Friedrich Kind
Der Freischütz
Friedrich Kind

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Zweiter Akt.

Vorsaal, mit zwei Seiteneingängen, im altertümlichen Forsthause.
In der Mitte eine auf einen Altan führende, mit Vorhängen bedeckte Thüre
.

No. 6. Duett.

Aennchen. Schelm, halt fest!
Ich will dich's lehren!
Spukerei'n kann man entbehren
In solch altem Eulennest.

Agathe. Laß das Ahnenbild in Ehren!

Aennchen. Ei, dem alten Herrn
Zoll' ich Achtung gern;
Doch dem Knechte Sitte lehren,
Kann Respect nicht wehren. –

Agathe. Sprich, wen meinst du? welchen Knecht?

Aennchen. Nun, den Nagel! Kannst du fragen?
Sollt' er seinen Herrn nicht tragen.
Ließ ihn fall'n, war das nicht schlecht?

Agathe. Ja, gewiß, das war nicht recht.

Aennchen (zugleich). Gewiß, gewiß, das war recht schlecht.

Agathe. Alles wird dir zum Feste,
Alles beut dir Lachen und Scherz –
O wie anders fühlt mein Herz!

Aennchen. Grillen sind mir böse Gäste.
Immer mit leichtem Sinn
Tanzen durchs Leben hin,
Das nur ist Hochgewinn –
Sorgen und Gram muß man verjagen!

Agathe (zugleich). Wer bezwingt des Busens Schlagen?
Wer der Liebe süßen Schmerz?
Stets um dich, Geliebter, zagen
Muß dies ahnungsvolle Herz!


Nr. 7. Ariette.

Aennchen. Kommt ein schlanker Bursch gegangen,
Blond von Locken oder braun,
Blau von Aug' und roth von Wangen,
Ei, nach dem kann man wohl schau'n.

Zwar schlägt man das Aug' ans's Mieder
Nach verschämter Mädchen Art;
Doch verstohlen hebt man's wieder,
Wenn's das Herrchen nicht gewahrt.

Sollten ja sich Blicke finden,
Nun, was hat das auch für Noth?
Man wird drum nicht gleich erblinden,
Wird man auch ein wenig roth.

Blickchen hin und Blick herüber,
Bis der Mund sich auch was traut!
Er seufzt: Schönste! Sie spricht: Lieber!
Bald heißt's Bräutigam und Braut.

Immer näher, liebe Leutchen!
Wollt ihr mich im Kranze seh'n?
Gelt! das ist ein nettes Bräutchen,
Und der Bursch nicht minder schön!


Nr. 8. Scene und Arie.

Agathe. Wie, nahte mir der Schlummer,
Bevor ich ihn geseh'n? –
Ja, Liebe pflegt mit Kummer
Stets Hand in Hand zu geh'n!
Ob Mond auf seinem Pfad wohl lacht?
Welch' schöne Nacht! –

    Leise, leise, fromme Weise!
    Schwing' dich auf zum Sternenkreise.
    Lied, erschalle! Feiernd walle
    Mein Gebet zur Himmelshalle! –

O wie hell die gold'nen Sterne,
Mit wie reinem Glanz sie glüh'n!
Nur dort in der Berge Ferne
Scheint ein Wetter aufzuzieh'n.
Dort am Wald auch schwebt ein Heer
Düst'rer Wolken dumpf und schwer.

    Zu dir wende ich die Hände,
    Herr ohn' Anfang und ohn' Ende!
    Vor Gefahren uns zu wahren,
    Sende deiner Engel Schaaren! –

Alles pflegt schon längst der Ruh';
Trauter Freund! wo weilest du?
Ob mein Ohr auch eifrig lauscht,
Nur der Tannen Wipfel rauscht,
Nur das Birkenlaub im Hain
Flüstert durch die hehre Stille;
Nur die Nachtigall und Grille
Scheint der Nachtluft sich zu freu'n.

Doch wie? täuscht mich nicht mein Ohr?
Dort klingt's wie Schritte –
Dort aus der Tannen Mitte
Kommt 'was hervor! –
Er ist's! er ist's!
Die Flagge der Liebe mag weh'n!
Dein Mädchen wacht noch in der Nacht. –
Er scheint mich noch nicht zu seh'n –
Gott! täuscht das Licht des Monds mich nicht,
So schmückt ein Blumenstrauß den Hut. –
Gewiß, er hat den besten Schuß gethan!
Das kündet Glück für morgen an!
O süße Hoffnung! Neu belebter Muth!

