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(Meinem Vater)
Du leichter Schatten, Wolkenschmetterling,
Erhebt euch, Brüder, tanzt mit meinem Wort,
Ich deck mit diesem Tuche meine Blöße,
Ich habe nie vermeint, mich selber zu erkennen.
Entzündet hat sie Gott, das Weib soll sie behüten.
Ein jeder ist von einer Frau geboren,
Und wünschte mancher, seiner Mutter
Laßt uns die Segel nach den Winden hissen!
Wer schließt das Herz bei göttlichen Gebeten,
Ich schließe meine Blicke nur im Kusse,
Da blinkt erhellt die magische Laterne,
Wir sind nicht Schatten mehr. Wir wurden zu Gestalten.
Wie können wir uns dieses Zwanges wehren?
Du, der Du bist von keinem Mann gezeugt
Ich bin kein Freund der funkelnden Moscheen,
Ich bin, o Gott, dein treuester Vasall,
Ich bin der Tugend Glanz, des Lasters Stank.
Du hast das Mahl für deinen Gast bestellt,
Denn leugne nicht: ich bin dir fremder als
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Ich kam, o Gott, zu spät auf diese Welt.
Du fragtest nicht nach meinem Leid und Glück,
Dies Lager ist kein Teppich des Gebets.
Ich neige bei der Frauen monotonen
Ich will wohl brünstig an das Höchste glauben,
Einst floß die Sintflut über unsren Leibern,
Wie Ambra duften, Mädchen, deine Locken,
Jetzt will ich nur noch deinen Nacken küssen,
Ich rannte kreuz und quer durch dieses Leben,
Doch sah ich nie Geschöpfe, die dir glichen,
Vor deinem Wuchs krümmt sich die schlanke Fichte,
Und doch, wie viele Mädchen sind
Der Mond wird oft noch über den Syringen
Ach, unterm Rosenstock, der blühend winkte,
So will ich lieber tausend Schwüre brechen
Es blüht in mir der grüne Garten Eden,
In mir ist beides: Himmelreich und Hölle.
Und dieser Krug, den ich am Munde halte:
Ich würde weinen, wenn ich Tränen hätte.
Entsetzlichstes der Worte, das erfunden:
Dies lockt zum Laster: daß wir sterben müssen.
Ich bin von einer Nacht zum Morgen wieder
Wo ist die Traurigkeit der vielen Stunden?
Ich trage ein Gestirn an meinem Ringe,
Wenn nachts das Dunkel Gram und Elend brütet,
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Es sprach der Scheik: Du liebst die schönen Mädchen;
Der Engel der Verheißung naht dir dann
Er schlägt Gestein aus deiner harten Brust
Was soll, sprach ich, dein aufgestecktes Wort?
Was nennst du mich Gebirg und Felsengrat?
Des Hochgebirgs Gedenken muß ich hassen,
Geängstigt scheut sie vor dem harten Treiben
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Es schmilzt der Schnee, es schmilzt der Gram der Berge
Wir schmelzen nie. Wir leuchten angekettet
Ich war ein Kind. Nun hab ich selbst ein Kind,
Mein Kind macht seinen ersten Gehversuch.
So wie der Teller, leicht gewölbt, die Last
Wie wild du in den Nordwind schreist und harfst:
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Auf Tafeln ist das Sein uns vorgeschrieben,
Als er mich schrieb, da zitterten die Hände,
Ich bin der Stein am Ringe der Natur
Die Menschheit liegt in einem steten Krieg,
Wir hauen mit den Schwertern auf uns ein,
Und als den Feind ich warf in Staub und Sand,
Der du auf deiner Schwere nur beruhst,
O wolle nicht die Schwachen überblitzen
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Der Gott spielt Schach mit uns. Die schwarzen Felder
So stellt er König, Läufer, Dame, Bauer
Schachmatt. Die Fahnen sinken von den Masten.
Ich geh betäubt zum abendlichen Mahle,
Und als wir unsre Augen höher hoben,
Die Kröten krochen mit azurnen Bäuchen,
Die Sonne raste an der dunklen Kette.
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Am Morgen wacht man auf. Man schlendert in Bazare,
Man eilt zur gleichen Tür hinaus,
Der Veilchen, Nelken, Rosen, Anemonen
Ich bin ein kleines Licht und brenne in den Schenken,
Ich ehre den Koran. Und mir gefällt sein Wesen;
Warum hat Mohammed den süßen Wein verboten,
Der Bote kam zurück. Sein Lächeln sah ich winken:
Bin ich ein Tor? Der Weisheit leichte Zelte,
Nun sitz ich nächtlich unter freiem Himmel
Die sieben Tore öffnen ihre Flügel,
Das Licht singt seine flammenden Gesänge,
Ich darf euch das Geheimnis nicht vertrauen,
Mein Gott, du warfst mir Münzen in die Mütze.
