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Erstes Kapitel

Seit einiger Zeit macht in Frankreich die Musik entsetzliche Fortschritte. Wir wollen zu Allem, überall, und zu jeder Zeit Musik hören, ob sie gut oder schlecht sei, gilt gleich; wir verlangen nichts als Concerte, Lieder, Melodien oder Tanzmusik.

Man gibt jetzt in Paris musikalische Morgen-, Mittag- und Abend-Unterhaltungen; Gott behüte uns vor den musikalischen Nächten.

Wir sind Alle musikwüthend oder wollen es wenigstens scheinen; die Deutschen und Italiener werden, wenn es so fortgeht, in Kurzem nur noch Kinder gegen uns sein. Wenn man jetzt von einem Ball-Orchester spricht, so würde man es für eine Entehrung hatten, wenn man nicht wenigstens sechzig Musiker darunter verstände, wobei ich die Kalbfellvirtuosen noch nicht einmal mitrechne.

Wo ist die Zeit hingekommen, wo man noch zu der einfachen Musik zweier Geigen und einer Flöte tanzte! Jetzt würde eine solche nicht mehr bei der Hochzeit eines Taglöhners genügen. Heutzutage will man nur Lärm, Blechinstrumente, zerbrochene Stühle, Pistolenschüsse, Mordschläge. Bald wird man bei einem Balle Geschütze in Anwendung bringen und während der Exercizien beim Polygon in Vincennes Quadrillen einstudiren.

Alles lernt Musik. In dem geringsten Salon sieht man ein Pianoforte; man trifft sogar welche in den Logen der Portiers. Alle Schneider spielen Violine; der dreiste Spezereihändlerslehrling lernt das Flageolet; der sentimentale Ellenwaarencommis pipst zur Guitarre; die gebildeten Frauenzimmer singen italienisch, obschon sie es nicht sprechen, und die Grisetten, die nicht italienisch singen, wissen umso mehr von den Franzosen zu singen, und spielen auch häufig ein Instrument.

Neulich machte mir ein Herr, ein großer Musik-Liebhaber, den Vorschlag, ihn in eine musikalische Morgen-Unterhaltung in der Grand-Hurleur-Straße (große Brüllaffenstraße) zu begleiten. Der Name der Straße schien mir zu einem Concerte eben nicht geeignet, allein gerade der Contrast bestimmte mich, meinem Bekannten in diese Versammlung zu folgen. Ein Concert auf der Chaussee d'Antin wäre ein sehr gewöhnliches Vergnügen gewesen; eine musikalische Morgen-Unterhaltung in der Grand-Hurleur-Straße mußte etwas Pikanteres gewähren.

Mein Führer holte mich zu einer bestimmten Zeit ab und schwur mir, daß die Unterhaltung vor Ablauf einer halben Stunde beginnen werde.

Ich mißtraute ihm ein wenig, denn er ist ein abgehärteter Musikfreund, der auf dem Pont-Neuf stehen bleibt, um eine Clarinette zu hören, und alle Fenster aufreißt, wenn eine Orgel in seinen Hof kommt. Indessen ergab ich mich doch darein, ließ mich führen, und wir gelangten zu einem sehr schmutzigen, sehr düstern Hause, welches nie von den Sonnenstrahlen beschienen wird.

Ein kleines Männchen hinter einer Glasthüre unterbrach sein Geschäft, welches im Hosenflicken bestand, um uns zuzurufen:

»Wo gehen Sie hin?« – Ach! ja, wo gehen wir hin?« fragte ich ebenfalls; »ich weiß es in der That nicht.– »Zu Herrn Baluchet,« entgegnete mein Freund.– »Ah! gut, ganz gut! ich weiß schon,« entgegnete der Portier mit einem angenehmen Lächeln. »Sie kommen ohne Zweifel wegen des Concerts! das heißt, wegen der Musik, die oben gemacht werden wird! Gehen Sie nur hinauf. Sie sind die Ersten!...« – »Wir sind die Ersten!« sagte ich, wahrend ich meinen Führer am Frackzipfel zurückzuhalten suchte. »Müssen wir denn die Ersten sein? wir kommen ja viel zu bald!

