern, mit der die Mädchen den Fandango tanzten. Gleich nach Sonnenuntergang füllt sich hier die Luft mit einer unzähligen Menge leuchtender Käfer, die wie feurige Punkte in der Luft glänzen; auch fangen die großen Heuschrecken schon an, zu zirpen, und Frösche, von der Größe der Schweinigel, kommen aus ihren Schlupfwinkeln hervor, und man möchte sagen, bellen wie Hunde von mittlerer Größe. Wer dieses Land zum ersten Mal besucht, auf den muß dieses Leben in der Natur am Tage und in der Nacht, die vielen schönen Vögel und Schmetterlinge und diese Vegetation einen lebhaften Eindruck machen. In der Nähe unseres Zeltes fließt ein kleiner Fluß mit sehr gutem Wasser, wo wir mit der größten Bequemlichkeit unsere Fässer füllen konnten. Wir versuchten an den Ufern des Meeres zu fischen, und zogen immer ein volles Netz aus dem Wasser; auch fanden sich häufig merkwürdige Seethiere darin, die unsern Herren Naturforschern sehr willkommen waren, so wie überhaupt dieses Land ihnen eine reiche Ausbeute verlieh. Schiffe, die das Cap Horn umschiffen wollen, thun wohl, die Insel St. Catharina zu berühren, und nicht Rio-Janeiro: man bekommt hier die Lebensmittel wohlfeiler, genießt eines viel gesundern Climas, und hat überdem den Vortheil, dem Cap Horn näher zu seyn. Der schönste Kaffee wächst hier im Ueberfluß, jeder Einwohner hat sein Kaffee-Wäldchen neben seinem Hause; doch ist der Handel, obgleich jetzt erlaubt, nicht beträchtlich, da nur wenige Schiffe hierher kommen. Der Sclavenhandel an der Küste von Afrika ist, wie man uns sagte, blos vom Aequator nach Süden zu erlaubt.

Der Lieutenant Schischmareff hatte, während wir auf dem Lande lebten, das Schiff in den Stand gesetzt, das Cap Horn zu umschiffen, wo unfehlbar so manche Stürme unser warteten.

Den 26sten brachten wir alle unsere Instrumente wieder an Bord, fanden alles in völliger Ordnung, und auch die nöthigen Lebensmittel durch die Güte des Herrn Pinto verladen. – Den 27sten kam er aus der Stadt, um uns sein Lebewohl zu sagen, meine Absicht aber, noch heute Brasilien zu verlassen, ward durch einen heftigen Sturm vereitelt. Den 28sten Morgens um 5 Uhr, gingen wir mit Hülfe eines schwachen Landwindes unter Segel; Hr. Pinto, welcher die Nacht auf dem Rurick zugebracht hatte, empfing unsern herzlichen Dank für seine Güte, und so trennten wir uns von ihm und von dem Ufer, wo wir einige sehr frohe Tage verlebt hatten. Wir sahen mit Vergnügen, daß den Einwohnern der Abschied von uns zu Herzen ging. Meine Mannschaft, die ich täglich ans Land kommen ließ, um sie zu der bevorstehenden Reise zu stärken, hatte die freundliche Aufnahme dieser Menschen dankbar anerkannt, und sich anständig betragen, wodurch sie sich daselbst als Russen einen sehr guten Ruf gründeten. An das Haus, in welchem ich gewohnt hatte, ließ ich eine kupferne Platte mit dem Namen des Schiffs und der Jahrszahl anschlagen, wodurch sich die Wirthin sehr geschmeichelt fühlte. Chronometer Barands verlor jetzt in 24 Stunden 4,s 4' Hardy 49.s 5'.

Lieutenant Zacharin, der während unsers Aufenthalts in Brasilien auf dem Lande gelebt hatte, war in so weit hergestellt, daß er wieder Dienste verrichten konnte. Die ganze Mannschaft befand sich außerordentlich wohl, bis auf unsern Schlosser, der trotz aller angewandten Mittel seine Gesundheit nicht wieder erlangen konnte.

Von St. Catharina nach der Küste Chili. Conception.

Den 31sten December befanden wir uns unter der Breite 34º 10' S., Länge 48º 3' W. Es ließen sich drei große Schildkröten sehn, deren Erscheinung mir sehr auffallend war, da wir in einer so beträchtlichen Entfernung vom Lande waren. Bis zum 10ten Januar 1816. Breite 45º 56", Länge 57º 2' ist nichts vorgefallen, was bemerkt zu werden verdiente; Wind und Wetter waren uns günstig, und wir freuten uns der schnellen Fahrt, bis das Cap Horn seine Nähe durch heftige Stürme ankündigte, denen wir sechs Tage lang ausgesetzt blieben; besonders furchtbar wüthete der heutige, der die Wellen hoch thürmte, und unser kleines Schiff schrecklich hin und her schleuderte. Eine von diesen Wellen, die von hinten hereinschlug, brachte uns großen Schaden und mich beinah um mein Leben; ich lag nämlich gerade auf einem Hühnerkasten, und ließ den Sturm um mich wüthen, ohne Gefahr zu ahnen, als mich diese Welle mit meinem Lager ergriff, und über Bord schleuderte. Gewiß wäre ich ohne Rettung verloren gewesen, wenn nicht ein Haufen Stricke, deren Ende am Schiff befestigt war, mit mir hinunter gefallen, und mich wie in einem Netze gefangen gehalten hätte. Ich hatte meine Besinnung verloren, und erhielt sie nur in dem entscheidenden Augenblicke wieder, als mein Netz aus einander zu gehen drohte, und ich noch eben Zeit genug hatte, mich wieder auf das Verdeck zu schwingen. Der Hühnerkasten, mit vierzig Hühnern, auf welchem ich gelegen, schwamm mit meinem Kopfkissen neben dem Schiffe in der See. Ich dankte Gott für meine Rettung, und ertrug gern den Verlust der Hühnerbraten, auf die wir uns allerdings wohl gefreut hatten, und die wir nun ganz entbehren mußten, da die Hühner in den beiden andern Kasten ebenfalls durch den Druck der Welle umgekommen waren. Erst nachdem ich mich von meinem Schreck erholt hatte, bemerkte ich alle die Verwüstungen, die diese unglückliche Welle angerichtet; das ganze Geländer neben welchem ich gelegen, war zerschmettert, selbst die starken Glieder der Brüstung zerbrochen, und die Kanone auf die andere Seite geworfen – zum Glück fand sie keinen Menschen im Wege, dem sie bestimmt den Tod gebracht hätte. Mit schwerem Herzen sah ich nun auch, daß das Gehäuse meiner Kajüte abgerissen, und ein Theil der Welle hineingestürzt war; ich zitterte vor dem Verlust meiner Instrumente und Bücher, der unersetzlich gewesen wäre. Ehe ich mich hinunter wagte, ließ ich die Oeffnung mit Brettern verschlagen, um die Kajüte vor einer zweiten Welle zu schützen. Das Steuer fanden wir für den Augenblick unbrauchbar, doch glücklicherweise einer Ausbesserung fähig; einige Matrosen hatten leichte Contusionen davon getragen, besonders der, am Steuer. Nun stieg ich in die Kajüte hinab, um meinen Verlust zu übersehen, und fand zu meiner Freude, daß das Wasser nicht bis zu den Instrumenten, die sich auf einem erhöhten Platze befanden, gedrungen war; es hatte seinen Lauf in den Raum hinein genommen, und dort große Verheerungen angerichtet. Ein beträchtlicher Vorrath unsers besten Zwiebacks, wurde, nachdem der Sturm etwas nachgelassen, ganz aufgelöst herausgeholt – und das war ein sehr bedeutender Verlust für uns, da wir ihn nicht wieder ersetzen konnten. Auch in die Pulverkammer war das Wasser gedrungen, und hatte einen großen Theil davon verdorben.

Den 16ten Januar, Breite 49º 5', Länge 63º 31'. Ein frischer Wind aus N bei schönem Wetter, brachte uns schnell dem Cap Horn näher; Mittags sondirten wir, und fanden 60 Faden Tiefe über einen Boden von grauem Sande. Den 19ten Morgens um acht Uhr sahen wir das Cap St. John, in einer Entfernung von 40 Meilen, Mittags, bei sehr schönem Wetter, ward das grauenvolle Staatenland sichtbar. Cap St. John lag uns in SW 12º 25 Meilen entfernt; der Strom setzte stark nach ONO um. Gegen Mitternacht hatten wir das Staatenland umschifft, der Wind blies stark aus N, ich nahm meinen Cours SSW, um mich, der Sicherheit wegen, vom Lande entfernt zu halten, und schlug dann, gegen den Gebrauch anderer Seefahrer, einen mehr westlichen Cours ein, um das Cap Horn so scharf als möglich zu doubliren. Den 22sten um vier Uhr Morgens, durchschnitten wir den Meridian vom Cap Horn in der Breite 57º 33' S und hatten offenbar viel gewonnen, indem wir nicht, wie Andere zu thun pflegen, so weit nach Süden gegangen waren. Wir waren von Wallfischen, Delphinen und Albatrossen umringt. Indem wir das Cap Horn umschifften, wurden wir von starken Stürmen aus SW begrüßt, die mehrere Tage anhielten, und erst heute, den ersten Februar, gelang es uns, die Breite vom Cap Victorie zu passiren. Wir triumphirten! denn nun durften wir nicht mehr fürchten, von den W Stürmen zurückgetrieben zu werden. Den 11ten um zehn Uhr Abends sahen wir beim Mondschein Land; – es war die nördliche Küste von Conception, in der Nähe der Insel St. Maria. Wir legten bis zum Anbruch des Tages bei, und richteten dann unsern Cours nach der Bay zu. Ich liefere keine Beschreibung von der Ansicht der Küste, noch von der Einfahrt in die Bay, da in la Peyrouses Reisebeschreibung hinlänglich darüber zu lesen ist. Man kann bestimmt darauf rechnen, in einer Entfernung von zwei Graden von der Küste, sowohl in dieser Breite, als noch einige Grad südlicher, in dieser Jahreszeit immer das schönste, heiterste Wetter, und S Wind zu finden, da hingegen weiter nach W trübes Wetter und N Wind zu erwarten sind. Es wäre daher den Schiffen, die an der Küste herauf zu segeln gedenken, zu rathen, daß sie sich schon im 42º derselben näherten, weil sie auf diese Weise bestimmt ihre Fahrt beschleunigen. Dieses gilt aber nur für den Sommer, im Winter sind die N Winde bei trübem Wetter hier herrschend. Mittags befanden wir uns bereits am Eingange der Bucht Conception; – der Wind wehte aus S, daher konnten wir Talcaguano nicht anders erreichen, als durch Laviren.

Um drei Uhr Nachmittags konnte man den Ort, vor welchem drei Kauffarthei-Schiffe vor Anker lagen, schon deutlich sehen. Wir zeigten unsere Flagge, und erbaten uns durch eine andere, von einem Kanonenschuß begleitet, einen Lotsen; bald erschien auch ein Boot von Talcaguano, wagte sich aber unserm Schiffe nicht so nah, daß wir hatten verstehen können, was uns die Leute darin zuriefen; sie machten allerlei Zeichen, die wir eben so wenig verstanden; und kehrten bei anbrechender Dunkelheit zurück ans Land. Dieses Mißtrauen fiel uns auf; doch erfuhren wir später, daß es Furcht vor Seeräubern war, die häufig von Buenos-Ayres hieher kommen, und großen Schaden an den Küsten anrichten. Wir lavirten bis zum Abend, und ließen um acht Uhr, als es dunkel geworden war, dreißig Meilen von Talcaguano die Anker auf zwölf Faden in einem lehmigen Grunde fallen. Den 13ten bei Anbruch des Tages erblickte unsere Schildwache in der Nähe des Schiffs ein Boot, aus welchem man uns etwas zurief, das wir wieder nicht verstanden; wir antworteten indeß: Russen, Freunde der Spanier! – Die Leute entschlossen sich endlich an Bord zu kommen, und wunderten sich sehr in uns Russen zu finden, da noch nie welche diesen Ort besucht hatten. –

Es gab in der Bay Conception sehr viele Wallfische, die ihre Fontainen in unserer Nähe ausspritzten; einer von ihnen hatte die Dreistigkeit, sich ungefähr einen Fuß unter der Oberfläche des Wassers an den Rurick zu lehnen, und wir hatten dadurch Gelegenheit, ihn recht genau zu betrachten und jeden seiner Athemzüge zu bemerken. Es ist gewiß ein seltener Fall, daß sie sich so nah heran wagen, um sich in ihrer ganzen Herrlichkeit bewundern zu lassen.

Da wir nun einen Lotsen am Schiff hatten, so wurden die Anker gelichtet, und wir erreichten in ein Paar Stunden den Ankerplatz von Talcaguano, wo die Tiefe, ¼ Meile vom Lande, 4½ Faden, über lehmigen Boden betrug. Kaum lagen wir vor Anker, als der Commandant des Orts, Don Miguel de Rivas, Obristlieutenant der spanischen Infanterie, mit seinem Adjutanten an Bord kam, und uns nach der ersten Begrüßung die Frage that: zu welcher Nation wir gehörten? (Die russische Kriegsflagge war hier ganz unbekannt). Als er erfuhr, daß wir Russen wären, war sein Erstaunen sichtbar, doch wurde er bald sehr freundlich und sagte: so lange die Welt steht, hat noch nie ein russisches Fahrzeug seine Flagge in diesem Hafen wehen lassen; ihr seyd die Ersten! Wir freuen uns, eine Nation bei uns zu begrüßen, die unter dem großen Alexander sich selbst aufopfernd, die Freiheit Europens erfochten! Nachdem ich ihm ein Empfehlungsschreiben des spanischen Ministers in London vorgezeigt hatte, das ihn mit dem Zweck unserer Reise bekannt machte, erbot er sich sogleich, uns in allem behülflich zu seyn, und bat mich, ihm meine Bedürfnisse namhaft zu machen. Auch versprach er sogleich einen Courir nach der Stadt Conception, welche nur zwei Stunden von Talcaguano entfernt liegt, abzufertigen, um dem Gouverneur unsere Ankunft zu melden. Meine erste Bitte bestand darin, daß er mir einen Ort am Lande möchte anweisen lassen, wohin ich meine Instrumente bringen könnte, um die Chronometer zu prüfen. Der Commandant verließ uns mir dem Versprechen, uns noch heute darüber Bescheid zu geben, und lud uns alle auf diesen Abend zu sich ein. Wir folgten der Einladung und fanden eine große Gesellschaft sehr eleganter Herren und Damen, wo getanzt und musicirt wurde, und wo wir, nach den Beschwerden der Reise, und der Gefahr, bei dem sturmreichen Cap Horn ein Raub der Wellen zu werden, doppelt die ausgezeichnete Gastfreundschaft und Freundlichkeit der Einwohner dieses schönen, uns nur durch Beschreibung bekannten Landes, würdigten, und einen sehr frohen Abend verlebten. Nur eigene Erfahrung kann eine richtige Vorstellung von den Empfindungen geben, die einem Seefahrer bei diesem Wechsel der Umgebungen so wohl thun.

Ich muß hier einiger Gebräuche erwähnen, die mir sehr auffielen, und allerdings einen Fremden in Verlegenheit setzen konnten. Es standen nämlich im Tanzsaale auf einem, zwei Stufen hohen Gerüste, Bänke mit rothem Tuch beschlagen; auf diesen saßen nur Herren und bejahrte Damen; den jüngern waren ihre Plätze auf den Stufen zu unsern Füßen angewiesen, und ich war ganz verwirrt, als ich ein schönes junges Mädchen, in Atlas gekleidet und mit Diamanten geschmückt, zu meinen Füßen erblickte; doch als ich bald gewahr ward, daß alle Herren diese Auszeichnung mit mir theilten, schlug ich beherzt meine Augen wieder auf. Das Paraguai-Kraut, oder vielmehr die Blätter des Baumes Lau, werden bekanntlich in den meisten spanischen Besitzungen in Amerika, sehr häufig als Thee gebraucht; (in Chili wird jährlich für 1 000 000 Thaler Paraguai-Kraut verbraucht) nicht so bekannt aber möchte der Gebrauch seyn, diesen Thee in einem silbernen Gefäß zu präsentiren, wo eine Röhre angebracht ist, aus welcher jeder aus der Gesellschaft ein Paar Züge thut, und sie dann weiter reicht. Als die Reihe an mich kam, hielt ich es für eine Pflicht der Artigkeit meinen Vorgängern nachzuahmen, so schwer es mir auch ward, einen gewissen Widerwillen zu bekämpfen, da ich etwa der zwanzigste war, welcher an dieser Röhre saugen sollte – doch kaum hatte ich meine Lippen daran gebracht, als ich sie auch verbrannt zurückzog, und ich empfehle jedem, dem einmal Thee auf diese Weise präsentirt werden sollte, die Röhre mit den Zähnen zu fassen. Uebrigens ist der Geschmack dieser Paraguai-Pflanze nicht übel; sie wird mit Zucker gekocht und dann in diesem Gefäß auf Kohlen immer heiß erhalten – es ist ein süßer aromatischer Saft, den man einschlürft. Die Chilier essen gern eingemachte Früchte, und es werden in allen Gesellschaften dergleichen herumgereicht und zwar immer mit Gläsern voll Wasser, weil gleich nach dem Genuß der Süßigkeiten getrunken wird.

Den 14ten Febr. Der Gouverneur, der uns am folgenden Tage auf dem Schiffe einen Besuch zugedacht hatte, schickte heute seinen Adjutanten, um uns in seinem Namen zu bewillkommen, und uns seine Dienste anzubieten; der Befehl, mir das beste Haus in Talcaguano einzuräumen, war schon gegeben.- Er handelte hierin dem Willen seines Königs gemäß, der ihm aufgetragen hatte, den Rurick gut aufzunehmen. Den 16ten um zehn Uhr Morgens, kündigte der Kanonendonner von der Festung die Ankunft des Gouverneurs, Don Miguel Maria d'Attero an, und er erschien bald darauf in Gesellschaft einiger neugierigen Damen aus der Stadt, auf dem Rurick; ich empfing ihn seinem Range gemäß, mit allen Ehrenbezeugungen, und er äußerte sich sehr verbindlich: wie erfreulich es ihm sey, uns, die wir zu einer Nation gehörten, welche er ehrte und liebte, nützlich seyn zu können. Auch bat er mich, ihn mit meinen Bedürfnissen bekannt zu machen, damit er sogleich Befehl ertheilen könnte, mich in allem zu befriedigen. Als der Gouverneur das Schiff verließ, salutirten wir mit acht Kanonenschüssen.

Den 16ten. Die Chronometer und Instrumente wurden heute ans Land gebracht. Man hatte mir ein hübsches Haus mit einem artigen Garten eingeräumt, wo ich meine Chronometer ungestört prüfen konnte. Lieutenant Schischmareff übernahm unterdessen die Ausbesserung des Schiffs, und unsern Herren Naturforschern fehlte es in diesem schönen Lande auch nicht an Beschäftigung.

Wir waren auf den 25sten von dem Gouverneur zu einem Feste eingeladen, das er uns zu Ehren veranstaltet hatte. Um die Hitze zu vermeiden, ritten wir in Begleitung des Commandanten und einiger Offiziere, schon am frühen Morgen aus Talcaguano. Wir hatten auf dieser kleinen Reise Gelegenheit, die reiche, üppige Natur des Landes zu bewundern; die Einwohner ernten, trotz ihrer Trägheit es gehörig zu bearbeiten, das hundertste Korn, und wir ritten öfter durch kleine Fruchtwälder, die ohne alle Kultur die schönsten Südfrüchte hervorbringen. Als wir auf dem Paradeplatz erschienen, wurden acht Kanonen gelöst, das Militair war in Parade aufgestellt; der Gouverneur empfing uns in voller Uniform und führte uns ins Schloß. Die vornehmsten Personen des Orts, unter denen sich auch der Bischof befand, machten die Gesellschaft aus. Man trank auf die Gesundheit Alexander I. und Ferdinand VII. unter Kanonendonner und Trompetenschall. Die Tafel war besetzt, wie in Europa bei festlichen Gelegenheiten; das Eis, welches reichlich vorhanden war, und welches der Gouverneur die Aufmerksamkeit gehabt hatte, mit Mühe und Gefahr von den hohen Cordilleras bringen zu lassen, war uns Nordländern bei der großen Hitze besonders erquickend. Abends war Ball, wo besonders viele sehr schön geschmückte Damen, die auch hier gewöhnlich zahlreicher als die Herren sind, erschienen. Die Chilier erhalten ihre Moden aus Paris; der Ton der Gesellschaften ist anständig und ungezwungen. Auf die Einladung der Obristen Reyes, eines sehr verdienstvollen Mannes, blieben wir noch einen Tag in Conception, um auch bei ihm einem Ball beizuwohnen. Wir besahen unterdessen die Stadt, von der sich nichts Merkwürdiges sagen läßt; sie ist nach einem regelmäßigen Plan gebaut, doch arm an schönen Häusern - desto mehr Kirchen und Klöster schließt sie aber in sich. Die Größe der Stadt kann man ungefähr nach der Zahl ihrer Einwohner, deren sie 10 000 enthalten soll, berechnen; der breite Fluß Biobio, an welchem die Stadt liegt, verschönert sie sehr. Jenseits dieses Flusses findet man keine spanische Besitzungen mehr – das Land wird von Araucanern bewohnt. Als ich die Stadt verließ, ersuchte ich den Gouverneur, den 3ten März in Talcaguano einem Ball beizuwohnen, den ich geben wollte, und auch die vornehmsten Bewohner der Stadt dazu einzuladen.

Den 29sten Feb. Trotz aller angewandten Sorgfalt unsers geschickten Arztes, starb heute, nach einer langwierigen Krankheit, unser Schlosser Ziganzoff. Ich war bei der Wahl meiner Matrosen hauptsächlich darauf bedacht gewesen, gesunde und von Natur starke Menschen anzuwerben; es war mir auch mit allen, bis auf diesen Schlosser, der aus Furcht nicht mitgenommen zu werden, seine Krankheit verheimlichte, gelungen. Bald nachdem wir England verlassen hatten, äußerte sich bei diesem die Schwindsucht; er durfte während der Reise von Brasilien nach Chili das Bett nicht verlassen, und starb hier am Lande, wo er anständig, von spanischen Soldaten begleitet, beerdigt ward.

Ich halte es nicht für überflüssig, jedem Seefahrer, der diesen Ort besucht, den Rath zu ertheilen, daß er seinen Leuten Vorsicht beim Genusse des Weins empfehle. Unter den vielen Schenken, die es in Talcaguano gibt, wurde in einigen der Saft eines uns unbekannten Krauts zu dem Wein gemischt, der die abscheulichste Wirkung hervorbringt: er versetzt nämlich den Menschen in einen an Wahnsinn gränzenden Zustand, dem eine große Abspannung folgt; – mehrere Matrosen des Ruricks, haben diese Erfahrung gemacht. Wahrscheinlich ist dieses, aller Sinne beraubende Getränk darauf berechnet, die Fremden leichter ausplündern zu können, da die Wirkung sich fast unmittelbar nach dem Genuße äußert. Talcaguano ist größtenteils von einer gemischten Race von Spaniern und Araucanern bewohnt, die nicht arbeiten mögen, und daher auf eine unerlaubte Art sich Brod zu verschaffen suchen.

Den 3ten März hatten wir das Vergnügen, eine zahlreiche Gesellschaft aus Conception bei uns zu bewirthen. Schon am frühen Morgen, wo die Hitze noch erträglich war, sahen wir unsere Gäste in Talcaguano einziehen; die meisten waren zu Pferde, welches hier die gewöhnlichste Art zu reisen ist; selbst die Damen besteigen die muthigsten Pferde. Andere fuhren in kleinen Häuschen, die auf zweirädrigen Karren ruhten, und vor denen zwei Ochsen gespannt waren, die ein Araucaner von dem Dach dieses Häuschens lenkte. S. die Abbildung. Die hübschen eleganten Damen, die aus diesen abentheuerlichen Equipagen heraushüpften, bildeten einen recht interessanten Kontrast zu ihren Fuhrwerken. Schon um drei Uhr Nachmittags, war mein Boot in großer Thätigkeit, um meine Gäste an Bord des Ruricks zu bringen. Man war mit der Art unsers Empfanges sehr zufrieden, und fand das Schiff hübsch, doch auffallend klein. Abends gab ich der Gesellschaft einen Ball. Da das mir eingeräumte Haus zu diesem Zwecke zu klein war, so benutzte ich ein noch daran gelegenes, durch einen Garten damit verbundenes Magazin dazu, welches ich, so gut mirs möglich war, in einen Tanzsaal umschaffen ließ. Zwei Reihen Pfeiler, welche sich an beiden Seiten des Gebäudes hinzogen, und ihm zu Stützen dienten, wurden mit Bäumen umsteckt, und ihre Gipfel bildeten ein grünes Dach; Lampen erleuchteten den Garten und den Saal, dessen Eingang durch ein Transparent verziert war. Unseres Kaisers Alexander I. Namenszug, über welchem ein schwebender Genius einen Lorbeerkranz hielt, prangte in der Mitte desselben, im Hintergrunde stellte ein zweites Transparent die Allianz der beiden Monarchen durch ein Paar verschlungene Hände über den Namenszügen Alexanders und Ferdinands dar. Der Weg in das Haus worin wir speisten, führte durch den Garten, wo ich, indem wir durchgingen, ein Feuerwerk abbrennen ließ, zur allgemeinen Freude meiner Gäste, denen dieß ein ganz neues Schauspiel war; auch die Illumination erregte ihre höchste Bewunderung, da auf ihren glänzendsten Bällen gewöhnlich nur fünf bis sechs Lichter brennen. Bei der Tafel tranken wir unter lautem Kanonendonner zuerst die Gesundheit der beiden Monarchen und darauf die des Stifters der Expedition. Bis zum Aufgang der Sonne blieb die Gesellschaft versammelt, welche selbst der Gouverneur nicht früher verließ.

Den 8ten. Die mir in meiner Instruction vorgeschriebene Untersuchung der Südsee, verstattete mir keinen längern Aufenthalt in dieser bequemen Bay; alle Schiffsarbeiten waren beendigt, die Instrumente an Bord gebracht, und ich benutzte den günstigen Wind, um die See zu erreichen. Der Commandant von Talcaguano, Don Miguel de Rivas, welcher täglich in unserer Gesellschaft gewesen, und die Russen lieb gewonnen hatte, blieb auch heute bis zum Augenblick unserer Abfahrt auf dem Rurick, wo er unter Thränen von uns Abschied nahm. Ich freute mich innig, als wir wieder unter Segel waren, denn jetzt erst schien es mir, als beginne der wichtigere Theil der Reise, was bisher geschehen, war nur als eine Vorrede zu betrachten.

La Peyrouse hat in seiner Reisebeschreibung so viel von der Bay Conception gesagt, daß ich nur Wiederholungen liefern würde; indeß ist die Bay als Ruhepunkt betrachtet, jedem Seefahrer zu empfehlen, denn Lebensmittel und Früchte aller Art, findet man dort im Ueberfluß. Chili ist ein äußerst anmuthiges Land, das sich fast eines ununterbrochenen Frühlings erfreut; während unseres ganzes Aufenthalts haben wir immerfort das schönste Wetter gehabt; was mir aber auffiel, war ein starkes Wetterleuchten, welches ich regelmäßig jeden Abend nach Sonnenuntergang in NO über dem hohen Gebirge bemerkte. Chili bringt einen wohlschmeckenden Wein hervor, und es ist sehr zu bedauern, daß die Spanier sich nicht mehr mit der Cultur des Landes abgeben; ihre unvernünftige Eifersucht verbietet ihnen auch jeden Handel, der hier sehr blühend seyn könnte, ausgenommen nach ihren eigenen Kolonien.

Von der Bay Conception nach Kamtschatka.

Das schöne Wetter, welches wir in Conception genossen, verließ uns auch jetzt noch nicht. Ich bemühte mich, meinen Cours so zu richten, daß ich über dem Winde Juan-Fernandes vorbei segelte, um dann meiner Instruction zufolge die Breite 27º zu erreichen, und dort das Davis-Land zu suchen, welches Capt. Krusenstern in dieser Gegend vermuthet. Den 9ten in der Breite 25º 22', Länge 74º 4', fanden wir die Oberfläche des Meers von einer blutrothen Farbe, eine Erscheinung, welche von einem todten Wallfische herrührte, auf dessen Leichnam eine unzählige Menge kleiner Seeschwalben lustig ihre Mahlzeit hielten. Am folgenden Tage in der Breite 34º 27' S, Länge 74º Abends um sechs Uhr empfanden wir eine seltsame Erschütterung der Luft, wobei das Schiff ein wenig zu erzittern schien; das Geräusch klang wie ferner Donner, erneuerte sich ungefähr nach drei Minuten, und dauerte jedesmal nur eine halbe Minute. Nach Verlauf einer Stunde merkten wir nichts mehr; es ist wahrscheinlich daß in diesem Augenblicke in Amerika ein Erdbeben statt gefunden, denn unsere Entfernung vom Lande betrug zwei Grad und das Getöß war nur in Osten zu hören.