Ich bin zu stolz, es aus dem Dreck zu heben.
Als gestern ich mit den Kumpanen zechte,
Da schlugest du in dem entrückten Dunkel
Was nahmst du mir den Wein? Und löschtest die Laterne?
Du warst von Liebe und von Freundschaft trunken
Ich will die Trunkenheit dir zugestehen.
Du wirst das Paradies für mich verwahren,
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O laß mich sterben, Herr, ich bin ein toter Mann,
Was nützt mir noch ein weiteres Jahrhundert? Fing ich noch einmal an, stürb ich noch einmal dann, Dein Fangballspiel hat Omar nie bewundert. Ich will die Stunden meines späten Tods
Dort steht ein Sarg aus härtestem Metall,
Aus meinem Grabe aber steigt ein Duft
Wenn dann ein Freund der fernen Ahnung lauscht,
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Der Perser Omar Khayyâm (Khayyâm bedeutet Zeltmacher), gestorben 1123 in seiner Vaterstadt Nischapur, ist durch des Ewald Fitzgerald englische Nachdichtung seines Rubaijat, die erstmals 1859 erschien, in der Schätzung Westeuropas zu einem der berühmtesten östlichen Dichter geworden, während man ihn vorher nur als mathematische oder lyrische Kuriosität zu schätzen wußte. Das Rubaijat, eine Sammlung Vierzeiler, deren jeder für sich Phrase und Paraphrase, Ethos und Symbol bedeutet, ist nicht von Omar selbst, sondern von Hörern und Schülern, in deren Kreise er die Vierzeiler improvisierte, niedergeschrieben worden. Welche der Rubaijat, die Omar's Namen führen, ihm mit Sicherheit zuzuschreiben sind, kann heute, vom scharfsinnigsten Philologen selbst, nicht mehr festgestellt werden. Die losen Beziehungen, die in den Rubaijat des Omar zwischen Dichtung und Dichter zu bestehen scheinen, die seine Verse wie Wolken schweben, seine Gedanken wie Schmetterlinge irren lassen – verlocken wie keine andere Dichtung der Weltliteratur zu freiester Nachdichtung. Ewald Fitzgerald hat etwa hundert Vierzeiler, die in der Urschrift in keinerlei Beziehung zu einander stehen, zu einem einzigen sinnvoll-schönen Gedicht binden geformt. Seine Dichtung liegt den meisten deutschen Übertragungen des Omar zugrunde: am besten dünkt mich Fitzgerald's Omar von Hektor Preconi verdeutscht zu sein, der in seiner Übertragung etwa die Hälfte der Vierzeiler Fitzgeralds durch andere aus erst später bekannt gewordenen Quellen ersetzte.
Vorliegender Versuch der Schaffung eines neuen deutschen, nicht auf Fitzgerald beruhenden Omar, geht auf die freundliche Anregung meines Verlegers Dr. Albert Mundt zurück. Unter Benützung aller vorliegenden Quellen: Fitzgerald Rubaijat of Omar Khayyâm (Leipzig, Bernhard Tauchnitz 1910), Th. Quatrains of Omar Khayyâm by S. H. Whinfield (London, Trübner 1882), Strophen des Omar Chijam, deutsch von Adolf Friedrich Grafen v. Schack (Stuttgart, Cotta 1878 – die reichhaltigste deutsche Sammlung von Rubaijat, enthält deren 336) und vieler anderer wurde im Gegensatz zum mehr englisch-moralisierenden Omar des Fitzgerald die intuitive Rekonstruktion eines (selten gesehenen, aber gewiß gewesenen) rebellisch-schwärmerischen Omar erstrebt. Die Methode des Fitzgerald: ein einheitliches Gedicht zu erdenken, wurde beibehalten; die Reimform des Rubaijat a b a a in die deutsche Reimform a b a b verändert.
Irgendwelche Erläuterungen bedürfen meine Verse nicht.
»Am liebsten aber wünschte der Verfasser dieses Gedichtes als ein Reisender angesehen zu werden, dem es zum Lobe gereicht, wenn er sich der fremden Landesart mit Neigung bequemt, deren Sprachgebrauch sich anzueignen trachtet, Gesinnungen zu teilen, Sitten aufzunehmen versteht. Man entschuldigt ihn, wenn es ihm auch nur bis auf einen gewissen Grad gelingt, wenn er immer noch an einem eigenen Akzent, an einer unbezwinglichen Unbiegsamkeit seiner Landsmannschaft als Fremdling kenntlich bleibt. In diesem Sinne möge nun Verzeihung dem Büchlein gewährt sein! Kenner vergeben mit Einsicht, Liebhaber, weniger gestört durch solche Mängel, nehmen das Dargebotene unbefangen auf.« (Goethe, West-östlicher Divan.)
Davos, im September 1916
KLABUND