– »Was schadet das! Wenn bei einer Versammlung Niemand zuerst kommen wollte, wie sollte sie alsdann zu Stande kommen!«

Dieser Einwurf schien mir eben so klar als richtig, so daß ich meinem Freunde ohne weitere Erwiderung folgte.

Er ging zwei Treppen hinauf und brauchte nicht lange zu läuten, da die Eingangsthüre offen stand.

Ein Mann mit einer Bürste in der Hand und einer Serviette unter dem Arme tritt gefällig auf die Seite, um uns vorübergehen zu lassen; ich hätte darauf gewettet, es sei ein Bedienter, wenn mein Freund ihm nicht zugerufen hätte:

»Guten Tag, Herr Baluchet! wie steht's mit der Gesundheit?« – Ah! guten Tag, meine Herren ... Treten Sie ein, treten Sie doch ein! ... – »Ich stelle Ihnen hier einen meiner Freunde, auch einen Musik-Liebhaber, vor ...« – Ah! schön, treten Sie doch ein ... Ei! haben Sie mir keinen Hut, keinen Stock in Verwahrung zu geben? ... – »Danke bestens ... wir behalten unsere Hüte bei der Hand ...« – So treten Sie doch ein ... treten Sie doch ein ...«

Damit schob uns dieser Herr in ein anderes Zimmer, in welches er nicht eintrat, denn er blieb in einem Kabinet zurück, wo die Paletots und Mäntel aufgehängt werden, und bürstete mit einem, des ausgezeichnetsten Lobes würdigen Eifer zwei alte, mit Utrechter Sammet überzogene Lehnstühle aus, welche das ganze Mobiliar des Kabinets ausmachten.

Wir befanden uns in einem Zimmer, dessen Bestimmung ich zu errathen suchte.

Es war kein Schlafzimmer, denn es standen keine Betten darin; es konnte kein Salon sein, denn man sah keinen Stuhl; nur zwei große Tische, die man möglicher Weise für Schreibtische halten konnte, waren in demselben.

Dort trafen wir ein kleines, sieben- bis achtjähriges, à la Henri IV. gekleidetes Mädchen, welches so wunderlich herausgeputzt war, daß man kaum ihr Geschlecht erkennen konnte. Diese äußerst häßliche Kleine, welche die röthlichsten Haare hatte, die man sich denken kann, machte bei unserem Anblick einen Sprung und eine Grimasse, eilte uns entgegen und schrie, während sie unsere Beinkleider mit Händen berührte, welche man für die dunkelsten Handschuhe hätte halten können und uns zurückstieß, aus Leibeskräften:

»Gehen Sie wieder zurück ... Gehen Sie wieder zurück ... Sie dürfen noch nicht herein ... Mama zieht sich an ... Gehen Sie doch zurück! ...«

Ich sah meinen Freund an, der gleich mir stehen geblieben war; wir wendeten uns um, um Herrn Baluchet zu fragen, ob seine Frau in der That noch mit ihrer Toilette beschäftigt sei, aber der Hausherr war bereits wieder in der Kleiderkammer und bürstete seine Lehnstühle aus.

Mein Freund entschloß sich, ihm zu rufen:

»Herr Baluchet, ich glaube, wir kommen zu früh ... es scheint, Ihre Frau Gemahlin ist mit ihre, Toilette noch nicht fertig.«

Herr Baluchet kam mit seiner Bürste und seiner Serviette aus seinem Kabinet heraus und stieß uns, ohne uns zu antworten, wieder in den Salon hinein.

»Treten Sie doch ein ... treten Sie doch ein!...« sagt« er. »Haben Sie Etwas abzugeben?... Wollen Sie Ihren Rock oder Ihren Hut ablegen?« – Nein, nein, wir danken ... das ist es nicht ... aber Ihr Töchterchen sagte uns, daß ...– »Gehen Sie doch hinein ... wozu bleiben Sie denn hier außen?«

Und wahrscheinlich in der Befürchtung, daß wir die Thüre zu seinem Kleiderkabinet versperren wollten, trieb uns Herr Baluchet fast gewaltsam von hinten hinein, aber das liebenswürdige rothhaarige Kind stieß uns wieder von vorn zurück und schrie wie besessen:

»Gehen Sie doch ... Mama ist im Hemde ... gehen Sie ...« – Treten Sie ein!« wiederholte Herr Baluchet, zu seinen zwei Lehnstühlen zurückkehrend.