Den 16ten. Breite 27º 20' S, Länge 33º 4' Mittags, befanden wir uns in der Gegend, wo das Davis-Land vermuthet wird, weshalb ich ganz westlich steuern ließ. Schon seit mehreren Tagen hatte sich der Wind in SO festgesetzt und wehete frisch, wodurch der Strom uns täglich 18-20 Meilen nach Norden trieb. Am 20sten endlich, als wir schon 95º 35' erreicht hatten, gab ich das fernere Suchen des Davis-Landes auf, und richtete den Cours etwas südlicher, in der Hoffnung unter der Breite 26º 30' S im Auffinden des Warchams-Felsen glücklicher zu seyn. Auf die Richtigkeit unserer Länge konnten wir uns verlassen, da sie schon seit mehreren Tagen aus Abständen zwischen Mond und Sonne hergeleitet war, welche mit der Länge des Chronometers bis auf wenige Minuten übereinstimmte. Hier war es, wo wir der See eine wohl verkorkte Bouteille anvertrauten, mit einem darin befindlichen Zettel, worauf die Länge und Breite des Schiffs, die Jahrszahl nebst Monat und Datum und die Nachricht aufgezeichnet war, daß der Rurick in dieser Gegend sich vergebens nach dem Davis-Land umgesehen. Den 24sten. Breite 26º 23' S, Länge 100º 27' um fünf Uhr Nachmittags passirten wir die Stelle, auf welcher nach Arrowsmiths Karte Warchams Felsen liegt. Tropenvögel und Fische sahen wir in Menge; der Horizont war rein, aber der Matrose, welcher seinen Platz unaufhörlich auf der Spitze des Mastes behauptete, konnte keinen Felsen entdecken. Am Abend hatten wir beim schönsten Wetter starkes Wetterleuchten, welches mehrere Stunden anhielt und den Horizont zuweilen rings umher erhellte. Bei sternhellem Himmel und frischem Ostwinde, setzten wir den Cours nach Westen fort, um die Insel Sales zu finden; gegen Morgen zeigten sich uns mehrere Seevögel, deren Zahl zunahm, indem wir rasch vorwärts segelten. Bald flatterten so viele Pelikane und Fregatten nah und neugierig um das Schiff herum, daß wir nicht mehr zweifelten, in der Nähe eines Landes zu seyn, und wirklich gab uns der Matrose vom Mastkorb die angenehme Nachricht, daß er welches sehe. Um Mittag sahen wir deutlich von der Schanze in SW 66º in der Entfernung von zehn Meilen eine kleine felsigte Insel, die, ob zwar unsere Länge von der angegebenen etwas abwich, dennoch unfehlbar Sales seyn mußte. Die größte Weite, aus welcher sich die Insel sehen läßt, beträgt nur fünfzehn Meilen, und dann hat sie das Ansehen zweier, nahe bei einanderliegender Felsengruppen; kommt man aber näher, so sieht man das niedrige Land, welches sie vereinigt; ihre Länge beträgt NWW und SOO beinah eine Meile, ihre Breite ist gering. Bald hatten wir uns der Insel in S bis auf ¾ Meilen genähret, und unterschieden nun durch Fernröhre deutlich die Gegenstände am Ufer, deren Anblick uns aber eben nicht sonderlich entzückte, denn kein freundliches Grün schmückt die grauen Felsen, welche in großen Massen umherliegen, und der Insel das Ansehen einer traurigen Ruine geben, welche nur von Seevögeln bewohnt wird. An der NO und SW Spitze sind Riffe, an welchen die Brandung sich mit Wuth bricht, und wo wir vergebens die Rudera eines gescheiterten Schiffes suchten, weil es vermuthlich von den Wellen ganz zerschmettert worden. Wir fanden die Breite der Insel Sales 26º 36' 15'' Länge nach den Chronometern regulirt auf der Osterinsel 105º 34' 28'' W. Ich bin fast überzeugt, daß Warchams-Felsen gar nicht existirt, sondern bis jetzt mit der Insel Sales verwechselt worden ist. Um aber meiner Sache gewiß zu seyn, daß wirklich in dieser Gegend keine andere Insel vorhanden sey, setzte ich meinen Lauf nach Westen fort, und richtete erst meinen Cours nach der Oster-Insel, nachdem ich ein Paar Grad gesegelt, ohne etwas zu entdecken. Dieser hatten wir uns den 28sten März um drei Uhr Morgens bis auf fünfzehn Meilen genähert, und mit Tagesanbruch sahen wir sie deutlich vor uns. Nachdem wir die südliche Spitze umsegelt, richteten wir den Lauf in geringer Entfernung längs der Westküste nach der Cooks-Bay zu, wo wir Rauchsäulen emporsteigen sahen, welche wahrscheinlich den Bewohnern des innern Landes andeuten sollten, daß ein Schiff sichtbar sey. Am Mittag, als wir uns ganz nahe an der Cooks-Bay befanden, sahen wir zwei Böte, jedes nur mit zwei Insulanern bemannt, auf uns zurudern; ich hoffte gewiß, daß diese Leute, welche dem la Peyrouse so großes Zutrauen geschenkt, auch uns mit gleicher Herzlichkeit bewillkommen würden, was aber zu meinem höchsten Erstaunen keinesweges der Fall war. Sie näherten sich uns mißtrauisch und furchtsam bis auf einen Flintenschuß, zeigten uns aus dieser Ferne einige Wurzeln, ließen sich aber durchaus nicht bewegen, näher ans Schiff zu kommen. Die Bauart der Canots, deren wir mehrere erblickten, und die nur zwei Personen tragen können, stimmt mit la Peyrouses Beschreibung derselben überein; sie sind fünf bis sechs Fuß lang, ungefähr einen Fuß breit, aus schmalen Brettern zusammengesetzt und auf beiden Seiten mit einem Balancier versehen. La Peyrouses Meinung, daß es den Insulanern wegen Holzmangel bald ganz an Böten fehlen könnte, ist wohl irrig; – zwar haben auch wir keinen einzigen Baum auf der Insel entdeckt, allein die Canots werden aus Treibholz gebaut, und dieses führt ihnen der Strom von den Küsten Amerikas in Menge zu. – Weil der Grund in der Cooks-Bay an manchen Stellen sehr schlecht ist, so schickte ich den Lieutenant Schischmareff ab, um vermittelst des Senkbleys einen bequemen Ankerplatz ausfindig zu machen, und während dessen hielt ich den Rurick unter Segel. Die Insulaner, welche bisher dem Schiffe immer gefolgt waren, sich laut unterhalten hatten, und sehr gut gelaunt schienen, flüchteten, als sie unser Boot abgehen sahen, eiligst ans Land, was mir umso mehr auffiel, da gerade die Bewohner der Oster-Insel sich früher mit so vielem Zutrauen an die Seefahrer angeschlossen. Indeß schien ihnen nur das Schiff gefährlich, denn als unser Boot sich dem Lande näherte, schwammen ihm eine Menge Wilder entgegen, beladen mit Tarrowurzeln, Jams und Bananen, welche sie begierig gegen kleine Stückchen Eisen von alten Faßbändern vertauschten, einige handelten äußerst ehrlich, andere listig, und einer von ihnen suchte sogar mit Gewalt sich etwas anzueignen. Um die Uebrigen vor böser Ansteckung zu bewahren, ward mit feinem Schrot auf ihn geschossen, was sie indeß keinesweges abhielt, ihre kleinen Räuberkünste an uns zu üben. Auf das Signal von unserm Boot, daß sie guten Ankergrund gefunden, machte ich noch ein Paar Wendungen, um den Punct zu gewinnen und ließ dann die Anker auf 22 Faden Tiefe über einen Grund von feinem Sande fallen. Die Sandbucht lag uns SO 45º, die beiden Felsen waren hinter der Südspitze verborgen. Unser Boot kehrte jetzt zurück, ohne daß ein Insulaner ihm zu folgen wagte. – Da es meine Absicht war zu landen, so ließ ich zu diesem Zwecke zwei Böte bemannen, und wir verließen siebenzehn Mann stark um drei Uhr Nachmittags den Rurick. Eine große Menge Wilder hatte sich am Strande versammelt, sie schrieen, tanzten, machten die wunderbarsten Bewegungen und schienen unsere Ankunft mit Ungeduld zu erwarten; da sie aber den einzigen Fleck, wo die Brandung zu landen erlaubte, zu ihrem Tummelplatze erwählt hatten, so konnten wir nicht wagen, die Böte zu verlassen, ehe sie uns Platz gemacht, wozu sie aber auf keine Weise zu bewegen waren. Unter Lachen und Scherzen zwangen sie uns, vom Lande abzustoßen und verfolgten uns noch im Wasser, was uns aber nicht gefährlich schien, da sie alle unbewaffnet waren. Kaum hatten wir das Ufer verlassen, so schwammen hunderte um unsere Böte herum, welche gegen Bananen und Zuckerrohr, altes Eisen eintauschten und dabei einen ganz unerträglichen Lärm machten, denn alle sprachen mit großer Lebhaftigkeit zugleich, und einige mußten wohl sehr witzig seyn, denn es entstand zuweilen ein allgemeines, furchtbares Gelächter. Die Zuschauer am Lande, welche endlich bei diesem Schauspiele Langeweile empfanden, suchten sich diese zu vertreiben, indem sie uns mit Steinen bombardirten, eine Gemüthsergötzlichkeit, der ich durch einige Flintenschüsse Einhalt thun ließ. Dadurch wurde ich auch meine lebhafte Gesellschaft im Wasser los, und gewann den Landungsplatz, wo ich eilig einige Matrosen ans Land setzte. Kaum aber wurden die Wilden das gewahr, so umringten sie uns mit verdoppelter Zudringlichkeit. Sie hatten jetzt ihre Gesichter roth, weiß und schwarz bemalt, was ihnen ein fürchterliches Ansehen gab, tanzten unter den lächerlichsten Bewegungen und Verdrehungen des Körpers, und machten einen so entsetzlichen Lärm, daß wir uns laut in die Ohren schreien mußten, um einander verständlich zu werden. Ich kann mir den Eindruck denken, den dieser Austritt auf den Lieutenant Schischmareff machte, der diese Menschen zum ersten Mal sah, und von lauter Affen umringt zu seyn glaubte; denn diese tolle Wirtschaft übertraf selbst meine Vorstellung, obzwar ich schon früher mit den Bewohnern der Südsee bekannt war. Um sie zu zerstreuen, und etwas Terrain zu gewinnen, ließ ich Messer unter sie werfen; als ich aber demungeachtet einen Stein von meinem Hut zurückprallen fühlte, befahl ich, noch einmal zu schießen, und erst dadurch ward ich in den Stand gesetzt, selbst ans Land treten zu können. Hier war es mein erstes Geschäft, die großen merkwürdigen Statüen am Ufer zu suchen, welche Cook und la Peyrouse noch gesehen hatten; trotz aller Nachforschung aber fand ich nur einen zerstückelten Steinhaufen, welcher neben seinem unversehrten Fundamente lag; alle übrigen waren bis auf die letzte Spur verschwunden. Das mißtrauische Betragen der Insulaner, brachte mich auf den Gedanken, daß es wohl Europäer seyn mochten, die einmal mit ihnen in Streit geriethen, und sich durch diese Zerstörung rächten. Es fiel mir auf, daß uns bei dem lebhaften Verkehr am Lande und im Wasser, keine Weiber, über deren Zudringlichkeit meine Vorgänger so oft klagen, zu Gesicht kamen, und auch diese Bemerkung bestärkte mich in meiner Vermuthung, daß die Europäer hier vor Kurzem manches Unerlaubte verübt haben mußten. Nachdem ich mich überzeugt hatte, daß die guten Insulaner uns unter keiner Bedingung den Eintritt in ihr Land gestatten würden, suchten wir uns in die Böte, welche ohnehin in der Brandung sehr unsicher standen, zurückzuziehen, aber auch jetzt mußten wir uns durch einige Flintenkugeln gegen ihre Zudringlichkeit schützen, und erst als diese ihnen um die Ohren sausten, ließen sie uns in Frieden ziehen. Wir schenkten ihnen noch etwas Eisen, und eilten dem Rurick zu, weil der längere Aufenthalt unter diesen Umständen nur verlorne Zeit, und mir jede Stunde kostbar war. – Das Volk hier scheint mir von mittlerer Statur, aber gut gewachsen; die meisten sind kupferfarbig, nur wenige ziemlich weiß. Alle sind tatuirt, diejenigen aber, welche es über den ganzen Körper sind, scheinen einiges Ansehen zu behaupten. Das Zeug, welches auf den meisten Südsee-Inseln aus Baumrinde verfertigt wird, fanden wir auch hier, denn einige Männer trugen kurze Mäntel davon, und die Weiber, welche in weiter Ferne standen, waren ganz darin gehüllt. Nach dem Frohsinn dieses Volks zu urtheilen, scheinen sie mit ihrer Lage sehr zufrieden; - an Lebensmitteln fehlt es ihnen wahrscheinlich nicht, da sie uns in ziemlicher Menge Bananen, Jams, Zuckerrohr und Kartoffeln brachten, auch vernachläßigen sie die Kultur ihres Landes nicht, denn wir sahen in der Nähe der Bay die Berge mit Feldern bedeckt, welche dem Auge durch ihr verschiedenes Grün einen freundlichen Anblick gewährten. Die Sämereyen, welche la Peyrouse den Insulanern geschenkt, müssen nicht fortgekommen seyn, da sie uns nichts von diesen Früchten brachten; auch nach den Nachkommen der Schaafe und Schweine, welche er dort zurückließ, haben wir uns vergebens umgesehen; nur ein Huhn wurde uns gegen ein großes Messer angeboten, und wieder fortgebracht, als wir diesen Handel nicht eingingen; ein Beweis, wie werth sie diese Thiere halten, und wie wenig sie deren haben müssen. Ihre Wohnungen sind ganz, wie la Peyrouse sie beschrieben, und das lange Haus steht noch immer nebst der Steinhütte am Ufer, wie es auf seiner Karte angezeigt ist. Ich glaube überhaupt, daß seit der Zeit als er dort war, bis aufs Verschwinden der merkwürdigen Statüen, keine Veränderungen vorgefallen sind; und selbst von diesen sahen wir ein Paar als wir die südliche Spitze umsegelt hatten, aber sie waren sehr unbeträchtlich. Unsern Abschied von der Oster-Insel, erwiederten die Einwohner mit Steinen, welche sie uns unter lautem Geschrei nachwarfen, und ich war sehr froh, als wir uns um sieben Uhr Abends, mit heiler Haut auf dem Rurick, und wieder unter Segel befanden.

Eine Nachricht, die das feindselige Betragen der Insulaner gegen mich erklärt, und welche ich erst später auf den Sandwich-Inseln, durch Alexander Adams erhielt, glaube ich dem Leser hier mittheilen zu müssen. Dieser adams, von Geburt ein Engländer, commandirte im Jahr 1816, die dem Könige der Sandwich-Inseln gehörige Brigg Kahumanna, und hatte vorher auf der nämlichen Brigg, als sie den Namen Forrester of London führte, und dem Könige noch nicht verkauft war, unter Capt. Piccort als zweiter Offizier gedient. Der Capitain des Scuner Nancy aus Neu-London-Amerika, seinen Namen hat mir Adams nicht genannt, beschäftigte sich im Jahr 1805 auf der Insel Massafuero mit dem Fange einer Gattung von Seehunden, welche den Russen unter dem Namen Kotick (Seekatzen) bekannt ist. Die Felle dieser Thiere werden auf dem Markte von China theuer verkauft, und daher suchen die Amerikaner in allen Theilen der Welt ihren Aufenthalt ausfindig zu machen. Auf der bis jetzt noch unbewohnten Insel Massafuero, welche westlich von Juan-Fernandez liegt, und wohin sie aus Chili die Verbrecher schicken, ward dieses Thier zufällig entdeckt, und gleich Jagd darauf gemacht. Da aber die Insel keinen sichern Ankerplatz gewährte, weshalb das Schiff unter Segel bleiben mußte, und er nicht Mannschaft genug besaß, um einen Theil derselben zur Jagd gebrauchen zu können, so beschloß er, nach der Oster-Insel zu segeln, dort Männer und Weiber zu stehlen, seinen Raub nach Massafuero zu bringen, und dort eine Kolonie zu errichten, welche den Kotick-Fang regelmäßig betreiben sollte. Diesen grausamen Vorsatz führte er im Jahr 1800 aus, und landete in Cooks-Bay, wo er sich einer Anzahl Einwohner zu bemächtigen suchte.

Die Schlacht soll blutig gewesen seyn, da die tapfern Insulaner sich mit Unerschrockenheit vertheidigten; sie mußten dennoch den furchtbaren europäischen Waffen unterliegen, und zwölf Männer, mit zehn Weibern fielen lebendig in die Hände der herzlosen Amerikaner. Nach vollbrachter That wurden die Unglücklichen an Bord gebracht, während der ersten drei Tage gefesselt, und erst als kein Land mehr sichtbar war, von ihren Banden erlöst. Der erste Gebrauch den sie von ihrer Freiheit machten, war daß die Männer über Bord sprangen, und die Weiber welche ihnen folgen wollten, nur mit Gewalt zurückgehalten wurden. Der Capitain ließ sogleich das Schiff beilegen, in der Hoffnung, daß sie doch wieder am Bord Rettung suchen würden, wenn die Wellen sie zu verschlingen drohten; er bemerkte aber bald, wie sehr er sich geirrt, denn diesen, von Jugend an mit dem Elemente vertrauten Wilden, schien es nicht unmöglich, trotz der Entfernung von drei Tagereisen ihr Vaterland zu erreichen, und auf jeden Fall zogen sie den Tod in den Wellen, einem qualvollen Leben in der Gefangenschaft vor. Nachdem sie einige Zeit über die Richtung die sie zu nehmen hatten, gestritten, theilte sich die Gesellschaft; einige schlugen den geraden Weg nach der Oster-Insel ein, und die Uebrigen wandten sich nach Norden. Der Capitain, äußerst entrüstet über diesen unerwarteten Heldenmuth, schickte ihnen ein Boot nach, das aber nach vielen fruchtlosen Versuchen wieder zurückkehrte, denn sie tauchten allemal bei seiner Annäherung unter, und die See nahm sie mitleidig in ihren Schutz. Endlich überließ der Capitain die Männer ihrem Schicksale, brachte die Weiber nach Massafuero, und soll noch öftere Versuche gemacht haben, Menschen von der Oster-Insel zu rauben. Adams, welcher diese Geschichte von ihm selbst hatte, und ihn deßhalb wahrscheinlich nicht nennen wollte, versicherte mich 1806 an der Oster-Insel gewesen zu seyn, wo er aber wegen des feindseligen Empfangs der Einwohner nicht landen konnte; ein gleiches Schicksal hatte nach seiner Aussage das Schiff Albatros, unter Commando des Capitain Windship im Jahr 1809.

Meiner Instruction zufolge, sollte ich die Pitcairns-Insel besuchen, und von da den Lauf nach Westen bis zum 137º nehmen; da aber unsere Fahrt von Kronstadt bis Chili länger gedauert hatte, als im Reiseplan berechnet war, so sah ich mich genöthigt, um noch zu rechter Zeit die Beeringsstraße erreichen zu können, einen kürzern Weg nach Kamtschatka einzuschlagen.

Den 8ten April. Breite 18º 6', Länge 125º 16'. Wir sahen heute verschiedene Gattungen Seevögel, von denen einige sich nicht weit vom Lande zu entfernen pflegen; überdem waren wir in einer Gegend, wo ich neue Entdeckungen erwarten konnte; ich ließ also unaufhörlich einen Matrosen auf der Spitze des Mastes Wache halten, dem ich für jede Entdeckung eine Belohnung versprach. Der Zuruf: Land! versetzte uns alle bald in die höchste Spannung, die Fernröhre konnten nicht eilig genug herbeigebracht werden, jeder wollte es zuerst erblicken, denn es mußte etwas Neues seyn, und schon sann ich auf den Namen, welchen ich meiner Insel geben wollte. – Siehe, da erhob sich das vermeinte Land in Gestalt einer schwarzen Wolke, schwebte über den Horizont dahin, und nahm meine schöne Hoffnung mit sich fort. Nur ein Seemann, welchem, wie mir, neue Entdeckungen das Ziel seines Strebens und der Zweck seiner Reise sind, kann fühlen wie sehr diese Täuschung mich schmerzte.

Den 10ten. Breite 16º 39' S, Länge 130º 18'. – Es ist auffallend, daß seit der Oster-Insel der Wind meistentheils aus N und NO bläst, und der eigentliche SO Passat sich gar nicht regt; das Wetter ist immer heiter, und nach Sonnenuntergang in N starkes Wetterleuchten. Da die Nächte sehr warm sind, so schlafen wir, um uns von der Tageshitze zu erholen, sämmtlich auf dem Verdeck, ein Umstand, der mir in einer Nacht einen unerwarteten Besuch verschaffte. Ich erwachte nämlich durch die starken Bewegungen eines sehr kalten Thieres an meiner Seite, das ich Anfangs, als es sich in meiner Hand krümmte, für eine Eidechse hielt, welche in Chili, mit dem Holz aufs Schiff gebracht seyn konnte. Bei näherer Untersuchung aber, fand ich einen fliegenden Fisch in meinen Händen, und ich bin wohl der Erste, der einen solchen im Bette gefangen hat.

Den 13ten. Breite 15º 26' S, Länge 133º 56' befanden wir uns Nachmittags um 6 Uhr auf dem Punkte, wo auf Arrowsmiths Karte die Insel St. Pablo angegeben ist, ohne daß das geringste Kennzeichen uns hier Land vermuthen ließ, und ich richtete um 8 Uhr Abends den Cours direckt westlich, um, nach meiner Instruction die Parallel 15º zu verfolgen, auf welche Schouten und Lemaire mehrere Inseln haben, die nachher nie wieder gesehen sind.

Den 15ten. Breite 14º 41', Länge 137º 00' sahen wir den ganzen Tag verschiedene Seevögel, hauptsächlich Fregatten und Pelikane, und wurden um fünf Uhr Nachmittags plötzlich durch einen heftigen Regen, verbunden mit Windstößen aus NW überrascht, die mehrere Stunden anhielten. Solch eine seltsame Veränderung des Windes in einer Gegend, wo er gewöhnlich nicht anders, als aus O und SO weht, schien mir nur von der Nähe eines Landes herrühren zu können, und ich beschloß daher, während der Nacht nicht weiter zu segeln. Der Himmel überzog sich schwarz, es blitzte in allen Richtungen des Horizonts und regnete dabei heftig.

Den 16ten. Breite 14º 51', Länge 138º 4', setzten wir bei Tagesanbruch unsern Cours nach W fort, wobei der starke Wind aus ONO den Rurick rasch vorwärts trieb. Um drei Uhr Nachmittags rief der Matrose von der Spitze des Mastes: Land! ein Wort, das mich wie ein Blitzstrahl durchfuhr, und wobei Hoffnung und Furcht vor neuer Täuschung in meiner Seele wechselten; aber diese Spannung währte nicht lange, denn bald hatte ich die unendliche Freude, die Erfüllung meines heißesten Wunsches mit eigenen Augen zu erblicken. Das Land war bei einem WSW Cours in NNW entdeckt, und wir richteten sogleich unsern Lauf darauf zu. Die Insel schien uns klein und sehr niedrig, denn der Wald, welchen man deutlich unterschied, stand dem Ansehen nach unmittelbar auf der Oberfläche der See. Man kann die Insel von der Spitze des Mastes nur höchstens in der Entfernung von zehn Meilen gewahr werden, und da wir uns bisher gewöhnt hatten, immer hohes Land zu sehen, so machte dieser Kontrast auf uns alle einen ganz eigenen Eindruck. Wir umsegelten jetzt die nördliche Spitze derselben in einer Entfernung von 1½ Meile, fanden die ganze Insel stark mit Gebüsch bewachsen, in dessen Mitte ein kleiner See freundlich anzuschauen war, die Ufer ringsum mit Korallen-Riffen eingefaßt, und die Brandung so stark, daß das Landen unmöglich schien. Sobald die Sonne untergegangen war, entfernten wir uns von dieser lieblichen Insel, welche von NW nach SO sieben Meilen lang ist, und lavirten die ganze Nacht unter wenigen Segeln, um sie bei Tagesanbruch noch einmal in Augenschein zu nehmen. Der Wind variirte von N nach NO und es ist nicht leicht zu erklären, wodurch der Passat hier seine gewöhnliche Richtung verändert, da sich kein hohes Land in der Nähe befindet. Beim Untergange der Sonne zogen die Seevögel der Insel zu, und kehrten bei der Morgendämmerung wieder zurück. Ich glaube, durch mehrere Erfahrungen belehrt, behaupten zu dürfen, daß der Seefahrer auf die Nähe einer unbewohnten Insel schließen darf, wenn er viele Seevögel, hauptsächlich Pelikane umherziehen sieht, was aber nur zwischen den Tropen gilt; er wird bemerken, daß sie bei Sonnenuntergang alle nach Einer Richtung ziehen, (diejenigen ausgenommen, welche sich auch die ganze Nacht in der See aufhalten) und man könnte also, dem Fluge der Vögel folgend, ihre Heimath entdecken. – Bei Tagesanbruch näherten wir uns der Insel wieder und segelten in einer Entfernung von 1½ Meile um ihre Nord- und West-Spitze, indem wir uns mit Aufnahme derselben beschäftigten. Kein Punkt zum Landen ward uns sichtbar, ausgenommen an der NW Spitze, wo es vielleicht möglich gewesen wäre, wenn die Wellen durch den heftigen Wind aus Norden nicht eine zu starke Brandung verursacht hätten. Die Mitte der Insel, wo sich der See befindet, ist sehr niedrig, die äußersten Spitzen nach N und S liegen höher. Vergebens sahen wir uns nach einem Palmbaum um, aber das Gebüsch erquickte das Auge durch sein freundliches Grün. Der Beschreibung nach gleicht diese Insel zwar der Hunde-Insel von Schouten, indeß ist es nicht entschieden, ob es die nämliche sey, da unsere Breiten um 22 Minuten verschieden sind; ein Fehler, der selbst in der damaligen Zeit wohl nicht Statt finden konnte; auf den Unterschied der Länge nehme ich keine Rücksicht, da sie natürlich damals immer nur einige Grade falsch war. Unstreitig müssen in dieser Gegend noch mehr dergleichen Inseln liegen, das beweisen mir die unzähligen Seevögel, welche wir in den letzten zwei Tagen gesehn, die unmöglich alle auf der einzigen zu Hause seyn können. Ich nannte indeß meine Insel die Zweifelhafte. Ihre Breite fanden wir reduzirt aus zwei Mittagsobservationen 14º 50' 11'' S, Länge nach den Chronometern, welche mit der Länge aus Monds-Distanzen, welche kürzlich genommen waren, gut übereinstimmte 138º 47' 7''. Die Deklination der Magnetnadel 5º östlich. Schouten hat den Tag vorher, als er die Hunde-Insel entdeckte, keine Deklination gehabt, und fand die Breite der Insel 15º 12' 3'' – Um elf Uhr war die Aufnahme vollendet; wir hatten uns überzeugt, daß keine Landung ohne große Gefahr möglich, und die Insel nur ein Zufluchtsort der Vögel sey; ich ließ also, da nach Schortens Angabe die Hunde-Insel südlicher liegen mußte, den Cours dahin richten, und wandte nach einer Stunde vergeblichen Suchens wieder nach Westen. Seitdem wir uns auf der Parallel 15º befanden, wehte der Wind immerfort aus ONO und NO. Nachts aber, mit Regen und starken Windstößen verbunden, aus NW.

Den 19. und 20sten April hatten wir herrliche Observation zwischen Mond und Sonne, und ich hatte meine herzliche Freude, daß die Länge nach unsern Chronometern, so außerordentlich mit der, aus der Observation hergeleiteten übereinstimmte; aber wie unendlich wurde diese erhöht, als der Ruf: Land! von der Spitze des Mastes an mein Ohr schlug. Es war in SW entdeckt, und am Mittag hatten wir in geringer Entfernung eine kleine, drei Meilen lange Insel vor uns, die sich von der Zweifelhaften unterschied, indem dort kein See sichtbar ward, dafür aber eine Menge Cocosbäume stolz über die übrigen emporragten. Diesesmal war ich meiner Sache gewiß, ich durfte sie mit vollem Recht eine neue Entdeckung nennen. Wir alle waren von dem Wunsche beseelt, hier zu landen, und beschlossen einmüthig, jeder Gefahr trotzend, diesen zu befriedigen. Das Schiff wurde sogleich unter den Wind gebracht, und der Lieutenant Zacharin abgeschickt, um zu untersuchen, welcher Maaßregeln wir uns zu bedienen hätten, um unsern Willen durchzusetzen; denn daß mit einem Boot die Brandung nicht zu passiren war, bemerkten wir bald.

Zacharin bestätigte bei seiner Zurückkunft diese Vermuthung, und zwei Matrosen entschlossen sich nun, um die neue Entdeckung nicht unbegrüßt zu lassen, schwimmend die Brandung zu durchschneiden, ein Muth, den ich um so mehr bewunderte, da ihnen die Kunst der Südsee-Insulaner, immer im Wasser zu leben, abging. Sie landeten glücklich, durften sich aber nicht tief hinein wagen, da viele Kennzeichen darauf hinwiesen, daß die Insel bewohnt wäre, und brachten uns, zum Beweis, daß sie wirklich am Lande gewesen, mehrere Cocos-Schalen, nebst einer, an eine Stange gebundenen, geflochtenen Schnur mit. Jetzt ergriff mich die Begierde zu landen lebhafter als je, und ich beschloß, da es heute zu spät war, sie morgen unter jeder Bedingung zu befriedigen. Ein Pram schien mir am geschicktesten dazu; sogleich wurden alle Bretter und Stangen auf dem Rurick zusammengesucht, die ganze Nacht fleißig daran gearbeitet, und am 21sten mit Tagesanbruch war zu meiner Freude, unser Pram, groß genug, um einen Menschen bequem zu tragen, vollendet. Während der Nacht, lavirten wir unter N Wind mit Regen, sobald es aber zu tagen anfing, näherten wir uns dem Ufer bis auf eine halbe Meile, setzten gleich zwei Schaluppen aufs Wasser, und ich, der Lieutenant Schischmareff, nebst allen unsern Herren Gelehrten verließen um sieben Uhr Morgens mit unserm neu verfertigten Pram den Rurick. Ohngefähr vierzig Faden vom Ufer ließ ich die Schaluppen auf zehn Faden Tiefe in hartem Korallen-Grund ankern, und meine beiden Matrosen wiederholten das gestrige Wagestück, indem sie das Ende eines Taues, dessen anderes Ende an den Böten befestigt war, mit sich nahmen, und so eine Communication mit dem Lande bewerkstelligten. Jetzt stellte sich einer auf den Pram, zog sich längst dem Tau der Brandung zu, und überließ es einer brausenden Welle, ihn ans Ufer zu werfen; der Pram wurde zurückgezogen sobald der Hinüberfahrende festen Fuß am Ufer gefaßt, und ein anderer begann die schwankende Fahrt; wir waren endlich, bis auf zwei Matrosen, welche in den Böten zurückblieben, alle am Lande, jeder von uns mehr oder weniger beschädigt, da wir nicht anders das Ufer erreichen konnten, als wenn die Brandung uns über eine scharfe Corallen-Bank wegspülte. Daß wir natürlich alle bis auf die Haut durchnäßt waren, hat zwischen den Tropen nichts zu bedeuten. Wohlbewaffnet hielten wir jetzt unsern Einzug ins Innere der Insel, trafen mit jedem Schritt den wir vorwärts thaten, auf Spuren von Menschen, und zuletzt auf einen stark ausgetretenen Fußsteig, der uns vollends überzeugte, daß die Insel bewohnt sey. Wir verfolgten, einen Ueberfall fürchtend, und nach allen Seiten uns umschauend, unsern Weg, welcher uns durch ein Gebüsch führte, dessen romantische Gerüche uns erquickten, und gelangten endlich auf eine, von Palmen beschattete Fläche, auf der wir ein kleines Boot fanden, das denen der Südsee gleich, mit einem Balancier auf der Seite versehen war. Jetzt befanden wir uns in einer reizenden Gegend, ungefähr auf der Mitte der Insel, wo wir uns, erschöpft von der Hitze unter Cocos-Bäumen niederließen, und uns, zum ersten Mal auf unserer Reise, an der Milch ihrer Früchte erquickten. Ich fühlte mich unbeschreiblich glücklich auf diesem kleinen Fleck; so unbedeutend die Entdeckung auch seyn mogte, so hätte ich die reine, innige Freude darüber, doch nicht um die Schätze einer Welt hingegeben. Nachdem wir uns etwas gestärkt hatten, begannen wir unsere Wanderschaft von Neuem, fanden bald mehrere unbewohnte Hütten, und in diesen verschiedene Arbeiten der Wilden, die wir uns gegen europäischen Waaren zueigneten. Nirgends trafen wir auf eine frische Menschenspur, und einige Stangen, auf welchen Fischnetze hingen, bestärkten mich in der Vermuthung, daß die benachbarten Insulaner nur zu einer gewissen Jahreszeit, der Fischerei wegen herkommen. Wir hatten in vier Stunden die Insel von N nach S durchstrichen, und trafen auf dem Rückwege verschiedene, mit Sorgfalt gearbeitete Wasserbehälter, welche wohlschmeckendes Wasser enthielten. Bekanntlich gibt es auf den Corallen-Inseln keine Quellen, und die Einwohner müssen sich mit Regenwasser begnügen, welches sich in den von ihnen gegrabenen Cisternen sammelt. Als wir unsern Landungsplatz wieder erreicht, ließ ich eine Flasche Wein geben; wir tranken unter lautem Hurrah! auf die Gesundheit des Grafen Rumanzoff, und ich nannte die Insel nach seinem Namen. Unsere Schaluppen schmückten sich mit Flaggen und feuerten einige Flinten ab, und der Rurick, dieses Signal erwartend, ließ jetzt die kaiserliche Flagge wehen, und seine Kanonen lösen, während wir auf das Wohl unseres geliebten Kaisers tranken. Mit den nämlichen Beschwerden, wie beim Landen, erreichten wir unsere Böte, und befanden uns um zwei Uhr Nachmittags glücklich wieder auf dem Rurick, wo ich die Cocosnüsse, welche wir von der Rumanzoff-Insel mitgebracht, unter die Zurückgebliebenen vertheilen ließ. Die ganze Mannschaft erhielt heute ihre doppelte Portion, und der Matrose, welcher zuerst die Insel entdeckt hatte, sechs Piaster zur Belohnung. Wir lavirten die ganze folgende Nacht unter wenigen Segeln, weil in dieser Gegend mehrere Inseln zu vermuthen waren, an denen wir leicht in der Dunkelheit, wegen ihrer niedrigen Lage Schiffbruch leiden konnten, und setzten mit Tagesanbruch unsern Cours nach Westen fort. Die Breite der Mitte der Rumanzoffs-Insel, nach einer guten Mittags-Observation mit drei Sextanten beobachtet, 14º 57' 20'' S. Länge nach den Chronometern, welche mit der Observation übereinstimmen, 144º 28' 30'' W. Die Abweichung der Magnetnadel 5º 36' östlich.

Den 22sten April entdeckten wir von der Spitze des Mastes um neun Uhr Morgens in NNW Land, und richteten unsern Lauf sogleich dahin. Diese Insel, mit einem See in der Mitte, aus welchem man mehrere große Steine hervorragen sieht, ist von der nämlichen Beschaffenheit wie die übrigen, ihre Länge ist von NNO nach SSW elf, Breite nur drei Meilen. Wir umsegelten die SW Spitze in der Entfernung einer halben Meile, wobei wir weder eine Spur von Menschen, noch einen einzigen Cocosbaum bemerkten. Am Mittag lag uns die südliche Spitze der Insel in O; wir hatten eine treffliche Observation, aus welcher die Breite ihrer Mitte hergeleitet 14º 41' 00'' S. Länge, nach den Chronometern 144º 59' 20'' W, ich durfte nicht zweifeln daß auch diese Insel eine neue Entdeckung wäre, und benannte sie nach meinem ehemaligen Chef, dem Admiral Spiridof. Da die Insel mir nicht bewohnt schien, und die Landung mit den nämlichen Schwierigkeiten, wie bei der Rumanzoff-Insel verknüpft war, so wollte ich hier keine Zeit verlieren, sondern steuerte WSW in der Absicht, die Pallissairs von Cook in Augenschein zu nehmen, um meine Länge mit der seinigen zu verglichen. Ein frischer Ostwind trieb uns rasch unserm Ziele zu, und gleich nach Sonnenuntergang ließ ich beilegen, um das Schiff auf einer Stelle zu erhalten, wo ich die See zum Erstaunen ruhig und eben fand, ein Beweis, daß sich in unserer Nähe eine Menge Inseln befinden mußten. Die Strömung aber fanden wir in dieser Gegend so außerordentlich stark, daß das Schiff am folgenden Mittag 23 Meilen nach NW 82º getrieben war.

Den 23sten April segelten wir bei Tagesanbruch weiter, und mußten nach meiner Berechnung um zehn Uhr Morgens dem Meridian der Pallisairs nahe, aber etwas nördlicher seyn, weshalb ich, in der Hoffnung, die Insel bald zu finden SSW steuern ließ. Wirklich wurde um halb elf Uhr, links und rechts, Land! gerufen; ich steuerte jetzt S.t.O, ein Cours, der mich gerade in die Passage führte. Das Land rechts, welches aus einer Menge kleiner Korallen-Inseln, mit Wald bedeckt und durch Korallen-Riffe verbunden, bestand, erklärte ich für eine neue Entdeckung. Ihre Lage war nördlicher, als die der Pallisairs, welche wir links deutlich sahen, und deren Meridian wir bereits passirt waren, was unserer Schiffsrechnung nach nicht seyn durfte. Schon zweifelte ich abermals an der Güte meiner Chronometer, als ich durch eine gute Mittags-Observation wieder getröstet, einsah, daß der Strom uns diesen Possen gespielt, indem er uns 30 Meilen nach W getrieben hatte. Die von mir berechnete Länge der Pallisairs, traf mit der von Cook auf drei Minuten überein; zwischen unserer und Cooks Breite fand sich kein Unterschied, ich hatte also Ursache mit der Genauigkeit meiner Uhren zufrieden zu seyn. Ueberzeugt, daß die Inseln in SO wirklich die Pallisairs waren, und keiner Untersuchung bedurften, wandten wir uns den Neuentdeckten zu, welche sich, so weit das Auge reichte, in einer Kette nach SW erstreckten; über ihre Lage werde ich nicht ausführlich sprechen, weil ein einziger Blick in die hierzu gehörige und mit vielem Fleiße verfertigte Karte sie besser erklärt, als alle Worte. Ich bin geneigt diese Inseln für unbewohnt zu halten, denn weder eine Menschenspur noch Cocos-Bäume haben wir bemerkt, obwohl wir nur in der Entfernung einer halben Meile vom Ufer, die ganze Kette vom südwestlichen Theil an, verfolgten. Wir genossen auf dieser Fahrt einer sehr freundlichen Ansicht, indem wir sogar die durch den Wind bewegten Bäume deutlich sahen. Die Länge der beträchtlichsten Inseln, welche in den Zwischenräumen von 100 bis 200 Faden, durch niedrige Korallen-Riffe vereinigt waren, betrug ungefähr zwei Meilen, ihre Breite ¼ oder ½ Meile, aber alle, auch die kleinsten, vielleicht nur 100 Faden langen, waren mit den schönsten Bäumen dick bewachsen. Es läßt sich vermuthen, daß diese Inseln einen Kreis bilden, denn vom Mastkorbe, wo man über die Kette weg den Horizont sah, erschien die See ganz ruhig, während es auf dieser Seite eine starke Brandung gab. Am Mittag segelten wir gerade an einem niedrigen Riff vorbei, wodurch wir die Höhe der Sonne jenseit des Landes nehmen konnten; hierauf verfolgten wir die schlangenförmige Kette nach SW bis um drei Uhr Nachmittags, wo sich uns abermals ein langer Riff darstellte, der den südlichen Theil bildet, und plötzlich seinen Strich nach W nimmt. In diesem Augenblicke kündigte man mir vom Mast aus in SSO Land! an, und ich fand bei fernerer Untersuchung der Kette, indem ich den Cours nach NW fortsetzte, daß dieser lange Riff in NW sich mit andern Inseln vereinigte. Um sechs Uhr Abends erreichten wir die westlichste Insel der ganzen Kette, deren Länge, die Krümmungen abgerechnet, bis auf diesen Punkt vierzig Meilen betrug; hier bog sich das Land plötzlich nach NO und verschwand in N. Da die Sonne jetzt unterging, mußten wir für heute die Aufnahme beendigen, und wir lavirten die Nacht unter wenigen Segeln um am Morgen unsere Arbeit fortzusetzen; sobald es aber dämmerte, wurden wir gewahr, daß der Strom uns weit von dem Lande in Osten fort, und statt dessen neuen Inseln in Westen zugeführt hatte.