All' meine Pulse schlagen,
Und das Herz wallt ungestüm,
Süß entzückt, entgegen ihm!
Konnt' ich das zu hoffen wagen?
Ja, es wandte sich das Glück
Zu dem theuren Freund zurück!
Will sich morgen treu bewähren!
Ist's nicht Täuschung, ist's nicht Wahn? –
Himmel, nimm des Dankes Zähren
Für dies Pfand der Hoffnung an!


Nr. 9. Terzett.

Agathe Wie? was? Entsetzen!
Dort in der Schreckensschlucht?

Aennchen. Der wilde Jäger soll dort hetzen,
Und wer ihn hört, ergreift die Flucht.

Max. Darf Furcht im Herz des Waidmanns hausen?

Agathe. Doch sündigt der, der Gott versucht!

Max. Ich bin vertraut mit jenem Grausen,
Das Mitternacht im Walde webt,
Wenn sturmbewegt die Eichen sausen
Der Heher krächzt, die Eule schwebt –

Agathe. Mir ist so bang! o bleibe!
O eile, eile nicht so schnell.

Aennchen (zugleich). Ihr ist so bang! o bleibe!
O eile, eile nicht so schnell.

Max. Noch birgt sich nicht die Mondenscheibe,
Noch strahlt ihr Schimmer klar und hell;
Doch bald wird sie den Schein verlieren –

Aennchen. Willst du den Himmel observiren?
Das wär' nun meine Sache nicht.

Agathe. So kann dich meine Angst nicht rühren?

Max. Mich ruft von hinnen – Wort und Pflicht

Alle drei. Leb' wohl!

Max. Doch hast du auch vergeben
Den Vorwurf? den Verdacht?

Agathe (zugleich). Nichts fühlt mein Herz als Beben;
Nimm meiner Warnung Acht.

Aennchen (zugleich). So ist das Jägerleben!
Nicht Ruh' bei Tag und Nacht.

Agathe. Weh' mir! ich muß dich lassen.

Aennchen (zugleich). Such', Beste, dich zu fassen!

Max (zugleich). Bald wird der Mond erblassen!

Agathe. und Aennchen. Denk an Agathe's Wort!

Max (zugleich). Mein Schicksal reißt mich fort!


Nr. 10. Finale.

Wolfsschlucht.

Stimmen unsichtbarer Geister.
Milch des Mondes fiel auf's Kraut – Uhui!
Spinnweb' ist mit Blut bethaut. – Uhui!
Eh' noch wieder Abend graut – Uhui!
Ist sie todt, die zarte Braut! – Uhui!
Eh' noch wieder sinkt die Nacht,
Ist das Opfer dargebracht – Uhui! Uhui! Uhui!

Kaspar. Samiel! Samiel! erschein'!
Bei des Zaub'rers Hirngebein'!
Samiel! Samiel! erschein'!

Samiel. Was rufst du?

Kaspar.. Du weißt, daß meine Frist
Schier abgelaufen ist –

Samiel. Morgen!

Kaspar. Verläng're sie noch einmal mir –

Samiel. Nein!

Kaspar. Ich bringe neue Opfer dir –

Samiel. Welche?

Kaspar. Mein Jagdgesell, er naht, –
Er, der noch nie dein dunkles Reich betrat.

Samiel. Was sein Begehr?

Kaspar. Freikugeln sind's, auf die er Hoffnung baut –

Samiel. Sechse treffen, sieben äffen!

Kaspar. Die siebente sei dein!
Aus seinem Rohr lenk sie nach seiner Braut;
Dies wird ihn der Verzweiflung weih'n,
Ihn und den Vater –

Samiel. Noch hab' ich keinen Theil an ihr!

Kaspar. Genügt er dir allein?

Samiel. Das findet sich!

Kaspar. Doch schenkst du Frist, und wieder auf drei Jahr
Bring' ich ihn dir zur Beute dar?

Samiel. Es sei! – Bei den Pforten der Hölle!
Morgen – er, oder du!


