Heinrich von Kleist
Das Käthchen von Heilbronn
Heinrich von Kleist

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Vierter Akt

Szene: Gegend im Gebirg, mit Wasserfällen und einer Brücke.

Erster Auftritt

Der Rheingraf vom Stein, zu Pferd, zieht mit einem Troß Fußvolk über die Brücke. Ihnen folgt der Graf vom Strahl zu Pferd; bald darauf Ritter Flammberg mit Knechten und Reisigen zu Fuß. Zuletzt Gottschalk gleichfalls zu Pferd, neben ihm das Käthchen.

Rheingraf (zu dem Troß). Über die Brücke, Kinder, über die Brücke! Dieser Wetter vom Strahl kracht, wie vom Sturmwind getragen, hinter uns drein; wir müssen die Brücke abwerfen, oder wir sind alle verloren! (Er reitet über die Brücke.)

Knechte des Rheingrafen (folgen ihm). Reißt die Brücke nieder! (Sie werfen die Brücke ab.)

Der Graf vom Strahl (erscheint in der Szene, sein Pferd tummelnd). Hinweg! – Wollt ihr den Steg unberührt lassen?

Knechte des Rheingrafen (schießen mit Pfeilen auf ihn). Hei! Diese Pfeile zur Antwort dir!

Der Graf vom Strahl (wendet das Pferd). Meuchelmörder! – He! Flammberg!

Käthchen (hält eine Rolle in die Höhe). Mein hoher Herr!

Der Graf vom Strahl (zu Flammberg). Die Schützen her!

Rheingraf (über den Fluß rufend). Auf Wiedersehn, Herr Graf! Wenn Ihr schwimmen könnt, so schwimmt; auf der Steinburg, diesseits der Brücke, sind wir zu finden. (Ab mit dem Troß.)

Der Graf vom Strahl. Habt Dank ihr Herrn! Wenn der Fluß trägt, so sprech ich bei euch ein! (Er reitet hindurch.)

Ein Knecht (aus seinem Troß). Halt! zum Henker! nehmt Euch in acht!

Käthchen (am Ufer zurückbleibend). Herr Graf vom Strahl!

Ein anderer Knecht. Schafft Balken und Bretter her!

Flammberg. Was! bist du ein Jud?

Alle. Setzt hindurch! Setzt hindurch! (Sie folgen ihm.)

Der Graf vom Strahl. Folgt! Folgt! Es ist ein Forellenbach, weder breit noch tief! So recht! So recht! Laßt uns das Gesindel völlig in die Pfanne hauen! (Ab mit dem Troß.)

Käthchen. Herr Graf vom Strahl! Herr Graf vom Strahl!

Gottschalk (wendet mit dem Pferde um). Ja, was lärmst und schreist du? – Was hast du hier im Getümmel zu suchen? Warum läufst du hinter uns drein?

Käthchen (hält sich an einem Stamm). Himmel!

Gottschalk (indem er absteigt). Komm! Schürz und schwinge dich! Ich will das Pferd an die Hand nehmen, und dich hindurch führen.

Der Graf vom Strahl (hinter der Szene). Gottschalk!

Gottschalk. Gleich, gnädiger Herr, gleich! Was befehlt Ihr?

Der Graf vom Strahl. Meine Lanze will ich haben!

Gottschalk (hilft das Käthchen in den Steigbügel). Ich bringe sie schon!

Käthchen. Das Pferd ist scheu.

Gottschalk (reißt das Pferd in den Zügel). Steh, Mordmähre! – – – So zieh dir Schuh und Strümpfe aus!

Käthchen (setzt sich auf einen Stein). Geschwind!

Der Graf vom Strahl (außerhalb). Gottschalk!

Gottschalk. Gleich, gleich! Ich bringe die Lanze schon. – Was hast du denn da in der Hand?

Käthchen (indem sie sich auszieht). Das Futteral, Lieber, das gestern – nun!

Gottschalk. Was! Das im Feuer zurück blieb?

Käthchen. Freilich! Um das ich gescholten ward. Früh morgens, im Schutt, heut sucht ich nach und durch Gottes Fügung – – nun, so! (Sie zerrt sich am Strumpf.)

Gottschalk. Je, was der Teufel! (Er nimmt es ihr aus der Hand.) Und unversehrt, bei meiner Treu, als wärs Stein! – Was steckt denn drin?