Den 24sten April lagen uns die gestrigen Inseln über dem Winde, und nach vielstündigem Laviren gewannen wir nur so viel daß man von der Spitze des Mastes kaum etwas Land in Osten sah. Ich fand mich also genöthigt, da jeder Augenblick mir kostbar war, die weitere Untersuchung derselben aufzugeben, und nannte diese neue Entdeckung die Ruricks-Kette. Es ist zu bedauern, daß wir die Insel, welche wir von der südlichen Spitze der Ruricks-Kette in SSO sahen, nicht mehr untersuchen konnten; aber genug! sie existirt, und ein Seemann, welcher sein Glück zwischen diesen gefährlichen Inselgruppen versucht, mag das vollenden, was mir die Umstände näher zu erforschen verboten.

Punkte; welche astronomisch bestimmt sind, bei der Ruricks-Kette.

Breite der N Spitze 15º 10' 00'' Süd.  
Länge 146º 34' 00'' West  
Breite der O Spitze 15º 21' 00'' Süd.  
Länge 146º 46' 00'' West. 146º 31' 00'' West.
Breite der S Spitze
wo wir unsere Aufnahme beendigten
15º 30' 00'' Süd.  
Länge 146º 46' 00'' West.  
Die Deklination der Magnetnadel 6º 16' östlich.    

Sobald ich mich entschlossen hatte, die weitere Untersuchung der Ruricks-Kette aufzugeben, richtete ich den Lauf nach Westen, dem Lande zu, welches wir bei Tagesanbruch bemerkt hatten, und wir sahen bald, daß es von der nämlichen Beschaffenheit wie die Ruricks-Kette, seine Lage von O nach W zu haben schien. Indem wir den südlichen Theil in der Entfernung einer halben Meile vom Ufer, verfolgten, ward ich überzeugt, daß es nichts anders seyn konnte, als die Deans (Dins)-Insel, welche man auf Arrowsmiths Karte findet; der östliche Theil derselben stimmt ganz mit unserer Länge und Breite überein. Mit Hülfe eines frischen O Windes segelten wir rasch vorwärts, konnten aber dennoch vor Sonnenuntergang das Ende der Inselkette, welche bis jetzt ihre Richtung immer westlich nahm, nicht erreichen. Auch hier bemerkten wir weder Cocosbäume, noch Spuren von Menschen, doch läßt sich schwerlich denken, daß eine so große Strecke Landes unbewohnt sey. Wir lavirten während der Nacht, und setzten am nächsten Tage die Aufnahme der Insel von dem Punkte fort, wo wir Abends vorher aufgehört hatten. Den 25sten April, als wir uns der südlichen Spitze der Deans-Insel genähert, und schon deutlich sahen, daß die Kette ihre Richtung nach NO nahm, ward in WNW Land gesehen; ich gab also, da die Deans-Insel mir jetzt über dem Winde lag, die weitere Untersuchung derselben auf, und richtete meinen Cours dem Lande zu, welches man in W erblickt hatte, und welches mir eine neue Entdeckung schien. Die Richtung der Deans-Insel ist auf Arrowsmiths Karte falsch angegeben, und man scheint überhaupt nicht bemerkt zu haben, daß sie aus einer Menge kleiner, durch Korallen-Riffe verbundener Inseln besteht. Ich habe auf meiner Reise bei andern Korallen-Insel-Gruppen so oft die Erfahrung gemacht, daß sie Kreise bilden, weshalb ich behaupten möchte, daß es sich auch bei dieser eben so verhält. Die Richtung und Ausdehnung der Deans-Insel, nach unserer Aufnahme, welche hauptsächlich auf astronomisch bestimmte Punkte beruht, ist NW 76º und SO 76º und nimmt in dieser Richtung einen Zwischenraum von 72½ Meile ein.

Breite der östlichen Spitze der Deans-Insel 15º 16' 30'' südlich.
Länge derselben 147º 72' 00'' westlich
Breite der SW Spitze 15º 22' 30'' südlich
Länge derselben 147º 19' 30'' westlich.
Breite der W Spitze 15º 00' 00'' südlich.
Länge derselben 148º 22' 00'' westlich.

Wir erreichten bald das Land in W, welches ebenfalls aus einer Gruppe kleiner durch Riffe verbundener Korallen-Inseln bestand, deren Ausdehnung von NNO nach SSW dreizehn Meilen betrug; dieses war auch die größte Länge der Gruppe, welche einen geschlossenen Kreis bildete, in dessen Mitte ein großer See, mit einer darin befindlichen, stark mit Wald bewachsenen Insel, diesen Kreis sehr kenntlich machte. Dieser Gruppe, die ohne Zweifel eine neue Entdeckung ist, gab ich den Namen des Mannes, unter dessen Führung ich die erste Reise um die Welt machte; ich nannte sie Krusenstern. Am Mittag hatten wir eine vortreffliche Observation; die NW Spitze der Krusensterns-Inseln lag uns in W, die Deans-Insel sah man in O ihre Richtung nach NO nehmen und dort unter dem Horizonte verschwinden; wir segelten, unsern Lauf nach N nehmend, zwischen beiden durch, und waren sehr froh, allen Gefahren in diesem Korallen-Labyrinthe, das schon so manchem Seemanne das Leben gekostet, glücklich entgangen zu seyn. Hatte das Wetter uns nicht in jeder Hinsicht während unsers Aufenthalts zwischen diesen gefährlichen Inseln so sehr begünstigt, so wäre der Rurick manchem Unglück ausgesetzt gewesen, und überdem hatten unsere astronomischen Observationen wenig Glauben verdient, hätte die Sonne uns dazu nicht ihre Dienste zu jeder Stunde freundlich geboten. Ein Sturm bei trübem Wetter, ist in dieser Gegend der unvermeidliche Untergang eines Schiffes, und selbst der Besitz einer genauen Karte dieser Insel-Gruppen, könnte keine Rettung bringen, da die Strömung stark, das Land niedrig und der Wind hier zu heftig ist, um zurück zu laviren, wenn man das Unglück hätte, einem Riff zu nahe zu kommen. Die Tiefe des Meeres ist in der Entfernung von ein paar hundert Faden nicht zu ergründen, folglich kann das Senkblei nicht zeitig genug vor der Gefahr warnen; auch die Anker sind ohne Nutzen, denn man darf nur fünfzig Faden von den Inseln entfernt seyn, um auch schon fünfzig Faden Tiefe, und gleich darauf gar keinen Grund mehr zu finden. Nach dieser Beschreibung wird Jedermann unsere Freude, wieder freie See vor uns zu haben, begreifen. Demungeachtet hätte ich mich trotz aller Gefahren, gern noch einige Tage hier aufgehalten, um die Aufnahme verschiedener Insel-Gruppen zu vollenden, wenn die Notwendigkeit, zu einer bestimmten Zeit in der Beeringsstraße zu seyn, mir nicht jeden Augenblick kostbar gemacht hätte, und so nahm ich jetzt, meiner Instruction gemäß, den Cours NW der Gegend zu, wo man die Baumanns-Inseln vermuthet.

Breite der Mitte der Krusensterns-Inseln 15º 00' 00'' südlich
Länge 148º 41' 00'' westlich.
Die Deklination der Magnetnadel 5º 37' östlich.

Während der Nacht hatten wir Regen mit heftigem Wind aus NO und schätzten uns sehr glücklich, aus dem Bezirke der Korallen-Inseln heraus zu seyn; da aber ungeachtet des starken Windes die See sehr eben, und daher in NO Land zu vermuthen war, so durften wir, der Vorsicht wegen, nur wenige Segel aufziehen.

Ich lege keine Beweise bei, daß die bis jetzt gemachten Entdeckungen neu sind, denn ein großer Theil meiner Leser wird mir meine Behauptung ohnehin nicht streitig machen, und den übrigen Theil davon zu überzeugen, wird Capt. Krusenstern die Güte haben, indem er im dritten Bande eine kurze Uebersicht dieser sowohl, als der weiterhin gemachten Entdeckungen liefern wird.

Den 28sten April. Breite 12º 2', Länge 154º 38'. Abends um sechs Uhr befanden wir uns auf dem Punkte, wo die Baumanns-Inseln liegen sollen, ohne das geringste Zeichen von Land zu bemerken; wir steuerten NW um die Linie zu verfolgen, auf welcher die Inseln von Roggenwein und Penhoven vermuthet werden, aber auch aus dieser Gegend waren wir am folgenden Tage heraus, ohne etwas gefunden zu haben, weshalb ich glaube, daß diese Inseln, deren Existenz man ohnehin bezweifelt, gar nicht da sind. Ich richtete jetzt den Lauf den Penrhyus-Inseln zu, welche von ihrem Entdecker nur in der Ferne gesehen, und nachher von keinem andern untersucht worden sind; da uns aber hierdurch eine längere Fahrt bevorstand, so mußte ich unsere gewöhnliche Portion Wasser vermindern, und es wurde von heute an Jedem nur Eine Flasche täglich gereicht.

Den 30sten um drei Uhr Nachmittags sahen wir die Penrhyus-Inseln, deren Beschaffenheit uns den übrigen Korallen-Inseln gleich schien. Um fünf Uhr waren wir nur noch drei Meilen vom südlichen Theil dieser Insel-Gruppe entfernt und sahen nun deutlich, daß sie ebenfalls durch Korallen-Riffe vereinigt, einen Kreis bildet, in dessen Mitte sich ein See befand, aus welchem viele Klippen hervorragten. Sehr überrascht waren wir, diese Inseln mit dicken Wäldern von Cocosbäumen bedeckt zu finden, aber ein freudiges Erstaunen bemächtigte sich unser, als wir jetzt eine Rauchsäule emporsteigen sahen, die uns bewies, daß diese kleine, und sehr entfernte Insel-Gruppe bewohnt war. Durch die Fernröhre welche wir auf das Land richteten, sahen wir bald viele Menschen am Ufer umherlaufen, und nur die sinkende Sonne bewog uns, die Untersuchung bis zum folgenden Tage aufzuschieben. Wir lavirten bei dem schönsten Wetter in der Nähe des Landes, und erfreuten uns der unzähligen Boniten, welche den Rurick umgaben. Den 1ten Mai bei Tagesanbruch, suchten wir uns bei der Insel-Gruppe unter den Wind zu bringen, um bei ruhiger See eine Landung möglich zu machen. Schon um acht Uhr befanden wir uns in stillem Wasser, nur ein Paar Meilen vom Ufer entfernt, und sahen jetzt deutlich, wie hier eine Menge Menschen umherlief, dort andere beschäftigt waren, ihre Böte eilig ins Wasser zu stoßen, und viele von entferntern Inseln schon ihren Weg auf uns zu nahmen. Die Bevölkerung schien mir im Verhältniß des Landes so stark, daß ich noch jetzt nicht begreife, wie sie hier alle ihre Nahrung finden. Als ich die große Menge der Böte sah, welche auf uns zu kam, so ließ ich beilegen, und wir erwarteten mit Ungeduld die Bekanntschaft der Wilden, und zugleich die frischen Lebensmittel, welche wir bei dieser Gelegenheit einzutauschen hofften. Einige dieser Böte, welche zwölf bis fünfzehn Mann faßten, hatten Segel, auf jedem befand sich ein alter Mann, wahrscheinlich der Befehlshaber der Ruderer, denn er saß, den Hals mit einem Palmenkranze geschmückt, gravitätisch da, und hielt mit der linken Hand einen Palmenzweig (bekanntlich das Friedenszeichen der Südsee-Insulaner) in die Höhe. Nachdem die Böte sich dem Rurick auf zwanzig Faden genähert, blieben sie stehen, stimmten ein Lied mit gar trauriger Melodie an, und kamen erst nach Vollendung dieser Ceremonie, furchtlos näher, ohne jedoch das Verdeck zu besteigen. Wie unangenehm fanden wir uns jetzt in der süßen Hoffnung auf frische Lebensmittel getäuscht, da die Wilden statt ihrer, nur unreife Cocosnüsse gegen Nägel und alte Stücke Eisen vertauschten, und ich nahm, um doch etwas zu profitiren, jetzt meinen früheren Befehl, nur Lebensmittel einzuhandeln, zurück, und erlaubte jedem, sich nach seinem Wunsche, mit den Arbeiten der Wilden zu versorgen. Bald war der Rurick von sechs und zwanzig Böten umringt, die sich aber alle an einer Seite halten mußten, weil meine Mannschaft nicht stark genug war, um das ganze Schiff vor der Raubsucht von 300 Wilden zu schützen. Der Handel ging lebhaft und unbeschreiblich laut von Statten; viele Böte schlugen im Bestreben, mit ihren Waaren die Ersten zu seyn, um, der heftigste Streit endete indeß immer unter Lachen und Scherzen. Diejenigen, welche sich wegen des Gedränges dem Rurick noch nicht nähern konnten, vertrieben sich in ihren Böten die Zeit mit singen und tanzen, und ihre höchst komischen Bewegungen sowohl, als ihre große Fertigkeit im Gesichterschneiden, machten uns viel Spaß.

Da sie durchaus nicht aufs Schiff kamen, so ward der Handel vermittelst eines ihnen zugeworfenen Taues betrieben, woran sie ohne Mißtrauen ihre Waaren befestigten, und dann ruhig die Bezahlung erwarteten, welche ihnen auf gleiche Weise zukam. Einer der Chefs, welcher sich endlich an der Seitentreppe des Ruricks so hoch herauf gewagt, daß er mit seinen Augen an die Schanze reichte, ward, indem er voll Verwunderung und Neugier die fremden Gegenstände anschaute, von den Andern unter lautem Angstgeschrei an den Beinen zurückgezogen; sie umringten ihn als er wieder im Boot war, und er hatte unter lebhaften Gesticulationen viel zu erzählen, wobei er ihnen die Geschenke zeigte, welche wir ihm, um seinen Muth zu belohnen, gemacht. Nach und nach nahm jetzt die Dreistigkeit der Insulaner zu; sie stahlen so viel sie konnten, ohne die geringste Rücksicht auf unsere Vorstellungen zu nehmen, welche sie nur verlachten, und trieben am Ende die Dreistigkeit so weit, uns zu drohen. Ihre Unbekanntschaft mit dem europäischen Feuergewehr, nebst einer uns weit überlegenen, mit Lanzen bewaffneten Menschenmenge, gab ihnen diese Herzhaftigkeit, welche sie durch wildes Geschrei an den Tag zu legen suchten. Als ich endlich nicht mehr mit ihnen fertig werden konnte, ließ ich eine Flinte losschießen, und das that seine Wirkung, denn in einem Augenblicke warfen sich alle aus ihren Böten in die See, wo sie untertauchten. Die Eile, womit dieses geschah, gewährte einen seltsamen Anblick; Todtenstille folgte unmittelbar auf den ungeheuern Lärm, und ein weites Grab schien Alle verschlungen zu haben, bis nach und nach ein Kopf nach dem andern auf der Oberfläche sichtbar ward. Schreck und Erstaunen malte sich auf allen Gesichtern; vorsichtig spähten sie umher, welchen Schaden der schreckliche Knall wohl angerichtet, und erst, als sie keinen bemerkten, fanden sie sich wieder in den Böten ein; ihre Zudringlichkeit hatte sich in Bescheidenheit verwandelt. Von unsern Sachen gefiel ihnen nichts so wohl, als große Nägel, und nur gegen diese gelang es uns, einige Lanzen von schwarzem Holz, sehr sauber gearbeitet, nebst andern Waffen einzutauschen.

Ich kann diese Insulaner, ihre Größe und Stärke nach mit den Bewohnern der Marquesas vergleichen, auch die Art der Gesichter mag die nämliche seyn, obzwar die auf den Marquesas-Inseln mir hübscher und von hellerer Farbe schienen. Von den Weibern kann ich nicht urtheilen, da wir nur zwei zu sehen bekamen, welche alt und sehr häßlich waren. Den frohen, kindischen Sinn, haben sie mit den übrigen Südsee-Insulanern gemein, nur ist ihr Betragen noch viel wilder, als ich es bei den andern getroffen. Auffallend und merkwürdig ist es, daß die Bewohner der Penrhyns sich nicht tatuiren, und also hierin von dem Gebrauche der übrigen Südsee-Insulaner ganz abweichen, besonders da sie den Freundschafts-Inseln so nahe liegen, daß sie entweder von diesen ihren Ursprung haben, oder von den Washingtons-Inseln hierher vertrieben worden sind. Um sich indeß nicht ganz ungeziert zu sehen, so haben die Meisten sich auf Brust und Rücken blutige Streifen eingekratzt, welche ihnen, nebst dem lang darüber hängenden, unordentlichem Haar, ein widerliches Ansehen geben. Nur wenige ausgenommen, welche einen Gurt von schlecht gearbeitetem Zeuge tragen, gehen alle nackt. Die Nägel tragen sie lang, und das ist wahrscheinlich eine Hauptzierde der Vornehmen, denn ich habe mehrere bemerkt, welche sie bis auf drei Zoll hatten wachsen lassen. Daß die Penrhyns den Baum nicht besitzen, aus welchem auf den meisten Südsee-Inseln das bekannte Zeug verfertigt wird, beweist, daß sie mit den Freundschafts-Inseln in keiner Verbindung stehen, indeß verstanden sie doch einige Worte ihrer Sprache, welche wir, aus Cooks Reisen entlehnt, ihnen sagten. Ihre Böte, welche schlecht gearbeitet sind, gleichen denen auf den Marquesas, sind ebenfalls mit einem Balancier versehen, und tragen bequem zwölf Mann; die Segel, aus grob geflochtenen Matten, sind nur darauf eingerichtet, mit dem Winde zu segeln. Ob die Insel außer Cocosnüssen, noch etwas hervorbringt, kann ich nicht beurtheilen, an diesen aber muß, nach der Menge der Bäume zu schließen, großer Ueberfluß seyn. Durch das Fernrohr sahen wir viele Weiber umherspazieren, welche aus weiter Ferne unser Schiff bewunderten; kein einziges Haus haben wir bemerkt, wohl aber eine aus Steinen gut zusammengefügte Mauer. Die frischen Lebensmittel, welche wir aus Conception mitgenommen, hatten alle ein Ende, bis auf ein kleines Schwein, das zu einem Feste aufbewahrt wurde; dieses zeigten wir den Wilden, welche es zu kennen schienen und zu besitzen wünschten. Wir zählten am Ende 36 Böte, welche 360 Mann enthielten und deren Zahl zugenommen hätte, wen wir länger hier geblieben wären, denn schon sah man mehrere Canots ihren Weg auf uns zu nehmen. Ich hätte sehr gern eine Landung unternommen, durfte es aber meiner geringen Mannschaft wegen, nicht wagen, da die Anzahl der Wilden so beträchtlich, und ihr Betragen sehr verwegen war.

Gegen Mittag hatten wir ein fürchterliches Gewitter, von Regen und Windstößen begleitet; der schwarz bezogene Himmel verhieß anhaltend schlechtes Wetter, und ich beschloß, die Insel zu verlassen. Die Wilden aber, ungeschreckt vom heftigen Donner, hatten ihre Böte an den Rurick befestigt, um bei dieser Gelegenheit noch mit aller Gewalt sich einiger Nägel zu bemächtigen, welche sie aus dem Schiffe zu ziehen suchten, und ein solches Geschrei dabei erhoben, daß das Commando nicht zu hören war. Um sie nicht durch einen zweiten Schuß zu erschrecken, ließ ich alle Segel beisetzen, und die unerwartet schnelle Bewegung des Schiffs, wodurch mehrere Böte umschlugen, zwang sie endlich uns zu verlassen; aber noch lange ruderten sie uns nach, indem sie durch allerlei Zeichen zu verstehen gaben, daß sie unsere Rückkehr wünschten. Die starke Bevölkerung dieser kleinen Inselgruppe, der verwegene Geist dieser Wilden und ihre vielen Waffen, alles dieses beweist, daß sich in ihrer Nähe Inseln befinden müssen mit welchen sie in Verbindung stehen, und gewiß auch – Kriege führen.

Wir fanden die Breite der Mitte dieser Gruppe 9º 1' 35" südlich.
Das Mittel zwischen Chronometer und der observirten Länge,
welche nahe mit einander übereinstimmten
157º 34' 32" westlich.
 Abweichung der Magnetnadel  8º 28' östlich.

Indem ich jetzt die Penrhyns-Inseln verließ, suchte ich den Aequator im 180º der Länge zu durchschneiden, ein Weg, der noch von keinem Seefahrer eingeschlagen, und auf welchem neue Entdeckungen zu vermuthen waren. Diesen Plan aber mußte ich in der Folge aufgeben, denn die sich oft wiederholende Windstille verlängerte meine Fahrt zu sehr, und die drückende Hitze wirkte sehr nachtheilig auf unsere Gesundheit.

Den 4ten Mai. Breite 7º 31' 39" südlich, Länge 162º 7' 19". Es regnete heute so stark, daß wir zwölf Faß Wasser sammeln konnten, ein Glück, das bei unserm Wassermangel in der schrecklichen Hitze, unschätzbar war, und uns den Regentag zum Feste machte. Schon seit ein Paar Tagen hatten wir starke Windstöße aus allen Richtungen des Compasses ausgestanden, der Strom hatte uns in den letzten 24 Stunden 32½ Meile nach SW getrieben, und erst jetzt bekamen wir den wahren NO Passat.

Den 8ten Mai. Breite 3º 14' 34" südlich, Länge 168º 25' 33" westlich. Gestern und besonders heute zeigten sich uns eine Menge Seevögel verschiedener Gattung, welche wie gewöhnlich bei Sonnenuntergang ihren Flug nach SW richteten. Abends setzten sich zwei von ihnen aufs Schiff und ließen sich fangen; ein dritter hatte die Dreistigkeit mir gerade in die Hände zu fliegen. Nachdem wir den beiden ersten ein Stückchen Pergament, worauf der Name des Schiffs und die Jahrszahl notirt war, an den Hals gebunden, erhielten sie ihre Freiheit, der dritte ward dem Naturalienkabinet geopfert. Der Gattung nach, gehören diese Vögel zu den Seeschwalben; sie sind ungefähr so groß wie Tauben, haben einen weißen Fleck auf dem Kopf und sind außerdem ganz schwarz. Die große Anzahl der Vögel ließ mich nicht zweifeln, daß wir uns in der Nähe vieler unbewohnter Inseln und Klippen befanden, und hätte die Zeit es erlaubt, so würde ich dem Fluge der Vögel nach, meinen Lauf nach SW genommen haben, so aber trieb uns der Strom, dessen Richtung nach NW war, täglich 33 bis 45 Meilen dorthin, und hielt so an, bis wir am 11ten in der Länge von 175º 27' 55" den Aequator durchschnitten.

Die Deklination der Magnetnadel aus mehreren Beobachtungen fanden wir 8º 4' östlich. Den 12ten Mai in der nördlichen Breite 1º 17' 46", Länge 177º 5' sahen wir neben sehr vielen Seevögeln, auch einen Landvogel, konnten aber, selbst von der Spitze des Mastes kein Land entdecken, woraus zu schließen, daß es dort sehr niedrig seyn mußte. Der Thermometer stand seit einigen Tagen und Nächten auf 23 Grad, eine Hitze, welche besonders bei Windstille schwer zu ertragen ist, und wobei ich mich glücklich schätzte, dennoch keinen Kranken an Bord zu haben. In der Nacht ward ein sieben Fuß langer Delphin, der erste auf unserer ganzen Reise harpunirt. Wir machten den Versuch von seinem Fleisch zu essen, fanden es wohlschmeckend, und dem Rindfleisch sehr ähnlich, und delectirten uns um so mehr daran, als wir seit langer Zeit nur Salzfleisch auf unserer Tafel gehabt hatten.

Den 19ten. Breite 3º 42' N, Länge 187º 19'. – Meine Fahrt nach Kamtschatka war dergestalt von mir berechnet, daß ich den nördlichen Theil der Mulgraves durchschneiden wollte, weil mir diese Inseln, welche fast gar nicht bekannt sind, einer Untersuchung werth schienen. Um sie daher ja nicht zu verfehlen, segelten wir zwei Tage zwischen den Parallelen 8 und 9º da man in dieser Breite nach Arrowsmiths Auf meiner Rückreise machte ich in London die Bekanntschaft dieses berühmten Geographen, welcher mich versicherte, daß er die Mulgraves-Kette nur willkührlich nach sehr unzuverläßigen Nachrichten einiger Kauffartheifahrer auf der Karte verzeichnet habe. Selbst Capt. Gilberts Karte enthält nichts Ausführliches. Karte hier nicht durch die Kette kommen konnte, ohne Land zu sehen. Um drei Uhr Nachmittags, durchschnitten wir nach unserer Rechnung in der Breite 8º 45' 52" N, die Kette, ohne das geringste Kennzeichen von Land zu bemerken. Unsere Länge nach den Chronometern, welche noch Tags zuvor mit Observationen verglichen, und an deren Genauigkeit nicht zu zweifeln war, betrug 187º 44' 14". Nachdem wir vergebens nach Land umhergespäht, steuerte ich direkt westlich, in der Meinung, daß die Länge der Insel auf der Karte falsch angegeben sey; als wir aber auch in dieser Richtung fünfzehn Meilen zurückgelegt, ohne Land zu entdecken, lenkte ich das Schiff nach N um, aus Furcht, durch weiteres Vorrücken die Kette ganz zu verfehlen. Bei nochmaliger genauer Prüfung der Karte schien sie mir sehr unzuverläßig; die Lücke zwischen 8 und 9º mußte größer seyn, als sie darauf angegeben war, weil man sonst auf keinen Fall die Kette durchschneiden konnte, ohne Land zu finden. Bis zum Untergang der Sonne segelten wir nach N fort, und lavirten während der Nacht, um in der Dunkelheit nicht auf Korallen-Klippen zu gerathen, und daran zu scheitern. Die Nacht war unbeschreiblich finster, heftige Windstöße beunruhigten uns, und einer schlug, indem der NO Passat wehte, so stark von der entgegengesetzten Seite gegen den Rurick an, daß alle Segel, welche nicht so schnell umzulegen waren, mit Gewalt gegen die Masten schlugen. Dieser Vorfall welcher leicht sehr gefährlich seyn kann, hatte für uns nur die üble Folge, daß einige Segel zerrissen wurden, und ich mit einem durch die Stärke des Windes gesprungenen Tau, einen Schlag an die Stirn bekam, der mich sinnlos zu Boden warf; zwar kam ich nach einer Viertelstunde zu mir, blieb aber noch eine ganze Stunde in einem Zustande, der an Wahnsinn grenzte, und ward erst gegen Morgen durch die Hülfe unseres geschickten Arztes ganz wieder hergestellt.

Den 20sten Mai setzten wir bei einem schwachen NO Winde den Cours nach NNW fort, und fanden am Mittag nach einer guten Observation die Breite 9º 26' 21" N, Länge 180º 19' 6" W. Jetzt gab ich den Vorsatz auf, weiter nach N zu segeln, und steuerte direkt nach W weil es mir nach der Karte zu urtheilen, noch immer wahrscheinlich schien, auf dieser Parallel die Insel zu finden. Bis sechs Uhr Abends wo wir 35 Meilen zurückgelegt, behielt ich diesen Cours, doch abermals vergeblich; wir entdeckten nichts. Da die Zeit mir nicht erlaubte, mich länger hier aufzuhalten, so richtete ich meinen Lauf jetzt gerade nach Kamtschatka, und verschob die fernere Untersuchung dieser Gegend bis zu meiner Zurückkunft aus der Beeringsstraße. Trotz der gefährlichen Gegend, und der sehr finstern Nacht, entschloß ich mich, weil keine Zeit mehr zu verlieren war, rasch vorwärts zu eilen, und steuerte unter vollen Segeln NWN. – Im folgenden Jahre erst sahen wir die Gefahr, der wir in dieser Nacht wunderbar entgangen, indem wir zwischen niedrigen Inselgruppen, in sehr geringer Entfernung, glücklich durchgekommen waren.

Den 21sten ward von der Spitze des Mastes in NW Land entdeckt, das aus mehreren Korallen-Inseln bestand, und der Ruricks-Kette glich. Um zwei Uhr, als wir nur noch 1½ Meile von ihrer südlichen Spitze entfernt waren, sahen wir zu unserer Freude Rauchsäulen zwischen den Cocosbäumen emporsteigen, und indem wir die NO Seite der Kette nach N verfolgten, eine Menge Menschen am Ufer, welche den Rurick mit Erstaunen betrachteten. Jetzt bemerkte der Matrose vom Selmik aus eine Brandung, und ich fand, daß ein langer gefährlicher Korallen-Riff, der mit den Inseln in Verbindung stand, sich tief in die See erstreckte. Hätten wir das Unglück gehabt, diesen Riff, welcher kaum auf der Oberfläche der See sichtbar war, Nachts zu berühren, so war unser Untergang unvermeidlich. Jetzt dublirten wir seine NO Spitze, befanden uns bald in hoher See und ruhigem Wasser, und segelten der kleinen Insel in SW zu, indem wir, nur 200 Faden vom Riff entfernt, vergebens den Grund mit dem Senkblei zu erreichen suchten. Schon dunkelte es, als wir der kleinen Insel nah, auch dort Menschen erblickten, und wir mußten die Untersuchung sowohl dieser, als einer zweiten Inselgruppe in S welche eben von der Spitze des Mastes bemerkt war, auf den nächsten Tag verschieben. Die Lage aller dieser Inseln, findet man auf der Karte genau angegeben. Den 22sten Mai nahmen wir bei Tagesanbruch den Cours dem Lande zu, konnten aber den schon gestern behaupteten Punkt erst um neun Uhr wieder erreichen, da der Strom uns während der Nacht weit nach W getrieben hatte. Auf der Insel, welche nördlich mit einem allerliebsten Cocoswäldchen bewachsen war, sahen wir Menschen, und am Strande ein großes Boot, das bald darauf unter vollen Segeln auf uns zukam. Ich ließ gleich beilegen, bewunderte die künstliche Bauart desselben, und die auffallende Geschicklichkeit, mit welcher es behandelt wurde, spannte unsere Neugier immer höher, und machte uns glauben, daß wir es hier nur mit Halb-Wilden zu thun hätten. Das Boot näherte sich dem Rurick auf hundert Faden, und blieb in dieser Entfernung stehen; wir zählten neun Insulaner, welche uns Früchte zeigten, uns laut zuriefen und durch Pantomimen zu verstehen gaben, daß wir ihnen ans Land folgen mögten, wo sie uns mit Früchten versorgen wollten. Die bescheidenen angenehmen Manieren dieser Insulaner, welche so sehr gegen das wilde Betragen der Penrhyns abstachen, befremdeten uns sehr, da wir dergleichen in der Südsee, auf einer noch nie besuchten Insel, nicht erwarten konnten. Alle waren unbewaffnet, und die pünktlichste Subordination sichtbar; der Befehlshaber saß an der linken Seite des Bootes mit untergeschlagenen Beinen, auf einer auf dem Balancier angebrachten und mit bunten Matten verzierten Erhöhung, das Haupt mit Blumen und Muschelkränzen geschmückt. Mit Erstaunen und Neugier betrachteten sie das Schiff, wiesen mit den Fingern auf verschiedene Gegenstände welche ihnen besonders auffielen, und unterhielten sich eifrig mit einander. Als ich sah, daß alle unsere Bemühungen, sie aufs Schiff zu locken, vergebens waren, befahl ich ein Boot herunter zu lassen, in der Hoffnung, daß ein so kleines Fahrzeug ihnen minder furchtbar scheinen möchte, und, aufmerksam auf jede unserer Bewegungen, äußerten sie laut ihre Bewunderung, als sie es aus dem Rurick heben sahen. Ich schickte den Lieutenant Schischmareff, Herrn von Chamisso und den Maler Herrn Choris ab, um das Zutrauen unserer Wilden durch Geschenke zu erwerben; diese aber waren durch die Ankunft der Schaluppe in die größte Unruhe versetzt, und während sie noch eifrig deliberirten, ob sie bleiben oder fliehen sollten, waren die Unsrigen schon da, und suchten sich in ihre Gunst zu schleichen durch freundliche Gebehrden und kleine Geschenke, welche die Wilden gern annahmen. Der Lieutenant Schischmareff, welcher schon ein freundschaftliches Verhältniß gestiftet zu haben glaubte, wollte jetzt in ihr Boot steigen, um die saubere Arbeit desselben näher zu bewundern, ein Unternehmen, das sie aus aller Fassung brachte; eilig warfen sie eine Pandanus-Frucht, nebst einer hübschen Matte, wahrscheinlich als Gegengeschenk, in unsere Schaluppe, und entfernten sich darauf so schnell als möglich. Noch einmal mit ihnen in Berührung zu kommen, gelang uns nicht mehr, obgleich sie immer in der Nähe des Schiffs hin und her segelten, und viele Zeichen machten, welche uns bewegen sollten ans Land zu kommen. Ich durfte nicht wagen, ihrer Einladung zu folgen, da die Inseln ringsum mit Korallen-Riffen eingefaßt waren, welche eine starke Brandung verursachten, und es mir zu viel Zeit gekostet hätte, einen erträglichen Landungsplatz auszusuchen. Wir bewunderten die Schärfe und Schnelligkeit, womit ihr Boot gegen den Wind segelte; es war nur mit einem, unverhältnißmäßig großen Segel aus fein geflochtenen Matten versehen, das die Form eines spitzwinkeligen Dreiecks hatte, dessen spitzer Winkel nach unten gekehrt war. Die Kunst und Schnelligkeit, womit sie das Boot beim Laviren wandten, verdiente die Bewunderung jedes Seemannes.