Melodramatische Scene.

Kaspar. Trefflich bedient! – Gesegn' es. Samiel!
Er hat mir warm gemacht! Aber wo bleibt Max?
Sollt er wortbrüchig werden! – Samiel, hilf! –


Recitativ.

Max (auf der Felshöhe). Ha! – Furchtbar gähnt
Der düst're Abgrund! – welches Grau'n!
Das Auge wähnt
In einen Höllenpfuhl zu schau'n!
Wie dort sich Wetterwolken ballen!
Der Mond verliert von seinem Schein!
Gespenst'ge Nebelbilder wallen!
Belebt ist das Gestein,
Und hier – husch! husch!
Fliegt Nachtgevögel auf im Busch!
Rothgraue, narb'ge Zweige strecken
Nach mir die Riesenfaust! –
Nein, ob das Herz auch graust,
Ich muß! Ich trotze allen Schrecken!

Kaspar. (Dank, Samiel! die Frist ist gewonnen.) – – Kommst du endlich, Kamerad? Ist das auch recht, mich allein zu lassen? Siehst du nicht, wie mir's sauer wird?

Max. Ich schoß den Adler aus hoher Luft;
Ich kann nicht rückwärts – mein Schicksal ruft –
Weh' mir!

Kaspar. So komm doch! die Zeit eilt –

Max. Ich kann nicht hinab!

Kaspar. Hasenherz! klimmst ja sonst wie eine Gemse!

Max. Sieh dorthin! steh! Was dort sich weis't,
Ist meiner Mutter Geist!
So lag sie im Sarg, so lag sie im Grab! –
Sie fleht mit warnendem Blick,
Sie winkt mir zurück!

Kaspar. (Hilf, Samiel!) – Alberne Fratzen! Hahaha! Sieh noch einmal hin, damit du die Folgen deiner feigen Thorheit erkennst. –

Max. Agathe! – Sie springt in den Fluß!
Hinab! ich muß!

Kaspar. (Ich denke wohl auch!)

Max. Hier bin ich, was hab' ich zu thun?


Melodram. (Der Kugelsegen.)

Kaspar. Schütze, der im Dunkeln wacht!
Samiel! Samiel! hab' Acht!
Steh mir bei in dieser Nacht,
Bis der Zauber ist vollbracht!
Salbe mir so Kraut als Blei,
Segn' es sieben, neun und drei,
Daß die Kugel tüchtig sei!
Samiel! Samiel! herbei!

(Die Masse in der Gießkelle gährt und zischt und verbreitet grünlichen Schein. Eine Wolke deckt den Mondstreifen, so daß die Bühne nur noch vom Heerdfeuer, den Augen der Eule und dem faulen Holz des Baumes beleuchtet ist. Kaspar läßt die Kugel aus der Form fallen und ruft: Eins! Hier wie später antwortet das Echo auf seinen immer ängstlicher werdenden Ruf. – Waldvögel umflattern das Feuer. – Zwei! – Ein schwarzer Eber jagt wild durch's Gebüsch. – Drei! – Sturm erhebt sich und beugt und bricht die Baumwipfel. – Vier! – Rasseln, Peitschengeknall und Pferdegetrappel. Vier feurige, funkenwerfende Räder rollen über die Bühne. – Fünf! – Hundegebell und Wiehern in der Luft. Die wilde Jagd zieht in der Höhe vorüber.)


Chor des wilden Heeres, (unsichtbar.)

Durch Berg und Thal, durch Schlund und Schacht,
Durch Thau und Wolken, Sturm und Nacht!
Durch Höhle, Sumpf und Erdenkluft,
Durch Feuer, Erde, See und Luft!
Joho! Joho! Wau! Wau!

Kaspar. Wehe! das wilde Heer!
Sechs! – Wehe!

Echo. Sechs! –Wehe!

(Der ganze Himmel wird schwarze Nacht. Die Gewitter treffen furchtbar zusammen, Flammen schlagen aus der Erde; Irrlichter tanzen auf den Bergen.)

Kaspar. Samiel! Samiel! hilf!
Sieben – Samiel!

Max. Samiel!

(Beide zu Boden geschleudert.)

Samiel. Hier bin ich! (Es schlägt Eins.)


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