Heinrich von Kleist
Prinz Friedrich von Homburg
Heinrich von Kleist

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Fünfter Akt

Szene: Saal im Schloß.

Erster Auftritt

Der Kurfürst kommt halbentkleidet aus dem Nebenkabinett, ihm folgen Graf Truchß, Graf Hohenzollern, und der Rittmeister von der Golz. – Pagen mit Lichtern.

Der Kurfürst.
Kottwitz? Mit den Dragonern der Prinzessin?
Hier in der Stadt?

Graf Truchß (öffnet das Fenster).
                              Ja, mein erlauchter Herr!
Hier steht er vor dem Schlosse aufmarschiert.

Der Kurfürst.
Nun? – Wollt ihr mir, ihr Herrn, dies Rätsel lösen?
– Wer rief ihn her?

Hohenzollern.               Das weiß ich nicht, mein Kurfürst.

Der Kurfürst.
Der Standort, den ich ihm bestimmt, heißt Arnstein!
Geschwind! Geh einer hin, und bring ihn her!

Golz.
Er wird sogleich, o Herr, vor dir erscheinen!

Der Kurfürst.
Wo ist er?

Golz.                 Auf dem Rathaus, wie ich höre,
Wo die gesamte Generalität,
Die deinem Hause dient, versammelt ist.

Der Kurfürst.
Weshalb? Zu welchem Zweck?

Hohenzollern.                                   – Das weiß ich nicht.

Graf Truchß.
Erlaubt mein Fürst und Herr, daß wir uns gleichfalls,
Auf einen Augenblick, dorthin verfügen?

Der Kurfürst.
Wohin? Aufs Rathaus?

Hohenzollern.                     In der Herrn Versammlung!
Wir gaben unser Wort, uns einzufinden.

Der Kurfürst (nach einer kurzen Pause).
– Ihr seid entlassen!

Golz.                                 Kommt, ihr werten Herrn!

(Die Offiziere ab.)

Zweiter Auftritt

Der Kurfürst. – Späterhin zwei Bediente.

Der Kurfürst.
Seltsam! – Wenn ich der Dei von Tunis wäre,
Schlüg ich bei so zweideutgem Vorfall, Lärm.
Die seidne Schnur, legt ich auf meinen Tisch;
Und vor das Tor, verrammt mit Palisaden,
Führt ich Kanonen und Haubitzen auf.
Doch weils Hans Kottwitz aus der Priegnitz ist,
Der sich mir naht, willkürlich, eigenmächtig,
So will ich mich auf märksche Weise fassen:
Von den drei Locken, die man silberglänzig,
Auf seinem Schädel sieht, faß ich die eine,
Und führ ihn still, mit seinen zwölf Schwadronen,
Nach Arnstein, in sein Hauptquartier, zurück.
Wozu die Stadt aus ihrem Schlafe wecken?

(Nachdem er wieder einen Augenblick ans Fenster getreten, geht er an den Tisch und klingelt; zwei Bediente treten auf.)

Der Kurfürst.
Spring doch herab und frag, als wärs für dich,
Was es im Stadthaus gibt?

Erster Bedienter.                     Gleich, mein Gebieter! (Ab.)

Der Kurfürst (zu dem andern).
Du aber geh und bring die Kleider mir!

(Der Bediente geht und bringt sie; der Kurfürst kleidet sich an und legt seinen fürstlichen Schmuck an.)

Dritter Auftritt

Feldmarschall Dörfling tritt auf. – Die Vorigen.

Feldmarschall.
Rebellion, mein Kurfürst!

Der Kurfürst (noch im Ankleiden beschäftigt).
                                        Ruhig, ruhig! –
Es ist verhaßt mir, wie dir wohl bekannt,
In mein Gemach zu treten, ungemeldet!
– Was willst du?

Feldmarschall.           Herr, ein Vorfall – du vergibst!
Führt von besonderem Gewicht mich her.
Der Obrist Kottwitz rückte, unbeordert,
Hier in die Stadt; an hundert Offiziere
Sind auf dem Rittersaal um ihn versammelt;
Es geht ein Blatt in ihrem Kreis herum,
Bestimmt in deine Rechte einzugreifen.

Der Kurfürst.
Es ist mir schon bekannt! – Was wird es sein,
Als eine Regung zu des Prinzen Gunsten,
Dem das Gesetz die Kugel zuerkannte.

Feldmarschall.
So ists! Beim höchsten Gott! Du hasts getroffen!

Der Kurfürst.
Nun gut! – So ist mein Herz in ihrer Mitte.

Feldmarschall.
Man sagt, sie wollten heut, die Rasenden!
Die Bittschrift noch im Schloß dir überreichen,
Und falls, mit unversöhntem Grimm, du auf
Den Spruch beharrst – kaum wag ichs dir zu melden? –
Aus seiner Haft ihn mit Gewalt befrein!

Der Kurfürst (finster).
Wer hat dir das gesagt?

Feldmarschall.                     Wer mir das sagte?
Die Dame Retzow, der du trauen kannst,
Die Base meiner Frau! Sie war heut abend
In ihres Ohms, des Drost von Retzow, Haus,
Wo Offiziere, die vom Lager kamen,
Laut diesen dreisten Anschlag äußerten.

Der Kurfürst.
Das muß ein Mann mir sagen, eh ichs glaube!
Mit meinem Stiefel, vor sein Haus gesetzt,
Schütz ich vor diesen jungen Helden ihn!

Feldmarschall.
Herr, ich beschwöre dich, wenns überall
Dein Wille ist, den Prinzen zu begnadigen:
Tus, eh ein höchstverhaßter Schritt geschehn!
Jedwedes Heer liebt, weißt du, seinen Helden;
Laß diesen Funken nicht, der es durchglüht,
Ein heillos fressend Feuer um sich greifen.
Kottwitz weiß und die Schar, die er versammelt,
Noch nicht, daß dich mein treues Wort gewarnt;
Schick, eh er noch erscheint, das Schwert dem Prinzen,
Schicks ihm, wie ers zuletzt verdient, zurück:
Du gibst der Zeitung eine Großtat mehr,
Und eine Untat weniger zu melden.

Der Kurfürst.
Da müßt ich noch den Prinzen erst befragen,
Den Willkür nicht, wie dir bekannt sein wird,
Gefangen nahm und nicht befreien kann. –
Ich will die Herren, wenn sie kommen, sprechen.

Feldmarschall (für sich).
Verwünscht! – Er ist jedwedem Pfeil gepanzert.

Vierter Auftritt

Zwei Heiducken treten auf; der eine hält einen Brief in der Hand. – Die Vorigen.

Erster Heiduck.
Der Obrist Kottwitz, Hennings, Truchß und andre,
Erbitten sich Gehör!

Der Kurfürst (zu dem anderen, indem er ihm den Brief aus der Hand nimmt).
                                  Vom Prinz von Homburg?

Zweiter Heiduck.
Ja, mein erlauchter Herr!

Der Kurfürst.                         Wer gab ihn dir?

Zweiter Heiduck.
Der Schweizer, der am Tor die Wache hält,
Dem ihn des Prinzen Jäger eingehändigt.

Der Kurfürst (stellt sich an den Tisch und liest; nachdem dies geschehen ist, wendet er sich und ruft einen Pagen).
Prittwitz! – Das Todesurteil bring mir her!
– Und auch den Paß, für Gustav Graf von Horn,
Den schwedischen Gesandten, will ich haben!

(Der Page ab; zu dem ersten Heiducken.)

Kottwitz, und sein Gefolg; sie sollen kommen!


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