Diese Insulaner waren von schwarzer Farbe, ziemlich lang und schmächtig; ihr schwarzes, schlechtes Haar trugen sie geschmackvoll mit Blumenkränzen umwunden, auch Hals und Ohren waren wunderlich verziert. Ihre Kleidung bestand aus zwei künstlich und bunt geflochtenen Matten, wovon sie eine vorn und die andere hinten um den Leib gebunden hatten, und die bis ans Knie herunter hingen; der übrige Körper war nackt. Auf ihren Gesichtern bemerkte man den Ausdruck der Gefälligkeit und Gutmütigkeit, und doch einige Aehnlichkeit mit den Malayen.

Nachdem ich mich hier bis zum Mittag aufgehalten, die Aufnahme der Gruppe vollendet, und eine gute Observation gehabt hatte, ließ ich die Segel aufziehen, und richtete den Lauf südlich, um die zweite Gruppe, welche sich in dieser Gegend zeigte, zu untersuchen. Die Wilden segelten uns nach, riefen laut und winkten uns mit beiden Händen, indem sie Früchte in die Höhe hielten. Ich ließ noch einmal beilegen, in der Hoffnung, daß sie uns jetzt vielleicht einen Besuch machen würden, und ward abermals in meiner Erwartung getäuscht; auch sie hielten ihr Boot an, freuten sich über jede Bewegung auf dem Schiffe, und am lautesten, wenn plötzlich ein großes Segel umgelegt wurde, was ihnen wahrscheinlich als ein Werk der Zauberey erschien, da sie die Taue nicht sahen, womit die Segel regiert wurden. Wir winkten ihnen freundlich, an Bord zu kommen, da sie aber statt aller Antwort nur immer aufs Land zeigten, so gab ich alle weitere Versuche zu einer Vereinigung auf, und setzte meinen Weg weiter fort.

Wir erhielten bald eine deutliche Uebersicht der zweiten Gruppe, welche ebenfalls aus kleinen, durch Korallen-Riffen verbundenen Inseln bestand, und in ihrer Mitte tiefes Wasser zu enthalten schien. Diese Gruppe trennt sich von der andern durch einen 3½ Meilen langen Kanal, den ich zu durchschiffen beschloß; ein Steuermann, versehen mit einem guten Fernrohr, sollte vom Mastkorbe aus, uns zeitig vor jeder Gefahr warnen; wir fanden den Kanal indeß frei von Klippen, und die Tiefe unergründlich. Schon um vier Uhr Nachmittags hatten wir die südliche Spitze der Gruppe umschifft und den NW Theil erreicht, welcher mit einem langen, gefährlichen Riff endigt. Diese schien uns unbewohnt, und es war, obzwar sie stark mit Bäumen bewachsen, keine einzige Palme sichtbar. Auch auf der vorigen Gruppe konnte die Bevölkerung nicht stark seyn, da wir nur zwei Böte, und am nahen Ufer nur wenige Menschen sahen; wenigstens war sie mit der Volksmenge auf den Penrhyns nicht zu vergleichen. Ich nannte die erste Gruppe Kutusow, die zweite Suwarow, und freute mich unendlich, der Erste zu seyn, der diesen beiden Männern, welche sich ums Vaterland so sehr verdient gemacht, in der Südsee ein ewiges Denkmal errichtete. – Beide Inselgruppen zusammen, nehmen von N nach S einen Raum von 25½ Meile ein; ihre Lage ist auf der Karte zu sehen. Die Breite des Kanals fanden wir nach einer sehr guten Observation 11º 11' 20" N Länge, nach den Chronometern, welche ganz mit den kürzlich von uns observirten übereinstimmten, 190º 9' 23". Die Declination der Magnetnadel 11º 18' östlich. Wir hatten um sechs Uhr Abends wieder freie See, und ich ließ, mit dem Vorsatz, diese Gegend im künftigen Jahre wieder zu besuchen, jetzt den Cours NNW nach Kamtschatka nehmen. Zwar wäre es vorsichtiger gewesen, in dieser ganz unbekannten Gegend, während der Nacht nicht zu segeln, aber die Nothwendigkeit, sobald als möglich in Kamtschatka einzutreffen, gebot Eile, und wir segelten unter Gottes Schutz rasch vorwärts. Es mußte beständig ein Matrose auf dem Selmik Wache halten, welcher jede Stunde abgelöst und streng bestraft wurde, wenn ein anderer einen gefährlichen Gegenstand früher entdeckte, als er; in der Nacht ward die Wache vom Selmik auf den Bugspriet versetzt, und wir konnten durch diese Maaßregel zwar wohl verhindern, daß der Rurick in der Finsterniß nicht auf hohes Land lief, aber, unter dem Wasser liegende, oder sehr wenig hervorragende Klippen, wären dennoch nicht zu vermeiden gewesen, wie man aus Capt. Flinders Reise sehen kann, wenn der Himmel selbst nicht gnädig über uns wachte.

Den 29sten Mai. Breite 24º 28', Länge 197º 39'. Die ökonomische Gesellschaft in St. Petersburg, hatte mir drei kleine Schachteln mit getrocknetem Fleisch (Fleischzwieback genannt) und eine mit getrocknetem Kohl mitgegeben; diese Erfindung, welche auf dem Lande als nützlich anerkannt war, sollte auch auf der See ihr Glück versuchen, und ich war daher beauftragt, beim ersten Durchschnitte des nördlichen Wendekreises, eine Schachtel mit Fleisch zu öffnen; die zweite, nebst der Kohlschachtel beim zweiten Durchschnitt des nämlichen Kreises, und die dritte nach St. Petersburg zurückzubringen. Die Schachteln waren aus dünnen Brettern, auf solche Art zusammengefügt, daß die Luft bequem durchdringen konnte, eine Verfahrungsweise, welche mir für die See nicht gut berechnet schien, und auch wohl der Hauptgrund seyn mochte, daß sowohl Fleisch, als Kohl verdorben waren. Als wir zum ersten Mal den nördlichen Trop durchschnitten, ward eine Schachtel mit Fleisch geöffnet, und sogleich ihres widrigen Geruchs wegen über Bord geworfen. Heute, indem wir zum zweiten Mal diesen Kreis durchschnitten, ließ ich die zweite Schachtel mit Fleisch, nebst einer Kohlschachtel öffnen, und, da sie mir mufflig roch, aus beiden eine Suppe kochen, welche, ihr Urtheil erwartend, auf der Offizierstafel erschien. Wir fanden Alle, daß sie zwar im Nothfall genießbar, der Geschmack aber widerlich war, und der Arzt erklärte sie, der halb verdorbenen Bestandtheile wegen, für ungesund, besonders den Kohl, welcher bekanntlich Oel enthält, der ranzig und der Gesundheit schädlich geworden war, das Fleisch, welches den Geschmack von verdorbenem Stockfisch hatte, war vollkommen kraftlos, und kann also auf der See nie als nahrhafte Speise gebraucht werden. Um den üblen Geschmack der eben genossenen Suppe zu vertreiben, ließ ich jetzt ein Paar blecherne Dosen mit englischem Patentfleisch öffnen, diese enthalten frisches, in Dampf gekochtes Fleisch, und sind mit einer solchen bewundernswürdigen Sorgfalt zugelöthet, daß durchaus keine Luft hineindringen kann, und daher das darin befindliche Fleisch selbst nach Jahren, nicht von ganz frischem zu unterscheiden ist. Selbst einem Leckermaul hätte die Schüssel befriedigt, welche jetzt auf unserer Tafel stand, wie viel mehr uns, die wir so lange schon nur Salzfleisch genossen hatten.

Den 3ten Juni. Um vier Uhr Morgens, als wir uns in der Breite 31º 49', Länge 200º 15', beide von der gestrigen Observation nach der Schiffsrechnung hergeleitet, befanden, ward ein Landvogel gefangen, der nach wenigen Stunden, nachdem er einige Tarakanen, welche wir ihm vorsetzten, mit vielem Apetit verzehrt, seine Freiheit wieder erhielt; beträchtlich große Schwärme von Seevögeln, worunter sich besonders viele Tropik-Vögel befanden, zogen unaufhörlich vorbei. Seit dem Mittag hatte sich die Farbe des Wassers auffallend verändert, und war um vier Uhr Nachmittags so schmutzig, daß ich in der Voraussetzung nahe an einer Untiefe zu seyn, den Grund mit dem Senkblei untersuchen ließ, auf hundert Faden aber keinen erreichte. Dr. Eschscholz, welcher regelmäßig jeden Mittag die Temperatur der Oberfläche des Meers mit dem Thermometer untersuchte, fand sie in diesem Augenblicke um 2½º Grad kälter: ein Beweis, daß die Tiefe des Meeres seit dem Mittag bedeutend abgenommen, und wir uns wahrscheinlich in der Nähe eines unbekannten Landes befanden, dessen Anblick uns der dichte Nebel welcher uns umhüllte, verbarg. In der Nacht hatte das Wasser seine gewöhnliche Farbe wieder angenommen, und ich hoffe, im künftigem Jahre die Gegend genauer untersuchen zu können.

Den 13ten hatten wir die Breite 47º erreicht, als wir von einem heftigen Sturm aus NW überfallen wurden, der zwölf Stunden anhielt, und eine solche Kälte mitbrachte, daß Eisklumpen aus den Segeln aufs Verdeck herabfielen; wir empfanden die plötzliche Veränderung der Temperatur um so mehr, als wir einige Monate hindurch Tag und Nacht 24º Wärme gehabt hatten. Seitdem wir die Parallele 33º verließen, sind wir unaufhörlich von einem dichten Nebel umgeben.

Den 18ten mußten wir, unserer Rechnung nach, in der Nähe von Kamtschatka seyn, und als sich der Nebel um vier Uhr Nachmittags verzog, erblickten wir die Küste in ihrem Winterschmuck. Wir befanden uns jetzt in einiger Entfernung von der Küste Poworotnoi, und da das Wetter sich ganz aufklärte, so hoffte ich den folgenden Tag den Peter Pauls Hafen zu erreichen.

Den 19ten mit Tagesanbruch, nahmen wir bei günstigem Winde den Cours der Awatscha-Bay zu; der Tag war heiter, und einen prächtigen Anblick gewährte uns die hohe Küste Kamtschatkas, welche mit ihren himmelanstrebenden, zuckerhutförmigen Bergen, deren schneebedeckte Gipfel in der Sonne glänzten, in freundlicher Majestät vor uns lag. Gegen Mittag, als wir uns der Awatscha-Bay näherten, erblickten wir auf dem hohen Felsen, der den nördlichen Theil desselben bildet, einen Telegraphen in voller Thätigkeit; ein Anblick, der uns überraschte, da man früher an dergleichen nützliche Einrichtungen in Kamtschatka nicht gedacht hatte. Von dem Telegraphen aus meldet man die Ankunft der Schiffe, welche man schon in großer Entfernung sehen kann, dem Commandanten in Peter Pauls Hafen, und dieser hat Zeit genug, ihnen Böte mit Ankern und Tauen, die in der engen Passage am Eingange in die Awatscha-Bay große Dienste leisten, entgegenzuschicken. Auch wir sahen das Hülfs-Boot kommen, erreichten aber die Bay noch mit dem Winde; dieser legte sich indeß plötzlich, und wir wurden langsam in den Hafen bugsiert, wo wir um zwölf Uhr in der Nacht, die Anker fallen ließen. Lieutenant Rudokof, der seit zwei Jahren hier die Stelle des Gouverneurs vertritt, war uns schon früher mit einer Schaluppe entgegen gekommen, und hatte gütig versprochen, die Besorgung unserer Bedürfnisse zu übernehmen. Sowohl in der Bay, als im Hafen sah noch alles sehr winterlich aus, und vergebens suchten wir ein grünes Fleckchen; der Winter soll aber auch in diesem Jahre ungewöhnlich lang gewesen seyn. – Den Tag nach unserer Ankunft fand ich nach den Chronometern die Länge des Hafens 201º 15' 30", die wahre Länge derselben beträgt nach der Beobachtung des Astronomen Horn 201º 16' 40". Der geringe Unterschied den meine Chronometer gaben, spricht für ihre Güte, und beweist, daß alle Längen auf dieser Fahrt nach den Chronometern bestimmt, auf Treu und Glauben angenommen werden können.

Ich werde mich auf keine Beschreibung von Kamtschatka einlassen, da so viele Reisende vor mir es thaten, sondern nur etwas über meinen hiesigen Aufenthalt sagen. Meine erste Sorge war, den Rurick, der durch die Stürme gelitten, und woran besonders das Kupfer sehr beschädigt war, wieder auszubessern, und wir erhielten dazu, durch den Lieutenant Rudokof, die noch brauchbaren Kupferplatten des alten Schiffs Diana. Dasselbe Schiff, womit Golownin die Reise nach Japan unternahm, und das er, seiner Baufälligkeit wegen, in Kamtschatka zurücklassen, und die Reise nach Rußland zu Lande antreten mußte. Schwerlich wäre das Kupfer an unserm Schiffe einer so schnellen Zerstörung unterworfen gewesen, wenn man es bei der Ausrüstung in Abo mit mehr Sorgfalt behandelt hätte. Der Thätigkeit des Lieutenant Rudokof danken wir es, daß unser Schiff in sehr kurzer Zeit wieder segelfertig war. Seit der Zeit, da ich mit Capt. Krusenstern hier war, hat sich vieles in Kamtschatka vortheilhaft verändert, was ebenfalls hauptsächlich den Einrichtungen des Lieutenant Rudokof zuzuschreiben ist, der zum Besten dieses Landes mehr that als alle seine Vorgänger.

Den 15ten Juli war das Schiff bereit, den Hafen zu verlassen, und wir warteten blos auf günstigen Wind; die Mannschaft war vollkommen gesund, bis auf meinen zweiten Lieutenant Zacharin, welcher auf der ganzen Reise kränkelte. Ich habe den Mangel an Offizieren sehr gefühlt, da ich mit dem Lieutenant Schischmareff wechselsweise unaufhörlich Wache halten mußte, und dieser körperlich angreifende Schiffs-Dienst, dem Befehlshaber einer solchen Expedition eigentlich nicht zuzumuthen ist, da es ihm ohnehin an Beschäftigungen nicht fehlen kann. Gewiß ist diese Entdeckungsreise die erste, welche von nur zwei Offizieren glücklich vollbracht ist. Die Krankheit des Lieutenant Zacharin zwang ihn, in Kamtschatka zurück zu bleiben, und mir stand jetzt die beschwerliche Fahrt nach der Beeringsstraße mit einem einzigen Officier bevor, was mich indeß nicht wankend machte, da Schischmareffs Eifer gleich dem meinigen unvermindert war. Nur die Unmöglichkeit, meinem frühem Plan, der meine Phantasie schon so lange aufs angenehmste beschäftigt hatte, zu folgen, erfüllte mich mit Unmuth, denn was konnten wir in der Beeringsstraße ausrichten, da einer von uns immer auf dem Schiffe zurückbleiben mußte.

Der Naturforscher Wormskloid, welchen wir aus Kopenhagen mitgenommen, äußerte ebenfalls den Wunsch, hier zurückzubleiben, um in naturhistorischer Hinsicht Entdeckungen auf Kamtschatkas hohen Bergen zu machen; ich empfahl ihn also dem Lieutenant Rudokof, welcher gern versprach, ihm in seinen wissenschaftlichen Forschungen nach Kräften beizustehen.

Da meine Mannschaft, die nur aus zwanzig Matrosen bestand, zu den Unternehmungen in der Beeringsstraße nicht hinreichte, so erhielt ich auf meine Bitte aus dem dortigen Commando noch sechs Matrosen, welche ich im nächsten Jahre zurückzubringen versprach; denn es war meine Absicht, nach vollendeter Untersuchung der Beeringsstraße, wieder in Peter Pauls Hafen einzulaufen. Die russisch-amerikanische Compagnie bewilligte mir einen Aleuten, und dieser Zuwachs von sieben Mann war uns in der Folge von sehr großem Nutzen.

Für denjenigen Theil meiner Leser, der sich gern mit wissenschaftlichen Dingen beschäftigt, füge ich, zum Schluß des ersten Jahrs meiner Reise, eine Tabelle bei, welche die Temperatur des Meers auf verschiedenen Tiefen enthält. Die Observation habe ich selbst mit einem guten Sixtermometer gemacht, und bürge für ihre Genauigkeit. Die Eintheilung sowohl des Termometers als Sixtermometers ist nach Fahrenheit. Da solche Observationen nur bei völliger Windstille gemacht werden können, und zwar auf einem Boot, woher auch das Meer eben seyn muß, so gehören sie zu denen, die am seltensten von Seefahrern gemacht werden.

Tabelle

Nachdem wir unsere Depeschen mit allen gesammelten Notizen des ersten Jahrs der Reise, durch einen Courir an den Kanzler abgefertigt, und vergebens die Post aus St. Petersburg, welche um diese Jahreszeit hier einzutreffen pflegt, erwartet hatten, gelang es uns, trotz des contrairen Windes, die Awatscha-Bay zu verlassen.

Von Kamtschatka nach dem neuentdeckten Kotzebue-Sund, hinter der Beeringsstraße.

Den 20sten Juni um neun Uhr Morgens, sahen wir die Beerings-Insel; dieses hohe, felsigte, mit Schnee bedeckte Land, gewährt einen äußerst unfreundlichen Anblick, und erinnerte mich lebhaft an unsern berühmten aber unglücklichen Seefahrer Beering, welcher hier sein Grab fand. Wir segelten in einer kleinen Entfernung vom Lande, längs dem südlichen Theil der Insel und dublirten nachher die nördliche Spitze derselben. An der SW Seite befindet sich eine kleine felsigte Insel, die bis jetzt noch auf keiner Karte angegeben ist. Eine gute Observation sowohl für die Breite als Länge, gab uns für die nördliche Spitze, Breite 55º 22' 17'', Länge mit dem Chronometer 194º 4' 7''. Die SW Spitze, Breite 55º 17' 18'', Länge 194º 6' 37''. Die Beerings-Insel verlassend, richtete ich den Cours nach dem westlichen Theil der St. Lorenz-Insel.

Den 26sten. Breite 63º 0', Länge 171º 43''. Begünstigt von einem sehr guten Winde, sind wir stark avancirt, aber das schöne Wetter verschwand mit der Erscheinung der Beerings-Insel, und ein dichter Nebel mit immerwährendem, feinem Regen verfolgen uns jetzt.

Da seit der Beerings-Insel keine Observation Statt gefunden, so war unsere Lage nach der Karte ungewiß, nach der Schiffsrechnung befanden wir uns aber in der Nähe der St. Lorenz-Insel, zwanzig Meilen von ihrer SW Spitze. Um drei Uhr, als sich in N der Nebel auf einen Augenblick verzog, wurden wir in NO 6º den Gipfel eines hohen Berges gewahr, gleich nach dieser Erscheinung aber, wurde der Nebel wieder undurchdringlich, und wir mußten in diesem ärgerlichen Zustande in der Nähe des Landes den ganzen Tag und die Nacht durch laviren, wobei das Senkblei uns den Weg zeigte. Der Stand des Barometers war bei dem schlechten Wetter immer sehr hoch.

Trotz aller Sorgfalt, welche bei dem Bau des Ruricks angewandt worden war, um den Einzug der Ratten zu verhindern, welche auf einer Seereise so viel Schaden anrichten können, meldete man mir heute dennoch die Erscheinung eines solchen Gastes auf dem Verdeck. Es wurde gleich eine Jagd veranstaltet, und wir erlegten drei Ratten, welche sich wahrscheinlich im Peter Pauls Hafen, der von diesen Thieren wimmelt, bei uns eingefunden hatten. Da man dort aber vor Ankunft der Nadeshda diese Thiere nie gesehen, so habe ich vermuthlich die Nachkommen meiner ehemaligen Reisegefährten ums Leben bringen lassen.

Den 27sten. Der Nebel dauerte immer fort; meine Geduld war auf eine harte Probe gestellt. Schon öfter hatte ich die Bemerkung gemacht, daß man bei hohem Barometerstande am Lande das schönste Wetter hat, während eine Meile von der Küste dichter Nebel herrscht; ich beschloß also den Cours gerade aufs Land zu nehmen, und der Versuch gelang. Bald kündigte das Senkblei mit zehn Faden Tiefe die Nähe desselben an, der dichte Nebelschleier verschwand, die Sonne schien, das Wetter war herrlich und ein hohes, mit Schnee bedecktes Gebirge stellte sich uns dar. Die nächste Entfernung vom Ufer betrug zwei Meilen, die Ausdehnung des Landes nach O und W war vom Nebel verborgen; der Rurick aber lag sicher in einer kleinen offnen Bucht. Am Ufer sahen wir Menschen und Zelte, und sowohl der Wunsch, die Bewohner dieser Insel, welche bis jetzt noch von keinem Seefahrer besucht waren, kennen zu lernen, als auch, unsern Naturforschern Gelegenheit zur Untersuchung des unbekannten Landes zu geben, bewog mich, eine Fahrt dahin zu unternehmen. Zwei von unsern vierrudrigen Böten wurden sogleich aufs Wasser gesetzt, und wir traten, mit Pistolen, Säbeln und Flinten wohl bewaffnet, die Fahrt an. Da es sehr gefährliche Folgen haben konnte, wenn in dieser offenen Bucht die Anker ausgeworfen wurden, so blieb der Rurick unter Segel und der Lieutenant Schischmareff übernahm unterdeß das Commando. Der Wind wehte schwach aus SW, der Rurick mußte sich etwas vom Lande entfernen, und ward uns bald durch den Nebel verhüllt. In einer kleinen Entfernung vom Ufer begegnete uns eine Baydare mit zehn Insulanern, welche sich furchtlos näherten, uns laut zuriefen, die sonderbarsten Bewegungen machten, und indem sie Fuchsbälge in die Höhe hielten, uns aufs eifrigste zuwinkten. Ihre in der Baydare versteckten Waffen bemerkten wir wohl, und beobachteten daher die größte Vorsicht. Nach einigen Begrüßungen ihrer Art, welche darin bestanden, daß sie sich mehrere Mal mit beiden Händen vom Gesichte bis zum Unterleib hinab strichen, war ihr erstes Wort: Tabaco! ich ließ ihnen einige Blätter reichen, welche sie gleich in den Mund steckten; – später habe ich sie auch aus kleinen steinernen Pfeifen, von der Größe eines Fingerhuts, rauchen sehen; meine Geschenke erwiederten sie durch allerlei Sachen von ihrer Arbeit. Nach diesem freundschaftlichen Verkehr nahm ich den Weg dem Lande zu, was sie sehr zu erschrecken schien, denn sie liefen unruhig hin und her, und viele, wahrscheinlich aber nur Weiber, flüchteten in die Berge. Einige von ihnen kamen uns tapfer genug entgegen, ihre Furcht aber, welche sie vergebens unter der Maske der Freundlichkeit zu verbergen strebten, war sichtbar; über alles was wir thaten, lachten sie unmäßig, sobald aber eine unserer Bewegungen nur den geringsten Verdacht von Feindseligkeit erweckte, so nahmen sie ein grimmiges Ansehen an, und bereiteten sich theils zur Flucht, theils zur Gegenwehr; ihre Freundlichkeit kehrte indeß wieder, indem sie ihren Irrthum einsahen, und dieser schnelle Uebergang vom Lachen zum Ernst, machte ihre mit Wallfischthran beschmierten Gesichter äußerst komisch. Wir landeten, gefolgt von den Insulanern, den Zelten gegenüber, und zehn bis fünfzehn derselben halfen mit vieler Bereitwilligkeit unser Boot aus dem Wasser ziehen. Dieser Ort scheint mir im Sommer besucht zu werden, wo die Insulaner sich mit Wallfisch-, Wallroß-, und Seehundsfang beschäftigen, denn wir bemerkten hier keine festen Wohnungen, sondern nur einige kleine, von Wallfischrippen erbaute, und mit Wallroßhaut bedeckte Zelte, welche auf einen kurzen Aufenthalt deuten. Ein tiefer, unter der Erde ausgegrabener Keller, gefüllt mit gekochtem Wallfischthran, Speck, getrocknetem Seehundsfleisch und Wallroßzähnen, bewies ebenfalls, daß sie hier blos ihren Wintervorrath sammeln. Sie gaben uns durch Zeichen zu verstehen, daß ihre eigentliche Wohnung sich hinter dem Vorgebirge in Westen befinde, wohin sie uns einluden; ein zweites Boot, welches aus der bezeichneten Gegend kam, und worauf sich zwei Weiber befanden, die wie Männer gekleidet, mit ihren tatuirten Gesichtern häßlich anzusehen waren, bestätigte diese Aussage. Wie sehr bedauerte ich, ihre Sprache nicht zu verstehen, weil ich dann gewiß viel Interessantes von diesem Volke erzählen könnte. In vielem Betracht gleichen diese Insulaner den von Cook beschriebenen Bewohnern von Norten-Sund, sie sind von mittlerer Größe, starkem Körperbau und gesundem Ansehen; ihre Kleidung, die aus Fellen besteht, ist im höchsten Grade unreinlich. Mein Aleut, welcher sich mehrere Jahre auf der Halbinsel Aliaksa aufgehalten, behauptet, daß sowohl in der Sprache, als auch im Uebrigen, wenig Unterschied zwischen diesen beiden Völkern zu bemerken sey. Wir sahen hier verschiedene europäische Geräthschaften von Eisen und Kupfer; jeder Insulaner war mit einem ellenlangen Messer bewaffnet, und geschmückt mit großen, blau und weißen Glasperlen.

So lange die Naturforscher in den Bergen umherstreiften, unterhielt ich mich mit meinen neuen Bekannten, welche mich, sobald sie erfuhren, daß ich der Befehlshaber sey, in ihre Zelte luden. Hier wurde ein schmutziges Leder auf die Diele gebreitet, worauf ich mich setzen mußte, und dann trat einer nach dem andern auf mich zu, umarmte mich, rieb seine Nase stark an der meinigen, und endigte seine Liebkosungen damit, daß er in die Hände spie, und mir damit einige Mal über das Gesicht fuhr. Ich ertrug, obzwar mir diese Freundschaftsbezeugungen gar wenig behagten, alles ruhig, und theilte, um sie von ihrer ferneren Zärtlichkeit etwas abzuhalten, Tabacksblätter aus, welche sie mit vieler Freude empfingen, aber auch gleich ihre Liebkosungen wiederholen wollten. Jetzt griff ich schnell nach Messern, Scheeren und Perlen, und indem ich einiges davon verschenkte, leitete ich glücklich einen zweiten Angriff auf mich ab. Ein beinah noch größeres Leiden aber wartete meiner, als sie jetzt, um mich auch leiblich zu erquicken, einen hölzernen Trog mit Wallfischspeck (die große Delikatesse aller nordischen, die Seeufer bewohnenden Völker) herbeischleppten, und ich griff, so ekelhaft und schädlich diese Nahrung einem europäischen Magen ist, dennoch tapfer zu. Dieses, und einige Geschenke, die ich nachher noch austheilte, drückte unserem freundschaftlichen Verhältnisse das Siegel auf. Mein Wirth, Besitzer des Zeltes, und vermuthlich auch Anführer seiner gegenwärtigen Landsleute, veranstaltete nach eingenommener Mahlzeit einen Tanz; – einer von ihnen trat hervor, machte allerlei possierliche Bewegungen mit dem ganzen Körper, ohne dabei von der Stelle zu rücken, und schnitt die furchtbarsten Grimassen; die Uebrigen sangen ein, nur aus zwei Tönen bestehendes Lied, bald laut, bald leiser dazu, und der Tact wurde auf einem kleinen Tambourin geschlagen. Nachdem ich mich auf diese Weise ein Paar Stunden mit meinen Freunden belustigt hatte, machte ich einen kleinen Gang ins Innere der Insel, mußte aber bald des Nebels wegen zurückkehren. Ich befürchtete, daß dieser überhand nehmen könnte, ehe wir das Schiff erreichten, und wir eilten daher die Insel schneller zu verlassen, als bei heiterem Wetter geschehen wäre; die Wilden schienen über unsere Abfahrt betrübt, und versprachen, uns auf dem Schiffe zu besuchen. Die Insel wird von den Bewohnern Tschibocki, und das Land in Osten, (Amerika) Kililack genannt. Der Theil, welchen wir sahen, gewährt einen höchst traurigen Anblick; er besteht aus ziemlich hohen, mit Schnee bedeckten Bergen; kein einziger Baum, nicht einmal niedriges Gesträuch schmückt die grauen Felsen, nur hin und wieder sproßt kurzes Gras zwischen dem Moos hervor, wenige Pflanzen erheben sich kümmerlich über die Erde, doch blühte auch hier manche Blume. Die Waffen der Insulaner, welche sie wohl mehr zur Jagd als zum Kriege gebrauchen, bestehen aus Bogen, Pfeilen und Lanzen; zwei der Letzteren fanden wir mit breitem, gut gearbeitem Stahl versehen; diese sowohl, als ihre übrigen europäischen Geräthschaften erhalten sie, wie wir nachher erfuhren, von den Tschuktschen. Europäer selbst scheinen sie nie gesehen zu haben, was wir aus der Verwunderung, womit sie uns betrachteten schlossen. Nichts erregte ihre Aufmerksamkeit in einem solchen Grade, als mein Fernrohr, und als ich sie vollends den Gebrauch desselben lehrte, und sie dadurch ganz entfernte Gegenstände nah vor Augen sahen, geriethen sie in die unmäßigste Freude. Um zwei Uhr Nachmittags langten wir glücklich wieder auf dem Schiffe an. Wir alle waren zufrieden, die Naturforscher mit den gesammelten Schätzen, der Maler mit den Abbildungen verschiedener Insulaner, und ich mit meiner Entdeckung. Den übrigen Theil des Tages lavirten wir bei einem schwachen SSW Winde im dichtesten Nebel hin und her, ohne Land zu sehen, obzwar wir uns in der Nähe desselben befanden. Da die Küste hier aber sehr regelmäßig abnimmt, so kann man sich ihr, mit Hülfe des Senkbleis, bis auf 10-12 Faden ruhig nähern. Der Grund besteht aus feinem Sande und kleinen Steinen. Meine Absicht war, hier so lange zu verweilen, bis der Nebel sich verzog, um die Lage unseres Schiffs zu erkennen, und dann den Weg zwischen der St. Lorenz-Insel und der Küste von Asien zu nehmen.

Den 28sten Juli Abends zertheilte sich der Nebel, wir hatten einen heiteren Horizont und schönes Wetter, jedoch keine Sonne. Die Westküste der St. Lorenz-Insel, welche sich von S.t.O. nach N.t.W. erstreckt, lag nur drei Meilen von uns entfernt, und wir erkannten die Bucht, in der wir gestern gelandet. Diese liegt am südwestlichen Theil von St. Lorenz und ist besonders kenntlich an der kleinen, felsigten Insel, welche sich an ihrem westlichen Theile befindet. Ich richtete den Cours nördlich längs dem Lande, wir rückten aber nur langsam vor, da der Wind aus SW sehr schwach war. Um zehn Uhr Abends, schon in ziemlicher Dunkelheit, näherten sich uns drei Baydaren, auf jeder 8-10 Mann, und als ich sogleich das Schiff beilegen ließ, hatten wir bald eine Menge Gäste an Bord. Die Angst und Bewunderung, mit der sie um sich schauten, bewies deutlich, daß sie zum ersten Mal in ihrem Leben ein europäisches Schiff betraten. In dem Ersten der herauf kam, erkannte ich meinen freundlichen Wirth, der auch gleich mit offenen Armen auf mich zu eilte, seine Nase heftig an der meinigen rieb, und mir oft mit tranigter Faust übers Gesicht fuhr. Für allerlei Kleinigkeiten, die ich meinem Freunde gab, mußte ich Gegengeschenke annehmen. Ueberhaupt gab es jetzt einen lebhaften Handel; in einer halben Stunde hatten meine Matrosen über 200 Kamlaikas (eine Benennung, welche aus Kamtschatka herrührt, und eine Kleidung bezeichnet, die den Schnitt eines Hemdes hat, und künstlich aus Seehund-, Seelöwen- und Wallroß-Gedärmen zusammengenäht wird) gegen Knöpfe, und dergleichen eingetauscht. Dieses Gewand, das man über die andern Kleider zieht, schützt gegen Regen und feuchte Witterung, und ist unter diesem Himmelsstriche sehr nützlich. Ich habe die Bemerkung gemacht, daß alle Völker dieser Gegend, bei feuchter Luft, ihre Kamlaikas über die warmen Kleider zogen, und ich selbst habe die wohlthätige Folge davon unter dieser nördlichen Breite oft empfunden.