Käthchen. Ich weiß nicht.

Gottschalk (nimmt ein Blatt heraus). »Akte, die Schenkung, Stauffen betreffend, von Friedrich Grafen vom Strahl« – Je, verflucht!

Der Graf vom Strahl (draußen). Gottschalk!

Gottschalk. Gleich, gnädiger Herr, gleich!

Käthchen (steht auf). Nun bin ich fertig!

Gottschalk. Nun, das mußt du dem Grafen geben! (Er gibt ihr das Futtral wieder.) Komm, reich mir die Hand, und folg mir! (Er führt sie und das Pferd durch den Bach.)

Käthchen (mit dem ersten Schritt ins Wasser). Ah!

Gottschalk. Du mußt dich ein wenig schürzen.

Käthchen. Nun, bei Leibe, schürzen nicht! (Sie steht still.)

Gottschalk. Bis an den Zwickel nur, Käthchen!

Käthchen. Nein! Lieber such ich mir einen Steg! (Sie kehrt um.)

Gottschalk (hält sie). Bis an den Knöchel nur, Kind! bis an die äußerste, unterste Kante der Sohle!

Käthchen. Nein, nein, nein, nein; ich bin gleich wieder bei dir! (Sie macht sich los, und läuft weg.)

Gottschalk (kehrt aus dem Bach zurück, und ruft ihr nach). Käthchen! Käthchen! Ich will mich umkehren! Ich will mir die Augen zuhalten! Käthchen! Es ist kein Steg auf Meilenweite zu finden! – – Ei so wollt ich, daß ihr der Gürtel platzte! Da läuft sie am Ufer entlang, der Quelle zu, den weißen schroffen Spitzen der Berge; mein Seel, wenn sich kein Fährmann ihrer erbarmt, so geht sie verloren!

Der Graf vom Strahl (draußen). Gottschalk! Himmel und Erde! Gottschalk!

Gottschalk. Ei, so schrei du! – – Hier, gnädiger Herr; ich komme schon. (Er leitet sein Pferd mürrisch durch den Bach. – Ab.)

 
Szene: Schloß Wetterstrahl. Platz, dicht mit Bäumen bewachsen, am äußeren zerfallenen Mauernring der Burg. Vorn ein Holunderstrauch, der eine Art von natürlicher Laube bildet, worunter von Feldsteinen, mit einer Strohmatte bedeckt, ein Sitz. An den Zweigen sieht man ein Hemdchen und ein Paar Strümpfe usw. zum Trocknen aufgehängt.

Zweiter Auftritt

Käthchen liegt und schläft. Der Graf vom Strahl tritt auf.

Der Graf vom Strahl (indem er das Futteral in den Busen steckt). Gottschalk, der mir dies Futteral gebracht, hat mir gesagt, das Käthchen wäre wieder da. Kunigunde zog eben, weil ihre Burg niedergebrannt ist, in die Tore der meinigen ein; da kommt er und spricht: unter dem Holunderstrauch läge sie wieder da, und schliefe; und bat mich, mit tränenden Augen, ich möchte ihm doch erlauben, sie in den Stall zu nehmen. Ich sagte, bis der alte Vater, der Theobald sich aufgefunden, würd ich ihr in der Herberge ein Unterkommen verschaffen; und indessen hab ich mich herabgeschlichen, um einen Entwurf mit ihr auszuführen. – Ich kann diesem Jammer nicht mehr zusehen. Dies Mädchen, bestimmt, den herrlichsten Bürger von Schwaben zu beglücken, wissen will ich, warum ich verdammt bin, sie einer Metze gleich, mit mir herum zu führen; wissen, warum sie hinter mir herschreitet, einem Hunde gleich, durch Feuer und Wasser, mir Elenden, der nichts für sich hat, als das Wappen auf seinem Schild. – Es ist mehr, als der bloße sympathetische Zug des Herzens; es ist irgend von der Hölle angefacht, ein Wahn, der in ihrem Busen sein Spiel treibt. So oft ich sie gefragt habe: Käthchen! Warum erschrakst du doch so, als du mich zuerst in Heilbronn sahst? hat sie mich immer zerstreut angesehen, und dann geantwortet: Ei, gestrenger Herr! Ihr wißts ja! – – – Dort ist sie! – Wahrhaftig, wenn ich sie so daliegen sehe, mit roten Backen und verschränkten Händchen, so kommt die ganze Empfindung der Weiber über mich, und macht meine Tränen fließen. Ich will gleich sterben, wenn sie mir nicht die Peitsche vergeben hat – ach! was sag ich? wenn sie nicht im Gebet für mich, der sie mißhandelte, eingeschlafen! – – – Doch rasch, ehe Gottschalk kommt, und mich stört. Dreierlei hat er mir gesagt: einmal daß sie einen Schlaf hat, wie ein Murmeltier, zweitens, daß sie, wie ein Jagdhund, immer träumt, und drittens, daß sie im Schlaf spricht; und auf diese Eigenschaften hin, will ich meinen Versuch gründen. – Tue ich eine Sünde, so mag sie mir Gott verzeihen.

