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Der Bleistift zitterte und das Herz zitterte, als dieses Manuskript entstand, das du jetzt lesen wirst.
Du bist klüger, als der Soldat war, der all das in sein Notizbuch kritzelte, – sechzehn Jahre sind vergangen, Krieg und Frieden sind vergangen mit Lehren, mit Kämpfen um die Mächte und Personen, die wir damals nicht sahen, weil wir in den Schützengraben befohlen waren und auf den Schützengraben gegenüber zu lugen hatten.
Der Herausgeber K. ist mit dem Protokollführer K. nicht mehr identisch.
Die heute erfolgreichen Kriegsbücher sind ohne Zweifel weiser. Sie stellen die Tatsachen von damals auf Grund der Erfahrungen von heute dar, auf Grund der Verhältnisse und Absichten von heute.
Vor dem Resultat sah der Krieg im Grunde überall gleich aus, in den Argonnen wie vor Saloniki, in Serbien wie in den Karpathen, vor Przemysl wie vor Verdun, 1914 wie 1918, auf der sauberen ersten Seite des Notizbuchs wie auf der blutbefleckten letzten. Kriegstagebuch wie Kriegstagebuch.
In das meinige stenographierte ich ununterbrochen. Es war nicht für den Druck gedacht, hat aber dann doch, noch während des Krieges, vergebliche Versuche unternommen, aus dem Schützengraben zu dringen, um sich hörbar zu machen. Schließlich erschien ein Teil davon, und auch das ist schon viele Jahre her, bei K. André in Prag unter dem Titel »Soldat im Prager Korps«. Zur Einleitung wurde damals gesagt:
Wenn einer beim Ausheben der Deckung auf einen verdutzten Maulwurf stieß, so lachte er: »Schreib das auf, Kisch.«
Zwei stritten halb im Scherz: »Wenn du noch mal mein Handtuch benützen wirst, so schmier' ich dir eine Ohrfeige, daß man dir gleich die Erkennungsmarke abnehmen kann!« Und damit diese Warnung auch ordentlich gebucht sei, rief mir mindestens einer der Streitenden zu: »Napiš to, Kischi.«
Wenn ein Kamerad gefallen war, den alle rühmten, dann sagten sie mir: »Er war ein feiner Bursch. Schreib das auf, Kisch.«
Hatte man Rum gefaßt, ging einer auf die Latrine: »Napiš to, Kischi.«
So forderte man (ironisch und ernst) den Journalisten auf, der auch als Soldat stets die Blätter seines Notizbuches bekritzelte, und der Soldat bekritzelte immerfort die Blätter seines Notizbuches, weil man ihn (ironisch und ernst) aufforderte.
Und schließlich wurde das »Schreib das auf Kisch!«, ein geflügeltes Wort, angewendet, auch wenn ich nicht in der Nähe war.
Nicht in Schlagworten habe ich meine Eindrücke niedergeschrieben, sondern genau in der gleichen Form, wie sie hier im Druck vorliegen. Meist mitten im Abenteuer, niemals aber später denn vierundzwanzig Stunden nach dem Erlebnis. Während die anderen wuschen, gruben, kochten oder schliefen. Als ich dann verwundet ins Hinterland kam und meine inzwischen aus dem Stenogramm der Notizbücher übertragenen Eindrücke durchsah, versuchte ich anfangs, hier und da einen Satz zu verändern, der mir unwichtig oder falsch erschien, manchmal ein Wort einzufügen, manchmal einen Gedanken fortzulassen. Aber immer wieder mußte ich diese Korrektur beseitigen, denn sie erwies sich im weiteren Verlaufe als unlogisch und unrichtig: was mir heute falsch erscheint, war damals richtig. Und ich mußte eben das Damals gelten lassen und änderte nichts mehr.
So wird freilich der Leser dieses Protokollbuches erkennen, wie ich mich in Charakteristiken und in Voraussagungen im Felde häufig getäuscht habe. Wenn man über die Tage Buch führt, dann verzeichnet man nicht bloß die geglückten Spekulationen, und wenn man die Aufzeichnungen in Druck legt, so darf man sich nicht klüger machen, als man war. So ließ ich auch die Fehler und Wiederholungen stehen. Manche Tage waren eintönig. Und doch habe ich ihren Verlauf genau verzeichnet, denn dieses Buch schreibt vor allem den gewöhnlichen Tag des gewöhnlichen Soldaten im Kriege.
Das Buch ist den Soldaten des Prager Korps gewidmet: den Freunden, die man dort unten rasch gewann und die man rasch verlor. Oft allzu rasch.