Den 29sten. Ein frischer SW Wind trennte uns gestern von unsern Insulanern; wir verfolgten während der Nacht die Westküste, und sahen heute bei Tagesanbruch die nördliche Spitze der St. Lorenz-Insel, welche um acht Uhr uns in S in der Entfernung einer Meile lag. Das Vorgebirge zeichnet sich durch einen hohen, senkrecht aus dem Meere steigenden Felsen aus; etwas südlicher erstreckt sich eine niedrige Landzunge nach W und diese hatte ein wunderliches Ansehn, durch verschiedene Jurten, Unterirdische Wohnungen. und sehr vielen Wallfischrippen, welche die Insulaner zwischen ihren Wohnungen senkrecht in die Erde gegraben hatten. Als sie uns gewahr wurden, stießen drei Baydaren, jede mit zehn Mann vom Ufer, hörten auf zu rudern, sobald sie zehn Schritte vom Rurick entfernt waren, und sangen mit kläglichen Stimmen ein trauriges Lied; hierauf erhob sich einer aus ihrer Mitte, hielt einen kleinen schwarzen Hund empor, sprach mit Nachdruck einige Worte, zog ein Messer, womit er dem Hunde einen tödtlichen Streich versetzte, und warf denn das arme Opfer ins Meer. Nach Beendigung dieser Ceremonie, während welcher auf den andern Baydaren das tiefste Schweigen beobachtet worden war, näherten sie sich dem Schiffe, doch nur wenige wagten sich aufs Verdeck. Ich habe zwischen diesen, und unsern Freunden von gestern keinen Unterschied gefunden; sie nennen sich wie jene Tschibocko, und die gegenüberliegende Küste von Asien nennen sie Wemen. Nach einer Stunde trennten wir uns von der St. Lorenz-Insel, und ich richtete den Cours nach der Beeringsstraße. Zwar mußte ich, meiner Instruction zu Folge, vorher nach Norten-Sund segeln, da mir aber hierzu die Jahreszeit zu früh schien, so hoffte ich nach Untersuchung der Beeringsstraße noch zu rechter Zeit in Norten-Sund einzutreffen.

Den 30sten Juli. Sobald wir die St. Lorenz-Insel verlassen hatten, nahm das gute Wetter ein Ende, und von Neuem umhüllte uns dichter Nebel. Die Westküste der Insel haben wir trigonometrisch aufgenommen, so gut es die Umstände erlaubten; kein Punkt aber ist astronomisch bestimmt, da die Sonne uns keine Observation gestattete. Durch die anhaltend feuchte Witterung litt ein Theil der Mannschaft, ohnerachtet aller Maaßregeln die ich genommen, um dieser Krankheit vorzubeugen, an Erkältung und Husten. Zwei Mal täglich erhielten die Matrosen Thee, in dem Raume wurde, um ihn warm und trocken zu haben, ein immerwährendes Feuer unterhalten, und nie durften die Leute ihre feuchten Kleider anbehalten, sondern mußten sich umkleiden, sobald sie von der Wache abgelöst waren. Nie wird unser russischer Matrose aus eigenem Antriebe diese Vorsicht gebrauchen; er läßt unbekümmert seine Kleider am Leibe trocknen, ohne davon schädliche Folgen zu befürchten. Ich habe viel Mühe gehabt, meine Leute an diese Ordnung zu gewöhnen, sie sahen nie die Notwendigkeit davon ein, es schien ihnen im Gegentheil, daß ich sie wie Kinder behandelte.

Um vier Uhr Morgens verschwand der Nebel; die Insel King erschien uns in einer Entfernung von acht Meilen; vier Stunden später sahen wir deutlich Cap Prince de Galles nebst den Inseln Gwozdeff, und sogar, indem hier wohl nie ein Seefahrer reineren Horizont gehabt hat, als wir, die asiatische Küste. Zum ersten Mal seit der Beerings-Insel blickte jetzt die Sonne hervor, und erlaubte uns einige Höhen für die Chronometer, deren Gang ich bei genauer Prüfung unverändert fand, zu nehmen. Die Länge der Insel King gaben sie nur wenige Minuten verschieden von Cooks Bestimmung; ihre Höhe fanden wir 586 Fuß.

Mit Hülfe eines frischen, südlichen Windes befanden wir uns schon um zwei Uhr Nachmittags zwischen Cap Prince de Galles und den Gwozdeffs-Inseln, deren es sowohl nach Cooks Karten, als nach andern nur drei gibt. Mir gewährte das helle, schöne Wetter die Freude, noch eine vierte zu entdecken, welche an Größe die andern weit übertrifft, und die ich, weil ich sie für neu hielt: Ratmanoff nannte. Dieser Mann, jetzt Capitain vom ersten Range, war auf unserer Reise mit Krusenstern Lieutenant, und ich unter seinem Commando. Sehr auffallend ist es, daß weder Cook noch Clerk diese Insel gesehen haben, da Beider Cours sie dicht vorbei führte, und ich bin auf den Gedanken gekommen, daß sie vielleicht später aus dem Meere emporgestiegen seyn möchte. Vom Cap Prince de Galles erstreckt sich eine Niederung nach W, auf welcher wir viele Jurten, und aus Wallfischknochen erbaute Gerüste, zum Trocknen der Fische sahen. Da unsere Entfernung vom Lande nur drei Meilen betrug, so unterschieden wir deutlich eine Menge Menschen, die Haufenweise da standen, um das wunderbar große Schiff zu betrachten, durchaus aber keine Anstalten machten, an Bord zu kommen. Ich benutzte daher den Wind und das helle Wetter, und setzte den Cours längs der Küste fort, welche von Cap Prince de Galles eine ONO Richtung nimmt, und aus niedrigem Lande besteht, das aber hier ein weit freundlicheres Ansehn hat, als auf der St. Lorenz-Insel. Die ganze Niederung ist mit üppigem Grün bedeckt. Bäume gibt es hier gar nicht, wohl aber niedriges Gesträuch, und nur auf den Gipfeln der Berge mitten im Lande lag etwas Schnee. Sehr viele Wohnungen, welche die Küste bedecken, deuten auf starke Bevölkerung; eine Baydare, welche wir unter Segel sahen, hatte keinesweges die Absicht, ans Schiff zu kommen, sondern nahm ihren Lauf nach Norden. Ich hielt mich dem Lande so nah, als die Tiefe, welche hier kaum fünf Faden betrug, erlaubte, und daher konnte mir eine tiefe Bucht oder Oeffnung in demselben unmöglich entgehen. Die Tiefe nimmt langsam und regelmäßig zu, und da man bei neun Faden Tiefe das niedrige Land kaum mehr erblicken kann, so ist nicht zu verwundern, daß Cook, der sich in dieser Gegend auf siebenzehn Faden Tiefe hielt, die ganze Niederung gar nicht bemerkte.

Den 31sten Juli. Nachdem wir die ganze Nacht bei hellem Wetter die Aufnahme der Küste fortgesetzt, ließ ich um drei Uhr Morgens, ein Paar Meilen vom Ufer entfernt, auf fünf Faden Tiefe, die Anker fallen. Es schien mir, als erstreckte sich hier eine Bucht tiefer ins Land, welche ich näher untersuchen wollte. Um vier Uhr verließ ich, begleitet von unsern Naturforschern, den Rurick in zwei gut bewaffneten Böten, und landete unserm Ankerplatz gegenüber, in der Nähe einiger Wohnungen, in der Hoffnung, dort mit deren Bewohnern in Berührung zu kommen. Wir gingen auf die Jurten, welche an der Küste in gerader Linie aufgebaut sind, zu, wurden aber fürs Erste nur von Hunden bewillkommt, welche nicht im Geringsten durch unsere Ankunft aus der Fassung gebracht, sich uns vielmehr freundlich anschlossen; sie schienen mir der Race nach, dieselben, welche in Kamtschatka zu Schlittenfahrten gebraucht werden. Schon hatten wir die Dächer der Jurten bestiegen, ohne auf einen Menschen zu stoßen; die frischen Spuren aber, welche überall sichtbar waren, bewiesen uns, daß sie furchtsamer wie ihre Hunde, bei unserer Annäherung geflüchtet waren. Wir untersuchten jetzt das Innere der Wohnungen, und fanden sie reinlich und bequem. Der Eingang an der SO Seite bestand aus einer drei Fuß hohen, mit Holz gestützten Oeffnung, welche noch nach Außen von beiden Seiten durch Erdwälle verlängert war; beim Hereintreten befand man sich in einem sieben Fuß hohen, eben so breiten und zehn Fuß langen Raum, dessen Wände und Decke mit Holz bekleidet waren. Zur Linken lagen in einer Grube, welche die Länge des ganzen Raumes einnahm, Stücken schwarzen Speck, einen Fuß im Quadrat, und neben diesen, Siebe mit langen Stielen, ungefähr wie unsere Fischlöffel. Zur Rechten befand sich ein 2½ Fuß tiefer, und ziemlich schmaler Kanal von sieben Fuß Länge, durch dessen Ende man kriechen mußte, um in einen Raum, der zwar sechs Fuß hoch, aber nicht breiter als der Kanal war, zu gelangen. Jetzt hatte man gerade vor sich eine bretterne Wand, und mitten in dieser eine runde Oeffnung von 1½ Fuß im Durchmesser, durch welche man in ein geräumiges Vorzimmer trat, dessen vier Seiten zehn Fuß Länge und sechs Fuß Höhe hatten; diese nahm gegen die Mitte des Zimmers zu, wo sich in der Decke ein viereckiges Loch mit einer Blase bezogen, als Fenster befand. An der, der Thüröffnung gegenüberstehenden Wand, waren, 1½ Fuß über dem Fußboden erhöht, breite Bretter zu Schlafstellen befestigt, welche nur den dritten Theil des Zimmers einnahmen, und an den Seitenwänden hatten sie kleine Leitern zum Aufstellen ihrer Gerätschaften, ganz horizontal hingestellt. Die Wände und die Decken bestanden aus schmalen Balken, deren sichtbare Seiten abgeflacht waren. Nach diesem Plan waren alle Häuser gebaut, bis auf eins, worin wahrscheinlich eine zahlreichere Familie wohnte; denn dieses hatte noch zwei kleine Seitenzimmer. Ihre Fußböden sind drei Fuß über dem Erdboden erhöht, und unter diesem gibt es noch Vorrathskammern, vielleicht auch Hundehäuser, da sie nur drei Fuß Höhe haben; Wände und Dielen sind gleichfalls von Holz, auch haben sie Fenster, aber keine Schlafbänke. Mehrere Geräthschaften und andere saubere Arbeiten der Einwohner, lagen zerstreut in ihren Wohnungen; besonders fielen mir zwei sehr niedlich von Fischbein und Wallroßknochen gearbeitete Schlitten auf, welche zugleich bewiesen, daß man hier mit Hunden zu fahren pflegt. Nachdem wir die umliegende Gegend ein wenig angesehen hatten, fand es sich, daß wir auf einer Insel waren, welche ungefähr acht Meilen lang, und an der breitesten Stelle eine Meile breit war. Wir spazierten von N nach S quer über sie hin, und sahen, als wir uns am entgegengesetzten Ufer befanden, deutlich, daß das feste Land in O eine tiefe Bucht bildete, wo an drei Punkten die Vereinigung des Landes nicht zu sehen war. Ueber diese Entdeckung waren wir Alle sehr erfreut, denn ob sich hier gleich keine Durchfahrt ins Eismeer erwarten ließ, so hatten wir doch Hoffnung, tief ins Land zu dringen, und dort manche wichtige Bemerkung zu machen. Die Insel, welche gerade vor der Bucht lag, bildete mit dem festen Lande in NO und SW eine schmale Durchfahrt, und wir sahen in dem Augenblicke, wie ein großes, wahrscheinlich ledernes Boot unter schwarzen Segeln durch die SW Einfahrt in die Bay hineinlief, und in O unter dem Horizonte verschwand. Dieses Ereigniß, welches meine Freude sehr vermehrte, bestimmte mich, sogleich durch die NO Passage, welche mir breiter, als die in SW, erschien, in die Bay einzudringen; wir eilten in unsere Böte und nahmen den Weg längs der Insel nach NO. Auf die Beschreibung der hier von uns entdeckten Küsten, Inseln und Buchten lasse ich mich nicht ein, da man durch einen Blick auf die sehr genaue Karte, welche hierzu gehört, eine richtige Ansicht davon erhalten kann. Nach einer Fahrt von 14 Stunde erreichten wir die NO Passage, welche wir 1½ Meile breit fanden; die Tiefe in der Mitte des Fahrwassers betrug acht Faden, das Wasser war im Steigen, und der Strom lief mit einer Schnelligkeit in die Bay hinein, welche drei Meilen in einer Stunde betrug. Der Mittag war schon vorbei, und die Matrosen, von vier Uhr Morgens immerfort beschäftigt, bedurften einiger Erquickung; ich ließ also an der NO Spitze landen, dort Feuer anmachen, und nach einer halben Stunde war von dem englischen Patentfleisch eine wohlschmeckende Suppe bereitet. Dieses Fleisch ist bei Excursionen im Boot sehr zweckmäßig, da es in blechernen Dosen liegt, die man so leicht mitnehmen kann. Nachdem wir uns hinlänglich gestärkt, sahen wir zwei Kahne, von der nämlichen Beschaffenheit wie auf den Aleutischen Inseln, jeder nur mit einem Menschen, vom gegenüberliegenden Ufer, mit der größten Schnelligkeit auf uns zukommen. Sie näherten sich unserm Lagerplatze bis auf fünfzig Schritt, hörten dann auf zu rudern, beobachteten uns aufmerksam, indem sie sich ihre Bemerkungen mittheilten, und fingen endlich an, uns zu überzählen. Alle unsere Mühe, die Amerikaner durch Freundlichkeit, und Sachen, die wir ihnen zeigten, ans Ufer zu locken, war vergeblich, sie schlugen mit beiden Händen an ihre Köpfe, und fielen dann wie todt hin, wahrscheinlich um uns zu verstehen zu geben, daß sie ihres Lebens in unserer Nahe nicht sicher wären. Das Feuergewehr mußte ihnen indeß fremd seyn, da sie sich nur in der Entfernung eines Flintenschusses von uns hielten, obgleich eine Menge Flinten um uns aufgestellt waren. Die Kleidung dieser Amerikaner bestand aus Wallfischdärmen, ihr Ansehn war äußerst schmutzig und ihre Gesichter hatten den Ausdruck der Grausamkeit. Nachdem sie uns lang und mit vielem Mißtrauen beobachtet hatten, warfen sie in die Gegend ihrer Wohnungen ein Paar Pfeile, vermuthlich ein verabredetes Zeichen; wir aber traten unsere Fahrt in die Bucht nach Osten zu, an. Die vielen Sandbänke, welche sich durch die Strömung gebildet, und diese selbst, erschwerten uns indeß die Untersuchung sehr, indem wir in drei Stunden nur eine Meile vordringen konnten; ich gab daher meinen Plan für dieses Jahr auf, und beschloß, im künftigen Jahre diese Untersuchung mit kleinen Baydaren, welche ich von den Aleutischen Inseln mitbringen wollte, vollständiger zu unternehmen. Für jetzt war der Zeitverlust mir gar zu wichtig, da die Navigation in der Beeringsstraße nur so kurze Zeit dauert. Die Bay erhielt den Namen Schischmareff, nach dem einzigen Offizier, welcher unter mir diente; ich will indeß noch nicht behaupten, daß diese Vertiefung eine Bay bilde, indem sie vielleicht nur das Vorderland in mehrere Inseln theilt. Die schmale Insel nannte ich nach unserem verdienstvollen Vice-Admiral: Saritscheff. – Als wir auf unserem Rückwege zum Schiffe die nördliche Spitze der Insel Saritscheff doublirt hatten, erblickten wir zwei Böte, jedes mit zehn Mann, welche aus allen Kräften ruderten um uns einzuholen, und offenbar aus derselben Gegend kamen, von wo früher die zwei einzelnen Baydaren abgeschickt gewesen waren, um unsere Macht zu recognosciren. Das eine unserer Böte war voraus gerudert, auf dem zurückgebliebenen befand ich mich mit dem Lieutenant Schischmareff und vier Matrosen, und bald hatten uns die Amerikaner mit ihren leichten Böten eingeholt. Ihr wildes Geschrei und die vielen Waffen machten mir ihre Eile verdächtig, und wirklich hatten wir kaum unsere Gewehre zur Hand nehmen können, als sich schon eines ihrer Böte an unserer Seite befand, und zwei Amerikaner das unsrige wüthend anpackten. Unter durchdringendem Geschrei und fürchterlichen Grimassen, drohten sie uns mit ihren Pfeilen, während ihr zweites Boot sich aus allen Kräften bestrebte, seinen Kameraden zu Hülfe zu eilen. Meine Matrosen, bewaffnet mit geladenen Musketen, erwarteten den Befehl zu feuern, ich selbst drohte mit meiner Flinte, indem ich sie bald auf diesen, bald auf jenen anlegte; das machte aber gar keinen Eindruck, sie lachten herzlich, und erwarteten nur ihre übrigen Truppen, um einen ernstlichen Angriff auf uns zu wagen. Da uns unsere Ueberlegenheit, durch das ihnen ganz fremde Feuergewehr, vor jeder Gefahr sicherte, so ertrugen wir ruhig ihre Neckereien, und begnügten uns damit, daß wir alle die Säbel zogen; dieses blanke, durch die Tschuktschen ihnen bekannte Mordgewehr, that die erwünschte Wirkung; sie zogen sich zurück und begnügten sich, uns bis zum Rurick zu folgen. Auf unsere Einladung wagten sie sich ziemlich nah heran, betrugen sich demüthig und freundlich, kamen aber, ungeachtet aller Geschenke, die wir ihnen boten, nicht aufs Verdeck. Ihre Kleidung besteht aus kurzen Hemden von Rennthier- und Hundefellen, Einige gehen sogar halb nackt, weil ihnen eine Sommerhitze von 10º schon unerträglich ist; ihr Haar ist kurz geschnitten, und der Kopf immer unbedeckt, was ich an dieser Küste überall bemerkte; unter der Lippe tragen sie Wallroßknochen, was ihren ohnehin schon widerlichen Gesichtern ein eckelhaftes Ansehen gibt; im Ganzen haben sie einen viel wildern und grausamern Ausdruck, als die Bewohner der St. Lorenz-Inseln. Wir sahen auf der Insel Saritscheff sehr viel Treibholz, und darunter Stämme, die so dick waren, daß wir sie nicht umfassen konnten. Auf unserem Ankerplatze, der astronomisch bestimmt ist, bemerken wir, daß der Strom immerfort nach NO längs der Küste läuft, wahrscheinlich kommt also das Treibholz aus S in die Beeringsstraße hinein. Von einem guten Winde und schönem Wetter begünstigt, ließ ich jetzt die Anker lichten, und wir segelten die ganze Nacht längs der Küste in so geringer Entfernung fort, daß alles deutlich zu sehen war, und keine Krümmung des Landes uns entgehen konnte, weshalb man sich auf die Genauigkeit unserer hier verfertigten Karte verlassen kann. In der Entfernung einer Meile vom Lande, auf einem sandigen Grunde, betrug die Tiefe regelmäßig 7-8 Faden. Das Land selbst blieb sich überall gleich; es war niedrig und mit Gras bewachsen, hin und wieder sah man kleine runde Hügel, und in einer Entfernung von fünfzehn Meilen, ein hohes, doch von Schnee entblößtes Gebirge. Die Küste schien uns sehr bewohnt, da wir viele unterirdische Hütten entdeckten.

Länge nach den Chronometern 166º 24', observirte Breite 66º 14' von unserm Ankerplatz.

Den 1sten August. Wir bemerkten heute, daß die Küste ihre Richtung stark nach Osten nahm, das Land war fortwährend niedrig. Um elf Uhr befanden wir uns am Eingange einer breiten Oeffnung; die verfolgte Küste verlor sich, in O und in N zeigte sich uns ein hohes Gebirge. Hier legte sich plötzlich der Wind, und wir mußten die Anker in lehmigen Boden, auf sieben Faden Tiefe fallen lassen; das nächste Land lag uns in SO vier Meilen entfernt, und der Strom lief stark dem Eingange zu.

Ich kann nicht beschreiben, welch ein seltsames Gefühl mich jetzt ergriff, bei dem Gedanken, daß ich vielleicht vor der so lange gesuchten NO Durchfahrt stand, daß das Schicksal mich auserkoren, der Entdecker derselben zu seyn. Ich fühlte mich beklemmt, und zugleich bemächtigte sich meiner eine Ungeduld, die mich nicht ruhen ließ, und die durch die vollkommene Windstille noch erhöht ward. Um wenigstens ans Land zu fahren, und, von einem Hügel aus, die Richtung des Ufers deutlich zu erkennen, ließ ich zwei Böte ausrüsten, worüber auch unsere Naturforscher sehr erfreut waren. Um zwei Uhr Nachmittags waren wir auf dem Wege; die Tiefe nahm regelmäßig ab, eine halbe Meile vom Lande fanden wir noch fünf Faden. Wir landeten ohne Schwierigkeit neben einem Hügel, den ich sogleich bestieg, und von hieraus bemerkte ich in der Straße nirgend Land; die hohen Berge in Norden bildeten entweder Inseln, oder waren eine Küste für sich; denn daß beide Küsten nicht zusammenhängen konnten, erhellte schon aus dem großen Unterschiede dieses sehr niedrigen und jenes auffallend hohen Landes. Von meinem Hügel hatte ich eine weite Aussicht in das Land, welches in einer großen Ebene fortlief, nur zuweilen unterbrochen von Morästen, kleinen Seen, und einem Fluß, der sich in allerlei Krümmungen schlängelte, und in unserer Nähe seinen Ausfluß hatte. So weit das Auge reichte, war alles grün, hin und wieder blühten Blumen, und Schnee sah man nur in weiter Ferne auf den Gipfeln der Berge, dennoch durfte man nur einen halben Fuß tief graben, um unter diesem Rasenteppich noch alles eisig und gefroren zu finden. Es war meine Absicht, die Küste auf den Böten weiter zu untersuchen, eine Menge Baydaren aber, die von Osten längs dem Ufer auf uns zu kamen, hielten mich davon ab. Bald landeten fünf derselben, jedes mit 8-10 Mann, welche alle mit Lanzen und Bogen bewaffnet waren, in unserer Nähe. Auf der Spitze eines jeden Boots befand sich an einer hohen Stange ein Fuchsbalg, mit dem sie uns unter lautem Geschrei zuwinkten. Meine Mannschaft mußte sich zur Vertheidigung bereit halten, und ich selbst ging mit den Herren Gelehrten den Amerikanern entgegen, welche, sobald sie uns kommen sahen, sich wie die Türken in einen großen Kreis auf die Erde setzten, wodurch sie ihre friedlichen Absichten bezeichnen wollten; zwei Anführer hatten sich von den Uebrigen abgesondert, niedergelassen! Wir traten wohlbewaffnet in den Kreis, und bemerkten, daß sie zwar die meisten Waffen in den Böten zurückgelassen, aber in den Ermeln lange Messer versteckt hielten; auf ihren Gesichtern war Mißtrauen, Neugier und Erstaunen zu lesen; sie sprachen sehr viel, wovon wir aber leider nicht ein Wort verstanden. Um ihnen meine freundschaftlichen Gesinnungen zu beweisen, ließ ich Taback austheilen; die beiden Anführer erhielten eine doppelte Portion, und Aller Freude über dieses kostbare Geschenk war sehr sichtbar; diejenigen, welche gleich zuerst Taback erhalten hatten, waren schlau genug, heimlich ihre Plätze zu verändern, in der Hoffnung noch einmal damit beschenkt zu werden. Sie schätzen den Taback sehr, und kauen ihn eben so gern, als sie ihn rauchen. Es war ein wunderlicher Anblick, diese wilde Horde im Kreise sitzen, und aus weißen steinernen, mit hölzernen Stielen versehenen Pfeifen rauchen zu sehen. Auffallend ist es, daß der Gebrauch des Tabacks schon in diese Gegend gedrungen ist, die noch kein Europäer besuchte; die Amerikaner erhalten diesen sowohl, als andere europäische Waaren aus Asien von den Tschuktschen. Den beiden Anführern schenkte ich Messer und Scheeren, und letztere, die ihnen ganz unbekannt schienen, machten ihnen besonders Freude, als sie bemerkten, daß sie sich damit das Haar beschneiden konnten; sie gingen sogleich im ganzen Kreise von Hand zu Hand, und jeder versuchte ihre Schärfe an seinen Haaren. – Diese Amerikaner sahen wahrscheinlich zum ersten Male in ihrem Leben Europäer, und wir betrachteten uns gegenseitig mit großer Neugier. Sie sind über mittleren Wuchs, von starkem Körperbau und gesundem Ansehen; ihre Bewegungen sind lebhaft, und sie scheinen sehr zum Scherz geneigt; ihre Gesichter, die etwas Zügelloses, aber nichts Dummes haben, sind häßlich und schmutzig, und zeichnen sich durch kleine Augen und sehr hervorstehende Backenknochen aus; auf beiden Seiten des Mundes haben sie Löcher, worin sie mit blauen Glasperlen verzierte Wallroßknochen tragen, was ihnen ein fürchterliches Ansehen gibt. Das Haar hängt lang herunter, der Scheitel aber ist kurz bescheren, und Kopf und Ohren ebenfalls mit Glasperlen geschmückt. Die Kleidung ist aus Fellen, von dem Schnitt der in Kamtschatka sogenannten Parka, nur mit dem Unterschied, daß sie dort bis auf die Füße reicht, und hier kaum die Knie bedeckt, dabei tragen sie lange Hosen und kleine Halbstiefel von Seehundsfell.

Obgleich der Thermometer um Mittag nur acht Grad Wärme zeigte, so hatten die Indianer doch jetzt ihren Sommer, und gingen größtentheils barfuß und fast unbekleidet. Sie versammelten sich Haufenweise, und da ich noch viele Baydaren aus W hinzukommen sah, so hielt ich es für rathsamer, um nicht mit fünfzehn Mann gegen einige hundert Amerikaner kämpfen zu müssen, an Bord zu gehen, wohin unsere neuen Bekannten, unter lautem Jubel über die größere Schnelligkeit ihrer Baydaren, uns begleiteten. Am Ufer bemerkten wir einen runden, aus Stein erbauten Thurm, der ungefähr 3-4 Faden hoch war und einen Faden im Diameter hatte, und ich bedauerte sehr, diesen nicht näher untersuchen zu können. Die Indianer wagten sich nicht aufs Verdeck, hielten sich aber nah am Schiff und verkauften uns viele Kleinigkeiten von ihrer Arbeit für Messer, Spiegel, Taback u. dgl.; Felle, deren sie verschiedene hatten, wollten sie uns nicht überlassen, da wir ihnen, keine langen Messer geben konnten, für die allein ihnen schwarze Füchse feil waren. Das Handeln verstehen sie aus dem Grunde, sie dingen sehr, berathen sich immer unter einander, und können sich unendlich freuen, wenn sie Jemand betrogen zu haben glauben; einige alte Weiber aber, welche sich mit auf den Baydaren befanden, verstanden das Feilschen noch besser. Während des Handelns ward so viel gescherzt und gelacht, daß es schien, als ob wir von lustigen Südsee-Insulanern, und nicht von ernsten Nordländern umgeben wären. Ihre Waffen bestehen aus Lanzen, Bogen, Pfeilen und einem zwei Fuß langen Messer in einer Scheide; diese militärische Ausrüstung, die sie nie ablegen, beweist, daß sie mit andern Völkern in unaufhörlichen Kriegen stehen. Ihre, sehr gut aus Eisen gearbeiteten Lanzen, gleichen denen, welche von den Russen an die Tschuktschen verhandelt werden; auch die Glasperlen, mit denen sie sich schmücken, sind von derselben Gattung, wie man sie in Asien trägt; woraus erhellt, daß sie mit diesen in Handelsverbindungen seyn müssen.

Um sieben Uhr erhob sich ein leichter Wind aus S den ich sogleich benutzte, die Anker lichten ließ und meinen Lauf der Straße zu nahm. Die Amerikaner, welche uns auf ihren Baydaren folgten, zeigten auf ihre Felle, indem sie uns durch Zeichen zu verstehen gaben, daß wir dort, wo wir jetzt hingingen, viele dergleichen finden würden; dabei wiederholte einer von ihnen sehr oft die Worte: Janni-d-d! und zeigte bald auf das Schiff, und bald auf die Einfahrt. Die Breite unseres Ankerplatzes betrug nach der Schiffsberechnung 66º 42' 30'', Länge nach den Chronometern 164º 12' 50''. Während wir vor Anker lagen, lief der Strom immerfort nach NO 1¾ Meile die Stunde. Mit Untergang der Sonne verließen uns die Amerikaner, und wir segelten die Nacht in östlicher Richtung, indem die zunehmende Tiefe unsere Hoffnungen erhöhte. Die ganze Nacht war ich nicht vom Verdeck gewichen, und erwartete den Morgen mit Ungeduld.

Den 2ten August. Bei Tagesanbruch war unsere Erwartung aufs höchste gespannt; ich schickte einen Matrosen auf den Mast, und dieser kündigte uns in O noch immer freie See an. Im Norden sahen wir ein hohes Land, das seine Richtung nach Osten nahm, und eine Fortsetzung desselben war, welches uns gestern vom Ankerplatze in N lag.

Da jetzt auch im S ein niedriges Land, welches ebenfalls seine Richtung nach O nahm, entdeckt ward, so durften wir nicht mehr zweifeln, daß wir uns wirklich in einem breiten Kanal befanden, worüber unsere Freude unbeschreiblich war, um so mehr, da wir in Osten noch immer reine See vor uns sahen. Wir waren gezwungen, zu laviren, als der Wind sich jetzt nach SO wandte. Das Wetter war schön, die Breite am Mittag betrug 66º 35' 18'', die Länge 162º 19'. Um fünf Uhr Abends erblickten wir schon an mehreren Punkten Land, und unsere Hoffnung beruhte nur noch auf eine offene Stelle zwischen hohen Gebirgen.

Den 3ten. Während der Nacht erreichten wir diese Stelle, mußten aber, des trüben Wetters wegen, die Anker über lehmigten Grund, auf acht Faden Tiefe fallen lassen. Als es sich am Mittag aufklärte, fanden wir uns vor einer fünf Meilen breiten Oeffnung, deren Ufer aus hohem felsigtem Lande bestanden. Noch immer gaben wir die Hoffnung, doch vielleicht eine Passage ins Eismeer zu entdecken, nicht auf, besonders da die Straße bis an den reinen Horizont fortzulaufen schien. Ebbe und Fluth wechselten regelmäßig, und der Strom lief stärker heraus als hinein. Die Anker wurden gelichtet, wir segelten der Straße zu, und als wir die Enge passirt waren, ließ ich sie wieder auf sieben Faden Tiefe fallen. Ich fand den Ankerplatz über lehmigten Grund außerordentlich sicher. Die Leser finden ihn auf der hierzu gehörigen Karte genau angezeigt. Das Land, welches uns im Hineinsegeln rechts lag, war eine Insel, von sieben Meilen im Umfange. Im Norden lag zwar offenes Meer, vor uns, aber meine Hoffnung, weit dahin vorzudringen, verringerte sich, als das zum Sondiren ausgeschickte Boot, nirgend über 5-6 Faden Tiefe fand. Ich beschloß heute meine Mannschaft ausruhen zu lassen, um morgen mit frischen Kräften eine Untersuchung der Straße oder Bucht zu unternehmen; und während dazu die Anstalten getroffen wurden, machten wir eine Spazierfahrt nach der Insel, die ich nach unserm Naturforscher, Chamisso benannte. Ich versäumte nicht, meine Chronometer, künstlichen Horizont und Azimut-Kompaß dahin mitzunehmen; was die Abweichung der Magnetnadel betrifft, erhielten wir falsche Resultate. Am östlichen Theil der Insel erstreckte sich eine niedrige Landzunge, auf welcher wir die Abweichung 1º östlich fanden, die gegenseitigen Peilungen welche von der Spitze der Insel nach dem Schiffe, und von dort nach der Insel genommen wurden, gaben die Abweichung auf der Spitze derselben 26º westlich; die Abweichung auf dem Schiffe durch wiederholte Observationen gab 31º 9' östlich, da diese mit derjenigen übereintrifft, welche wir außerhalb der Bay beobachtet hatten, so kann man sie als die richtigste annehmen. Ohne Zweifel enthält die Insel Chamisso viel Eisen, und das ist die Ursache unserer falschen Resultate. Wir hatten von der Spitze der beträchtlich hohen Insel eine weite Aussicht; das Land in S schien sich überall zu vereinigen, in N sah man nichts als offene See, in O ist die Insel Chamisso vom festen Lande durch einen Kanal getrennt, der an der engsten Stelle fünf Meilen breit ist. Das uns umgebende Land war felsig und hoch, Schnee sah man nirgend, die Höhen waren mit Moos bedeckt, und an den Ufern wuchs üppiges Gras. Von der nämlichen Beschaffenheit war die Insel Chamisso, wo wir jetzt ein grünes Plätzchen erwählt hatten, um unsern Thee darauf zu trinken. Ich gestehe gern, daß ich mich selten heiterer gefühlt habe, als auf diesem Platze, wozu der Gedanke: du bist der erste Europäer, der dieses Land betritt, wohl viel beigetragen haben mag. Das Wetter war bei einer Wärme von 12º (eine Höhe, die der Thermometer außerhalb des Sundes nie erreichte) ungemein schön. Wir fanden auf unserer Landzunge unter der Erde, mehrere mit Blättern ausgelegte und mit Seehundsfleisch gefüllte Vorratskammern; wahrscheinlich also haben die Amerikaner bei ihren Jagdpartieen hier ihre Station, und um die Gegend zu bezeichnen, haben sie eine kleine Piramide schlecht von Stein aufgebaut. Die Insel, welche nur Einen Landungsplatz hat, steigt beinahe perpendiculär aus dem Wasser empor; die Felsen rund umher und die Inseln an der westlichen Seite sind von unzähligen Seepapageyen bewohnt, und die vielen Eierschaalen, die wir auf unsern Spaziergängen sahen, deuten auf Füchse, welche die Nester zerstören. Hasen und Rebhüner gab es hier in Menge, und vorüberziehende Kraniche ruheten auf dieser Insel aus. Auf Stellen, die vor dem N Winde geschützt sind, wachsen einige 2-3 Fuß hohe Weiden, die einzigen Bäume, welche wir überhaupt in der Beeringsstraße sahen. Als wir aufs Schiff fuhren, bemerkten wir noch einige Seehunde, die sich an der westlichen Seite der Insel auf großen Steinen gelagert hatten.