Wir befanden uns in einer höchst sonderbaren Lage, und diese Einleitung zur musikalischen Morgen-Unterhaltung schien mir schon von glücklicher Vorbedeutung zu sein, als eine Thüre im Hintergründe aufging und eine etwa vierzigjährige, ungeheuer volle Dame, während sie in die Aermel ihres Kleides hineinschlüpfte, welches hinten noch nicht zugemacht war, heraus- und uns entgegentrat.

»Ach, Herr Desroziers! wie liebenswürdig sind Sie, so früh zu kommen! ... Ach wie artig ... Mein Gott! wie gerne habe ich doch pünktliche Leute ... Wollen Sie vielleicht so gefällig sein und mir mein Kleid hinten zumachen, ich weiß nicht, wo Clorinde ist ... sie sucht wahrscheinlich ihre Musik, die sie verlegt hat ... Gott, was ist das für ein Haus! man verlegt hier Alles! ... so ist letzthin mein Muff verloren gegangen! Clorinde behauptet, ihr Schwesterchen habe damit gespielt; die Kleine sagt, ihr Vater habe ihn neulich in seiner Bürgergarden-Uniform, in der Meinung, es sei seine Grenadiermütze, aufgesetzt ... meine Tante versichert mich, sie habe die Katze ihn unter dem Bette herumziehen sehen; kurz, der Muff ist fort!«

Dieser Wortschwall war an meinen Führer gerichtet, dem die eben eingetretene Dame während dieses Ergusses zugleich ihren Rücken zuwendete.

Dieser fing an, das Kleid zuzumachen und sprach: »Erlauben Sie mir, Madame Baluchet, Ihnen hier einen meiner Freunde vorzustellen; einen großen Musik-... rühren Sie sich nicht, ich bitte Sie ... einen großen Musik-... das thut aber den Daumen weh ... Liebhaber.« – Sie machen uns ein großes Vergnügen ... und wenn der Herr sich auch auf einem Instrumente hören lassen oder singen will ... Sind Sie fertig? – »Nein ... es sind noch drei Haken zuzumachen ... Ich glaube nicht, daß ich zu Stande komme ... Das Kleid muß Ihnen zu eng sein!« – O! warum nicht gar! im Gegentheil, viel zu weit! – »Sonderbar, und ich bringe es nicht zu.« Mein Freund konnte nicht mehr: er schwitzte, brach sich die Nägel ab, gab sich die äußerste Mühe; allein es wollte ihm nicht gelingen, die widerstrebenden Speckwülste von Madame Baluchets Rücken in die Haken einzuzwängen.

Ich hatte Mitleid mit ihm, trat naher; er überließ mir mit Freuden seinen Platz, und ich brachte es endlich mit Aufopferung meiner Nägel dahin, den Anzug der Hausfrau zu beendigen.

Sie drehte sich um, machte mir ein Compliment, welches ich ebensowohl hätte für eine Pirouette halten können, und eilte an die Thüre, andere anlangende Personen zu empfangen, so viel ich wenigstens vermuthete; denn ich hörte Herrn Baluchets Stimme auf der Hausflur sagen:

»Treten Sie ein, treten Sie doch ein, es wird bald anfangen.«

Ich konnte nicht umhin, den Vergleich anzustellen, daß der Hausherr Ähnlichkeit mit jenen Männern habe, die mit einem Stocke in der Hand vor den Gauklerbuden stehen und aus Leibeskräften schreien:

»Nur herrr ... ein spaziert, meine Herren und Damen, nur herrrein ... neee ... hmen Sie sich Billete.«

Herr Baluchet hatte zwar allerdings keinen Stock in der Hand, aber die Bürste und die Serviette, die er beständig herumtrug, konnten vollständig dafür gelten.

Endlich gelang es uns in den Salon zu dringen, wo das Concert stattfinden sollte; das kleine rothhaarige Mädchen gestattete uns nun den Durchgang, seit wir ihrer Frau Mutter das Kleid zugemacht hatten. Aber beim Eintritt in das Heiligthum bemerkten wir, daß es keine ganz leichte Sache war, sich Bahn in das Innere zu verschaffen.