(Er läßt sich auf Knieen vor ihr nieder und legt seine beiden Arme sanft um ihren Leib. – Sie macht eine Bewegung als ob sie erwachen wollte, liegt aber gleich wieder still.)

Der Graf vom Strahl.
Käthchen! Schläfst du?

Käthchen.                             Nein, mein verehrter Herr.

(Pause.)

Der Graf vom Strahl.
Und doch hast du die Augenlider zu.

Käthchen.
Die Augenlider?

Der Graf vom Strahl. Ja; und fest, dünkt mich.

Käthchen.
- Ach, geht

Der Graf vom Strahl. Was! Nicht? Du hättst die Augen auf?

Käthchen.
Groß auf, so weit ich kann, mein bester Herr;
Ich sehe dich ja wie du zu Pferde sitzest.

Der Graf vom Strahl.
So! – Auf dem Fuchs – nicht?

Käthchen.                                       Nicht doch! Auf dem Schimmel.

(Pause.)

Der Graf vom Strahl.
Wo bist du denn, mein Herzchen? Sag mir an.

Käthchen.
Auf einer schönen grünen Wiese bin ich,
Wo alles bunt und voller Blumen ist.

Der Graf vom Strahl.
Ach, die Vergißmeinnicht! Ach, die Kamillen!

Käthchen.
Und hier die Veilchen; schaut ein ganzer Busch.

Der Graf vom Strahl.
Ich will vom Pferde niedersteigen, Käthchen,
Und mich ins Gras ein wenig zu dir setzen.
- Soll ich?

Käthchen.         Das tu, mein hoher Herr.

Der Graf vom Strahl (als ob er riefe). He! Gottschalk! –
Wo laß ich doch das Pferd; – Gottschalk! Wo bist du?

Käthchen.
Je, laß es stehn. Die Liese läuft nicht weg.

Der Graf vom Strahl (lächelt).
Meinst du? – Nun denn, so seis!
        (Pause. – Er rasselt mit seiner Rüstung.)
                                                  Mein liebes Käthchen!
        (Er faßt ihre Hand.)

Käthchen.
Mein hoher Herr!

Der Graf vom Strahl. Du bist mir wohl recht gut.

Käthchen.
Gewiß! Von Herzen.

Der Graf vom Strahl.     Aber ich – was meinst du?
Ich nicht.

Käthchen (lächelnd). O Schelm!

Der Graf vom Strahl.                 Was, Schelm! Ich hoff –?

Käthchen.                                                                           O geh!
Verliebt ja, wie ein Käfer, bist du mir.

Der Graf vom Strahl.
Ein Käfer! Was! Ich glaub du bist –

Käthchen.                                               Was sagst du?

Der Graf vom Strahl (mit einem Seufzer).
Ihr Glaub ist, wie ein Turm, so fest gegründet! –
Seis! Ich ergebe mich darin. – Doch, Käthchen,
Wenns ist, wie du mir sagst –

Käthchen.                                       Nun? Was beliebt?

Der Graf vom Strahl.
Was, sprich, was soll draus werden?

Käthchen.                                                   Was draus soll werden?

Der Graf vom Strahl.
Ja! hast dus schon bedacht?

Käthchen.                                   Je, nun.

Der Graf vom Strahl.                             – Was heißt das?

Käthchen.
Zu Ostern, übers Jahr, wirst du mich heuern.