Den 4ten August um sechs Uhr Morgens verließ ich in Gesellschaft der Herren Gelehrten und des Lieutenants Schischmareff den Rurick auf zwei Böten, versehen mit Waffen und Lebensmitteln auf einige Tage; vorher nahm ich einige Höhen für die Chronometer, und fand die Länge unseres Ankerplatzes 161º 42' 20'', die Breite, nach mehreren Observationen 66º 13' 25''.- Das Wetter war schön, es wehte ein schwacher S Wind, wir spannten alle Segel auf, doublirten das uns in NW liegende Vorgebirge, und richteten dann, indem wir uns dem Lande nahe hielten, unsern Lauf nördlich längs der Küste. Wir fanden fünfzig Faden vom Laude 2½-3 Faden Tiefe auf sehr gutem Boden. Gewiß können hier so sicher wie im besten Hafen Schiffe vor Anker liegen und Reparaturen vornehmen, besonders da die Tiefe es an mehreren Stellen erlaubt, ganz in der Nähe des Landes zu liegen. Bis zum Mittag hatten wir vierzehn Meilen zurückgelegt, und ich ließ landen, um die Mittagshöhe zu nehmen. Das Land war hoch und felsig, und vom Gipfel eines kleinen Berges den wir bestiegen, machten wir die Entdeckung, daß wir uns auf einer schmalen Landzunge befanden, und daß das Land in N sich mit dem in O zu vereinigen schien; eine höchst traurige Ueberraschung für uns! Indeß blieb uns noch immer ein Fünkchen Hoffnung übrig, da die gänzliche Vereinigung nicht sichtbar war. – Nachdem wir hier gehörig Winkel und Peilung zur Aufnahme der Küste genommen, richteten wir den Lauf östlich, der gegenüberliegenden zu; in der Mitte des Fahrwassers hatten wir 5-6 Faden Tiefe, diese aber nahm, als wir dem Lande näher kamen, so stark ab, daß ich, aus Furcht auf den Grund zu gerathen, nach N lenkte, gerade dem Lande zu, das wir am Mittag vom Gipfel des Berges gesehen hatten, und als wir uns diesem bis auf Hundert Faden genähert, blieb uns wieder nur ein Faden Tiefe. Es war schon spät, meine Leute waren sehr ermüdet, ich ließ also die Barkasse hier ankern, und wir fuhren mit der Baydare Ein großes offenes, ganz flaches, von Seelöwenhäuten verfertigtes Boot. Auf dem Lande selbst gebrauchen es die Kamtschadalen und alle Nordamerikaner wie Zelte, was ich auf meinen Excursionen oft nachgemacht, und gut gefunden habe. Diese Baydare hatte ich in Kamtschatka machen lassen, in der Absicht, sie in der Beeringsstraße zu brauchen. ans Land; da indeß auch selbst diese nicht ganz, nahe heran konnte, so mußten wir noch zwanzig Faden, durchs Wasser waten. Hier wurden gleich Anstalten zum Nachtlager gemacht, und aus dem englischen Patentfleische eine Suppe gekocht, welche uns herrlich schmeckte, und bei dem kühlen Abend auch sehr wohl that. Dis Insel Chamisso lag uns im S achtzehn Meilen entfernt; überall, ausgenommen in O wo noch eine Strecke offen schien, sahen wir Land, und ich mußte meine schöne Hoffnung, eine Durchfahrt zu finden, leider! aufgeben. Ich glaubte jetzt, da das Wasser in der Bay gar nicht salzig war, wenigstens noch einen breiten Fluß zu finden, auf den wir tief ins Land dringen könnten. Das Land befriedigte uns wenig; es erhebt sich am Ufer gleich zu einer Höhe von 120 Fuß, und läuft dann, so weit das Auge reicht, in einer moosbedeckten Ebene fort; nur am Abhange des Ufers wächst etwas Gras. In der Nacht hatten wir Sturm und Regen, waren aber vor beiden durch unsere Baydare geschützt.

Den 5ten August. Das Wetter war schlecht, ich verschob die Untersuchung nach Osten auf einen günstigeren Tag, und wir kehrten zurück aufs Schiff.

Den 6ten. Heute untersuchte ich die Passage in O von der Insel Chamisso, und fand nicht über fünf Faden Tiefe im Fahrwasser.

Den 7ten um acht Uhr verließen wir bei einem frischen SO Winde den Rurick, um den östlichen Theil der Bucht zu untersuchen. Am Mittag waren wir schon so weit vorgedrungen, daß wir deutlich sahen, wie das Land sich überall vereinigte; noch eine gute Meile davon entfernt, hatte die Tiefe schon bis auf fünf Fuß abgenommen, und auch die Hoffnung, einen Fluß zu entdecken, verschwand. Glücklicherweise fanden wir noch eine zum Landen bequeme Stelle, indem der Strom eine kleine Landzunge gebildet, wo es tief genug war, um mit der Barkasse heran zu kommen, und ich beschloß, die Nacht hier zu bleiben. In der Nähe unseres Landungsplatzes befanden sich zwei kleine Hütten, einige Fuß erhöht, jede auf vier Säulen ruhend, und bedeckt mit einer Wallroßhaut. Diese Hütten schienen nicht sowohl zu immerwährenden Wohnungen, als zu Magazinen für Instrumente und Jagdgeräthschaften bestimmt zu seyn; wir fanden hier ganz allerliebst gearbeitete Waffen; ich nahm einige Pfeile, und legte an ihre Stelle mehrere Messer und ein Beil hin, auf dessen Stiel der Name: Rurick und die Jahrszahl eingeschnitten war. Vermutlich besuchen die Amerikaner diesen Ort zur Jagdzeit. Sie mögen auch wohl Rennthiere halten; denn wir sahen viele Hörner dieser nützlichen Thiere am Ufer liegen. Das Land erhebt sich vom Ufer wenig, erreicht aber eine beträchtliche Höhe, und ist nur unten mit üppigem Grase, oben aber mit Moos bedeckt.

Den 8ten. Wir hatten eine unangenehme Nacht unter Sturm und Regen überstanden, und als auch der Morgen uns kein besseres Wetter versprach, so beschloß ich, an Bord zu segeln; kaum aber hatten wir die Hälfte des Weges zurückgelegt, so überfiel uns ein heftiger Sturm aus SO, die Barkasse zog viel Wasser, und wir waren gezwungen, unsern eben verlassenen Landungsplatz wieder zu suchen. Ganz durchnäßt, ließ ich von Treibholz, welches wir hier, wie überall in Menge fanden, Feuer anmachen; wir trockneten unsere Kleider, und bereiteten uns eine erquickende Suppe. Es scheint, als hätte uns das Schicksal diesen Sturm gesandt, um hier noch eine recht merkwürdige Entdeckung zu machen, die wir dem Doctor Eschscholz verdanken. Wir waren nämlich bei unserm Aufenthalte viel umhergestiegen, ohne zu bemerken, daß wir auf lauter Eisbergen herumgingen. Der Doctor fand jetzt auf einer etwas weiteren Tour, einen Theil des Ufers herabgestürzt, und sah mit Erstaunen, daß das Innere des Berges aus reinem Eise bestand. Auf diese Nachricht gingen wir alle, versehen mit Schaufeln und Brechstangen, um das Wunder näher zu untersuchen, und gelangten bald an eine Stelle, wo das Ufer sich fast perpendiculär aus dem Meere zu einer Höhe von hundert Fuß erhebt, und dann immer höher werdend, weit fortläuft. Wir sahen hier die reinsten Eismassen von hundert Fuß Höhe, welche unter einer Decke von Moos und Gras bestehen, und nur durch eine furchtbare Revolution hervorgebracht seyn konnten. Die Stelle, welche durch irgend einen Zufall eingestürzt, jetzt der Sonne und der Lust Preis gegeben ist, schmilzt, und es fließt viel Wasser ins Meer. Ein unbestreitbarer Beweis, daß es Ureis war, was wir sahen, sind die vielen Mamuthknochen und Zähne, die durchs Schmelzen zum Vorschein kamen, und worunter ich selbst einen sehr schönen Zahn fand. Ueber den Grund eines starken Geruchs, der dem gebrannten Horne ähnlich und uns in dieser Gegend ausfiel, konnten wir keine Aufklärung finden. Die Decke dieser Berge, auf welcher bis zu einer gewissen Höhe das üppigste Gras wächst, ist nur ½ Fuß dick, und besteht aus einer Mischung von Lehm, Sand und Erde; hierunter schmilzt das Eis allmälig weg, die Decke wird herabgerissen, und grünt unten lustig fort; und so kann man voraussehen, daß nach einer langen Reihe von Jahren, der Berg verschwunden, und an seiner Stelle ein grünes Thal sich gebildet haben wird. Nach einer guten Observation fanden wir die Breite der Erdzunge 66º 15' 36'' N, auch hier erhielten wir für die Abweichung der Magnetnadel ein falsches Resultat - 13º westlich.

Den 9ten August. Wir verließen Morgens um sechs Uhr bei schönem Wetter diesen Ort, und ich erfuhr bei meiner Ankunft am Schiff, daß sich während unserer Abwesenheit zwei Baydaren dem Rurick genähert, sogleich aber durch einen Flintenschuß wieder verscheucht waren, da ich den Befehl gegeben hatte, der zurückgebliebenen geringer Mannschaft wegen, keine Amerikaner in die Nähe zu lassen. Die Bay nannte ich nach unserm Arzt, Eschscholz, da er es war, der dort die merkwürdige Entdeckung gemacht. Sie scheint unbewohnt, und nur zu gewissen Jahreszeiten, der Jagd wegen, besucht zu werden. Ich zweifle nicht, daß sich zwischen den hohen Gebirgen ein Fluß befinde, was aber zu untersuchen, die Untiefe nicht erlaubte. Im Hintergrunde des östlichen Theils der Eschscholz-Bay, sieht man ein hohes Gebirge sich erheben. Die Ebbe dauert hier nur sieben und die Fluth fünf Stunden; das Wasser hebt sich beim Vollmonde bis auf sechs Fuß, hat um sechs Uhr Nachmittags den höchsten Stand, und der Strom läuft während der Ebbe 1¾, und während der Fluth 1¼ Meile die Stunde, eine Verschiedenheit, die wahrscheinlich durchs schmelzende Eis bewirkt wird. Ebbe und Fluth wechseln regelmäßig, der Strom läuft stärker heraus als hinein, und beträgt bisweilen zwei Knoten. Bei dem starken Sturm aus SO am achten August stand der Barometer auf 30.00 Zoll.

Den 10ten. Meine Absicht, die Bay mit Tagesanbruch zu verlassen, ward durch Regen, und so trübem Horizonte, daß kein Land zu sehen war, vereitelt. Um vier Uhr Nachmittags ward es heiterer, und wir verließen die Eschscholz-Bay mit frischem SSO Winde. Ich wünschte jetzt, das uns in S liegende Land zu untersuchen, richtete daher den Lauf dort hin, und ließ, theils um keine Biegung der Küste zu verfehlen, theils um Morgens die Aufnahme derselben fortzusetzen, als es dunkelte, die Anker fallen. Das Land in S lag uns in einer Entfernung von sieben Meilen, die Tiefe betrug sieben Faden über lehmigen Boden; die Insel Chamisso lag uns NO 41º 18½ 12' Meile entfernt. Ein auffallend hoher Berg, dessen Gipfel die Form einer Mütze hatte lag uns NO 82º.

Eine Baydare mit acht Menschen, worunter wir einen schon früher gesehen zu haben glaubten, besuchte uns; die Amerikaner behandelten uns aber sehr geringschätzig, indem sie uns nur kleine Fetzen von Hunde- und Rattenfellen zum Tausch boten; als sie bemerkten daß wir uns über ihre Waaren lustig machten, lachten sie selbst herzlich mit, besprachen sich viel unter einander, und riethen uns endlich, diese Läppchen in den Nasen und Ohren anzubringen. Auch diese wagten sich nicht an Bord, sondern beobachteten, immer zur Flucht bereit, jede unserer Bewegungen, und verließen uns sehr vergnügt, nachdem ich ihnen einige Messer geschenkt hatte.

Den 11ten August. Um vier Uhr Morgens gingen wir bei heiterem Wetter unter Segel. Ich richtete den Lauf längs der Küste WSW, denn die Untersuchung nach O hielt ich für überflüssig, da ich von der Spitze der Insel Chamisso, deutlich die Vereinigung des Landes gesehen hatte. Wir näherten uns bald einem Vorgebirge, das mir den Eingang in eine Bay zu bilden schien; da ich aber beim Umschiffen meinen Irrthum einsah, nannte ich es: Cap Betrug. Dieses Vorgebirge, welches aus einem hohen, runden, senkrecht aus dem Meere steigenden Felsen besteht, ist sehr bemerkbar. An seinem Ufer waren eine Menge Baydaren, wovon sich uns einige näherten, um Kleinigkeiten zu erhandeln; und aus der Fertigkeit der Amerikaner im Betrügen, sah ich, daß ich doppelte Ursache hatte, es Cap Betrug zu nennen. Diesmal waren ein Paar junge Mädchen dabei, die mit blauen Glasperlen in den Ohren, nicht übel aussahen, obzwar ihre Kleidung wenig von der männlichen unterschieden war, und sie dicke Ringe von Eisen oder Kupfer um die Arme trugen; ihr langes Haar war in Flechten um den Kopf gebunden. Sobald wir Cap Betrug umschifft hatten, ward das Land niedrig, und verlor sich in S; in weiter Ferne erschienen uns dort hohe Berge, und ich richtete, in der Hoffnung vielleicht einen beträchtlichen Fluß zu finden, meinen Lauf dahin; mußte aber, weil die Tiefe merklich abnahm, um zwei Uhr Nachmittags die Anker auf fünf Faden fallen lassen. In W in einer Entfernung von sechs Meilen, lag ein niedriges Land, welches seine Richtung nach N und alsdann nach NO nahm; in SO sah man das hohe Land, das in der Gegend von Cap Betrug liegt, und von da sich nach W erstreckt, wo es ganz niedrig ward; in SW war nichts als offene See. Ich muß hier zweier Berge erwähnen, die uns bei unserer Aufnahme als feste Punkte dienten, da sie, höher als die übrigen, immer hervorragten. Der eine lag uns jetzt SO 14º und ist unverkennbar durch seinen Gipfel, welcher die Gestalt von zwei Eselsohren hat, woher er auch den Namen: die Eselsohren, erhielt, der zweite, dessen Gipfel einen beträchtlichen Umfang einnimmt, lag uns SW 47º; er läuft in horizontaler Richtung fort, und man glaubt auf ihm die Ruinen eines zerstörten Schlosses zu sehen, wovon nur einige Thürme übrig sind; diese aber erkannte ich später für steinerne Säulen, denen gleich, die Saritscheff an der Küste des Eismeers gefunden. Diesen Berg nannte ich: den Teufelsberg. – Da mir bei dem schönen Wetter jeder Augenblick kostbar war, so ließ ich sogleich zwei Böte ausrüsten, und trat mit meiner ganzen Gesellschaft die Fahrt in eine Gegend an, wo eine Meeresöffnung zu seyn schien. Freilich war es für heute zu spät, um etwas zu untersuchen, das aber sollte, nachdem wir am Lande übernachtet, mit Tagesanbruch vor sich gehen; kaum aber hatten wir uns 200 Faden vom Schiffe entfernt, so überfiel uns ein dichter Nebel, der uns zum Rückzüge zwang. Wir beobachteten den Strom, der mit einer Schnelligkeit, welche 1¼ Knoten betrug, sieben Stunden aus der Oeffnung, und vier Stunden wieder hinein lief.

Den 12ten Morgens um vier Uhr, unternahmen wir bei schönem Wetter die Fahrt zu der Oeffnung zum zweiten Male, mußten aber, da die Tiefe stark abnahm, einen andern Weg einschlagen, der uns einem Lande zuführte das sechs Meilen von unserm Schiffe entfernt in W lag. Wir landeten in der Nähe eines kleinen Flusses, der seinen Ursprung aus der See zu haben schien; und fanden das Land, obzwar es ziemlich hoch lag, sumpfig. Hier theilte sich unsere Gesellschaft: ich verfolgte mit dem Lieutenant Schischmareff die Küste nach S zu, um vielleicht bis an die Oeffnung vorzudringen; die Herren Naturforscher schlugen den Weg ins Land ein, um zu botanisiren, und die zurückbleibenden Matrosen sollten unterdeß eine Mahlzeit zubereiten. Nach einem Marsch von ungefähr vier Meilen, erreichten wir ein Cap, wo das Land seine Richtung plötzlich von S nach W nahm, und beträchtlich höher ward; von einem Hügel sah ich in W einen breiten Arm, der sich aus dem Meere ins Land ergoß, sich dort in vielen Krümmungen zwischen den Bergen schlängelte, und mir Hoffnung machte, ihn in Böten befahren und tief ins Land dringen zu können. Wir bemerkten zugleich, daß die Tiefe, welche in der Mitte des Arms noch zuzunehmen schien, schon am Ufer für unsere Bote hinlänglich war; seine Breite war zwischen 1 und 1½ Meile, der Strom wechselte regelmäßig, und lief an manchen Stellen wenigstens zwei Knoten. Jetzt entdeckten wir in einer Entfernung von 300 Schritten eine Hütte, aus welcher zwei Amerikaner, der Eine bejahrt, der Andere ein Knabe von 16 Jahren, beide mit Bogen, Pfeilen und Lanzen bewaffnet, uns entgegen kamen. Nachdem sie von ihrer Hütte aus, die Hälfte des Weges gegen uns zurückgelegt, bestiegen sie einen Hügel, wo sie eine feste Position nahmen, darauf spannten sie ihre Bogen und richteten die Pfeile auf uns, indem der Alte uns mit brüllender Stimme etwas zurief. Da wir noch drei Matrosen bei uns hatten, und diese überlegene Macht sie vielleicht erschreckte, so befahl ich den Uebrigen zurückzubleiben, legte meine Waffen ab, und ging dem Helden allein entgegen; kaum sahen sie mich waffenlos, als sie auch die ihrigen von sich warfen. Wir umarmten uns herzlich, brachten unsere Nasen mehrere Male in eine starke Berührung, und ich legte meine freundschaftliche Gesinnung durch Messer und Spiegel, welche ich ihnen schenkte, klar an den Tag. Dennoch konnten sie sich einer geheimen Furcht nicht erwehren, und als ich vollends meine Leute herbeirief, stieg ihr Mißtrauen aufs Höchste; sie richteten sogleich ihre Bogen auf meine Begleiter, und brüllten wie vorhin. Ich schickte jetzt die Matrosen zurück, und gab dem Lieutenant Schischmareff einen Wink, unbewaffnet zu mir zu kommen; dieser wurde sofort empfangen, wie ich, und sie nöthigten uns in ihre Wohnung. Wir traten in ein kleines Zelt von Wallroßhäuten, in der Form eines Conus verfertigt, wo das Weib mit zwei Kindern in der Ecke saß. An der Seite des Lagers befanden sich zwei Böte, ein ganz kleines, wie die auf den Aleuten, und ein großes für zehn Menschen, welches dazu diente, das Zelt sammt der ganzen Wirtschaft, von einem Ort zum andern zu transportiren. Daß sie sich mit der Jagd beschäftigen, bewiesen mir verschiedene Felle, die dort in Menge lagen. Der 16jährige Knabe, ein Sohn des Hauses, mit einem angenehmen, lebhaften Gesichte, das viel Neugier ausdrückte, war besonders aufmerksam, als er bemerkte, daß wir ihre Benennungen verschiedener Gegenstände aufschrieben; er machte sich ein Vergnügen daraus, uns allerlei Dinge zu nennen, und sah emsig zu, wenn wir die Worte aufs Papier brachten. Die Frau des Amerikaners schien für nichts Sinn zu haben, als für meine blanken Knöpfe, welche sie heimlich abzudrehen suchte, und als das nicht gelang, ihre Kinder abschickte, die ganz in Felle gehüllt, wie zwei junge Bären an mir herumkrochen, indem sie versuchten, sie mir abzubeißen. Um meine Knöpfe zu retten, schenkte ich ihr einen Spiegel; aber das gab argen Streit, denn die ganze Familie wollte zugleich hinein sehen, und dazu war er offenbar zu klein; ich legte mich endlich ins Mittel; einer nach dem andern mußte sein Gesicht beschauen, und jeder suchte den Fremdling hinter dem Spiegel, weil er sich selbst nicht erkannte. Der Wirth breitete jetzt außerhalb des Zeltes ein Wallroßfell aus, worauf er uns zu sitzen nöthigte, schenkte dann jedem von uns ein Marderfell, und empfing Gegengeschenke, worunter der Taback ihm besonders lieb war. Das Weib war, wie wir früher schon andere gesehen hatten, mit kupfernen und eisernen Ringen um den Armen, und Glasperlen im Haar geschmückt. Ich gab mir viele Mühe, meinem Amerikaner begreiflich zu machen, daß ich zu wissen wünschte, wie weit sich dieser Arm wohl erstrecke. Endlich verstand er mich, und machte mir seine Antwort durch folgende Pantomimen begreiflich: er setzte sich auf die Erde, und ruderte eifrig mit den Armen; dieses Geschäft unterbrach er neun Mal, indem er eben so oft die Augen schloß und den Kopf in die Hand legte. Ich erfuhr also, daß ich neun Tage brauchen würde, um auf diesem Arm ins offene Meer zu gelangen; schenkte ihm in der Freude meines Herzens noch einige Messer, und wir eilten zu unsern Böten, begleitet von Vater und Sohn, welche auf meinen Vorschlag beide mitgingen. Der Alte war von mittlerem Wuchse, starkem Körperbau und gesundem Ansehen; die hervorstehenden Backenknochen und sehr kleine Augen, hatte er mit allen hiesigen Einwohnern gemein, so wie die beiden mit Wallroßknochen gezierten unter der Unterlippe befindlichen Löcher; diese gewähren besonders einen widerwärtigen Anblick, wenn die Knochen herausgenommen werden, weil dann der Speichel immerfort über das Kinn herabfließt. Beide begleiteten uns in leichten Fellhemden, geschornen, unbedeckten Köpfen, und barfuß; der Vater mogte 40 Jahr alt seyn. – Wir unterhielten uns auf dem Wege lebhaft, und sammelten viele Worte ihrer Sprache, welche Aehnliches mit denen haben, die Cook in Norten-Sund gesammelt. Auf meine Frage, wo er die blauen Glasperlen, ein abgenutztes Messer, und dergleichen europäische Waaren herhabe, zeigte er auf den Eingang des Sundes, wo auf Böten Menschen zu ihnen kommen, die Perlen, Taback, auch Holz zu ihren Bogen und Pfeilen gegen Felle und fertige Kleidungsstücke vertauschen. Ihre Art zu handeln, wußte er mir sehr anschaulich zu machen: der Fremde nämlich legt zuerst einige Waaren ans Ufer und entfernt sich, der Amerikaner kommt, besieht die Sachen, legt dann so viele Felle daneben, als er ungefähr dafür geben will, und geht auch zurück; hierauf nähert sich wieder der Fremde, untersucht, was man ihm geboten, und nimmt, wenn er zufrieden ist, die Felle mit, indem seine Waare da bleibt, oder läßt, im entgegengesetzten Falle, alles liegen, entfernt sich noch einmal, und erwartet eine Zulage des Käufers. Auf diese Art scheint mir der ganze Handel stumm und wortlos fortzugehen, und es ist keinem Zweifel unterworfen, daß die Tschuktschen hier die Felle für den russischen Handel eintauschen. Meine drei Matrosen stießen jetzt zu uns, zum großen Schreck der Amerikaner, welche gleich davon laufen wollten, ihr freundliches Benehmen aber beruhigte sie bald so sehr, daß wir Arm in Arm, unter Lachen und Scherzen, weiterwanderten; diese Stimmung schien mir indeß von Seiten der Wilden etwas erzwungen. Unsere Unterhaltung ward durch die Erscheinung eines Thieres unterbrochen, das in vieler Hinsicht den Eichhörnchen gleicht, aber viel größer ist, und in der Erde lebt. In Sibirien heißt es Gewraschka; die Amerikaner, welche aus den Fellen dieser Thiere, die man hier häufig findet, ihre recht hübschen Sommerkleider verfertigen, nannten es Tschikschi. Wir suchten es für unsere Naturaliensammlung einzufangen, was uns aber ohne die Hülfe unserer Freunde, die im Laufen sehr geübt waren, schwerlich gelungen wäre; diese brachten es uns triumphirend, und lachten herzlich über unsere Ungeschicklichkeit. Indem wir weiter gingen, bemerkte ich eine Schnepfe, und der Wunsch, zu erfahren, ob unsere Begleiter mit dem Feuergewehr bekannt wären, und was der Schuß für einen Eindruck auf sie machen würde, bewog mich, sie zu erlegen. Der Knall verursachte ihnen den größten Schreck, sie sahen einander an, und wußten nicht, ob sie bleiben, oder davon laufen sollten; als sie aber bemerkten, daß ihnen selbst nichts geschehen war, faßten sie den Muth, sich vorsichtig nach meiner Flinte umzusehen; der Alte aber, welcher bis dahin selbst eine getragen, ohne zu ahnen, was er in Händen hatte, gab jetzt die Flinte schnell dem Eigenthümer zurück. Die zerschmetterte Schnepfe, welche er nicht anzurühren wagte, hatte ihm die höchste Ehrfurcht vor das schreckliche Instrument eingeflößt, und sie konnten beide nicht aufhören, ihr Erstaunen über diese außerordentliche Begebenheit zu äußern. Wir waren unserm Lagerplatze schon ziemlich nahe, als uns Herr Choris mit seinem Buche begegnete, worin er verschiedene Amerikaner aus dieser Gegend gezeichnet hatte. Unsere Freunde freuten sich sehr darüber, geriethen aber ganz außer sich, als jetzt Herr Choris im Gehen die Züge des Alten flüchtig aufs Papier brachte, und der Sohn hielt sich den Bauch vor Lachen, als er das Gesicht seines Vaters gezeichnet sah. Wir erreichten unser Lager, fanden die Suppe bereit, und machten uns ohne Zeitverlust darüber her, während unsere Freunde die Menge ihnen ganz fremder Sachen, welche ihnen jetzt in die Augen fielen, bewunderten; besonders auffallend war ihnen der Gebrauch der Messer, Gabeln und Teller. Etwas Fleisch und Zwieback das wir ihnen reichten, aßen sie nicht, sondern verwahrten es. Sobald wir unsere Mahlzeit geendet, wurde alles eingepackt, und wir segelten mit günstigem Winde der Oeffnung zu. Die Amerikaner, welche am Lande blieben, hielten sich noch lange in der Gegend auf, wo wir gespeist hatten, und wir sahen sie emsig suchen, in der Hoffnung, daß wir etwas zurückgelassen, was Werth für sie haben könnte.

Wir hatten das Vorgebirge, welches den Eingang in den Arm bildet, und wo das Land plötzlich seine Richtung nach Westen nimmt, umsegelt. Vergebens waren aber unsere Bemühungen, weit hinauf zu dringen, da wir jeden Augenblick auf Untiefen stießen. Dennoch bin ich überzeugt, daß es da ein Fahrwasser geben muß, da die Tiefe oft dicht neben einer Untiefe 2-3 Faden betrug, und der Strom dabei zwei Knoten lief. Selbst die vielen Untiefen sind durch den starken Strom entstanden, und dieser könnte unmöglich existiren, wenn der Arm sich bald schlösse. Die Aussage des Amerikaners ist also wahrscheinlich richtig, und dieser Arm läuft entweder bis Norten-Sund, oder vereinigt sich mit der Schischmareffs-Bay. Nachdem wir uns einige Stunden mit dem vergeblichen Suchen einer Passage abgequält hatten, landeten wir nahe bei der Hütte unseres Freundes; ich ließ ein Lager aufschlagen, damit meine ganz ermüdeten Leute zur Ruhe kämen; uns gewährte die ans Land geschleppte, umgeschlagene Baydare Schutz, und allen war eine Tasse Thee eine wahre Erquickung. Unser Amerikaner schien etwas erschrocken über die Nachbarschaft; er packte gleich Haus und Geräthe ins große Boot, und verließ mit seiner Familie in aller Stille diese Seite des Ufers. Ich sah, wie er auf dem Arme bald links bald rechts ruderte, wahrscheinlich, um den ihm bekannten Untiefen auszuweichen, und wie er endlich nach vielen Krümmungen am jenseitigen Ufer landete, wo der ungetreu gewordene Freund sein Zelt aufschlug.

Das Wasser in dem Arme, welches wir öfter untersucht hatten, war salzig wie Schneewasser. Man kann sich kein schöneres Wetter denken, als wir heute hatten; kein Wölkchen trübte den Himmel, der so herrlich blau war, wie man ihn nur in höheren Breiten sieht, und auch der Bewohner der Beeringsstraße kann sagen: die Natur ist schön! – Gegen Abend wurde unsere angenehme Ruhe unterbrochen durch den Ruf der Schildwachen, welche uns acht Baydaren unter Segel meldeten. Dieser Besuch war uns zugedacht, und wir hatten sie schon früher von einer Anhöhe bemerkt, wie sie aus der Gegend des Cap Betrug unter Segel gingen; da indeß unsere Waffen in der besten Ordnung waren, so konnten wir dieser Erscheinung mit Ruhe entgegen sehen. Die Baydaren, jede mit zwölf Mann, landeten am südlichen Vorgebirge des Arms, uns gerade gegenüber in der Entfernung einer kleinen Meile, und wurden ans Land gezogen, wo sie gleich der unsrigen zu Zelten dienten. Die Amerikaner machten mehrere Feuer an, um welche sie sich lagerten; ihre Hunde, deren sie viele mithatten, liefen am Ufer umher. Diese Nachbarschaft konnte uns nun wirklich gefährlich werden, da meine ganze Mannschaft bei dieser Excursion nur aus vierzehn Mann bestand, und der Verlust einiger meiner Matrosen, mich außer Stand gesetzt hätte, die Expedition zu vollenden. Dennoch bedurften wir jetzt einige Stunden der Ruhe; ich ließ also drei Schildwachen mit geladenem Gewehr, und dem Befehl, bei dem geringsten Verdacht zu feuern, ausstellen, und wir Uebrigen lagerten uns, jeder mit einer geladenen Flinte auf den Boden; die Wilden saßen um ihre Feuer, schrien, und ließen Trommeln erschallen.

Ich gab für jetzt die weitere Untersuchung des Armes auf, da sie, der Untiefen wegen, mir zu viel Zeit rauben konnte, und verschob diese aufs künftige Jahr, wo ich sie vermittelst ganz kleiner Baydaren aus Unalaska, fortzusetzen hoffte. Die Bay nannte ich: Bay der guten Hoffnung! weil ich wirklich hoffen durfte, hier recht merkwürdige Entdeckungen zu machen. Die Ufer am nördlichen Theil des Armes, erreichen eine beträchtliche Höhe, je weiter man aber nach N ins Land vordringt, desto niedriger werden sie, und man findet eine Menge kleiner Seen und Flüsse. Das südliche Ufer des Armes ist und bleibt niedrig so weit das Auge reicht, und wird erst in der Gegend des Teufelberges fünfzehn Meilen von hier gebirgig; überall ist das Land grün, doch gibt es nirgends Gesträuch. Um 1 Uhr in der Nacht machten wir uns auf den Weg; noch brannte das Feuer der Wilden, noch erscholl, in Begleitung der dumpfen Trommel, ihr Gesang, und dieses, verbunden mit der finstern Nacht, verbarg ihnen unsere Abfahrt. Nachdem wir uns aus dem Canal herausgearbeitet, nahmen wir den Weg dem Schiffe zu, wobei wir, da wir durchaus nichts sehen konnten, uns nach der Lage des Landes zu richten suchten. Kaum hatten wir eine halbe Stunde gerudert, so geriethen wir auf eine Untiefe; es war die Zeit der Ebbe, alle Stellen, über die wir früher ganz bequem gefahren, hatten sich in Sandbänke verwandelt, und um uns hörten wir die Brandung wüthen. Wir ruderten jetzt in einer andern Richtung, es dauerte aber nicht lange, so waren wir abermals auf einer Untiefe, wo die Brandung uns zu verschlingen drohte; ein heftiger Wind machte unsere Lage gefährlich, das Boot zog viel Wasser, wir alle waren von der Arbeit erschöpft, und ich sah keinen Ausweg dem Tode zu entrinnen, da wir jeden Augenblick erwarten mußten, daß das Boot von der Brandung erfaßt, umschlagen würde. Die Baydare, auf welcher sich unsere Gelehrten befanden, war von uns abgekommen, und einige Nothschüsse, die wir jetzt von dort hörten, machten unsere Lage noch viel schrecklicher; wir antworteten durch einen Musketenschuß, aber helfen konnten wir nicht. Endlich kam uns allen der anbrechende Tag zu Hülfe, wir sahen den Weg den wir zu nehmen hatten, um der Brandung zu entkommen, und die Baydare, ebenfalls dagegen kämpfend, war in unserer Nähe. Die Matrosen strengten jetzt ihre letzten Kräfte an, um gewaltsam die starke Brandung zu durchschneiden, (das einzige Mittel durchzukommen, ohne umgeworfen zu werden) und wir waren gerettet. Die Baydare welche aus Leder, und folglich leichter war, half sich mit weniger Mühe durch. Wir sahen jetzt das Schiff deutlich, aber die Entfernung betrug noch zwei Meilen, und meine erschöpften Matrosen hatten kaum mehr die Kraft, dem heftigen, contrairen Winde entgegen zu arbeiten; endlich aber legte sich auch dieser, und wir erreichten, nach unglaublichen Beschwerden, den 13ten August, Morgens den Rurick. Wir verdankten unsere Rettung allein dem Muthe der Matrosen, und es ist mir erfreulich, hier öffentlich erklären zu können, daß ich während der ganzen Reise Ursache hatte, mit dem Betragen der ganzen Mannschaft im höchsten Grade zufrieden zu seyn. Ihr unerschrockener Muth und ihre Beharrlichkeit im Dienste, haben mich immer erfreut, ihre Aufführung war exemplarisch, und an fremden sowohl, als an bekannten Orten, sah man ihr Bestreben, nirgends einen üblen Eindruck zu hinterlassen. Auf diese Art kann auch ein beschwerliches Unternehmen mit russischen Matrosen ein Vergnügen werden. Als der Wind sich um fünf Uhr Morgens ganz gelegt hatte, erhielten wir auf zwei Baydaren Besuch von den Amerikanern, die bei dem Verkauf ihrer kleinen Arbeiten uns auf alle Weise zu prellen suchten, und herzlich lachten, wie ihnen das nicht gelingen wollte. Die allgemeine Regel, im Handel zuerst die schlechteste Ware vorzuzeigen, haben sie sich wahrscheinlich von den Tschuktschen, und diese wieder von den russischen Kaufleuten angeeignet. Als wir nichts mehr von ihnen haben wollten, holten sie noch aus dem untersten Raum ihrer Böte einige schwarze Füchse hervor, die wir aber nicht erhandeln konnten, da sie sie nur gegen große Messer hergaben. Einer von ihnen, ein junger, rüstiger Mann, den ich für den Anführer hielt, weil seine Befehle pünktlich vollzogen wurden, wagte sich, nachdem wir ihn sehr eingeladen und ihm allerlei geschenkt, aufs Verdeck; er war der Einzige unter den Bewohnern des Sundes, welcher diesen Muth bewies. Sein Erstaunen, bei dem Anblick der vielen neuen Gegenstände, war unbeschreiblich; stumm sah er nach allen Seiten umher, und schon nach einer viertel Stunde machte er sich davon, um seine aufmerksamen Kameraden von den gesehenen Wunderdingen zu unterhalten. Wir gaben ihm eine Tafel mit, indem wir ihm begreiflich machten, daß er uns die Richtung des Caps darauf zeichnen möchte; er nahm den Griffel und zeichnete wirklich das Cap am südlichen Eingange des Sundes, das er uns als eine gebogene Landspitze darstellte; darauf bezeichnete er eine Menge Wohnungen, die er Kegi nannte, und wohin er uns freundlich einlud. Auf seiner Baydare bemerkten wir eine eiserne Lanze, die wir als die Arbeit einer sibirischen Fabrik, wo sie bloß für den Handel mit den Tschuktschen verfertigt werden, erkannten. Jetzt war ihr Mittag herangekommen; sie legten einen eben erlegten Seehund in ihre Mitte, schnitten ihm den Bauch auf, und einer nach dem andern steckte den Kopf hinein, um das Blut herauszusaugen. Nachdem sie auf diese Weise hinlänglich getrunken, schnitt sich jeder ein Stück Fleisch heraus, das er mit dem größten Wohlbehagen verzehrte, und man kann sich denken, wie ihre ohnehin schrecklichen Gesichter bei dieser Mahlzeit aussahen.