Stellt euch ein großes, längliches Gemach vor, welches dermaßen mit Stühlen und Bänken angefüllt ist, daß man sich, wenn man hineingehen will, durch ein Labyrinth von Füßen durchwinden muß, die oft so dicht beisammen stehen, daß gar kein Durchweg möglich ist. Auf der Seite steht ein großes Fortepiano, aber ich begreife nicht, wie die, welche sich darauf hören lassen wollen, dazu gelangen können.

Zwei ungeheure Familiengemälde sind die einzige Zierde dieses Zimmers, wenn man dieselben nämlich eine Zierde nennen kann.

Das eine stellt einen äußerst häßlichen Herrn vor, welcher vor einem Schreibtische steht, der mit einem Haufen Silber und einer Masse Goldstücke bedeckt ist; der Herr hat überdies noch eine Brieftasche in der einen Hand und wühlt darin mit der andern in einer Menge Banknoten herum: das Ganze ist sehr ausdrucksvoll und wer nach diesem Bildnisse nicht begriffe, daß der Herr sehr reich ist, müßte wirklich einen bösen Willen haben.

Das andere ist das Bildniß eines Frauenzimmers, welches zwar jung, aber nie hübsch gewesen sein konnte; sie liegt halb auf einem Divan, hinter ihr steht eine ungeheure Blumenvase, vor ihrem mit Rosen, Syringen und Tulpen angefüllter Blumentisch; zu ihren Füßen hat der Maler sehr geistreich zwei Orangekästen angebracht, die man in der Ferne für zwei Feuerkieken halten könnte; endlich hat die Dame eine Nelke in der Hand und scheint mit Entzücken den Wohlgeruch eines Jasminzweiges einzuathmen, der aus der hinter ihr stehenden Vase gerade auf ihre Nase herabhängt.

Mein Freund, der mich die beiden Gemälde betrachten sah, sagte zu mir:

»Das ist der Vater und die Mutter der Madame Baluchet.« – Ich verstehe, der Vater war sehr reich, und die Mutter eine Blumen-Liebhaberin. Aber ihr Eidam, der so viele Freude am Bürsten und Abstäuben zu haben scheint, hätte auch ein wenig über die ehrenwerthen Eltern hinfahren dürfen. Ach! wer ist das große junge Frauenzimmer, welches unter jenem Vorhang hervorschlüpft?

»Das ist die Tochter und Musikverlegerin des Hauses, Fräulein Clorinde, ein junges siebzehnjähriges Mädchen, welches sehr zerstreut ist, falsch singt, nie den Takt einhält und noch nicht einmal mit beiden Händen zugleich die Tonleiter auf dem Klavier spielen kann, übrigens aber zu den größten Hoffnungen berechtigt.«

Fräulein Clorinde achtet so wenig auf uns, als ob Niemand im Saale wäre. Sie hüpft über die Bänke hinweg, stößt die Stühle herum und sucht in allen Ecken etwas, während sie vor sich hin brummt:

»Ach! wie ärgerlich! Ich finde meine Musik nicht, was mag aus ihr geworden sein? Papa hat am Ende das Feuer damit angezündet ... ihm ist das gleichgültig! ... er verbrennt Alles, was er findet ... Meinethalben! ich singe dann eben nicht.«

Nach dem, was ich von meinem Freunde erfahren hatte, bedauerte ich es durchaus nicht, daß Fräulein Clorinde nicht singen werde.

Aber ein großer Lärm entstand in dem äußern Zimmer, und Herrn Baluchets Stimme (dessen Ruf: »Treten Sie doch ein ... geben Sie mir Ihre Stöcke, Ihre Hüte ...« bis zu uns drang) verkündete uns Gesellschaft; wir wenden uns nach der Thüre, um die Ankommenden zu sehen.

Zuerst tritt eine Dame in einem mit Federn überladenen Hute ein, die fortwährend mit dem Kopfe wackelt, so daß sie in der Entfernung einem Paradepferd gleicht, dem ein Sprungriemen Noth thäte.