Der Graf vom Strahl (das Lachen verbeißend).
So! Heuern! In der Tat! Das wußt ich nicht!
Kathrinchen, schau! – Wer hat dir das gesagt?

Käthchen.
Das hat die Mariane mir gesagt.

Der Graf vom Strahl.
So! Die Mariane! Ei! – Wer ist denn das?

Käthchen.
Das ist die Magd, die sonst das Haus uns fegte.

Der Graf vom Strahl.
Und die, die wußt es wiederum – von wem?

Käthchen.
Die sahs im Blei, das sie geheimnisvoll
In der Silvesternacht, mir zugegossen.

Der Graf vom Strahl.
Was du mir sagst! Da prophezeite sie –?

Käthchen.
Ein großer, schöner Ritter würd mich heuern.

Der Graf vom Strahl.
Und nun meinst du so frischweg, das sei ich?

Käthchen.
Ja, mein verehrter Herr.

(Pause.)

Der Graf vom Strahl (gerührt). – Ich will dir sagen,
Mein Kind, ich glaub, es ist ein anderer.
Der Ritter Flammberg. Oder sonst. Was meinst du?

Käthchen.
Nein, nein!

Der Graf vom Strahl. Nicht?

Käthchen.                               Nein, nein, nein!

Der Graf vom Strahl.                                         Warum nicht? Rede!

Käthchen.
- Als ich zu Bett ging, da das Blei gegossen,
In der Silvesternacht, bat ich zu Gott,
Wenns wahr wär, was mir die Mariane sagte,
Möcht er den Ritter mir im Traume zeigen.
Und da erschienst du ja, um Mitternacht,
Leibhaftig, wie ich jetzt dich vor mir sehe,
Als deine Braut mich liebend zu begrüßen.

Der Graf vom Strahl.
Ich wär dir –? Herzchen! Davon weiß ich nichts.
- Wann hätt ich dich –?

Käthchen.                             In der Silvesternacht.
Wenn wiederum Silvester kommt, zwei Jahr.

Der Graf vom Strahl.
Wo? In dem Schloß zu Strahl?

Käthchen.                                         Nicht! In Heilbronn;
Im Kämmerlein, wo mir das Bette steht.

Der Graf vom Strahl.
Was du da schwatzst, mein liebes Kind. – Ich lag
Und obenein todkrank, im Schloß zu Strahl.

(Pause. – Sie seufzt, bewegt sich, und lispelt etwas.)

Der Graf vom Strahl.
Was sagst du?

Käthchen.               Wer?

Der Graf vom Strahl.     Du!

Käthchen.                               Ich? Ich sagte nichts.

(Pause.)

Der Graf vom Strahl (für sich).
Seltsam, beim Himmel! In der Silvesternacht –
        (Er träumt vor sich nieder.)
- Erzähl mir doch etwas davon, mein Käthchen!
Kam ich allein?

Käthchen.                 Nein, mein verehrter Herr.

Der Graf vom Strahl.
Nicht? – Wer war bei mir?

Käthchen.                                   Ach, so geh!

Der Graf vom Strahl.                                     So rede!

Käthchen.
Das weißt du nicht mehr?

Der Graf vom Strahl.               Nein, so wahr ich lebe.

Käthchen.
Ein Cherubim, mein hoher Herr, war bei dir,
Mit Flügeln, weiß wie Schnee, auf beiden Schultern,
Und Licht – o Herr! das funkelte! das glänzte! –
Der führt', an seiner Hand, dich zu mir ein.

Der Graf vom Strahl (starrt sie an).
So wahr, als ich will selig sein, ich glaube,
Da hast du recht!

Käthchen.                   Ja, mein verehrter Herr.

Der Graf vom Strahl (mit beklemmter Stimme).
Auf einem härnen Kissen lagst du da,
Das Bettuch weiß, die wollne Decke rot?

Käthchen.
Ganz recht! so wars!

Der Graf vom Strahl.       Im bloßen leichten Hemdchen?

Käthchen.
Im Hemdchen? – Nein.

Der Graf vom Strahl.         Was! Nicht?

Käthchen.                                                 Im leichten Hemdchen?

Der Graf vom Strahl.
Mariane, riefst du?

Käthchen.                       Mariane, rief ich!
Geschwind! Ihr Mädchen! Kommt doch her, Christine!