Um neun Uhr Morgens bekamen wir bei heiterem Wetter, mäßigen Wind aus O und ich ließ gleich die Anker lichten, um die Küste nach N zu verfolgen. Die observirte Breite unseres Ankerplatzes gab 66º 16' 39", Länge 163º 41'. Die Abweichung der Magnetnadel 27º östlich. Das Fallen des Wassers bemerkten wir an dem Lande welches von der Bay der guten Hoffnung eine nördliche Richtung nimmt, konnten uns aber der geringen Tiefe wegen nicht nähern, sondern beobachteten es nur von der Spitze des Mastes. Um zehn Uhr sahen wir die äußerste Spitze des Landes in SW 85º. Dieses Vorgebirge war sechs Meilen von uns entfernt und bildete den südlichen Eingang in den Sund. Ich nannte es nach dem Manne, der als Arzt mit Krusenstern die Reise um die Welt gemacht hat, und mein Freund ist: Espenberg. Von hier richtete ich während der Nacht den Lauf nach der NO Küste. Den 14ten August um acht Uhr Morgens hatten wir das Vorgebirge erreicht, welches den nördlichen Eingang des Sundes bildet, und das den Namen Krusenstern erhielt. Was ich beim Eintritt in den Sund in N für Inseln ansah, war sehr hohes Land; auf einer niedrigen Landzunge, die sich davon nach W erstreckt, waren viele Wohnungen, und wir sahen nicht nur Menschen, die am Ufer hin und her liefen, sondern auch zwei Baydaren, die uns vergebens einzuholen suchten, da der frische Wind dem Rurick Flügel gab. Ein Gebäude auf einer Anhöhe, das einem europäischen Magazine glich, fiel uns auf; – die Wohnungen auf der Landzunge erschienen, da sie unter der Erde sind, wie kleine, runde Hügel, mit Wallfischknochen umzäunt. Vom Cap Krusenstern bildet das Land eine Einbucht nach NO und nimmt alsdann seine Richtung nach NW, wo es mit einem sehr hohen Vorgebirge endigt, welches ich für Cap Mulgrave halte. Nach unserer Bestimmung liegt es 67º 30'. Cook, der an dem Tage keine Observation hatte, fand nach der Schätzung die Breite von Cap Mulgrave 67º 45'. Dieses gibt zwar einen Unterschied von 15'; zieht man aber in Betracht, daß wir in einer Entfernung von 35 Meilen vom Vorgebirge, in der Breite um eine Kleinigkeit irren konnten, und daß auch bei Cook, der gar keine Observation hatte, sich ein kleiner Fehler eingeschlichen, so wird wahrscheinlich die Mitte unserer beiden Breiten, der wahren nahe kommen und diese beträgt 67º 37' 30". Unsere Länge von Cap Mulgrave stimmte mit Cook seiner genau überein.

Meiner Instruction zufolge sollte ich in Norten-Sund einen sichern Ankerplatz aufsuchen, und im künftigen Jahre von dort aus die weitere Untersuchung der Küste fortsetzen; da mich das Glück aber einem bis jetzt unbekannten Sunde zugeführt hat, der mit den sichersten Ankerplätzen versehen ist, und wo eine Landexpedition viel interessanter seyn muß, als in Norten-Sund, so halte ich eine Fahrt dorthin jetzt für ganz überflüssig. Dem allgemeinen Wunsche meiner Reisegefährten zu Folge, nannte ich diesen neuentdeckten Sund mit meinem Namen: Sund Kotzebue. So unbedeutend die Entdeckung dieses Sundes auch seyn mag, so ist es doch ein Gewinn für die Geographie, und mag der Welt als Zeichen meines Eifers dienen: denn wahrlich, selbst Cook ist mit dieser Küste etwas nachläßig verfahren. Ich hoffe gewiß, daß dieser Sund mich im künftigen Jahre auf wichtige Entdeckungen führen wird, und wenn sich gleich auf eine nordwestliche Durchfahrt nicht mit Sicherheit rechnen läßt, so glaube ich doch viel weiter nach Osten vordringen zu können, da das Land sehr tiefe Einbuchten hat. Dem Handel mit Pelzwaaren muß dieser Sund mit der Zeit wesentliche Vortheile bringen, da sie hier im Ueberfluß vorhanden sind; und wir selbst wären mit reicher Ladung heimgekehrt, wenn der Handel in unserm Plan gelegen hätte. Meiner Meinung nach könnte unsere Regierung auf der Küste von der Beeringsstraße nach N ein Paar Besitzungen anpflanzen, wie die englische Hudsons-Compagnie, welche ihren Handel weit nach Westen von der Hudsons-Bay erstreckt; sie besitzt Colonieen im Innern des Landes, in sehr geringer Entfernung von dem neuentdeckten Sunde, und wird dort ohne Zweifel die Gelegenheit zum Handel bald benutzen. Bis jetzt war die Beeringsstraße der Schifffahrt gefährlich, da die Schiffe im Fall eines Sturms oder anderer Bedrängnisse keinen Hafen kannten, in den sie sich flüchten und Schutz finden konnten. Jetzt ist diese Schwierigkeit gehoben, und Schiffe, welche künftig die Beeringstraße besuchen wollen, werden den wesentlichen Vortheil dieser Entdeckung bemerken. Die Bewohner dieses Landes, durchgängig von sehr gesundem Ansehen, schienen sich blos von dem Fleische der Seethiere zu nähren, welches sie mehrentheils roh essen. Fische sahen wir an der ganzen amerikanischen Küste nicht; wir haben unsere Angeln oft, aber immer vergebens ausgeworfen; ich glaube daher, daß es hier entweder gar keine gibt, oder daß vielleicht in dieser Jahreszeit sich keine hier aushalten. Der Taback ist unbeschreiblich beliebt; er wird gekaut, geschnupft, geraucht und der Rauch sogar verschluckt.

Das Wasser in dem Sunde ward bei den täglichen Beobachtungen des Doctor Eschscholz mit dem Areometer, sehr süß befunden, was wahrscheinlich von dem schmelzenden Eise herrührt; vielleicht aber ist auch ein beträchtlicher Fluß in der Nähe, welcher unserer Forschung entging; überhaupt fanden wir, daß das Wasser an der amerikanischen Küste weit weniger Salz enthielt, als das an der asiatischen. Der herrschende Wind in diesem Monate, welcher beim Aufgange der Sonne heftig war, und sich beim Untergange derselben legte, war SO; das Wetter war meistentheils heiter. Ich glaube, daß bei SO Wind Cap Prince de Galles den Nebel von dieser Küste abhält, denn man darf nur wenige Meilen ins Meer gehen, um sich im dichtesten Nebel zu befinden. Der Barometer steht regelmäßig bei SO höher, als bei allen andern Winden, ohne sich nach der Witterung zu richten, wovon ich nur ein Beispiel anführen will: Bei SO Wind und trübem Wetter stand der Barometer 30. 20, bei NO und dem heitersten Wetter stand er 29. 50. Der mittlere Stand des Thermometers außerhalb des Sundes betrug 9º Wärme, innerhalb desselben + 11º; dieses alles gilt von der amerikanischen Küste.

Von Kotzebue-Sund nach Unalaska.

Jetzt, da uns fürs künftige Jahr ein Zufluchtsort bekannt geworden, wünschte ich die wenigen Tage, welche dieses Meer noch der Navigation gestattete, an der asiatischen Küste zuzubringen, um die Bewohner derselben kennen zu lernen, und sie mit den Amerikanern zu vergleichen; ich nahm daher Morgens bei einem ONO Winde den Cours nach S um das Land in der Gegend von Cap Espenberg zu sehen. Am Mittag war unsere observirte Breite 66º 48' 47''. In der Nähe von Cap Espenberg lagen uns zwei ausgezeichnete Hügel SO 18º, Cap Krusenstern NO 22º. Der Wind legte sich, und da wir auch am 15ten August Windstille hatten, so gelang es mir, mehrere Abstände zwischen Mond und Sonne zu nehmen, aus welchen die Länge berechnet, und auf den Mittag reduzirt 165º 15' 30'' gaben; dir Chronometer zeigten die ihrigen nur um wenige Minuten verschieden. Meine Absicht war, die Nähe des östlichen Caps von Asien zu passiren, und alsdann die St. Lorenz-Bay zu erreichen, da wir aber den 16ten und 17ten bei trübem Wetter, starken Wind aus S und SSW hatten, so machten wir nur geringe Fortschritte.

Den 18ten August. Der Wind wehte noch immer stark aus S und der Nebel war so undurchdringlich, wie wir ihn an der amerikanischen Küste bei diesem Winde nie gehabt. Während der Nacht waren wir der asiatischen Küste näher gekommen; die Tiefe hatte regelmäßig bis auf 31 Faden zugenommen, und die Temperatur der Luft sich in einem solchen Grade verändert, daß es uns schien, als ob wir plötzlich aus einem warmen Klima in ein kaltes versetzt wären. Der Thermometer, welcher Mittags an der amerikanischen Küste auf 9-10 Grad stand, zeigte hier nur + 5º, auch das Wasser war hier merklich kälter, was wohl von dem hohen, eisigen Lande herrührt; den Stand des Barometers haben wir hier immer niedriger gefunden, als bei Amerika. Die Richtung des Stromes in der Beeringsstraße war immerfort nach NO, und zwar an der asiatischen Küste noch stärker, als an der amerikanischen. Ein Anblick den wir dort ganz hatten entbehren müssen, waren eine Menge Wallfische und Wallrosse, die in unserer Nähe spielten. Letztere haben auf dem Wasser ein wunderliches Ansehen, indem sie den Kopf senkrecht über die Oberfläche halten, wobei ihre unverhältnißmäßig langen Zähne ganz horizontal stehen. Am Morgen bemerkte ich sehr dunkelblaue Flecken, die sich von der Farbe des Wassers unterschieden. Aus Furcht, auf eine Untiefe zu gerathen, ließ ich das Senkblei werfen, wir fanden aber, daß diese Flecken durch eine unzählige Menge kleiner Seethiere entstanden waren. Um drei Uhr Nachmittags vertheilte sich der Nebel, das Cap Oriental lag uns in SW 45º in einer Entfernung von zwölf Meilen. Obzwar der S Wind uns zu laviren zwang, so hofften wir doch bei ruhiger See viel zu gewinnen; um sieben Uhr Abends lag uns Cap Oriental SW 17º, die Insel Ratmanof SO 39º, das Wetter ward trübe und der Wind frisch.

Den 19ten August. Nachdem wir während der regnichten, stürmischen Nacht immerfort lavirt hatten, hoffte ich, unserer Schiffsrechnung nach, in der Nähe der St. Lorenz-Bay zu seyn. Ein dichter Nebel, welcher uns bis jetzt das Land verborgen, vertheilte sich Mittags ein wenig, und wir sahen in SSW in sehr geringer Entfernung den Gipfel eines Berges; aber wie erstaunten wir, als wir jetzt bei reinerem Horizonte erkannten, daß dieser Berg das Cap Oriental bildete, und wir also seit gestern keinen Schritt vorgerückt waren. Der Strom hatte uns nach der Berechnung in 24 Stunden fünfzig Meilen nach NO getrieben, also etwas über zwei Meilen die Stunde. Den Strom an der asiatischen Küste km Fahrwasser auf der größten Tiefe, schätze ich bis auf drei Meilen die Stunde, wenn der Wind frisch aus S weht. Die beständige NO Richtung des Stromes in der Beeringsstraße beweist, daß das Wasser keinen Widerstand findet, und folglich eine Passage existiren muß, wenn sie gleich für die Schifffahrt vielleicht nicht geeignet ist. Schon längst hat man die Bemerkung gemacht, daß der Strom aus der Baffins-Bay nach S fließt, es bleibt also keinem Zweifel unterworfen, daß die Wasser-Masse, welche in die Beeringsstraße läuft, ihren Weg um Amerika herum nimmt, und durch die Baffins-Bay wieder in den Ocean tritt.

Da es des Schicksals Wille schien, daß wir das Cap Oriental besuchen sollten, so nahm ich meinen Lauf dahin, und zwar an der nördlichen Seite, um vor den südlichen Winden geschützt zu seyn. Es besteht aus sehr hohem Lande, das an mehreren Stellen mit ewigem Eise bedeckt, in einiger Entfernung dem Seefahrer nur eine schmale Landzunge zu bilden scheint, welche sich weit in die See erstreckt; woher auch wohl Cook sie unter dieser Gestalt auf seiner Karte aufgenommen hat. In einer Entfernung von 5-6 Meilen aber zeigt sich ein sehr niedriges Land, das sich den Bergen anschließt, und dem Vorgebirge das Ansehen der Landzunge raubt. An den äußersten Spitzen des Caps hat sich auf das niedrige Land ein zuckerhutförmiger Berg hingepflanzt, der senkrecht aus dem Meere hervorragt, dessen Gipfel eingestürzt und der nach der Seeseite offen ist. Dieser Ort hat ein schauriges Ansehen durch die schwarzen, wild durcheinander gestürzten Felsen, worunter einer, ganz in der Form einer Pyramide, sich besonders auszeichnet. Die furchtbar zertrümmerten Felsen mahnen den Menschen an die Revolution der Erde, welche einst hier Statt gefunden hat; denn daß Asien sonst mit Amerika zusammenhing, macht sowohl die Ansicht, als die Lage der Küste wahrscheinlich, und die Gwozdef-Inseln sind die Ueberbleibsel der Verbindung zwischen dem östlichen Cap und Prince de Galles. Nach W bildet das niedrige Land eine Einbucht, auf der wir viele unterirdische Wohnungen in Gestalt kleiner, runder Hügel bemerkten, neben welchen eine Menge Wallfischrippen aufgestellt waren. Wir segelten in die Gegend, und ließen Mittags auf 18½ Faden Tiefe über lehmigen Grund, die Anker fallen; die Jurten lagen uns SO 4º ein Paar Meilen entfernt, der Pyramidenstein SO 64º. – Kaum lagen wir vor Anker, so näherte sich eine Baydare mit elf Mann dem Rurick, sie ruderten einige Mal um das Schiff herum, ohne ein Wort zu sprechen, betrachteten es mit großer Aufmerksamkeit, ließen sich aber durchaus nicht bewegen, an Bord zu kommen, obgleich sie unsere Pantomimen gut verstanden; nachdem sie erst auf einiges Pelzwerk, und dann auf ihre Wohnungen gezeigt, wohin sie uns einluden, schlugen sie selbst den Weg dahin ein; wahrscheinlich waren sie also nur zum recognosciren abgeschickt. Unter ihren Waffen haben wir auch eine Flinte bemerkt; wenn die russischen Kaufleute sich öfter die Freiheit nehmen, ihnen Flinten zu verkaufen, so kann das für die russische Kolonie in Kamtschatka sehr üble Folgen haben, denn wenn eine so kriegerische Nation wie die Tschuktschen mit Feuergewehr bewaffnet ist, so müssen die Bewohner Kamtschatkas vor ihrem Angriffe zittern.

Ich befahl sogleich, zwei Böte aufs Wasser zusetzen, und wir traten um zwei Uhr unsere Fahrt ans Land an. Ihr Empfang schien freundschaftlich, doch nicht ohne Mißtrauen, denn sie ließen uns nicht bis an ihre Wohnungen kommen; fünfzig Mann, mit langen Messern bewaffnet, traten uns entgegen, und nöthigten uns gleich am Strande auf ausgebreiteten Fellen niederzusitzen, indem sie sich in einen Kreis um uns herum setzten; die andere Hälfte schien, hinter den Wohnungen versteckt, Schildwache zu stehen. Diese überlegene Macht raubte mir das Vergnügen, ihre Wohnungen zu besehen, und machte überdem unsern Aufenthalt am Lande nicht ganz sicher; wir unterhielten uns indeß so gut es gehen wollte, und ich beschenkte zwei Anführer, welche von den übrigen abgesondert, neben mir saßen, mit allerlei Kleinigkeiten und hing jedem eine Medaille um den Hals. Die höchst unreinliche Kleidung, die schmutzigen, wilden Gesichter, und die langen Messer, gaben dieser Gruppe das Ansehen einer Banditen-Bande, und aus ihrem Betragen, welches nach und nach sehr dreist ward, schloß ich, daß sie oft mit Russen in Berührung kommen. Dieses Volk unterscheidet sich dem Ansehen nach wenig von den Amerikanern; Böte und Waffen sind die nämlichen, ihre Lanzen sind ebenfalls mit einem breiten Eisen versehen, wie an der amerikanischen Küste, auch tragen sie Perlen, aber eine kleinere Gattung. Das Hauptunterscheidungszeichen dieser beiden Völker sind die Wallroßknochen unter der Unterlippe, welche die Tschuktschen nicht tragen, auch mögen diese von etwas größerem Wuchs und stärker seyn. Die Weiber waren wahrscheinlich geflüchtet, denn es kam uns kein einziges zu Gesicht. Nach einer Stunde fuhren wir wieder an Bord, begleitet von drei Baydaren, aus welchen auch die beiden Anführer sich befanden; ehe diese das Schiff betraten, schenkte mir jeder von ihnen einen Fuchsbalg, und hierauf kamen sie mit ihrem Gefolge ohne die geringste Furcht an Bord. Sie speisten unsere Zwieback mit Appetit, und tranken dazu recht begierig Branntwein. Den Taback rauchen sie nicht, aber sie schnupfen und kauen ihn. Auf meine Einladung kam der Anführer mit noch einigen Andern in meine Cajüte, und hier war ihnen alles gleichgültig, bis auf den großen Spiegel, vordem sie wie bezaubert stehen blieben. Mit ernsten Gesichtern und starren Blicken betrachteten sie ihre Ebenbilder, und als einer vollends sich bewegte, und auch diese Bewegung im Spiegel sah, überlief sie alle ein Schauder, und sie verließen eilig und ohne ein Wort zu sprechen, die Cajüte. Auf dem Verdeck war noch einer durch die Erzählung der Uebrigen neugierig geworden; ich führte ihn hinab, er wagte sich aber nicht ganz hinein, sondern steckte nur den Kopf durch die Thüre, und lief, als er sich auf den ersten Blick erkannt hatte, plötzlich wieder hinauf. Ich habe oft auf meiner Reise Gelegenheit gehabt zu bemerken, daß die nordischen Völker den Spiegel fürchten, die südlichen hingegen sich mit Wohlgefallen darin betrachten.

Nachmittags erhob sich ein leichter Wind aus NO den ich sogleich benutzte und unter Segel ging. Auf dem Ankerplatze fanden wir den Strom eine Meile die Stunde nach NO; er war so schwach, weil das Cap Oriental diesen Punkt aus S schützte. Wir waren nur wenig avancirt, als der Wind nachließ, und uns bei wenigem nach NO führte. Tausende von Wallrossen spielten um das Schiff, und brüllten wie Ochsen; mitunter erschienen Wallfische, welche hohe Fontainen spritzten; alle kamen dem Rurick so nahe wie möglich, und schienen durchaus keine Furcht davor zu haben. Ein ungeheuer grosser, mit Muscheln und Seegras bedeckter Wallfisch, spritzte seine Fontaine so hoch, daß wir den Staub ins Gesicht bekamen, ein Begegniß, das nicht angenehm war, da das ausgespritzte Wasser einen sehr üblen Geruch hatte; dabei hielt er sich so lang über dem Wasser, daß ein Wallfischfänger Zeit gehabt hätte, ihm zwanzig Harpunen in den Leib zu werfen.

Den 20sten August. Während der Nacht hatten wir schwachen Wind; mit Tagesanbruch ward er frisch und setzte sich in NO fest. Wir segelten nach dem log. sieben Knoten, avancirten aber demungeachtet nach der Peilung sehr langsam; also behält der Strom selbst bei einem frischen N Winde seine Stärke aus S.- Bis zum Mittag hatten wir starken Regen mit Nebel, segelten aber frisch auf die St. Lorenz-Bay los, und eben als wir nothwendig helles Wetter haben mußten, verschwanden Regen und Nebel, und die Bay lag vor uns.

Um drei Uhr Nachmittags bogen wir um die kleine Sandinsel, welche hier den eigentlichen Hafen bildet, und warfen über lehmigen Boden auf zehn Faden Tiefe die Anker. In NO waren an einer Anhöhe einige Zelte der Tschuktschen sichtbar; die westliche Spitze der niedrigen Insel lag uns SW 30º. Bald näherten sich uns zwei Baydaren mit zwanzig Mann, welche laut sangen, aber vorsichtig sich in einiger Entfernung hielten, bis ich ihnen freundlich zugewinkt, worauf sie ohne Furcht an Bord kamen. Ich ließ zwei Böte ausrüsten, um sie in ihren Wohnungen zu besuchen, und zugleich dort einige Fässer mit Wasser zu füllen; unsere Tschuktschen folgten uns, wohlbeschenkt und sehr zufrieden. Ehe wir die Wohnungen erreichten, mußten wir eine Anhöhe ersteigen, wo der sehr beschwerliche Weg in dieser Sommerlandschaft über Eis und Schneefelder und durch sumpfigen Moosgrund führte. Eis und Schnee behaupten hier seit dem vergangenen Jahre ihre Herrschaft, und in diesem Zustande sieht man die ganze Küste, während in Amerika selbst die Gipfel der höchsten Berge von Schnee entblößt sind; dort sieht der Seefahrer die Küsten mit einem grünen Teppiche bedeckt, und hier starren ihm schwarze, bemooste Felsen mit Schnee und Eiszapfen entgegen. Es ist ein furchtbarer Gedanke, hier sein Leben hinbringen zu müssen, und doch fühlen sich die Menschen auf diesem selbst von der Natur verlassenen Boden glücklich und zufrieden. Wir fanden zwölf Sommerwohnungen, welche bekanntlich aus Gerüsten bestehen, die aus langen Stangen pyramidenförmig zusammengesetzt, und mit Fellen verschiedener Seethiere bedeckt sind; das Feuer wird in der Mitte der Wohnung gemacht, und oben befindet sich eine Oeffnung, wo der Rauch herausgeht. Diese Hütten waren größer, als ich sie früher sah; sie hatten zwölf Schritt im Durchmesser, und waren 2-3 Faden hoch; ihre Bewohner schienen zu den Herumziehenden zu gehören, das schloß ich aus einer Menge Schlitten, womit sie hergekommen waren, um während des Sommers ihren Vorrath an Wallfischspeck und andern Seethieren für den Winter einzusammeln; nach Beendigung dieses Geschäfts, ziehen sie wieder zu ihren Rennthierheerden ins Land. Die Wohnungen standen in einer Reihe, und die mittelste gehörte dem Anführer, einem alten, ehrwürdigen Manne von gesundem Ansehen, dem aber die Füße schon den Dienst versagten. Alle hatten sich, wahrscheinlich aus Furcht in ihre Wohnungen zurückgezogen, wo es mir schien, als ob sie ihre Waffen in Bereitschaft hielten; nur der Alte saß einige Schritte von seinem Zelte mit zwei jungen Leuten auf einem ausgebreiteten Leder, und nöthigte mich an seine rechte Seite, als er erfuhr, daß ich der Befehlshaber sey. Seine erste Bemühung war, mir die Frage begreiflich zu machen, ob ich jemanden bei mir hätte, der seine Sprache verstände? Daran aber fehlte es mir; und nur ein Matrose, den ich aus Kamtschatka mitgenommen, verstand die Kariakische Sprache und begriff auch hier manches Wort; dadurch wurde er mir ziemlich nützlich, so armselig er auch den Dolmetscher machte. Aus dem Wörterbuche von Krusenstern, das ich bei mir hatte, verstanden sie kein einziges Wort. Ich ließ jetzt dem Alten sagen: wir seyen Russen, und ihre Freunde, wir wären blos gekommen, um frisches Wasser einzunehmen, und bäten ihn um einige Rennthiere! – Es dauerte lange, ehe mein Dolmetscher diese Worte übersetzt hatte, endlich aber verstand ihn der Alte, versprach für Rennthiere zu sorgen, machte uns aber begreiflich, daß das ein Paar Tage Zeit kosten würde, weil man sie aus dem Lande hertreiben müßte. Sehr erfreut über dieses Versprechen, da meine Mannschaft schon seit Chili wenig frisches Fleisch genossen hatte, beschenkte ich den Alten, der zwar alles recht gern annahm, aber dabei die Besorgniß äußerte, daß er nicht im Stande sey, ein würdiges Gegengeschenk zu machen. Auf meine Versicherung, daß ich durchaus nichts wünschte, als daß er meine Geschenke annehmen möchte, schüttelte er unwillig den Kopf, ertheilte einem seiner Leute einen Befehl, und dieser lief in die Hütte, und kam bald mit einem Fellkleide zurück, das er mir zu Füßen legte. Ich blieb meinem Vorsatze, nichts anzunehmen, getreu, und gewann sein Zutrauen ganz, als ich ihm eine Medaille mit dem Bildnisse unseres Kaisers verehrte, dessen Werth ich ihm durch den Dolmetscher erklären ließ; Am Cap Oriental zeigte mir ein Tschuktsche eine Tabaksdose von Kupfer mit dem Bildnisse Catharina der Zweiten. er schien ihn aber schon zu kennen, denn er war unbeschreiblich vergnügt darüber. Jetzt krochen die übrigen Tschuktschen aus ihren Zelten, und setzten sich, sowohl Männer als Weiber in einen Kreis um uns herum, indem sie uns mit neugierigen Blicken betrachteten. Ein junges Weib mußte mir auf Befehl des Alten eine Schüssel mit Wallfischspeck vorsetzen, es war mir aber unmöglich, davon zu essen, da mir noch von dem ersten Gastmahl dieser Art, ein unbesiegbarer Widerwille gegen diese Speise zurückgeblieben war. Das Zutrauen und die Gewogenheit der Damen, gewann ich in hohem Grade, als ich mit freigebiger Hand Perlen und Nähnadeln unter sie vertheilte; letztere nannten sie Tetita. Auf die wiederholte Einladung des Alten, trat ich in sein Zelt, das ich im höchsten Grade unreinlich fand; auf dem Feuer stand ein mächtiger kupferner Kessel; die Wohnung war durch Häute abgetheilt, hinter welchen sie ihre aus Fellen bereiteten, warmen Schlafstellen haben; ein Theekessel und andere eiserne Geräthe, die sie aus Kolima erhalten, überzeugten mich, daß der Handel mit den Russen lebhaft betrieben wird. Es war ziemlich spät, als wir ihre Zelte verließen, begleitet von dem oft wiederholten Taroma, ein Wort, das sie sowohl beim Willkommen, als beim Abschiede gebrauchen.

So viel ich die Tschuktschen kennen gelernt habe, kann ich nicht in die allgemeine Meinung einstimmen, daß sie längere Gesichter, und überhaupt nichts asiatisches hätten; hervorstehende Backenknochen und kleine, chinesische Augen sieht man an allen, und wenn die Köpfe einiger auch weniger asiatisch gebildet sind, so könnte das wohl von der nahen Nachbarschaft der Russen herrühren. Der Bart fehlt allgemein, wie an der amerikanischen Küste, und ich finde überhaupt einen so unmerklichen Unterschied zwischen diesen beiden Völkern, daß ich sehr geneigt bin, zu glauben, daß sie von Einem Stamm entsprossen sind. Die Tschuktschen, welche wir hier sahen, waren von starkem Körperbau und über mittlerer Größe, eine Bemerkung die ich auch dort machte; die Kleidung ist sich an beiden Orten ganz gleich, nur sind die Amerikaner reinlicher und ihre Arbeiten schienen mir mit mehr Kunst und Geschmack verfertigt. Die Tracht dieser Völker ist von unserem Maler treu gezeichnet; ihre Waffen bestehen aus Pfeilen, Bogen, Messern und Lanzen, letztere durchgängig von Eisen, mit kupfernen Verzierungen. Messer gibt es hier von drei Gattungen; die erste, eine Elle lang, wird in einer Scheide an der linken Seite getragen; die zweite, ein wenig kürzer, wird unter dem Kleide am Rücken verwahrt, so daß der Griff über der linken Schulter um einen Zoll hervorragt; das dritte Messer, nur einen halben Fuß lang, verstecken sie im Ermel, und gebrauchen es nur zur Arbeit. Die Frauen tatuiren sich Arme und Gesicht. Hier sowohl, als an der gegenüberliegenden Küste bemerkten wir, daß Augenkrankheiten häufig waren, woran wohl der lange Winter Schuld haben mag, denn im Freien blendet sie der Schnee, und in den Jurten greift der Oeldampf die Augen an.

Den 21sten August. Gestern hatte ich alle Anstalten zu einer Fahrt machen lassen, die ich heute unternehmen wollte, um die Bay kennen zu lernen, und zu untersuchen, wie weit sie sich nach W erstrecke. Das Wetter war am Morgen zu schlecht dazu, und als es sich gegen Mittag aufklärte, besuchten uns die Bewohner des Dorfes Nuniagmo (wo einst Cook gelandet war) mit ihren Weibern auf sechs Baydaren. Ehe sie ans Schiff kamen, ruderten sie, unter immerwährendem Gesange, langsam einige Mal drum herum; auf jeder Baydare befand sich einer, der das Tambourin schlug, und ein zweiter tanzte dazu, indem er die lächerlichsten Bewegungen mit den Händen und dem ganzen Körper machte. Endlich bestiegen sie alle, (mit Ausnahme der Weiber, von denen nur eins herauf kam, das abgezeichnet wurde) den Rurick, benahmen sich, ohne das geringste Mißtrauen zu verrathen, ungemein freundschaftlich, umarmten die Matrosen, sangen und tanzten mit ihnen, und ein Schnaps, den ich präsentiren ließ, erheiterte den ohnehin fröhlichen Geist der Tschuktschen noch mehr. Es befand sich einer unter ihnen, der ein ganz russisches Gesicht hatte, und deshalb von den übrigen der Russe genannt ward; auch einige von uns waren der Meinung, daß er wirklich einer wäre und sich nur nicht zu erkennen geben wollte; dieser unterschied sich von den Andern durch einen starken Bart, den er aber ohne alle Furcht von einem Matrosen abrasiren ließ. Ich erklärte meinen Gästen, daß ich am Lande ihre Tänze zusehen wünschte, weil auf dem Schiffe nicht Raum genug dazu wäre; dieses wurde sogleich auf den Böten bekannt gemacht, welche mit Jubelgeschrei den Rurick verließen, um am Lande die Anstalten dazu zu treffen. Ich muß hier bemerken, daß die Tschuktschen und Amerikaner, welche wir gesehen, durch ihre stets frohe Laune eine Ausnahme von allen nordischen Völkern machen.

Um drei Uhr Nachmittags fuhren wir auf drei Böten, gut bewaffnet, ans Land. Die Bewohner Nuniagmos, hatten auf einer Niederung unweit der Zelte unseres alten Freundes bivuakirt; ihre Baydaren waren ans Land gezogen und in einer Linie aufgestellt, so daß sie einigermaßen als Schutzwehr gegen einen Angriff dienen konnten; hinter dieser Linie befanden sich alle Waffen in der besten Ordnung. Wahrscheinlich ist ihnen diese Vorsicht durch die ewigen Kriege, die sie unter einander und gegen die Amerikaner führen, zum Gesetz geworden, und sie vergaßen sie auch hier nicht, so zutraulich sie sich auch außerdem gegen uns benahmen. Sie kamen uns freundlich entgegen, nöthigten uns, auf einige Thierhäute, welche den Baydaren gegenüber ausgebreitet waren, niederzusitzen; ich schenkte, ehe der Tanz anging, den Damen Nähnadeln und Perlen, den Männern Tabacksblätter, und Aller Freude war durch die Wichtigkeit dieser Geschenke sehr erhöht. Jetzt begann der Ball mit einem Solotanz; ein altes, schmutziges, furchtbar häßliches Weib trat hervor, machte die sonderbarsten, und gewiß sehr ermüdende Bewegungen mit dem ganzen Körper, wobei sie aber nicht von der Stelle rückte; sie verdrehte die Augen, und hatte eine bewundernswürdige Geschicklichkeit im Gesichterschneiden, welche alle Zuschauer zum Lachen brachte. Die Musik bestand aus einem Tambourin, und mehrstimmigem Gesänge, der aber für ein europäisches Ohr gar wenig Reiz hatte. Hierauf folgten noch Männer und Weiber, die sich einzeln sehen ließen, aber keiner erreichte die hohe Kunst der Alten. Das Ende des Balls ward durch einen besondern Tanz ausgezeichnet, zwölf Weiber nämlich, setzten sich dicht neben einander in einen Halbkreis, wobei sie sich die Rücken zukehrten, die ganze Gruppe sang, und suchte durch die Bewegungen der Hände und des Körpers den Inhalt ihrer Lieder auszudrücken. Nach Beendigung dieses Tanzes fuhren wir aufs Schiff zurück.

