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Chor der Urträume

Das wahre Sein


Allen erstiegenen
Räumen entzogen,
Wandelt ein Äther in strahlenden Bogen,
Geh'n in verschwiegenen
Tiefen die Wogen.


Dort mit dem sehenden
Willen beladen,
Schwenken sich unsere Fähren in Schwaden
Zwischen entstehenden
Wundergestaden.


Dort vor den wärmenden
Augen der Milde
Weifen und winden wir unsre Gebilde
Ringsum die schwärmenden
Sternengefilde.


Dort, dem Verhängnisse
Nimmer verpflichtet,
Haben wir schwebende Burgen errichtet
Und die Bedrängnisse
Jauchzend vernichtet.


Wer dich mit heiligsten
Zügen beschriebe,
Höchste Behausung der sinnenden Triebe,
Warte der eiligsten
Diener der Liebe!


Geister, die mahnende
Winke vertauschen,
Seligster Klänge versöhnendes Rauschen
Darf da der ahnende
Busen belauschen;


Darf sich ersonnene
Sonnen erfliegen,
In den verborgensten Höhen sich wiegen
Und an entronnene
Sterne sich schmiegen;


Darf die verbündeten
Götter mit blanken,
Mutigen Armen des Glaubens umranken
Über entzündeten
Donnergedanken!


Aber wir Trachtenden
Finden uns wieder,
Wenden den Glanz der entlasteten Glieder
Rührig zum schmachtenden
Dunkel hernieder.


Wo wir Empfindungen
Geisterhaft lenken,
Fruchtend als Mütter Befruchtendes schenken, Weltenentbindungen
Denken, erdenken!


Rings die gegründeten
Körper und Räume,
Hüben die Felsen und drüben die Schäume,
Fühlten, verkündeten
Erst sich als Träume.


Wonnig begrenzenden
Trieben ergeben,
Mußten wir nicht im Verlangen erbeben,
Sein durch ergänzenden
Schein zu beleben?


Und in gespreiteten
Flüssen ergossen
Sich die Ereignisse, die wir erschlossen,
Und wir begleiteten
Sie als Genossen.


Denn das Entstammende
Trug schon am Morgen
Sorgen in flammender Hülle verborgen,
Wunderlich flammende
Seelen und Sorgen.


Aber die türmenden
Erstlingsgewalten
Mäßigten, dämpften wir, um zu gestalten,
Machten die stürmenden
Schleudern erkalten;


Ließen die lastenden
Wolken zerwallen,
Hließen die Ströme verträglicher fallen,
Schonend die rastenden
Gluten umschwallen.


Duftig umschlingende,
Himmlische Schleier
Woben wir über die Wälder und Weiher -
Alles Gelingende
Atmete freier;


Alles entartete
Stoffliche Streben
Mußte zu uns das Begehren erheben,
Ihm die erwartete
Würde zu geben.


Seht, und die hämmernden
Krater entschliefen,
Seht, und die Spulen der Schöpfungen liefen
Still um die dämmernden
Höhen und Tiefen!


Statt der entglommenen
Hebungen ragen
Kühlende Gipfel nun - Adler entjagen,
Um den vernommenen
Seher zu tragen. -


Doch wir Beflügelten,
Die nicht ergreisen,
Lieben es, über den sphärischen Gleisen
Hoch auf entzügelten
Rossen zu kreisen.


Aus der entlegensten
Göttlichen Quelle
Tragen wir Perlen zur irdischen Schwelle
Mit der verwegensten
Eile der Helle.


Auf den entbundenen
Flügeln der Lüfte
Streifen wir über die Wipfel und Klüfte
Mit dem empfundenen
Leben der Düfte.


Was auch bedächtige
Kräfte vollbringen:
Nur auf des Traumes entfalteten Schwingen
Läßt sich das Mächtige
Bleibend erringen.


Jede bemeisternde
Größe der Taten,
Alle beschirmenden Engel der Saaten
Sind durch begeisternde
Träume beraten.


Wir sind als zeugende
Hälfte zugegen,
Wo sich Gedanken erfindend bewegen,
Hebende, beugende
Mächte sich regen.


Und der Verständige
Möcht' es entrollen,
Wer es sich schüre, dies Werden und Wollen,
Wer es sich bändige,
Wem es entquollen.


Bis zu der sinnigen
Spindel zu dringen,
Der sich die Fäden der Dinge verschlingen,
Kann nur den innigen
Träumen gelingen.


Aber vertrauliche
Reizende Knaben
Senden wir aus mit beglückenden Gaben,
Um die beschauliche
Seele zu laben,


Um ihr mit leisesten
Zeichen zu sagen:
Liebe nur löst die unendlichen Fragen,
Welche die weisesten
Endlichen wagen.


Aber unsterbliche
Strömungen wühlen,
Wälzen wir auf in den starken Gefühlen,
Um das verderbliche
Blut zu verspülen!


Über den nächtigen
Urnen beginnen
Wir das verlockendste Leben zu spinnen,
Stehend auf prächtigen,
Deutenden Zinnen -


Leben, mit schwingendem
Herzen vernommen,
Leben, mit ringendem Herzen erklommen
Unter erklingendem
Geister-Willkommen:


«Seid, ihr Genesenen,
Liebend umwunden!
Was ihr gesucht in erhebenden Stunden,
Hier, ihr Erlesenen,
Ist es gefunden;»


«Hier in erhabenen
Göttlichen Hallen,
Wo dem Gemüt die Gemüter gefallen,
Wo die begrabenen
Stimmen erschallen» -


«Wo die Bekümmerten
Königlich schreiten,
Leuchtende Seelen ihr Lächeln verbreiten
Um die zertrümmerten
Räder der Zeiten» -


«Hier, ihr Erlesenen,
Ist es gefunden,
Was ihr gesucht in erhebenden Stunden -
Seid, ihr Genesenen,
Liebend umwunden!»


«Nur die verblendeten
Irdischen Toren
Sind für den Schlund der Vernichtung geboren, Geistig vollendeten
Welten verloren!»


«Wohl dem Empfänglichen,
Den wir beschweben,
Den wir beschwingen zum blühendsten Leben,
Ohne vergänglichen
Schatten zu weben!»


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