Der Graf vom Strahl.
Sahst groß, mit schwarzem Aug, mich an?

Käthchen.
Ja, weil ich glaubt, es wär ein Traum.

Der Graf vom Strahl.                                 Stiegst langsam,
An allen Gliedern zitternd, aus dem Bett,
Und sankst zu Füßen mir –?

Käthchen.                                   Und flüsterte –

Der Graf vom Strahl (unterbricht sie).
Und flüstertest, mein hochverehrter Herr!

Käthchen (lächelnd).
O Nun! Siehst du wohl? – Der Engel zeigte dir –

Der Graf vom Strahl.
Das Mal – Schützt mich, ihr Himmlischen! Das hast du?

Käthchen.
Je, freilich!

Der Graf vom Strahl (reißt ihr das Tuch ab).
                  Wo? Am Halse?

Käthchen (bewegt sich).               Bitte, bitte.

Der Graf vom Strahl.
O ihr Urewigen! – Und als ich jetzt,
Dein Kinn erhob, ins Antlitz dir zu schauen?

Käthchen.
Ja, da kam die unselige Mariane
Mit Licht – – – und alles war vorbei;
Ich lag im Hemdchen auf der Erde da,
Und die Mariane spottete mich aus.

Der Graf vom Strahl.
Nun steht mir bei, ihr Götter: ich bin doppelt!
Ein Geist bin ich und wandele zur Nacht!
        (Er läßt sie los und springt auf.)

Käthchen (erwacht).
Gott, meines Lebens Herr! Was widerfährt mir!
        (Sie steht auf und sieht sich um.)

Der Graf vom Strahl.
Was mir ein Traum schien, nackte Wahrheit ists:
Im Schloß zu Strahl, todkrank am Nervenfieber,
Lag ich danieder, und hinweggeführt,
Von einem Cherubim, besuchte sie
Mein Geist in ihrer Klause zu Heilbronn!

Käthchen.
Himmel! Der Graf!
        (Sie setzt sich den Hut auf, und rückt sich das Tuch zurecht.)

Der Graf vom Strahl.
                                Was tu ich jetzt? Was laß ich?

(Pause.)

Käthchen (fällt auf ihre beiden Kniee nieder).
Mein hoher Herr, hier lieg ich dir zu Füßen,
Gewärtig dessen, was du mir verhängst!
An deines Schlosses Mauer fandst du mich,
Trotz des Gebots, das du mir eingeschärft;
Ich schwörs, es war ein Stündchen nur zu ruhn,
Und jetzt will ich gleich wieder weiter gehn.

Der Graf vom Strahl.
Weh mir! Mein Geist, von Wunderlicht geblendet,
Schwankt an des Wahnsinns grausem Hang umher!
Denn wie begreif ich die Verkündigung,
Die mir noch silbern wiederklingt im Ohr,
Daß sie die Tochter meines Kaisers sei?

Gottschalk (draußen).
Käthchen! He, junge Maid!

Der Graf vom Strahl (erhebt sie rasch vom Boden).
                                            Geschwind erhebe dich!
Mach dir das Tuch zurecht! Wie siehst du aus?

Dritter Auftritt

Gottschalk tritt auf. Die Vorigen.

Der Graf vom Strahl.
Gut, Gottschalk, daß du kommst! Du fragtest mich,
Ob du die Jungfrau in den Stall darfst nehmen;
Das aber schickt aus manchem Grund sich nicht;
Die Friedborn zieht aufs Schloß zu meiner Mutter.

Gottschalk.
Wie? Was? Wo? – Oben auf das Schloß hinauf?

Der Graf vom Strahl.
Ja, und das gleich! Nimm ihre Sachen auf,
Und auf dem Pfad zum Schlosse folg ihr nach.

Gottschalk.
Gotts Blitz auch, Käthchen! hast du das gehört?

Käthchen (mit einer zierlichen Verbeugung).
Mein hochverehrter Herr! Ich nehm es an,
Bis ich werd wissen, wo mein Vater ist.

Der Graf vom Strahl.
Gut, gut! Ich werd mich gleich nach ihm erkundgen.

(Gottschalk bindet die Sachen zusammen; Käthchen hilft ihm).

Nun? Ists geschehn?
        (Er nimmt ein Tuch vom Boden auf, und übergibt es ihr.)