Den 22sten August. Morgens um acht Uhr verließen wir bei hellem Wetter und mäßigem SO Winde mit der Barkasse und der Baydare den Rurick, und erreichten gegen Mittag, nachdem wir 12½ Meile zurückgelegt, das Vorgebirge am südlichen Ufer der St. Lorenz-Bay, wo Herrn Saritscheffs Aufnahme endigt. Hier beschloß ich Halt zu machen, um die Mittagshöhe und einige Winkel zu nehmen. Die Breite fanden wir 65º 43' 11''.

Die Abweichung der Magnetnadel 23º östlich. Auf dem Vorgebirge fanden wir einige Menschen, welche im Begriff waren, zu entfliehen; wir eilten, sie durch einige Geschenke zurückzuhalten, und gewannen dadurch, die Gewogenheit der Furchtsamen in einem solchen Grade, daß sie uns zu unser aller Freude ein Gegengeschenk von sechszehn wilden Gänsen und zwei frisch erlegten Seehunden machten. Wir verloren keinen Augenblick; jeder Matrose ward jetzt Koch, und fünf Gänse reichten hin, uns wohlbehaglich zu sättigen; die Uebrigen wurden für den Rurick gespart. Die Bay ist nicht bewohnt, sondern wird nur der Jagd wegen von den Tschuktschen besucht; die Gänse schienen mit Schlingen gefangen und die Seehunde mit Pfeilen erlegt zu seyn. Nachdem die guten Leute ihre Neugier an uns befriedigt, setzten sie ihren Weg gegen Osten nach der Mündung der Bay fort, und auch wir, gestärkt durch das kräftige Mahl, säumten nicht, unsern Weg nach NW, wo die Bay ihre Richtung zwischen hohen Gebirgen nahm, zu verfolgen. Die Seehunde, welche wir nicht mehr in die ohnehin stark beladenen Böte bringen konnten, blieben bis zu unserer Rückkehr am Ufer liegen. Drei Meilen hatten wir zurückgelegt, als wir zwei ziemlich hohe, felsigte, aber nur von Seevögeln bewohnte Inseln erreichten. Ich nannte die östliche, welche ungefähr drei Meilen im Umfange hat, nach meinem ersten Steuermann: Chramtschenko, die westliche, etwas kleinere, erhielt den Namen des zweiten Steuermanns: Petrof. Bis hierher betrug die Tiefe über zwanzig, zwischen den Inseln aber nur zwölf Faden. Sobald man die Inseln passirt hat, nimmt die Tiefe über einem Boden von Thonerde bis auf acht Faden ab, und hier befindet man sich in vollkommen ruhigem Wasser; die Schiffe können dicht am Ufer stehen, was im Fall einer Ausbesserung sehr zu Statten kommen kann, denn kein Sturm kann ihnen schaden. Nachdem wir seit dem Mittag 7½ Meile gesegelt, erreichten wir das Ende der Bay, welche mit einer runden, seichten Bucht schließt, die vier Meilen im Umfange hat; zwei kleine Flüsse mit herrlichem Wasser, welche ihren Ursprung in den hohen Gebirgen haben, und in mehreren Wasserfällen herabstürzen, ergießen sich hier. Wir waren am Eingange dieser Bucht, am südlichen Vorgebirge, des seichten Wassers wegen, gezwungen zu landen, woher ich hier zu übernachten beschloß. Die Sonne stand noch hoch, die Herren Naturforscher benutzten die Zeit, und auch ich machte einen Spaziergang am Ufer, um meine Neugier zu befriedigen; ich fand es aber hier trauriger, als in der Beeringsstraße, wo wir uns doch in einer noch höheren Breite befanden. Ein Paar elende Weiden, hier und da eine verkrüppelte Pflanze, selten eine Blume, und dieses alles umgeben von hohen, am Gipfel mit Schnee bedeckten Bergen, welche sich steil aus dein Wasser erheben. Der Felsen besteht aus verwittertem Granit, worin ich einige schöne, weiße Marmorstücke fand; im Sande am Ufer, bemerkte ich die frische Spur eines ungewöhnlich großen Bären.

Den 23sten August verließen wir um fünf Uhr Morgens bei schönem Wetter und günstigem Winde unser Nachtlager, mußten aber die Seehunde zurücklassen, die wahrscheinlich von Füchsen und Vögeln halb verzehrt waren. Die Tschuktschen, welche unterdeß einen Wallfisch erlegt, und diesen auf die Sandinsel geschleppt hatten, waren eben beschäftigt, ihn zu zerlegen; auch uns gaben sie von seinem Speck, und konnten nicht begreifen, warum wir solche Leckerbissen verschmähten. Als wir um elf Uhr auf dem Rurick anlangten, erhielt ich durch einen Abgesandten unseres alten Freundes die Nachricht, daß vier lebendige und drei geschlachtete Rennthiere angekommen wären; er ließ mich bitten, diese als ein Geschenk von ihm und seinen Unterthanen anzunehmen, und selbst zu ihrem Empfang ans Land zu kommen. Bald nach Tische machten wir uns auf, trafen die Nuniagnos noch dort, und auch den Alten, welcher auf einem Schlitten hingezogen war, nebst seinem Gefolge. Zuerst lieferte man mir jetzt die geschlachteten, und dann die lebenden, schönen und muntern Rennthiere ab, welche an langen Riemen geschleppt, ihre Führer durch hohe Sätze zu Boden warfen; noch wilder wurden sie, als sie vermöge ihrer Witterung etwas Fremdes spürten, und wir mußten uns sehr in Acht nehmen, weil sie mit ihren Geweihen gewaltig um sich stießen. Der Alte fragte mich, ob man sie nicht lieber schlachten sollte? und kaum hatte ich meine Einwilligung dazu gegeben, als in einem Augenblick alle vier, von ihren Eigenthümern beim ersten Stich ins Herz getroffen, todt zur Erde sanken. Ich suchte meine Dankbarkeit durch verschiedene Geschenke an den Tag zu legen, und verließ sowohl den Alten, als seine Unterthanen, sehr zufrieden mit meiner Freigebigkeit.

Heute besuchten uns noch verschiedene Tschuktschen, welche unter beständigem Singen und Springen ihre Waaren an den Mann zu bringen suchten; besonders zeichnete sich ein Knabe durch seine lustigen Tänze aus, und als ich ihm für einige gewagte Sprünge Tabacksblätter reichen ließ, wiederholte er dieselben, wofür er abermals Bezahlung forderte, und die schrecklichsten Grimassen machte, als er nichts bekam. Mehrere wagten sich in die Kajüte, wo der Spiegel ihnen Grauen verursachte; das Portrait meines Vaters hielten sie für ein Heiligenbild, bückten sich davor und machten Kreuze, wie die Russen. Einer von ihnen trug eine goldene Stickerey, welche er von einem Freunde aus Colima erhalten zu haben behauptete.

Den 25sten August. Meine Absicht, heute die St. Lorenz-Bay zu verlassen, ward durch einen S Wind vereitelt; auch fiel der Barometer, und deutete auf anhaltend schlechtes Wetten. Wir hatten den ganzen Tag viel Besuch, und am Abend kamen aus S noch fünf Baydaren die Bay herunter, wie ich nachher erfuhr aus der Metschigmenskischen Bucht; auch diese waren bei uns, und versprachen, da sie zur Nacht ans nächste Ufer fuhren, morgen ihren Besuch zu wiederholen; sie hatten Weiber, Kinder und ihr ganzes Hauswesen bei sich; ihr Chef, ein ältlicher Mann, besaß eine Flinte, die aber im erbärmlichsten Zustande war. Das Fleisch der Rennthiere haben wir außerordentlich gut gefunden.

Die Tschuktschen brachten uns bisweilen eine Gattung Sarana, welche der Kamtschadalischen ähnlich, nur größer ist, und ganz den Geschmack von guten Kartoffeln hat. Obzwar wir diese gut bezahlten, so konnten wir nur wenig davon bekommen, woraus ich schließe, daß das Einsammeln derselben Schwierigkeiten hat.

Den 26sten hatten wir vollkommene Windstille, welche bis zum 27sten Mittags anhielt; dann erhob sich ein schwacher Wind aus SO, der aber schnell zunahm, und plötzlich um zwei Uhr in einen Sturm ausartete, der so heftig wüthete, daß ich für meine Ankertaue besorgt war, und dem Himmel für den sichern Platz dankte, auf dem ich stand. Er dauerte bis um zwölf in der Nacht, und ward dann allmälig gelinder; der niedrigste Stand des Barometers während dessen war 28, 70.

Den 28sten gegen Abend, klärte sich das Wetter auf, ein frischer SO Wind aber hielt mich ab, unter Segel zu gehn; der Barometer stieg auf 29, 44. Nachmittags fuhr ich ans Land, um meinen alten Freund aufs Schiff einzuladen. Die Tschuktschen aus der Metschigmenskischen Bucht bivuakirten am Ufer, ich hielt mich aber nicht lange bei ihnen auf, sondern ging zu meinem Alten, der zwar sehr erfreut über meinen Besuch war, sich aber nur mit vieler Mühe überreden ließ, ans Schiff zu kommen. Nicht sowohl sein Alter als die Furcht, daß ich ihn ganz mitnehmen wollte, machte ihn fast unerbittlich. Als ich, um ihn hierüber zu beruhigen, ihm begreiflich machte, daß wir ganz contrairen Wind hätten, meinte er: »kein Wind kann euch abhalten, denn ihr segelt gegen den Wind!« Die Tschuktschen sind zu dieser Ueberzeugung gelangt, durch unsere bei dem Wind, scharfsegelnde Böte, und eilten jedes Mal, wenn wir bei contrairem Winde ankamen, haufenweise ans Ufer, um die Erscheinung anzustaunen. Die Segel auf ihren Baydaren bestehen nur aus einem viereckigen Leder, und dieses, nebst der flachen Bauart ihrer Böte, ist Schuld, daß sie nur mit gutem Winde segeln können. Endlich entschloß sich der Alte aufs Schiff zu kommen; ein junger rüstiger Tschuktsche nahm ihn auf die Schultern und trug ihn mit Leichtigkeit, Berg auf, Berg ab. Während ich mit der Einladung beschäftigt gewesen war, hatte ein Tschuktsche von der Metschigmenskischen Bucht einem meiner Leute mit Gewalt eine Scheere abgenommen, und das Messer gezogen, um sich seiner Beute zu versichern. Diese Begebenheit wäre blutig abgelaufen, wenn der Zufall nicht gerade einen von der Partie meines Freundes herbeigeführt, welcher dem Missethäter gleich wie ein Pfeil auf den Leib sprang, und ihm so seinen Raub abjagte; auch sein Chef war herbeigelaufen um Ruhe zu stiften, und als ich diesem den Vorwurf machte, daß seine Leute sich schlecht aufführten, führte er mich statt aller Antwort an eine Stelle, wo man einen Kreis auf die Erde gezeichnet, ungefähr einen Faden im Durchmesser; hier mußte der Sünder in kurzem Trabe immerfort nach einer Seite laufen. Diese Strafe ist so peinlich als seltsam, und ich glaube nicht, daß Jemand lange so laufen kann, ohne hinzufallen. Der Alte folgte mir in seiner eigenen Baydare, ward aufs Schiff gehoben, und begleitet von zwei vornehmen Tschuktschen in die Cajüte getragen, wo sich alle drei so anständig betrugen, daß sie manchem Europäer, den ich am Schiff gehabt, zum Muster hätten dienen können. Die vielen neuen Gegenstände hier, erregten ihre Aufmerksamkeit, und erweckten sie, wie es mir schien, zu sehr ernsthaften Betrachtungen. Ich ließ meinen Gästen Thee geben, dessen Gebrauch sie nicht kannten; sie warteten ab, was ich mir meiner Tasse anfangen würde, folgten dann meinem Beispiele, und der Genuß des süßen Thees gefiel ihnen wohl. Die Tschuktschen leben in ewiger Feindseligkeit mit den Amerikanern, und mein ehrwürdiger Gast erklärte sie alle geradezu für schlechte Menschen. Zum Beweis seiner Behauptung sagte er, daß sie freundlich thäten, so lange sie sich schwächer glaubten, ohne Umstände aber den Fremden beraubten und ermordeten, wenn sie ihm überlegen wären, und es ohne eigene Gefahr thun könnten; zu diesem Behuf meinte er, trügen sie die Messer im Aermel; und ihre Weiber gebrauchten sie, um den Fremden anzulocken. Einige Portraits, welche unser Maler an der amerikanischen Küste verfertigt, erkannten sie sogleich an den Knochen unter der Lippe, und einer meiner Gäste rief lebhaft, indem er sein Messer zog: »treffe ich einen solchen Kerl mit zwei Knochen, so durchbohre ich ihn!« Auf meine Frage, wo die Amerikaner das Eisen herbekämen, erhielt ich zur Antwort: aus Colima. Sie sprachen mancherlei darüber, der Dolmetscher aber verstand nur so viel, daß die Amerikaner zu Wasser sich nach N in die Nähe von Colima begeben, ob sie aber dort mit Russen oder Tschuktschen Handel treiben, konnten wir nicht herausbringen, und ich bedauerte sehr, keinen guten Dolmetscher zu haben. Nach einer halben Stunde verließ mein Alter das Schiff; meine Geschenke nahm er nur mit Widerwillen, weil er meinte, mir kein würdiges Gegengeschenk machen zu können. Ich habe dieses Zartgefühl bei den Uebrigen nicht bemerkt; eine solche Sorge hielt keinen ab, alles herzlich gern anzunehmen. Dem Alten gab ich ein Blatt Papier, worauf ich meinen Dank für seine gute Aufnahme geschrieben; er schien es nach einiger Erklärung zu begreifen, und verwahrte es sorgfältig. Noch bat ich ihn, wenn ich im künftigen Jahre wieder herkäme, einige Rennthiere für mich in Bereitschaft zu halten; er versprach es gern und mit dem Zusatze, daß er mich dann noch reichlicher damit versorgen wolle.

Mit dem heutigen Tage endige ich unsern Aufenthalt in der St. Lorenz-Bay und will zum Schluß noch einige Bemerkungen und Observationen, die ich hier gemacht, beifügen. Mich auf eine weitläuftige Beschreibung dieser Bay einzulassen, halte ich für überflüßig, da sie durch Bellings und Saritscheffs Reise hinlänglich bekannt ist. Das Land, so unfruchtbar und jämmerlich es ist, scheint mir reich an Pelzwerk, von dem wir sehr viel gesehen, obgleich die Tschuktschen uns nie welches verhandelten. Besonders häufig trifft man hier die Gewratschka, ein Thier, das seine Wohnung, welche zwei Oeffnungen hat, unter der Erde baut und gewöhnlich vor einer derselben sitzt und pfeift; sein Fell gibt eine leichte Sommerkleidung, und der Tschuktsche zwingt es, wenn er es fangen will, durch Wasser, das er in eine Oeffnung gießt, zur andern herauszukommen. Eine besondere Gattung Mäuse, die sich in der Erde aufhalten, haben wir hier getroffen; Landvögel scheint es hier nicht zu geben, denn wir haben keinen einzigen gesehen.

Wenn der Tschuktsche eine Sache bewundert, so wiederholt er oft das Wort: Mezenki; ruft er jemand, so sagt er: Tumutum. Der Alte erzählte uns, daß jetzt die Zeit der starken Stürme nahe sey, der letzte wäre nur ein schwacher Wind gewesen.

Er machte uns begreiflich, daß bei einem wirklichen Sturm sich kein Mensch auf den Füßen erhalten könnte, sondern sich gleich platt an die Erde legen müßte. – Die Berührung der Nase beim Gruße, ist hier nicht gebräuchlich. – Der Wallfisch, welchen sie neulich gefangen, war bei dem letzten Sturm durch das hohe Wasser vom Ufer abgespült, und gerieth nicht weit vom Lande in unserer Nähe auf den Grund; da sie ihm am Kopf schon viel Fleisch und Speck weggeschnitten hatten, so bekam dadurch der hintere Theil das Uebergewicht, und senkte sich auf den Boden. Es war dort sieben Faden tief, und dieses betrug 2/3 von der Länge des Fisches. Mir schien dieser ungeheuer groß, in Unalaska aber erfuhr ich, daß sie zuweilen dreißig Faden lang sind; diese nennen sie dort Aliamak, und man sagte mir, daß die Leute, welche an den beiden Enden des Thieres beschäftigt sind, entsetzlich schreien müßten, um sich einander verständlich zu machen.

Breite von unserm Ankerplatz, das Mittel aus mehreren Observationen 65º 39' 33''. Abweichung der Magnetnadel 24º 45' 0''. Breite der westlichen Spitze der niedrigen Insel 65º 37' 38''. Länge nach den Chronometern 171º 12' 30''.

Den 29sten August Morgens erhob sich ein schwacher Wind aus N den wir sogleich benutzten; am Mittag hatten wir die niedrige Insel umsegelt, der Wind setzte sich in NNO fest, und ich richtete den Cours nach der östlichen Spitze der St. Lorenz-Bay, um diese zu untersuchen; hierauf wollte ich meinen Lauf nach der Untiefe Choal Rees nehmen, um den äußersten schiffbaren Rand derselben zu erforschen. Gegen Abend verloren wir das Land aus dem Gesicht, der Wind wurde stark, und alle Vorboten eines Sturmes, der sich auch bald aus NO erhob, waren da. Um Mitternacht wüthete er am heftigsten, und obzwar unsere Marssegel ganz gerifft waren, fürchtete ich doch, daß die starken Windstöße, veranlaßt durch die Nähe des Landes sie herunter reißen möchten; dennoch mußte ich Segel tragen, um der Gefahr ans Land getrieben zu werden, zu entgehen. Durch die starke Strömung welche in diesem Meere Statt findet, thürmten sich die Wellen hoch und spitz, und glichen rasch auf einander folgend, einer heftigen Brandung. Nie ist unser kleiner Rurick so gewaltsam hin und her geschleudert worden; kaum war er mit der einen Seite im Meere, als die Gewalt einer zweiten Welle, die andere Seite unterzutauchen zwang, und ich begreife nicht, wie die Masten diese heftige Bewegung ausgehalten haben. Es regnete stark, und eine Dunkelheit, bei der man blindlings umhertappen mußte, verbunden mit der Strömung und der Nähe des Landes machte unsere Lage sehr gefährlich.

Den 30sten August Morgens sieben Uhr, legte sich der Sturm, und das Wetter wurde heiter. Gegen Mittag wandte sich der Wind nach N ward frisch, und wehte um acht Uhr Abends stark aus W. Die Wellen liefen hoch, aber regelmäßig. Da ich glaubte, mich in der Nähe der St. Lorenz-Insel zu befinden, ließ ich beilegen indem ich mich der Strömung wegen auf die Schiffsrechnung nicht verlassen, und leicht auf die Insel stoßen konnte. Den 31sten um vier Uhr Morgens setzte ich bei mäßigem W Winde den Lauf nach SSO fort. Den Horizont bedeckten dichte Nebelwolken, welche undurchdringlich waren, und da mir durch diese, die Bestimmung der östlichen Seite der St. Lorenz-Insel, ohne großen Zeitverlust unmöglich war, so beschloß ich, an ihr vorbei zu segeln. Es war mir zu wichtig, noch zeitig genug in Unalaska einzutreffen, weil ich von dort nach Kodiak schicken mußte, um mir zum nächsten Jahre einen Dolmetscher bringen zu lassen. Ein solcher Bote geht auf einer dreisitzigen Baydare längs der südlichen Küste von Aliaksa; bei zu später Jahrszeit ist es unmöglich, diese Reise zu unternehmen, welche man schon im Sommer ein Wagstück nennen kann, denn diese Böte, oder Posten, wie man sie in Unalaska nennt, gehen nicht selten verloren.

Am Mittag erhaschten wir auf einen Augenblick die Sonne, und fanden die Breite 63º 13', Länge der Chronometer nach der Schiffsrechnung 167º 54'. Von hier richtete ich den Cours S.t.S ½ O um School Rees zu untersuchen; die Tiefe nahm von neunzehn Faden bis Mitternacht auf 15½ ab, der Boden bestand aus Thonerde. Der Wind variirte von NW nach NO, dabei trübes Wetter und Regen.

Den 1ten September. Um neun Uhr wehte der Wind stark aus NW. Die Tiefe betrug nur 13½ Faden über einen Grund von grauem Sande. Der Wind ward so heftig, daß wir gezwungen waren, alle Riffe zu nehmen; der Barometer kündigte einen heftigen Sturm an; alles dieses bewog mich, die Untersuchung von School Rees aufzugeben. Wir befanden uns schon in einer sehr gefährlichen Lage, da der nordwestliche Sturm uns nicht erlaubte, nach W, der einzigen Richtung die uns vor Untiefen sicherte, vorzurücken. Ich steuerte unter gerifften Marssegeln, welche eigentlich des Sturmes wegen, ganz eingenommen seyn mußten, S.W.t.W ½ W. Um elf Uhr hatte die Tiefe schon bis auf neun Faden abgenommen; meine Unruhe war groß, denn unsere Lage verschlimmerte sich; plötzlich fanden wir gegen Mittag wieder fünfzehn Faden Tiefe, diese blieb bis sechs Uhr, nahm gegen die Nacht noch zu, und wir waren der drohenden Gefahr entrissen, als auch der Wind nachgab, und der Himmel sich während der Nacht aufklärte.

Den 2ten September. Die freundlich aufgehende Sonne, ein Anblick den wir lang entbehrt, verkündigte einen schönen Tag, der Wind wehte frisch aus Westen und ich steuerte S.t.O. nach Unalaska. Kurz vor Mittag nahm ich einige Höhen, aus welchen die Breite berechnet, 59º 42', Länge nach den Chronometern 169º 53'. Die Tiefe 26 Faden über feinem, weißen Sande.

Den 3ten. Um sechs Uhr Nachmittags ward vom Mastkorb aus, die Insel St. Paul in S.W.t. in einer Entfernung von zwanzig Meilen gesehen; es waren nur drei Hügel sichtbar, welche kaum über dem Horizont hervorragten, wahrscheinlich die höchsten Stellen der Insel, die aus niedrigem Lande bestehen soll. Viele Wasservögel flogen um das Schiff, so furchtlos, daß einige davon sich fangen ließen. Am folgenden Morgen segelten wir der Insel St. Georgien in einer Entfernung von achtzehn Meilen vorbei; sie lag uns in W und der kaum anbrechende Tag erlaubte uns nicht, sie deutlich zu sehen.

Ein starker NNW führte uns rasch auf Unalaska zu; um acht Uhr Morgens entdeckten wir in S ein Schiff, kaum bemerkbar durch die weite Ferne. Seit Brasilien war es das Erste dem wir begegneten, und in diesem Meere erwarteten wir ein solches Zusammentreffen am wenigsten. Als wir es am Mittag eingeholt, zeigte ich die Flagge, und nachdem der Scuner von zwei Masten dasselbe gethan, erkannte ich, daß er der russisch-amerikanischen Kompagnie gehörte. Er hatte, wie ich durch eine kurze Unterredung erfuhr, von den Inseln St. Paul und St. Georgien eine Ladung Felle eingenommen, und brachte diese nach der Insel Sitka.

Den 5ten September. Nachdem wir eine stürmische Nacht überstanden, befanden wir uns nach der Schiffsrechnung zwanzig Meilen von Unalaska entfernt; ein dichter Nebel, welcher das Land verbarg, raubte uns die Hoffnung, noch heute den Hafen zu erreichen. Um fünf Uhr Nachmittags verzog er sich auf einen Augenblick, und wir sahen in geringer Entfernung ein hohes Land, welches ich für die NO Spitze der Insel Unalaska hielt; da er aber gleich wieder das Land verhüllte, mußten wir in See gehen, und die ganze Nacht bei seinem Regen und schwachem NO Winde laviren.

Den 6ten bei Anbruch des Tages verschwand der Nebel, und die NO Spitze der Insel, welche wir jetzt ganz deutlich sahen, war nur sechs Meilen von uns entfernt. Selten wird ein Seefahrer einen so grauenvollen und öden Anblick haben, als diese Insel, besonders von ihrer NO Seite gewährt. Schwarze Lavaufer steigen senkrecht aus dem Meere empor, bis zu einer Höhe, welche ewiges Eis bedeckt. Die ganze Insel scheint aus lauter spitzen, dicht neben einanderliegenden Bergen zu bestehen, wovon einige so hoch sind, daß ihre Gipfel bis in die Wolken reichen. Heute war der Anblick minder traurig, denn selbst die höchsten Gipfel waren wolkenlos, und die Sonne malte ihre Eisdecke rosenroth. Um sechs Uhr erhob sich ein mäßiger Wind aus SO, der, weil er contrair war, uns zwang, den Tag und die ganze Nacht in der Nähe von Unalaska zu laviren. Am 7ten September erhob sich endlich ein zwar nur schwacher, aber günstiger Wind aus NO, den wir benutzten, indem wir den Cours auf den Hafen Illiuliuk nahmen, wo die amerikanische Kompagnie eine Besitzung hat; kaum aber hatten wir uns dem Eingange des Hafens, welcher von hohen Bergen umringt ist, genähert, so hörte der Wind ganz auf. Vor dem Eingange zu ankern ist unmöglich, da man auf hundert Faden keinen Grund findet, und die augenblicklichen Windstöße, aus verschiedenen Richtungen, machten das Einlaufen gefährlich, da wir so leicht aufs Land getrieben werden konnten; unterdeß war die Nachricht von der Ankunft eines Schiffes im Hafen bekannt geworden, und der Agent der amerikanischen Kompagnie Kriukof, kam mir fünf großen, vier und zwanzig rudrigen Baydaren, um uns in den Hafen zu bugsiren, eine Aufmerksamkeit, die wir alle mit Dank erkannten, da wir ohne dieselbe ihn heute nicht hätten erreichen können. Hier gewährten uns die vielen Aleuten, in ihren kleinen, einsitzigen Baydaren, welche die Neugier herbeigetrieben, einen seltsamen Anblick. Um 1 Uhr Nachmittags ließen wir die Anker im östlichen Theil des Capitain-Hafens, dem Dorfe Illiuliuk gegenüber, fallen. Man liegt hier sehr sicher, und man könnte in der Welt keinen bessern Hafen finden, wenn das Ein- und Auslaufen nur nicht so schwer wäre. Herr Kriukof hatte, um uns zu erquicken, ein Bad nach russischer Art bereiten lassen, und dieses Nationalbad, das dem Russen nach einer langen Reise ein unentbehrliches Bedürfniß ist, ward uns noch angenehmer, durch die Erinnerung an das liebe Vaterland.

Obzwar auf Unalaska und den übrigen Aleutischen Insel» nur zwölf Stück Rindvieh, welche der amerikanischen Kompagnie gehören, befindlich sind, so ließ doch Herr Kriukof noch heute einen Ochsen schlachten, und schickte täglich der ganzen Mannschaft frisches Fleisch; auch mit Kartoffeln, Rüben und Rettig, den einzigen Gemüse-Gattungen, die hier fortkommen, versorgte er uns aus seinem Garten; diese frischen Lebensmittel gaben uns Allen neue Kräfte, und ich hatte die Freude, meine Mannschaft vollkommen gesund zu sehen. Den 8ten September Morgens, lief das kleine Fahrzeug Tschirik, welches wir zwischen Unalaska und St. Paul gesehen, in den Hafen. Von dem Kapitain desselben, Herrn Binzemann, Herr Binzemann, von Geburt ein Preuße, hat den größten Theil seines Lebens auf der See zugebracht, wo er verschiedene Kauffarthei-Schiffe führte, und ist jetzt im Dienste der amerikanischen Kompagnie. erfuhr ich, daß man von der Insel St. Paul, die er kürzlich verlassen, bei sehr heiterem Wetter eine Insel in S.W.t.W. sehen könne; er habe den Versuch gemacht, diese jetzt aufzufinden, sey aber durch die Nebel daran verhindert worden. Auch Herr Kriukof, welcher vor mehreren Jahren einige Zeit auf St. Paul gelebt, versicherte, von dort aus bei heiterem Wetter Land gesehen zu haben. Ich habe mir fest vorgenommen, im nächsten Jahre auf meiner Fahrt nach der Beeringsstraße, diese Gegend genau zu untersuchen, und sollte diese Insel wirklich existiren, so hoffe ich, sie zu finden.

Meiner Instruction zufolge, sollte ich von Unalaska nach den Sandwich-Inseln gehen, damit meine Mannschaft dort von den gehabten Beschwerden einige Zeit ausruhen, und ich mich zur bevorstehenden Fahrt in die Südsee mit frischen Lebensmitteln versorgen möchte; dieser Plan wäre allerdings gut gewesen; wenn ich dort mit Sicherheit auf die nöthige Provision hätte rechnen können; dieses aber war, nach allen Nachrichten, die ich durch die amerikanischen Schiffscapitains über die Sandwich-Inseln einzog, durchaus nicht zu hoffen. Um also in keine Verlegenheit dieser Art zu gerathen, beschloß ich, von hier nach Californien zu segeln, dort in dem schönen Hafen St. Francisco meiner Mannschaft einige Wochen Ruhe zu geben, während dessen das Schiff zu repariren, uns mit Wasser, Holz und Lebensmitteln zu versorgen, und alsdann die Sandwich-Inseln nur auf kurze Zeit zu besuchen.

In Unalaska durfte ich nicht lange verweilen, weil die Navigation hier in später Jahrszeit, der starken Stürme wegen, gefährlich ist; ich befahl also, unsern Wasservorrath so rasch als möglich einzunehmen, um die Reise bald wieder antreten zu können. Unterdeß hatte ich ein Verzeichniß aller meiner Bedürfnisse fürs kommende Jahr aufgesetzt, und dem Agenten der amerikanischen Kompagnie überreicht, welcher, auf Befehl der Direktoren der Kompagnie in St. Petersburg, verpflichtet war, meine Forderungen zu erfüllen; diese bestanden in folgenden:

1. Eine Baydare von 24 Rudern, zwei dergleichen einsitzige, und zwei dreisitzige verfertigen zu lassen; 2. fünfzehn gesunde, starke Aleuten mit ihrer ganzen Amunition bereit zu halten, welche geübt wären, mit den Baydaren umzugehen. 3. Für die ganze Mannschaft Calmaicas von Seelöwen-Hälsen, welche gegen den Regen schützen und undurchdringlich sind, bereit zu halten, und 4. sogleich Jemand nach der Insel Kodiak abzufertigen, um von dort durch den Agenten der amerikanischen Kompagnie einen Dolmetscher zu erhalten, der die Sprache der Völker kenne, welche nördlich von der Insel Alaska die Küste Amerikas bewohnen. Dieser letzte Punkt war am schwierigsten, da die Jahrszeit schon so weit vorgerückt, mit beständigen Stürmen drohte, welche das kleine Fahrzeug den größten Gefahren aussetzte, indem das Landen im freien Ocean sehr beschwerlich, und oft unmöglich ist. Dennoch war mir ein Dolmetscher für die Beeringsstraße zu wichtig; die Sendung mußte unternommen werden, und es fanden sich drei entschlossene Aleuten, welche sich selbst zu dieser Fahrt erboten.

Den 11ten September. Zur Feier des Namenstages unseres Kaisers, gab Herr Kriukof gestern der ganzen Equipage am Lande ein Mittagsmahl, und Nachmittags begaben wir uns in eine große unterirdische Wohnung, wo eine Menge Aleuten zum Tanz versammelt waren. Ich glaube gewiß, daß ihre Spiele und Tänze in früherer Zeit, als sie noch im Besitz ihrer Freiheit waren, anders gewesen sind als jetzt, wo die Sklaverei sie beinah zu Thieren herabgewürdigt hat, und wo dieses Schauspiel weder erfreulich noch belustigend ist. Das Orchester bestand aus drei Aleuten mit Tambourins, womit sie eine einfache, traurige, nur drei Töne enthaltende Melodie, begleiteten. Es erschien immer nur Eine Tänzerin, welche ohne allen Ausdruck ein Paar Sprünge machte, und dann unter den Zuschauern verschwand. Der Anblick dieser Menschen, welche mit traurigen Gebehrden vor mir herumspringen mußten, peinigte mich, und meine Matrosen, welche sich ebenfalls gedrückt fühlten, stimmten, um sich zu erheitern, ein fröhliches Lied an, wobei zwei von ihnen sich in die Mitte des Kreises stellten, und einen Nationaltanz ausführten. Dieser rasche Uebergang erfreute uns alle, und selbst in den Augen der Aleuten, welche bis jetzt mit gebückten Häuptern da gestanden, blitzte ein Strahl der Freude. Ein Diener der amerikanischen Kompagnie ( Promischllenoi) welcher als rüstiger Jüngling sein russisches Vaterland verlassen, und in dieser Gegend alt und grau geworden war, stürzte jetzt plötzlich zur Thür herein, und rief mit gefalteten, zum Himmel erhobenen Händen: »das sind Russen, das sind Russen, o theures, geliebtes Vaterland!« Auf seinem ehrwürdigen Gesichte lag in diesem Augenblick der Ausdruck eines seligen Gefühls; Freudenthränen benetzten seine bleichen, eingefallenen Wangen, und er verbarg sich, um sich seiner Wehmuth zu überlassen. Der Auftritt erschütterte mich, ich versetzte mich lebhaft in die Lage des Alten, dem seine, im Vaterlande glücklich verlebte Jugend, jetzt in schmerzlicher Erinnerung vor die Seele trat. In der Hoffnung, im Schooße seiner Familie ein sorgenfreies Alter genießen zu können, war er hergekommen, und mußte nun, wie viele andere, in dieser Wüste sein Leben enden.


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