Diese Dame hat ein seidenes Kleid mit drei Volantes an, und eine Masse Spitzen, goldene Ketten, schwere Ringe und lange Ohrringe an sich stecken und hängen. Sie stellt im eigentlichen Sinne einen wandernden Bijouterie-Laden vor.

Madame Baluchet, welche die Besuche im Salon empfängt, sagt zu der Dame:

»Gehen Sie dort vor ... setzen Sie sich dem Pianoforte gegenüber ... das ist ein guter Platz, wo Sie nichts von der Musik verlieren.«

Die Dame mit den Juwelen erweist uns die Ehre, sich neben uns niederzulassen, jetzt bemerke ich erst, daß sie sehr ergriffen scheint, und als Madame Baluchet sich ihr einen Augenblick nähert, ruft sie aus:

»Ach, meine theure Freundin! ich weiß nicht ... aber ich besorge ... ich befürchte sehr, daß es heute Etwas gibt ... Meine Herren, haben Sie nicht gehört, daß es Etwas geben werde?«

Diese Frage ward an uns gerichtet, ich blicke meinen Freund an, der nach einigem Zögern erwidert:

»Etwas, Madame? in welcher Art, wenn Sie gütigst erlauben, denn in Paris gibt es alle Tage Etwas?« – Einen Aufruhr, meine Herren, eine Emeute. – »Eine Emeute, Madame, daran ist gar nicht zu denken; wie kommen Sie denn zu dieser Befürchtung?« – Ach! meine Herren, sie rührt daher, weil ich auf dem Wege Männern in Blousen begegnet bin, wovon mich mehrere auf eine sonderbare Weise betrachteten und einige sich sogar, auf mich deutend, Zeichen gaben.«

Ich fand es klar, daß eine Dame, welche ein ganzes Assortiment Geschmeide an sich trug, die Aufmerksamkeit vieler Liebhaber solcher Spielereien auf sich ziehen mußte.

Während übrigens mein Freund sie zu beruhigen suchte, hörte ich Madame Baluchet zu, welche neu angekommene Personen im Salon empfing.

»Ach! da ist Madame Dulorgnon mit ihrem Fräulein ... Ei! wir haben eine Musikrolle in der Hand ... o! das ist recht hübsch ... Ist es etwas Italienisches? ich bin ganz toll mit dem Italienischen! Meine Tochter muß künftiges Jahr auch italienisch singen. Und Sie haben Ihren Kleinen mitgebracht, o wie liebenswürdig! wie wird sich das Herzchen freuen.« – Sauberes Herzchen das!« brummte Fräulein Elorinde vor sich hin, welche in demselben Momente an mir vorüberstreifte. »Er hat fortwährend Hunger und Durst, wenn er da ist! seine Mutter dürfte ihm wohl jedesmal zum Voraus einiges Backwerk kaufen! ... Mutter, ich finde meine Musik nicht! – »Dann singst Du das Lied aus dem sprechenden Bilde: Du warest, was Du nicht mehr bist.«

Ich machte mich bereits darauf gefaßt, von Madame Baluchet einen Vorschmack dieses Liedes zu hören, aber ihre Tochter unterbrach sie mit dem Ausrufe:

»Ich kann das Lied nicht.« – Doch, doch, Du singst es zwar schlecht, aber Du wirst es dadurch besser lernen, und das wird gut für Dich sein.«

Ich wußte nicht, ob es auch für die Gesellschaft gut sein würde, Fräulein Clorinde das Lied aus dem sprechenden Bilde probiren zu hören, aber ich sah, daß das neuangekommene Fräulein Dulorgnon ihrer Mutter etwas in's Ohr sagte, während sie gewaltsam ihre Lachlust unterdrückte.

Der Salon oder besser gesagt, die Bänke füllten sich indeß allmählig.

Madame Baluchet gab sich alle mögliche Mühe, all' ihren Leuten Platz zu verschaffen, und da sie zuweilen nicht schnell genug von einem Theile des Saales zum andern gelangen konnte, stieg sie auf die Bänke hinauf und lief auf diesen umher. Die Lebhaftigkeit, womit sie dieses ausführte, machte den Eindruck auf mich, als ob sie auf's Seil steigen wollte, um eine acrobatische Vorstellung zu geben.


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