Käthchen (errötend).         Was! Du bemühst dich mir?

(Gottschalk nimmt das Bündel in die Hand.)

Der Graf vom Strahl.
Gib deine Hand!

Käthchen.                   Mein hochverehrter Herr!

(Er führt sie über die Steine; wenn sie hinüber ist, läßt er sie vorangehen und folgt. – Alle ab.)

 
Szene: Garten. Im Hintergrunde eine Grotte, im gotischen Stil.

Vierter Auftritt

Kunigunde, von Kopf zu Fuß in einen feuerfarbnen Schleier verhüllt, und Rosalie treten auf.

Kunigunde. Wo ritt der Graf vom Strahl hin?

Rosalie. Mein Fräulein, es ist dem ganzen Schloß unbegreiflich. Drei kaiserliche Kommissarien kamen spät in der Nacht, und weckten ihn auf; er verschloß sich mit ihnen, und heut, bei Anbruch des Tages schwingt er sich aufs Pferd, und verschwindet.

Kunigunde. Schließ mir die Grotte auf.

Rosalie. Sie ist schon offen.

Kunigunde. Ritter Flammberg, hör ich, macht dir den Hof; zu Mittag, wann ich mich gebadet und angekleidet, werd ich dich fragen, was dieser Vorfall zu bedeuten? (Ab in die Grotte.)

Fünfter Auftritt

Fräulein Eleonore tritt auf, Rosalie.

Eleonore. Guten Morgen, Rosalie.

Rosalie. Guten Morgen, mein Fräulein! – Was führt Euch so früh schon hierher?

Eleonore. Ei, ich will mich mit Käthchen, dem kleinen, holden Gast, den uns der Graf ins Schloß gebracht, weil die Luft so heiß ist, in dieser Grotte baden.

Rosalie. Vergebt! – Fräulein Kunigunde ist in der Grotte.

Eleonore. Fräulein Kunigunde? – Wer gab euch den Schlüssel?

Rosalie. Den Schlüssel? – Die Grotte war offen.

Eleonore. Habt ihr das Käthchen nicht darin gefunden?

Rosalie. Nein, mein Fräulein. Keinen Menschen.

Eleonore. Ei, das Käthchen, so wahr ich lebe, ist drin!

Rosalie. In der Grotte? Unmöglich!

Eleonore. Wahrhaftig! In der Nebenkammern eine, die dunkel und versteckt sind. – Sie war vorangegangen; ich sagte nur, als wir an die Pforte kamen, ich wollte mir ein Tuch von der Gräfin zum Trocknen holen. – O Herr meines Lebens; da ist sie schon!

Sechster Auftritt

Käthchen aus der Grotte. Die Vorigen.

Rosalie (für sich).
Himmel! Was seh ich dort?

Käthchen (zitternd).                   Eleonore!

Eleonore.
Ei, Käthchen! Bist du schon im Bad gewesen?
Schaut, wie das Mädchen funkelt, wie es glänzet!
Dem Schwane gleich, der in die Brust geworfen,
Aus des Kristallsees blauen Fluten steigt!
- Hast du die jungen Glieder dir erfrischt?

Käthchen.
Eleonore! Komm hinweg.

Eleonore.                                   Was fehlt dir?

Rosalie (schreckenblaß).
Wo kommst du her? Aus jener Grotte dort?
Du hattest in den Gängen dich versteckt?

Käthchen.
Eleonore! Ich beschwöre dich!

Kunigunde (im Innern der Grotte).
Rosalie!

Rosalie.         Gleich, mein Fräulein! (Zu Käthchen). Hast sie gesehn?

Eleonore.
Was gibts? Sag an! – Du bleichst?

Käthchen (sinkt in ihre Arme).             Eleonore!

Eleonore.
Hilf, Gott im Himmel! Käthchen! Kind! Was fehlt dir?

Kunigunde (in der Grotte).
Rosalie!

Rosalie (zu Käthchen). Nun, beim Himmel! Dir wär besser,
Du rissest dir die Augen aus, als daß sie
Der Zunge anvertrauten, was sie sahn!

(Ab in die Grotte.)

Siebenter Auftritt

Käthchen und Eleonore.

Eleonore.
Was ist geschehn, mein Kind? Was schilt man dich?
Was macht an allen Gliedern so dich zittern?
Wär dir der Tod, in jenem Haus, erschienen,
Mit Hipp und Stundenglas, von Schrecken könnte
Dein Busen grimmiger erfaßt nicht sein!

Käthchen.
Ich will dir sagen – (Sie kann nicht sprechen.)

Eleonore.                         Nun, sag an! Ich höre.

Käthchen.
- Doch du gelobst mir, nimmermehr, Lenore,
Wem es auch sei, den Vorfall zu entdecken.

Eleonore.
Nein, keiner Seele; nein! Verlaß dich drauf.

Käthchen.
Schau, in die Seitengrotte hatt ich mich,
Durch die verborgne Türe eingeschlichen;
Das große Prachtgewölb war mir zu hell.
Und nun, da mich das Bad erquickt, tret ich
In jene größre Mitte scherzend ein,
Und denke du, du seists, die darin rauscht:
Und eben von dem Rand ins Becken steigend,
Erblickt mein Aug –

Eleonore.                         Nun, was? wen? Sprich!

Käthchen.                                                               Was sag ich!
Du mußt sogleich zum Grafen, Leonore,
Und von der ganzen Sach ihn unterrichten.

Eleonore.
Mein Kind! Wenn ich nur wüßte, was es wäre?

Käthchen.
- Doch ihm nicht sagen, nein, ums Himmels willen,
Daß es von mir kommt. Hörst du? Eher wollt ich,
Daß er den Greuel nimmermehr entdeckte.

Eleonore.
In welchen Rätseln sprichst du, liebstes Käthchen?
Was für ein Greul? Was ists, das du erschaut?

Käthchen.
Ach, Leonor', ich fühle, es ist besser,
Das Wort kommt über meine Lippen nie!
Durch mich kann er, durch mich, enttäuscht nicht werden!

Eleonore.
Warum nicht? Welch ein Grund ist, ihm zu bergen –?
Wenn du nur sagtest –

Käthchen (wendet sich). Horch!

Eleonore.                                     Was gibts?

Käthchen.                                                       Es kommt!

Eleonore.
Das Fräulein ists, sonst niemand, und Rosalie.

Käthchen.
Fort! Gleich! Hinweg!

Eleonore.                             Warum?

Käthchen.                                           Fort, Rasende!

Eleonore.
Wohin?

Käthchen.     Hier fort, aus diesem Garten will ich –

Eleonore.
Bist du bei Sinnen?

Käthchen.                       Liebe Leonore!
Ich bin verloren, wenn sie mich hier trifft!
Fort! In der Gräfin Arme flücht ich mich! (Ab.)

Achter Auftritt

Kunigunde und Rosalie aus der Grotte.

Kunigunde (gibt Rosalien einen Schlüssel).
Hier, nimm! – Im Schubfach, unter meinem Spiegel;
Das Pulver, in der schwarzen Schachtel, rechts,
Schütt es in Wein, in Wasser oder Milch,
Und sprich: komm her, mein Käthchen! – Doch du nimmst
Vielleicht sie lieber zwischen deine Kniee?
Gift, Tod und Rache! Mach es, wie du willst,
Doch sorge mir, daß sies hinunterschluckt.

Rosalie.
Hört mich nur an, mein Fräulein –

Kunigunde.                                           Gift! Pest! Verwesung!
Stumm mache sie und rede nicht!
Wenn sie vergiftet, tot ist, eingesargt,
Verscharrt, verwest, zerstiebt, als Myrtenstengel,
Vor dem, was sie jetzt sah, im Winde flüstert;
So komm und sprich von Sanftmut und Vergebung,
Pflicht und Gesetz und Gott und Höll und Teufel,
Von Reue und Gewissensbissen mir.

Rosalie.
Sie hat es schon entdeckt, es hilft zu nichts.

Kunigunde.
Gift! Asche! Nacht! Chaotische Verwirrung!
Das Pulver reicht, die Burg ganz wegzufressen,
Mit Hund und Katzen hin! – Tu, wie ich sagte!
Sie buhlt mir so zur Seite um sein Herz,
Wie ich vernahm, und ich – des Todes sterb ich,
Wenn ihn das Affenangesicht nicht rührt;
Fort! In die Dünste mit ihr hin: die Welt,
Hat nicht mehr Raum genug, für mich und sie! (Ab.)


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